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Full text of "Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTUM 


UND 


DEUTSCHE  LITTERATÜR 


HERAUSGEGEBEN 


EDWARD  SCHROEDER  und  GUSTAV  ROETHE 


VIERÜNDVIERZIGSTER  BAND 
DEB  NEUEN  FOLGE  ZWEIUNDDREISSIQSTER  BAND 


BERLIN 
WEIDMANNSCHE  BOCHHANDLUNU 
1900. 


INHALT. 

Seite 
Mittelbocbdeatsche  Stadien,  von  Zwierzina 

1.  Adv.  gär  mit   langem  stammvocal   bei  Gotfrid  vStrafsburg 

(vgl.  s.  316) 1 

2.  Prät.  az  mit  langem  oder  kurzem  a  bei  mhd.  epikern    .     .  12 

3.  gegen  und  wider  mit  dem  genetiv  des  Personalpronomens  im 

Nibelungenlied 25 

4.  Das  endungs-e  nach  m  und  n  kurzer  Stammsilben  ....  4S 

5.  Die  plusstrophen  der  vulgata  des  Nibelungenliedes     ...  67 

6.  Die  eigennamen  in  den  reimen  der  Nibelungen 89 

7.  Das  Präteritum  von  hdn  und  tuon 101 

Blatlföllsel  :  Walther  9, 14,  von  Roethe  (vgl.  s.  196)  .     .  116 
Ans  dem  historischen  archiv  der  Stadt  Köln,  von  Franck 

I.  Fragment  von  Hartmanns  Gregor 117 

II.  Fragment  von  bruder  Philipps  Marienleben 117 

III.  Fragment  des  Vetcrbuchs 119 

IV.  Disticba  Catonis 119 

v.  'Vom  andern  land' 123 

Allsäcbsische  worterklärungen  i,  von  Wadstein 131 

Zur  Kudrun,  von  vZingerle 137 

Kasseler  bruchstück  des  Renncvpart,  von  Schröder 146 

Zum  Reinaert,  von  dems 147 

über  die  mhd.  conjunction  unde,  von  Kraus 149 

Münchener  reimpredigt,  von  Roethe  (vgl.  s.  430) 186 

Zu  Zs.  44,  116  (Walther  9, 14),  von  dems 196 

Hadlaub  und  Manesse,  von  RMMeyer 197 

Blattfüllsel  (zu   Konrads  vWurzburg  Schvpanritter) ,  von 

Schröder 222 

Zd  Genesis  und  Heliand,  von  dems 223 

Beiträge  zur  Kudrun,  von  Joseph  und  Schröder 232 

Die  coroposition  der  Trevrizent-scenen,  von  Nolte     .......  241 

Wolfram  Parz.  201,  12,  von  Roethe 248 

Mittelhochdeatsche  Studien,  von  Zwierzina 

8.  Die  e-laute  in  den  reimen  der  mhd.  dichter 249 

Nachtrag  zu  s.  9,  von  dems 316 

Znm  ersten  bekanntwerden  Otfrids,  von  Dönimler  und  Schröder     .    .  316 

Zur  Heliandheimat,  von  Wrede 320 


IV  INHALT 

Seite 

Ober  die  quelle  von  Wolframs  Parzival,  vod  Singer 321 

Weitere  Verbesserungen  zur  allsächsischen  Genesis,  von  Franck     .    .  342 
Mittelhochdeutsche  Studien,  von  Zwierzina 

9.  Mhd.  et<,ege,  age,  ede,  rohd.  t<iige^  ibe 345 

Die  sage  vom  Schwanritter  in  der  Brogner  chronik  von  ca.  1211,  von 

Blöte 407 

Quellen  und  alte  parallelen  zu  Boners  beispielen,  von  Schröder    .     .  420 

Ein  tafeldrnck  des  Munchener  Paternosters,  von  Roethe 430 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STÜDIEK 

1.  ADV.  GAR 
MIT  LANGEM  STAMMVOGAL  BEI  GOTFRID  VON  STRASSBURG. 

Moriz  Haupt  hat  zu  Er.'  325  zuerst  darauf  hiogewiesen,  dass 
das  adv.  gartoe,  hegarwe  nebeo  gar  nicht  allea  dichtem  und  nicht 
allen  dichtem  zu  jeder  zeit  gleich  geläufig  war.  Hartm.  kennt 
es  im  Bachl.y  Er.  und  Greg.^,  im  aH.  und  Iw.  enthält  er  sich 
dieser  form  (s.  auch  meine  Beobachtungen  zum  reimgebr.  Hartm.s 
und  Wolfr.s,  Abhandlungen  zur  germ.  philol.  1898  s.  452  anm.), 
Wirnt  und  Gotfr.  reimen  gartoe,  Wolfr.  bleibt  die  form  fremd, 
ich  merke  noch  an,  dass  die  zweisilbige  adverbialform  auch  von 
Konr.  vWürzb.  (s.  bes.  Wolff  zur  Halben  bir  v.  5),  Konr,  Fleck 
(17S.  1971.  2747.  6022.  6825),  dem  dichter  der  gFrau  (1610, 
s.  la.,  2512.  2817),  Hugo  vLangenstein  (Mart.  30,89.  55,  13. 
70,  S5  usf.,  17  mal),  JLonr.  vStoffeln  (Gaur.  2766)  und  noch  vom 
BQbeler  (zb.  Diocl.  5037),  ferner  in  der  Krone  (120.  6495. 
8211.  14341.  20136.  21132.  23178)  und  im  Wigam.  (zb.  1020), 

*  aoch  Greg.  2373  ist,  wie  ich  jetzt  einsehe  (anders  Zs.  37,  395  and 
209  anm.  2),  Diu  schcene  garwe  erblichen  und  nicht  mit  Paul  Diu  schasne 
varwe  erblichen  zu  lesen,   also  garwe  im  versinnern  zu  conjicieren,  wo 
es  ja  aoch   im  Er.  von  Haupt  einige  male  erst  hergestellt  werden  muste. 
T.  2371  fif  lauten  hei  Paul  :  Ir  hiufeln  was  vor  leide  Diu  rösenvarwe  ent' 
wichen.  Diu  schäme  varwe  erblichen  :  Sus  vant  er,  si  tötvar,    ich  kenne 
sonst  bei  Hartm.  kein  beispiel  einer  so  ungeschickten  widerholung  wie  die 
des  rösenvarwe  —  schasne  varwe  —  tötvar  an  unsrer  stelle,    ferner  bieten 
diese  lesoog  zwar  die  hss.  ABEK  (nur  Ir  für  Diu  K,  Hehle  für  schasne  E), 
aber  G  weist  doch   mit  seinem  Und  ouch  vil  gar  erblichen  und  das  mit 
G  nicht  verwante  I  mi|^  Und  gar  und  ganz  verblichen  deutlich  genug  nach 
dem  aoch  sonst  von  den  Schreibern,   wo  es  der  reim  nicht  schätzte,  arg 
▼erfolgten  garwe,  welches  in  parallelstellen,  wie  Greg.  367S  Daz  ir  der 
Itp  vor  leide  Entwichen  was  begarwe  An  krefte  und  an  varwe  uä.,  tat- 
»cblich  erscheint    dass  aber  A  und  die  gruppe  BCK  unabhängig  von  ein- 
ander mit  dem  gleichen  fehler  varwe  för  garwe  bringen,    kann  nicht  auf- 
fallen,   denn  für  äberliefertes  garwe  bot  sich  das  varwe  der  vorangehnden 
Zeile  Dm  so  eher  an,   als  in  dem  Diu  schasne  garwe  ^schasne*  leicht  vom 
copisteo  als   adj.  verstanden   und  ^garwe*  dann  als  ein   Schreibfehler  der 
vorläge  gefasst  werden  konnte. 

Z.  F.  D.  A.  XUV.    N.  F.  XXXU.  1 


2  ZWIERZINA 

uzw.  ohne  wahrnehmbaren  zwang  und  ohne  einschränkung,  aber 
immer  neben  häufigerem  gar,  im  reim  verwendet  wird,  einmal 
nur  steht  ahegarwe  im  Bit.  (8132).  auch  im  Mor.  vCraun  findet 
sich  blofs  ein  garwe{\ßA9)  neben  vier  adverbialen  gar  (529.  699. 
1043. 1727),  und  vereinzelt  bleiben  die  ganoe  bei  Stricker,  dessen 
heimat  von  der  des  dichters  des  Mor.  vCraun  kaum  weit  entfernt 
gelegen  haben  wird  :  es  steht  blofs  Karl  7793,  Frauenehre  D  443, 
Hahn  ni  111.  xi  25,  Ges.  ab.  45,  185  und  fehlt  zb.  im  Dan.  gänz- 
lich, wahrend  gar  tiberall  zu  Strickers  häufigsten  reimworten  ge- 
bort i.  —  sowie  nun  aberWoIfr.  es  nicht  kennt  und  Hartm.  im 

^  Wb.  und  Hwb.  (Lexer)  bringen  anfserdem  noch  beispiele  aus  der  Warn. 
(442.  2125)  und  aus  Ernst  D  (2030).  in  der  Krone  4255  (s.  Hwb.  i  741), 
wo  garwe  im  innern  des  verses  stehn  soll,  ligt  ein  unsinniger  fehler  der 
hs.  vor,  dem  Singer  Zs.  38,  250  und  Ehrismann  Beitr.  20,  60  mit  besserungs- 
vorschlägen  beizukommen  trachten,  im  jTit,  bei  Hadamar  und  in  der  Titorel- 
Strophe  MSH.  m  432^  kann  garwe  dem  bedürfnis  nach  klingenden  reimen,  im 
Reinfrit  (und  in  der  Martina)  der  nachahmung  Konr.s  ebenso  leicht  seine  existenz 
verdanken,  als  dem  dialekt  der  Verfasser,  dagegen  kennen  dieses  garwe  sehr 
Tiele  gedichte  des  12jhs.  und  die  meisten  mitteldeutschen  dichter  (diewbb. 
belegen  Albr.,  Herb.,  Eracl.,  Pass.,  Elisab.;  s.  auch  Germ.  7, 18),  uzw.  ist  seine 
Terwendung;  bei  den  dichtern  des  12  jhs.,  und  bes.  ^tn  rheinischen,  viel  aos- 
gedehnter,  als  die  wbb.  erkennen  lassen,  wo  nur  Credo  2430,  gr.  Rud.  13, 21, 
WGen.  und  jJud.  verzeichnet  werden,  aber  es  ist  wichtig,  dass  zb.  im 
Credo  das  adv.  lediglich  garwe  (im  reim  303.  863,  im  innern  2585),  al-, 
begarwe  (1463)  und  begerwe  (2430)  heifst,  niemals  gare,  das  als  prad.  adj. 
3030  (denn  nach  gare  hat  vdLeyen  den  beistrich  wol  nur  vergessen)  auf 
tcare  reimt,  auch  im  Alex,  herscht  garwe  vor.  es  steht  da  im  StraCsbarger 
text  3560.  5304.  5955.  6139,  also  nur  in  der  fortsetzung  und  nicht  in  der 
Strafsb.  bearbeitung  des  Vor.  Alex.,  wie  auch  nicht  im  Vor.  Alex,  selbst, 
weil  aber  auch  dort  kein  gare  als  adv.  vorkommt  {gare  als  adj.  Strafeb. 
bearb.  1183  attributiv  und  Strafsb.  fortsetz.  2245  prädicativ),  so  wird  sich 
hierin  der  dialekt  des  bearbeilers  und  fortsetzers  von  dem  des  dichters  de» 
Vor.  Alex,  kaum  unterschieden  haben.  Str.  Alex.  6515  lesen  wir  übrigens 
ti  gare  im  text,  worin  ich  gare  ebenso  als  adv.  fasse  als  in  Wendungen 
wie  diu  massenü  gar,  die  riiter  gar  und  dem  bes.  in  Strickers  Daniel  so 
beliebten  aüe  gar  {alle  garwe  Mor.  vCraun  1649!)  und  dieses  gar  einem 
geltche  oder  über  alj  mit  denen  es  ja  vicariiert  (s.  die  riUer  geUehe,  ath 
geltche,  ti  .  .  geliche,  diu  massente  über  al),  gleich  setze«  im  Roth,  findet 
sich  kein  garwe,  sowol  das  adj.  (präd.  665.  2637,  attrib.  3410.  4084)  als 
das  adv.  (1355.  1661.  2738)  heifst  gare,  im  Rol.  reimt  nur  11,31  al^le] 
garwe  (119,  7.  204,  1.  203,  2  ist  garwe  und  garwen  flect.  adj.),  das  adv. 
gar  ligt  wol  vor  in  alle  gar  90,  17.  n  gar  137,  7.  248,  11,  ferner  157, 17. 
202,  14.  sehr  häufig  ist  das  adj.  :  präd.  61,  13.  87,  26.  139,  4.  142,  19. 
154, 11.  168, 12.  273,  25.  340, 10  (wol  auch  188, 12)  und  attrib.  93, 15. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  ä 

aH.  und  Iw.  es  meidet,  so  fehlt  ganoe  auch  bei  Ulr.  vZalzikh., 
Rnd.,  Dir.  fXflrh.,  m  der  Virginal,  bei  Reinbot,  Servat.  Zs.  5, 
Kmir.  vFossesbr.,  Konr.  vHeimesf.,  in  der  Klage,  Bit,  Gudr.  und 
Ernst  B,  welche  ich  daraufbin  untersucht  habe,  ferner,  wie  die 
gedruckten  reimwbb.  lehren,  bei  Freid.  und  Walther^. 

Für  Wirnt  verweist  Haupt  auf  Wig.  224  und  899.  es  sind 
dies  in  der  tat  die  zwei  einzigen  belege  in  diesem,  etwa  12000 
viene  begreifenden  epos.  da  beide  belege  im  ersten  zwölftel  des 
gedicbts  stehn,  da  wir  in  Hartm.  einen  dichter  kennen,  der  die 
in  betracht  kommende  form  in  frühem  perioden  seines  dichtens  an- 
wendet und  in  spätem  meidet,  so  können  wir  wol  auch  Wirnt  zu  den 
dichtem  zählen,  denen  garwe  nicht  durchaus  genehm  war.  wahr- 
scheinlich steht  aber  das  verschwinden  der  form  bei  Wirnt  und  bei 
Hartm.  unter  verschiedenen  Voraussetzungen.  Hartm.,  der  garwt 
und  heganoe  in  seinen  altern  werken  ziemlich  häufig  gebraucht  — 
ich  find  es  14  mal  im  reim  — ,  hatte  diese  form  wol  neben  der 
einsilbigen  in  seinem  dialekt,  sowie  auch  andre  Alemannen  :  Gotfr., 
Konr.  vWorzb.,  Fleck,  der  dichter  der  gFrau,  Hugo  vLangenstein 
und  er  mied  sie  im  aH.  und  Iw.  blofs  als  dialektische,  seinem 
wissen  nach  nicht  allgemein  tlbliche  doppelform  zu  gar.  Wirnts 
reiBBgebrauch  aber  wird,  wollen  wir  aus  ihm  des  dichters  Sprach- 
gebrauch abstrahieren,  immer  am  besten  an  der  spräche  Wolfr.s 
gemessen,  der  nicht  nur  neben  Hartm.  Wirnts  Vorbild,  sondern 
auch  unter  allen  dichtem  der  zeit  Wirnts  nächster  nachbar  war, 
und  der  trotz  mancher  Schwankungen  im  grofsen  und  ganzen 
doch  söine  spräche  reimt,  während  der  copist  sich  bemüht,  wie 
Hartm.  oder  wie  Wolfr.  zu  reimen,    da  nun  der  spräche  Wolfr.s 

157,  23.  274y  8.  224,  29.  —  Heiar,  vVeldeke  kennt  garwe,     während  aber 

<fie  wbb.  aas  den  wenigen  liedern  den  beleg  MFr.  59,  19  bringen  können, 

steht  es  in  der  En.,  wie  ich  von  Kraus  höre,  nur  einmal :  9835.    vielleicht 

gebdrte  es  also  zu  jenen  worteq,  von  deren  dialektischer  begrenzung  Heinr. 

knode  hatte   und  die  er  im  epos  viel  ängstlicher  mied  als  in  den  liedern. 

^  die  Nib.  kommen  ihrer  ausschliefslich  stumpfen  reime  halber  nicht 

io  betracht.     auch  im  versionern  oder  der  cäsur  überliefern  die  hss.  kein 

garwe,  —  für  Ulr.  vTürh.  hab  ich  aufser  dem  Trist  auch  alle  gedruckten 

bmcbstöcke  und  proben  aus  dem  Rennew.   (zusammen    fast   7000  verse) 

henagezogen.    ebenso  das  kleine  fragm.  des  Cliges  (Zs.  32),   das  ich  mit 

gTöfflerer  Sicherheit  als  Steinmeyer  aao.  dem  Turheimer  zusprechen  wollte. 

for  Bad.  must  ich  mich  auf  die  vollständig  gedruckten  gedichte  beschränken. 

das  gesagte  gilt  von  allen  teilen  dieser  Studien. 


4  ZWIERZINA 

die  form  garwe  ganz  unbekannt  ist,  so  mein  ich,  dass  auch  die 
beiden  fälle  der  Verwendung  von  garwe  ganz  zu  anfang  des  Wig., 
eines  erstlingswerkes,  nur  der  sclavischen  nachahmung  von  Hartm.8 
gebrauch  zuzuschreiben  sind  und  dass  sie  verschwinden,  sobald 
der  dichter  über  die  ärgsten  Unfreiheiten  hinausgewachsen  war 
oder  bemerkt  hatte,  dass  garwe^  die  ihm  fremde  und  nur  auf  die 
autorität  des  musters  hin  eingeführte  form,  im  Iw.,  dem  am 
höchsten  geschätzten  epos  Hartm.s,  auch  dieses  dichters  gebrauch 
nicht  mehr  war. 

Für  garwe  bei  Gotfr.  bringt  Haupt  aao.  nur  einen  beleg: 
albegarvoe  Trist.  7773.  es  gibt  aber  deren  vier,  die  CKraus  in 
den  Abhandlungen  zur  germ.  phil.  s.  167  verzeichnet  :  1297. 
7773.  8143.  9093.  in  der  ganzen  zweiten  hälfte  des  gedichte, 
10950  Versen,  fehlt  garwe.  ob  darin  absieht  des  dichters  zu  er- 
blicken oder  es  dem.zufall  zuzuschreiben  hier  das  wahrschein- 
lichiere  sei,  lass  ich  dahingestellt,  wichtiger  ist,  was  Kraus  aao. 
hervorhebt,  dass  sowie  der  spräche  Wolfr.s  das  adj.  gar  und  das 
adv.  garwe,  so  der  spräche  Gotfr.s  das  adv.  gar  fehlt,  während 
sich  bei  ihm  das  adj.  gar  (prädicativ  im  reim  auf  dar  5956. 
12639  und  schar  8737)  und  das  adv.  garwe  belegen  lassen, 
während  nämlich  Hartm.  einige  70  male,  Wolfr.  124  mal  das  adv. 
gar  in  den  reim  setzen,  wird  dasselbe  bei  Gotfr.  nur  einmal, 
uzw.  Trist  854  (also,  wie  ich  nun  ganz  besonders  betonen 
möchte,  ganz  zu  anfang  des  langen  gedichts)  mit  dar  im  reim 
gebunden,  das  ist  sicher  ein  litterarischer  reim  gleich  dem  von: 
ungewon,  das  der  Trist,  v.  949,  also  ebenfalls  zu  anfang  des 
Werkes,  überliefert,  obwol  der  dichter  sonst  die  ihm  wol  allein 
geläufige  form  des  präpositionaladverbs  :  van  —  noch  heute  wird 
im  Münstertal  fa  gesprochen,  sonst  aber  o  für  mhd.  o,  s.  WHankel 
Sirafsb.  stud.  (1883)  2,  117  — ,  uzw.  47  mal  in  den  reim  seUt^ 

^  die  form  van,  und  das  ist  wol  für  die  beurteilung  des  Sachverhalts 
nicht  gleichgiltig,  wird  übrigens  im  verlauf  des  gedichts  als  reimwort  immer 
häufiger,  v.  1—4000  steht  es  5  mal  im  reim,  v.  4—8000  :  8  mal,  v.  8—12000  : 
12 mal,  V.  12—16000  :  9mal,  v.  16000  bis  scbluss  :  12 mal.  die  bindang  mit 
TrUtan  prävaliert  keineswegs,  weder  in  der  ersten  hälfte  des  gedkhts 
(18  van,  darunter  3  mal  im  reim  zu  Tristan),  noch  in  der  zweiten  (29  von, 

5  mal  van  :  TrUtan),  wir  sehen,  Gotfr.  wird  also  immer  zuversichtlicher  io 
der  anwendung  dieser  leicht  reim  baren  form  seines  dialekts,  obwol  er  wissen 
muste,  dass  Hartm.  und  die  andern  nicht  so  reimen,  die  bindung  von :  ge- 
won,  resp.  ungewon  finden  wir  aufser  949  nur  noch  2  mal  im  Trist :  11655 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  5 

aber  die  paarong  von  :  wol  gewon  uod  ungewon  war  durch  den 
gebrauch  Hartm.s  (s.  Kraus  aao.  161)  die  classische  geworden^ 
und  Gotfr.  folgt  hier  zu  beginn  der  arbeil,  seiner  eigenen,  ab-> 
weichenden  form  noch  nicht  ganz  sicher,  den  spuren  seines  be- 
rQhmten  und  gepriesenen  Vorgängers. 

und  13630,  an  welch  letzlerer  stelle  der  dichter  mit  von  und  van  spielt. 
Gotfr.  reimt  zwar  gewis  der  haoptsache  nach  seine  eigene  spräche,  mit  der 
durch  die  rucksicht  auf  die  allgemeine  dichtersprache  bedingten  enthaltsani- 
keit  natürlich;  er  schreckt  aber  vor  der  anwendung  litterarischer  reime 
und  dem  gebrauch  litterarischer  formen  dort,  wo  sie  ihm  für  seine  stilab- 
sichten  tauglich,  bequem  oder  nötig  erscheinen,  durchaus  nicht  zurück,  bei 
ihm  können  wir  selten  von  einem  ^niemals'  sprechen,  sondern  zumeist  nur 
von  einem  'fast  niemals',  vide  gar  und  von,  man  darf  nicht  sagen,  dass 
die  bindung  von  :  gewon  viel  schwerer  sei  als  die  von  van  :  man,  an,  dan 
usw.,  sodass  sich  das  Verhältnis  3  von  :  47  van  daraus  allein  zur  genüge 
erkläre,  Gotfr.  also  möglicherweise  von  genau  so  geläufig  gewesen  sei  als 
van,  und  dass  er  jenes  bloGs  seltner  habe  passend  binden  können  als  dieses, 
denn  dichter,  die  von  :  gewon  überhaupt  reimen,  vor  allem  also  alle,  die 
wie  Gotfr.  im  bannkreis  Hartm.s  stehn,  haben  diese  bindun'g  stets  als  be- 
quem und  leicht  erachtet  und  sie  jeden  augenblick  herangezogen.  Hartm. 
selbst  zeigt  sie  :  Er.  5606;  Greg.  259.  621.  1291.  2273.  3385;  Iw.  169.  2641. 
3031.  57S9.  6311.  7797,  also  im  ganzen  12mal.  im  £r.  freilich  hat  er  noch 
nicht  viel  geschmack  an  dem  reim  gefunden,  der  ja  auch  den  gedichten  des 
12  jhs.  nicht  ganz  fremd  ist,  aber  seit  dem  Greg,  wird  der  reim  ein  lieb- 
lingsreim  Hartm.s  und  ist  in  seiner  häufigkeit  charakteristisch  auch  für  seine 
nachahmer.  Wolfr.  sagt  nur  von^  aber  er  reimt  es  zu  wone,  subst.  (Wh. 
2S4,  27.  2S7,29),  nie  zu  gewon,  dieses  war  seiner  spräche  wol  ebenso 
fremd  als  andre  gleich  gebildete  adj.,  etwa  gehaz,  gerüm,  gezan,  geherze, 
gevriunt,  die  bei  Hartm.  im  Iw.  meist  häufiger  und  kühner  sind  als  im  Er. 
und  in  denen  (die  gewöhnliche  entwicklung!)  dann  Gotfr.  schwelgt,  um  so 
näher  hätte  Gotfr.  der  reim  von :  gewon  gelegen.  —  die  form  van  für  von 
erscheint  bei  hochd.  dichtem  der  guten  zeit  aufser  Gotfr.  nur  bei  Fleck 
Flore  239  ganz  vereinzelt  neben  regelmäfsigem  von, -sicher  ein  litterarischer, 
aus  Gotfr.  geholter  reim,  zu  Gotfr.  stellen  sich  mit  van  nur  spätere  Ale- 
mannen (zt.  auch  Elsässer),  so  Peter  Stauffenb.,  Kunz  Kistener,  Büheler, 
Walth.  vRheinau.  über  van  bei  spätem  Österreichern  (Konr.  vHaslau, 
Helbl.,  Ottokar,  Gundak.  vJudenb.,  Teichner)  s.  Hwb.  iii  456  und*  Weinhold 
Bair.  gramm.  §  5.  das  vereinzelte  beispiel  für  van  aus  der  Krone  :  v.  16347, 
das  Weinhold  und  Lexer  beibringen,  ist  zu  streichen,  dd  van  :  $6  getdn  ist 
sicher  mit  Singer  Zs.  38,  262  in  dd  von  :  s6  gedon  zu  bessern,  die  la.  der 
hs.  ist  unsinn.  Heinr.  vTürl.  kennt  also  noch  kein  van.  der  Hesse  Herbort, 
der  in  seinen  reimen  aufs  oberd.  vielfach  rucksicht  nimmt,  wagt  sein  van 
auch  erst  17475,  ganz  gegen  schluss,  zu  reimen,  von  reimt  er  nie,  obwol 
er  nicht  nur  gewon  und  eine  grofse  anzahl  von  namen  in  -on  kennt,  son- 
dern auch  son  für  hd.  sun  spricht  und  reimt. 


6  ZWIERZINA 

Das  ioteressaD teste  momeat  aber  in  Gotfr.s  eioschlUgigem 
reimgebrauch  ist  Kraus,  ich  weifs  nicht  durch  welchen  zofall 
oder  unüall^  entgangen.  Gotfr.  kennt  zwar  bis  auf  die  eine  ge- 
nannte ausnähme  kein  kuresilbiges  ad?«  ^  neben  garwt^  wol 
aber  ein  laogsilbiges  gär,  dieses  reimt  nicht  weniger  als  6  mal 
auf  langes  -dr  :  795  (;  gehdr,  subsL),  4001  (;  hdr),  6265  (;  lodr), 
10134  {:  gebär,  subst.),  18709  {:jdr\  19283  {iwdr).  es  ist  häu- 
figer als  ganoe  und  verteilt  sich  gleichmäfsig  aber  Gotfr.s  ganzes 
werk,  war  also  wol  des  dichters  eigentliche  sprachform,  der  sich 
hierin  genau  so  wie  durch  seine  reimform  van  statt  von  der 
übrigen  (s.  die  voranstehende  anm.)  von  allen  andern  hochd. 
dichtem  der  blatezeit  unterscheidet,  als  adv.  ist  also  in  einer 
kritischen  ausgäbe  des  TrisL  langes  gär  ausnahmslos  anzusetzen, 
auch  an  den  stellen,  wo  es  (wie  etwa  18087)  im  versinnern  er- 
scheint. 

Die  Sache  ist  ja  ziemlich  merkwürdig,  das  adj.  reimt  stets 
mit  kürze  (s.  oben  s.  4),  lautete  also  gar^  resp.  gar^,  das  adv. 
aber  lautete  entweder  zweisilbig  gärwe  oder  eiosilbig,  uzw.  da 
apokope  auch  hinter  r  bei  Gotfr.  nach  länge  natürlich  nie  statt 
hat,  streng  einsilbig  gär,  aber  an  der  tatsache  ist  nicht  zu 
zweifeln  und  an  eine  bindung  von  a  :  d  ist  nicht  zu  denken. 
Gotfr.  kennt  als  Elsässer,  dessen  ausspräche  des  langen  d  sich 
wol  schon  damals  zu  6  hin  färbte,  sowie  übrigens  die  meisten 
Alemannen  der  guten  zeit,  sowie  Hartm.  (über  iA  hän  s.  Kraus 
aao.  s.  156),  Ulr.  vZaUikh.,  Fleck,  Ulr.  vTürh.,  Rud.,  gFrau, 
Wetzel  (gleichfalls  ich  hän  674);  im  gegensatz  zu  den  Baiern 
und  Ostfranken,  die  a :  d  binden^  sowie  Wolfr.,  Wirnt,  Freid.,  Konr. 
vFussesbr.,  Heinr.  und  Ulr.  vTürheim^  Ulr.  vLichtensL,  die  Nib., 
Gudr.,  Bit.  usw.i^  —  Gotfr.  also  kennt  keinen  einzigen  reim  von 
lang  auf  kurz  a,  weder  vor  r  noch  vor  einem  andern  conso- 
nanten,  ja  er  reimt  auch  alle  andern  vocale  nur  mit  identischer 
quantitat.  er  kann  also  unmöglich  nur  gär  und  gerade  gär  bis 
auf  die  :eine  ausnähme  zu  anfang  des  gedichts  nie  anders  als 
unrein  auf  -dr  gereimt  haben,  ohne  jemals  bar  adj.  (reimt  4007. 
15667  uö.),  bar  prät.  (9763.  17637.  19417),  hartischar  (13177), 
mr  snbst.  (11651),  var,  gevar,  ervar  verb  (1529.  3180.  3421. 
4443.  5039.  5119.  5795.  7472.  8181.  10445.  11309.  12762. 
13844.  14209.  14426.  14827.  14900),   var,  gevar  und   comp., 

^  8.  den  excurs  anten  s.  9. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  7 

adj.  (4007.  4679.  4845.  6591.  7551.  9349.  9995.  10367.  11695. 
11909.  12749.  15205),  (etoor  verb  (8879.  14210.  14499),  eteswar 
(12761)  und  vor  allem  dar  und  (wart)  gewar  und  {nam)  war  ood 
scftcr,  Worte  allerhaufigsten  vorkommeDS,  für  die  ich  mir  wol  belege 
sparen  darf,  die  zusammen  vielleicbt  200  mal  im  reim  steho,  auf 
'dr  zo  reimen  und  ohne  jemals  auch,  von  den  reimen  mit  gar 
abgesehen,  jär  ddr  gAdr  här  war  anders  als  untereinander  zu 
binden,  dabei  möge  man  auch  noch  in  belracbt  ziehn,  erstens 
dass  es  der  reimmOglichkeiten  auf  lang  -dr  um  sehr  viel  weniger 
gibt  als  solcher  auf  kurz  -ar,  sich  also  für  ein  kurzes  gar^  auch 
wenn  Gotfr.s  reime  in  bezug  auf  die  quantität  der  vocale  ganz 
uDempfindlich  wären,  doch  noch  immer  eher  die  bindung  zu  -är 
als  zu  -är  hUlte  einstellen  müssen,  und  zweitens  dass  wir  bei 
Gotfr.,  der,  ich  widerhole,  niemals  und  nirgend  länge  mit  kürze 
bindet,  nicht  den  geringsten  widerstand  gegen  den  reim  gär^  adv.: 
'dr  bemerken  :  gär  ist  unter  den  reimworten  seines  iypus,  ge- 
bär dar  hdr  jär  war,  mit  ausnähme  des  letztgenannten  sogar  das 
häufigste. 

Wie  dieses  phänomen,  dass  Gotfr.  ganz  consequent  das  adj. 
gar  und  das  adv.  gär  unterscheidet,  zu  erklären  ist,  weifs  ich 
DkhL  gär  ist  streng  einsilbig,  das  e,  altes  o  resp.  to,  oder  auch, 
weDA  wir  von  garwe  ausgehn,  die  silbe  -we  hinter  dem  r  wurde 
also  ohne  lantlichen  rdckstaud  apokopiert.  trat  dafür  ersatzdeh- 
nuog  ein  und  ist  für  gär  eine  erklärung  in  der  art  zu  suchen, 
wie  Wrede  Zs.  39,  257  ff  die  bair.  gunierung  mit  der  bair.  apo- 
kope  UEul  Synkope  der  endsilben vocale  in  Verbindung  bringt? 

Sehen  wir  uns  nach  analogien  um,  so  find  ich  weder  ein 
vär  für  varwe  noch  ein  swäl  für  swalwi  udglm.  var^  subsL 
(neben  varwe)  reimt  zwar  Er.  9882,  aber  es  reimt  kurz,  ebenso 
reimt  swal  bei  Morungen  HFr.  127,  36  auf  kürze,  und  beim  Winsb. 
27,  7  finden  wir  es  zwar  im  reim  mit  stäl,  sunder  twäl  und  mal; 
61 ,  2  reimt  aber  auch  spitäl  :  über  al  und  val,  freilich  steht 
eine  derartige  lautveränderuug  bei  dem  selten  den  satzton  tra- 
genden adv.  unter  andern  bedingungen  als  beim  nomen.  bem. 
auch  gar,  prädicatives  ad}.,  neben  gär,  adv.  I 

Dagegen  ist  es  immerhin  bemerkenswert,  dass  im  Reinh., 
sowol  im  fragm.  des  Originals  als  in  der  bearbeitung,  gar  im 
reim  fehlt,  die  hd.  bearbeitung  ist  ja  gewis  nicht  notwendig  el- 
sässisch,    wenn   sie  auch  nicht   wegen    der   sän,   wie    vBahder 


8  ZWIERZINA 

Beitr.  16,  51  auf  die  autorität  Pfeiffers  (Germ..  6,  242  —  Freie 
forsch.  107)  hin  vermutet,  gerade  bairisch  sein  muss^.  aber 
wenn  wir  in  der  bearbeitung  kein  gar  finden,  so  ist  das  im 
verein  mit  der  gleichen  erscheinung  im  fragm.  doch  immerhin 
ein  anzeichen,  dass  im  original  auch  dort,  wo  uns  das  fragm.  im 
stich  Iflsst,  kein  gar  reimte,  dieses  fehlen  von  reimen  :  gar  weist 
darauf  hin,  dass  garwt  die  alleinherschende  form  war,  denn  es 
stehn  wol  für  gar  eine  grofse  anzahl  leicht  verwendbarer  reim- 
Worte  zur  Verfügung,  garwe  aber  kann  nur  dort  reimen,  wo  es 
mit  varwe  gebunden  zu  werden  vermag,  und  im  innern  finden 
wir  im  fragm.  tatsächlich  garwe  (bei  Reifsenberger  s.  60,  la.  zu 
V.  815  der  bearbeitung)  überliefert,  die  bearbeitung  schreibt  hier 
gar  für  garwe^  hat  also  vielleicht  auch  an  andern  stellen^  wo  die 
controle  uns  nicht  möglich  ist,  garwe  in  gar  gebessert.  —  aber 
deshalb  fehlt  doch  für  ein  adverbiales  gär  auch  hier  jeder  an- 
haltspunct« 

Bei  den  spätem  elsässischen  dichtem  des  mittelalters  find 
ich  ebenfalls  keine  spur  dieses  gär.  bei  Konr.  vDangkrotzheim 
reimt  gar  überhaupt  nicht,  in  der  elsäss.  fortsetzung  des  Pars. 
reimt  gar  ungemein  häufig,  meist  auf  kürze,  hie  und  da  aiidi 
auf  länge;  aber  auch  dar^  wart  gewar  usf.  reimen  hier  auf  '^^ 
gewis  litterarische  reime,  da  wir  mit  Sicherheit  etiipehineii  kOnneii 
dass  die  fortsetzer  j6r  hör  war  usf.  sprachen  uud  nicht  jär 
wär^  s.  Haendke  Die  mundartlichen  elemeote  der  elsäss.  urktindei 
Strafsburg  1894,  s.  7.  beweisend  für  gär  wäre  ein  reim 
oder  auch  -or;  einen  solchen  hab  ich  nicht  bemerkt,  jf 
nur  Stichproben  vorgenommen,    meister  Ältswert  und  sein 

^  denn  die  ^beobachtung'  Pfeiffers,  dass  Man  sich  blofa  bei  md^ 
und  mit  Vorliebe'  und  nar  *  zuweilen'  bei  Baieni^  ^kaurn  jem»l«^ 
Alemannen  fände,  ist  eine  beobachtung  nach  gefübl  und  enmictimf 
Dir,  vZatzikh.  ist  sän  die  herschende   form  dieser  par UkeL   in  rrimjilj 
dh.  in  Stellung  in  pausa   (s.  Beobachtungen  9,  442 ^  tä  und  Icfd 
Lanz.  1734.  2018.  6485.  6874.  7577.  7911),  mr  finden  idn  :  ^eiift 
Lanz.  2427.  3055.  5257.  5811,  sä  reimt  nur  einmal,  798@,  uxw. 
eigennamen.    auch  der  Türheimer  kennt  sän  achoo  im  Trist,  r  '^ 
neben  sä  (528,  3.  545,  8.  546,  26.  581,  1.  5S3,  4)  und  iesä  {j 
im  Rennew.,  wie  es  scheint,  sän  allein  hersctit  (&,  zb.  Zs.  34^  U  ^^^^ 
oder  Germ.  16,  2,  47)  und  sä  in  den  von  mir  eingesehenen  psHl^n  i 
8.  3  anm.)  fehlt,    dies  ist  kaum  einfluss  WoJFr.s,  der  doch  im 
durchaus  meidet,     eher  sind  die  sä  und  iefä  in  Ulr,  Trist,  Jtnf  I 
dessen  häufigsten  reimworten  sie  gehören,  xu rücken  fuhren. 


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MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  9 

der  Peter  Stauffenberg^  Kuoz,  Kistener  und  der  ßüheler  keDoen 
gewis  nur  kurzes  gar.    einige  von  diesen  auch  garwe. 

Ich  glaubte  einige  zeit  durch  das  Wb.  der  elsäss.  mdaa.  von 
Martin  und  Lienhart  einen  schritt  weiter  gekommen  zu  sein. 
s.  228  erfahren  wir  nämlich  dort,  dass  im  Zorntal  und  im  Kochers- 
berg das  mhd.  ad?,  gar  (das  adj.  ist,  wie  mir  Martin  gütigst  mit- 
teilte, kaum  mehr  zu  belegen)  heute  Ärdr  lautet,  sonst  kdr.  6  ist 
sonst  im  ekdssischen  blofs  die  entsprechung  für  mhd.  langes  d 
(s.  h&r  jdr  w6r  kf6r)^  während  mhd.  ä  vor  einfacher  consonanz 
durch  elsäss.  ä  repräsentiert  wird  (also  t  fdr),  aber  ich  sehe, 
dass  Kochersberg  und  Zorntal  in  dieser  beziehung  innerhalb  der 
elsäss.  mdaa.  ihren  eigenen  weggehn  :  Martin-Lienhart  geben  s.l26 

s.  ▼.  fahren  an  '•fdrd  allgem.  bis  auf  K(ochersberg) ,  wo  fdrd^ 

so  auch  Weyrsh(eim^  kreis  Strafsburg)'  und  durch  Lienhart  Die  mda. 
des  mittlem  Zorntals  lexicalisch  dargestellt,  Jahrb.  f.  gesch.^  spr. 
u.  litt.  Elsass-Lothringens  1886 — 88  weifs  ich,  dass  man  im  Zorn- 
tal föt9  'faden'  (ii  122),  khdri  'karg'  (ii  136),  zön  'zahn'  (iv  42) 
usf.  usf.  sagt,  während  diese  werte  im  Münstertal  (s.  WMankel 
Strafsb.  stud.  2,  119)  stets  mit  d  gesprochen  werden. 

Nur  eins  mOcht  ich  noch  zum  schluss  erwähnen,  der  ein- 
zige reim  ?on  a  :  d  bei  Reimar,  ich  sage  hier  absichtlich  von 
Hagenau,  ist  der  von  gar  (elsäss.  gdrl)  :  hdr  MFr.  161,  3,  da 
die  Strophe  189,  5fr  (Un  :  an  189,9)  als  unecht  erkannt  ist.  frei- 
lich reimt  Reimar  ^ar  auch  kurz:  157,19.  179,7.  181,33.  190, 4  ^ 

*  kein  gewicht  leg  ich  auf  die  bindong  offenbar  :  gar  Parton.  8398, 
wenn  anch  an  offenbar  als  composition  mit  bar  'nudus*  kaum  (mit  Schmeller 
Qod  WGrimm)  zu  denken  ist  und  Konr.  offenbar  oft  genug  in  den  reim 
setzt.  at>er  Partoo.  14665  ist  wunnebar :  dar  überliefert,  und  Hugo  vLangenst., 
der  die  qoantitaten  noch  ziemlich  genau  scheidet,  gebraucht  offenbar  und 
tunderbar  (sowie  das  fremde  clar)  als  anceps.  —  auch  Konr.  kennt  übrigens 
sonst  keine  einzige  bindung  von  a  :  d.  statt  dn  aller  mnden  ahte  :  brdhte 
gScbm.  1285  ist  natürlich  dn  aller  Hlnden  dhte  zu  lesen,  sowie  es  steht: 
Partoo.  18695.  Troj.  24039.  25643.  34995.  Joboal,  Lateran,  Annan  usw. 
(SÜT.  3989.  4083;  2004;  2751)  können  nach  dem  unten  s.  10  gesagten 
ebenso  gut  kurz  als  lang  gereimt  werden,  merkwürdig  bleibt  hdt :  rösenblat 
Part.  20729,  wo  Bartsch  eine  unmögliche  besserung  in  den  text  setzt  kannte 
Konr.  neben  er  hdt  ein  er  hat,  sowie  Hartm.  ein  ich  hän  und  du  hast 
(s.  Kraus  aao.  s.  156  und  Iw.  2667),  die  Martina  ein  hän  (auch  inf.)  und  hat, 
der  Bnheler  ein  hat  neben  hdn  und  hdff  Konr.  könnte  sein  hat  auch  aus 
Franken  haben,  s.  zb.  über  hän  und  hat  beim  König  vom  Odenwald  vBahder 
Germ.  23,  196. 


10  ZWIERZINA 

Exe  URS.  Ulr.  vZatzikh.  und  Fleck  haben  beide  nur  einmal, 
uzw.  beide  ganz  zu  anfang  ihres  Werkes  -an :  -an  gereimt :  Lanz.  387 
man  :  wol  getan,  Flore  5 1 9  nieman  :  verstdn,  der  Flore  zeigt  bes. 
häufig  zu  anfang  ihm  fremde  oder  später  vom  dichter  gemiedene  sprach- 
formen im  reim,  so  findet  sich  382.  427  mohle  im  reim,  die  'fitte- 
rarisdte'  form;  von  da  an  stets,  uzw.  17  mal,  mahle  und  conj.  mähte 
(s.  Sommer  zu  Flore  382).  auch  das  gotfrLedsche  van,  von  dem 
schon  die  rede  war,  reimt  im  Flore  einmal  und  nur  einmal,  uzw. 
V.  239,  später  (zb.  791.  1068.  3428.  5636.  5888)  heifst  es  steU« 
nur  von  (s.  Sommer  zu  Flore  239).  für  den  Lanz.  darf  der  reim 
mäc  :  Lac  5577  nicht  als  unrein  in  anspruch  genommen  werden, 
ähnlich  wie  bei  Wolfr.  zeigen  auch  bei  Ulr.  die  fremden  namen  im 
reim  sehr  oft  wechselnde  quantität.  dass  Lac  so  häufig  auf  -ac  und 
nur  dies  eine  mal  auf  -de  reimt,  kann  nicht  in  anschlag  kommen«  da 
der  reim  gel  egenheiten  auf  -ac  sehr  viel  sind,  vgl.  lac  phlac  tac  mac 
usf.,  für  den  reimtypus  -de  aber  der  Wortschatz  des  Lanz.  nur  dieses 
eine,  noch  dazu  recht  unbequeme  mdc  zur  Verfügung  stellt,  aus 
gleichem  grund  auch  ist  im  Lanz.  Artus  :  sus  6725  kein  unreiner 
reim  und  wol  auch  keine  entlehnung  aus  Eilhart  (s.  Singer  Abhand- 
lungen zur  germ.  philol.  s.  435),  sondern  es  wecliselt  Artus  und 
Artus,  welch  letzteres  nur  des  bequemeren,  in  fester  lilterarischer 
formel  überlieferten  reims  zu  hus  (s.  Singer  aao.)  halber  viel  häufiger 
ist  als  jenes,  genau  so  wie  Lanz.  8155  Giolen  :  boten,  subst,  neben 
Lanz.  8221.  8237  Giöl :  bot,  prät.,  und  Iblis  :  gewis  (5783.  8687 
uö.)  neben  Iblts  :  xe  der  u>is  (8517  uö.)  steht  udgim.  auch  Wolfr. 
steht,  wie  schon  gesagt,  auf  diesem  standpunct.  so  reimt  auch  er 
Artus  :  hüs  und  daneben  Artus  :  sus  Parz.  320,  21.  610,  13,  worin 
also  Singer  s.  435  anm.  4  zu  berichtigen  ist,  ferner  Satumus  :  sus 
Parz.  492,  25,  aber  Satumüs  :  hüs  489,  23  und  Liddamus  :  sus 
Paz.  416,  19.  418,  27.  425,  15  uö.,  aber  Liddamus  :  hüs  417.  1 
und  wol  auch  :  Artus  421,  13.  dabei  steht  die  quantität  des  u  stets 
fest,  da  Wolfr.  bekanntlich  aus  naheliegenden  gründen  i  und  u  nicht, 
sowie  a,  e  und  o,  mit  ungleicher  quantität  bindet  (s.  JWimmer  S.  J. 
iahresber.  des  privatgymn.  zu  Kalksburg  1894/5).  walirschemlich 
meinte  Wolf^.  auch  den  namen  seines  beiden  zuerst  mit  kürze,  Par^ 
zival,  dann  erst  entschied  er  sich  für  die  länge  der  letzten  sUbe,  s. 
Beobachtungen  s.  469  aum.  die  beispiele  liefsen  sich  für  diesen  dichter 
häufen,  aber  selbst  Hartm.  steht  im  Er.  für  einzelne  namen  noch  auf 
diesem  standpunct  (Keiin  neben  Keitn,  Imain  neben  Imain),  davon 
noch  später,  in  Ulr.s  Trist,  heifst  der  held  bald  Tristan,  so  499;  10. 
502.  15  usf.,  bald  Tristdn  502,  3.  503,  25  usf.  Mafsmann  schreibt, 
weil  Gotfr.  nur  diese  eine  form  kennt,  stets  Tristan  und  erliält  da- 
durch eine  ganze  reihe  von  reimen  -an  :  -dn,  bei  denen  aber  immer 
nur  Tristan  das  eine  reimwort  wäre,  diese  doppelheit  -an  und  -dn 
setzt  sich  auch  in  den  flecl.  casusformen  fort  :  acc.  Tristanen  501,  6 
(Gotfr.  sagt  nur  Trislanden),  dat.  Tristdne  (neben  Gotfr.s  Tristande, 
nur   Gotfr.  Trist.   18333    Tristane  :  ich  mane)    505,  19.  517,  31. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  U 

536,  31    usf.    ebenso  LUän  (Trist.  549,  30  aö.)  neben  Litan,   und 
JckdH  im  Rennew.   —  ob  Singer  aao.  s.  410f  recht  hat,  ein  allge- 
mon    mhd.   paradigma  :  Adam  Adämes  Adäme  Adamen   aofzusteUen, 
boweffle  ich  sehr,    diese  dinge  lassen  sidi  für  das  gaoze  Sprachgebiet 
nidtt  einheitlich  entscheiden,  sondern  es  muss  der  gebrauch  jedes  ein- 
zdmem.  dichters  untersucht  werden,     man   muss   zb.   wissen,    ob   ein 
dkiiter  den  reim  a  :  d  zulässt  oder  nicht  und  auch ,    ob  er  gleichen 
Aame»  hie  mid  da  verschiedene  reimform  gibt  oder  für  einen  und  den- 
selben   namen    immer    auch    nur   eine   und    dieselbe    form    gestattet. 
gegeosatze  waren  hier  Hartm.  und  Wolfr.    Hartm.  reimt  niemals  a :  d 
und  er  gebraucht,  im  Iw.  wenigstens,  bei  namen  keine  doppeiformen 
mehr,     ein  "^Adam  :  nam  wäre  also  bei  ihm  für  kürze  des  vocals  direet 
beweisend  und  anderseits  würde  Addm  bewiesen  sein,  wenn  er  diesen 
namen  öfter  als  Greg.  27'  anlass  hätte  zu  gebrauchen,  ihn  aber  immer 
nur  in  flectierter  form  zu  nämen,  Mmen  udgl.  reimte,  in  unflectierter 
form  aber  im  reim  miede,    denn  auf  -dm  fehlt  es  an  bequemen  reimen, 
umgekehrt  beweist  die  bindung  Adam  :  nam  (Parz.  464,  15.  518,  1; 
s.  Singer  aao.  s.  410)  gar  nichts  für  kürze  der  reimsübe,  denn  erstens 
reimt    Wolfr.   auch   krdm  und   rdm   zu   nam    (Parz.  663,  15;    Wh. 
248,  7.  279,  21)   und   zweitens  gebraucht  Wolfr.   die  geschlossenen 
endsilben  fremder  namen  oft  lang  und  kurz  im  Wechsel,    und  ebenso- 
wenig zb.  beweist  auch  Adam  :  nam  in  Konrads  Silv.  (3509.  3729) 
irgend   etwas  für  ausschliefsliche  kürze   der    unfleclierten  form,    denn 
ILonr.  reimt  zwar  nie  a  :  d,  aber  er  wechselt  gerade  im  Silv.  zuweilen 
die  qnaotität  der  reimsttben  der  namen  (s,  zb.  Zeleon  :  gewon  2765, 
Zeiedn  :  vrdn  4299).     ich   möchte  noch   einmal   auf  die  mögtichkeit 
hinweisen ,   aus   dem  fehlen   der  reimbelege   des   unfleclierten  namens 
neben  relativer  häufigkeit  der  flectierlen  form    die  quantitäl  Addm  zu 
erschliefsen,  wie  ich  es  oben  für  Hartm.  unter  nicht  gegebenen  Voraus- 
setzungen  postuliert   habe,     die  Voraussetzungen   scheinen  gegeben  in 
der  Hartina.      hier  reimt  nach  Singer   :   Addmes  117,  77.  200,  81, 
Adäme  214,  27,  Addmen  220,  6.  266,  71;    der  nominativ  aber  — 
also,    so  schliefse  ich,   Addm  —  wird  von  Singer  nicht  belegt,     für 
Rudolf    (Adamen   Bari.  84,  39)    brächte    wol  die  Wellchron.  gewis- 
lieiL  —  zum  Schlüsse  dieses  etwas  lang  geratenen  excurses  möcht  ich 
nodi  darauf  hinweisen ,   dass  viel  eher   ah  a :  d   von   rein  reimenden 
Alemannen  i  :  I  vor  n   und  vor  allem,  o  :  6  vor  rt  zugelassen  wird : 
Am  :  $ckin  gGerh.  4931,    tn  :  Aeuerln  (I  sichert)  161    und  hörten: 
Worten  Bari.  253,  17   sind   in   den  gedruckten  gedichten  Rudolfs  die 
einzigen  ungenauen  reime,    dieses  selbe  worlen :  h^len  steht  auch  im 
Lanz.  5759,  in  der  Marl.  141,  99.  153,  31  uö.  und  porte :  hörte  Mart. 
139,  19  uö.,  Ulr.  Trist.  565,  29,  wort: gehört  im  Rennew.  Zs.  38,  63 
(daneben  bei  Ulr.  nur  noch  wert,  adj.  ;  verkSrt  Trist.  562, 35  und  värten, 
dL  prät.  von  värwen  :  lirlen  Rennew.  PfeilTers  üb.  47,  513).    dagegen 
finde  ich  in  'cum'  :  in  adv.  (hei  Konr.  lautet  das  adv.  sonst  stets  mit 
länge)  Parton.   17619  und  in  *eum' :  din  (1.  disen  sint    der  künste 
sin'i)  Panlal.  1653  als  die  einzigen  vocalisch  ungenauen  reime  Konr.s 


12  ZWIERZINA 

vWürzb.,  und  magedtn  :  hin  als  den  einzigen  derartigen  reim  bei 
Wetzel  (835),  da  in  hdn  :  kan  385,  .muu^an^  674  für  Welzel  wol 
kurzes  han  anzusetzen  sein  wird,  sowie  für  Hartm.  (s.  oben  u.  Kraus 
aao.)*  diese  spärlichen  t :  I  und  o  :ö  in  den  bestimmten  Stellungen 
neben  dem  vollkommenen  mangel  der  a :  ä  sind  für  den  alem.  dichter 
älterer  zeit  charakteristisch,  dagegen  scheiden  auch  die  sonst  rein 
reimenden  Baiern  (Nib.,  Gudr.  und  die  übrigen  österr.  volksepen,  Konr. 
vFussesbr.,  Servatius  Zs.  5,  Ernst  B,  Heinr.  vTürl.,  MHelmbr.,  Neidh« 
usf.)  und  ein  teil  der  Franken  (Wirnt,  Freidank,  später  Ulr.  vEschenb., 
Ernst  D,  aber  auch  Wolfr.,  Alberts  Ulrich,  Ortn.  und  WoKd.  A  stell 
ich  hierher)  die  quantitäten  bestimmter  lautgruppen  nicht  (bes.  bei  a 
vor  n,  ch,  hl  und  e  vor  r),  während  die  meisten  Rhein-  und  Süd- 
franken die  quantitäten  wider  fast  genau  so  gut  auseinanderhalten  wie 
die  Alemannen  (zb.  Stricker,  der  hierher  gehört,  Otte,  MHimmelf.  Zs.5, 
Erlös.,  Elisab.  und  zt.  auch  Herbort),  aus  Baiem  (resp.  Ostfranken, 
dh.  der  Oberpfalz)  kenn  ich  nur  6inen  dichter,  der  die  quantitäten 
genau  scheidet,  das  ist  Reinbot. 

2.  PRÄT.  ^Z  MIT  LANGEM  ODER  KURZEM  A  BEI  MHD.  EPIKERN. 
In  der  ansetzung  der  quantität  des  prät.  sing,  von  ezzen 
und  vrezzen  steht  die  heutige  grammatik  und  die  übung  der 
herausgeber  mhd.  texte,  auch  der  neuesten,  auf  verschiedenem 
standpunct.  die  grammatik  setzt  die  betreffende  form  ganz  all- 
gemein als  dz  an,  so  heifst  es  zb.  bei  Paul  Mhd.  gramm.^  §  162 
anm.  3  schlankweg :  *zu  izzen,  vrezzen  lautet  der  sing,  des  prät. 
dz^  vrdz*;  in  unsern  mhd.  texten  aber  lesen  wir  stets  az  und 
wo  dieses  auf  länge  reimt,  statuieren  die  editoren  sogar  oft  einen 
unreinen  reim  von  a  :  d.  beides  ist  gleich  falsch,  neben  der 
historisch  richtigen  form  mit  langem  d  hat  sich  schon  früh  durch 
anlehnung  an  vergaz,  maz,  saz  usw.  mit  einer  analogie,  deren 
ausbleiben  uns  ja  eigentlich  nur  wundern  müste,  eine  form  mit 
kurzem  a  herausgebildet,  die  nun  bei  einzelnen  mhd.  dichtem 
die  herschende  wird,  während  andre  dichter  nur  die  alte  form 
mit  länge  des  d  im  sing,  zulassen,  es  wird  vielleicht  nicht  un- 
erwünscht sein,  wenn  ich  im  folgenden  festzustellen  versuche, 
welcher  von  den  hüf.  epikern  diesen,  welcher  jenen  gebrauch 
aufweist,  bei  vielen,  wenn  auch  nicht  bei  allen,  lässt  sich  da 
eine  sichre  entscheidung  fällen,  wobei  es  natürlich  unerlässliche 
Vorbedingung  der  Untersuchung  ist,  dass  man  wisse,  ob  oder 
unter  welchen  bedingungen  der  jeweilig  in  frage  stehnde  autor 
reime  von  sicherem  a  zu  d  zulässt. 

Bevor  ich  zur  behandlung  der  einzelnen  mhd.  epiker  über- 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  13 

geh,    seien   noch  einige   worte  über  die   im  ahd.  geltende  form 
unseres  prät  gestattet,     auch  im  ahd.  galt  m.  e.  nämlich  schon 
Dicht  mehr  dz  allein  und  allgemein,  sondern  jedes  denkmal  müste 
hier  gesondert  untersucht  werden.    Braunes  ausdrucksweise  Ahd. 
gramm.*  §  343  anm.  5  :  ^izzan  (essen)  und  sein  compos.  frizzan 
haben  im  sing.  prät.  nicht  a,  sondern  d  :  dz,  frdz^  wie  die  cir- 
cumflexe  bei  N  beweisen  (auch  T56, 3.  68,3  dz;  Denkm.  91,  83 
ds)'   scheint  mir  ?iel  zu  kategorisch,     für  Tatian   und  vor  allem 
for  Notker  mag  ja  die  länge  feslstehn,  ebenso  fest  steht  die  kürze 
bei  Otfrid.    bei  Otfr.  bringt  nämlich  die  beobachtung  seines  reim- 
gebrauchs   in   der  frage  nach   kürze   oder  länge   des   gereimten 
wertes,  soweit  stumpf  reimende  Stammsilben  in  betracht  kommen, 
so  ziemlich  volle  Sicherheit,     es  ist  unrichtig,  wenn  noch  Kögel 
Litteraturgesch.  i  2,  26  im  anschluss  an  Zarncke  trotz  Wilmanns 
Zs.  16, 124  meint,  dass  bei  gleichheit  der  vocale  in  Otfr.s  reimen 
die  quantität  keine  rolle  spielt.    Otfr.s  reime  beachten  die  quantität 
fast  ebenso  genau,  wie  die  reime  irgend  eines  dichters  der  mhd. 
blQtezeit;  nur  müssen  wir  in  betracht  ziehen,  dass  die  flexions-  und 
ableitungssilben,  ob  sie  nun  nach  alter  kürze  oder  nach  alter  länge 
weisen,  stets  anceps  sind,    auch  endsilbenvocale,  die  so  sicher  kurz 
sind  wie  die  von  ^an^  inf.  st.  verba  oder  part.  prät.,  oder  die  von 
-ar  in  suiUaft  umntar,  hungar  usf.  können  in  Otfr.s  reim  sowol  lang 
als  kurz  und  umgekehrt  auch  etwa  das  -of  der  flexion  der  schw. 
verba  der  (J-classe  sowol  kurz  als  lang,  ohne  jegliche  einschrän- 
kung,    gebraucht  werden,    ob  sie   nun  wider  mit  endsilben  ge- 
bunden seien  oder  ob  sie  auf  Stammsilben  reimen  ^.     aber  dort, 
wo   Stammsilben   untereinander  gepaart  sind,    beachtet  Otfr.  die 
quantität  der  vocale  auf  das  peinlichste,  und  die  gelinden  Schwan- 
kungen, die  sich  conslatieren  lassen,  sind  bei  ihm  nicht  viel  be- 
deutender, als  bei  einem  Alemannen  des  13  jhs.  und  weitaus,  ja 
unvergleichlich  geringer  als  etwa  bei  Wolfr.  oder  Wirnt. 

Nun  reimt  aber  Otfr.  az :  gisaz  iii  6,  35  und  v  14,  24  und 
damit  ist  für  ihn  die  kürze  des  sing.  prät.  bewiesen,  man  sage 
nicht,  er  habe  für  dz  keinen  andern  reim  gehabt  als  den  auf 
-üs,  und  sei  daher  hier  von  seiner  sonstigen  gewohnheit  abge- 
wichen. Otfr.  standen  für  den  reim  zu  dz  ja  nicht  nur  reine 
reime,  sondern  auch  bindungen  wie  :  hiaz  (hiaz  :  aüaz  iv  16,  50 

^  ich  fasse  den  Sachverhalt  also  wesentlich  anders  als  Wilmanns  Zs. 
16,  124ff: 


14  ZWIERZINA 

vgl.  auch  kiar  :  swdr  in  5,  21,  :  wakar  iv  7,  83,  ;  wdr  iv  2,  34. 
y  4,  45.  25,  87  uä.),  ferner  Utas  und  näh  und  släf  udglm.,  und 
schliefslich  vor  allem  ganz  rein  :  aUaz,  thinaz,  sinaz  usf.  zur 
Verfügung,  in  denen  die  endsilben,  wie  gesagt,  fttr  den  reim  als 
anceps  galten  (bero.  hiaz  :  aUaz  iv  16,  50;  nie  aber  hiaz  :  thaz, 
saz  usf.).  aber  der  Elsässer  Otfr.  hält  unter  den  vocalen  un- 
gleicher Quantität  keine  so  streng  auseinander  als  gerade  a  und 
d,  obwol  er  auch  bei  den  andern  vocalen  die  quantität  genau 
unterscheidet  oder  zu  unterscheiden  sucht,  ohne  dies  bis  in  alle 
einzelheiten  darlegen  zu  wollen,  will  ich  doch  den  beweis  für  die 
behauptung  nicht  schuldig  bleibend  s.  übrigens  auch  Wil- 
manns  aao. 

Innerhalb  des  typus  -ar  (-är  und  -dr  zusammengefasst)  reimt 
Otfr.  swdr,  jdr,  wdr,  alawdr,  sdr  und  thdr  immer  nur  unterein- 
ander, auf  hiar,  auf  die  endsilbe  -ar  {meistar,  wakar,  jdmar, 
wuntar,  wazar,  lastar,  hungar,  düfar,  altar,  swangar,  untar,  suntar) 
oder  auf  giddn  (ii  9,  82),  wdn  (iv  21,  9),  schliefslich  auf  diufal 
(iv  11,  2)^  uzw.  sind  diese  reime  äufserst  häufig  und  füllen  c.  230 
verspaare;  dagegen  reimt  gidar  nur  zu  al  (S  33),  bar  prät.  nur 
zu  wuniar  (n  3,  7)  und  gibar  präu  nur  zu  al  (i  25,  18.  ii  1,  10). 
wir  sehen  aiso^  dass  Otfr.  einen  consonantisch  ungenauen  reim 
r :  /  einem  mit  ungleicher  quantität  des  stamm vocals  bei  weitem 
vorzieht,  eine  längung  vor  r,  wie  Wilmanns  Zs.  16,  119  sie  an- 
nimmt, findet  in  der  Stammsilbe  also  nicht  statt. 

Dasselbe  Verhältnis  zeigt  der  typus  -at,  -at : -ad  (resp. -dc 
-di)  ist  ausgeschlossen,  da  Otfr.  d  nach  vocal  und  r  auch  im 
auslaut  noch  spirantisch  sprach,  was  wir  aus  dem  fehlen  der 
reime  von  d:t^  ferner  t:f,h,  s  einerseits  und  der  häufigkeit 
der  reime  von  d :  f  und  h  (s.  zb.  quad :  sprah  ii  6,  4.  iv  16,  36, 
idHUscafL  85.  iv  9,  SOj :  herscaf  iy  4,56,  :ungimah  1 1,57.  iv  22,33, 
ward :  tharf  i  17,  5)  anderseits  schliefsen  können,  so  gab  es  für 
Otfr.  innerhalb  des  typus  -at  viel  weniger  reimmöglichkeiten  auf 
-Ol  als  auf  'dt.  dem  entspricht  es,  wenn  bei  ihm  der  reime  von 
ddt :  giddt :  stdt :  gdt :  rdt :  wdt  mehr  sind  (Ingenbleek  verzeichnet 
s.  88  :  II  6,  47.  m  26,  6.  iv  4,  15.  11,  43.  v  12,  18.  41,  dazu 
noch  zigdt :  scalt  iv  7,  8)  als  der  auf  die  prät.  bat  und  drat^  das 
subst.  stat  und  das  adj.  glat.    aber  auch  diese  reimen  nur  unter- 

^  ich  benutze  im  folgenden  widerholt  das  reimverzeichnis  in  Ingen- 
bleeks  buch  Ober  den  einflass  des  reims  auf  die  spräche  Otfrids,  QF.  37. 


MlTTELHOCHDeUTSCHE  STUDIEN  15 

einander  (bat  :Mai  in  20,  24)  oder  auf  mäht  und  naht  (drat :  mäht 
HI  7«  19;  §lat:naht  n  1,  13)   uod  nie  za  -ät  oder  -a/^     wider 
also    zieht  Otfr.  den   consonantisch   ungenauen   reim  t :  ht  dem 
▼ocalisch  unreinen  a  :  d  vor.    deutlich  zeigt  sich  diese  abneigung 
Oifr.8    gegen   die  binduog  zweier  a  ungleicher  quantität  in  der 
bindong  von  stat.    ttat  ^^  stät  ^sieht'  reimt  alle  3  male  auf  -dt: 
m  26,  6.  V  12,  18.  41;  stat  «>  stät  'statte'  aber  nur  auf  hat  'bat'. 
Vor  n  und  m  gibt  es  bei  Otfr.  einige  vereinzelte  paarungen 
von   a  zu  d,  wie  ja  vor  n  diese  reimungenauigkeit  auch  bei  den 
mhd.    dichtem   des  13  jhs.  am  häufigsten  vorkommt,     aber  auch 
hier  ist  die  lendenz  Otfr.s,  nur  reine  bindungen  zu  suchen,  doch 
leicht    sicher  zu  stellen    und   tritt  stärker  hervor,  als   etwa   bei 
Wimt,  den  Nib.,  Gudr.,  Bit.,  Klage  usw.,  von  Wolfr.  ganz  zu  ge- 
schweigen.     sicher  unrein  reimt  nur  man  :  firddn  iv  22,  6  und 
6tnafln  :  gdn  iv  3,  16.     dagegen  reimt  firddn,  inddn,  giddn  sonst 
stets  nur  auf  langes  -dn  {gdn,  stdn,  wdn,  Jorddn)  und  -dr  (thdr) 
oder  auf  die  endsilben  -an  und  -ar^  die,  wie  gesagt,  stets  anceps 
sind,    U2W.  I  1,48.  2,  21.  8,6.    n  2,  19.  7,  72.  8,  40.  9,  82. 
12,96.    ral2,  39.    15,9.  16,37.    18,36.   22,67.    iv  34,  11. 
V  4,  20.   11,  21.  12,  8;   n  1,  48.  9,  39,   ebenso  gdn  sonst  nur 
auf   -dn  oder  die  endsilbe  -an  i  1,  48.    ii  7,  72.   23,  21.    v 
6,28;  i25,ll;    man  mit  seinen   compositis  jedoch    und    das 
prät.  nam  mit  seinen  compositis  stets  auf  -an  (bald  stamm-,  bald 
endsilbe;   die  beispiele  sind  zu  zahlreich,   um  alle  aufgeführt  zu 
werden)  oder  -am  (man  :  nam  n  6,  24.  ni  4,  34.  iv  3,  23.  16, 11. 
?  21,  14,  iquam  i  22,  41.  m  4,  43.  20,  105,  :  fram  i  7,  27.  32. 
17,  51.    n  5,  2.  9,  67.  14,87.  19,  27.    m  13,  31.  20,  71.  107. 
IV  4,  61.  20,  4.  10.  23,  9,  :  zam  iv  5,  56.  35,  1 ;    gomman  :  zam 
n  14,  51 ;  iaman  :  zam  m  17,  55;   nam  :  bigan  iv  U,  6),  auf  -o/ 
{nioman  :  seal  m  15,  23)  und  auf  -ar  (man  :  tountar  iii  20,  145). 
im  ganzen  wird  so  mehr  als  100  mal   bei  man  und  nam  ^  zu  a 
rein  gebunden,    und  in  gleicher  weise  reimen  auch  fram,  quam, 
gizamj  die  adj.  auf  ^sam,  higan,  biklan^   die  prät.  toan,  giwan, 
ubarwan  usw.  nur  untereinander  oder  auf  -äl  und  -är  (die  end- 
silben stets  als  anceps  genommen)  einerseits,  und  anderseits  unin, 
Mdn,  gdn,  giddn  ebenfalls  nur  untereinander  oder  auf-t^r.  schlagen 
wir  unter  den  von  Ingenbleek  auf  s.  70  verzeichneten  reimen  zu 
wan  die  belege  nach,  so  finden  wir,  dass  dort,  wo  ti^an  auf  kürze 
reimt,  es  stets  das  prät.  von  totnftan  ist  (so  L  51  :  bigan^  iv  24,  33 


16  ZWIERZINA 

:nuin),  dort,  wo  es  auf  -dn  reimt,  stets  das  subst.  wän  (14  mal), 
unter  allen  belegen  fällt  hier  nur  einer  aus  dem  Schema  heraus :  !Anna 
hiaz  ihar  ein  man,  Kaiphases  suäiur,  wan  iv  17, 31.  es  ist  zugleich 
das  einzige  unbestrittene  beispiel,  wo  aus  wdnu  apokopiertes 
toan,  wie  es  ohne  einfluss  auf  die  construction  in  den  satz  ein- 
geschoben wird,  im  reim  steht,  da  nun  auch  u  11,  29  In  imo 
$ähun  se  odo  wan  Götes  kraft  scinan  ein  vielleicht  gleiches  toan 
im  reim  auf  die  infinitivendung  sicher  ebenfalls  als  kurz  gefasst 
werden  darf  (wenn  auch  nicht  muss),  so  hat  Otfr.  dieses  wan 
aus  wdnuj  wo  es  ohne  Personalpronomen  erscheint,  wol  über- 
haupt schon  kurz  gesprochen,  es  galt  dann  natOrlich  nur  mehr 
als  Partikel^,  das  wäre  nicht  unwichtig  fürs  mhd.,  wo  derartig 
eingeflochtene  toan  ja  ziemlich  häuüg  sind,  aber  naturgemäfs 
selten  im  reim  zu  finden  sind,  auch  sie  wären  vielleicht  stets 
besser  mit  kürze  anzusetzen. 

Auf  ähnliche  weise  kann  man  darlegen,  dass  Otfr.  (entgegen  der 
annähme  der  herausgeber,  Kelle  GIoss.  s.  298  und  Piper  Gloss. 
S.221,  s.  aber  Wilmanns  aao.  123)  das  präpositionaladv.  als  in,  schon 
in  der  weise  also  wie  etwa  Hartm.,  nicht  als  In  gesprochen  habe,  ob- 
wol  bei  Otfr.  bindungen  von  in  auf  in  häufiger  sind  als  bindungen 
von  an  auf  dn,  oder  gar  at  auf  dt^  ar  auf  dr  usw.  (auch  hierin  ver- 
gleicht sich  sein  gebrauch  dem  gebrauch  rein  reimender  Alemannen 
des  13  jhs.^  s.  oben  s.  12),  so  ist  doch  die  tendenz,  nur  gleiche 
quantitäten  zu  paaren,  bei  ihm  auch  hier  nicht  zu  verkennen, 
ich  will  das  zunächst  in  ähnUcher  weise  exemplificieren,  wie  oben 
die  Scheidung  von  toan,  prät,  und  wdn^  subst.  wenn  wir  die 
belege  nachschlagen,  die  Ingenbleek  s.  74f  für  min  im  reim,  di. 
min,  poss.  und  gen.  des  personalpron.,  und  mtn,  comparativ 
{thes  thiu  min  uä.)  beibringt,  so  finden  wir,  dass  dort,  wo  mtn 
auf  kurzes  -in  (in  pron.,  ih  hin)  reimt,  mtn  10 mal  (i22,  57. 
II  13.  6.  III  8,  47.  16,  65.  22,  47.  iv  2,  32.  v  4,  61.  11,  5.  17,  30. 
32,  152)  der  comparativ  min  ist  und  nur  3  mal  (i  5,  35.  in  22,  24. 
V  4,  64)  das  possessiv  min,  dagegen  dort,  wo  min  auf  langes  -in 
oder  endsilben-tn  reimt  (60 mal),  immer  und  ausnahmslos  das 
possessiv  oder  der  genet.  min,  das  zeigt  doch  deutlich^  dass  Otfr. 
mtn  und  min  im  reime  schied,     ebenso  reimen  die  nomina  loln 

^  wodurch  der  streit,  ob  in  odowan  (bei  Tatian  zur  Übersetzung  von 
fortasse  gebraucht)  parlikel  oder  apokopiertes  wdnu  anzusetzen  sei,  gegen- 
standslos wird. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  17 

und  $dn^  die  prooomiDa  ikin  und  Hn  nie  auf  -tu  ^  sondern  nur^ 
UKW.  sehr  häufig,  auf  -In  (oder  die  endsilbe  -m).  dagegen  reimt 
also  der  comparativ  min  fast  stets  auf  kürze,  zu  den  oben  ge- 
gebenen zehn  beispielen  komnien  nun  noch  drei,  wo  min  auf 
iharin  reimt :  ▼  5,  7.  6,  25.  7,  12,  die  ich.  oben  als  unsicher  zu- 
nächst Übergangen  habe,  aber  das  präpositionalad?.  wird  bei 
Otfr.  12  mal  (:  th,  pron.  u  14,  86.  ni  10,  23.  23,  28.  iv  16,  10. 
19,  9.  23,  30.  34,  6.  35,  5,  :  bin  iv  11,  29,  dazu  die  drei  ange- 
führten belege  für  min :  in)  auf  kürze,  1  mal  auf  druhUn  (m  24, 41, 
die  unbetonte  silbe  ist  an^eps)  und  nur  2  mal  (:slii,  inf.  i  23,  9, 
s.  die  voranstehnde  anm.,  :min^  poss.  u  14,  27)  auf  länge  ge- 
reimt, da  kann  nach  allem,  was  wir  bis  nun  gehört  haben, 
kein  zweifei  bleiben,  dass  für  m,  iharin ,  hera  m  kurzes  t  an- 
zusetzen ist 

Auch  0  und  i  wird  von  Otfr.  geschieden,  aber  auch  dieses 
(?gl.  wider  die  übung  der  Alemannen  des  13  jhs.  oben  s.  12)  nicht 
ganz  so  streng  als  a  und  d.  ich  merke  nur  an  (s.  auch  Wilmanns 
aao.  118.  125)  :  die  prät.  h6t,  gihdt  und  firhöt  reimen  stets  auf 
not,  bröif  die  endsilbe  -ot  und  widarort,  ich  zähle  etwa  30  ßllle 
(s.  Ingenbleek  s.910f  s^her  gibot  subst.  und  imbot  reimen  nur  auf 
got  und  wart  (i  12,  9.  13,  2.  6.  m  20,  61).  als  einzigen  reim 
von  'Oti-Öt  in  Stammsilben  hab  ich  got :  not  iv  30,  31  bemerkt, 
unter  diesen  umständen  beweisen  die  zahlreichen  reime  von  got 
zu  -or,  der  endung  der  schw.  verba  u  (s.  Ingenbleek  aao.),  dass 
auch  diese  endsilbe  Otfr.s  reimgebrauch  als  anceps  galt. 

Für  die  Scheidung  von  ti  und  ü  bei  Otfr.  führ  ich  an,  dass 
hiU  nur  consonantisch  ungenau  zu  üz  reimt,  uzw.  16 mal,  da- 
gegen su$  nur  zu  akus  (i  23,  63)  und  Petrus  (in  14,  31.  v  15,  3). 
und  da  kann  ich  von  dieser  langen  digression  zu  az  bei  Otfr. 
zurücklenken,  wenn  Otfr.  niemals  Ms  :  sus  und  niemals  sus :  4s 
reimte,  so  wird  er  vor  z  auch  a  :  d  kaum  gereimt  haben,  nach- 
dem wir  ja  sahen,  dass  er  in  bezug  auf  die  quantität  bei  a  noch 
feinhöriger  ist  als  bei  andern  vocalen.  so  beweisen  die  reime 
az  :  gisaz  ui  6,  35.  v  14,  24  für  Otfr.  die  kürze  des  vocals  im 
sing.  prät.  von  ezzen. 

^  Qor  tin  iof.  ist  des  öftero  mit  in  pron.  gereimt  (i  28, 19.  n  7,  16. 
IV  7,  44.  14,  15.  V  20,  67).  daxa  kommt  uoch  s(n  :  in  adv.  i  23,  9.  sin :  -tn 
ist  aber  auch  hier  die  regel.  in  adv.  faast  Wilmaoos  aU  anceps,  aber  es 
reimt  nicht  öfter  auf  -IVt  als  etwa  min  'minus*,  s.  oben. 

Z.  F.  D.  A.  XUV.     N.  F.  XXXII.  2 


18  Z^IEBZINA 

Was  nun  die  mhd.  epiker  der  blütezeit  angeht,  so  ist  leicht 
festzustellen,  dass  Bud.  und  Reinbot  ausschliefslich  die  alte  form 
mit  länge  gebrauchen,  da  beide  dichter  niemals  a  und  ä  mit- 
einander binden,  so  ist  durch  den  reim  äz  :  apldz  Bari.  173,  31, 
:  underläz  Weltchr.  Zs.  des  Ferdinandeum  in  42,  3  und  äz  :  wäz 
Geo.  4797  die  länge  des  sing.  prät.  für  diese  beiden  dichter 
bewiesen,  eine  weitere  erwägung  lehrt,  dass  bei  ihnen  nur 
diese  form  mit  länge  galt,  und  nicht  etwa  daneben  auch  kurzes 
az.  wenn  Rudolf  in  den  23000  versen  seines  gGerh.  und  Bari, 
den  sing,  az  nie  in  den  reim  set^t,  sondern  ihn  nur  im 
innern  des  ?erses  verwendet  (s.  Bari.  107,  32.  173,  21.  249,  8. 
362,  18.  377,  20),  dagegen  den  plur.  gdzen  gGerh.  717,  den  conj. 
CBze  Bari.  52,  25  und  den  inf.  ezzen  Bari.  29, 19.  104,  39.  234,  21. 
249,  31  ungescheut  reimt,  so  beweist  das,  dass  er  den  sing,  des 
prät.  nur  in  einer  schwer  reimbaren  form  gekannt  hat,  die  er 
an  den  ?ersschluss  zu  setzen  blofs  einmal  zu  stände  brachte, 
und  das  ist  äz.  hier  reimen  aufser  apläz  und  wäz  nur  geläz, 
antläz,  an  underläz,  gäz  und  vrdz^^  worte,  die  im  Zusammen- 
hang nur  selten  möglich  sind,  deshalb  war  es  auch,  wenn  Bud. 
die  form  az  neben  äz  gekannt  hätte,  ein  unglaublicher  zufall, 
dass  das  einzige  mal,  wo  der  dichter  den  sing.  prät.  reimt,  er 
äz  reimte  und  nicht  az^  für  das  sich  ja  so  viele  und  so  bequeme 
reimworte  (bem.  daz^  baz,  etewaz^  vürbaz^  saz^  vergaz^  haz  usf.) 
anboten,     dasselbe   gilt  von  Beinbot;  gäzen  :  gesäzen  Geo.  2519. 

Auch  Fleck  kannte  nur  langes  ä  in  der  fraglichen  form, 
denn  er  reimt  zwar  des  Oftern  den  p\\xr.  gäzen,  Flore  771.3011. 
3471.  3921,  ferner  formen  wie  izze  1849  und  ezzen  3415.  7567, 
aber  den  sing,  äz  verweist  er  ins  versinnere  :  3013.  3945  (hier 
in  unmittelbarer  nähe  eines  reimpaares  vergaz  :  gesaz).  3953. 
nur  einmal  reimt  er  die  singularform,  uzw.  zu  dem  namen  CHüraz 
1431.  Fleck  sagt  Claris  (5665.  5629  usf.),  er  reimt  1371  das 
flectierte  Guräze  zu  mäze,  während  die  unflectierte  form  des 
namens  sonst  nicht  im  reime  steht,  also  wol  genau  so  schwer 
wie  äz  zu  reimen  war  —  es  kann  also   kein  zweifei  sein,  dass 

*  davon  kommen  gäz  und  vrdz  fOr  Rad.  nicht  in  betracht.  denn  sie 
hätten  ihm  als  unerlaubt  rührende  reime  zu  äz  gegolten,  s.  darüber  unten 
nr  11,  den  abschnitt  über  den  rührenden  reim,  von  den  übrigen  Worten  des 
reimtypus  -dz  sind  die  meisten  {geldz,  abeldz^  anUdz,  underläz,  wäz)  nur 
den  wenigsten  dichtem  geläufig. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  19 

Fleck  1431  dz:  Mräz^  Dicht  az :  Güraz  meinte  und  dass  ihm 
eine  form  äz  Oberhaupt  fremd  war.  dass  Fleck  a  :  d  nicht  bindet, 
wurde  schon  oben  im  excurs  s.  10  ausgeführt. 

Ähnlich,  wenn  auch  schon  etwas  complicierter,  liegen  die 
▼erhaltnisse  im  H.  Helmbr.  in  diesem  gedieht  ist  ja  ?on  essen 
und  trinken  viel  die  rede,  daher  stehn  formen  des  verbums  ezzm 
widerfaolt  im  reim  :  dzen  899.  1469.  1573,  dzet  1749,  mze  1561, 
ezzm  1240.  1535.  1607.  der  sing.  prät.  aber  reimt  nur  einmal 
(1547),  und  da  auf  Küefrdz^  also  auf  länge,  es  ist  daher  im 
höchsten  grade  wahrscheinlich,  dass  der  dichter  lediglich  dz 
sprach,  der  fall  ist  aber  deshalb  complicierter  als  bei  Rud., 
Reinbot  und  Fleck,  weil  Wernher  auch  oft  a  zu  d  reimt;  jedoch 
nur  vor  n  (man  :  gdn  585,  :  hdn  743,  ;  getdn  1129.  1141. 1797; 
am  :  gän  851;  compdn :  gewan  1215)  und  r  (garijdr  255),  nie 
Tor  andern  consonanten,  also  wol  auch  nicht  vor  2,  wo  freilich 
der  mOglichkeiten  -az  :  -dz  zu  binden  nicht  viele  sind. 

Ähnlicher  beurteilung  unterligt  der  reim  vrdz  prät.  :  dn 
underläz  im  oberpfälzischen  Serv.  Zs.  5 ,  2955  (äz  fehlt) ,  der 
gleichfalls  fOr  ausschliefsliches  dz  zeugt«  —  in  Alemannien  reimt 
noch  im  gedieht  Von  den  zwei  Johansen  28  strdz  :  dz  prät. :  hdz 
'vcstis'. 

Hartm.  gestattet  lediglich  einen  schluss  auf  dz  ex  absentia 
von  az»  aber  ich  halte  auch  diesen  für  genügend  sicher,  denn 
das  fehlen  eines  positiven  beweises  für  dz  durch  einen  reim  von 
dx  :  'äz  kann  bei  Hartm.,  der  aufser  vrdz  (Greg.  2618.  2637. 
2756  persönlich.  Er.  2130.  8647  abstract)  und  ungdz  (Greg. 
2598.  2699),  von  denen  das  zweite  wenigstens,  mit  dz  gebunden, 
rührenden  reim  ergäbe,  kein  reimwort  auf  äz  in  seinem  Sprach- 
schatz hat,  nicht  in  betracht  kommen,  der  reimtypus  -dz  fehlt 
bei  Hartm.  daher  auch  gänzlich,  dagegen  hätte  dieser  dichter, 
wäre  ihm  die  form  az  mit  kürze  geläufig  gewesen,  sie  des  Oftern 
gereimt  und  hätte  das  so  leicht  und  gefällig  zu  bindende  wort 
(niht  vergaz  . .  .  az,  gesaz  ünde  .  .  .  az  sind  häufige  formein, 
die  auch  Hartm.  nicht  unbekannt  waren)  nicht  ins  innere  der 
Zeile  verbannt,  im  Iw.  zb.  steht  az,  wie  Beneckes  wb.  ausweist, 
viermal  im  versinnern  :  1224.  3310.  3906.  3910,  nie  im  reim, 

^  dass  Güraaiy  dat.  Güräze  möglich  wäre  (s.  Sommer  zu  Fl.  1372), 
^ebe  ich  selbstverständlich  zu.  notwendig  ist  eine  derartige  Unterscheidung 
aber  natörlich  nicht.  ^ 

2* 


20  ZWIERZINA 

der  plur.  d»en  aber  steht  im  Iw.  wie  id  den  aadern  werken  stets 
im  reim  :  Iw.  369.  6569;  Er.  3556.  3732.  4614.  9488;  Greg. 
1169  (vräzen),  nie  im  innern,  und  ebenso  wze  im  reim  :  Er. 
3748.  6382.  die  Sachlage  wird  noch  deutlicher,  wenn  wir  nun 
einen  dichter  zur  vergleichung  heranziehen,  der  kurzes  az  reimt. 
Wolfr.s  Parz.  bietet  sich  da  ungezwungen  an.  hier  steht  az  und 
gaz  27  mal  im  reim  :  132,  1.  169,  23.  217,  11.  218,  15.  233,23. 
244,  23.  274,  27.  279,  15.  309,  7.  29.  314,  17.  452,  16.  485, 
14.  23.  524,  17.  552,  3.  581,  25.  636,  23.  652,  9.  676,  9.  697, 
27.  762,  11.  763, 1.  764,  7.  775,  9.  784,  23.  813,  17,  der  plur. 
äzen  dagegen  nur  3  mal  :  273,  27.  279,  17.  777,  25,  und  der 
conj.  ceze  4  mal :  166,  3.  550,  17.  572,  9.  582,  27.  wenn  auch 
ein  teil  des  plus  im  Par2.  gegenüber  Hartm.  auf  rechnung  des 
realistischeren  tones  seines  dichters  kommen  mag,  so  kann  auf 
diese  weise  noch  immer  nicht  die  totale  umkehrung  des  Verhält- 
nisses von  az  im  reim  und  von  dzen^  ceze  im  reim  hier  und 
dort  erklärt  werden  :  bei  Hartm.  az  6,  äzen.  CBze  9,  im  Parz. 
az  27,  dzen,  asze  7.  —  Hartm.  hat  also  nur  äz  gesprochen  und 
diese  form  ist  in  den  kritischen  ausgaben  seiner  werke,  sowie 
der  Rud.s,  Reinbots  und  Flecks,  des  MHelmbr.  und  des  Serv., 
auch  im  innern  des  ?erses  stets  mit  dem  längezeichen  m  ver- 
sehen. 

Anders,  wie  wir  bereits  bemerkten,  verhält  sich  der  Parz. 
man  darf  nicht  sagen,  dass  im  Parz.  bei  den  bindungen  von  az 
auf  daz,  haz,  gesaz  usf.  auch  unreiner  reim  von  a :  d  vorliegen 
könne,  da  Wolfr.  ja  die  verschiedenen  quantitäten  dieses  vocals 
so  oft  mit  einander  paare,  denn  Wolfr.  reimt  a  :  d  durchaus 
nicht  in  allen  Stellungen  gleich  unterschiedslos,  ganz  identisch 
khngen  ihm  die  beiden  laute  nur  vor  n,  tn,  ch  und  ht  in  ein- 
silbigen  werten^,  da  halten  die  reinen  den  unreinen  bindungen 
vollkommen  die  wage,  vor  r  bindet  Wolfr.  zwar  sehr  oft  a  :  d, 
aber  -dr  : -dr  (60  paare)   und  -ar  : -ar  (312  paare)   prävalieren 

'  schon  nicht  mehr  in  zweisilbigen,  geddht  und  brdhi  reimt  im  Parz. 
und  Wh.  widerholt  auf  -aht  (Scbvlz  Beimregisler  s.  33  zählt  32  belege), 
brdhte  und  akte  reimen  aber  nur  Wh.  245,  7.  246,  5,  welches  gedieht  in 
bezug  auf  die  scheidung  der  quanlilaten,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  viel 
sorgloser  ist  als  der  Parz.  —  gdch  nnd  ndck  reimen  im  Parz.  und  Wh. 
39 mal  auf  äcA,  nie  aber  reimen  machen,  wachen ,  lachen  usf.  :  rächen, 
sprächen,  brächen. 


HITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  21 

80  Stark  über  ^dr  :  -or  (16  paare)  S  dass  man  zugeben  wird^  dass 
hier  die  unreine  bindung  ausnähme  ist,  Wolfr.  also  die  quaAtUäl 
▼OB  a  ?or  r  auseinandergehalten  hat,  wenn  auch  unvollkommen. 
besser  gelingt  ihm  die  Scheidung  vor  t.  hier  sind  reimworte 
häufigsten  Vorkommens  dicht  gesät :  einerseits  die  prät.  bat,  trai^ 
die  sobsL  phat»  bat,  ttat  (dieses  allein  reimt  schon  74  mal),  ferner 
mai  QDd  das  adj.  tat,  anderseits  hat,  lät  und  tat,  getdt,  missetät, 
wdi^  sät,  rdr^mehr  als  200  reine  reime);  aber  nur  einmal,  Parz. 
368»  1,  reimt  bat  zu  lätl  Ober  a:ä  vor  l  s.  Beobachtungen 
s.  469  anm.  vor  z  nun^  sowie  vor  Ar  (c),  findet  sich  im  Parz. 
in  einsilbig  stumpfem  reim  ^  keine  bindung  von  a  :  d.  ziehen  wir 
noch  in  betracht,  dass  Parz.  639,  1  gdz,  adj.  :  vrdz^  subst.  und 
238,  27  agrdz  :  vrdZj  subst.  rein  gebunden  erscheinen,  wir  aber, 
setzen  wir  den  sing.  prät.  für  Wolfr.  als  dz  an,  den  27  unreinen 
bindungen  dieses  wertes  dann  keine  einzige  reine  entgegenstellen 
könnten,  so  dürfen  wir  wol  behaupten,  dass  äz  für  Wolfr.s  spräche 
feststeht,  für  seine  spräche;  für  seinen  reimgebrauch  aber  nur, 
soweit  der  Parz.  in  betracht  kommt,  den  27  äz  im  Parz.  ent- 
sprechen im  Wh.  nur  2  statt  15,  die  zu  erwarten  wären  :  176,  !• 
266,  7,  dazu  kommt  noch  az  er :  wazzer  Wh»  276,  9.  trägt  da 
blols  der  anders  geartete  inhalt  des  gedichts  die  schuld?  ich 
gi^ube  kaum,  dzen  und  teze  ist  im  Wh.  gerade  nicht  seltener 
aJs  im  Parz.  (Wh.  175,  27.  275^7;  265,  3,  im  Parz.  7  beispiele, 
s.  oben) 3.     dazu  kommt  nun  noch,  dass  Wolfr.  im  Wh.  spora- 

*  im  Parz.  sind  nur  die  reime  von  elär  auf  -or  häufig  (6  fälle),  sonst 
reimt  bloCs  jV^r  2  mal  und  war  Imal  aof^or.  das  ist  bezeichnend,  in  dem 
fremden,  ans  der  lilteratur  der  Bheinlande  entlehnten  wort  schwankte  die 
qaaotilät  mehr  als  bei  den  andern,  ahnlich  gebraucht  die  Marl,  eldr  im 
reim  als  ancepa.  wider  zeigt  erst  der  Wh.  auch  vier  bindungen  von  -ar 
anf  hdr, 

^  anders  hazen :  md%m  Parz.  427, 29,  idzen  :  goUva%en  Parz.  809,  21. 
aech  hier  wurde  also  die  quantität  vor  spirans  anders  behandelt  in  einsiU 
bigem  als  in  zweisilbigem  wort  (von  offener  und  geschlossener  silbe  kann 
Buan  ja  doch  hier  nicht  sprechen),  sowie  wir  es  oben  bei  a  und  d  vor  eh 
oad  hi  bemerkten,  nur  liegen  hier  die  Verhältnisse  umgekehrt.  —  agra» 
Parz.  238,  27  hat  wol  langes  d  in  der  reimsilbe  :  die  kürze  kann  wenigstens 
durch  nichts  bewiesen  werden. 

^  freilich  erscheint  dzen  und  €Bze  immer  nur  begleitet  von  einem  a% 
im  reim,  vgl.  dzen  175, 17  .*  az  176,  1;  dzen  275, 1  :  az  er  276,  9;  az9 
265,  3  .*  OS  266,  7,  was  darauf  hinwiese,  dass  das  vorkommen  des  Wortes 
im  rdme  vom  inhalt  so  stark  beschränkt  wurde,    um  also  Sicherheit  zu  er- 


22  ZWIERZINA 

discbe  reime  ?on  -az  :  -äz  aufweist  (gäz  adj.  :  saz  Wh.  277, 11 ; 
wäz  :8az  144,  5;  geldz :  baz  224,  29.  249,  3,  dgl.  fehlt  im  Parz.i), 
sodass  dz  im  Wh.  auch  in  den  zwei  bindungen  mit  saz  und  haz 
vorliegen  kann,  vielleicht  also,  ich  betone  das  vielleicht  bes.  mit 
rücksicht  auf  anm.  1,  hat  Wolfr.  die  ihm  geläufige  form  des  sing, 
prät.  mit  kürze  im  Wh.  aufgegeben,  dem  gebrauch  andrer  dichter 
und  derjenigen  leser  zu  liebe,  die  dz  und  nicht  az  sagten. 

Kurzes  äz  ist  sowie  Wolfr.s  auch  Wirnts  form,  des  fränkischen 
nachbars  und  nachahmers  des  Parzivaldichters.  Wirnt  reimt  azisaz 
Wig.1718,  :ma2;  subst.  4477,  :vergaz9A&b.  im  innern  steht  az 
nur  711  und  718,  dzen  reimt  seltener  als  az  :  1724.  4290, 
ebenso  ezz$n  nur  3182.  3469.  auch  Wirnt  reimt  zwar  a :  d, 
aber  nur  vor  n  (51.  56.  207.  322.  361.  443.  569.  578.  588. 
609.  975  usf.  usf.)  und  vor  r  (kldr :  -var  adj.  877.  895.  4631 ; 
jdridar  1053.  1130,  :  gebar  11626,  :  gar  1190.  3402.  4316. 
4819.  6082.  7789.  8322.  9333.  10265,  :  schar  subst.  1216, 
:nam  war  1320;  hdr  :  gar  2414.  4693.  7992,  :  geschar  verb 
10177.  10320,  :viuwervar  2841;  wdr :  dar  3584.  11237,  :  gar 
2529.  4130.  4777.  5668.  5837.  6755,  ;  schar  subst.  2858,  :nam 
war  7454,  vgl.  auch  hinvart :  beswdrt :  bespart  3232)  unterschieds- 
los, vor  ch  erscheint  a  :  d  im  ersten  teil,  wo  Wirnt  Hartm.  folgt, 
blofs  einmal  (gdch  :  ersach  1518),  hier  herscht  gdch:  ndch  (1844. 
1884.  2185.  4490.  4589.  4985.  5145),  im  zweiten  teil,  wo  der 
dichter  unter  Wolfr.s  einfluss  steht,   überwiegen   aber  die  bin- 

langen,  müste  man  jedesfalls  noch  das  Verhältnis  der  im  versinnern  er- 
scheinenden az  für  Wh.  nnd  Parz.  untersuchen. 

*  der  Wh.  geht  in  bindungen  von  kürze  und  lange  viel  weiter  als  der  Parz., 
was  wir  schon  oben  s.  20  anm.  1  för  -ähte :  -ahie  und  s.  21  anm.  1  für  -<£r .'  -ar 
constatieren  musten.  der  Parz.  begnügt  sich  ferner  für  mäc  mit  dem  un- 
bequemen reim  auf  bäe  (t56,  3.  324, 11.  412,  21.  419,  27.  520,  3),  wenn  er 
es  nicht  fertig  bringt  mde  auf  wdc  zu  reimen  (434, 13).  der  Wh.  aber,  dem 
reine  reime  auf  m^c  und  wde  fehlen,  weil  er  das  wort  bdc^  sowie  bdgen 
(Parz.  150, 19.  430,  27.  500, 1;  80,  23.  453,  1),  welche  übrigens  auch  schon 
in  den  letzten  6  bächern  des  Parz.  gemieden  werden,  nicht  kennt  (nur 
ödgen  Wh.  145, 1  ist  ein  rückfall),  reimt  nun  unbedenklich  mdc :  lac  und 
tlae  (68,  1.  393,  5.  412,  1.  441,  23.  448,  27.  455,  13)  und  wdc :  lac  (411, 7. 
435,  15).  yf\i  bemerken  übrigens,  dass  diese  unreinen  bindungen  sich  in 
den  letzten  2000  versen  des  Wh.  zusammendrängen  (dort  7,  früher  nur 
68,  1),  dagegen  Wh.  41,  7  mde  und  wdc  untereinander  gebunden  werden.  — 
desgleichen  ist  -ot : -61  in  Wh.  viel  häufiger  (15  mal)  als  im  Parz.  (11  mal, 
statt  25  mal),    lehn  :  zehn  Wh.  372,7  hat  im  Parz.  nicht  seinesgleichen  usf. 


HITTELHOCnDEDTSCRE  STUDIEN  23 

duQgeo  ¥00  'äeh  :  -ach  {nach  :  sach  6255.  6724.  7311.  7319. 
7426.  8S65.  9592)  weit  über  die  von  gäch  :  nach  (8206. 10929. 
11550).  vor  ht  zeigt  Wirot,  im  gegeosatz  zu  Wolfr.,  keine  der 
so  bequemen  paarungen  von  bräht,  bedäht  mit  mäht,  naht,  vaht 
iisL,  ebenso  fehlt  a  :  ä  vor  /,  k,  t  und,  was  uns  bes.  angeht,  vor 
s.  die  dreimalige  bindung  des  sing.  prät.  von  ezzen  auf  kürze 
beweist  bei  Wirnt  also  kurzes  äz. 

Ganz  sicher  ist  ferner  dieses  kurze  äz  bei  Golfr.  vStrafsb., 
der  wider  (s.  oben  s.  6)  a  und  ä  überhaupt  niemals  bindet. 
er  reiont  das  prät.  gaz  zwar  nur  einmal  mit  daz.  Trist.  17963, 
aber  man  darf  aus  der  Seltenheit  seiner  Verwendung  im  reim  für 
Golfr.  nicht  auf  ein  meiden  scbliefsen,  sodass  er  etwa  nur  ein- 
mal ihm  sonst  fremdes  äz  zugelassen  hätte,  um  es  eben  reimen 
zu  können,  denn  im  Trist,  ist  von  essen  und  trinken  überhaupt 
riei  weniger  die  rede,  als  in  irgend  einem  andern  höfischen  ro- 
man.  der  plur.  äzen  und  der  conj.  CBze  stehn,  und  das  ist  ent- 
scheidend, gar  nicht  im  reim,  der  inf.  ezzen  nur  13162. 13179, 
das  pari,  vrezzen  9243.  im  innern  findet  sich  az  nur  4105. 
13181.  18168,  dzen  16823. 

Ebenso  wie  für  Gotfr.  steht  äz  für  den  dichter  der  gFrau 
fest  kurzes  äz  wird  durch  den  reim  gaz  :  saz  2323  (gäzen  815. 
2655.  2739,  (Bzen  2645,  ezzen  1301.  27.35)  bewiesen,  da  auch 
in  der  gFrau  niemals  a  :  d  gebunden  und  kein  dz  durch  den 
reim  belegt  erscheint. 

Viel  häufiger  als  der  Trist,  und  die  gFrau  bringt  Konr. 
vWürzb.  den  reim  azi-äz  (Silv.  698.  3153,  Engelh.  437.  1311. 
2643,  Parton.  2232.  1017.  14007,  Herzm.  437,  Troj.  17642) 
und  vraz  :  -äz  (Parton.  7165,  Troj.  24202).  auch  für  Konr.  ist 
damit  kurzes  äz  bewiesen,  da  ein  reim  a:d  bei  ihm  unerhört 
ist  (s.  oben  s.  9  anm.).  ob  dieser  liebhaber  von  doppelformen 
nicht  daneben  auch  dz  reimte,  ist  nicht  ausgeschlossen,  wir 
finden  äz :  dn  underldz  Silv.  3527.  es  ist  freilich  nicht  unmöglich, 
dass  hier  ein  fehler  der  Überlieferung  vorligt  und  an  der  be- 
treffenden stelle  statt  Rehte  ah  Adam  den  aphel  dz  (:  dn  under- 
Idz)  nach  mafsgabe  der  bei  Konr.  nicht  seltenen  bindungen  von 
heie  gdz :  dn  underldz  (s.  zb.  Herzm.  465.  487,  Troj.  24221)  zu 
lesen  ist  Ah  Adam  het  den  aphel  gdz,  jedesfalls  bleibt  das  dz  im 
Silv.  vereinzelt. 

Wechsel  zwischen  az  und  dz  belegt  auch  der  Stricker,    in 


24  ZWIERZINA 

seinem  ältesten  werke,  dem  Daniel,  wird  2565  gaz  mit  saz  ge- 
reimt, dieser  reim  beweist  kurzes  az,  denn  die  bindung  a  :  ä  ist 
diesem  dichter  durchaus  zuwider,  aber  in  den  vielen  tausenden 
von  Versen  seiner  spätem  gedichte  findet  sich,  soweit  sie  gedruckt 
sind,  dieses  leicht  reimbare  az  nie  mehr,  dagegen  steht  verezzen 
part.  Karl  2513,  ezzm  Pf.  Üb.  2,58,  ReinhF.  p.  322,  Hahn 
IV  101.  177,  äzen  ReinhF.  p.  323,  aze  HGerm.  8,300,231, 
Hahn  xiii  19,  izzet  HGerm.  8,  301,  285  im  reim,  anderseits  vräz 
sübst. :  het  gdz  WLeseb.*"  800,  23.  807,  26,  :  antläz  Am.  1011, 
und  schliefslich  reimt  tatsächlich  prät.  dz  :  vrdz  subst.  WLeseh.*^ 
808,  18  (a»  HGerm.  2,  82),  welches  stück  ich  blofs  dieses  reimes 
halber  dem  Stricker  nicht  absprechen  wollte,  denn  das  fehlen 
der  bindungen  des  kurzen  iz  seit  dem  Dan.  im  zusammenhange 
mit  dem  dz  im  beispiele  Ein  vrdz  der  was  so  gar  etit  vrdz 
konnte  vielleicht  darauf  hinweisen,  dass  das  äz  des  Dan.  nur  der 
nachahmung  Wolfr.s^  dessen  einfluss  ja  gerade  in  diesem  erst- 
lingswerk,  denn  das  ist  m.  e.  der  Dan.,  bedeutend  hervortritt, 
zu  danken  ist. 

Dagegen  steht  kurzes  az  bei  den  hessischen  diehtern  durch- 
aus fest,  bei  Herb,  beweisen  es  die  reime  6645.  8048.  17658, 
beim  Verfasser  von  Erlös,  und  Elisab.  :  Erlös.  5387.  Germ.  3, 
472,87;  Elisab.  239.  1750.  in  Erlös,  und  Elisab.  reimt  a:d 
niemals,  bei  Herb,  nur  unter  hier  nicht  gegebenen  bedingungen. 

Der  Lanz.,  die  Kindh.  Jesu,  Mar.  himmelf.,  Drst.,  Mor.  vCr., 
und  die  gedruckten  stocke  Ulr.s  vTürh.  geben  in  der  frage,  ob 
äz  oder  dz,  keine  entscheidung.  das  fehlen  von  az  im  reim  in 
den  beiden  erstgenannten  gedichten  neben  häufigeren  reimen  zu 
äzen  (Lanz.  3687.  8595.  8605,  Kindh.  1455.  2417)  und  ezzen 
(Lanz.  143.  3949,  Kindh.  921.  1799.  1850)  weist  eher  nach  dz 
als  nach  az. 

Von  den  volkstümlichen  epen  bringen  Nib.,  Klage  und  Gudr. 
keinen  anhaltspunct.  denn  auch  das  fehlen  ton  az  im  reim  be- 
weist hier  nichts  für  dz,  da  das  verbum  ezzen  zb.  im  alten  tezt 
der  Nib.  überhaupt  nur  3  mal  torkomitat,  darunter  nur  Imal  im 
ind.  prät.  (az  1012,  2),  s.  Bartschs  wb.  s.  f.  ezzm^ 

Andre  dichter  als  die  genannten  bab  ich  nicht  untersucht, 
man  kann  äz  wol  am  ehesten  fflr  fränkische  gegenden  bean- 
spruchen :  Wolfr.s  spräche  zeigt  zahlreiche  spuren  fränkischen 
Clements,  die  im  lauf  dieser  Studien  noch  oft  blofsgelegt  werden 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  25 

soüeiiv  Gotfr.  uod  gFrau  fallen  in  grenzgebiele  NiederalemaDDieos 
iiad  Fnokeas,  ebenso  weist  Konr.  vWttrzb.s  spräche  vielfach 
Mch  Dach  seiner  heimal,  und  auch  der  Stricker  war  ein  Sttd- 
franke,  dazu  kommt  noch  äz  in  Herb.s  Troj.,  in  Erlös,  und 
Elisab.  dagegen  sagen  in  Alemannien  Hartm.,  Ulr.  vZatzikh«, 
neck,  Rud.  und  noch  pseudO'-Heinzelin,  in  Baiern  MHelmbr.  und 
Serr.  Zs.  5  dZr  nie  äz.    zu  diesen  stellt  sich  ReinboU 

Zqih  schloss  noch  eine  einschränkende  bemerkungl  man 
kann  nienials  mit  Sicherheit  sagen,  dass  die  dichter^  werche  äz, 
wenn  auch  noch  so  oft,  reimen,  nur  diese,  die  jüngere  form,  ge» 
kaant  haben,  da  kurzes  äz  ja  viel  leichter  reimbar  ist  als  langes 
ds»  hätten  selbst  solche  dichter,  die  auch  die  alte  form  neben 
der  analogiebildung  in  ihrem  formenvorrat  hatten,  zu  reimzwecken 
doch  immer  eher  zu  dem  bequemeren  az  als  zu  äz  gegriffen, 
bei  Stricker  und  Konr.  vWurzburg  konnten  wir  ja  würklich  beide 
formen  im  reim  belegen. 

3.   GE€EN  UND  ff'IDER 
MIT  DEM  GENETIV  DES  PERSONALPRONOMENS  IM  NIBELUNGENLIED. 

Mib.  2230  (ich  ciliere  den  Strophenbestand  von  A)  wird 
Wolfbart  f  der  sich  durch  die  Burgunden  mit  Schwertstreichen 
eioe  gasse  haut  und  so  fortwährend  den  saal  (ich  lese  sal^  nicht 
wai)  hin  und  wider  abschreitet,  bei  der  driten  h&re  von  Giselher 
angerufen  Ow4  daz  ich  tö  stimmen  vimi  ie  gewan.  Edel  rüter 
küene^  n^  wendei  gegen  in.  Ich  wil  ez  helfen  enden:  ez  mac 
atkl  amders  gesin.  darauf  heifst  es  2231,  1  :  Z$  GisMere  k&te 
Waifhart  m  den  sirit.  der  angerufene  hat  also  Giselhers  worte 
so  verstanden,  dass  es  diesen  verlangte,  sich  mit  ihm  zu  messen, 
und  dass  er  sich  gegen  Giselher  kehren  sollte,  gegen  in,  so 
Qberliefert  ABD,  ist  unsinnig,  denn  dass  Wolfhart  sich  gegen  die 
Burgunden  wende,  braucht  Giselher  den  beiden  nicht  erst  zu 
bitten,  er  wütet  ja  bereits  unter  ihnen;  gerade  das  gegenteil  da- 
von, der  wünsch,  ihn  von  den  übrigen  abzuziehen,  ist  die  ab* 
siebt  des  anrufs,  der  ja  auch  solchen  erfolg  hat.  dass  gegen  in 
bedeuten  könnte,  von  ihnen  weg,  in  der  ihnen  entgegen* 
gesetzten  rtchtung,  wird  niemand  behaupten,  man  sollte  also  er- 
warten gegen  mir.  dieses  wird  von  1  und  *C  (das  ist  classe  C), 
von  jedem  selbständig,  auch  hergestellt,  den  gestörten  reim 
bringen  beide  dann  auf  ihre  weise  wider  in  Ordnung  :  *C  ändert 


26  ZWIERZINA 

das  überlieferte  Ich  wil  ez  helfen  enden:  ez  mak  niht  anders 
gesin  in  Si  körnen  zuo  einander  iit  mit  ellenthafier  gir  (:  mir) 
und  Ih  reimt  gen  mir  her  auf  Ich  wil  ez  helfen  enden:  ez  mac 
anders  sin  niht  mir.  beide  vierten  verse  sind  reimereio,  die  das 
zeicheu  der  schreibermache  auf  der  stirn  trageo. 

Aber  nicht  nur  der  mangelhafte  sinn,  auch  der  mangelhafte 
reim  der  stelle  macht  bedenken,  da  die  bindung  -m  :  -in  den  -Nib., 
wie  wir  weiter  unten  noch  sehen  werden,  nicht  geläufig  ist. 
Lachmann  suchte  beiden  bedenken  abzuhelfen,  indem  er  nü 
wendet  gegen  in  accentuierte.  das  sollte  natürlich  bedeuten  :  nun 
wendet  (mir)  entgegen,  (in  den  saal)  hinein,  aber  man  kann 
Bartsch  (Unters.  176)  kaum  einen  Vorwurf  daraus  machen,  dass 
er  Lachmanns  meinung  offenbar  nicht  capiert  hat,  denn  an 
parallelen  wird  es  einer  derartigen  Verbindung  wie  gegen  In 
wenden  «=  entgegen  hinein  kehrt  machen,  wol  ebensogut  fehlen, 
wie  einem  in  für  in  «»  'iis',  das  Bartsch  dort  Lachmann  zutraut. 

Lachmanns  textconstruction  geht  von  der  Voraussetzung  aus, 
dass  die  Änderungen  der  hss.  I  und  *C  auf  die  la.  ABD  zurück- 
gehn,  in  die  sie  den  von  ihnen  erwarteten  sinn  der  stelle  hinein- 
zubessern  suchten,  ich  glaube  aber  nicht,  dass  diese  auffassung 
der  Überlieferung  richtig  ist,  sondern  halte  die  la.,  die  uns  hier 
zufällig  allein  die  junge  hs.  b  überliefert,  für  die  genuine,  die 
sowol  von  ABD,  als  auch  von  *C  und  von  I,  uzw.  da  sonst  b 
ja  mit  D  zu  einer  engern  gruppe  gehört,  von  jeder  der  5  hss. 
(*C  und  Ih  als  je  eine  hs.  gerechnet)  selbständig  geändert 
wurde,  wobei  ABD  nur  zufällig  alle  drei  auf  eine  und  dieselbe 
besserung  verfielen,  b  list  z.  3*^ :  nA  wendet  gegen  min  (:  gesin) 
für  gegen  in  ABD,  gegen  mir  her  ih  und  gegen  mir  *C.  der  an- 
lass  zur  änderung  lag  in  der  vulgär -dialektischen  construction 
von  gegen  mit  dem  gen.  des  personalpron.s.  A,  B  und  D  ver- 
einigten sich  in  der  gleichen  besserung,  die  nicht  nur  graphisch 
nahe  lag  (auch  einfache  Verlesung  des  ungewohnten  wortbildes 
ist  in  der  einen  oder  andern  nicht  ausgeschlossen),  sondern  auch 
den  einzig  möglichen  reim  gab,  wenn  gegen  +  pron.  beibehalten 
werden,  also  so  conservativ  als  möglich  verfahren  werden  sollte, 
oder  mit  andern  worten,  wenn  sich  die  Schreiber  die  besserung 
tunlichst  leicht  gemacht  haben,  sie  begnügten  sich  alle  drei,  wie 
die  besserer  aus  ihrer  gilde  so  oft,  mit  der  gedankenlosigkeit 
einer  *  construction  für  den  moment'.    zufälliges  zusammentreffen 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  27 

in  dieser  wird  uos  nicht  wundern,  wenn  wir  bedenken,  dass  die 
Schreiber  gegen  min  wahrscheinlich  gar  nicht  verstanden,  da  es 
als  ein  Töliiges  novum  ihrer  praxis  hier  entgegentrat,  sie  also  das 
OberlieTerie  selbst  für  einen  Schreibfehler  ihrer  Torlage  halten 
mosten  und  nun  gegen  min  in  gegen  in  änderten,  indem  sie  cal- 
coUerten  :  gegen  min  ist  nichts,  auf  geein  muss  gereimt  werden, 
ci  kann  nur  der  dat.  eines  personalpron.s  sein  (man  verzeihe  die 
gruDmaüschen  termini),  folglich  :  gegen  in. 

gegen  wird  im  groben  bair.-Osterr.  dialekt,  sowie  so  ziemlich 
jede  andre  prdpos.,  mit  dem  gen.  des  personalpron.s  construiert, 
&.  darüber  Schmeller  Bair.  wb.'  i  678  s.  v.  (^[gegen]  im  dialekt 
gewöhnlich  vor  dem  persönlichen  pron.  mit  dem  gen.  construiert'), 
ferner  etwa  noch  Schöpf-Hofer  Tirol.  Idiotikon  s.  182  (*auch  mit 
dem  gen.  vor  persönlichen  fürwörtern').  auch  mir  sind  die  'gegen 
meiner*,  *nach  seiner',  'ohne  deiner'  aus  der  Umgangssprache  des 
kleinen  mannes  in  Wien  wol  bekannt. 

Die  la.  b  —  denn  man  bemerke  wol,  dass  gegen  min  hier 
QbeHiefert  ist  —  hat  schoo  Holtzmann  (Uuters.  53)  verteidigt, 
ihm  schloss  sich  Bartsch  (Unters.  43)  an  und  Bartsch  setzte  dieses 
gegen  min  dann  auch  in  den  text  seiner  grofsen  ausgäbe  (B  2293,3). 
ich  bin  freilich  weit  davon  entfernt,  das  Verhältnis  der  hier  ge- 
gebenen Überlieferungen  so  aufzufassen  wie  Bartsch  Unters.  43 
dies  tut  ^,  wo  er  aus  dem  gegen  in  der  la.  *B  uud  dem  gegen  mir 
der  la.  ^C  ein  gegen  min  als  la.  seines  alten  Originals  entwickelt. 
demgemäfs  sucht  er  dort  auch  dieses  gegen  min  in  einem  text 
des  12  jhs.  nachzuweisen  und  meint  es  Roth.  4617  (vBahder  4624) 
gefunden  zu  haben,  dort  reimt  Conetantin  :  intgegin  die,  Bartsch 
meint  din,  es  wird  aber  wol  di,  der  mfr.  dat.,  nicht  ein  gen. 
sein  2.  ich  fasse  die  la.  von  b  für  geradlinig  aus  dem  original, 
dh.  dem  archetypus  unsers  textes,  geflossen  und  die  laa.  der 
übrigen  bss.,  jeder  einzelnen  für  sich,  als  Verderbnisse  dieser 
Qberlieferung. 

^  wol  nicht  mehr  io  der  aosg.,  da  er  ges^en  mtn  sonst  nicht  in  den 
text  TOD  B  hätte  aufnehmen  können,  sondern  es  unter  den  strich  hätte  ver- 
weisen mosseo. 

*  auch  Roediger  Anz.  xi  115  fordert  unter  Verweisung  auf  ein  (übrigens 
coojiciertes)  ineben  s(n  Roth.  1328  dOi  für  unsre  stelle,  ich  glaube  mit  un- 
recht, übrigens  ist  intgegin  dCn,  für  das  man  auf  ein  ineben  t^  verweist, 
Bod  gegen  din  durchaus  nicht  dasselbe. 


iS  ZWIERZLNA 

TrolMfoiii  v«rii«bl  kh  mir  akht«  dass  diese  receptioo  der 
b.  Yt>u  b«  den^ii  MiUMriai  Bttr  durch  das  achwaiiken  der  ihr 
Ml^tHf^tt$i^üdi»tt  las.  der  ÜUsrm  haa^  eiiii^miafieo  gehobeo  wird, 
iliQhi  >ii^  aiebr  W;|la«^|l■if  kai  als  eise  cenjectur.  diese  cod- 
jtH^tur  $«?isl  «fttt  la  dar  «ImL  äUnrntKr  das  ISjlis.  xiemlich  vereinzelt 
^4Nitittd«^  jifM  aiii  v^fock  «^  s..  29  aaaL  2)  ia  deo  echteo  text  der 
>iAiK»  k«ad  icfti  tela  «»  wcte  gawafU  dieselbe  bbife  auf  die  obeD 
t»m^^ii>H<ifc  «Mntt^QpMi^ßtta  y»  m  beünrorten,  wSre  ich  nicht 
i«a  '»iMfcih^  thr  we«lefew  ai.  ts.  sala^  fela  sUltxeQ  zu  geben. 

>Uk  U^U  4  übeciMtet  A  :  A  hmt  teat  dd  Rüedeger.  Die 
iMil  ^tMfiaa  ia*dar  (»i^  <,:  «ia  Uill)«  Aas  mtm  «sw.  und  auch  die 
hfe^  vliM^  v^a»im>  It  i«a4  1^  iwMa  aadi  dieser  lesung,  welche 
day^^itaa  tiMte  tMT  lii\fcmaaa>  nadara  aadi  Bartsch  (B 1251, 4) 
)4ik  «jUn*  UrM  :$«Mk  dM  kw^  IM  fahea  de«  sianloseD  schreib- 
vMiiN  tnüntiiihtor  umim"  ^  Mr  «iiHr  di»  die  liss.  Ihbg  nehmen  an 
vW^a  x>Mia  M%:  ^^  iartl<ift  %dar  es  wurde  diese  bindiing  (und  das 
^^tümtütc»  miftm  ^  inmIMi)  ttkr  sie  der  aostois,  m  als  präposi- 
U^MMMk  4«i^  tes^eai  nnfed  dana»  m^  dOHeo  wol  schon  sagen,  zu 
^>i#M*|y^Mfc'  ^  k$U^  Wim  iMhr  te  (am  bh),  eine  conjectur, 
dwi^Mii  MMi^hn  ^^uhr  g?wAiftkl  wivei^  wea«  wir  wOsten,  wo  hinein 
H4^  MM^^  vlüi  Hnamtaifcjriiijür  hier  eiymtlich  reiten  sollen,  des- 
^w^  l^fMMHk  ^ni^lii  ä^aeA  WtüAwam»  hier  wdn  entschliefsen ,  dem 
«^üiü  M^  4^  hü;k  lli^  V*^  IwaaNi  i#tt  tei  ja  noch  nicht  einge- 
MitiMik  ^M)«4iia^  >iiil«.j|ji[iA  MM'  «Kit  (MHiniiihiii^  seiner  recension  der 
v^tN^  Niiyi»^i»<iion»  ^4ni|itie  m  beaehtea  ist)  auf  seine  text- 
^<^«^^MyMi4  »>ill<)lN^t|.  Mi^  ^»wlhre«!»  ohmol  ich  die  fermutuug  nicht 
v\»4i^  i^tic  >i^«»«iMM'^  Wmmi%  da«i^  die  sdireibercanjectur  von  Ihg  an 
Hiiid^^  ^^  ;^i^UM>  Jfc^ltiliM^iHi^  deis.  jf^m  tift  (:  ^aslti)  2230,  3  als 
<^i^^  iü  AAj^Ci'^l  Mn*  LäMUMMattu  $a^  daher  in  der  anm.  zu 
i\d4,  :A  :  ^Müiim  ^  V>^««  ^3230»  3^  ^^  «ur  hier  bedenklich  2,  man 
V^i^  ^\^l  iU^v'^u«  4a4NK  der  ai«<usaiivu$>  m  auf  slis  gereimt  sei, 
x\vU  v\s:ui44vu.ü  U^'  dit^hur  der  lU.  und  des^  KL  den  daiivus  m 
K^kH^i^    ^K*    HiW«<    iii»   if^^tmk  i^   mit   5lii  Itoririln   sUin   win 

'  *Kt  ^4%iK  ^«4  !k9>  r^iAÜi;^  i^AaUkiUM^  >iwf^  dat^  reiawa  t  .*  C«  deo  es 
iKiUvU  «^H  4uvMv4  sV«Uk4i  ;«ite  ia  4«ia  taU;  srr.^iaimh»  wattcickt  w«U  es 
u.uh  v\^v  \s>u  MAU  v»^u  tuj^  u\t  vecUMÜfl*  IffiMi^  apidar  A  la  seiner  ^B- 
voil^^v'  i^t4vl>,  4«^H,  <iii4  ^UMkioa^  ieü;h  die  Nida%  fe^iadia  sHof^en  lam 

"*  i^.u«  xhIu  HKtK»  ouiiuiU^ndaiinfi  rHim  w>dN*  ä^  ()dtr  «kuki  er  aa 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  29 

kiodel,  KL  1354.  1893,  Bit.  5393.  5803.  8263.  11857.  12121. 
12281'  ^.  es  waren  zwei  erwagungen,  die  Lacbmann  bestimmten 
hier  den  reim  wider  in :  sin  zu  dulden,  dort  gegen  in  zu  wagen, 
vor  allem  doch,  dass  2230,  3  gegen  in  nonsens  bietet,  während 
m'ier  m  an  unsrer  stelle  dem  sinn  nach  glatt  und  gut  ist,  ein 
den  gegen  in  gleichbedeutendes  wider  in  aber  schwer  zu  inter- 
pretieren wSre;  dann  aber  wol  auch,  weil  er  str.  1191  fOr  inter- 
poliert hält  und  dem  interpolator  eher  als  einem  der  dichter 
eioea  reim  von  t  auf  I  zutraut.  Bartsch  (Unlers.  176)  versteht 
Lachmaoos  *'widerin  (wie  2230,  3)  ist  mir  hier  bedenklich'  falsch 
ood  bemerkt  dazu  :  *aber  warum?  beide  fälle  sind  ganz  gleich, 
ein  grund  verschiedener  behandlung  nicht  abzusehen,  auch  von 
LacbmaDD  nicht  angegeben',  auch  meine  ansieht  ist  es,  dass  die 
beiden  fälle  ganz  gleich  sind,  nur  mOcht  ich  dann  consequenter 
sein  als  Bartsch,  und,  da  ich  Bartschs  lesung  gegen  min  2230,  3 
acceptiere,  auch  hier  conjicieren  :  die  helde  reiten  wider  ein. 

Für  die  frage,  ob  1191,  4  wider  Hn  und  2230,  3  gegen  min 
nach  mafsgabe  einer  nur  aus  späterer  periode  bekannten  dialekt^ 
syntax  ^  dem  Nibelungentexte  eingefügt  werden  dürfen  oder,  worauf 
es  doch  allein  ankommt,  müssen,  ist  es  von  allergrOster  Wichtig- 
keit, darOber  schlüssig  zu  werden,  ob  wir  den  Nib.  einen  reim 
'in  :  'in  zutrauen  dürfen  oder  nicht 3. 

Zunächst  ist  es  notwendig,  sich  über  die  quantität  jener 
reimsilben  klar  zu  werden,  in  denen  im  mhd.  t  und  I  zulässig 
ist,  db.  in  denen  bei  verschiedenen  mhd.  dichtem  bald  I  bald  t, 
bald  Wechsel  zwischen  t  und  i  im  gebrauch  ist.  es  sind  dies 
gdkh,  ieslich,  die  adjectivableitung  -lidi,  -rieh  als  zweiter  com- 
posiüoDsteil  deutscher  namen,  das  femininsuffiz  -in,  der  dat.  des 
Dum.  drin  (in  den  Nib.  aber  ohne  reimbeleg)  und  schliefslich  das 
präpositionaladv.  in,  darin. 

*  man  kann  noch  hinzusetzen  gegen  in  :  sin  Kl.  1460  und  stn  :  gegen 
in  Bit  3073,  .*  hinder  in  3161,  .•  under  in  5163.  9449.  —  für  den  Bit.  hab 
ich  statt  Lachmanns  Seitenzahlen  der  hs.  die  verszahlen  des  DHB.  eingesetzt. 

*  ich  kenne  in  österr.  gedichten  des  13  jhs.  sonst  nur  die  Gramm. 
iT(oeodr.)  930  angeführten  vor  stn  im  Bit.  (879.  3646).  aao.  auch  beispiele 
för  vor  ood  nach  c.  gen.  hauptsächlich  d.  personalpron.,  beim  Teichoer 
(Ls.  m  276.  280)  und  Ottokar.    kein  gegen  und  wider  c.  gen. 

3  Tgl.  zum  folgenden  Bartsch  Unters,  s.  176  f.  ferner  wurde  hier  und 
in  nr  5  o.  6  hiu6g  Presseis  Reimboch  zu  den  Nib.  (Tub.  1853)  beaalzt, 
dessen  aosätze  aber  öberall  durch  eigne  santmlang  ergänzt  ond  berichtigt 


30  ZWIERZINA 

gelich  {ungelich,  iesHch)  lautet  nur  lang,  die  kürze,  sowie  sie 
zb.  KoDrad  Fleck,  der  Stricker,  der  dichter  des  Mor.  fCraun  uaa. 
belegen,  fehlt  gänzlich,  es  reimt  blofs  auf  rieh  (2143,  3),  dh. 
sicher  langes  -idi,  oder  auf  silben,  die  im  Nib.  auch  lang  sein 
können,  auf  Amelrich  (1496,  1)  und  lohelich  (304,  1.  2150,  4). 

Anders  -lieh  in  adjectivableitungen.  dieses  reimt  nicht  nur 
lang  (;  rIcA  517, 1.  1634, 1 ;  4,  2.  440,  2.  548,  2.  577,  2.  616,  2. 
758,  2.  1179,  2;  1093,  2;  1624,  2;  1729,  2;  670,  2  und  ;  ge- 
lieh, ieslieh  304,  1.  2150,  4),  sondern  auch  kurz  (:  mieh  und  sidi 
887,3.  1837,  1).  unentschieden  bleibt  4ieh :  Dietrieh  1287,2. 
1996,  1.  2257,  2.  2294,  2.  2302,  2;  2264,  2;  2173,  2,  denn  die 
eigen naroen  auf  -rieh,  die  übrigens  fast  bei  allen  dichtem  in  be- 
zug  auf  die  quantitdt  ihrer  reimsilbe  mit  den  adjectivbildungen 
auf  »lieh  zusammenstehn,  wechseln  in  den  Nib.,  da  -lieh  neben 
'lieh  steht,  ebenfalls  zwischen  -rieh  und  -rieh.  Dietrieh  reimt  auf 
rieh  (1292,2.  1667,2.  1686,1.  1690,2.  1838,1.  2250,1. 
2256,  1.  2266, 1;  ebenso  Alberieh  :  rieh  355,  3,  Amelrich  :  unge- 
lich 1496,  1),  Dietrich  reimt  auf  midi,  dich,  sich  (1664,  3. 
1921,  1.  2276,  1.  2297,  3).  dieser  Wechsel  zwischen  -iich  und 
'lieh,  'rieh  und  ^rieh  hat  durchaus  nichts  auffallendes,  wir  werden 
ihn  nr  10  bei  vielen  andern  dichtem  auch  constatieren  kOnnen, 
ich  nenne  hier  nur  Wolfr.  und  Wirnt.  es  ist  also  weder  dort, 
wo  'lieh  und  -rieh  auf  länge,  noch  dort,  wo  es  auf  kürze  reimt, 
ein  ungenauer  reim,  sondern  nur  die  doppelform  zu  constatieren, 
ein  ungenauer  reim  von  I :  t  müste  durch  sicher  ungenaue  bin- 
dungen,  wie  rieh :  iieh,  dich  usf.,  bewiesen  werden. 

Selten  nur,  ich  verweise  wider  auf  nr  10  dieser  Studien, 
wechseln  bei  einem  und  demselben  dichter  formen  des  präposi- 
tionaladv.  in  mit  länge  und  kürze,  im  Nib.  lautet  in  stets  kurz, 
es  reimt  dar  in:  hin  740,  3.  2148,  1,  :  gewin  1910,  1,  :  sin 
2145,  1  und  schliefslich  :  künegin  656,3.  das  femininsufQx  -in 
zeigt  nämlich  im  Nib.,  sowie  -lieh  und  -rich^  wechselnde  quan- 
tilät,  was  in  mhd.  dichtwerken  widerum  sehr  häufig  ist.  zumeist 
ist  das  Suffix  lang,  aber  durch  558, 1  (:  hin)  und  352,3.  1170,1 
(;  $in)  ist  die  kürze  bewiesen,  wir  kOnnen  also  auch  für  dar  in: 
künegin  656,  3  mit  beruhigung  die  kürze  ansetzen,  so  lange  in 
nicht  durch  sichre  bindungen  mit  länge  (:  -iin,  sin  inf.  und  pron., 
mtn,  din  usf.)  bewiesen  ist.  schon  aus  diesem  gründe  bietet 
Lachm.a  lextgestaltung  2230  {gegen  in  :  gesin)  keinen  rechten  vor- 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  31 

tdl  in  der  ricbtung,  io  der  LachmaDD  ihn  sucht,  denn  auch  das 
prtpositionaladv.  tu  gäbe  zu  gesin  für  die  Nib.  eineu  uureiueQ 
reim  tod  kOrze  auf  länge  oder  eine  sonst  unerhörte  form.  Lach- 
mann  schreibt  zwar  602,  1  ze  der  kemendten  in  (:min),  aber 
dieses  in  ist  wider  conjectur,  es  steht  in  keiner  hs.,  auch  nicht 
in  Ay  das  vielmehr  ein  sinnloses  ze  der  kemendten  sin  schreibt, 
während,  wie  schon  Bartsch  hervorhob,  die  classe  B  mit  ihrem 
u  der  kemendten  din  jedesfalls  das  echte  erhalten  hat. 

Setzen  wir  also  für  die  Nib.  an  :  gelich  und  i'es/IcA  Jang,  -lieh 
aoceps,  -rieh  anceps,  -in  anceps,  adv.  in  kurz,  so  bleibt,  wenn 
wir  Ton  den  in  Verhandlung  stehnden  wider  in  und  gegen  in : 
sin  absehen,  nur  noch  6ine  stelle  übrig,  deren  reim  von  einigen 
für  eine  bindung  von  i :  I  im  Nib.  in  anspruch  genommen  wor- 
den ist.  es  sind  die  oft  besprochenen  verse  1494,  If  aus  Lach- 
manns  xiv  lied.  da  heifst  es  von  dem  Fährmann,  der  von  Hagen 
ans  andre  ufer  herübergelockt  und  dann  im  streit  erschlagen  wird, 
worauf  Hagen  in  dessen  schiff  allein  über  die  Donau  setzt,  nach 
Lachmanns  text  :  Ouch  was  der  selbe  schifman  niuHch  gehit. 
Diu  gir  ndch  grözem  guote  vil  bcßsez  ende  git.  Hagen  hatte  den 
föhrmann  ua.  dadurch,  dass  er  ihm  eine  goldene  armspange  als 
lohn  für  seine  dienste  versprochen  hatte,  bewogen,  mit  seinem 
kabn  zu  ihm  herüber,  in  sein  verderben,  zu  rudern,  darauf  be- 
zieht sich  die  zweite  zeile  der  Strophe,  die  erste  aber  bliebe  uns, 
da  von  der  frau  des  fährmanns  sonst  nirgends  die  rede  ist,  ein 
rätsei,  erzählte  uns  nicht  die  I^idresksaga  cap.  365,  dass  der  fäbr- 
mann  eine  junge,  gehebte  frau  gehabt  habe  und  für  diese  das 
gold  gewinnen  wollte,  schon  WGrimm  in  der  Heldensage  s.  128 
und  darnach  Lachmann  zu  1495  verwiesen  für  die  in  den  text 
gesetzte  la.  auf  die  t^idrekssaga ,  s.  auch  Döring  Zs.  f.  d.  ph. 
2,  25.  72.  272,  Raszmann  Niflungasaga  s.  27  und  140.  aber  niu- 
lieh  gehit  steht  nur  in  einer  hs.  des  gemeinen  textes,  in  der 
bs.  B,  während  Dbl  und  auch  A,  sowie  *C,  dafür  müelich  oder 
vil  müelich  gesit  schreiben,  mit  einem  unreinen  reim  von  t  auf  I 
vor  t,  Bartsch,  der  in  der  Obereinstimmung  von  ^C'mit  mehreren 
bss.  der  Vulgata  das  alte  original  zu  erkennen  glaubte  und  nach 
anreinen  reimen  im  Nib.  ohnedies  hungerte,  liefs  sich  dieses 
müalich  gesite^ git  natürlich  nicht  entgehn  :  er  verteidigte  es 
in  den  Unters,  aao.  und  nahm  es  in  seiner  ausgäbe  in  den  text 
von  B  und  C  auf  (B  1554,  1).     andre  Verteidiger   dieser  lesung 


32  ZWIERZINA 

kano  icb  füglich  ttbergeho.  schärferer  blick  und  feineres  ver- 
stUndnis  bewahrte  Lachmann  vor  dem  gleichen  fehler^  denn  auch 
ihm  hatte  bei  blofs  mechanischer  anwendung  seines  textkritischen 
princips  es  nahe  liegen  müssen,  wie  Bartsch  zu  lesen,  da  die 
von  ihm  zu  gründe  gelegte  recension  A,  aus  der  seines  erachtens 
der  text  aller  andern  Nib.-hss.  abzweigte,  ebenfalls  die  von  Bartsch 
verteidigte  la.  bot  und  sie  noch  dazu  mit  den  meisten  andern 
mss.  teilte,  aber  welcher  Schreiber  —  und  es  handelt  sich  hier 
tatsächlich  um  einen  simplen  Schreiber,  da  die  classe  B  ja  sowie 
die  classe  C  das  angeblich  richtige  vil  müelieh  gesit  ^  bringen  — 
welcher  Schreiber  hat  je  um  einen  unreinen  reim  zu  beseitigen, 
wie  zb.  Raszmann  klipp  und  klar  behauptete,  aus  verlorener 
Volksüberlieferung  ein  altes  motiv  neu  aufgegriffen,  in  den  rich- 
tigen Zusammenhang  (vor  die  erwähnung  der  habgier^  deren  er- 
klärung  es  tringt)  gestellt,  dabei  keinen  vers  und  keinen  reim 
hinzugelan  noch  entfernt  und  dazu  noch  den  sprunghaften,  blofs 
andeutenden  ton  gerade  dieser,  von  sage  und  volksüberlieferung 
reich  durchtränkten  partie  seiner  ^vorläge'  (s.  Henning  Nib.-stud. 
s.  1250  so  verständnisvoll  nachgeahmt?  wenn  wir  die  beiden 
laa.  :  Ouch  was  der  selbe  verge  (vil)  müelieh  gesit  und  Oueh  was 
der  selbe  verge  niulich  gehit  neben  einander  legen  und  betonen, 
dass  eine  derselben  schreibermache  sein  muss,  so  gibt  es  keine 
wähl  :  niuHch  gehit  muss  echt  sein,  und  unsre  auffassung  der 
Überlieferung  hat  sich  damit  abzufinden,  da  auch  ich  in  A  eine 
classe  sehe,  die  *B  gegenüber  vor  allem  im  Strophenbestand  das 
ursprünglichere  bewahrt  hat,  so  bleibt  mir  nichts  andres  übrig, 
als  zufällige  Übereinstimmung  mehrerer  hss.  anzunehmen,  der 
text  *C  mag  auf  eine  hs.  von  *B  zurückgehn,  die  schon  die 
falsche  la.-  zeigte,  jedesfalls  aber  ist  das  zusammentreffen  von  *A 
und  Dbl  ein  zufälliges  —  denn  dass  wir  in  A  eine  mischhs.  zu 
sehen   haben,    müste    erst    vollständige    und    eingehnde    unter- 

^  derartige  adjectivbildoogen  wie  gesite,  welches  zu  der  zeit  in  hd. 
gegend  zu  den  kuhnereo  seiner  art  gehörte,  liebt  der  stil  der  Nib.  ebenso- 
wenig wie  Wolfr.  (s.  oben  s.  5)  :  getite  ist  nur  bei  Golfr.  und  Konr.  ein 
lieblingswort,  im  Nib.  find  ich  aurser  den  allgemeinen  gemuot  und  gevar, 
die  auch  bei  Wolfr.  naturlich  nicht  fehlen,  nur  gehazy  getriuwe  (auch  Wolfr.) 
und  gevriunty  welche  drei  zusammen  eine  art  gruppe  bilden  und  der  spräche 
der  lyrik  entnommen  sind,  von  der,  wie  wir  heute  hauptsächlich  durch 
Kettner  wissen,  die  spräche  der  Nib.  ja  stark  beeinflusst  wurde. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  33 

ftochuDg  erweisen  K  hier  scheiot  mir  zufKliiges  zusammentreffen 
im  gleichen  fehler  sehr  gut  möglich,  der  anlass  zur  äo- 
dtfong  der  Schreiber  ist  ja  klar  :  die  ihnen  ganz  unverständ- 
liche, versprengt  und  unpassend  scheinende  andeutung  über 
des  ftfarmanns  junges  weih,  vielleicht  auch  der  schon  alternde 
ausdruck  ^U^.  wollten  aber  die  Schreiber  ändern,  wie 
konnten  sie  anders  vorgehn,  als  sie  taten?  sie  suchten  es  sich 
ja  doch  immer  möglichst  leicht  zu  machen,  recht  viel  von  dem 
in  der  vorläge  gegebenen  abzuschreiben  und  mühelos  dem  zer- 
störten reim  aufzuhelfen,  ohne  genötigt  zu  sein,  auch  den  zweiten 
vers  neu  zu  reimen.  niuliA  und  müelick  geben  genau  dasselbe 
Schriftbild,  darüber  ist  kein  wort  zu  verlieren;  das  adv.  und  das 
verbum  subst.,  das  ihm  vorangeht,  verlangt  für  das  zu  ändernde 
reimwort  ein  adj.  oder  ein  particip,  etwas  andres  ist  unmöglich, 
nzw.  ein  adj.  oder  ein  particip,  das  auf  gü  reimt,  gut  oder  schlecht, 
rein  oder  unrein,  es  gibt  kein  andres  wort,  das  diesen 
bedingungen  entspräche,  als  gesitj  selbst  abgesehen  davon,  dass 
das  gesuchte  reimwort  ja  auch  noch  einen  halbwegs  anständigen 
sinn  geben  sollte,  so  kamen  von  den  Nib.-hss.  mehrere  zu  dem 
gleichen  fehler,  nur  d,  das  eine  syntaktische  und  reimtecbnische 
Unmöglichkeit  nicht  scheut,  weicht  in  seiner  änderung  ab,  weist 
aber  eben  mit  ihr  noch  deutlich  auf  das  echte,  d  schreibt  Ich 
weiz  der  selbe  verge  nitdick  gesdiihi,  die  genuine  la.  hat  nur  B 
erhalten. 

Es  bleiben  also  im  ganzen  Nibl  nur  die  beiden  in  ('eum' 
und  ^iis*)  :  sin,  von  denen  wir  ausgiengen,  als  die  einzigen  bin- 
dungen  von  lang  auf  kurz  i.  Lachm.  hat  zur  stütze  des  einen 
beispiels,  wie  wir  hörten,  ähnliche  reime  aus  Kl.  und  Bit.  heran- 
gezogen, aber  diese  beiden  gedichte  weichen  in  ihrer  reimtechnik 
von  den  Nib.  durchaus  ab;  sie  zeigen  vor  allem  auch  andre  t :  I 
als  die  im  reim  auf  pron.  in  (zb.  sin  subst.  ;  min  Bit.  6909, 
s.  Jänicke  s.  viii),  können  also  zur  stütze  eines  verdächtigen  reims 

^  womit  ich  uicht  sagen  will,  dass  mich  dieser  erweis  besonders  über- 
nsckeu  würde. 

'  £Schröder  macht  mich  jetzt  darauf  aufmerksam,  dass  geh£l  früh- 
zeitig (noch  froher  als  minne)  einen  obsconen  sinn  bekam  und  von  Schreibern 
daher  oft  ausgemerzt  wurde,  er  verweist  mich  auf  die  laa.  zur  Kehr.  1178. 
9688. 11375  und  auf  das  DWb.  s.v.  geheien,  ich  bemerke  noch,  dass  auch 
das  Wort  hfräi  im  Greg,,  so  oft  es  vorkommt,  von  den  hss.  IK  geändert  wird. 
Z.  F.  D.  A.  XUV.     N.  F.  XXXU.  3 


34  ZWIERZINA 

der  Nib.  nicht  verwendet  werden  ^  es  werden  aber  vielleicht 
viele  ein  bedenken  gegen  zwei  reime  von  t  auf  f  vor  n  in  einer 
dichtung,  die  in  hunderten  von  fallen  -an : -an  bindet,  gering 
anschlagen  und  es  als  Verdachtsmoment  gegen  die  dahingehnde 
Überlieferung  nicht  gelten  lassen  wollen,  sie  täten  unrecht,  ein 
solches  Verdachtsmoment  zu  unterschätzen,  wir  wissen  heute, 
dass  Wolfr.^  da  das  t  fremder  uamen  nicht  mitzählt,  niemals  t 
auf  I  oder  u  auf  A  gereimt  hat,  obwol  er  noch  viel  öfter  und 
sorgloser  als  die  Nib.  es  tun  a  mit  (f,  e  mit  i  gebunden  hat. 
und  ebenso  liegen  die  Verhältnisse  bei  Wirnt  (s.  oben  s.  22),  bei 
dem  das  einzige  zohelin  :  under  in  7430,  wo  das  I  in  einer  ab- 
leitungssilbe,  die  sich  später  oder  in  andern  gegenden  zu  e 
schwächte,  steht,  kaum  eine  ausnähme  constalieren  lässt.  auch 
die  Kindh.  Jesu  und  noch  der  MHelmbr.  zeigen  neben  vielen 
a:ä  kein  einziges  i :  i,  ebenso  Krone,  Ortn.,  Wolfd.  AB,  DFL, 
Rabenschi,  und  Renner,  auch  das  gedieht,  das  wir  wol  vor  allen 
zur  vergleichung  heranziehen  werden,  die  Gudrun,  lässt  dieselbe 
scheu  erkennen  :  -an :  -an  ist  in  der  Gudr.  so  häufig  als  im  Nib. 
(s.  Gudr.  87,  1.  123,  1.  140,  1.  151,  1.  177,  1.  211,  1.  225,  1. 
292,  1  usf.),  sie  reimt  sogar  dar :  jär  (1090,  1),  was  im  Nib. 
nicht  vorkommt,  aber  niemals  reimt  sie  t :  I.  der  grund,  der  sorg- 
fältige bair.-Osterr.  und  ostfränk.  dichter  gerade  von  dieser  bindung 
zurückhielt,  braucht  ja  nicht  erst  auseinandergesetzt  zu  werden. 
wider  in  und  gegen  in  :  sin  stünden  aber  auch  noch  in  an- 
drer hinsieht  im  Nib.  ganz  vereinzelt  da.  und  hier  komm  ich 
zum  hauptpunct  dieser  meiner  ausführungen.  es  wäre  nämlich 
nicht  nur  auffällig,  dass  pronominales  in  2  mal  auf  lin  reimte,  son- 
dern dass  dieses  in  nur  auf  sin  reimte,  im  ganzen  Nib.  näm- 
lich findet  sich  sonst  kein  in,  sei  es  ^eum'  oder  Mis',  noch  im 
gereimt,  und  sehen  wir  weiter  zu,  so  finden  wir  auch  kein  «r, 
kein  5t,  weder  *ea'  noch  'eam,  ii,  eos,  eas',  kein  ich  und  kein  ir, 
sei  es  sing.,  sei  es  plur. ,  endlich  auch,  was  allein  zufall  sein 
kann,  kein  du  und  wir  gereimt,  von  ez  und  eSy  die  ja  in  der 
gesamten  litteratur  des  13  jhs.  nie  im  stumpfen  reim  erscheinen, 
ganz  abgesehen,  nur  min  mir  mich,  din  dir  dich,  sin  sich  werden 
als  reimworte  verwendet,  wir  brauchen  uns  um  die  Ursache 
dieser  erscheinung  und   den   zweck   dieser  Übung  zunächst  gar 

*  in  Kl.  und  Bit.  auch  'är : -dr,  -ort: -ort,  -agen  : -aben  (Kl.  1667, 
8.  Is.,  Bit.  8567),  e :  e  vor  t  usf.,  was  alles  den  Nib.  A  und  B  fremd  bleibt. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  35 

nicht  zu  kQmmern.  abläugDen  wird  mao  sie  nicht  kOoneD  und 
auch  von  ^zufair  zu  sprechen  wird  sich  verbieten,  reimnot  wurde 
Ton  Bartsch  fflr  das  fehlen  der  reime  auf  st  als  Ursache  behauptet, 
der  aus  diesem  fehlen  auf  5^  mit  kürze  schloss,  als  auf  die  dann 
freilich  nicht  reimbare  form  des  pron.  aber  wir  werden  si  nicht 
Yon  er  trennen  können  und  er  nicht  von  in  und  im,  und  idi 
ükhl  von  ir  und  wir.  und  wer  ger  sper  her  reimen  konnte, 
koonte  auch  er  reimen,  wer  sin  hin  bin  gewin  reimen  konnte, 
konnte  auch  in  reimen,  und  auf  ich  und  ir  gab  es  nicht  weniger 
reime  als  auf  mich  dich  und  mir  dir.  dass  die  erscheinungen  zu- 
sammenhangen, zeigt  auch  folgende  erwägung  :  Rl.  und  Bit.  zeigen 
m  sehr  oft  im  reim  (s.  oben  s.  28  u.  29  anm.  1,  dazu  noch  in  :  -Xn 
KL  1072.  1471.  1511.  1999.  2068),  aber  dann  auch  ich  (Kl. 
391),  ir  (Kl.  1729),  im  (Kl.  25)  und  sie  (Kl.  438.  623,  beispiele 
fQr  den  Bit.  s.  Jänicke  s.  xii).  die  Nib.  weisen  viel  mehr  stumpfe 
reime  auf  als  Hartm.s  Iw.,  aber  dort  finden  wir  ich  31  mal,  wir 
Imal,  du  2mal,  ir  17mal,  er  12mal,  si  lOmal  und  in  sogar 
52  mal  gereimt,  also  im  ganzen  125  solche  reimende  pron.,  von 
denen  das  Nib.  nur  zwei  aufweist,  zwei  in^  die,  bei  schwanken- 
der Oberlieferung,  zu  gleicher  zeit  beidemal  die  vereinzelt  blei- 
bende bindung  von  t :  I  ergeben  und  von  denen  eins  (2230,  3), 
behalten  wir  es  bei,  uns  directen  unsinn  zu  lesen  gibtl 

Vergleichen  wir  aber  nicht  den  Iw.,  sondern  die  Gudr.  und 
den  Alphart  mit  dem  Nib.,  so  finden  wir  dort  genau  dieselben 
Verhältnisse  wie  hier,  unter  den  ca.  3400  stumpfen  reimen  der 
Gudr.  findet  sich  kein  einziges  in,  sowie  kein  er,  si,  ich,  du,  ir,  wir 
oder  im,  ebenso  keins  im  Alph.  das  ist  doch  ein  deutliches  zeichen, 
dass  nicht  der  blinde  zufall  waltet,  sondern  die  gesetze  des  Stils 
oder  der  metrik  dieser  strophischen  gedichte,  ein  ganz  bestimmtes 
gnindprincip.  die  existenz  eines  solchen  lässt  sich  auch  anderwärts 
erkennen,  und  von   dieser  seile  will  ich  es  zunächst  beleuchten. 

Es  ist  m.  w.  noch  nicht  bemerkt  worden,  dass  er  und  $i 
lü  Hartm.s  Greg,  und  er  auch  im  aH.  nicht  reimen,  während 
sowol  der  Er.  als  der  Iw.  zahlreiche  reime  mit  diesen  prono- 
minibus  bilden,  er  reimt  im  Iw.  12  mal,  im  Er.  18  mal,  st  reimt 
im  Iw.  lOmal,  im  Er.  11  mal  und  Einmal  im  aH.  dass  hier  blofs 
der  Zufall  seine  band  im  spiele  hat,  halt  ich  für  ausgeschlossen, 
da  erstens  das  fehlen  von  er  im  reim  gleichzeitig  von  dem  fehlen 
des   correlaten  si  im  reim  begleitet  wird  und  weil  zweitens  er 

3* 


36  ZWIERZINA 

und  «I  sehr  leicht  reimbare,  in  den  zusammenhaDg  sich  überall 
leicht  einfügende  worte  sind,  nun  geht  dieses  fehlen  von  er  und 
si  band  in  band  mit  einer  andern  erscheinung,  die  ebenfalls,  ich 
halte  natürlich  an  der  Chronologie  Er.  Greg.  aH.  Iw.  fest,  jene 
wellenförmige  linie  vom  Er.  herab  zum  Greg,  und  vom  Greg, 
wider  aufwärts  zum  Iw.  erkennen  lässt. 

Saran  hat  in  seiner  dissertation  Hartmann  von  Aue  als  ly- 
riker  s.  46ir  (vgl.  auch  Beitr.  24^  440)  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  in  bezug  auf  die  Verwendung  von  beschwerten 
hebungen  Er.  und  Iw,  näher  zusammenstehn,  während  Greg,  und 
aH.  sich  von  der  Übung  in  diesen  beiden  epen  wesentlich  unter- 
scheiden, ini  Er.  finden  sich  die  meisten  beschwerten  hebungen, 
im  Iw.  etwas  weniger  als  im  Er.^  im  Gi'eg.  und  aH.  aber  die 
wenigsten,  inwieweit  diese  beobachlung  zu  specialisieren  und 
einzuschränken  ist  und  weshalb  ich  sie  zur  aufstellung  einer  chro- 
nologischen reihenfolge  Er.  Iw.  Greg.  aH.  für  gänzlich  ungeeignet 
halte,  ja  wie  sie  mir  zu  stützen  scheint^  was  Saran  durch  sie  als 
falsch  erweisen  will,  darüber  werd  ich  in  nr  13  dieser  Studien 
rechenschaft  geben,  jedesfalls  aber  ist  die  tatsache,  die  ich  bis 
ins  einzelne  nachgeprüft  habe,  nicht  zu  läugnen.  die  rhythmik 
des  Greg,  und  des  aH.  zeigt  also  mit  ihrem  regelmäfsigeren 
Wechsel  von  hebung  und  Senkung  eine  annäherung  an  die  rhythmik 
der  lyrischen  Strophe  —  so  fass  ich  die  erscheinung  — ,  die  im 
Er.  noch  nicht  statt  hat,  im  Iw.  aber  wider  aufgegeben,  wird, 
wichtig  ist  mir,  dass  schon  der  schluss  des  Er.  und  noch  der 
anfang  des  Iw.  ungefähr  auf  dem  standpunct  des  Greg,  und  aH. 
stehn  und  dass  die  beiden  letztgenannten  gedieht«  widerum  in 
ihrem  spätem  verlaufe  dem  rhythmischen  princip,  das  die  auf  ein 
einsilbiges  wort  oder  auf  die  letzte  silbe  eines  mehrsilbigen 
fallende  beschwerte  hebung  zu  meiden  trachtet  und  das  zu  an- 
fang des  Greg,  seinen  hohepunct  erreicht,  allmählich  den  rücken 
senden,  eine  abkehr,  die  sich  erst  im  Iw.  vollständig  durchsetzt. 

Eine  ähnliche  beobachtuug  lässt  sich  machen,  wenn  wir  das 
Verhältnis  klingender  und  stumpfer  verschlusse  in  den  verschie- 
denen gedichlen  Hartm.s  ins  äuge  fassen.  RochendOrffer  gibt 
Zs.  35,  291  als  procentzahlen  der  klingenden  reime  an  :  Er.  31, 
Greg.  36,  aH.  33,  Iw.  27.  die  zahl  für  den  Er.  ist  zu  recti- 
ficieren.  hier  hat  uns  KochendOrfler  zu  sagen  vergessen,  dass  er 
vom  Er.  nur  die  ersten  5000  verse  durchgezählt  und  das  resultat 


HITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  37 

daoD  aaf  das  ganze  gedieht  übertragen  hat.  für  die  ersten 
5000  Teree  ist  die  procentzabl  in  der  tat  ca.  31  (dh.  30,82),  für 
Y.  5 — 10135  aber  stellt  sie  sich  beträchtlich  hoher,  auf  35,1. 
das  ergibt  fürs  ganze  epos  etwa  33  ^/o-  jenes  anwachsen  klingen- 
der schlösse,  das  der  Greg,  zeigt,  macht  sich  also  schon  im  ver- 
biif  des  Er.  bemerkbar  und  die  zweite  hälfte  des  Er.  steht  so 
ziemlich  genau  auf  derselben  stufe  als  der  Greg,  dies  geht  so- 
weit, dass  die  letzten  tausend  verse  des  Er.  und  die  ersten 
tausend  des  Greg,  die  höchste  procentzahl  klingender  reime  zeigen : 
Er.  9135 — 10135  finden  sich  deren  390,  Greg.  1—1000  (kleine 
aosg.  Pauls)  396.  Greg.  1000—2000  zeigt  dann  nur  mehr  332 
Greg.  2000—3000  330  und  Greg.  3000—3984  ^  wider  380,  ein 
aaschwelleD,  das  die  zifier  der  ersten  tausend  verse  nicht  erreicht 
und  das  zufall  sein  mag,  da  das  abschwellen  sich  im  aH.  (33  ^/o) 
fortsetzt  und  im  Iw.,  innerhalb  dessen  die  klingenden  reime  sich 
fast  ganz  gleicbmäfsig  ferteilen,  bis  zu  27  ^/o  fortschreitet  das 
sind  also  ganz  genau  die  gleichen  Zahlenverhältnisse,  wie  ich  sie 
ans  den  procenten  für  beschwerte  hebungen  unten  nr  13  aus 
Sarans  eigenen  tabelien  exemplificieren  werde,  nur  dass  dort  der 
höhestand  des  Er.  im  Iw.  nicht  mehr  ganz  erreicht  wird,  wäh- 
rend hier  der  tiefstand  des  Er.  vom  Iw.  dann  noch  übertroffen 
erscheint,  aber  der  schluss  des  Er.  steht  hier  wie  dort  mit  dem 
aofang  des  Greg,  zusammen  und  der  aH.  lässt  gleichfalls  schon 
deutlich  die  abkehr  von  der  technik  des  Greg,  und  der  letzten 
Partien  des  Er.  erkennen,  wie  sie  im  Iw.  dann  am  deutlichsten  ist. 
Und  nun  lassen  sich  ähnliche  beobachtungen  auch  für  die 
Verteilung  von  er  und  si  auf  die  reime  der  verschiedenen  epen 
Hartm.s  machen,  erstens  :  si  erscheint  bereits  im  aH.  325  wider 
im  reim,  nachdem  sich  der  dichter  dieses  wortes  im  Greg,  an 
dieser  stelle  ganz  enthalten  hatte,  also  die  abkehr  von  dem 
princip,  das  Hartmann  im  Greg,  befolgt,  nimmt  schon  vor  dem 
Iw.  ihren  anfang.  das  ist  von  bedeutung,  da  es  den  schluss  auf 
die  Chronologie  Iw.  Greg,  verbietet,  denn  Gott  sei  dank  hat  we- 
nigstens den  aH.  noch  niemand  vor  den  Greg,  angesetzt,  zwei- 
tens :  er  verschwindet  bereits  aus  den  letzten  dreitausend  versen 
des  Er.   bis  auf  einen  rückfall.     bis  v.  5000  des  Er.  haben  wir 

>  es  ligt  mir  natärlich  ferne,  so  wie  Saran  in  seinen  tabelien  (Beitr. 
24,46),  die  schreiberverse  von  E  hinter  1149  und  3431  mit  in  die  berech- 
nong  ZQ  ziehn  and  den  Greg,  mit  4006  versen  anzusetzen. 


38  ZWIERZINA 

11  er  im  reim  (1178.  2332.  2508.  2652.  2694.  3080.  3874. 
3920.  4106.  4654.  4629*'),  im  sechsten  und  siebeDteo  tausend 
noch  6  (5382.  5502.  6404,  6704.  6864.  6892),  das  macht  17  er 
für  7000  verse.  wir  sollten  also  bei  gleichmäfsiger  Verteilung, 
wie  sie  in  diesen  versen  des  £r.  doch  ziemlich  deutlich  hervor- 
tritt, dann  für  v.7000 — 10135  mindestens  7  er  erwarten,  anstatt 
dessen  finden  wir  6ins  :  8962,  was  also  der  Sachlage  im  Greg. 
0  :  3984  schon  sehr  nahe  kommt  ^.  drittens  :  dieses  selbe,  er  wird 
nicht  wie  si  schon  im  aH.  wider  zu  gnaden  aufgenommen,  son- 
dern es  fehlt  noch  im  aH.,  es  fehlt  aber  auch  noch  in  den  reimen 
der  ersten  ca.  2000  verse  des  Iw.  das  erste  beispiel  im  Iw. 
steht  1937,  das  zweite  bald  darauf  2035,  diese  zwei  beispiele 
bleiben  in  der  ganzen  ersten  hälfte  des  Iw.  noch  vereinzelt  und 
erst  in  der  zweiten  hälfte  des  gedichts,  von  v.  4000  ab  herscht 
er  wider  unbeschränkt  und  verteilt  sich  gleichmäfsig  ttber  die 
reime  :  4021.  4179.  4485.  4697.  5025.  5321.  5947.  6333.  6367. 
7763.  nachdem  also  im  Greg,  und  aH.  (zusammen  ca.  5500  verse) 
er  aus  den  reimen  ganz  verschwunden  war,  zeigt  die  erste  hälfte 
des  chronologisch  zunächst  folgenden  werkes,  des  Iw.,  2,  die 
zweite  10  reimende  er.  viertens  :  sowie  der  Iw.  trotz  seiner 
merkbaren  reaction  gegen  die  ttbung  des  Greg,  nicht  mehr  die 
hOchststufe  an  beschwerten  hebungen  der  art,  die  Saran  mit  W 
bezeichnet  \  erreicht,  wie  sie  im  Er.  vorligt,  so  jerhebt  sich  auch 
der  Iw.  nicht  mehr  zu  jener  Vorliebe  für  er  als  reimwort,  wie 
sie  Er.  1 — 7000  aufweist,  dort  sind  unter  20  reimpaaren  auf 
'ir  17  mit  er  gebildet,  also  85<^/o,  hier  v.  1—4000  nur  2  unter 
10,  also  Vs«  V.  4— 8156  10  unter  18,  also  wenig  mehr  als  die 
hälfte.  dies  tritt  um  so  deutlicher  hervor,  als  formwOrter,  darunter 
vor  allem  die  persönlichen,  unpersönlichen  und  demonstrativen 
pronomina,   im  Iw.  (und  aH.)   viel  häufiger  in  den  reim  gesetzt 

^  die  gleichung  wird  noch  deutlicher,  wenn  wir  in  betracht  ziehen, 
dass  Er.  1—7000  17  unter  20  reimpaaren  des  typus  -er  mit  dem  pron.  er 
gebildet  sind,  während  7000  bis  schluss  nur  ^in  reim  mit  er  auf  4  reim- 
paare  seines  typus  kommt,  dies  zeigt  auch,  dass  das  fehlen  des  er  im  reim 
nicht  auf  den  mangel  an  reimworten  zurückzufahren  ist  in  dieser  hinsieht 
ist  es  auch  interessant,  dass  im  Greg.  5  reimpaare  des  typus  -er  vorhanden 
sind,  darunter  2  mit  der,  das  nun  das  verpönte  er  einigermafsen  ersetzen 
soll  und  das  im  Cr.  fehlt. 

'  db.  die  beiden  aneinanderstorsenden  hebungen  sind  nicht  zwei  silben 
^ines  wertes  (S),  sondern  zwei  verschiedene  worte. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  39 

werden  als  im  Er.  (und  zt.  im  Greg.),  wir  findeD  ich  im  Er.  16, 
im  Iw.  31  mal,  mticft  dich  sich  im  Er.  42,  im  Iw.  69  mal,  wir  im 
Er.  0,  im  Iw.  Imal,  du  im  Er.  0,  im  Iw.  2 mal,  dir  mir  im 
Er.  17,  im  Iw.  28  mal,  ir  im  Er.  10,  im  Iw.  ITmal,  in  im  Er. 
17,  im  iw.  52 mal,  im  ganzen  also  diese  pron.  im  Er.  102 mal; 
doppelt  so  oft,  200  mal,  im  Iw.,  uzw.  absolut  doppelt  so  oft,  was 
rdativ  för  den  weniger  umfangreichen  Iw.  noch  viel  mehr  be- 
deoiet.  ich  glaube  in  dieser  fortschreitenden  bevorzugung  von 
Partikeln  und  pronominibus  im  reim  eine  bestimmte  entwicklung 
der  hofischen  reimtechnik  wahrzunehmen  i;  um  so  bedeutungs- 
voUer  erscheint  es  uns  dann,  wenn  er  und  si  aus  dieser  ent- 
wicklung herausfallen,  er  und  si  sind  die  zwei  einzigen  pron., 
deren  reimbelege  für  den  Iw.  kleinere  zahlen  zeigen  als  für  den 
Er. :  er  Er.  18,  Iw.  12;  si  Er.  11,  Iw.  10. 

Eine  ähnliche  abneigung  gegen  er  und  sl,  wie  im  Greg., 
Issst  sich  auch  im  Trist,  erkennen.  Gotfr.,  der,  wie  die  obige 
anm.  erkennen  lässt,  die  Vorliebe  für  reime  auf  ir  und  in,  mir 
und  mtcft  usf.  noch  viel  weiter  treibt  als  Hartm.,  setzt  si  nur 
3 mal  in  den  reim  (Imal,  12172  den  asf.  als  sie/ ein  andres  mal, 
11417  etizwischen  si  apln.  :si  nsf.  in  rührendem  reim)  und  er, 
das  in  vier  fünftein  seines  gedichts  ungemein  häufig  und  ganz 
gleichmäfsig  verteilt  ist,  schwindet  aus  den  letzten  6000  versen 
fast  gänzlich,  er  reimt  :  451.  589.  1103.  1355.  1985.  2101. 
2117.  2577.  2895.  2909.  3705.  3801.  4261.  5891.  6237.  6759. 
7315.  7675.  8349.  8383.  8523.  8934.  9211.  9225.  9325.  9799. 
10137.  10667.  11133.  11753.  12005.  13123.  13395.  13535. 
13587  (man  sieht,  es  ist  kein  tausend  verse  mit  einer  null  ver- 

*  ich  habe  auf  diese  erscheinong,  die  sicti  aach  bei  Wolfr.  widerholt, 
ichoo  BeobachtDDgen  s.  440  hingewiesen  and  dort  geltend  gemacht,  dass 
(fiese  manier,  den  reim  durch  formworte  tragen  zu  lassen,  in  der  technik 
des  13  jhs.  als  besondre  feinheit  gegolten  habe,  'je  weniger  gesucht  das 
wort  war,  welches  reimte,  desto  weniger  gesucht  klang  auch  der  reim'. 
dBeser  'fortschritt'  der  reimtechnik,  wie  er  sich  vom  Er.  über  Greg,  zu  aH. 
■nd  Iw.  erkennen  lässt,  setzt  sich  dann  bei  Gotfr.  fort,  im  Trist,  nehmen 
die  reime  auf  pron.  einen  noch  viel  gröfseren  räum  ein  als  im  Iw.,  bis  die 
Sache  scblielslich  von  den  nachahmern  Gotfr.s  übertrieben  und  verdorben  wird : 
bei  Rad.  vEms  machen  die  reime  auf  pron.  person.,  imperson.  und  possess. 
hat  ein  Tiertel  aller  reime  aus,  was  auf  uns  als  peinlichste  reimarmut  wurkt. 

*  an  reim  Worten  hätte  es  nicht  gefehlt,  es  reimt  da  her  14705.  16043. 
16049.  16141.  18277.  18871,  der  14705.  16841.  16295,  sper  16043.  16049. 
16141.  18871,  ger,  subst.  16841,  wer,  verb  18277,  enber  18587. 


40  ZWIERZINA 

treten),  dann  nur  mehr  16295.  18587.  also  v.  1  —  5000  :  13, 
V.5— 10000  gaoz  genau  13,  v.lO— 13587  :  10,  v.  13588— 19552 
(ca.  6000  versel):  2*. 

Warum  aber  wurde  er  und  H  von  Hartm.  und  Gotfr.  anders 
behandelt  als  tr  und  in,  ich  und  mich,  dA  und  didi  usf.?  fOr 
si  könnte  man  daran  denken,  dass  dem  dichter  bekannt  geworden 
war,  dass  hier  doppelfortnen  bestanden,  sogar  bei  manchen  dich- 
tem verschiedene  formen  für  verschiedene  casus  ^,  und  dass  er 

^  im  Wig.  fehlt  si  im  renn,  er  ist  häufig ;  309.  412.  519.  1415.  1872. 
2292.  3907.  5033.  5069.  6249.  6424.  6595.  6621.  6700.  6861.  7350.  8516. 
10498.  11073.  11120.  11239.  11325.  dagegen  ist  er  im  vergleich  zu  den 
vielen  reimmöglichkeiten  und  za  sie  und  in  im  reim  ganz  aufTallend  selten 
bei  Wolfr.  (6 mal  im  Parz.,  Imal  im  Wh.),  bei  Reinbot  (nur  Geo.  6273); 
in  der  Kindh.  Jesu  fehlt  es  im  reim,  die  deshalb  schon  nicht  vom  selben 
Verfasser  sein  könnle  als  Himmelf.  oder  Urst.,  wo  er  sehr  häufig  reimt. . 

^  nur  die  wenigsten  dichter  kennen,  so  wie  Hartm.,  si  als  form  für 
alle  casus  und  geoera  des  pron.  (nsf.  Iw.  341.  Er.  5754,  asf.  Iw.  107. 
1425.  2053.  5183.  5887.  7953.  Er.  8262.  9568.  aH.  327.  Bnchl.  131.  615. 
1521.  1545,  nplm.  Er.  2092.  3186.  7102,  aplm.  Iw.  103.  Er.  2670.  5024. 
6616.  8154,  napln.  Iw.  4857.  Er.  7116).  von  den  von  mir  daraufhin  unter- 
suchten dichtem  des  13  jhs.-  kein  einziger,  bei  Freid.  findet  sich  zwar  nie 
sie  und  nur  tf,  das  prou.  ist  aber  nur  Imal/ör  nsf.  belegt  (100,8),  ebenso  in 
d.  Minnelebre  nur  nsf.  i^  1171.  2177.  sie  für  alle  formen,  die  sie  belegen, 
zeigen  Wolfr.  (asf.  Parz.  104,25.  272,27.  329,  15.  403,1.  438,19.  504,29. 
522, 15.  640, 21.  672,  27.  698, 3.  713, 29.  724, 17.  814, 13.  818, 7.  Wh.  153, 25. 
159,17.  Lied  8,  13,  nplm.  Parz.  353, 11.  502,29.  676, 17.  681, 1.  740,25. 
Wh.  278,  9.  297, 3.  396, 9.  421, 18.  a plro.  Parz.  99, 5.  769,  29.  798, 17.  Wh. 
15,  19.  37,  27.  130,  49.  180,  27.  250,  21.  269,11.  286,  25.  307,  29.  321,  7. 
328,3.  337,29,  aplf.  Parz.  282,15.  641,3,  napln.  Parz.  344,7.  679,23. 
786,29.  der  nsf.  und  nplf.  ist  unbelegt,  ersterer  doch  wol  nicht  nur  zu- 
fällig), Ulr.  vTfirh.  (asf.  Trist.  534,  7.  541,  7.  565,  1.  568,  27,  nplm.  Trist. 
525)1.  Renuew.  Pf. üb.  43,118,  aplm.  Trist.  586, 13,  der  nsf.  ist  auch  hier, 
soweit  Ulr.s  werke  gedruckt  sind,  nicht  belegt),  Kindh.  Jesu  (asf.  311. 
552,  «r897  ist  unecht,  nplm.  1272.  2272.  2880),  Urst  (nplm.  105,31. 
119,34,  aplm.  108,40.  115,43.  121,77),  MHimmelf.  (asf.  503.  647,  nplm. 
770),  Geo.  (asf.  2555.4237),  Klage  (aplm.  438.  623),  B i t.  s.  Janicke  s. xii, 
Mor.  vGr.  (asf.  1213.  1521.  1735,  aplm.  921.  1057),  gPrau  (asf.  246. 
414.  1992),  Herb.  (asf.  2529.  8427.  17656,  aplm.  14701).  die  dichter 
mit  wechselnden  formen  wurden  von  Sommer  zu  Flore  49  besprochen: 
Fleck  selbst  belegt  si  för  den  nom.  und  auch  für  den  acc.  sing.  fem.  (die 
belspiele  s.  bei  Sommer  aao.),  Wetzel  sie  nsf.  1099,  s(  asf.  220.  937, 
pluralformen  sind  unbelegt,  Rud.  #r  im  asf.  {gGtth.  3313.  4699.  6009. 
Bari.  149,  5),  der  nsf.  ist  wol  zufallig,  denn  im  Bari,  wenigstens  spielen 
franen  nur  eine  kleine  rolle,  in  den  gedruckten  gedichten  unbeiegt,  sie  im 
plur.   (nplm.  gGerh.  3429.   Bari.  115,1.  244,1.  270,27.  285,5,   nplf. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  41 

aus  diesem  gründe  es  später  mied,  seine  form  dieses  proD.s  zu 
reimen,  noch  später  wäre  Hartm.  daDo,  sowie  für  mac,  s.  Kraus 
AbhandloDgeD  zor  germ.  phil.  s.  151,  wider  von  diesem  bedeokeu 
abgekommen,  aber  da  Hartm.  zugleich  mit  gt  auch  er  im  Greg, 
meidet  und  daoo  wider  aufnimmt,  kODueu  wir  doch  beide  er- 
scbeinaiigeD  nicht  trennen,  und  fQr  er  träfe  die  obige  erklärung 
sieht  lu,  denn  auf  nd.  formen  scheinen  die  hd.  dichter  nirgend 
rflcksicht  genommen  zn  haben,  dies  gilt  auch  für  Gotfr.,  bei 
dem  d»  zarftekweicben  des  er  in  den  letzten  6000  versen  des 
Trist,  doch  kaum  eine  bewuste  oder  unbewuste  laune  gewesen 
sein  wird. 

Die  frage  bleibt  also  :  warum  wurde  er  und  si  von  Hartm. 
und  Goifr.  anders  behandelt  als  n*  und  in,  ich  und  mich,  du  und 
dkk  usf.?  ich  erinnere  daran,  dass  es  seit  Lachmanns  ein- 
schlägiger obserration  bekannt  ist,  dass  kein  mhd.  dichter  des 
13  jbs.  ez  und  es  (:dis,  we$,  -esl)  in  den  reim  setzt  und  dass 
Ladunann  dies  dem  umstand  zuschrieb,  dass  der  vocal  dieser 
beiden  partikdn  dem  endsilben*e  zu  nahe  stand,  nicht  für  voll 
genug  galt,  um  für  den  stumpfen  reim  auszureichen,  in  Hartm.s 
Greg,  und  exceptis  excipiendis  im  Trist,  wurden  sl  und  er  dem 
ex  und  es  zugesellt;  in  den  Strophen  des  Nib.,  der  Gudr.  und  des 
Alph.  aber  reicht  auch  der  ton  von  idi  ir  in  tm,  den  pronominibus 
mit,  wie  Lachmann  sich  ausdrückt,  schwachem  vocalanlaut,  nicht 
aus,  den  reim  zu  tragen,  die  genet.  min  (Nib.  1296,2.  1232,2. 
2026,  3.  2127,  3.  2308,  3,  Gudr.  259,  2.  363,  1.  1432,  2)  und  Hn 
(Nib.  759,2),  die  acc.  mich  (Nib.  159,3.  797,3.  1837,2.  1921,2. 
i960,  4.  2276, 2,  Gudr.  1278, 1),  didi  (Nib.  159, 3.  797,  3.  1664,3. 
1960,  3,  Gudr.  1278,  1,  Alph.  203,  2)  und  eich  (Nibw  887,  4. 
2297,  4),  die  dat.  mir  und  dir  (Nib.  844, 1.  2095, 1,  Gudr.  1381, 1. 
1619, 1)  reichten  für  den  reim  aus. 

Bari.  90,  3,  aplm.  gGerh.  1785.  2795.  4263.  4879.  4961.  5703.  6223.  Bari. 
58,  5.  109,  19.  262,  29.  265,  31.  401,  19),  Stricker  und  Ulr.  vZatzikh. 
sagen  stu  im  nsf.  (Dan.  8304.  GA.  46,  157;  Lanz.  6653),  sie  \n  den  flbrigen 
falleo.  Dar  ist  der  asf.  im  Lanz.  nnbelegt  (asf.  Dan.  1977,  nplm.  Dan.  2633. 
4765.  5445.  Karl  203.  767.  6005.  6473.  GA.  52,35.  Hahn  xii611;  Lanz. 
847.  3610.  3819.  5509.  7479.  9059.  9225,  aplm.  Dan.  257.  2453.  4983. 
Kari  625.  4073.  4817.  5949.  6301.  6831.  6959.  7515.  9773.  Am.  878.  1191. 
Pf.  ob.  2,  50;  Lanz.  4503.  5913.  6715.  6913).  in  der  Krone  reiml  si,  asf. 
5072.  7791.  23027,  sie,  ebenfalls  asf.  20986,  sie,  aplm.  12382.  18877.  im 
Wig.  fehlt  si  im  reim,    fflr  Gotfr.  s.  oben  im  text. 


42  ZWIERZINA 

Dass  es  dasselbe  princip  ist,  welches  hier  im  Greg,  und  am 
scbluss  des  Trist,  und  in  den  Nib.-  und  Godr.-strophea  waltet, 
machen  mir  folgende  beobachtungen  wahrscheinlich  :  er,  das  im 
stumpfen  reim  im  Greg,  und  aH.  durchaus,  sichtlich  aber  auch 
in  den  letzten  6000  versen  des  Trist,  und  zu  anfang  des  Iw. 
gemieden  wird,  weil  meiner  ansieht  nach  seine  vocalqualität  nicht 
für  ausreichend  galt,  findet  sich  in  diesen  selben  gedichten  und 
Partien  ohne  scheu  in  der  enklise  gereimt  :  hater :  vater  Greg. 
2115,  aH.  567.  641.  961,  fnohter :  tohter  Greg.  909,  aH.  591, 
ebenso  Trist.  15704  und  vander  :  ander  Trist.  14353.  18199. 
18881.  auch  ez  und  es,  die  niemals  reimenden,  sowie  ir,  in  und  si, 
die  nur  in  den  strophischen  Nib.,  Gudr.  und  Alph.  nicht  reimen, 
kommen  bekanntlich  in-  und  aufserhalb  des  reims  nach  dem  verb 
und  nach  pron.  in  enklise  vor  (huote  ir :  muoter  Er.  10118,  muoz: 
tuoz  Trist.  1505,  erUuxBten  iuf. :  entncBte  in  Trist.  8271,  geslahen: 
sah  in  Trist.  10257,  brüsten  :  kuste  in  Er.  9112,  Trist.  14160, 
bereiten  inf. :  seite  in  Trist  13437,  tnirz :  irz  Iw.  8013,  hirz :  mirz 
Trist.  2811.  2819,  vgl.  auch  mirs :  Urs  für  mir  si  oder  mir  es 
udglm.)  und  wurden  deshalb,  wie  ich  glaube,  in  gewissen  rhyth- 
mischen Systemen  als  für  den  stumpfen  reim  ungeeignet  erachtet^. 
min  mir  mich  usw.  werden  niemals  incliniert,  sie  werden  auch 
nirgend  im  stumpfen  reim  gemieden,  und  jetzt  wird  man  auch 
einsehen,  warum  ich  darauf  gewicht  legte,  dass  die  verschiedene 
bewertung  von  er  und  si  für  die  reimstellung  bei  Hartm«,  all- 
mählich auftauchend  und  allmählich  verschwindend,  mit  einer 
Schwenkung  seines  rhythmischen  princips  band  in  band  geht: 
mehr  klingende  Schlüsse,  strenger  durchgeführter  Wechsel  zwischen 
hebung  und  Senkung,  vor  allem  einschränkung  der  W  Sarans,  mit 
einem  worte  gröfserer  singsang.  letzteres  moment  nähert  die 
rhythmik  des  Greg,  der  rhythmik  der  lieder  und  Strophen,  und 
in  den  in  einer  lyrischen  Strophe  abgefassten,  nicht  nur  metrisch, 
sondern  auch  in  stil  und  formel  der  altern  lyrik  nahestehnden 
hauptgedichten  unsrer  mhd.  volksepik  sehen  wir,  nur  noch  durch- 

^  nun  wird  es  sich  leichter  begreifen,  dass  es  bestimmte  gedichte 
gibt  (zb.  Bit.  und  Kl.),  in  denen  diese  Wörter  im  reim  nur  in  präpositional- 
Verbindungen,  nie  aber  als  obj.  oder  subj.  hinter  dem  präd.  resp.  hinter 
dem  pron.  erscheinen,  hinter  der  präp.  haben  sie  mehr  ton  und  werden 
nie  incliniert.  ich  verweise  auch  auf  die  belege  für  in  aus  Roth,  und  Rol. 
in  der  folgenden  anm. 


HITTELBOCHDEUTSCHE  STUDIEN  43 

greifender   und   consequenter ,    dieselbe   abneigUDg    erscheiDen, 
schwachvocalische,  ev.  incÜDierbare  pronomina  stumpf  zu  reimen, 
die  bei  Hartm.  die  bestimmte  wenduDg  seiner  rhythmik  begleitet  K 
hier  ist  auch  der  ort  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  im  Nib. 
&e   zahl    der  föile,   wo   zwei   aneinanderstofsende  hebungen  ins 
selbe    wort  fallen   (Sarans  S)  und   die  zahl  der  ßille,   wo   diese 
heboDgen  sich  auf  zwei  worte  verteilen  (Sarans  W),  in  schreien- 
dem misverhältnis  zu  einander  stehn.    wie  zb.  schon  eine  flüch- 
tige durchsieht  der  bekannten   ausfübrungen  Bartschs   über  den 
bau   der  achten  halbzeile    (Unters,  s.  142  ff,    die  auf  s.  107  ver- 
zeichneten I^Ue  von  W  sind  aufserdem  noch  alle  höchst  unsicher) 
lehrt,    ist  W  ganz  ungemein  viel  seltener  als  S  im  Nib.,  und  es 
ist  ja    gerade    die    geringe   anzahl    dieser  art  von  beschwerten 
hebungen,  W,  für  die  rhythmik  des  Greg,  und  aH.  charakteristisch. 
Hartni.s   lieder  stehn   auf  der   stufe  des  Greg,     sie  zeigen 
kein  er  und  kein  H  im  reim,  auch  kein  *ea'  und  ^eam',  sofern 
man   bei   ihrem   geringen   umfang   dem  würklich   bedeutung  zu- 
schreiben darf,    aber  unerwähnt  woUt  ich  es  nicht  lassen. 

Dagegen  steht  die  ältere  lyrik  auf  der  stufe  der  Nib.  aus- 
schliefslich  nur  min  mir  mich  usf.  zeigen  die  lieder  Rürenbergers, 
des  burggrafen  von  Regensburg  und  Rietenburg,  Dietmars  von 
Eist  (I,  echtes  und  unechtes),  Penis  und  Albr.  vJohannsd.  (s.  MFr. 
iO,  2.  18,  16.  19,  17.  38,  30.  84,  11.  88,  19).  bei  dem  Sper- 
vogel  und  bei  Meinloh  zeigt  sich  kein  min  mir  mich  usf.,  wol 
aber  under  in  (MFr.  13,  19.  24,  13.  29),  uzw.  nur  dieses,  nie  in 

^  man  darf  nicht  glauben,  dass  es  blofs  eine  altertümlicbkeit  der  technik 
sei,  wenn  Nib.  nnd  Gudr.  diese  pron.  nicht  reimen,  sondern  den  reim  für 
ToUtöneodere  worte  reservieren,  denn  in  Roth.  Rol.  Alex.  nsf.  reimen  viel 
mehr  pron.  als  in  den  Nib.  wir  finden  im  Roth,  under  tu  61.  581.  730. 
1109,  miUam  in  399,  Her  gin6zte  »ick  in  1327;  im  Rol.  er  1,  11.  18,  13. 
29,  14.  75,  7.  175,  22.  226,  15.  257,  34.  279,  18.  307,  7,  iu  8,  34.  137,  3, 
tatder  in  20,  24.  49,  14.  72,  9.  124,  21.  173,  25.  205,  27.  234,  7.  15.  18. 
2^  32.  281, 16.  292,  27,  von  in  234, 18,  über  in  (asm.)  293, 19,  si  (immer : 
Monsoy,  das  beweist  für  «te,  s.  Monsoy  :  viel  188, 19,  :hie  160,  4.  278,  5, 
:die  150,  21,  nie  Monsoy  :  »(  <sit',  6t,  frtl);  im  Alex,  mit  ime  Str.  2331, 
in,  dpi.  Str.  4601.  4659.  4817,  mit  ir  Str.  6399,  si  Str.  5525.  —  ferner  mach 
ich  darauf  aufmerksam,  dass  es  für  meine  auffassung  der  Sachlage  spricht, 
dass  an  den  einzigen  stellen,  wo  im  Trist,  si  im  reim  steht, 
beidemal  auf  dem  si  der  gröste  nachdruck  des  satztons  ruht: 
12172  Und  gap  in  ir^  im  sie  Ein  ander  ze  arzatte  und  17417  Stn  swert 
bar  enxwischen  si;  Hin  dan  lac  er,  her  dan  lao  su 


44  ZWIERZINA 

nach  verb  oder  proo.,  wozu  ich  auf  die  beiden  voraDgehoden 
aDmm.  verweise,  doch  sind  freilich  auch  die  lieder  dieser  dichter 
so  wenig  umfangreich,  dass  wir  auf  diese  Übereinstimmung  wenig 
gewicht  legen  können  :  es  muss  uns  genügen,  dass  sie  nicht 
widersprechen.  Friedr.  vHausen  zeigt  schon  aufser  min  tnieh 
(42,  8.  23.  46,  15)  auch  zwei  ir  (43,  8.  46,  15).  später  werden 
diese  pron.  immer  häufiger,  jedoch  er  und  auch  si  (I)  bleiben 
grofse  Seltenheiten. 

Und  in  diesem  Zusammenhang  kann  ich  noch  eine  weitere 
beobachtung  über  den  reimgebrauch  von  Nib.  und  Gudr.  mit- 
teilen, die,  wenn  nicht  der  schein  trügt,  auch  im  Greg.,  und 
unter  den  werken  Hartm.s  nur  im  Greg,  ihre  parallele  findet. 
Nib.  und  Gudr.  lassen  nämUch  gewisse  ableitungssilben  entweder 
gar  nicht  oder  nur  unter  bestimmten  bedingungen  im  reim  zu. 
dazu  gebort  vor  allem  die  subst.-ableitung  -heit  und  die  adj.- 
ableitung  -lieh,  -heit  findet  sich  in  der  Gudr.  überhaupt  nie  im 
stumpfen  reim,  in  den  Nib.  nur  3  mal :  946^  1  und  1242,3  reimt 
geu)oneheü,  130, 1  höfscheit^.  in  Hartm.s  Iw.  findet  sich  an  der- 
artigen subst.  gereimt  :  höftcheit,  unhöfseheit,  karkheit,  kintheit, 
kündekheit,  Verlegenheit,  manheit,  unmanheü,  miltekeit,  müezekheit, 
unmüezekheit,  richeit,  unsalekheit,  schalkheit,  geseliekheit,  Sicherheit, 
unstcetekheit,  trdkheit,  tumpheit,  vaheheit,  vrümekheit,  wdrheit,  ge- 
warheit,  unwerdekeit^  gewotüieit,  ungewizzenheit,  zageheit,  sie  reimen 
95  mal.  der  unterschied  springt  wol  in  die  äugen,  sowie  Hartm. 
verhält  sich  auch  Wolfr.  man  könnte  sagen,  dass  die  bildungen 
auf  "heit  zum  höfischen  slil  gehörten  —  dafür  spräche,  dass  sie 
im  Er.  etwas  seltener  sind  als  im  Iw.  —  während  sie  dem  stil 
der  volksepik  nicht  congruent  wären,  aber  auch  vrümekheit 
(Nib.  1478, 4),  wdrheit  (Nib.  84, 4.  231, 2.  412,  4.  984, 4.  1901,4), 
Sicherheit  (Nrb.  314,4)  uam.?  man  müste  übrigens  dann  wol 
noch  specieller  sagen,  dem  Stile  der  altern  strophischen  volksepik, 
denn  in  Kl.  und  Bit.  fehlen  sie  durchaus  nicht  (s.  zb.  Kl.  2024 
tumpheit,  1367.  1398.  1409  gewonheit,  887.  911.  981.  1474. 
lb6A  wdrheit,  17 Ad  gewarheit,  i2\  unbescheidenheü\  sondern  ge- 

^  daher  ist  kuonheit  1, 1,  wofür  B  arebeit  list,  sicher  falsche  la.  der 
hs.  A,  wenn  atr.  1—12  Oberhaupt  zum  alten  bestände  des  Nib.-textes  (so- 
wie er  ans  in  A  vorligt,  ohne  annähme  weiterer  Interpolationen)  gehören 
soll,  dass  diese  worte  auch  im  innern  der  Nib.-verse  nicht  allzu  dicht  gesät 
sind,  kann  nicht  wandern  :  die  subst.  auf  'heil  sind  reimworte  xar'  iioxi^ 
und  wo  sie  dafür  nicht  taugen,  dort  verschwinden  sie  auch  aus  dem  text. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  45 

hOreo  mit  zu  den  häufigsten  reimworten.     man  wird  daher  wol 

besser  tun  aozunehmen,  dass  sie  in  Nib.  und  Gudr.  an  andre 

▼erastellen  als  den  stumpfen  reim,  vor  allem  in   die  cüsur  und, 

zur  foUnng  der  2  und  3  bebung,  in  den  achten  halbvers  gestellt 

irerdeo.    —    die  adj.  auf  '4ieh  stehn,   sowol  im  Nib.  als  in  der 

Gudr.^  des  Oftern  im  reim,    wir  finden  lobelich  Nib.  4,  2.  304, 1. 

440,  2.  517, 1.  548,  2.  577,  2.  616,  2.  758,  2.  887,  3.  1179,  2. 

1287,  2.  1634,  1.  1837,  1.  1996,  1.  2150,  4.  2257,  2.  2294,  2. 

2302,  2,  unMdich  Nib.  1093,  2,  gremeUch  Nib.  2264,  2,  gewon- 

Utk  Nib.  1624,2,  schedelich  Nib.  1729,2,  unmügdich  Nib.  670, 2. 

2173,  2.     wir  sehen,  diese  adj.  auf  -ßcft  sind  alles  worte  der  me- 

inscben  gestalt :  >L^i.^  die  haupttonsilbe  ist  kurz  und  von  einem 

unbetonten  e  gefolgt  (1624,2  dürfen  wir  wol  ^eioone/leA  schreiben), 

die  hebuDg  vor  dem  im  reim  stehenden  -Uch  also  verschleifbar. 

nie  stehn  Mrlkh,  «ierllch,  vreisUch,  uxBtUeh  uam.  im  reim^,  ad- 

jecüva,  die  im  Nib.  doch  so  ziemlich  beliebt  sind,  nie  wunderlich^ 

nie  jwmerUdi^  nie  sicherlich  usf.    am  besten  werden  wir  hier  unser 

Nib.  gleich  wider  mit  der  Klage  vergleichen,    dort  reimt  lohelick 

373.  616.  675.  2125,  werlieh  161,  kkgelich  380,  tugenüich  712, 

greauiich  1932,  aber  auch  mzzenJich  19,  jcemerlidi  742,  rwtlich 

1250,  unfriuntlich  1330,  ungelouplich  1664,  vreislich  1941.    und 

nun  finden  wir  dieselbe  beschräokung,  wie  im  Nib.,  auch  in  der 

Gudr.     auch  hier  im  stumpfen  reim  nur  adj.-bildungen  auf  -lieh 

der  gesUlt  ^v.^  :  aneÜch  Gudr.  101,  1.  1239,  2.  1241,  2,  foWicA 

473,  1.  1241,  1;  allertegelich  473,  2  gehurt  natürlich  unter  den- 

seibeo    gesichtswinkel.     nur  minnecÜch   1239,  1   fällt  aus    dem 

schetua.     dagegen  finden   wir  in   den   klingenden  Schlüssen  der 

driUen  und  vierten  Zeilen  die  adv.  grimmedidie  934,  3,  vrcelichen: 

irureeUchen  974,  1,  vlizeclichen  8,  4,  süberlichen  41,  4  usf.  usf. 

genau  so  wie  hier  auch  mü  gezogenheUe  1315,  3  udglm.  oft  zu 

finden  ist,  während  -heit  unter  den  stumpfen  reimen  fehlt,    und 

sehen  wir  uns  schliefslicb  die  wenigen  subst.  auf  -heü  an,  die  im 

Nib.  reimen,   so  sind  es  wider  lediglich  bildungen  des  Schemas 

^^2-  :  gewoneheit  und  höveecheit,  wozu  noch  die  wenigen  reime 

auf  arebeit  (136,3.  1296/3.  2268, 1)  treten  2.    den  grund  dieser 

*  Dar  uUch  304,  1  :  aber  man  sprach  da  wol  ieilich,  nicht  ieslick, 
vie  maocbe  mhd.  autoren  ausschliefslich  betonen. 

^  ich  halte  dafür,  dass  nur  aus  ähnlicheni  gründe  wigant  nicht,  sowie 
heU^  degen  and  recke^  zum  Wortschatz  des  Nib.  gehört,    über  zweimaliges 


46  ZWIERZINA 

erscheinung  weifs  ich  nicht,  die  Sieversscben  typen  können 
nicht  helfen,  wir  könnten  denken,  dass  eine  alte  tradition  des 
A-typus  nur  bei  diesen  Worten  fortwürkte,  aber  wdrheit  ist  ebenso 
ausgeschlossen  wie  Sicherheit  und  vreislieh  ebenso  wie  jdBmerlich. 
die  tatsache  jedoch  bleibt  doch  wol  bestehn,  trotz  der  ^inen  aus- 
nähme in  der  Gudr«  übrigens  sei  noch  bemerkt,  dass  auch  in 
den  Kürenberger  liedero  schedelich  MFr.  7,  2.  8,  30  und  lobelich 
MFr.  7,  4  reimen,  sonst  keine  adj.  auf  -lieh. 

Im  Greg,  nun  scheinen  sich,  zwar  nicht  die  subst.  auf  -heit, 
aber  die  adj.  auf  -diiA  demselben  gesetz  zu  fttgen.  wir  lesen  im 
Iw.  eislich  427,  mislich  615.  2579.  5133.  6525,  wünneclich  1683, 
billich  5243.  5729,  unbiUich  3169,  wunderlich  8075,  ungnwdec" 
lieh  179,  unwiplich  2299,  jcemerlich  4949,  kumberlich  5573,  un- 
troMilich  6121,  angestlich  6419  neben  tägelich  753,  mügelich  1945. 
2659.  4031.  7015,  ungewärlich  1631,  gemelieh  2503,  gewonelich 
8103,  ebenso  im  Er.  verldzenlich  534,  herlich  288.  3198,  bliuc- 
lieh  1322,  tnanlich  844,  wcBtlich  1852  usf.  usf.,  im  Greg,  aber 
nur  das  einzige  gast  oder  heimlich  1741,  sonst  blofs  schädelich 
1100,  aUertägelich  1799  und  unmügdich  2465.  2961^.  — 

Kehren  wir  nun  zu  unsern  beiden  Nib.-stellen  zurück,  wider  in 
1191,  4  und  gegen  in  2230,  3  sind  die  einzigen  Me,  wo  im  Nib.  ein 
auch  der  enklise  fähiges  pron.  im  reim  steht,  auch  in  der  Gudr. 
und  im  Alph.  ist  derartiges  unerhörL  beide  male  reimen  die  dort 
tiberlieferten  in  auf  langes  sin  inf.,  ein  reim,  der  wider  sowol 
im  Nib.  als  in  der  Gudr.  seinesgleichen  nicht  hat.  an  einer  der 
beiden  stellen  gibt  das  überlieferte  in  absolut  keinen  sinn  und 
es  muss  da  (2230,  3)  jedesfalls  conjiciert  werden,  an  derselben 
stelle  überliefert  eine,  wenngleich  junge  hs.  gegen  min  statt  gegen 
in  der  haupthss.,  und  mhd.  ^gegen  mir'  wäre  die  dem  sinn  nach 

sporadisches  Torkommen  s.  Bartsch  Wb.  s.  v.  in  der  Kl.  steht  wf^ant  45. 
353.  422.  597.  610.  621.  655.  699.  731.  830.  841.  852.  876.  893.  1248. 
1372.  1496.  1650.  1685.  1957.  2030.  w^ant  war  ein  streng  anf  steUang 
im  reim  beschränktes  wort  and  konnte  na.  nicht  mit  einem  postpositiven 
reimenden  attribnt  gebraucht  werden,  galt  für  die  reimbarkeit  der  silbe 
-ant  im  Nib.  {w(gant,  auch  viant  —  Kl.  614.  625  —  fehlt  im  reim)  die- 
selbe bedingung  wie  für  -heit  und  -/Ib/i,  so  war  dadurch  wigant  aus  dem 
formelvorrat  dieses  gedieh ts  ausgeschlossen. 

^  dagegen  im  klingenden  reim  die  adv.  :  ttninneeliche  Greg.  33,  6e- 
teheidenlüke  1719,  iwecitche  1889,  warliche  2841,  offenKche  3159,  kärc- 
liche  1933.  3657,  und  blofs  ungesogenlühen  3069. 


MITTELHOCHDEOTSCBE  STUDIEN  47 

dnzig  und  alleio  zu  erwartende  lesuDg.  da  nun  die  präp.  gegen^ 
und  m  alterer  zeit  wol  auch  das  heute  im  dialekt  gröstenteils 
veHorene  toider^  in  der  bair.-österr.  mda.  mit  dem  gen.  construiert 
werden,  so  halt  ich  die  lesungen  wider  sin  1191,  4  und  gegen 
mim  2230,  3  für  gesichert,  die  gen.  sin  und  min  entsprechen 
an  beiden  stellen  dem.  verJangten  sinn,  sie  stehn  in  Nib.  und 
Gadr.  öfter  als  reimworte  (s.  s.  41)  und  sie  ergeben  einen  reinen 
reiai  (der  rührende  reim  sin  poss.  :  sin  inf.  erscheint  zb.  auch 
Mb.  965,  3> 

Ist  aber  an  zwei  stellen  der  Nib.  im  archetypus  des  uns 
Toriiegenden  textes  gegen^  resp.  wider  mit  dem  gen.  des  personal- 
pron^  überliefert  gewesen,  so  gibt  dies  zu  mancherlei  erwägungen 
anlass.  jedesfalls  war  diese  construction,  sowie  sie  es  heute  noch 
ist,  eine  vulgäre,  grob  dialektische,  diese  syntaktische  erscheinung 
▼ergleicht  sich  etwa  auf  dem  gebiete  der  Formenlehre  dem  bair.  enk 
und  eZy  die  in  ähnlicher  weise  in  der  ganzen  mhd.  zeit  auch  bei 
solchen  dichtem  nicht  zu  erscheinen  pflegen,  deren  spräche  sonst 
stark  durch  den  dialekt  beeinflusst  wird,  auch  bei  spätem  Schrift- 
stellern finden  wir  dies  gegen  meiner  nur,  wenn  sie  mit  absieht 
vulgär  sein  wollten  :  bei  Abraham  a  Sta  Clara  zb.  auf  jeder  seite. 
das  beweist  doch  zweierlei,  erstens  dass  in  den  Nib.,  sowie  sie 
auf  uns  gekommen  sind,  lieder  fahrender  Sänger  mindester  sorte 
benutzt  sind,  die  im  ton  auf  die  spräche  und  den  geschmack  des 
gemeinen  Volkes  herabgestimmt  waren ,  und  zweitens  (da  wir  ja 
Dicht  erwarten  können,  dass  unser  Nibelungendichter  selbst,  der 
keinesfalls  unter  den  bänkelsängern,  sondern  unter  den  vornehmen 
zu  suchen  wäre,  so  vulgäre  formen  seinen  quellen  nachgebildet 
habe),  dass  sich  an  einigen  stellen  der  alte  text  der  als  quelle 
dienenden,  im  ton  aber  viel  ordinäreren  lieder  in  unserm  Ni- 
belnngentext  noch  erhalten  hat,  diese  lieder  waren  bair.-österr., 
wenigstens  im  zweiten  teil  des  gedichts,  denn  beide  stellen  mit 
gegen  c.  gen.,  1191,4  und  2230,3  fallen  in  die  partie  nach 
Sigfrieds  tod  und  bestattung. 

4.  DAS  ENDUNGS-£7  NACH  ü  UND  N  KURZER  STAMMSILBEN. 
Paul   polemisiert  Beitr.  1,  297   gegen   die  ansetzung  zwei- 
silbiger pronominalformen,  wie  ime  und  deme,  im  text  des  Iw., 
wie  Lachmann  ihn  constituiert  hat;   er  meint,  dass  die  Setzung 
des  -e  meist  unnötig  und  dem  oberdeutschen  autor  auf  grund  der 


48  ZWIERZINA 

Diederdeutscheo  aberlieferung  von  hs.  A  sprachwidrig  octroyieri 
wordeo  sei.  und  er  fätirt  fort  :  'man  darf  auch  oicht  den  reim 
4eme  :  neme  Iw.  5207  zum  beweise  der  erhaltung  des  €  bei  Hartm. 
in  anspruch  nehmen,  es  ist  hier  vielmehr  die  kürzung  nem  an- 
zusetzen^  welche  durch  das  vollständig  analoge  nam  (nomen) :  xam 
Er.  8912  gesichert  ist',  das  ist  unrichtig,  weder  ist  an  der  he- 
ireffenden  stelle  des  Iw.  nem  anzusetzen  auch  nur  erlaubt,  ge- 
schweige denn  geboten,  noch  ist  die  parallele  aus  dem  Er.  voll- 
ständig analog,  da  Er.  und  Iw.  in  bezug  auf  mehr  als  6in  detail 
.<ier  reimübung  ganz  verschiedene  grundsätze  befolgen,  wir  können 
im  gegenteil  klarlegen,  dass  durch  die  in  frage  stehnde  reim- 
faindung  ein  zweisilbiges  deme  vollkommen  ausreichend  bewiesen 
ist,  dass  also  Hartm.  die  zweisilbige  form  dieses  dativs  gekannt 
hat,  wenn  auch  nicht,  dass  seiner  spradie  etwa  nur  diese  zwei- 
silbige form  allzeit  zukäme. 

Viel  vorsichtiger  und  um  ebensoviel  zutreffender  spricht  sich 
Lachmann  zu  Iw.  11  aus.  hier  überliefert,  obwol  die  gekdrzte 
form  die  hebung  beschwert,  die  hs.  B  ihr  gewohntes  nam  (nomen), 
andre  hss.  geben  das  richtige  name.  Lachmaun  bemerkt  :  'die 
form  nam  reimt  im  Er.  8912  auf  das  adj.  zam.  die  verkOrzung 
ist  also  dem  dichter  nicht  gerade  zuwider  gewesen,  so  wenig  als 
4ilsam  Er.  1441.  2013.  2022.  7321  oder  der  man  Er.  329  :  aber 
mit  B  sie  ihm  überall,  auch  wo  wie  z.  11  die  vollständige  form 
der  ausspräche  bequemer  ist,  zuzumuten,  und  noch  dazu  die  fe- 
ininina  schäm  18.  756  und  ram  6199,  dazu  sehe  ich  keinen 
grundf  zumal  da  der  Schreiber  von  B  in  unzähligen  fällen  das 
stumme  e  wider  des  dichters  reime  und  versbau  weglässt'. 

Ich  lege  zunächst  das  in  betracht  kommende  material  vor. 
im  Er.  Greg,  und  aH.  reimt  aham  stets  auf  streng  einsilbiges 
-am,  auf  die  prälerita  kam  nam,  vemam  zam  und  gexam,  uzw. 
Er.  810.  1442.  1952.  2014.  2022.  7322,  Greg.  1423,  aH.  523, 
im  Iw.  aber  reimt  es  an  der  einzigen  stelle,  wo  es  in  den  vers- 
schluss  gestellt  wird,  auf  das  subst.  schäme  755.  und  während 
dem  name  :  zam  adj.  Er.  8912  in  den  altern  werken  des  dichters 
nur  6in  rein  gebundenes  name :  schäme  Büchl.  1315  gegenüber- 
steht, wir  also  hier  würklich  kaum  entscheiden  konnten,  ob  Hartm. 
die  apokopierte  form  blofs  nicht  widerstrebt  habe,  wie  Lachmann 
meint,  oder  ob  sie  die  ihm  allein  geläufige  gewesen  sei,  reimen 
im  Iw.  die  subst.  name  schäme  rame,  ferner  alsame,  nur  unter- 


MITTELHOCBDEÜTSCHE  STUDIEN  49 

einander  :  17.  755.  6199,  und  bleiben  streng  geschieden  von  den 
einsilbigen  reimworten  auf  -am,  den  reimen  auf  die  präterital- 
fonnen  tutm  tTemam  und  gezam  und  das  adj.  zaniy  welche  worte 
ebenfalls  nur  unter  sich  gebunden  werden. 

Wem  die  drei  reimpaare  des  Iw. ,   in  denen  -ame  mit  -ame 
gdbonden  werden,  nicht  imponieren  wollen,  dem  geh  ich  zu  be- 
denken, dass  auf  gekürztes  -am  nicht  dreimal  widerum  gekürztes 
-iam  reimen  könnte,  ohne  dass  nur  Einmal  einsilbiges  nam  ver^ 
nam   gezam  sich   als  reimwort  eingestellt  hat,    wenn   nicht  die 
bindnng   von  -aiitf  und  -^m  von  Hartm.   im  Iw.   überhaupt  ge- 
mieden worden  wäre,    denn  die  präteritalformen  von  nemen  und 
composita  und  zemen  und  composita  beherschen   den  reimtypus 
auf  -^m  so  vollständig,  dass  es  ein  unerhörter  zufall  wäre,  wenn 
an   allen    drei,    oder   man    sagt   wol    besser   sechs   stellen,  wa 
ein  aus  -ante  gekürztes  -am,  das  mit  einsilbigem  -am  nun  iden- 
tisch   sein   soll,    in   den  reim  gesetzt  wurde,    dem  dichter  sich 
jedesmal   zufällig  gerade  wider  eins  der  seltenen  worte  auf  ur- 
sprünglich -^me  zum  reim  angeboten  hätte,     im  Er.  finden  wir 
nur  6in  name  und  nur  sechs  alsame  im  versschluss,  nam  benam 
und  vemam  aber  stehn  62 mal,  zam  und  gezam  25  mal  im  reim^. 
welches   resultat  eine  reimtechnik   gibt,    die  keinen  unterschied 
keoDt  zwischen  -am  und  -ante,  zeigt  Hartm.  selbst  sehr  deutlich 
bei  der  behandlung  des  aUame  im  Er.,  Greg,  und  aH.     hier  reimt 
alle  acht  male,  wo  es  vorkommt,  auf  dieses  alte,  streng 


^  ich  ziehe  Aram,  das  im  Er.  56 mal  reimt,  nicht  mit  heran,  da  diese 
form  dem  grösten  teile  des  Iw.  fremd  ist.  aber  ganz  aufser  acht  lassen 
dörfeo  wir  die  reimmöglichkeit  -ame :  kam  doch  aach  für  den  Iw.  nicht, 
deoD  gerade  in  den  ersten  tausend  versen  dieses  gedieh  ts,  wo  kam,  s.  Be- 
obachtungen 8.  502,  noch  ziemlich  häufig  ist,  stehn  zwei  von  den  drei  be- 
legen far  -ame :  -ame.  wenn  im  Iw.  nam  benam  vernam  seltener  reimen 
als  im  Er.  —  Iw.  9,  Er.  62  — ,  so  hat  dies  natürlich  einzig  und  allein  darin 
seioeo  grund,  dass  die  adj.  auf  -iam  und  vor  allem  kam  als  bindung  in 
diesem  werke  fehlen  und  auch  gewisse,  rohere  formein  mit  gezam  (Als  ez 
dem  saieU  gezam,  Alt  einem  ritter  gezam)  hier  nicht  mehr  verwendet 
werden,  es  fehlt  also  fär  nam  durchaus  an  reimworten.  um  so  eher  sollten 
wir,  wenn  echame :  nam,  alsame :  nam  Hartm.  unanstöfsig  geblieben  wäre, 
erwarten,  dass  sich  ein  und  das  andre  mal  auf  das  reimbedörftige  nam  ein 
schäme  oder  alsame  halte  dem  Zusammenhang  abringen  lassen.  —  ich 
moste  daher  auch  oben  zur  iliustration  der  reimbarkeit  von  nam  den  Er. 
und  nicht  den  Iw.  heranziehen  :  der  Iw.  hätte  ein  ganz  falsches  bild  ge- 
liefert. 

Z.  F.  D.  A.  XUV.    N.  F.  XXXII.  4 


50  ZWIERZINA 

einsilbige  -^m.  wir  werden  unten  auch  noch  andre  dichter 
kennen  lernen,  die  -ame  und  -am  nicht  scheiden,  und  auch  bei 
ihnen  werden  dann  stets  die  bindungen  von  -ame  :  -am  über  die 
reinen  bindungen  von  -ame  :  *ame  ein  ganz  enormes  übergewicht 
aufweisen. 

Durch  die  bindung  von  name  und  zam  im  Er.  wird  ein- 
silbiges nam,  subst.,  für  den  Er.  erwiesen;  aber  wie  Lachmann 
mit  recht  bemerkte,  noch  lange  nicht  einsilbiges  schäm  und  ram, 
denn  dass  die  verschiedenen  endungs-e  in  bezug  auf  apokope 
verschieden  behandelt  werden,  ist  bekannt  genug  und  wird  sich 
im  verlauf  dieser  Untersuchung  noch  öfter  anschaulich  machen 
lassen,    analogie  und  systemzwang  haben  da  eingewürkt. 

Wol  aber  ist  dadurch,  dass  der  Iw.  name  schäme  rame  und 
alsame  niemals  einsilbig  reimt,  nicht  nur  erwiesen,  dass  die 
formen  dieser  worte  von  Hartm.,  soweit  der  Iw.  in  betracht 
kommt,  im  reim  nicht  mehr  apokopiert  werden,  sondern  auch, 
dass  durch  den  reim  deme:neme,  der  im  Iw.  steht,  zweisilbiges  (ferne 
für  Hartm.  festgelegt  wird,  denn  wir  können  immer  und  über- 
all, auch  bei  Hartm.  selbst,  beobachten,  dass  das  endungs-e  der 
verbalformen  viel  conservativer  behandelt  wird,  als  das  endungs-e 
der  nominal-  und  adverbialformen,  sodass,  wenn  im  Iw.  schäme, 
name  nnd  alsame  nicht  gekürzt  werden,  mit  der  3  sing.  conj. 
neme  Iw.5207  nur  ein  ungekürztes  deme  gebunden  werden  konnte. 

Die  bindung  von  name  :  zam  im  Er.  beweist  aber  auch  ferner 
noch  nicht,  dass  der  dichter  für  das  in  betracht  kommende  wort 
in  seiner  altern  Schaffensperiode  nur  die  gekürzte  form  verwendet 
hätte,  was  ja  wol  auch  niemand  wird  behaupten  wollen,  denn 
wenn  Hartm.  im  Iw.  nam  für  name  nicht  mehr  zulässt,  sondern 
name  zweisilbig  und  nicht  einsilbig  reimt,  so  müssen  wir  doch 
annehmen,  dass  er  diese  ältere  form  in  dem  jungem  werke  nicht 
erst  frisch  aufgelesen  hat,  sondern  dass  er  ganz  in  der  art,  wie 
ich  sie  Beobachtungen  s.  448.  481  ff  uö.  als  für  die  entwicklung 
seiner  technik  charakteristisch  dargelegt  habe,  von  den  beiden 
doppelformen,  die  er  im  Er.  verwendet,  name  alsame  und  nam 
aisam,  im  Iw.  die  eine,  uzw.  die  nicht  allgemein  gebrauchte,  der 
spräche  mancher,  zt.  auch  jüngerer  dichter  ganz  unbekannte  form 
aufgegeben  und  sich  für  die  ausschliefsliche  anwendung  der  an- 
dern entschieden  hat.  es  wird  darum,  besonders  da  ein  schäm 
für  schäme  nirgends,  auch  im  Er.  nicht,  durch  den  reim  sicher- 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  51 

gestellt  ist,  der  reim  name  :  schäme  Büchl.  1315  als  zweisilbig  zu 
fassen  sein,  anderseits  ist  zwar  deme  durch  den  angezogeneD  reim 
des  Iw.  erwieseo^  aber  damit  ouch  nicht  von  vornherein  ausgemacht, 
dass  (demonstratives)  deme  die  alleinige  form  Hartm.s  sei,  dass  also 
zb.  Iw.  7757  sicher  auch  deme :  weme  und  nicht  vielleicht  dem: 
wem  lu  lesen  sei.  pronominal-  und  adverbialformen  werden  näm- 
lich auch  von  solchen  dichtem,  für  die  zweisilbige  formen  be- 
wiesen sind,  daneben  einsilbig  gebraucht,  wir  werden  hören, 
dass  Wolfr.  nur  ich  nime,  aber  ime  und  im  nebeneinander  ver- 
wendet dass  aber  auch  der  zweifelhafte  reim  dem{e) :  u)em(e)  im 
Iw.  als  zweisilbig  und  nicht  als  einsilbig  zu  fassen  ist,  das  lehrt 
eine  andre  erwägung.  zu  den  formworten,  die  von  dichtem, 
welche  das  e  nach  dem  m  kurzer  Stammsilben  im  reim  sonst 
Dicht  apokopieren,  doch  auch  in  gekürzter  gestalt  gereimt  wer- 
den, gehört  auch  ahame.  akam  ist  alsame  gegenüber  bei  diesen 
dichtem,  so  bei  Rud.  oder  in  den  Nib.,  gar  nicht  apokope,  dem 
reim  zu  liebe  gewagte  kürzung,  sondern  historisch  überkommene 
oebeoform.  schon  der  in  bezug  auf  apokope  und  synkope  infolge 
seines  dialekts  sehr  sparsame  Rother  kennt  ein  sam  neben  same, 
und  unten  werden  wir  ein  mit  neben  mite,  das  bei  Gotfr.  und 
Herb,  widerholt  erscheint,  bis  auf  Otfrid  zurückverfolgen  können. 
alsam^  das  im  Er.,  Greg,  und  aH.  so  oft  auf  kam  nam  usw.  reimt, 
ist  also  eine  historisch  überkommene  nebenform  von  alsame,  neben 
diesem  alsam  ist  uns  in  diesen  altern  werken  Hartm.s  nur  zu- 
l^llig  Dicht  das  zweisilbige  akame  belegt,  welches  alsame  aber  die 
einsilbige  nebenform  im  Iw.  verdrängt  hat.  sowie  nun  aber  der 
Iw.  alsam  im  reim  neben  alsame  nicht  mehr  duldet  —  daher 
zeigt  er  es  auch  nur  einmal  (755)  im  versschluss,  denn  alsam 
ist  leicht,  alsame  aber  äufserst  schwer  zu  binden  — ,  so  wird 
der  Iw.  wol  auch  kein  demonstratives  dem  neben  dem  durch  den 
reim  auf  neme  erwiesenen  deme  mehr  gekannt  haben,  der  Iw.  ist 
doppelformen  eben  abhold. 

neme:zeme  Er.  696.  6198,  aH.  1499,  Iw.  7859,  :vememe 
BOchL  1635  sind  natürlich  als  zweisilbig  aufzufassen,  und  die 
Orthographie  von  B  erweist  sich  somit  auch  Iw.  5207.  7257.  7859 
als  falsch,  respective  unhartmannisch. 

Die  endung  des  nom.  sing,  schwacher  masculina  wird  im  Er. 
wie  nach  m  (name)  so  auch  nach  n  apokopiert,  wie  der  schon 
von  Lachmann  beigebrachte  reim  swan  :  gewan  Er.  330  erkennen 

4* 


52  ZWIERZINA 

lässt  auch  hier  ist  die  apokope  des  e  der  starken  feminioa  nicht 
belegbar  :  £r.  7319  reimt  also  wol  mane  ^mähne* :  dane  adv.  dass 
daneben,  sowol  im  Er.  als  im  Iw.,  dan  auch  einsilbig  gebunden 
wird,  also  nicht  nur  mit  an{e)y  sondern  auch  mit  man  kan  gewan 
usf.,  kann,  da  wir  fOr  dan  und  an  bei  allen  dichtem  auch  ein- 
silbige formen  (bei  denen,  die  nicht  kürzen,  wider  nebenformen, 
und  nicht  apokopenl)  constatieren  können,  natürlich  nicht  auf- 
fallen. Iw.  3453  aber  ist  durch  den  reim  seit  von  gran  :  dan  das 
gran  sicher  als  ein  t-femininum  erwiesen  {grane  wird  auch  von 
altern  hss.  nie  überliefert,  jüngere  verstehn  hie  und  da  gran  als 
grane  ^haar*);  denn  dan,  das  im  Iw.  nur  einsilbig  reimt,  wird 
hier  wol  ebensowenig  ein  dane  neben  sich  geduldet  haben,  als 
von  ein  vone. 

Dieses  vone  reimt  der  Er.  3886  auf  ich  wone,  ebenso  auch 
noch  der  Greg.  391,  und  Büchl.  1547  wird  es  mit  der  3  sing, 
conj.  wone  gebunden,  der  Iw.  aber  kennt  nur  den  reim  da  (resp. 
wd)  von:gewon  (resp.  ungewon)  169.  2641.  3031.  5789.  6311. 
7797.  einsilbiges  von  reimt  so  auch  im  Er.  5606,  Öfter  im  Greg. 
259.  621.  1291.  2273.  3385.  ich  fasse  die  sache  so  :  Hartm. 
gebraucht  im  Er.,  Gr.  und  all.  noch  die  doppelform  alsam  und 
akame,  entscheidet  sich  aber  im  Iw.  für  im  reim  alleingeltendes 
alsame,  er  gebraucht  im  Büchl.,  Er.  und  Greg,  noch  die  doppel- 
formen dan  und  dane  (nur  Er.),  von  und  vone,  welch  letzteres 
durch  den  reim  auf  die  verbalform  erwiesen  ist^,  entscheidet  sich 
aber  im  Iw.  nicht  für  die  zweisilbige,  sondern  für  die  einsilbige 
form,  und  gibt  jene  auf,  wol  deshalb,  weil  hier  die  einsilbige 
form  eben  schon  viel  weiter  verbreitet  und  allgemeiner  war,  als  die 
zweisilbige,  es  ist  auch  tatsache,  dass  von  an,  vor  allem  aber 
dan  hin  im  13  jh.  schon  allen  oberdeutschen  dichtem  geläufig 
sind,  aUam  aber,  wie  wir  sehen  werden,  durchaus  noch  nicht 2. 

^  an  ein  ich  won^  er  won  im  Er.  and  Greg,  ist  nicht  zu  denken,  wie 
sich  auch  kein  ich  mariy  ich  schäm  belegt  findet,  trotz  manigfacher  reim- 
möglichkeit.  derartig  apokopierte  verbalformen  gehören  erst  einer  viel 
spätem  reimteehnik  an,  als  die  der  classischen  zeit  es  war.  eher  könnte 
man  noch  an  ein  gewone  {:  vone)  denken,  gewone  steht  zb.  im  Both.  262. 
1406,  ungewone  Alex.  Str.  4614.  5711.  aber  aus  oberdeutschen  quellen  ist 
mir  die  zweisilbige  form  nirgend  bekannt  geworden.  Rol.  190,  23  reimt 
ungewon  :  chom, 

^  auch  hier  ist  die  Chronologie  Bucht.,  Er.,  Greg.,  aH.,  Iw.  bestätigt, 
sowie  im  Er.  auch  noch  im  Greg,  und  aH.  aUam,  sowie  im  Büchl.  und  Er. 


MITTELHOCHDEOTSCHE  STUDIEN  53 

hine  neben  hin  ISsst  sich  für  Hartm.  auch  im  Er.  nicht 
nachweisen,  doch  ist  das,  da  dane  feststeht,  wol  nur  zufall,  weil 
der  beweisenden  reime  auf  -ine  sehr  wenig  sind  :  wine,  schme^ 
a^Mne,  die  auch  bei  andern  dichtem  nur  ganz  sporadisch  er- 
scheinen,   der  Iw«  kennt  neben  hin  sicher  kein  hine  mehr. 

Wir  sehen,  Hartm.  bietet  fQr  die  entscheidung  der  frage  nach 
der  apokope  des  -e  hinter  der  nasalis  nur  wenig  material,  welches 
allein  durch  heranziehung  des  ?erhaltens  andrer  dichter  und  seines 
eigenen  Terbaltens  in  andern  fragen  (abneigung  gegen  doppel 
formen  im  Iw.)  schliefslich  doch  noch  bestimmte  folgerungen  er- 
möglicht, mehr  material  bietet  Wolfram,  und  von  ihm  aus  föllt 
auf  die  analogen  Verhältnisse  im  Iw.  erst  das  rechte  licht. 

Wolfr.  ist  einer  gewissen  art  von  apokope,  wie  man  weifs, 
durchaus  nicht  abhold,  diese  apokope  betrifft  aber  im  reim  aus- 
schliefslich  das  e  des  dativs  starker  masculina  und  neutra  :  dieses 
wird  ganz  unterschiedslos  abgeworfen  oder  gesetzt,  sowol  nach 
länge  als  auch  nach  kürze,  sowol  nach  liquida  und  nasalis,  als 
auch  nach  tenuis  und  media,  beispiele  anzuführen,  wäre  wol 
QberflQssig.  trotzdem  ist  Wolfr.  in  bezug  auf  die  apokope  des  e 
(nicht  dati?-e)  nach  der  nasalis  kurzer  Stammsilben  unter  allen 
hochdeutschen  dichtem  einer  der  conservativsten. 

Bei  Wolfr.  also  reimt  das  adj.  lamy  dort  wo  es  prädicativ 
oder  attributiv  nachgestellt,  also  in  seiner  flexionslosen  form  ge- 
braucht wird,  auf  das  prät.  nam  Parz.  125, 13.  237, 7,  Wh.  1 12, 19, 
temam  Parz.  813, 15  oder  auf  den  nominativ  stam  Parz.  505,9; 
In  dem  munde  niht  diu  lame  aber  Parz.  312,  27  reimt  auf  zuo- 
naau  und  Min  tötiu  vreude,  niht  diu  lame  Wh.  455,  17  reimt 
auf  Wax  touc  mir  nü  fürsten  name.  —  die  prät.  nam,  benam 
und  vemam  reimen  auf  stam  subst,  Parz.  601,25,  Wh.  88,  1. 
254,  15,  auf  die  prät.  quam  Parz.  4,  15,  zam  (gezam)  Parz« 
238,  25.  523,  3.  562,  15.  571,  15.  581,  21.  741,  29.  721,  9. 
730,  9.  736,  29.  744,  17.  807,  29,  Wh.  57,  7.  82,  7.  114,  29. 
167,  21.  292,  1.  314,  1.  369,  29,  auf  das  flexionslose  adj.  zam 
Parz.  39,  29.  160,  23.  170,  7.  809,  25,  Wh.  359,  25  und  eben- 
solches lam  Parz.  125,  13.  237,  7.  813,  15,   Wh.  112,  19,  auf 

aoch  Doch  im  Greg,  vone,  nur  im  Er.  das  dialektische  dane,  im  Iw.  nur 
alsame  von  dan,  das  2  büchl.  könnte,  war  es  ein  werk  Harlm.s,  nicht  hinter 
deo  Iw.  gestellt  werden,  da  es  735  vone :  wone  reimt,  s.  Kraus  aao.  s.  161, 
wo  schon  auf  diese  meine  ausföhrungen  hingedeutet  wurde. 


54  ZWIERZINA 

Angram  Parz.  335, 19.  384,  29.  703,  23  \  buckeram  Parz.  588, 15. 
800,  17,  dictam  Wb.  99,23,  auf  Adam  nom.  Parz.  464,  15. 
518,  1,  auf  Bertram  nom.  Wh.  13,  17.  41,  21.  93,  17.  169,  9. 
259,23.  373,7.  414,23.  417,3,  acc.  328,21.  457,27,  auf 
Golltam  Wh.  432,  4  und  unrein  auf  kräm  dat/^  Parz.  663,  15, 
Wb.  279,  21  und  räm  dat.  Wh.  248,  7.  das  subst.  name  (zuo- 
name)  aber  reimt  auf  das  subst.  schameJ^Parz.  269,  11.  303,  29^ 
Wb.  158,21  oder  auf  fiwerrame  Parz. 230, 9  oder  auf  diu  lame 
Parz.  312,  27,  Wb.  455, 17,  nie  aber  auf  die  reimworte  des  prät. 
nam^  —  ebenso  wird  das  prät.  zam  (gezam)  alle  21  male,  die 
es  belegt  ist,  mit  dem  prät.  nam  oder  dem  nominativ  Berhtram 
(Wh.  238,  15.  303,  1)  gebunden,  und  das  flexionslose  adj.  zam 
5  mal  mit  nam,  i6inmal  mit  Bertram  (Wh.  171,  1);  dagegen  daz 
zame  Wh.  177,3  mit  akame\  -^  schäme  und  rame  reimen  nur 
auf  -ame  (die  beispiele  s.  oben  unter  name)^  nie  auf  die  viel  be- 
quemeren reimworte  in  -am.  abame  steht  nur  Einmal  (Wh.  177,  3) 
im  reim,  gebunden  mit  daz  zame. 

Es  ist  also  kein  zweifei :  Wolfr.  hat  die  worte  auf  -am  und 
die  auf  -ame  streng  von  einander  geschieden,  nur  zwei  beispiele 
scheinen  auf  den  ersten  blick  aus  dem  Schema  zu  fallen.  Parz. 
251,3  reimt  natne 'nomeo'  auf  roj/(lm  *regnum'.  aber  das  länge- 
zeichen, das  Lachmann  der  reimsilbe  von  royam  gibt,  wird  kaum 
gerechtfertigt  sein.  vgl.  auch  Angräm,  buckeram,  dictam.  das 
fremdwort,  welches  nur  an  dieser  stelle  belegt  ist,  geht  auf  franz. 
roiame  zurück  und  wurde  von  Wolfr.,  wie  uns  eben  der  reim 
auf  name  nun  doch  wol  schon  beweisen  darf,  ganz  unverändert 
übernommen,  am  Schlüsse  zweisilbig  und  mit  kurzem  a  ge- 
sprochen, auch  in  der  gFrau,  die  -ame  und  -am  so  genau  wie 
Wolfr.  scheidet,  reimt  3021  la  bone  dame  mit  name.  ebensowenig 
wie  hier  an  ein  däm :  nam,  dürfen  wir  bei  Wolfr.  an  ein  royäm 
denken. 

Auch  der  zweite  fall,  wo  Wolfr.  scheinbar  -ame  und  -am 
bindet,  erlaubt  uns  wol  andre  auffassung.    Wh.  1.33, 15  beifst  es 

^  es  ist  glelchgillig,  ob  Ingram,  buckeram  und  andre  fremde  Orts- 
namen und  appellalive  auf  -am  dative  sind  oder  nicht,  einen  flectierten 
dativ  kennen  cji^se  wdrte  überhaupt  nicht. 

^  dass  kräm  und  räm  dativ  sind,  beweist  jedesfalls  kein  -am  für  -äme. 

^  ein  beispiel,  das  aus  dem  Schema  herauszufallen  scheint,  werden  wir 
alsbald  besprechen. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  55 

Vil   nhtwer  spise  reine,   Yisdie  und  vkisch  gemeine,  Beidiu  daz 
wilde   und  auch  daz  zam :  und   auf  zam  reimt   das   prät.  nam, 
wilde  und  zam  ist  stehnde  formel,  die  auch  bei  Wolfr.  oft  vor- 
kommt, ja,  die  ihm  so  geläufig  ist,  dass  er  in  seiner  art  mit  ihr 
spielt  :  Mirst  vreude  wilde  und  sorge  zam  Wh.  171, 1,  luwer  wilde 
Wirt  vil  %am  Parz.  39,  29,  Wh.  359,  25,  s.  auch  Parz.  160,  23. 
170,  7.    den  ausgaogspunct  gibt  Spise  wilde  unde  zam,  zb.  Parz. 
809,  25,  Wh.  177,  13.  448,  3;  an  unsrer  stelle  geht  auch  noch 
das   ebenso  formelhafte  spise  .  .  .  viscke  und  vleisch  voran,     ich 
glaabe  ouo,  dass  Wolfr.  hier  in  gHnsefüfschen  spricht :  Beidiu  daz 
*wilde'  und  daz  'zam'  und  daher  wilde  und  zam  ohne  flexion  lässt, 
weil  er  eben  an  die  erstarrte,  Substantiv  gewordene  formel,  spise 
wHde  unde  zam,  denkt,    übrigens,  wie  dem  auch  sei,  jedesfalls  ist 
hier  daz  zam  nicht  mit  apokopiertem  filexions-e,  sondern  flexionslos 
anzusetzen,    denn   durch  die  voranstehnden  Zusammenstellungen 
scheint  es  mir  bis  zur  evidenz  bewiesen,   dass  der  dichter  -ante 
im  reim    nicht  apokopiert.     das  flexionslose  adj.   nach  dem  he^ 
stimmten  artikel  ist  bei  Wolfr.  ja  keine  ungewöhnliche  erschei- 
nung.     zu  den  zahlreichen  beispielen  bei  Grimm  Gramm,  iv' 631 
fQg  ich   vor  allem   noch  hinzu   Der  iren  rieh  und  lasters  arm 
Parz.  581,  1   und  aus  dem  werke  eines  nachahmers,    aus  dem 
Rennew.   :  Der  nider  als  der  hoch  (:  enphlöch)  Pf.  Ob.  48,  614, 
weil  an  diesen   beiden   stellen  die  hinter  dem  artikel  flexionslos 
bleibenden  adjectiva  eine  dem  begriff  *alle'  umschreibende,  formel* 
hafte  antitbese  bringen,  sowie  daz  wilde  und  auch  daz  zam.    man 
vergleiche  etwa  ausdrücke  wie  Swaz  mit  al  den  fürslen  sint . . . 
beide  junc  und  alt  . .  ,  die  sagete  man  etc.    auf  alt  reimt  gezak, 
man  sollte  auch  hier  eher  junge  und  alte  erwarten,  das  adj.  aber 
wird   in   dieser   formel  flexionslos,    gleichsam  als  ein  collectives 
sabst.y  gebraucht,  so  wie  man  heule  noch  —  und  darum  f^llt  uns 
dieses  alt  nicht  so  auf  wie  jenes  zam  —  sagen  kann  ^jung  und 
alt  freute  sich',   'arm  und  reich  fehlte  nicht'  udglm.     genau  so 
sagt  Wolfr.  auch  Dir  dienet  zam  unde  wiü  (:  gezilt)  Parz.  252, 7. 
ich  meine,   dass  auch  in   den   flexionslosen  Terramir  der  zomic 
gemuot.   Der  manlich  und  der  hoch  gemuot,    Wilkhalm  der  tmer- 
farht  usf.  eine  ähnliche,   bestimmte   bedeutungsouance  ligt^  eine 
kräftigere    Substantivierung  des  adj.i,  als  dieses  sie  durch   die 

^  '80  wie  daz  rehl  mehr  subst  ist  als  daz  rehte,    Wolfr.  sagt  daz 
9,  wie  wir  heute  Mas  wild'  sagen*.    ESchröder. 


56  ZWIERZINA 

schwache  flexion  nach  dem  artikel  erhält,  gleichsam  eine  per- 
sonificatioD  des  adjectivs.  ÄrtAs  der  vahches  laz  heifst  soviel  wie 
Artus  der  'vahches  laz*  in  person,  Gramoflanz  dem  hoch  gemuot 
soviel,  wie  Gramoflanz  dem  oder  herrn  *höch  gemuof  in  person, 
mit  einem  wort  ein  substantiviertes  vahches  laz  und  hoch  gemuot 
in  gänsefüfschen ;  der  tump,  der  snel  wäre  fast  identisch  mit  dem 
ähnlich  nuancierten  sin  tumpheit,  sin  snelheit,  wo  die  person  ge- 
meint ist,  die  tump  und  snel  ist.  dazu  stimmt  es,  dass  dieses  un- 
flectierte  adj.  mit  dem  artikel  hauptsachlich  als  apposilion  beim 
namen  steht  (s.  Grimm  aao.).  auch  daz  wilde  und  daz  zam 
steht  hier  als  apposition  beim  ^namen',  zu  dem  es  gehört,  bei  spise^. 

So  wenig  material  auch  der  reimtypus  -im,  -ime  für  Wolfr. 
liefert,  so  deutlich  lässt  er  uns  doch  die  uns  hier  interessierende 
Sachlage  erkennen,  wir  haben  nämlich  in  dem  namen  Ahsim 
(Ässim)  eine  streng  einsilbige  reimform  auf  -im,  denn  von  Ahsim 
ist  nicht  etwa  als  kürzung  aufzufassen,  ebensowenig  wie  etwa  von 
Angram,  s.  oben  s.  54  anm.l,  da  in  diesen  fremden  mehrsilbigen  Orts- 
namen ein  dativ-e  nie  gesetzt  wird,  gleicbgiltig,  welcher  consonant 
vorhergeht.  Ahsim  reimt  nun  im  Wh.  3  mal  auf  im  't\*  141,11. 
255,  3.  362,  9 ,  damit  ist  dieser  pronominale  dativ  als  einsilbig 
erwiesen,  nie  reimt  Ahsim  auf  ich  nime,  vemime,  denn  die  verbal- 
form ist  zweisilbig,  sie  reimt  im  Parz.  10  mal  (123,  13.  223,  7. 
239,  5.  330,  13.  464,  7.  467,  19.  516,  13.  651,  29.  659,  27. 
751,3)  und  im  Wh.  5mal  (148,7.  156,19.  181,27.  192,23. 
335, 19),  ferner  Lied  8,  35  auf  den  dat.  ime,  welcher  also  damit 
wider  als  zweisilbig  erwiesen  wird.  Ahsim  ist  einsilbig,  nime 
zweisilbig,  sie  können  nie  aufeinander  reimen,  ime,  das  formwort, 
ist  anceps,  es  reimt  auf  Ahsim  so  gut  wie  auf  nime.  ich  schliefse 
also  daraus,  dass  unter  den  fünf  reimen  auf  ich  nime  im  Wh.  das 
öfter  vorkommende  Ahsim  fehlt,  dass  ich  nime  nur  zweisilbig 
reimen  konnte,  dass  ich  damit  recht  habe,  illustriert  mir  Wh. 
341,  7.  hier  reimt  auf  nim  ein  Ahsim,  hier  aber  ist  nim  der 
imperativ  I  es  wird  kein  zufall  sein,  dass,  wo  Schulz  Reimregister 
ftim  :  im  belegt,  nim  stets  «a  ich  nime  und  nie  der  imperativ 
ist,  wo  es  aber  nim  :  Ahsim  belegt,  während  Ahsim  sonst  nur  zu  im 
reimt,  dieses  nim  eben  die  einsilbige  form,  den  imperativ,  bedeutet« 

Die  verbalform  kume,  1  sing.  ind.  oder  3  sing,  conj.,  reimt 
beide  mal,  wo  sie  bei  Wolfr.  im  versschluss  steht,  auf  ist  frume: 

^  8.  den  excurs  auf  s.  65  ff. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  57 

Parz.  158,  7.  814,  1;  dagegen  reimt  das  subst.  drum  nur  auf  die 
Uteioische  endaog  -um  :  Parz.  470,  23,  Wb.  464,  19.  dass  Parz. 
470,  23  dieses  drum  dativist,  bewürkt  keine  bindung  von  -ume: 
-ton,  denn  ich  habe  schon  widerholt  hervorgehoben,  dass  Wolfr. 
den  dat.  sing,  der  starken  masc.  und  neutr.  aller  stammausgäoge 
auch  flexionslos  bildet,  epitäfium  nun  reimt  Wb.  73,  27  auf  was 
/hm;  dasselbe  frwn  also,  das  im  Parz.  zweisilbig  mit  kume  ge- 
bunden wird,  bindet  der  Wb.  einsilbig,  aher  es  ist  bekannt,  dass 
sich  aus  dem  subst.  frume  schon  früh  ein  adj.  frum  heraus- 
gebildet bat.  Wolfr.  zeigt  im  Parz.  die  eine,  im  Wh.  die  andre 
form,  sowie  er  etwa  im  Parz.  hamas,  im  Wh.  aber  hamasch 
reimt  udglm. 

Daraus,  dass  -ame,  -ime  und  -ume  in  vollworten  nicht  ge- 
kOrzt  werden,  haben  wir  zu  entnehmen,  dass  auch  Parz.  588, 1, 
Wb.  218,  3.  318,  1,  wo  dem(e)  auf  neme,  3  sing,  conj.,  und 
iAime  subst.  reimt,  zweisilbiges  deme  anzusetzen  ist.  einsilbiges 
dem  ist  durch  den  reim  nicht  beweisbar,  wir  dürfen  aber  wol 
nach  analogie  von  tut  neben  ime  für  Wolfr.  ein  dem  neben  deme 
erschliefsen. 

Wider  auf  gröfseres  material  können  wir  uosre  entscheidung 
stützen  in  der  frage,  ob  Wolfr.  das  e  hinter  dem  n  kurzer  Stamm- 
silben ausgeworfen  habe,  die  Wörter  auf  -an,  also  auch  die  auf 
eTentuell  gekürztes  -ane,  haben  zahllose  reimmöglichkeiten,  bei 
Wolfr.  noch  mehr  als  etwa  bei  Hartm.  und  Gotfr.,  da  er  -an  und 
-an  miteinander  paart,  da  sind  man  kan  gewan  hän  plan  getan 
wdn  Gdwän  usf.,  die  belege  herzuschreiben  hat  keinen  sinn. 
auch  die  adv.  an  und  dan  werden  häußg  auf  streng  einsilbiges 
-an  und  -^n  gereimt,  beispiele  sind  auch  hier  nicht  nötig,  da  sie 
sich  auf  jeder  seite  des  Parz.  und  Wh.  finden,  ich  betrachte 
also  nur  die  vollworte  des  typus  ^ane.  der  ane  reimt  Parz.  501, 23 
auf  der  vane  ^vexillum'  und  Wh.  157,  25  auf  ich  mane,  dagegen 
Parz.  711,  19.  763,  15  auf  dan^  her  dan,  also  ,ein  wort,  das  bei 
Wolfr.  einsilbige  form  oft  genug  belegt,  das  aber  neben  der 
einsilbigen  auch  zweisilbige  form  haben  könnte.  .  diu  Jkane  reimt 
Wh.  440, 12  auf  der  vane,  Parz.  282,  5  wider  auf  dan,  resp.  dane. 
diu  mane  reimt  Parz.  256,  21  auf  dar  an,  aber  auch  an  könnte 
neben  der  einsilbigen  form  noch  die  zweisilbige  aufweisen,  der 
swane  reimt  Wh.  27,  1  auf  mane  3  sing,  conj.,  Parz.  257,  13 
auf  das  ad?,  an,  resp.  ane  und  826, 15  auf  dan,  resp.  dane.    der 


58  ZWIERZINA 

vane  reimt  auf  ane,  subst.  Parz.  501,23,  iane  subst.  Wh.  440,11, 
mane  verb  Wb.  337,19.  341,3,  ferner  auch  auf  die  adv.  an{e) 
Parz.  30,  25,  Wh.  332,  21.  340,  17.  433,  15  und  danie)  Wh. 
328,5.  424,21.  schliefslich  reimt  mane,  1  sing.  ind.  oder 
3  sing.  conj.  von  manen,  auf  ane  subst.  Wh.  157,  25,  vane 
subst.  Wh.  337,  19.  341,3,  swane  subst.  Wh.  27,  1,  ferner 
wider  auf  die  adv.  an(e)  Parz.  78,  21.  714, 19,  Wh.  247, 1.  306,17 
und  danie)  Parz.  34,  13.  42,  23.  713,  19,  Wh.  123,  3.  331,  23. 

Daraus  ist  zu  entnehmen,  dass  die  vollworte,  sowoi  subst. 
wie  ane  swane  vane  und  mane  bane,  als  auch  verba  wie  mane 
nie  im  reim  apokopiert  werden  (wäre  apokope  gestattet  gewesen, 
so  müsten  sich  reime  auf  man  kan  gewan  hän  getan  pldn  usf. 
notwendig  eingestellt  haben),  dass  aber  ferner  die  adv.  an{e)  und 
4an{e)  Wolfr.  in  doppelformen  geläufig  sind  und  im  reim  als  ein- 
silbiges an,  dan  und  als  zweisilbiges  ane,  dane  verwendet  werden. 

Aus  dem  Schema  föllt  nur  das  wort  gran(e)  'haar'  heraus, 
auf  sicher  zweisilbiges  -ane  (die  subst.  ane  swane  vane  mane  bane, 
das  verb  mane)  reimt  es  nie.  gran  :  dar  an  Parz.  244,  9  und 
gran  :  dan  Wh.  286^  7.  274,  23  wären  doppeldeutig.  .  aber  gran: 
kan  Wh.  206,  21  und  gran :  man  Wb.  67,  15  beweist  einsilbiges 
gran,  dh.  ein  i-femininum.  dieses  ist  durch  den  plural  die  grene 
Wh.  290,  15  igrcene  K,  grän  z,  gren  t)  auch  handschriftlich  für 
Wolfr.  sicher  gestellt  und  dort  herzustellen,  ferner  ist  dann  Wh. 
206,  21  diu,  nicht  die  gran  zu  lesen  i  und  das  von  Lachmann 
(aus  anderm  gründe  I)  Wh.  274,  24  vermutete  wcer  diu  für  wcem 
die  (s.  laa.)  in  den  text  aufzunehmen,  ich  verweise  auch  auf  ahd. 
granisprunger  Grafif  iv  327. 

Ebenso  wie  dane  verhält  sich  auch  hine.  einsilbiges  hin 
(:  sin  gewin  in)  ist  oft  genug  belegt,  der  conj.  prät.  erschine  aber 
reimt  nie  auf  sicher  einsilbiges  -in,  das  doch  unverhältnismäfsig 
mehr  reimmOglichkeiten  bietet  als  -ine,  sondern  Einmal  auf  das 
subst.  wine  Parz.  228,5,  das  ebenfalls  nur  hier,  also  auch 
nur  zweisilbig  belegt  erscheint,  und  Einmal  auf  das  adv.  Aift(e) 
Wh.  73 ,  3«  damit  ist  sowol  ausschliefsliches  wine,  erschine ,  als 
für  das  formwort  die  doppelform  hine,  hin  erwiesen. 

Ebenso  wie  an{e)  verhält  sich  auch  von(e\  nur  kennt  Wolfr. 
ein  adj.  gewon,  ungewon  nicht  (s.  s.5anm.)  und  es  ist  also  nicht 

^  nur  diu  gran  und  doch  nicht  die  grane  (resp.  grene)  können  ^hdr 
hdn\  auch  ist  hab  23  doch  der  Singular! 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  59 

einem  fehlen  der  einsilbigen  form  von  zuzuschreiben,  dass  dieses 
(ffaposjtionaladferb  nur  zweisilbig  im  reim  belegt  ist.  Wh.  284,  27 
and  287,  29  reimt  vom  auf  das  subst..  diu  wone. 

Für  die  andern  dichter  liann  ich  mich  jetzt  kürzer  fassen, 
die  Untersuchung  an  Hartm.  und  Wolfr.  hat  gezeigt,  dass  wir 
gewissen  Schlüssen  ex  absentia  hier  .wol  trauen  dürfen,  und  sie 
hat  unsern  blick  für  die  Ursachen  des  gegebenen  reimmaterials 
bereits  geschärft. 

Der  Stricker  apokopiert  das  e  hinter  m  und  n  niemals, 
er  kennt  auch  nur  die  form  älsame,  nie  wird  dlsame :  -am  ge- 
reimt, wir  finden  schäme  subst. :  name  subst.  Dan.  39,  Frauen- 
ehre 305.  451.  645,  :abame  Karl  2915.  4539,  Hahn  xii  429, 
'.gemeinsame  subst.  Frauenebre  547;  schäme  verb  :name  subst. 
Fraoenehre  863,  :  alsame  Dan.  6739,  Ges.  ab.  33,  25;  name  subst. 
:aisame  Am.  1253,  :8ame  Bloch  507,  :  gehörsame  subst.  Dan. 
6877,  :  gemeinsame  subst.  Karl  7239.  9675,  Frauenehre  1073 1. 
name,  schäme  subst.  und  verb,  same,  alsame  und  die  abstracta 
aaf  'Same  reimen  also  nur  untereinander,  nie  mit  den  prät.  quam 
(steht  schon  allein  im  Dan.  33  mal  und  im  Karl  36  mal  im  reim), 
lUMt,  gezam,  den  adj.  auf  -sam,  gram,  zam  usf.  darnach  ist  auch 
Dan.  49.  4943,  Karl  8219. 11183  ime  :  icA  nime,  Hahn  m  31  ime: 
ick  bmime  anzusetzen,  neben  der  zweisilbigen  form  ime  ist  die 
einsilbige  im  (etwa  zu  nim  imp.},  jedoch  vielleicht  nur  zufällig, 
nicht  belegt,  deme  können  wir  für  Stricker  gleichfalls  nur  nach 
analogie  von  ime  als  nebenform  ^u  dem  vermuten,  im  reim  steht 
weder  deme  noch  dem,  es  reimt  nur  neme,  vememe :  gezeme  Karl 
1627.  1775.  11077.  11479,  Frauenehre  147.  1493,  D  569,  Am. 
379.  1653.  sowol  das  adj.  wie  das  subst.  heifst  nur  frome  und 
reimt  :Jcame,  1  oder  3  sing,  conj.,  Dan.  2731,  Karl  3199,  Frauen- 

*  die  adj.  aof  -sam^  von  denen  bei  Stricker  im  Karl  freiaam,  lobesam 
und  gekörtam,  im  Dan.  freissam  und  gehorsam^  sonst  nur  gehorsam  sehr 
bdüebt  sind,  werden  immer  zu  einsilbigem  -am  gereimt :  freissam  {:  nam  prät. 
Dan.  1343,  :quam  Dan.  7197,  Kari  3135.  5113.  7425.  8533,  :swam  subst 
Dan.  3369,  :»am  adj.  Dan.  4309),  lobesam  {:nam  prät  Karl  9315,  :  quam 
Kari  697.  3549^  :ge%am  prät  Kari  321.  4031),  gehörsam  (:nam  Karl  219. 
605.  2783,  :vemam  Am.  57,  :  quam  Dan.  7257,  Kari  199.  963.  3487, 
.gram  adj.  Kari  1037,  Bloch  59),  ungehorsam  {.-gram  adj.  Hahn  xn  61, 
BGerm.  8,  290,  123).  aurserdem  kennt  Stricker  die  sahst  gehörsame  und 
gemeinsame  (s.  oben  im  text)  und  das  verh  gemeinsamen  Karl  201,  Frauen- 
ehre 997. 


60  ZWIERZINA 

ehre  633  als  subst.;  das  (aUributive)  adj.  wird  nur  im  Dan.  in 
den  reim  gestellt,  dort  um  so  häufiger  :  921.  1219.  2057.  2341. 
2973.  5345.  6789.  7133.  7429. 

der  vane  reimt  nur  zu  dan{e)  Karl  6573.  6889  und  dar  an(e) 
Karl  9317  und  der  haue  nur  zu  an{e)  Am.  979,  wodurch  sowol 
erwiesen  ist,  dass  die  subst.  in  -ane  nicht  gekürzt  wurden,  als 
dass  die  ad?.  dan{fi)  an(e)  neben  der  einsilbigen  form,  die  zahl- 
lose reime  sicherstellen,  so  wie  bei  Wolfr.  auch  beim  Stricker 
noch  die  zweisilbige  form  daneben  ausweisen,  ebenso  ist  das 
präpositionaladv.  von{e)  anceps,  es  reimt  einsilbig  auf  gevoon  Dan. 
6373.  8383,  Karl  1251,  Pf.  Ob.  5,  202,  aber  auch  zweisilbig  auf 
iA  loane  Frauenehre  D  573,  Hahn  xii  599. 

Rudolf  von  Ems  kürzt  das  schw.  masc.  swant  beide  mal, 
wo  er  es  reimt,  um  sein  e  (:  fürspan  gGerh.  785,  :  man  ^vir' 
Darl.  251,  11).  ob  er  auch  feminina  wie  diu  mane,  diu  bane; 
oder  gar  auch  verbalformen  wie  ich  mane,  er  erschine  gekürzt 
hat,  ist  damit  noch  nicht  ausgemacht  und  ist  aus  dem  material, 
das  uns  die  reime  der  beiden  gedruckten  werke  dieses  dichters 
liefern,  nicht  auszumachen. 

Dagegen  reimt  Rud.  name  und  schäme  nur  untereinander 
oder  zu  alsame  und  flectiertem  lobesame  (die  zahlreichen  belege 
s.  unten  im  excurs),  kürzt  diese  subst.  also  nicht,  abame  jedoch 
gebraucht  er  nicht  nur  zweisilbig,  wie  der  Stricker,  sondern  auch 
einsilbig  (:  nam  gGerh.  1021)  :  das  formwort  ist  anceps.  darnach 
ist  im  reim  auf  ich  nime  gGerh.  53,  Rarl.  101,  19  zweisilbiges 
ime  anzusetzen,  neben  dem  aber  durch  zahlreichere  reime  auch 
einsilbiges  im  belegt  wird,  im  :  vemim  imperativ  Bari.  37,39. 
173, 11.  262,  39.  366, 27.  371, 23.  396,  5,  :  Eliachim  Bari.  59, 35. 
deme  ist  nicht  belegt,  es  reimt  nur  neme,  vememe :  gezeme  gGerh. 
2123.  3061.  4233.  6157.  6483,  Bari.  152,  1.  228,  35.  335,  19. 
dagegen  ist  durch  die  reinliche  Scheidung  von  /hcme  verb  :lume 
verb  gGerh.  563  einerseits,  dne  drum :  secularum  Bari.  186,29 
anderseits  wider  illustriert,  wie  Rud.  das  e  nach  dem  m  kurzer 
Stämme  bei  verbum  und  nomen  im  reime  nicht  unterdrückt. 

Ähnlich  wie  Rud.  verfahren  die  Nibelungen,  reimworte 
auf  einsilbiges  -am  sind  die  prät.  nam  (24,  1.  368,  3.  506,  1. 
1617,  3.  1635,  1.  1919,  1.  2242,  1),  benam  (956,  3.  1149,  3. 
1511,  3.  2022,  1),  genam  (561,  1.  661 ,  3.  1126,  3.  1491,  1. 
1771,  3),  vemam  (110, 1.  343, 1.  407, 1.  650,  3.  956, 3.  1101, 1. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  61 

1637,  1.  1845,  1.  2242,  1),  %am  und  gezam  (3,  1.  24,  1.  244,  1. 

343,  1.  407,  1.  506,  1.  533,  3.  561,  1.  650,  l.  661,  3.  734,  1. 

1101,  1.  1126,  3.  1491,  1.  1511,  3.  1617,  3.  1635,  1.  1637,  1. 

1771,  3.  1845,  1.  1919,  1.  2022,  1),  quam  (1465,  3),  die  adj. 

fnm  (3,  1.  533, 3.  734, 1.  1149,  3)  und  Mesam  (368,  4.  1465,  3). 

diese  worte  reimeo  nur  untereinander  oder  auf  sam,  abam  (100, 1. 

244,  1).  dagegen  reimt  schäme,  subsL  (243,  1)  oder  verbum 
(287,  3.  805,  3.  1206,  3),  nur  auf  same,  alsame,  was  bei  dem 
grofsen  Übergewicht  der  streng  einsilbigen  reimmOglidikeiten  auf 
-<ni  Ober  die  auf  alsam  kein  zufall  sein  kann,  saoi(e)  und  aU 
sam{t)  sind  also,  so  wie  bei  Rud.,  auch  im  Nib.  anceps. 

Ein  andres  biid  zeigen  die  reime  frumisun  123,3.  1851,  3. 
1S51,  3  ist  frum  adj.,  könnte  also  ebensogut  bei  sonstiger  er- 
b»ltDng  des  e  nach  m  einsilbig  sein,  wie  bei  Wolfr.  (s.  oben  s.  57) 
oder  im  MHelmbr.  (s.  unten  s.  62).  123,  3  aber  ist  frum  Sub- 
stantiv 1  doch  gehört  der  reim  unter  einen  andern  gesichtspunct 
als  den  der  apokope,  nämlich  den  der  synkope.  denn  an  der 
genannten  stelle  ist  frum  accusativ  und  wir  haben  es  also  nicht 
mit  einem  reim  frume :  mn,  sondern  entweder  mit  einem  reim 
frumen :  sun  zu  tun  oder  mit  einem  starken  masc.  frum.  geradeso 
wie  Wolfr.  zwar  nie  vane  swane  mane  usf.  zu  van  swan  man 
apokopiert,  dagegen  ganz  ungescheut  synkopiertes  suns  auf  uns, 
ymmu  auf  lant  reimt,  so  fiele  eine  kürzung  frumen  zu  frun, 
sowie  etwa  ein  acc.  vanen  zu  van,  auch  bei  solchen  dichtem 
nicht  auf,  die  die  nominative  frume  und  vane  nie  apokopieren. 
Tgl.  auch  noch  Lachmann  zu  Nib.  216,  1. 

Ulrich  von  Zatzikhoven  verhält  sich  ähnlich  wie 
Rod.  er  kürzt  nicht  nur  den  dat.  zane  {:ran,  prät.  2109)  ^ 
sondern  auch  swane  (:gewan,  prät.  357,  unentschieden  bleibt 
acan :  an  8863),  ja  sogar,  wenn  man  hier  der  unsichern  Qber* 
lieferung  trauen  darf,  erschine  (:m  4243).  nach  m  aber  wird 
nicht  gekürzt  name  reimt  nur  zu  schäme  subst.  2493,  verb  1821; 
ebenso  gome  *homo'  zu  ze  frome  2247,  s.  ferner  frome  adj. 
:  bekäme  conj.  339,  frome  subst.  :  kome  conj.  5839,  gefrume 
1  sing.  ind.  ikume  ebenso  2247.  dagegen  ist  obam  nur  in  der 
korzern  form  belegt  {:nam  prät.  3085,  :kam  5077),  nie  reimt 
es  zu  name  und  schäme,    auch  für  den  dativ  des  pronom.  haben 

^  wol  auch  se  ban^  von  ban  'verderben' .*  art  adv.  3041. 


62  ZWIERZINA 

wir  Dur  ^inen  beleg  und  dieseo  für  eiosilbiges  im  (:  t7emifii,  im- 
perativ 7861). 

Ulrich  von  Zatzikbo?eD  steht  wider  Ulrich  von  Türbeim 
am  nächsten,  dieser  reimt  nämlich,  wie  der  dichter  des  Lanz., 
nur  abam  (:  mm  Rennew.  Zs.  f.  d.  ph.  13, 130%  45.  Zs.  26, 2^  35), 
kürzt  aber  die  vollworte  in  -ante  nie.  er  bindet  name  mit  schäme 
subst.  Trist.  505,  1,  Rennew.  Alem.  17,  178,29,  Lohm.  318 
und  schäme j  verb  Trist.  545,  29.  577,  13,  schäme  mit  an  der 
rame  Lohm.  763,  nie  aber  -ame  mit  nam  vemam  kam  gezam 
gram  usf.  darnach  kennt  der  dichter  auch  deme  und  ime  neben 
dem  und  im  :  deme  wird  durch  die  reime  auf  gezeme  TrisL  571,  31 
erwiesen  und  ime  durch  die  reime  auf  icft  oemtme  Trist.  563,11, 
Rennew.  Rother  306,123;  dem  ist  natürlich  durch  den  reim  nicht 
nachweisbar,  aber  es  ist  nach  analogie  von  m  anzusetzen,  das 
Trist.  580 ,  9  mit  dem  imperativ  vemim  gebunden  ist  ebenso 
dürfen  wir  also  den  bin'dungen  gezeme  :  neme  Trist.  499, 15.  586, 3 
uö.,  vrume  subst. :  ich  kume  TrisL  570,  33,  Rennew.  Zs.26|l%3, 
Rother  378,  9  ihr  e  in  der  Orthographie  unsrer  ausgaben  nicht 
nehmen. 

So  wie  Ulr.  vZatzikh.  und  Rud.  vEms  scheint  auch  der  Tür- 
heimer  das  e  nach  n  freier  behandelt  zu  haben ,  als  das  e  nach 
m.  dass  an  den  beiden  stellen,  wo  in  den  von  mir  durchge- 
sehenen Partien  seiner  werke  der  ane  reimt,  Rennew.  Zs.f.d.ph. 
13, 129^  30,  Roth  317,  20  dieses  subsL  mit  vme  und  ich  mane 
gebunden  ist,  wird  kein  zufall  sein,  es  fragt  sich  nur  :  spiegelt 
sich  hier  die  sprachliche  conservierung  des  -€  oder  die  nach- 
ahmung  des  Vorbilds?  Wolfr.  reimt  ane  vane  nunu  immer  zwei- 
silbig, Parz.501,23  und  Wh.  157,  25  auch  direct  vane,  resp.  ich 
wume  zu  der  ane^  wie  hier,  im  selben  Rennew.  aber  finden  wir 
einmal  in  vom  Türheimer  so  sehr  bevorzugter  rührender  bin- 
düng  man  *vir'  :  idh  mane  Alem.  17,  182,  231.  darnach  kOnnea 
wir  auch  nicht  sagen,  ob  wwm  verb  ivone  Trist.  553,  1  zwei- 
silbiges rofie  beweist  neben  tn^ii,  das  durch  den  reim  auf  ungewon 
Rennew.  Zs.  38,  60  feststeht. 

Selbst  der  Meier  Helmbrecht  apokopiert  noch  nicht  das  e 
nach  m.  das  verbum  schäme  reimt  ihm  auf  nwme  1235  oder  same» 
adv.  1803,  das  subsL  schäme  auf  akamc  335.  1201,  aber  nicht 
auf  iMWi  gezam  gram  usf.  5asi(e)  und  a!sam{e)  aber  sind  hier,  wie 
bei  Rud.  und  in  den  Nib.,  anceps,  sie  reimen  mit  scAome,  das 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  6» 

Bie   auf  -um  reimt,  aber  auch   mit  nam  prät.  693.  1431    und 
fficvt  adj.  1771.     das  adj.  frum  ist  streng  einsilbig,  wie  im  Nib. 
und   im  Wb.«    da  Weroher  es  597   mit  drum  bindet,     dass  der 
daL  S9m(e)  517  mit  iuan  gebunden  wird^   widerspricht  dem  son- 
stigen Terhalten  des  dichters  nichts  da  solche  dative  bei  ihm,  wie 
bei  Wolfr.  und  zL  auch   in  den  Nib.,    auch  flexionslos  gebildet 
werdeiu     merkwürdig  steht  im  MHelmbr.  dieser  conservatismus 
IQ  bezog  aaf  das  e  nach  m  im  gegensatz  zu  den  vielen  apokopen 
des  e  nach  t  und  d :  wir  finden  von  kindes  lit :  mit  245,  phärit: 
n«  457,   gmit  'faber'  :müe  adv.  1065,  wit  'lignum'  :  mite  adv» 
1S27,  höui,  plur.  von  h^,  :  gewröut  partic.  1655,  erwachete :  ge- 
moAet  partic.  859. 

Koorad  von  Fussesbrunnen  reimt  i(h  gefrume  :  ich 
bme  Kindb.  1617,  aber  drum  :  verhum  1021  und  sun  :  gentium 
117S,  :  Egyptum  1319,  iJüum  2681.  2735.  er  reimt  gewin  :ze 
m  1559  udgim.,  aber  auf  den  conj.  prät.  sdiine  reimt  er  nur 
das  adv.  hin(e)  683.863.  er  reimt  ungewon  stets  auf  von  819. 1351. 
1539.  2267,  auf  das  subst.  kone  reimt  er  nicht  gewon  oder  unge-- 
rim,  sondern  das  doppeldeutige  t70ft(e),  dessen  zweisilbige  form  für 
Konr.  also  neben  der  einsilbigen  festsieht,  ebenso  ime  :  ich  nime 
2967;  $am  aber  gilt  als  einsilbig,  aham  :  zam  adj.  1399.  2619. 
Himmelfahrt  Hariä  und  Urstende  geben  wenig  material. 
die  Himmelf.  lässt  aber  die  erhaltung  des  e  nach  m  doch  noch 
erkennen,  wenn  dort  name  1087  das  einzige  mal,  wo  es  reimt, 
auf  same,  3  sing.  conj.  von  zamen,  reimt,  sonst  steht  deme :  be- 
nau  Himmelf.  519,  vememe  :  neme  Himmelf.  33.  in  der  Urst» 
nime  :  ime  124, 10^  der  vane  :  her  dane  106,  62.  reime,  die  den 
abwurf  des  e  im  vollwort  bewiesen,  fehlen  hier  und  dort;  dane^ 
ime^  deme  aber  stebn  auch  für  Konr.  vHeimesfurt  fest. 

Moriz  von  Craün  ^scheint  nur  genau  zu  reimen,  wie 
beim  Stricker  reimt  auch  in  diesem  gedieht  alsame :  rame  subst. 
651,  nie  aber  aham: -am.  der  t7ane  reimt  auf  ane  adv.  737, 
frwtu  subst.  :  kome  3  sing.  conj.  1233. 

Ebenso  reimt  der  dichter  der  guten  Frau  genau,  name: 
Khame  subsL  599.  2035,  :la  hone  dame  3021,  abame  nur  zu  in 
der  rame  1945.  das  beweist  zweisilbiges  {etesjweme  im  reim  auf 
geseme  2843.  s.  ferner  gezeme  :  neme  1421,  vrume  subst. :  kume 
3  sing.  conj.  403. 

Wenden    wir    uns  nun   zu  dicbtern ,   die  ungenau  reimea 


ZWIERZINÄ 


und  oboe  scheu  -ame  mit  -am«  -ane  mit  -an  biadeu.  der  uuler- 
schied  der  technik  wird  sorort  in  die  äugen  spriagen  und  uns 
lehreu,  dass  selbst  vereinzelte  reine  bindungen  von  -ame:-ame^ 
denen  keine  unreinen  gegen überstehn,  schon  die  erbaltung  das  e 
beweisen f  da  dort,  wo  -ame  und  -am  gebunden  werdeu,  die  reinen 
bindungen  ganz  zurücktreten, 

ßeirachten  wir  zunächst  den  Wjgalais.  name  subst  reimt 
auf  das  präC.  gezum  i03K  5887^  auf  das  adj,  gram  8101^  das 
subst<  Slam  9297 ,  schamB  subsL  reimt  auf  die  prai.  nam  7640, 
S979*  9799  uud  gezam  957 6^  und  ebenso  reimt  aham  auf  nam 
präL  5339.  6627,  nie  aber  reimen  name^  schäme^  ahame  unter- 
einander« ähnlich  werden  gebunden  diu  mane  mit  wol  getan  2400^ 
dm'  kam  mit  man  ^vir'  5055,  der  vane  mit  üf  getan  10927.  da- 
neben bedeuten  die  reime  von  swane  2408.  2542.  10531  und 
vane  10630.  10843  zu  a»(£)  adv.  gewis  nicht  die  erhallung  des 
-e,  denn  niemals  reimen  vollworle  iu  -ane  untereiDanden 

Hit  der  geoauigkeit  der  Nik  (vgl.  oben  s.  60)  halte  man  die 
technik  der  Gudrun  zusammen,  hier  linden  wir  auf  schäme 
subsU  gereimt  gemm  45>  1.  157,  I,  165,  L  613, 1,  benam  879,  1 ; 
auf  «amfe)  wird  vernam  178,  t.  1168^1  gereimt,  nur  Einmal 
(1587^  1)  reimen  sam(e)  und  schäme  untereinander,  unter  diesen 
um^clnden  wird  es  zufall  sein,  dass  der  swane^  an  der  einzigen 
stelle,  wo  (las  wort  im  endreim  steht  (1372^  1),  mit  daran(e)  ge- 
bunden isL  in  einem  kritischen  teit  wäre  hier  sieber  der  swan: 
daran  (resp.  dran)  zu  schreiben* 

Auch  Kourad  Fleck  scheidet  -ame  und  Htm,  -ane  und 
-an  gar  nicht,  s.  Sommer  zu  Flore  1259.  er  reimt  schäme: kam 
Flore  1428,  :erkamb%{>S,  name :  lussam  309b  (fehlt  bei  Sommer), 
nicht  aber  schäme  :  name,  ebenso  man  ^vif  :  swane  6903 »  :  diu 
grane  (gran7)  6342,  :ich  mane  6560.  aUam  ist  ziemlich  häufig, 
aber  immer  reimt  es  auf  einsilbiges -öct,  :kam  1233*  5128,  :^e- 
nam  2927,  :  gezam  6832.  7485,  :  %am  adj.  28681. 

^  wir  selten  also  Wtrnt,  Gudr.  und  fltck  \  Franken,  Österreich  und  die 
Scbweiz^  bier  Kusammenilefan  gegen  etwa  Stricker,  Nib,  und  BudoLf ;  wider 
Frtnkea,  Österreich  und  die  Schw^elz.  die  beichtung  de«  alten  «  nach  m 
uud  n  im  reime  war  eben  eher  eine  frage  der  reimtechnik  als  eine  fng^e 
des  dialekts.  docli  [»alt  ich  ausnalinisloses  altame,  tarne  iüt  ein  nnerkmal 
fränk.  oder  niederalem*  sprachcharakters  tWolfr»,  Stricker,  Mor*  vCr.,  gFrau); 
ähnlich  ist  wol  auch  das  vorkommen  von  dane  und  hine  hei  Wol  fr.«  Stricker 
und  Konr,  THeimesf.  zu  beurteilen,  fini  uud  i?<^n«  sind  all  gemein  er. 


.1    f 


r.\    SIUDIEN  67 

L'.'lirauchs  hervorgerufen: 

,       ■  .\:»r,  und  die  dichter,  die 

.    Mini  (lio.  auch  -ame  nicht 

•     '  ::  ili'-  ;nlj.   auf  -sanif    von 

';i"   •;:  :-  '  Uli'  -ame  reimen,   die  an- 

spi."i:i;i ,    /i..i.:ili  riiil  den  adv.  sam  und 

.1  j.   ;=  I.  '.<um  iiii  vrrsinnorn  zulässt,  spricht 

.    I.     M  ii,.iUiiiss<',   die  Rud.  in  der  hier 

'  '" '\   -'lin  lins  vielleicht  einen  fingerzeig 

'    «•  hiMd»»i  -am  und  -ame,  er  reimt  schäme 

Mftm.   '/•  zum,  ^i(»nd(,'rii,  nzw.  häuGg,  nur  unter- 

■    .  '^:>.  109,  3.  157,  3.  189,  35. 

7.  :}5.  356,  27),  ferner  auf  alsame 

'■■  ■    fnf-r^tnnr  Bari.  350,  5.      alsam  reimt 

I  ii-p  nl»»r  .Mif  das  priil.  nam,    er  kennt  dem- 

!!"ii;,.>  :ii|v.  .5rim,    setzt  das  wort  aher  überhaupt 

...i  IM  ij' 11  iLiiii,  sü  also  wie  auch  Wolf r.  und  der 

■^  il  -.wtm  gehraucht  Rud.  viele;    aber  auch 

vi»'  xri  reimen  sind  :  auf  -ame,  das  er  nicht 

??•>  mrhl  rf'imen,  auf  -am  nicht  same.     und  ich 

:••>)(    liii^  k]i|i(H^  dadurch.    <lass    er   die  adj.  auf  ^sam 

..  .tj::iii  ...In   gereimt   in  flectierter  form   gebraucht, 

.  .:i.«ii  /.woisdhig  zu  name  (Bari.  350,  5)   und 

^'u  lO.tIi.  167.  931.  2265.  6624,  Bari.  51,  1. 

:vJS.  13.  391,  31    in    fester  formel.     nur  Bari. 

]  *    ujvt  er  gehorsam :  nam  prät. ;    gGerh.  4369  steht 

..u.i*  HA  £•  ilcninncru.    ehenso  im  innern  Bari.  50,  30  ver- 


^•i....:?.>liiUiüK.\  liKR  VÜLGATA  DES  NIBELUNGENLIEDES. 

-   \Mini.^  si'lioii   zu  widerlinlten   malen   untersucht,  wieviel 

M.ii  dt-r  phisstrophen  von  *B  in  den  ♦B  mit 

-.      •.'fi4id:iijii'ii  p.irlieii  der  Nib.  ohne  parallele  bleibt,    am  voll- 

.M:;.{.Mi    :>inil   dti    noch   immer  die  Sammlungen   von  Bartsch 

•  ..-.    «.  :\i)\}  [^   einiges  brachte  dann  noch  Kettner  Zs.  f.  d,  ph. 

*  "*>       solche   lexikalische,    syntaktische    und    formale    Sna^ 

'       .-.-r-   i?iht  «'S   in  jedem  gedieht^   und  ganz  nackt  und  ohne 

.    cialiäiening  neben  einander  gestellt,  wie  Bartsch  sie  ver- 

,^'..\'  liiicl,  beweisen  arta^  elgrjfiiva   allerdings  nichts  gegen  eine 

[r  ifMiaweifellp   flberlieferung.     wenn  Bartsch  zb.   in  einer  -ganzen 

i  JÜWi  *"l^* —  ausdr'*'*>'>   die  vollkommen  bedeutungslos  sind  :  duz, 

^fTWAn,  encei  "^  lanii  auch  kurz  'Krist  102,  IT  registriert, 

tb(  <iier  •  »^  gar  keintMi  eindruck.    mehr  aber  schon, 

jg&  tvir  '0.  440   hören,    dass  Krüt  hier  in  der 

5* 


ff^ 


66  ZWIERZINA 

alsame  auch  im  Iw.  nur  ganz  zu  anfang  des  gedichts,  v.  755,  reimf, 
wo  Hartm.  die  technik,  die  er  sich  für  den  Iw.  zurecht  gelegt  hat, 
noch  nicht  voUsländig  beherscht  (s.  Beobachtungen  s.  504  0.  im  Er. 
ist  alsam  ziemlich  häufig  und  findet  sich  auch  noch  im  Greg,  und  aH. 
(s.  oben  s.  48)  :  im  Er.  siud  aber  auch  die  adj.  auf  -sam  erlaubt  und 
auch  im  Greg,  und  aH.  sind  sie  belegbar,  während  sie  im  Iw.  fehlen, 
s.  Haupt  zu  Engelh.  1185.  Harlm.  setzt  aufserhalb  des  reims  gehör" 
sam  Büchl.  896,  sorcsam  Er.  8878.  vorhtesam  Büchl.  1040,  arbeitsam 
aH.  68.  im  reim  gehorsam  Büchl.  925,  genözsam  Er.  3868.  Greg.  2425, 
vorhtesam  Er.  214.  auch  Wolfr.  gehört  bekanntlich  zu  den  dichtem, 
die  die  adj.  auf  -sam  verschmähen,  nur  Parz.  798,  9  und  Tit.  50, 2 
(s.  Steinmeyer  Epitheta  19  anm.  30)  finden  wir  gehörsam,  Parz.  521,6 
Tielleicht  doch  vreissam  (s.  laa.).  alle  beispiele  treffen  das  versinnere, 
besteht  nicht  ein  Zusammenhang  zwischen  dem  meiden  von  alsam  im 
reim  und  dem  der  adjeclivbildungen  auf  -samt  sicherlich  geht  bei 
Wolfr.  und  im  Iw.  dies  und  jenes  band  in  band.  Golfr.  zb.,  der  adj. 
auf  'Sam  lieht,  zeigt  auch  sam  und  alsam  des  öftern  im  reim  :  Trist. 
2877.  5371.  8489.  9981.  11737.  16661,  und  ebenso  der  Stricker 
(s.  oben  s.  59).  Gotfr.  nun  misst  die  nomina  name  und  schäme 
sowol  zwei-  als  einsilbig;  aber  es  ist  ganz  merkwürdig,  wie  relativ 
oft  mit  name  und  schäme  ein  solches  adj.  auf  -sam  gebunden  wird, 
wir  müssen  bedenken,  dass  -sam  bei  Gotfr.  nur  16  reime  bildet,  kam 
allein  aber  ca.  100  solcher  reime  und  nam,  vemam,  henam  deren 
noch  viel  mehr,  nun  reimt  das  subst.  schäme  Einmal  rein  auf  name 
(19235),  Einmal  gekürzt  auf  benam  (11905),  dagegen  auf  irresam 
11829,  auf  trAresam  13429,  iut  alsam  11733;  das  subst.  name  das 
erwähnte  ^ine  mal  auf  schäme,  ebenfalls  Einmal  gekürzt  auf  kam  9655 
und  wider  zweimal  auf -«am,  :  gevallesam  2001,  :  gehellesam  2017, 
schliefslich  rame  subst.  ledigbch  auf  lussam  4691.  es  reimt  also 
-ame  Einmal  zu  -ame,  2  mal  zu  einem  der  ca.  200  nam  und  kam,  5  mal 
aber  zu  einem  der  16  -sam.  von  diesen  16  adj.  auf  -^am,  die  reimen, 
sind  widerum  fast  ein  drittel  (5)  mit  -ame  gebunden,  nur  11  mit  den 
so  ungleich  bequemeren  reimworten  auf  ^am.  wenn  auch  die  kürzung 
von  'ame  zu  -am  für  Gotfr.  feststeht,  so  scheinen  mir  doch  die  we- 
nigen beispiele,  zwei  im  ganzen,  wo  Gotfr.  -ame  aufser  auf  »ame  und 
•sam  auf  das  ^am  der  präterita  reimt,  darauf  hinzudeuten,  dass  er 
erstens  die  kürzung  ^ame  zu  -am  noch  als  freiheit  empfand  und  mit 
ihr  sparte,  und  dass  er  zweitens  in  bezug  auf  die  Verwendung  von 
'Sam  und  alsam  im  reim  seiner  sache  nicht  ganz  sicher  war,  dh.  sie 
ein-  und  zweisilbig  ansetzte,  diese  technik  Golfr.s  setzt  Konr.  vWürzb. 
fort»  wie  mich  bedünkt,  ich  habe  mir  aus  dem  Troj.  als  bindungen 
von  -ame : -am  notiert  :  schäme :  kam  nur  8031.  20979,  dagegen 
schäme  :'Sam  14375.  15559.22081  und  name  :  lobesam  Ißbd.  im 
Engelh.  steht  nur  rame  :  lobesam  2865.  das  nebeneinander  von  adverb. 
sam  und  same,  alsam  und  alsame  hatte  also  m.  e.  eine  nebenform 
"Same  neben  'Sam  auch  bei  den  adj.  sich  entwickeln  lassen,  dies  aber 
hatte  in  bezug  auf  sam  und  alsam  sowol,  als  auch  auf  die  form  der 


BnTTELHOCHDEÜTSCHE  STUDIEN  67 

adj.  aof  -sam  eine  gewisse  Unsicherheit  des  gebrauchs  hervorgerufen: 
man  waste  nicht,  was  richtig  und  acceptiert  war,  und  die  dichter,  die 
nur  sichere  formen  im  reim  zulassen  wollten  und  die  auch  'ante  nicht 
kflnten,    Harun,  und  Wolfr.,  verwarfen  nun  die  adj.  auf  -sam,   von 
denen  einige  etwa  sagten,  man  müsse  sie  auf  -ame  reimen,   die  an- 
dere aber  wider  nur  »sam  sprachen,   zugleich  mit  den  adv.  sam  und 
aitwm.    dass  Wolfr.  einige  adj.  auf  -sam  im  versinnem  zulässt,  spricht 
for  meine  auffassang.    und  auch  die  Verhältnisse,  die  Rud.  in  der  hier 
veriiandelleD  frage  erkennen  lässt,  geben  uns  vielleicht  einen  fingerzeig 
ia  Reicher  nchtung.     Rud.  scheidet  ^am  und  'ame,  er  reimt  schäme 
und  nawie  nie  auf  kam,  nam,  gexam,  sondern,  uzw.  häufig,  nur  unler- 
eisander  (s.  gGerh.  5511,   Bari.  65,  35.   109,  3.   157,  3.  189,  35. 
191,  5.    196,  23.  230,  25,  267,  35.  356,  27),  ferner  auf  alsame 
Bari.  60,  33  und  auf  flectiertes  lobesame  Bari.  350,  5.     alsam  reimt 
er  noch  gGerh.  1021,    hier  aber  auf  das  prät.  nam,    er  kennt  dem- 
nach ein-  und  zweisilbiges  adv.  sam,    setzt  das  wort  aber  überhaupt 
ganz  aoffailend  selten  in  den  reim,  so  also  wie  auch  Wolfr.  und  der 
dicfater  des  Iw.    von  adj.  auf  -sam  gebraucht  Rud.  viele;   aber  auch 
er  hat  nicht  gewust,  wie  sie  zu  reimen  sind  :  auf  -ame,  das  er  nicht 
korzt,   konnte  er  -sam  nicht  reimen,  auf  ^am  nicht  'Same.     und  ich 
glaabe,    er  umschifft   die  klippe  dadurch,    dass   er   die  adj.  auf  -sam 
immer   nur   im  versinnem  oder  gereimt  in  flectierter  form   gebraucht, 
der  lobesame  reimt  natürlich  zweisilbig  zu  name  (Bari.  350,  5)   und 
ebenso  lobesamen :  namen  gGerh.  167.  931.  2265.  6624,  Bari.  51,  1. 
187,  25.   235,  35.  328,  13.  391,  31    in    fester  formel.     nur  Bari. 
25,  35.  323,  19    wagt  er  gehörsam :  nam  prät.;   gGerh.  4369  steht 
dieses  gehorsam  im  zeileninnern,   ebenso  im  innern  Bari.  50,  30  ver- 
oam. 


5.   DIE  PLÜSSTROPHEN  DER  VÜLGATA  DES  NIBELUNGENLIEDES. 
Es  wurde  schon   zu  widerholten   malen   untersucht,  wieviel 
an  Worten    und  formen  der  plusstrophen  von  "^B  in  den  *B  mit 
A  gemeinsamen  partien  der  Nib.  ohne  parallele  bleibt,    am  voll- 
ständigsten   sind   da   noch   immer  die  Sammlungen   von  Bartsch 
Unters,  s.  309  f,   einiges  brachte  dann  noch  Kettner  Zs.  f.  d.  pb. 
26«  440.      solche  lexikalische,    syntaktische    und    formale   aTta^ 
dqilljiiva   gibt  es  in  jedem  gedieht^   und  ganz  nackt  und  ohne 
alle  specialisierung  neben  einander  gestellt,  wie  Bartsch  sie  ver- 
zeichnet, beweisen  ana^  elgrjfiiya  allerdings  nichts  gegen  eine 
angezweifelte   Überlieferung,     wenn  Bartsch  zb.   in  einer  -ganzen 
r»be  solcher  ausdrtlcke,  die  vollkommen  bedeutungslos  sind  :  duz, 
erringen,  erweinen  usf.,  dann  auch  kurz  ^Krist  102,  IT  registriert, 
so  macht  dies  naturgemafs  gar  keinen  eindruck.    mehr  aber  schon, 
wenn   wir   bei  Kettner  aao.  440   hören,    dass  Krist  hier  in  der 

5* 


68  ZWIERZINA 

formel  wizze  Krist  steht  und  dass  ^diese  formel,  wie  überhaupt 
der  name  Krist,  dem  Nib.  fremd'  sei,  während  gotweiz  öfter  be- 
legt ist  (s.  SchOnbach  Christentum  s.  5)  und  *im  ganzen  solche 
formein  mit  religiösen  beziehungen  nur  in  wenig  Variationen  vor- 
kommen', das  Verdachtsmoment,  das  wir  aus  diesem  Stvo^  eigt]- 
fiivov  gegen  die  plusstrophe  schöpfen,  gewinnt  aber  noch  wei- 
tere bedeutung,  wenn  wir  bemerken,  dass  wizze  Krist  rnnerhafb 
des  mhd.  bei  gewissen  dichtem  sehr  beliebt  ist,  dem  formelschatz 
anderer  aber  durchaus  fehlt,  wie  viele  leute  sagen  und  schreiben 
heute  jeden  augenblick  *Gott  gebe,  dass . . .',  ^so  Gott  will'  udglm.« 
andre  sagen  nie  so,  ja  es  ist  ganz  ausgeschlossen,  mit  ihrem  stil 
und  ton  unvereinbar,  dass  sie  derartige  Wendungen  gebrauchen, 
und  ebenso  damals  wol  wizze  Krist :  wer  es  eben  nicht  gebraucht, 
in  dessen  rede  hatte  es  sich  ausgenommen,  als  hätt  ers  aus  der 
predigt  gerade  mit  nach  hause  gebracht,  wir  finden  wizze  Krist 
zb.  sehr  häufig  bei  Hartm.  (Cr.  4074,  Greg.  1175,  Iw.  815.  3127. 
4785.  5485,  stets  in  der  rede  handelnder  personen)^  ebenso  beim 
Stricker  (Dan.  502,  Karl  2219,  Am.  584,  GA.  45, 150,  Hahn  xm  49, 
nur  an  der  letzten  stelle  in  eigener  rede  des  dichters)  und  bei 
Konr.  vWürzb.  (s.  Mhd.  wb.  i  883).  auch  bei  Gotfr.  steht  es 
10444  nicht  vereinzelt,  wie  Bechstein  in  der  anm.  angibt,  es 
findet  sich  aufserdem  noch  13445,  doch  ist  es  nicht  unmöglich, 
dass  ein  sprachkünstler  wie  Gotfr.  sich  das  wort  an  diesen  beiden 
stellen  bei  einer  ihm  sonst  fremden  diclionsart  ausleiht,  nie  aber 
beteuern  bei  Wolfr.  und  Wirnt,  nie  bei  Ulr.  vTOrh.,  Rud.  vEms, 
Reinbot,  Dir.  vZatzikh.,  nie  in  der  Gudr.  die  redenden  mit  wizze 
KHst^.  wenn  das  wizze  Krist  also  von  den  Nib.  A  nicht  gebraucht 
wird,  in  einer  plusstrophe  der  Nib.  B  aber  vorkommt,  so  ist  das 
gewis  ein  argument  gegen  die  echtheit  dieser  plusstropfaen« 

Nur  ganz  bestimmte  ana^  dgrifiiva  können  ako  in  fragen 
nach  echtheit  und  autorschaft  entscheiden,  sollen  sie  uns  bei  der 
Untersuchung  einer  solchen  frage  fördern,  so  müssen  wir  ihr 
vorkommen  hier  und  ihr  fehlen  dort  in  gröfseren  Zusammenhang 
stellen,  blofs  wenn  das  ana^  eiqiqftivov  einem  bestimmten,  in 
den  übrigen  unangezweifelten  partien  erkennbaren  stilprincip 
widerspricht  oder  einem  dort  fehlenden  stilprincip  allein  zukommt, 
oder  wenn  dem  &na^  elgi^fiivov  in  grofser  masse  die  conse- 
quente    durchführung    eines    Schemas    entgegensteht,    wenn   mit 

*  ebenso  fehlt  es  ia  Mor.  vGr.,  Klage,  gFrau  —  es  steht  MHeUnbr.635. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  69 

wort  das  einmalige  vorkommen  des  Wortes,  der  form,  des 
kein  einzelner  fall  bleibt,  sondern  die  durchbrechung  eines 
Systems  bedeutet,  den  dichter  aus  der  gruppe  von  Stilisten  und 
vcffsificaloren,  der  er  sonst  angehört,  in  eine  andre  gruppe  ver- 
wiese, oar  dann  wird  das  ana§  elQrjfiivov  geeignet  seio,  unsern 
^bnben  an  die  Zugehörigkeit  eines  handschrifllichen  plus  zum 
teKt,  eines  textes  zu  den  werken  eines  bekannten  dichters  usw. 
dauernd  zu  erschüttern. 

628,  5  (B  681,  1)  reimt  ir  zam  und  ouch  ir  schäm  auf  als 
an  da  gezam.  ich  habe  in  der  voranstehnden  nr  dieser  Studien 
ausgeführt,  dass  die  gedichte,  die  das  tonlose  e  nach  dem  m 
korier  Stammsilben  gaoz  spurlos  schwinden  lassen,  sodass  reime 
von  -a9i€  zu  -am^  von  -ime  zu  -m  usw.  des  Odern  erscheinen, 
sieh  streng  von  solchen  scheiden^  die  -ame^  -ime  noch  als  zwei- 
silbig mUen  und  die  worte  dieser  zweisilbigen  form  mit  den  ein- 
silbigen niemals  binden,  auch  dichter  (wie  zb.  Hartm.)  liefsen 
sich  namhaft  machen,  die  von  der  einen  Übung  in  bewustem 
fortschritt  in  spätem  werken  zu  der  andern  übergehn,  beweis 
genug,  dass  die  entscheidung  für  diesen  oder  jenen  gebrauch  zu 
den  principien  der  reimtechnik  mhd.  dichter  geborte,  wir  haben 
dort  s.  60  ferner  gesehen,  dass  sich  die  Nib.,  für  die  ich  aao.  den 
Strophenbestand  von  A  zu  gründe  legte,  zu  jenen  dichtwerken 
stellen,  welche  sam  und  abam  anceps,  dh.  ein-  und  zweisilbig, 
reimten,  die  subst.  (schäme  name  rame)  und  verba  (schäme)  aber 
nnr  zweisilbig,  hätten  die  Nib.  schäme  auf  -am  zugelassen,  so 
hätten  unausweichlich,  so  wie  etwa  in  der  Gudr.,  die  unreinen 
bindongen  -ome;  -am  über  die  reinen  -ame :  -ame  das  übergewicht 
behalten  müssen,  daher  halt  ich  es  für  im  höchsten  grade  be- 
zeichnend, dass  wir  in  den  wenigen  plusstrophen  von  B  eine  Strophe 
finden,  die  hierin  aus  dem  allgemeinen  Schema  der  Nib.  herausfällt, 
und  sehe  darin  ein  moment,  das  diese  und  mit  ihr  natürlich  auch 
ihre  Schwesterstrophen  im  höchsten  grad  verdächtig  macht,  auch 
die  Überarbeitung  C,  nebenbei  gesagt,  verrät  sich  ua.  dadurch  als 
spätere  mache,  dass  sie  661,  4  tool  gezam  auf  mit  grözen  eren 
dne  schäm  reimt;  dafür  in  AB  dd  si  der  tot  von  in  genam. 

583,  5  (B  631,  1)  lesen  wir  vrouwen  unde  man  (:  getan). 
das  ganze  Nib.  kennt  sonst  nur  wip  unde  man  (68,  2.  757,  4. 
1005,  2.  1319,  2.  1462,  3),  wip  oder  man  (1729,  3),  man  unde 
wip  (556,  3.  989,  3A.  2193,  4),  man^  wip  unde  kint  (989,  3  ß), 


70  ZWIERZINA 

von  wibe  und  ouch  von  man  (2270^  3),  von  wiben  und  von  mannen 
(1430,  2).  vrouwe  verbindet  sieb  ritter  :  Ritter  unde  vrouwen 
(1607,  2.  1610,  2.  2316,  2),  Die  ritter  zuo  den  vrouwen  (555,3). 
60  wie  es  Diemals  heifsl  ritter  unde  U)ip,  so  beifst  es  aucb  nie- 
mals vrouwen  unde  man.  hier  föllt  also  die  diction  von  +B 
abermals  aus  dem  ganzen  Schema  der  diction  der  Nib.  AB  heraus, 
das  wort  U)ip  galt,  bes.  im  plur.,  höfischer  Sprechweise  früh  als 
gemein  —  bereits  bei  Hartm.  scheint  eine  derartige  entwickiung 
angedeutet,  eine  ausdrucksweise  wie  die  der  ersten  zeile  des  Er. 
wäre  im  Iw.  unerhört,  und  Walth.  muss  ja  schon  für  das  wort 
eine  lanze  einlegen  — ,  sodass  sich  hier  die  art  und  weise  des 
dichters  der  plusstropben,  wenn  wir  von  einem  solchen  zu 
sprechen  berechtigt  sind,  als  die  jüngere,  von  höfischer  form  be- 
einflusste  manifestiert,  und  wider  weist  auch  C  eine  höfische 
abneigung  gegen  dieses  wort  auf,  wenn  würklich  aus  seiner  Um- 
arbeitung der  drei  ersten  fölle  des  Vorkommens  unserer  formel 
(68,2.  556,  3.  757,4)  auf  eine  solche  abneigung  geschlossen 
werden  darf.  bes.  der  zweite  fall  ist  charakteristisch,  hier  wird 
das  wip  durch  hinzusetzung  des  maget  unanstöfsig  gemacht :  nicht 
weiber  und  männer,  sondern  ehefrauen,  Jungfrauen  und  männer 
(556,  3  manic  man  unde  u>ip  B]  man  magt  unt  wip  C).  dass  C 
selbst  ein  paar  mal  in  ireimnöten  dieses  wip  und  man  einführt 
(zb.  36,4),  kann  bei  der  bekannten  inconsequenz  dieses  Über- 
arbeiters nicht  auffallen. 

394, 15  (B  414, 3)  beifst  es  Mit  guotem  gelmze  so  minnec- 
liehe  8tän.  schon  Bartsch  hat  aao.  gelmze  als  aTta^  elQtjfAivov 
qualificiert.  ich  möchte  nur  hinzusetzen,  dass  geldz  und  geUßze, 
statt  gebär^  gebmre^  gebwrde  bei  einer  grofsen  anzahl  von  dichtem 
niemals  vorkommt  und  durchaus  nicht  allgemein  mhd.  ist.  wir 
finden  es  nie  bei  Hartm.,  nie  bei  Wirnt,  nie  bei  Rud.^,  nie  im 
Parz.^  dagegen  ist  geldz  bei  Gotfr.  sehr  häufig  (Trist.  963.  2851. 
2737.  5001.  9997.  10997.  11091.  13635.  14995,  hier  auch  subst. 
inf.  geläzen  6025),  ein  willkommenes  synonymon  zu  gebdr  und 

'  Rad.  kennt,  wie  es  scheint,  aoch  kein  gebär,  gebmre^  gebärde^  son- 
dern gebraucht  nor  den  sobst.  inf.  gebären  (ib.  gGerh.  6071,  Bari.  360,  7) 
und  im  gGerh.  das  a^j.  gebcere  (2163.  49S7),  das  er  sich  wol  bei  Gotfr. 
auslieh. 

>  im  Wh.  dagegen  des  öftern  gMz :  33, 13.  142, 17.  224,  19.  249,  3. 
414,  5  and  in  den  Liedern  7,  33. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  71 

fAmrde.  auch  Konr.  vWürzb.  keaat  es,  am  häufigsten  aber  er- 
scbeinl  es,  wie  die  wbb.  ausweisen ,  ia  md.  quellen,  dorther 
borgt  es  wol  Uir«  vZatzikh.,  wenn  er  gdiBze  einmal  ^  v.  43  ganz 
zu  anfang  seines  gedichts  wagt,  wo  er  überhaupt  im  bann  der 
dictioD  rheinischer  Vorbilder  steht :  hier  auch  das  einzige  hlide  231 
und  das  einzige  duoc  273  des  Lanz.  es  ist  also  sehr  bemerkens- 
wert, dass  +B  ^^  <^CD  Nibelungentext  ein  solches,  in  AB  fehlendes 
fdmxe  einführt,    gehmrde  381,  4.  429,  3,  ungebcerde  2170,  3. 

392,  5  (B  409, 1)  reimen  die  beiden  ersten  zeilen  der  Strophe, 
sowie  ja  Öfter  im  Nib.,  scheinbar  klingend,  mtBren  :  wcBren.  aber 
es  ist  bekannt,  dass  im  Nib.  AB  diese  klingenden  schlQsse  erster 
endreimzeilen  mit  ausnähme  von  Uoten:  guotm  14,  1  nur  in  der 
zweiten  hälfte  des  gedichts  erscheinen  (s.  Lachmann  zu  1362,  1): 
1362,  1.  1449,  1.  1462,  1.  1467,  1.  1571,  1.  1653,  1.  1803, 1. 
1962,  1.  2132,  1.  2133,  1,  sowie  (s.  Lachmann  zu  1916,  1)  die 
dreisilbigen  Schlüsse  derselben  hier  bedeutend  häufiger  sind  als  im 
ersten  teil,  wir  werden  in  der  folgenden  nr  6  hören ,  dass  die 
eine  ausnähme  klingenden  und  die  ausnahmen  dreisilbigen  Schlusses 
im  ersten  teile  unter  einen  ganz  bestimmten  gesichtspunct  fallen, 
so  zwar  dass  mmrm :  tocBren  in  dieser  ersten  hälfte  tatsächlich 
ganz  vereinzelt  und  beispiellos  dastünde,  dazu  kommt,  dass  wir 
von  der  verliebe  des  Überarbeiters  C  (s..l30,  5.  720,  5.  1082,  5. 
25.33.  1654,1.  1848,9.  1939,9)  sowie  andrer  späterer  ver- 
lasser von  Nibelungenstrophen  für  diese  klingenden,  altertümeln- 
den  schlQsse  kenntnis  haben  (s.  Bartsch  Unters,  s.  8)  und  dass 
auch  in  mancher  andern  hinsieht  die  erste  und  die  zweite  hälfte 
ansers  Nib.  nach  form  und  stofiTbehandlung  auseinanderfallen. 
^B  reimt  auch  13, 1  in  jener  oft  besprochenen  stelle,  welche  in 
A  lautet  Ez  troumde  Kriemhilde  in  tugenden  der  si  pflac  (:  ma*- 
negen  tac),  Kriemhilde  mit  wilde,  vermehrt  also  die  beispiele  für 
zweisilbigen  reim  um  noch  ein  weiteres,  dass  hier  keiner  der 
gewis  zahlreichen  fehler  der  einzelhs.  A  vorligt,  fehler,  die  an 
so  vielen  stellen  die  la.  A  dem  gemeinen  text  gegenüber  ein  für 
alle  mal  discreditieren,  beweisen  Ik,  welche  an  unsrer  stelle,  wie 
so  oft  in  den  ersten  150  Strophen,  mit  A  zusammenstehn.  sonst 
könnte  der  klingende  reim  auf  Kriemhilde  unter  dieselbe  rubrik 
subsumiert  werden  wie  das  Uoten: guoten  der  folgenden  Strophe  und 
würde  eine  gültige  ausnähme  von   der  beschränkung  klingender 

1  sonst  gebtBre  3323.  7553,  sabst.  inf.  gebären  6593. 


72  ZWIERZiNA 

schlösse  auf  die  zweite  hälfle  des  gedichts  nicht  constatieren 
lasseD,  s.  darüber  unten  nr  6. 

Aber  mehr  bedeutung  als  allem  bisher  gegen  die  echtheit 
von  +ß  vorgebrachten,  mehr  auch  als  dem,  übrigens  nicht  zu 
unterschätzenden,  geswam  421,  5  (B  445,  1)  neben  in  A  allein 
üblichen  gestoam  (2017,  3.  20S6, 1^.  2087,  3.  2305,  2,  s.  BarUch 
Unters,  s.  180),  schreib  ich  folgendem  zu. 

Nirgend  findet  sich  im  Nib.  ein  einziger  verweis  des  dich* 
ters  auf  schon  vorher  erzähltes,  in  -f-B  531,6  (B  571, 1)  aber 
steht  als  ich  tu  kdn  geseiL 

Hier  fMli  der  stil  des  dichters  der  plusstrophen  und  der  des 
dichters  der  Nib.  und  seiner  quellen  am  deutlichsten  auseinander, 
denn  ich  halt  es  für  keinen  zufall,  auch  für  keine  persönliche 
geschmacksrichtung  des  dichters,  sondern  für  eine  aus  den  ge- 
gebenen Verhältnissen  heraus  entwickelte  Stileigentümlichkeit  dieses 
ältesten  unter  den  strophischen  mhd.  volksepen,  dass  wir  in  ihm  neben 
den  bekannten  zahlreichen  verweisen  auf  das,  was  später  :  sU,  sint 
und  sider  geschah,  keine  verweise  finden  auf  das,  was  früher  er- 
zählt wurde,  in  den  einzelnen  quellen  des  dichters,  in  den  alten 
liedern,  war  früher  eben  nichts  erzählt  .worden,  worauf  der 
Sänger  mit  einem  ah  ich  tu  hdn  geseit,  ah  ir  dd  habt  vemomen, 
als  tu  ist  vor  geseit  usw.  hätte  zurückweisen  können,  es  fehlte 
dort  aber  auch  der  bericht  über  die  weitern  Schicksale  der  beiden, 
und  der  Sänger  suchte  nur  mit  einem  da%  toart  im  sider  leit, 
die  betßeinten  ez  sii  usw.  auf  die  folgen  der  im  lied  erzählten 
ereignisse,  von  denen  das  publicum  in  seinem  vertrag  weiter 
nichts  mehr  zu  hören  bekam,  gleichsam  für  den  fehlenden  ab- 
schluss  eine  art  ersatz  schaffend,  hinzudeuten,  in  den  kunstepen, 
wo  anfiging  und  schluss  in  6inem  buche  stand,  hätten  diese  ver- 
weise auf  zukünlliges  nur  die  Spannung  verringert,  dagegen 
konnte  dort  der  dichter  sich  überall  auf  seinen  frühern  bericht 
berufen,  in  folge  dessen  finden  wir  in  den  einheitlichen  erzäh- 
lungeo,  sowol  denen  des  12  jhs.,  im  Roth.,  Rol.  und  Alex.,  als 
auch  in  den  romanen  des  13  jhs.,  bei  Hartm.,  Wolfr.  und  Gotfr., 

^  2086, 1  fährt  auch  der  andre  uberarbeiter  —  wir  sehen  ihn  immer 
in  den  spuren  des  ersten  —  guwarn  för  getwom  AB  ein  nnd  wechselt 
dann  in  IScherllcher  art  in  zwei  aufeinander  folgenden  Strophen  :  geswam  — 
vom  • . .  genowm  —  too/gebom.  das  klingt  wie  ein  klapphomvers  mitten 
in  Rodcgera  seeleDconflict. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  73 

?erwe»e   auf  früher  erzfihltes  sehr  oft,   verweise  auf  später  ge* 
schehenes  nur  sehen,    ich  habe,  Beobachtungen  s.  509,  die  bei* 
spide  fOr  rOckTerweisungen  bei  Hartm.  aufgezählt^,    sie  werden 
im  Iw.  xwar  aekener,  als  sie  im  Er.  und  Greg,  sind,  da  der  ge* 
waotere  dichter  ihrer  als  flickreime  nicht  mehr  bedarf,  sowie  sie 
auch  bei  Gotfr.  seltner  sind  als  bei  dem  jungen  Hartm.,  sie  yer* 
schwinden  aber  weder  aus  dem  Iw.  noch  aus  dem  Trist,  gänzlich. 
umd  die  Nib.,  die  flick-  und  fülWerse  doch  wahrhaftig  nicht  scheuten, 
mieden  diese  verweise  gewis  nicht  aus  dem  stilistischen  feingefühl 
Hartm.s  und  Gotfr.s  heraus,    sehen  wir  uns  doch  nur  diese  mannig- 
faJügkeil  an  bei  Wolfr.  (s.  Förster  s.  33),  bei  Hartm.  (s.  aao.)  und 
bei  Gotfr.  :  Von  dem  ich  her  gesaget  hän  Trist.  1967,  Äh  ich  hie  vor 
getaget  hdn  7183,  ...  ab  ich  gesaget  hän  2619,  .  ,  .  als  ich  tu  hdn 
gneü  3040.  9097. 9575,  Reht  als  ich  iu  i  seile  3467,  ...  als  ich 
tu  e  uiie  4243,  Ah  ich  iu  seile  an  dirre  stunt  17667,  ...  als  ick 
i  ku  7155,  .  ..als  ich  iezuo  las  16493.  16931.  17577.  18605, 
. .  .  van  dem  ich  nü  las  17421,  Als  ir  wol  habt  gehwrel  wie  4275, 
Ab  ir  ez  Mibe  habet  vemomen  10041,  ...  abir  habet  vemomen 
3377.  6037,    M  grife  wider,   da  ichz  liez  72351     und  oicbts, 
gar  nichts   dieser  art  im  Nib.I     ich  will  nicht  sagen,    dass  in 
ansenn   Nib.-text  oder   vielmehr   in  seinen  quellen  keine  ver- 
weisiiDgeD    auf  zukünftiges,    das   gleich   eintritt,    vorgekommen 
wären,    auf  dinge  also,  die  im  selben  lied  noch  erzählt  worden 
$ein  konnten,  auch  nicht,  dass  unter   den  quellen  nicht  genug 
aasgedehnte,  inhaltsreiche  lieder  gewesen  wären,  in  denen  der 
Singer  auch  einen  verweis  auf  erzähltes  hätte  einmal  für  ange- 
bracht halten  konoen;  ich  meine  nur,  dass  diese  beiden  parallel- 
erscbeinungen  :  zahlreiche  verweise  mit  sit,  sider  und  sint,  keine 
verweise  mit  i  und  da  vor  sich  in  folge  der  beschafifenheit  der 
einzellieder  von   den  Nibelungen,   die  dem  dichter  unsers  textes 
seinen  Stoff  geliefert  haben,  zu  einem  Ingrediens  des  ^Nibelungen- 
stils'  entwickelten,     und  weil  es  in    den  gedichten  dieses  Stoffes 
and  wol  auch  dieses  versmafses  stil  geworden  war,  auf  das  später 
geschehene  (weil  das  interesse  des  publicums  an   dem  fortgang 
oichi  im  selben  Vortrag  befriedigt  ward)  hinzudeuten,  und  ander- 
seits die  gangbaren  formein  für  berufungen  auf  vom  dichter  selbst 
froher  berichtetes  (weil  dieser  bericht  im  gleichen  Ifed  eben  nicht 

^  ich  trage  ooch  nach  Greg.  1693   Und  er  sagte  im  vil  gar,  AU  ich 
tu  S,  wa%  in  war. 


74  ZWIERZINA 

gegeben  war)  zu  entbehren,  so  mied  auch  der  dichter  des  ganzen 
Stoffes  dieses  nnd  verwendete  weiter  jenes,  obwol  er  mit  den 
Sängern  seiner  quellen  nicht  mehr  in  derselben  notlage  sich  befand, 
er  schrieb  also  bis  zu  einem  gewissen  grade  noch  getreu  den 
Stil  der  quellen,  sowie  er  ihr  versmafs  und  die  consequenzen 
dieses  versmafses  (s.  das  oben  s.  34  ff  Ober  pronomina  im  reim  ge- 
sagte) beibehalten  hat^. 

Berufungen  auf  sein  wissen  und  glauben,  auf  seine  quellen 
—  wenn  auch  nie^  wie  bekannt,  auf  eine  schrift  —  bringt  der 
Nib.-dichter  Öfter  an.  sie  sind  zwar  nicht  gerade  häufige  wider- 
strebten aber,  dem  stil  des  strophischen  gedichts  nicht,  weder 
dem  unsers  texies  noch  yermutlich  dem  der  supponierten  quellen 
unsers  textes. 

Wir  finden  a)  ab  ich  vemomen  hän  1447,  2 2,  daz  hdn  ich 
Sit  vemomen  197,  2,  Waz  dö  die  frouwen  tdten,  daz  ist  uns 
sider  geseit  382,  4,  so  mr  hcsren  sagen  371, 1.  662,  1.  767,  1^, 
Wir  hosren  sagen  tncsre  386 ,  2  ^ ,  des  ir  diu  meiste  menege  giht 
1082,  4,  ab  uns  daz  ist  geseit  265,  2.  416, 1.  1290, 1.  1815, 1  ^ 
man  hat  gesaget  daz  1003,  1,  daz  mac  man  Uhte  sagen  728, 4  ^» 
ich  u>il  u>ol  toizzen  daz  133,  3,  ...  te&  wil  wizzen  daz  347,  2, 
.  ..  daz  ist  wdr  659,  1,  daz  ist  altodr  137, 1.  1046, 1.  1082, 1. 
1327,  1.  1672,  1,  Daz  ist  an  den  triuwen  u>dr  1594,  4B  (in  A 
falsche  la.,  s.  Steinmeyer  Epitheta  s.  17  anm.  9). 

b)  der  dichter  hebt  die  grenzen  seines  Wissens,  seiner  Über- 
lieferung hervor  (im  zweiten  teil  des  gedichts  viel  häufiger  als 
im  ersten!)  :  Wie  si  nü  gefüeren,      daz  kan  ich  niht  gesagen 

*  es  scheint  mir  trotz  allem,  was  schon  zum  gegenstände  geschrieben 
wurde,  doch  geboten,  dass  man  sich  die  frage  noch  einmal  klar  vorlegt :  wo 
soll  der  dichter  anders  den  stoff  seiner  erzählung  mit  all  ihren  ungleicbmäfsig- 
keiten  und  widersprächen  gefunden  haben  als  in  einzel-  und  teilberichteo  ? 
und  doch  wol  poetischen  berichten?  woher  aber  kann  er  anders  die  Strophen- 
form  für  sein  wol  niemals  vorgesungenes  epos  genommen  haben  als  aus  der 
tradition?  dann  also  aus  liedern  gleichen  themas,  gleichen  Inhalts,  also  aus 
in  der  Nibelungenstrophe  gesungenen  Nibelungenliedern,  das  waren  zugleich 
seine  quellen,  deren  Wortlaut  aber  uns  auf  immer  verloren  bleibt. 

^  ebenso  in  directer  rede  handelnder  personen  :  als  ich  vemomen  hän 
1717,  3. 

3  in  rede  :  93,  1  (Hagens  bericht  Ober  Sigfrid). 

*  in  rede  :  Ich  hörte  ie  sagen  mare  1820,  3. 

^  in  rede  :  als  mir  usw.  89, 2  (Hagens  erzählung).  109, 1.  1952,2.  2192,3. 
®  als  ich  tu  sagen  kan  1433,  2A,  wol  falsche  la. 


JilTTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  75 

1039,  1.  1261,  1,  ...  des  ist  mir  nitu  bekant  293,  2,  . .  .  dist 
war  unbAant  652,  1.  1289,  1.  1551,  1,  Daz  kan  idi  niht  be- 
sAdden  1369,  1 ,  Wir  kunnen  niht  bescheiden,  wd  .  .  .  1567,  1, 
JbJk  enüran  tu  niht  bescheiden,  toaz  sider  .  .  .  2316, 1,  Wer  künde 
iax  beuheiden,  wie  sit  1322,  3,  daz  ist  mir  niht  gewizzen  1367, 4. 

c)  Der  dichter  bekräftigt,  dass  nie  etwas  grOfser,  schöner 
osw.  gewesen  wäre  :  Man  gehörte  nie  daz  wunder  von  guote 
mere  sagen  1065,  4,  Von  bezzerm  pirsgewcete  hört  ich  nie  ge- 
sogen 893,  1,  THamt  stunden  mire,  danne  ich  iu  kan  gesagen 
128,  2,  Waz  mac  ich  sagen  mere  .  .  .  2070, 1^;  Iu  enkunde  nie- 
wum  daz  umnder  volsagen  977,  1 ,  Ez  enkunde  ein  schriber  ge- 
briefm  noch  gesagen  Die  manegen  ungebcerde  2170,2,  Ob  ieman 
wwuAen  solde  der  künde  niht  gesagen  Daz  man  so  richer  clei- 
der  gesaehe  ie  me  getragen  780,  1.  —  dasselbe  vermutungsweise 
ausgedrClckt  :  M  wcene  nimmer  recke  deheiner  mir  getuot  So 
gröze  .  .  .  849,  2,  Ich  warn  man  von  deheinem  künege  mire  sage 
1307,  4,  Idi  wan  in  an  der  verte  nie  so  samfte  geschach  1600,  4, 
Si  w4Bn  so  manegen  man  . .  •  nie  ze  dienste  gewan  1305,4,  5t 
Wien  in  Niderlande  da  vor  nie  gesaz  1308,  1,  Im  wasn  vor 
ünem  töde  so  rehte  leide  nie  geschach  2235,  1^.  —  Ob  in  daz 
iemen  seite  daz  man  diende  baz  . .  .ich  wolte  niht  gelouben  daz 
560, 4,  vgl.  293,  3. 

d)  Der  dichter  fordert  die  hOrer  zur  aufmerksamkeit  auf: 
ir  suU  gelouben  daz  128,  3  ^  ir  sult  wizzen  daz  596,  2^,  Von  des 
geres  sware  hosret  wunder  sagen  419, 1,  Nu  hoeret  wunder  von 
der  Uehten  wate  sagen  354,  4,  Ir  muget  von  dem  horte  wunder 
hmren  sagen  1062, 1,  Hie  muget  ir  hceren  wunder     bi  ungefuoge 

'  öfter  in  rede  :  400, 1.  1585,  2.  1665,  2.  1668,  1. 

>  ähnliche  ansdrucke  des  vermutens,  die  aber  nicht  unter  unsern  ge- 
siclitspanct  fallen  :  Si  warn  ,..  dd  bt  geloube  ich  daz  1308,  2  (in  rede: 
ich  ttril  gelouben  daz  1213,  1.  560,  4),  Ich  warn  in  het  ir  herze  rehie 
das  geeeit  71,  2,  Ich  wem  in  sagt  daz  herze,  daz  in  dd  von  geschach 
362,  1,  Ich  wem  sin  herze  seite  daz  im  was  geschehen  957, 3,  Ich  wan 
ir  her%e  in  seite  diu  krefteclichen  leit  1649,  3;  Ich  wan  man  alle  zite 
in  eben  Kriemhilte  vant  1303,  4,  Ich  wan  ir  iegeKcher  zer  höchzü  ge^ 
wan  1314,  2,  Ich  wan  der  übel  vdlant  Kriemhilt  daz  geriet  1334,  1,  Er 
ween  an  ir  niht  anders  niuwan  laugen  vant  1 193 ,  4.  diese  wan  (auch 
in  rede:  1507,4.  1761,4.  1787,1.  1896,3.  2050,4)  gehören  zu  den  cha- 
rakteristischea  merkmalen  des  tons  der  volksepik. 

3  IQ  rede  :  1394,  3,  vgl.  auch  1477,  4. 

4  io  rede  :  1382,  2. 


76  ZWIERZINA 

tagen  1873 ,  1  ^  Nu  hcert  ouek  dmu  tncere  wie  Günther  gelac 
583 ,  2.  540 ,  1 ,  Von  grözer  ühermüete  muget  ir  hcßren  sagen 
944,  1.  1644,  2,  Ir  mnget  daz  hie  wol  hceren  daz  er  .  .  . 
2092^  4.  —  Dö  diu  kUneginne  Sifriden  sach  Nu  muget  ir  gerfle 
hceren    wie  diu  maget  sprach  398,  IB.  1661,  2 AB. 

e)  Der  dichter  kflodigt  an,  dass  er  etwas  zu  sagen  hat :  Ich 
sagiu  von  dem  degene,  wie  ...  21^  1^  Ich  sagiu,  wer  der  waere 
182,  1,  Wer  der  VoIkSr  wcere  daz  wil  ich  iuch  wizzen  län 
1417,  1,  Die  wil  ich  iu  nennen  139,  1^.  —  Man  möhie  michel 
wunder  von  Sivride  sagen  23,  2,  Von  der  höchzUe  man  wunder 
möhte  sagen  30,  1,  Von  geheize  und  auch  von  gäbe  man  möhte 
wunder  sagen  2067,  1. 

0  Praeieriiio :  Ich  sage  iu  nü  niht  mere,  wie  . .  .  583,  1, 
Die  boten  Uzen  rUen  wir  suln  iu  tuon  bdcant  1230,  1,  Alle  ir 
unmuoze  läzen  wir  nü  sin  Und  sagen  ...  721,  1,  Nu  läzen 
daz  bdiben,  wie  si  .  .  .  1446,  1,  In  solhen  unmuozen  sul  wir 
die  vrouwen  Idn  1595,  1^. 

Die  64  plusstropben  von  B  bieten  für  die  kategorien  von 
a)  c)  d)  belege,  die  qualitativ  unauffällig  sind,  quantitativ  jedoch 
etwas  über  4as  mafs  hinausgehn,  das  nach  der  durchschnittsziffer 
für  die  2304  Strophen  von  A  (str.  1 — 12  ist  nicht  einbezogen) 
in  den  plusstropben  zu  erwarten  wäre,  wir  finden  a)  sd  wir 
hceren  sagen  999,  5  (B  1059,  1),  als  uns  daz  ist  geseit  559 ,  7 
(B  605,  2);  c)  Ze  so  grözem  antphange,  des  wir  wol  mHgen  jehen. 
Wart  nie  . . .  540, 11  (B  583,  3),  Von  bezzer  recken  wate  künde 
niemen  niht  gesagen  359, 8  (B  370, 4),  Von  der  besten  siden  da 
von  iu  iemen  künde  sagen  531,8  (B571,4);  d)  Man  möhte 
michel  wunder    von  ir  rlcheüe  sagen  655,  8  (B  711,  4). 

Als  ich  iu  hän  geseit  aber  531,  6  (B  571,  2)  findet  seine 
Entsprechung  nicht  und  entscheidet  nach  dem  oben  dargelegten 
die  frage  nach  echtheit  oder  unechtheit  der  plusstropben  des  ge- 
meinen textes  zu  Ungunsten  dieses. 

Ich  habe  bereits  in  parenthesi  gesagt,  dass  ich  die  str.  1 — 12 
von  den  Zusammenstellungen  über  die  persönlichen  bemerkungen 
des  dichters  ausgeschlossen  habe,     ich  tat  dies,   weil  mir  diese 

^  in  rede  :  nü  hceret  wunder  sagen  90, 2  (Hageos  enahlung). 
'  in  rede  :  daz  wil  ich  iu  sagen  1792,  1.  391,  1. 
8  in  rede  :  1664, 1. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  77 

Strophen  unecht  zu  sein  scheinen,  uzw.,  wenn  man  ohne  ao- 
nähme  von  Interpolationen  im  text  A  nicht  auskommen  zu  können 
▼enneint^  späterer  zusatz  zu  dem  bereits  interpoUerteo  text. 

Der  durchaus  einheitliche  stil  und  reimgebrauch  des  liedes, 
dessen  gelinde  Schwankungen  niemals  mit  deo  als  interpoliert 
geltenden  stellen  zusammenfallen,  lässt  mir  Lachmanns  ausschei- 
dong  TOD  Interpolationen  aus  dem  texte  nicht  recht  glaublich  er* 
scheinen,  was  seit  Lachmann  in  gleicher  richtung  vorgebracht 
wurde,  überzeugt  mich  noch  weniger,  am  allerwenigsten  freilich 
die  Ssthetischen  zahlen  Fischers  (Zu  den  kunstformen  des  mittel- 
alteiiichen  epos  s.  83ff),  dessen  ausfOhrungen  Ober  das  Nib.  das 
dassischste  beispiel  eines  gelehrten  Zirkelschlusses  sind,  das  ich 
kenne  :  von  Kettner  zu  Kettner. 

Die  so  ungleich  und  sonderbar  Qberlieferten  eingangsstrophen 
des  Nib.  1 — 12  aber  halt  ich  fflr  eine  interpolalion  und  begreif 
es  gern,  dass  selbst  gelehrte,  die  auch  die  plusstrophen  von  C 
noch  als  echt  verteidigten,  dennoch  diese  zwölf  Strophen  preis- 
gegeben haben. 

Ich  will  in  diesem  zusammenhange  dem  vielen,  was  gegen 
die  Str.  1 — 12  bereits  vorgebracht  wurde,  nur  noch  weniges  hin- 
zufiQgen.  auch  hier  verrsrt  sich  der  interpolator  durch  eine  formel- 
hafte Verweisung  auf  schon  erzähltes  :  Die  dri  künege  wären,  ah 
i(^  gesagei  kän  8,  1.  der  dichter  wird  kaum  hier  in  den  ersten 
Strophen,  wo  er  fast  nichts  noch  erzählt  hat,  einmal  auf  früher 
erzähltes  verwiesen  haben  und  dann  im  wettern  verlauf  seines 
Werkes  sich  dieser  rflckverweisungen  enthalten  haben,  obwol  er 
dann  ja,  mitten  im  Stoff,  zu  anknüpfungen  an  den  frühem  he- 
richt  erst  recht  gelegenheit  und  anlass  gehabt  hätte,  fast  ebenso 
Tereinzelt  als  dieses  als  ich  gesaget  hdn  der  achten  strophe  steht 
auch  in  der  zehnten  5t  haen  tnanegen  recken.  Den  ich  genennen 
nihi  enkan.  man  wird  oben  sub  d)  vergeblich  nach  einer  ana- 
logie  zu  dieser  Wendung  suchen,  die  aufserhalb  der  Nib.  ja  ziem- 
lich häufig  ist  (s.  Keltner  Die  Ost  Nibelungendicbtung  s.  39, 
dazu  etwa  noch  En.  11769,  Herb.  3291.  4852.  8549.  12391, 
Trist.  5435,  Bari.  59,  38).  ich  merke  noch  an^  dass  solcher  per- 
sönlicher bemerkungen  des  dtchters  sich  in  den  Strophen  1 — 12 
noch  zwei  befinden  (1 ,  1  und  8,3),  im  ganzen  also  vier  der 
kategorien  a)  b)  c),  für  die  das  ganze  Nib.  nur  49  belege  bietet 

4,  3.  10,  1.  11,  3  steht  ganz  gleichmäfsig,   über  die  volle 


78  ZWIERZINA 

balbzeile  sich  erstreckend  uod  als  apposition  zum  namen  construiert: 
ein  Hz  enoeUer  degen,  nun  finden  wir  auch  sonst :  den  {iz  ertoelten 
degen  996,  3,  die  üz  erweiten  degne  969, 1.  1698, 4  —  3  mal  also 
sonst  im  Nib.  und  3 mal  in  den  zwölf  ersten  Strophen!  — ,  aber 
niemals  ist  hier  diese  Verbindung  als  apposition  zum  namen  ge- 
stellt ^  an  und  für  sich  steht  degen  im  Nib.  sehr  oft  als  appo- 
sition hinter  dem  namen  im  endreim,  viel  öfter  als  Aett  (2168,4), 
aus  leicht  begreiflichem  gründe,  aber  immer  nur  im  selben  halb- 
vers  mit  dem  namen,  ohne  attribut  mit  blofsem  artikel  :  wan  Ha- 
gene  der  degen  55,  1,  spra(A  Günther  der  degen  111,  1,  sprach 
Sifrü  der  degen  178,  1.  303,  1.  443,  1.  805,  1,  und  Ortwin  der 
degen  210,  3,  G^re  der  degen  710,  1,  Spradi  dö  Gire  der  degen 
714,  4,  Sifrit  der  degen  722,  2,  eam  tet  ouch  Giselher  der  degen 
2013,  4  usf.  noch  719,  1.  1998,  1.  915,  1.  1766, 1.  1960,  1. 
2018,  1.  1577,  2.  2284,  1.  1148,  1.  1947,  1.  1298,  3.  2200,  1. 
1405,  1.  1533,  3.  1557,  1.  1864,  3.  1874,  2.  1768,  1.  2031,  1. 
2109,  1.  2114,  1.  2118,  1.  2202,  1.  füllt  jedoch  (te^«i  4- attrib. 
in  der  apposition  den  zweiten  balbvers,  dann  heifst  es  immer: 
Günther,  der  vil  zierliche  degen  153,  4,  Volker,  der  vil  zier- 
liche degen  2166,  4,  Hagene,  der  vil  zierliche  degen  1137,  4. 
2286,  4  oder  Wolßart,  ein  tiurlieher  degen  1745,  3.  der  (oder 
der  vil)  zierliche  degen  steht  aufserdem  noch  189,  4.  288,  4. 
583,3.  1977,4.  2174,4  und  ebenso  den  tiurlichen  degen  619,  1. 
858,  3,  immer  die  halbzeile  füllend,  im  ganzen  12  mal.  nie  wird 
helt,  riter  oder  recke  (etwa  in  der  cäsur)  mit  diesem  epitheton 
versehen  2.  nun  ist  charakteristisch  und  weist  auf  die  spätere 
entstehung  dieses  eingangs  der  Nib.,  welcher  das  formelhafte 
Günther  usw.,   ein  zierlicher  degen  durch   ein  üiz  erweiter  degen 

^  der  degen  üzerweU  fehlt  ganz,  der  degen  üzerkom  1924,  1  ß 
{riter  A);  vil  manic  üz  erweiter  helt  1207,4,  Fon  üz  erweiten  recken 
448,  4;  die  ritter  üz  erkom  74,2.  819,3.  2086,2.  auch  zu  diesen  wenigen 
beispielen  ähnlicher  nator  fügt  str.  1  — 12  ein  weiteres  :  die  recken  üz  er- 
kom  5,  2.  nie  tritt  sonst  üz  erkom  als  epitheton  zu  recke,  —  den  drei 
oben  genannten  stellen  des  eingangs  vergleicht  sich  noch  am  genauesten 
1745,  1  Häwart  unde  Irinc     zw6n  üz  erweite  man, 

^  auch  einfach  ziere  1179,  4.  1740, 2  blofs  mit  degen  verbunden,  sonst 
nur  unsichere  belspiele  :  282,  4  den  zieren  helden  BC,  vil  maneget  heldes  A; 
1512,4  zieren  recken  AHd,  riehen  B;  752,4  zieren  recken  B,  riter  A; 
2036,  1  ziere  recken  A,  Binnen  recken  B ;  2268,  4  zieren  recken  A,  guoten 
recken  B. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  79 

3 mal  ersetzt,  dass  in  der  Überarbeitung  C  189,4  für  der  vil 
zierttthe  degm  in  B  steht  Sifrit,  der  As  ertoelie  degen,  2186,  4 
für  Hagenen^  den  vil  xierlichen  degen  in  B  :  Hagenen,  er  was 
em  üz  erweUer  degen  und  2174,  4  für  vil  manic  zierlicher  degen 
in  B  :  vil  manic  Hz  erweiter  degen^  schliefslich  noch  583,  3  der 
vil  mctre  degen  für  der  zierliche  degen  in  B.  auch  den  tiurlichen 
degen  ist  in  C  immer,  671,  1.  1745,  3  (str.  858  fehlt  C),  aus- 
gemerzt« 

Um   das  argument  für   die  unechtbeit  von  str.  1 — 12  noch 

besser  ins  licht  treten  zu  lassen,   mOcht   ich   darauf  hinweisen, 

dass  die  Verwendung  von  recke  hell  degen  riter  ^^  besonders  was 

die  Verbindung  dieser  appellativa  mit  schmückenden   beiwörtern 

betrifft,  in  den  Nib.  AB  (in  C  ist  alles  wider  verwirrt)  zt.  streng 

geregelt  isU     edele,  so  häufig  in  Verbindung   mit  riter   (32,3. 

441,1.  565,2.  584,2.  590,4.  779,1.  898,  1.  1157,4.  1237,3. 

1287,  3.  2083,  1.  2135,  4;  anrede  :  riter  edele  434,  2.  586,  1. 

1844,  2,  edel  riter  Hagene  1475,  2,  Edel  riter  küene  2230,  3,  ir 

tdeln  Hier  halt  910,  1),  recke  (314,  2.  344,  4.  399,  3.  666,  2. 

978,  3.  1113,  2.  1243,  4.  1308,  4.  1574,  1.  2181,  3)  und  knekt 

(1867,2.  2316,  3)  ^  ferner  bei  man,  herre,  fürste,  künec,  vrouwe, 

junevrouwe,  maget,  steht  nie  als  attribut  bei  helt  und  degen.   ferner 

stdit  edel  im  verein  mit  guot  nur  bei  riter,  nie  bei  helt  und  degen, 

auch  niemals  bei  recke  und  kneht :  den  edelen  riter  guot  1009,3, 

dk  edelen  riter  guot  usw.  1088,1.  1107,  3A.  1167,  3A  (recÄrenB, 

also  wol  falsch!).  1128,4.  1345,4.  1506,  1,  in  anrede  :  edel  riter 

guoi  291,3.  1667,3.  1922, 1,  vgl.  noch  der  riter  edelguot  598,2 

Lacbm.     dagegen  sagt  das  Nib.  vornehmlich  der  helt  küene  unde 

guoi  837 ,  4  B    (degen  A) ,    die  küenen  helde  guot  oder  die  helde 

küene   unde  guot  :  202,  4  A  {riter  B).  387,  4.  473,  4.  787,  4. 

1027,  4 B  (degen  A).  1355,4.  1741,4.  1786,4.  1956,4,   auch 

in  anrede  :  ir  helde  küene  unde  guot  1701,  4;  und  ebenso  recke 

845,  2B  {riter  A).  893,  3B  {degen  A).  1181,  4.  1521,  4.  2156,4. 

2219,  4.  2236,4;  viel  seltener  aber  steht  dieses  küene  unde  guot 

^  über  das  fehlen  von  w(gant  im  Nib.  s.  oben  s.  46  anm. 

*  zomeist  rtler  e£/e/0  (13  mal),  e^e/ ri7er  nor  6mal,  dagegen  fast  immer 

edel  recke  (9 mal),  nur  ^nmaJ  (1308,  4)  S6  tnanegen  recken  edelen.   warum? 

genaue  riier  nicht  fär  die  casar?     auch  in  den  sechs  beispielen   fär  edel 

riter  steht  riier  mit  ausnähme  von  33, 2  nie  in  der  cäsur  :  2 mal  folgt  noch 

ein  adjo  910,1  (baU).  2230,3  (küene),  Einmal  ein  name,  1475,2;  aufserdem 

edeler  riier  kint  779,  1.  1237,  3. 


80  ZWIERZINA 

bei  Hier  :  202,  4B  {helde  A).  229,  4.  845,  2A  (recke  B).  1697, 4 
oder  bei  degen,  übereiDStimmeDd  in  AB  nur  839, 4,  sonst  837,  4  A 
{helt  B).  1027,  4  A  :{heü  B).  891,  3  A  (recke  B).  —  siolz  iritl,  sei 
es  in  Verbindung  mit  postpositivem  gemeü  (2024,2),  sei  es  in 
Verbindung  mit  ebensolchem  ^or(890,l.  1154,2^  anrede  :  1471,1), 
nie  aber  alleio,  zu  riter,  seltener,  uzw.  immer  ohne  zweites,  post- 
positives attribut,  zu  recke  ^  (32,  2.  262,  3)  oder  heü  (63, 3),  nie 
zu  degen.  dieses  degen  verbindet  sich  auch  nur  selten  (einzige 
ausnähme  :  ein  degen  küene  und  gemeit  1612,  4,  I.  daher  wol 
1723,  4  die  zw^ne  recken  gemeit  mit  A  gegen  degen  gemeit  B)  mit 
gemeit  (helt  12 mal,  recke  11  mal,  riter  16 mall)  und  überhaupt 
nie  mit  lobelich  und  lobesam  (bei  heU,  recke,  riter  im  gaozen 
14 mall),  dass  die  Ursache  dieser  erscheinung  im  Stil,  nicht  etwa 
in  einer  relativen  Seltenheit  des  wertes  degen  zu  suchen  sei,  be- 
weist, dass  küene,  snel  und  hdU  mit  keinem  der  in  betracfat  ge- 
zogenen Substantive  so  oft  verbunden  werden  als  mit  degen^  und 
dass  aufser  zierlich  und  tiurlich  (s.  s.  78)  auch  höchgemuot  und 
Übermüete  (nie  jedoch  Stölzl)  nur  mit  degen  verbunden  erscheinen : 
35,4.  283,2.  1730,  4  2.  —  am  interessantesten  ist,  dass  mcere 
im  Nib.  als  epitheton  ausschliefslich  nur  von  heU  gebraucht  wird: 
375,2.  652,  2B.  1917,2.  1992,1.  2216,1.  man  könnte  bei 
der  verbältnismdfsig  geringen  zahl  der  belege  vielleicht  an  zufall 
denken,  das  verbietet  aber  der  mit  den  Nib.  übereinstimmende 
gebrauch  der  Klage,  hier  ist,  begünstigt  durch  die  mOglicbkeit 
klingenden  reims,  für  den  sich  dieses  adj.  so  vorzüglich  eignet, 
mcere  viel  häuGger  als  im  Nib.  es  steht  als  postpositives  attribut 
im  reim  :  207.  458.  713.  917.  1048.  1298.  1460.  1901.  1919. 
1930.  1949.  2010.  2133  und  immer  nur  bei  hek,  nie  bei  degen, 
recke,  riter  oder  wigant,  nur  zum  namen  eines  beiden  tritt  es 
ein  paarmal  direct  mit  dem  artikel  als  apposition  :  Imfrit  der 
mcere  188,  Swemmelin  der  mcere  1550  und  einmal  mit  kiknec: 
Etzel,  der  künec  mcere  1513.    mit  der  Klage  stimmt  Ulr.s  Lanz. 

^  der  dichter  konnte  nar  der  stolze  riter  guot,  die  stoUen  riter  ge- 
meit in  den  endreim  bringen.  fQr  die  cisar  aber  war  wol  Die  jungen 
stolzen  f^ter  oder  dgl.  nicht  so  geeignet,  wie  Die  jungen  stehen  recken 
32,  2.  262,  3  oder  Daz  aUö  stolze  helde  63,  3. 

*  in  den  ausföhrungen  ober  die  epitbeta  vo»  helt  degen  uaf.  habe  ich 
nueh  im  Nib.  des  örtern  bei  den  angaben  in  Bartschs  Specialwb.  beruhigt, 
das  sich  mir  meist  als  äofserst  zuverlässig  und  vollständig  bewahrt  hat. 
citiert  ist  natürlich  immer  nach  A. 


MITTELHOCHOEUTSCHE  STUDIEN  81 

ganz  geoau  fibereiD  :  mmre  wird  hier  zwar  in  luanoigfaUigerer 
weise  als  epilbetoo  verweiKlet  {daz  her  nuere  7023.  9138,  prUani 
wtmr€  8477,  KturüUl  dk  mteren  1265,  nach  flauster  4es  bekaonteo 
Mimu  dm  ttuare),  bei  personeo  aber  heifst  e&  nie  der  degen,  der 
redx  oder  der  riUer  nuere,  aucb  nie  der  masrt  wigant,  sondern 
nw  der  Mi  mare  33.  137.  429.  6637  (drei  der  vier  belege  gaoz 
zu  aolaiigl),  aüfi^rdem  Lmier  der  nuere  1677.  2223,  Lanxelfit  der 
mutre  5321  oiui  Anieem  den  künec  mwre  7151,  vgl.  auch  küMUC 
mare  6989  ^.  io  der  Gudr.  Bod  icb  zwar  eiomal  nacbgestellt 
der  de^en  nuere  660,  4^  aber  aufser  reim  uad  vor  dem  subst, 
veoD  icb  ftichts  Oberseben  babe,  nur  der  mcere  keü  guot  472,  2. 
867,  1. 

Wir  babeo  eben  gehört,  dass  Molz  als  epitbeton  hauptsäeh- 
lich  dem  rüer  zukooimt  damit  stimmte  es  übereio,  weno  wir 
Nib.  6,2  lesen  bn  dietide  von  ir  landen  vil  stolziu  riterschaft. 
aber  diese  siolziu  riterschaft,  wird  uns  durch  eine  andre  erwägung 
sofort  höchst  verdachtig  werden,  riterschaft  bedeutet  hier  *ge- 
samtheit  der  riiter*.  es  steht  in  dieser  bedeutung  neben  rüer- 
sAaft  Viiteriiches  tun'  sowie  gesMeschaft  'gesamtheit  der  gesdien' 
neben  geeelleaehaft  'geseJUges  treiben,  geselligkeit  usw.'  nun 
kommen  bei  den  meisten  dichtem  auch  würklich  beide  bedeu- 
taagen  des  wertes  nebeneinander  vor  :  bei  Wolfr.  und  Gotfr.  sind 
die  beispiele  so  dicht  gesüt,  dass  ich  sie  mir  sparen  darf,  auch 
ia  Harlm.s  Er.  und  Greg,  finden  wir  beiderlei  Verwendung  der 
Worte  :  riUerschaft  abstract  Er.  758.  1266.  2456.  2557.  6885, 
Grc^.  1468.  1495.  1615.  1822,  rittersehaft  concret  :  Dd  stuont 
a  mnd  diu  rittersehaft  Er.  1168,  Nu  lebte  disiu  rittersehaft  2404, 
M  beidenikalp  diu  rittersehaft  .  .  .  Zesamne  liezen  strichen  2606, 
Ditz  was  diu  junge  rittersehaft  1266  und  Des  herzogen  ritter- 
sehaft Greg.  1977.  im  Iw.  aber  findet  sich  das  wort  nur  als 
abstract  verwendet,  im  reim  :  2100.  2443.  3764.  7004.  7102. 
7256,  die  zahlreichen  beispiele  aufserhalb  des  reims  s.  in  Be- 
neckes  wb.  zum  Iw.'  s.  224  ^.    dass  dies  nicht  zufall  ist,  beweist 

^  aorserhalb  der  tradition  des  volksepoe  :  Wig.  nur  maget  mare  1746, 
bei  Hartm.  nur  Iw.  7741  (mit  bestimmter  slilabsicbt)  der  degen  mmre,  ebeoso 
Parz.  603,  5,  wo  übrigens  mare  auch  zu  knappe^  fürate  usf.  hinzugesetzt 
wird,  s.  ßeobacbUingen  s.  456. 

'  bler  wird  Zwdre  man  muase  in  Idn  Fon  riUerschefte  den  strtt, 
Sma%  ritter  lekU  b(  der  %Ü  7006  ff  ganz   mit  unrecht  zur  bedeutung  'die 
gesamten  ritter'  gestellt    Benecke  wurde  durch  den  vers  Swa%  ritter  lebte 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXIL  6 


82  ZWIERZINA 

das  correlate  verhalten  des  Iw.  in  bezug  auf  das  wort  geseUeschaft. 
im  Er.  finden  wir  neben  abstractem  geselleschaft  (zb.  9510)  auch 
das  concreium  durch  das  wort  ausgedrückt :  Erec  und  sin  geselle- 
sehaft  9779,  Noch  solch  sin  geulleschaft  2282,  Dar  kom  im  sin 
geselleschaft  2100^  Des  trärte  sin  geselleschaft  8890;  im  Iw.  aber 
bedeutet  geselleschaft  immer  nur  das  abstractum  :  83.2621.2704. 
2757.  5110.  5280.  5552.  —  das  wort  geselleschaft  kommt  im 
Nib.  nicht  vor,  um  so  häufiger  ist  riterschaft,  aber  stets  hat  es 
die  bedeutung  ^ritterliches  tun'.  Bartsch  verzeichnet  111,  4. 
260,  1.  580,  1.  757,  3.  1246,  3.  1315,  2.  1817,  3.  nur  6,  2 
steht  es  in  concreter  bedeutung.  da  wir  gesehen  haben,  dass 
diese  Verwendung  des  Wortes  von  Hartm.  mit  absieht  gemieden 
wird,  dürfen  wir  wol  schliefsen,  dass  sie  nicht  zum  allgemeinen 
sprachgut  gehörte  und  ihr  erscheinen  im  eingang  des  Nib.  wird 
uns  neben  dem  fehlen  derselben  in  den  2300  noch  folgenden 
Strophen  nicht  bedeutungslos  dünken. 

Noch  einmal  sieht  riterschaft  in  diesem  eingang  :  12,2,  hier 
in  Übereinstimmung  mit  dem  sonstigen  Sprachgebrauch  in  ab- 
stracter  bedeutung.  nun  aber  wider  in  syndese  mit  werdekeit 
(Von  ir  vil  höhen  toerdekeit  und  von  ir  riterschaft),  einem  ana^ 
elQTjfAivov  schlimmster  sorte,  das  unsern  verdacht  gegen  die 
echlheit  dieser  ersten  12  Strophen,  seitdem  wir  durch  Steinmeyer 
(Epitheta  s.  10)  über  das  auftreten  und  die  Verbreitung  von  wert 
in  mhd.  dichtungen  überhaupt  und  über  die  diesbezügliche 
Stellung  des  Nib.  im  besondern  unterrichtet  sind,  zu  verstärken 
besonders  geeignet  ist.  nicht  nur  toert  selbst  (s.  Steinmeyer 
aao.),  auch  wirde  und  werdedichen  stehn  sonst  nur  in  der  Über- 
arbeitung C,  s.  Bartsch  Wb.  s.  377.  380.  393.  werdekeit  gehört 
übrigens  ebenfalls  zu  den  Worten,  die  sich  Hartm.  im  Er.  ge- 
stattet, im  Iw.  aber  meidet,  s.  Beobachtungen  s.  499  anm.  3. 
schliefslich  möcht  ich  noch  auf  den  famosen  ersten  vers  dieser 
Strophe  aufmerksam  machen  Von  des  hoves  krefte  und  von 
ir  u>iten  kraftl  was  würde  man  sagen,  wenn  heute  einer  etwa 
^dichten'  würde  *Und  als  sie  sich  gerochen  Und  sich  so  arg  gerächt'? 

asw.  verfuhrt;  aber  die  vorangehuden  verse  Do  was  hie  kunst  unde  kraft: 
Si  mohlen  von  rittersehaft  Schuole  gehabet  hän,  Zwdre  usw.  hatten  ihu 
davor  bewahren  sollen,  auch  halt  ich  die  construction  bei  Beneckes  auf- 
fassung  für  unmöglich«  Bech  erklärt  die  stelle  in  Übereinstimmung  mit 
meiner  aulfassung. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  83 

Ich  habe  oben  eine  gewisse  übereiostimmuDg  des  stils  von 
Nib.  und  Klage  in  bezug  auf  die  Verwendung  des  epithetons  mcere 
coDstatieren  können,  einen  starken  gegensatz  auf  demselben  ge- 
biete hat  Steinineyer  aao.  in  bezug  auf  die  Verwendung  von  wert 
berrorgeboben.  Steinmeyer  führt  dort  die  mit  dem  gebrauch  der 
Nib.  coDtrastierende  bäufigkeit  des  attributiven  wert  in  Klage  und 
Gadr.  auf  einfluss  höfischen  stils  zurück,  darauf  könnten  wir 
alleofalls  auch  eine  weitere ,  ähnliche  discrepanz  zwischen  Nib. 
üod  Klage  zurückführen,  die  epitheta  gemeit  und  halt  gehören, 
dem  subst.  attributiv  nachgestellt,  zu  den  häufigsten  reim  Worten 
der  Nib.  in  der  Klage  ist  das  eine  auffallend  selten  und  fehlt 
das  andre  gänzlich. 

Wir  lesen  gemeit  im  reim  als  epitheton  zu  riter  Nib.  80, 2. 
118,  4.  i30,  2.  145,  4.  148,  4.  152,  2.  454,  2.  652,  4.  665,  4. 
804,4.  858,1.  1467,4.  1651,1.  1656,4.  1837,4.  2024,4, 
zu  heit  306,  2.  384, 1.  397,  4.  932,  4.  976,  2.  1036,  4.  1302,  2. 
1804,  4.  1807,  3.  1815,  1.  1952,  1.  2045,  1,  zu  recke  360,  2. 
663,  2.  842,  4.  939,  4.  973,  3.  1149,  2.  1688,  3.  1723,  4  B. 
1945,  4.  2003,  4.  2241,  4,  zu  degen  nur  1612,  4  (1723,  4  list 
^B  redce  für  degen  A),  zu  fürste  1856,  2,  zu  ingesinde  1282,  1. 
nur  ein  einziges  mal  wird  gemeit  als  nachgesteUtes  attribut  zum 
weiblichen  appellativ  gesetzt  1168,2  Diu  vrauwe  vil  gemeit ^^ 
wahrend  es  hier  bei  Wolfr.  zb.  (s.  Beobachtungen  s.  457,  Schilling 
De  Qsu  dicendi  Ulr.  de  Z.  s.  19)  ebenso  häufig  ist  als  in  Verbindung 
mit  männlichen  subst^  und  bei  Hartm.  (Büchl.1655,  Er.  12,  später 
nie  mehr)  attributiv  nur  zu  frouwe  und  juncvrouwe  coustruiert 
wird,  im  Lanz.  (s.  auch  Schilling  aao.)  finden  wir  wider  sowol 
(Hu  vrouwe  gemeit  85.  4318.  5993,  wauwen  gemeit  599.  1280, 
maneger  vrauwen  gemeit  3569,  sin  vriundtn  gemeit  4967  als  auch 
der  ritter  gemeit  2323,  manec  ritter  gemeit  3445,  Dirre  betschelier 
gemeit  2695,  manic  helt  gemeit  3107  \  der  Wig.  meidet  gemeit, 
our  Wig.  6384  steht  Dm  selbe  frouwe  ungemeit,  was  eine  bewust 

*  dazu  Doch  Nib.  566,  1  Swester  vil  gemeit  in  der  aosprache. 

*  dh.  im  Parz.,  nie  bekanntlich  im  Wb.  —  Beobach langen  s.  457  hab 
ich  aB.  1191  übersehen,  es  ist  z.  15  also  statt  aH. :  Gre^.  za  lesen. 

>  11  mal,  dazu  noch  pfert  gemeit  467  (sowie  gemeit  im  Er.  za  siege- 
reife  7668,  tatet  7698,  vürbüege  7732  prädictert  wird,  hierher  gehörte  bei 
richtiger  äberlieferon^  wol  aach  gereite  :  gemeite  8074),  darunter  nur  ein- 
mal (5993)  in  der  zweiten  hälfte  des  gedichts! 

6* 


84  ZWICRZINA 

vermiedene  formel  diu  frouwe  gemeit  voraussetzt  (s.  Beobachtungen 
s.  499  anm.  3);  9266  und  manic  rttter  gemeit  (vgl.  Parz.  30,  7) 
und  9635  ein  küneginne  gemeit  (vgl.  Parz.  81, 23)  stehn  direct  und 
lediglich  unter  Wolfr.s  einfluss  (s.  auch  J^nicke  De  dicendi  usu 
s.  9  0-  in  der  Klage  nun  findet  sich  blofs  175  Zwei  tAsent  riter 
gemeit  und  1854  Vil  manic  vrouwe  gemeit,  obwol  nachgesetzte 
epilheta  epischen  Stils  hier  so  häufig  sind  als  in  den  Nib. 

Postpositives  halt  (Er.  der  degen  halt  5498,  sonst  nie  bei 
Hartm.,  Parz.  der  degen  halt  26,6.  43,  7.  213,  3.  264,  20.  267,2. 
285,  10.  293,  6.  319,  13.  339,  15.  397,  25.  435,  3.  534,  11. 
601,  14.  747,  15.  820,  23,  nie  im  Wh.,  s.  Jänicke  s.  8^)  find 
ich  im  Nib.  in  Verbindung  mit  degen  44,4.  440,4.  872,4. 
1015,  1.  1176,  3;  recke  218,  2.  859,  1;  riter  379,  5.  869,  2. 
910, 1;  ßger  871,  2.    es  fehlt  in  der  Klage  durchaus  2. 

Nun  können  wir  aber  ftlr  das  vorkommen  von  halt  als  epi- 
theton  Omans  im  Nib.  ein  sonderbares  Verhältnis  der  Verteilung 
der  belege  Ober  das  gedieht  deutlich  constatieren.  halt  erscheint 
im  Nib.  11  mal,  aber  alle  11  belege  fallen  in  die  erste  hälfte  des 
gedichts,  der  letzte  ist  1176,  3.  während  also  bis  dahin  auf  je 
100  Strophen  etwa  tin  halt  kommt,  fehlt  halt  den  1140  noch 
folgenden  Strophen  gänzlich,  wir  kennen  halt  als  'unhofisches' 
wort,  wir  wissen^  dass  Wolfr.  es  im  Wh.,  Hartm.  im  Iw.  meidet 
—  darüber  gibt  es  keine  debatte  mehr  — ,  nachdem  es  diese 
dichter  in  altern  werken  zugelassen  haben,  Wolfr.  es  im  Parz. 
sogar  oft  und  anstandslos  gebraucht  hat.  ist  das  allmähliche  ver- 
schwinden von  halt  aus  den  reimen  der  Nib.  vom  selben  gesichts- 

^  im  Wigr.  nur  9825  f^dfen  über  den  helt  balt,  10318  d^m  fürsten 
ball^  wol  unter  etofloss  Wolframs,  doch  sagt  Wolfr.  nar  degen  baU,  nie 
Jtelt  oder  ftirste  balt  (aufser  degen  baU  überhaupt  nur  einmal  Junkfrouwen 
kiusche  unde  balt  Parz.  167,  12).  helt  balt  fehlt  auch  in  den  Nibelungen, 
und  degen  balt  ist  dort  die  gangbarste  Verbindung;  degen  balt  sagt  end- 
lich auch  Hartm.  an  der  einzigen  stelle,  wo  er  attributives  balt  in  den  reim 
setzt,  sehr  häufig  ist  dieses  balt  im  Lanz.  (Schilling  aao.  s.  20  übersieht 
sonderbarer  weise  14  von  den  19  belegen),  hier  aber  ist  helt  balt  die  ge- 
laufige Verbindung  301.  1361.  1595.  2267.  2297.  3463.  3579.  3889.  4235. 
6203.  7115.  7287.  8385.  8663,  neben  der  die  andern  :  degen  balt  2051.  5535, 
den  recken  aU6  balt  1951,  der  künee  balt  8059,  die  herren  ball  (welche 
Stilmischung!)  8317  verschwindend  selten  sind. 

«  in  der  Gudr.  degen  baU  411,  2,  helt  ball  945,  1,  reeke  balt  1142, 1, 
riter  balt  355,  1. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  85 

panct  ZQ  hetrachtefi?  dann  wäre  die  einheit  unsers  Nibelungen- 
gedichts  erwiesen,  dafür,  dass  eio  dichter  seine  concession  an 
den  höfischen  geschmack,  was  die  epilheta  anlangt,  auf  die  ver- 
meidang  fon  halt  einschränkt,  während  er  alle  andern  ^unhöfischen' 
adliecÜTB,  wie  nuere  ziere  snel  küene  gemeit  usw.  ganz  ohne  scheu 
beibehalt,  hätten  wir  im  notfall  an  dem  dichter  der  Klage  ein 
aaalogoD.  aber  fehlt  nicht  vielleicht  halt  unter  den  epithelis  in 
der  Klage  nur  deshalb,  weil  es,  in  der  zweiten  hälfte,  nicht  zum 
Stil  der  Nib.  gehörte?  ich  kann  mir  auch  eine  so  minimale  und 
einseitige,  künstliche  beschränkung  in  der  anwendung  un- 
höfischer  epitheta,  wie  sie  hier  in  Klage  und  Nib.  ii  vorläge, 
durchaus  nicht  vorstellen,  wenn  aber  die  Sachlage  nicht  so  auf- 
zulassen  ist,  dann  bleibt  keine  andre  erklärung  als  die,  dass  der 
dichter  das  halt  im  text  der  ersten  hälfle  seinen  quellen  verdankt, 
dass  er  es  aber,  sowie  etwa  der  dichter  der  Klage,  überhaupt 
nicht  in  seinem  eigenen  Wortschatz  besitzt  und  es  daher,  weil  es 
in  den  quellen  zum  zweiten  teil  seines  Werkes  sich  nicht  fand, 
in  diesem  zweiten  teil  zur  anwendung  zu  bringen  keine  ver- 
anlassung hatte,  das  heifst  also,  dass  die  vom  dichter  für  str.  1 
bis  ca.  1200  benutzten  volkstümlichen  einzellieder  degen  halt,  riter 
halt  usf.  in  ihrem  dialekt  oder  stil  oder  formelvorrat  führten, 
nicht  aber  die,  gewis  österreichischen,  von  1200  bis  scbluss  be- 
nutzten poetischen  Überlieferungen,  wir  sehen  ja  auch  sonst  den 
ersten  und  den  zweiten  teil  unsers  gedichts  nach  inhalt  und  form 
in  einer  weise  auseinanderfallen,  die  nur  in  einer  divergenz  der 
zu  gründe  liegenden  quellen  ihre  erklärung  finden  kann,  auf  ein 
formales  element  von  m.  e.  allergröster  bedeutung,  das  fehlen  der^ 
wie  wir  durch  die  vergleichung  der  Kürenbergerstrophe  wissen, 
sicher  altertümlichen  klingenden  Schlüsse  im  ersten  teile  des  ge- 
dichts, hab  ich  nach  Lachmanns  und  andrer  Vorgang  schon  oben 
$.71  hingewiesen,  all  das  setzt  also  voraus,  dass  der  dichter 
mehr  von  dem  Wortlaut,  dem  tone,  dem  formelschatz,  den  stil- 
und  Verseigentümlichkeiten  seiner  quellen  beibehalten  hat,  als 
man  sich  jetzt,  wo  Lachmanns  reconstructionsversuch  alter,  mehr 
oder  weniger  unversehrter  lieder,  wenn  ich  mich  nicht  teusche, 
allgemein  und  mit  recht  abgelehnt  wird,  vorzustellen  scheint,  die 
Vermeidung  gewisser  persönlicher  und  unpersönlicher  pronomina 
im  reim,  die  reste  grobdialektischer  fügungen,  wie  gegen  min  und 
wider  sin,  haben  uns  bereits  (s.  s.  47)  zu  demselben  scbluss  ge- 


86  ZWIERZINA 

drängt,    weiteres  material  zur  entscheiduog  dieser  frage  wird  die 
nächste  nummer  dieser  Studien  entrollen. 

Der  im  ganzen  gedieht  gleichmäfsige  sprach-  und  reimge- 
brauch hat  ja,  schon  bevor  Kettner  auch  die  gleichmäfsige  be- 
handlung  der  episoden  gleichen  Inhalts  so  erfolgreich  ins  treffen 
geführt  hat,  als  ein  hauptargument  gedient  gegen  Lachmanns  aus- 
schälung alter  einzellieder  aus  dem  überlieferten  text.  ich  kenne 
tatsächlich  nicht  zwei  gedichte^  und  stünden  sie  sich  zeitlich,  Ort- 
lich und  inhaltlich  auch  noch  so  nahe,  die  in  den  gewissen  bei 
den  mhd.  dichtem  wechselnden  einzelheiten  des  reimgebrauchs 
einander  so  ähneln  würden ,  wie  die  verschiedenen  Nibelungen- 
lieder Lachmanns,  nur  muss  man,  und  das  hat  Kettner,  wie  ja 
nun  schon  von  verschiedenen  selten  hervorgehoben  wurde,  zum 
schaden  seiner  forschung  verabsäumt,  dann  auch  die  consequenz 
ziehen  und  mit  der  annähme  von  interpolationen  im  texte  A 
brechen,  das,  was  sich  an  vereinzelten  discrepanzen  etwa  findet, 
trifft,  soweit  der  reimgebrauch  in  betracht  kommt,  niemals  inter- 
polierte, sondern  nach  Lachmanns  und  Kettners  ansieht  echte 
Strophen  ^ 

^  einzige  ausnähme  wäre  der  reim  gecleit,  part  prät.  von  cleiden: 
342,  3.  396,  1.  472,  1.  alle  drei  belege  fallen  in  Strophen,  die  Lachmann 
als  interpolationen  zweiter  Ordnung  aus  dem  vierten  Hede  ausgeschieden  hat. 
dass  der  gebrauch  und  nichtgebrauch  von  gecleit,  gespreit,  gebreit  usf.  bei 
den  einzelnen  mhd.  dichtem  streng  geregelt  war,  zeigt  Beobachtungen  s.  485. 
so  wie  Hartm.  im  Er.,  so  reimt  auch  im  Flore  gespreü  5953,  gecleit  5037. 
3466.  4617.  4921.  753t,  daneben  prät  bette  1343.  5645.  Ulr.  vZalz.  reimt 
becleit  7951.  8857.  8981,  getpreit  4153.  6083,  bereit,  part.  2695,  ich  habe 
mir  kein  ^eitet  oder  -eidet  notiert,  prät.  enbeiie  6129,  leite  7819.  Rudolf 
kennt  nur  bekleit  gGerh.  663.  739.  3463.  5883.  5941,  Bari.  6t,  1.  159,  17. 
113,  5.  299,  2.  375,  11.  401,  7  (meist  wol  bekleit)  und  hdt  bereit  Bari.  42,  3. 
46,  13,  ferner  find  ich  prät.  gespreite  4933  und  verleite  Bari.  227, 9.  auch 
Gotfr.  kennt  gekleit  4065.  10755.  11217.  13117,  jedoch  nur  gebreitet  4743, 
bereitet  4983,  geleitet  4743.  4983.  jedoch  im  prät.  bereite  2867.  4953.  4961, 
üz  reite  41 1.  ebenso  finden  wir  bei  Wirnt  nur  gekleit  265.  743.  857.  2233. 
2753.  2765. -4094.  4403.  4413.  5553.  5974.  6526.  9276.  9574.  10527,  kein 
gebreit  oder  geleite  daneben  aber  prät.  bereiten  :  arbeiten^  subst.  10S86, 
anders  kleiten,  prät.  von  kleiden :  bereiten,  prät.  von  bereiten  4063.  da- 
gegen steht  nun  der  Stricker  ganz  auf  Wolfr.s  (s.  Beob.  s.  485)  standpunct: 
gekleit  so  wol,  wie  gebeit  (das  wort  beiten  ist  bei  Stricker  sehr  beliebt), 
gebreit,  geleit  (von  leiten)  fehlen  durchaus,  die  part.  heifsen  gebreitet  GA. 
46, 177,  gebeitet  Am.  2199,  bereitet  Dan.  4655,  Am.  2199,  GA.  46,  177  usf. 
ferner  reimen  die  prät.  bereite,  leite  (von  leiten)^  bette  nur  untereinander 
(also  bereute,  leitte,  bellte)  s.  Dan.  2913.  3801.  7349.  7407,  Karl  727.  7205, 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  87 

Es  ist  nicht  meioe  absiebt,  das  gleicbmafs  io  wort-  und  reim- 
gebrauch  der  Nib.  hier  neuerdiogs  (obwol  neue  beleuchtung  oft 
recht  erspriefslich  wäre)  darzulegen,  ich  will  im  gegenteil  auf 
einige  Schwankungen  des  gebrauchs  aufmerksam  machen,  ab- 
weicbuDgen  vom  grundschema,  die  mir  manchmal  wider  deutlich 
auf  Terschiedenen  reimgebrauch  der  quellen  zu  weisen  scheinen, 
besonders  wo  sie  eng  beisammen  stehn. 

Dass  die  mhd.  dichter  sich  in  bezug  auf  den  gebrauch  von 
kam  oder  kotn  streng  von  einander  scheiden^  wurde  Beobachtungeu 
s.  500r  im  anschluss  an  Schröder  (Kaiserchron.  s.  53)  ausgeführt. 
Schröder  hat  bereits  hervorgehoben,  dass  die  Gudr.  nur  kom  kennt 
und  daher  das  prät.  von  komen  niemals  in  den  reim  setzt,  auch 
den  Nib.  ist  kam  fremd,  das  gedieht  zeigt  nach  Pressel  s.  4 
34  reimpaare  des  typus  -am.  dazu  käme  noch  dan:gezam  1226,1, 
wahrend  die  reime  von  schäm :  aham  abzurechnen  wären  :  also 
29  paare,  von  diesen  29  ist  nur  ^ins  mit  dem  reimwort  kam 
gebildet  :  1465,  3.  die  prät.  nam,  vernam  usf.  stehn  23  mal,  zam, 
gesam  22  mal  im  reim,  und  nur  Einmal  kaml  im  Er.,  der  we- 
niger stumpfe  reime  hat  als  die  Nib.,  stehn  24  reimpaare  auf 
-am,  die  ohne  kam  gebildet  sind,  56  reimpaaren  mit  kam  gegen- 
Qberl  dass  ein  dichter  den  litterarischen  reim  seiner  bequemheit 
wegeo  einmal  sich  gestattet,  kann  ja  vorkommen  und  kam  vor, 
zb.  bei  Wolfr.  (s.  Schröder  aao.)  und  Reinbot  (kam  nur  2193. 
5735,  kämen  nie),  die  dichter  der  Gudr.,  des  Ortn.  und  Wolfd.A, 
der  Rabenschl.,  ferner  Pleier  (wenigstens  im  Meleranz)  behelfen 
sich  freilich  ohne  kam^.    aber  wenn  wir  nun  sehen,  dass  dem  kam 

Habo  IV  99,  niemals  auf  -eile,  auch  nicht  auf  die  praesentia  betten,  bereiten^ 
leiten,  die  von  den  präteritalformen  streng  geschieden  bleiben  (s.  Dan.  4771, 
Karl  4623.  5803.  8691,  Am.  1787.  1901). 

*  auch  die  Klage  kennt  kein  kam.  Lachmann,  sowie  Bartsch  und 
Edzardi,  schreiben  zwar  1732  kam  {:nam),  aber  die  stelle  ist  sieber  nach 
2149  io  beffan :  nam  zu  ändern,  mit  einer  unreinen  bindung  von  n :  m,  wie 
sie  bei  klingendem  schiuss  Kl.  709,  bei  stumpfem  Nib.  1226,  1  (ebenfalls 
vereinzelt!)  und  öfter  in  der  Gudr.  (49,  1.  218,  1.  856,  1.  894, 1)  vorkommt. 
KL  1732f  lautet  :  ff^ie  e&  sich  huop  und  wie  ez  kam  Und  wie  ez  allez 
ende  nam,  und  Kl.  2149,  wo  der  richtige  reim  die  richtige  la.  geschützt 
hat :  ff^ie  ez  sich  huop  und  ouch  began  Und  wie  ez  ende  gewan.  sollte 
1732  kam  nicht  nur  von  den  Schreibern,  die  den  reinen  reim  suchten  (ist 
vielleicht  gar  auch  gewan  2149  falsch?),  eingesetzt  worden  sein,  so  muste 
das  prät.  öfter  im  reim  erscheinen  als  dieses  eine  mal.  es  reimen  nam, 
genam,  vernam,  zam  adj.,  zam  prät.,  ge%am,  gram  adj.  Kl.  33.  60.  352. 


88  ZWiERZINA 

1465,3  ein  1(dnien:nämen  1571«  1  auf  dem  fufse  foIgtS  so  gibt 
dies  doch  zu  denkeD.  kämm  und  kam  stehn  in  nach  Lachmann 
echten  Strophen,  bei<te  im  14  liede  Lathmaons,  also  in  jener  partie 
des  gedichts^  die  wie  keine  zweite  sich  geschlossen  aus  ihrer  Um- 
gebung heraushebt,  und  die,  wie  die  vergleichung  mit  der  Thld- 
rekssaga  lehrt,  deutlicher  als  jede  andre  altes  sagendetail  er- 
halten hat.  kämen  muss  unter  den  wenigen  zweisilbigen  reimen 
neben  dem  fehlen  von  kam  noch  ganz  besonders  auffallen. 

In  diesem  14  liede  (ich  will  damit  nicht  sagen,  dass  Lacb- 
manns  *lied'  würklich  unverändert  das  alte  lied  ist)  finden  wir 
ferner  ein  im  Nib.  vereinzeltes  ir  hvrt  1578,2;  heU  zen  handen 
steht  1524,  2.  1543,  4.  1553,  3  (diese  drei  Strophen  wurden  von 
Lachmann  als  interpoliert  ausgeschieden!)  und  1458,1  (echt  nach 
Lachmann!)  im  .14  liede.  aufserdem  nur  noch  1728, 3.  1905,  4.—^ 
In  was  zeinander  ger,  die  zb.  bei'Hartm.  so  beliebte  formel,  find 
ich  nur  1548,  2,  und  im  14  liede  finden  wir  auch  das  ähnliche 
dö  was  in  dannen  gäch  1474,  2,  jd  ist  iu  gar  ze  gäch  1485,  2, 
dar  zuo  wart  im  gäch  1516,  1,  den  was  ein  teil  ze  gäch  1538,2, 
Dem  Hute  was  so  gäch  1541,  1 ,  Den  was  allen  ze  gäch  1556,  4 
nicht  weniger  als  6 mal,  während  es  im  ganzen  übrigen  gedieht 
nur  noch  einmal  (404,  1)  vorkommt,  nach  Lachmann  wären 
1474,  2  und  1485,  2  echt,  1516,  1  und  die  andern  aber  unecht! 

duo  :  fruo  reimt  zuerst  1757,3,  dann  sofort  wider  1768r  3. 
sonst  nie,  jedoch  sehr  oft  dö  :  frö.  so  fehlt  unter  den  reimworten 
des  Nib. 

In  von  Lachmann  ausgeschiedenen  Strophen  des  vierten 
liedes'  lesen  wir  :  swarz  alsam  ein  kol  356,  3,  rabenswarz  386,  3, 
wiz  also  der  snS  353 ,  1 ,  noch  wizer  danne  sne  477 ,  4 ,  in  sne- 
wizer  wcete  380,  2^  sneblanc  384,  2,  grüene  so  der  kle  353,  2. 

996.  loa?.  1174.  1215.  1269.  2074.  2141.  —  kämen  erscheint  in  den  reimen 
der  Klage  öfter  :  288.  1436.  1770.  2089.  aber  kämen  wird  auch  Ton  andern 
dichtem  anders  behandelt  als  Aram,  s.  über  Wolfr.  Beobachtungen  s.  467,  s. 
ferner  DFL,  wo  kam  fehlt,  kom  3325  zu  ein  om  reimt,  aber  doch  kämen 
737.  3681,  kisme  832.  4973.  5877,  kismen  803.  —  meine  conjectur  zu  Kl. 
1732  soll  natOrlich  nicht  Bartschs  und  Edzardis  reconstructionen  von  asso- 
nanzen  gutheifsen.  hier  ligt  Ja  eine  änderung  des  einheitlichen  archetypus 
war,  ferne  lag  es  mir,  aus  abweichenden  laa.  Ton  B  und  G  mit  Bartsch 
assonanzen  zu  combinieren,  da  man  wol  für  die  Klage  wie  för  die  Nib.  wird 
daran  festhalten  müssen,  dass  '"G  aus  '"B  hervorgeht. 

^  die  zweisilbig  klingenden  reime  der  Nib.  sind  durchweg  rein. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  8^ 

darcbaiw  &ra$  ei^fiival  in  ^ioe  reihe  damit  (wenn  auch 
1721,  3  eme  parallele  bietet)  gehört  aber  doch  grUene  als  ein  gras. 
388,  3,  im  selbeo  vierten  lied,  aber  in  einer  echten  Strophe 
Lacbmaons.  —  merktt  rehte,  fueret  usf.  am  anfang  directer  rede 
find  ich  iin  Nib.  nur  im  vierten  lied^,  da  aber  4  mal :  nu  merket 
wa%  ich  sage  349, 1,  frouwe,  merket  rekle  waz  ich  tu  sage  351, 1, 
wut  wurke  rekte,  %oaz  iA  mich  hcerest  sagen  429,  2,  nu  hosret 
wm%  ttk  sage  496,2.  es  werden  also  wo)  kaum  str.  349  und  351 
interpoliert,  429  echt  und  496  alte  Fortsetzung  seini 

Einige  reimfreibeiten,  wenn  man  das  so  nennen  darf,  ßnden 
sieh  nur  im  zweiten  teil,  duo :  fruo  wurde  erwähnt,  ebenso  c:ch 
nar  1674,  1.  2147,  3,  -aht :  -dht  nur  1390,  1.  1598,  3.  ferner: 
wU  1735,  2,  wtegewant  1535,  3.  2254,  3;  sä  881,  4.  1484,  4BC 
(<M  AI),  fdn  891,2,  dann:  1614,  lA.  1824,1.  1901,  lA.  2021,1. 

6.    DI£  EIGENNAMEN  IN  DEN  REIMEN  DER  NIBELUNGEN. 

Eis  wurde  schon  oben  s.  71  auf  Lachmanns  beobachtungen 
zu  Nib.  1362,  3  und  1916,  1  hingewiesen,  danach  nimmt  die 
zahl  sowol  der  zweisilbigen  als  der  dreisilbigen  scheinbar  klingen- 
den schlösse  erster  reimzeilen  in  der  zweiten  hälfte  des  ge- 
dichts,  nach  Lachmanns  anschauung  also  in  den  liedern  xti — xx 
(slr.  1274 — 2316  A),  unverhältnismäfsig  zu.  der  einzige  zweisilbige 
schluss  in  den  1273  Strophen  der  ersten  hälfte  ist  nach  dem 
strophenbestand  von  A  der  reim  Voten :  guoten  14, 1,  dem  in  den 
1042  Strophen  der  zweiten  zehn  gegenUberstehu.  ebenso  finden 
sich  ao  dreisilbigen  Schlüssen  in  der  ersten  gröfsern  hälfte  9,  in 
düT  zweiten  kleinern  44.  alle  9  reime  der  ersten  hälfte  betreffen 
den  namen  Hagene  {:degene  84, 1.  386, 1.  810, 1.  813, 1.  1123,  1. 
1129,  1.  1143,  1,  :jagene  873,  1,  :  tragene  330,  1),  erst  in  der 
zweiteo  h<ilfte  finden  sich  unter  den  dreisilbigen  reimen  neben 
den  zahlreichen  bindungen  mit  Hagene  auch  solche  ohne  den 
eigeDDameo,  uzw.  degene :  engegene  1784,  1,  :  zegegene  1811,1. 
diese  letztgenannten  entsprechen  also  durchaus  den  bis  auf  die 
6ine  ausnähme  in  ihrem  vorkommen  auf  die  zweite  gedichtshälfte 
beschränkten  Zeilenschlüssen,  wie  sande:  lande  1362, 1,  verborgen: 
sorgen  1467,  1,  slüege :  trüege  1962,  1  usf.,  mit  denen  sie  auch 
das  gemeinsam  haben,  dass  sie  rein  sind  (denn  -^ge-  und  -ige- 
reimen  im  Nih.  allerwärts),   während   die  bindungen   mit  Hagene 

*  jedoch  586,  3  ligt  andre  firbuo^  und  andre  construction  vor. 


90  ZWIERZINA 

viel  häufiger  uorein  sind  (33  mal  :degene,  2  mal  :gademe,  Imal 
:fnenege^  also  36  mal)  als  reio  (7  mal  :tragene,  5  mal  :sagene  und 
je  Einmal  :dagene,  erslagme,  jagene,  also  15  mal). 

Unter  diesen  umständen  ist  es  bemerkenswert,  dass  auch  der 
einzige  zweisilbige  reim  in  slr.  1 —  ca.  1273  einen  namen  trifft, 
dass  14, 1  Voten  mit  guoten  gebunden  ist  und  diese  bindang,  auch 
eine  typische,  im  zweiten  teile  (Uote  :  guote  1449^1)  widerkehrL 

Die  unreinen  reime  von  degene,  gademe,  menege  auf  Hagene 
können  unmöglich  im  13  jh.  vom  dichter  unsers  Nibelungentextes 
neu  eingeführt  worden  sein,  da  dieser  dichter  sonst  überall  so 
rein  reimt  wie  die  höfischen  epiker,  viel  reiner  etwa  als  Wolfr. 
es  iigt  hier  also  eine  tradition  vor,  uzw.  eine  tradition,  welche 
auf  eine  reimtechnik  zurückweist,  wie  sie  tatsächlich  nur  in  den 
gedichten  des  12  jhs.  in  erscheinung  tritt  und  im  13  jh.  nur 
roherem  volksgeschmack  eignen  könnte,  diese  unreinen,  also 
altertümlichen  oder  wenigstens  volksmäfsigen  bindungen  be- 
schränken sich  auf  reime  zum  namen  Hagene,  andre  dreisilbige 
reime  sind,  wie  gesagt,  rein,  ebenso  sind  nun  die  zweisilbigen 
wie  die  dreisilbigen  scheinbar  klingenden  Schlüsse  der  Lachmann- 
sehen  lieder  i — xi  blofs  auf  die  reime  mit  namen,  mit  Hagene 
und  Uote,  beschränkt,  beiderlei  bindungen  Hagene :  degene  (Kl. 
544.  1508),  resp.  : gademe  (Kl.  589,  auch  710?,  s.  Edzardi  s.  23) 
usf.  und  Uote :  guote  (Kl.  14.  1315.  1638;  nicht  zu  subst.  Auore, 
dat.  muote,  bluote,  prät.  hüote,  hluote,  wuote  usf.!)  sind  formein, 
die  nach  dem  beispiel  des  sie  öfter  verwendenden  Nib.-dichters 
auch  in  den  spätem  volksepen^  Kl.  und  Bit.  zb.,  traditionell 
bleiben,  obwol  die  unreinen  reime  auf  Hagene  auch  hier  mit  der 
sonstigen  übung  der  gedichte  nicht  im  einklang  stehn. 

Wir  nfiüssen  also  schliefsen  :  1)  es  gab  bereits  vor  unsrer 
Nibelungendichtung  ältere  gereimte  gedichte  desselben  inhalts,  und 
in  den  reimen  waren  hier  die  namen  gewisser  beiden  bereits  in 
bestimmter,  formelhafter  weise  gebunden,  diese  gedichte  reimten, 
zum  mindesten  in  den  dreisilbigen  bindungen  mit  kurzer  Stamm- 
silbe, noch  äufserst  unrein,  aber  sie  hatten  bereits  ihre  reim- 
formeln,  ihre  feste  tradition,  ihren  stil.  2)  der  dichter  unsrer 
Nib.  fand  diese  tradition  vor  und  er  schloss  sich  ihr  an.  er 
übernahm  gewisse  formelhafte  bindungen,  von  denen  er  sich 
^onst  in  seiner  modernen  und  höfischen  bearbeitung  des  Stoffes 
freigehalten  hatte,  aus  dieser  tradition.    uzw.  sind  dies  nicht  nur 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  91 

die  unreineo  bindungen  mit  Hagene,  sondern  auch  die  reinen 
binduDgen  oait  diesem  namen  und  die  von  Uote  mit  guote,  welche 
reime  auf  persooennamen  im  ersten  teil  des  Nib.  unter  den  reimen, 
die  nicht  mit  personennamen  gebildet  sind,  ebenfalls  keine  paral- 
lele ihrer  eigenart  haben,  dann  wären  aber  3)  die  zweisilbigen 
und  dreisilbigen  klingenden  Schlüsse,  in  denen  das  endungs  -e  des 
reioeo  klingenden  reims  an  die  stelle  des  stumpfen  trilt,  über- 
haupt eioe  altertflmlichkeit ,  in  der  sich  der  dichter  älterer  tra- 
diüon  anschloss.  dies  wird  erwiesen  durch  die  beschränkung 
dieser  klingenden  reime  erster  verszeilen  auf  traditionelle  bin- 
dungen mit  namen,  eine  beschränkung,  die  in  der  ersten  hälfte 
der  Nib.  offen  am  tage  ligt  und  die  parallel  läuft  der  im  ganzen 
gedieht  wahrnehmbaren  beschränkung  gewisser  unreiner,  älterer 
technik  entnommener  reime  auf  gleichartig  traditionelle  bindungen 
mit  namen.  dass  hier  eine  alte  tradition  über  den  bau  der  Nib.- 
strophe  vorligt,  geht  ja  auch,  wie  schon  lange  erkannt  ist,  aus 
der  beobacbtung  hervor,  dass  diese  scheinbar  klingenden  Schlüsse 
immer  nur  in  den  ersten  beiden  Strophenzeilen  erscheinen,  dass 
dieser  gebrauch  des  Nib.  mit  dem  gebrauch  der  Kürenbergerlieder 
abereinstimmt  und  dass  schliefslich  das  vicariat  von  stumpf  rei- 
mender Stammsilbe  und  stumpf  reimender  endsilbe  ein  veralteter, 
im  13  jh.  kaum  selbständig  eingeführter  gebrauch  ist.  nur  hatte 
die  manier  des  Qberarbeiters  von  *C  und  teilweise  auch  des  von 
*B  (s.  oben  s.  71),  in  ihren  plusstrophen  derartige,  altertümelnde 
Schlüsse  anzubringen,  den  Sachverhalt  wider  getrübt  aber  wir 
müssen  jetzt  auch  4)  daran  festhalten,  dass  die  quellen  des  Nib.- 
dichters  in  derselben  Nib.  -  Strophe  verfasst  waren,  die  auch  er 
zur  anwendung  bringt,  denn  wollen  wir  es  der  tradition  zu- 
(treiben,  dass  die  sonst  in  der  ersten  hälfte  des  Nib.  unstatt- 
haften klingenden  Schlüsse  erster  Strophenzeilen  dadurch  weniger 
anstofsig  wurden,  dass  sie  formelhafte  reimbindung  von  namen 
waren^  so  müssen  doch  diese  formelhaften  bindungen  von  namen 
in  den  quellen,  aus  denen  sie  als  sonst  überwundene,  den  un- 
reinen reimen  congruenle  altertümlichkeit  übernommen  worden 
sein  sollen,  in  genau  derselben  Stellung  und  Verwendung  eben 
da  gewesen  sein«  dem  dichter  genau  so  und  genau  dort  vorgelegen 
haben,  darnach  gab  es  also  schon  vor  unserm  Nib.-lied  Strophen 
derselben  form,  in  denen  Uote  auf  guote,  Hagene  auf  sagene  de- 
gene  usf.  in  den  ersten  endreimzeilen  gereimt  waren,  deren  inhalt 


92  ZWIERZINA 

also  der  Stoff  der  Nibelungen  war.  und  endlich  ist  es  wahr- 
scheinlich« dass  das  bäufigwerden  der  zwei-  und  dreisilbigen 
Schlüsse  in  den  Strophen  der  zweiten  hälfte  des  gedichts  einen 
näheren  anschluss  an  die  form  der  quellen  bedeutet,  der  vielleicht 
mit  einem  näheren  anschluss  an  den  inhalt  derselben  band  in 
band  geht. 

Ich  möchte  noch  hervorbeben,  dass  meine  auffassung  der 
besprochenen  erscheinung  von  der  durch  Bartsch  Unters,  s.  8  ff 
vorgetragenen  weit  absteht,  dagegen  sich  mit  der  Pauls  (Beilr.  1, 
432  0  näher  berührt.  Paul  will  ja  doch  in  bezug  auf  die  unreinen 
reime  zu  Hagene  berücksichtigt  wissen,  dass  ^bei  eigennamen  die 
alte  tradition  festgehalten  wird'  und  dass  möglicherweise  'der  ur- 
sprüngliche dichter  nach  dem  muster  seiner  quellen,  der  Volks- 
lieder, sich  dazu  [zu  diesen  unreinen  reimen]  berecbligt  glaubte'. 

Mit  den  bindungen  zu  Hagene  und  Uaie  sind  aber  die  im 
Nib.  noch  erkennbaren  alterlümlichkeiten  in  der  Verwendung  von 
eigennamen  im  reime  noch  nicht  erschöpft,  mit  unrecht  hat 
Bartsch  Unters,  s.  tO  und  181  den  reim  Gemöt :  tuot  2033,  1 
und  das  zweimalige  dö :  fruo  (1757,  3.  1768,  3,  s.  oben  s.  88) 
auf  eine  gemeinsame  formel  bringen  wollen,  dö  :  fruo,  dem  kein 
s4  :  fruo  oder  frö  :  zuo  gegenübersteht^  beweist  ebensowenig  wie 
etwa  ein  zumo  :  tuo  für  eine  unreine  altertümliche  bindung  von 
ö,  altem  au  :  uo.  duo  reimt  auch  in  der  Klage  (332.  1199.  1923. 
2004),  Gudr.  (827,1),  bei  Uk.vLichtenst. ,  dem  Pleier,  in  der 
Steir.  reimchron.,  endlich  auch  bei  Boner  (s.  Weinhold  Bair.  gramm. 
§  113,  Mhd.  gramm.*  §  137),  ohne  dass  bei  diesen  dichtem  jemals 
eine  andre  bindung  von  ö :  uo  mit  unterläuft,  denn  frö :  zuo 
Tand.  12631  (di.  12908  Kbull),  das  Weinbold  Bair.  gramm.  aao. 
ins  treffen  führt,  ist  die  falsche  la.  einer  einzelnen  bs.,  es  ist 
an  der  stelle  fruo  :  zuo  zu  lesen,  wie  Kbull  auch  in  den  text 
setzt,  erst  ganz  roh  und  unrein  reimende  dichter,  wie  der  bearbeiter 
des  Wigamur,  lassen  mit  allen  andern  Verwilderungen  auch  ö  :  uo  in 
andern  bindungen  als  der  von  dö,  resp.  duo  :  -uo  passieren^,    im 

^  den  uDsinn  eioes  gedankenlos  dahin  schreibenden  copisten,  wie  die 
la.  der  einzelbs.  B  Nib.  2t 74, 1  :  solhen  mut  für  tolhe  not  dürfen  wir  wol 
nicht  mit  Paul  Beitr.  1,  430  fär  die  möglichkeit  eines  muot:-6t  bei  dichtem 
des  13  jhs.  heranziehn.  hätte  der  Schreiber  von  B  acht  gegeben,  so  hätte 
er  den  fehlerhaften  reim  wol  bemerkt,  wol  aber  anch,  dass  nöty  nicht  muot 
io  der  vorläge  stand. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  93 

Bh.  ouB  erscheint  (s.  LadiinaDD  Zu  deo  Nib.  s.  288)  n^o  duo 
(ftlr  dd)  :  9H0  and  fruo  (s.  Jäoicke  s.  ix)  auch  G&n(U  :  die  meeren 
keUe  vä  gmot  13135  und  Gemötm  :  den  guoten  6207.  maa  kann 
Bicbt  SBgeo^  daBs  dieser  heldeoname  M^hwer  zu  reimcD  gewesen 
wflre,  sodass  der  dichter  der  Nib.  sowie  der  des  Bit.  aus  not  zu 
einem  uogenanen  oder  meinetwegen  dialektischen,  jedesfalis  aher 
sonst  uoerhlta*ten  reim  hätten  greifen  müssen  :  das  Nib.  allein 
weist  an  200  reimf>aare  des  typus  -öt  auf.  -^  ;  -u^  ist  also  eine 
abertflmlichkeit,  die  im  Nib.  und  Bit.  vereinzelt  bleibt,  die  der 
soBst  rein  reimende  Nibelungendichter  nirgend  wo  anders  zur 
anwenduog  bringt  als  bei  der  bindung  auf  6^md^,  bei  der  bin- 
dang  auf  einen  namen.  ich  stelle  daher  die  bindung  Gernöt:tuot 
(Bit«  gua)  zu  den  üote :  gnote  der  ersten  hälfte  der  Nib. ,  den 
Hofou  :  degene,  gademe  usf.  und  sehe  darin  von  neuem  einen 
Dacfaklang  der  technik,  die  in  den  quellen  unseres  Nib.  geübt 
wurde  und  deren  tradition  sich  bei  den  eigennamen  zäher  er- 
hateee   hat  als  sonst  ^. 

Aber  die  Verwendung  des  namens  Gemöt  im  reim  lehrt  uns 
noch  in  andrer  beziehung  ein  fortleben  alter  tradition.  Bartsch 
hat  es  Uoters.  s.  177  bereits  mit  recht  als  bemerkenswert  ver- 
leichnet,  dass  der  name  Gemöt^  im  gegensatz  etwa  zu  Edcewart 
oad  DtetriA,  nie  rührend  auf  not  gereimt  wird,  ich  füge  bei, 
dass  diese  tradition  auch  in  der  Kl.  noch  fortwürkt :  Gemöt: tot 
9^  585.  1705.  1823,  :töt  subst.  1641.  1928,  :röt  96.  939 
(l.f^r?).  im  Nib.  reimt  G^rt^t  16mal  auf  bot,  gebot  usw.,  23  mal 
«tf  töi,  adj.  und  subst.,  Einmal,  wie  schon  erwähnt,  auf  tuot,  nie- 
mals aber  auf  not,  obwol  not  sonst  das  häufigste  reimwort  seines 
ivpus  ist  und  im  Nib.  104  mal  im  reim  steht,  die  Nib.  scheuen 
sonst  den  röhrenden  reim  durchaus  nicht,  wofür  ich  ja  blofs  auf 
Bartsch  aao.  s.  177  und  178  (auch  die  nur  in  AB  sich  findenden 
rekne  haben  natürlich  für  unsern  dichter  zu  zählen!)  zu  ver- 
weisen brauche.  Bartsch  befindet  sich  aber  völlig  im  irrtum, 
wenn  er  in   diesen  rührenden  reimen  etwas  besonders  altertüm- 

*  eSL  ist  äbrigeos  i^leichgUtig ,  ob  wir  in  GSmöi :  iuot  einen  diaLek- 
t(»clieo,  osw.  da  er  andern  Österreichern  der  zeit  fehlt,  grob-dialektischen 
■od  Tulgareo  oder  einen  altertümlichen  reim  .erblicken,  in  beiden  fällen 
spiegelt  sich  in  ihm  die  technik 'der  quellen,  anch  dann,  wenn  hier  Gemuot 
oebeo  Gh^nöt  stünde,  s.  jetzt  Schatz  Zs.  43, 23,  also  eine  alte  doppelbildung 
des  namens  yorlage. 


94  ZWIERZINA 

liebes  erblickt  und  dort,  wo  *C  und  *B  von  einander  abweicben, 
stets  den  rührenden  reim  der  einen  bearbeitung  für  das  alte 
original  in  anspruch  nimmt,  ja  des  Oftern  ihn  erst  herstellt,  es 
ist  ja  sicher,  dass  die  Schreiber  des  13.  14  und  noch  15  jhs. 
rührende  reime  der  Überlieferung  öfter  auszumerzen  bestrebt  sind, 
aber  ebenso  sicher,  dass  das  vorkommen  des  rührenden  reims 
kein  kennzeichen  der  gedichte  des  12  jhs.  ist.  ich  will  also  nicht 
behaupten^  dass  ejue  handschriftliche  abweichung  niemals  aus  der 
abneigung  jüngerer  und  slterer  Schreiber  gegen  den  rührenden 
reim  zu  erklären  wäre,  läugne  aber,  dass  sich  spätere  Überliefe- 
rung gegenüber  einem  original  des  12  jhs.  jemals  durch  gröfsere 
Sparsamkeit  in  der  anwendung  solcher  reime  auszeichnet.  Hartm. 
und  vor  allem  Gotfr.  zeigen  viel  mehr  rührende  bindungen  nicht 
nur  als  die  Nib.,  sondern  auch  als  etwa  Roth.,  Rol.  und  Alex., 
und  wenn  Wolfr.  diese  reimart  viel  seltner  verwendet  als  seine 
höfischen  Zeitgenossen,  so  zeigt  er  sich  auch  darin  altertümlicher 
und  volksmäfsiger  in  der  form  als  diese,  sehen  wir  uns  doch  nur 
die  Zusammenstellungen  bei  WGrimm  Zur  gesch.  des  reims  («= 
Kl.  Schriften  iv  125  ff)  anl  aus  dem  Roth.  (5200  verse)  weifs 
Grimm  s.  178,  obwol  er  Vollständigkeit  der  belege  anstrebt,  nur 
5  solcher  reime  zu  nennen,  in  den  ersten  5000  versen  des  Er. 
finden  sich  nach  Vos  Diction  and  rimetechnic  of  Hartm.  s.  61 
deren  64,  und  noch  in  dem  viel  vorsichtigeren  und  geschmack- 
volleren Iw.  in  den  ersten  5000  versen  deren  17,  in  den  ca.  1500 
versen  des  aH.  8,  in  den  ca.  4000  versen  des  Greg.  211  für 
den  Str.  Alex,  verzeichnet  Grimm  s.  173  zwar  65,  aber  dies  sind 
noch  immer  viel  weniger  als  im  Er.  v.  1 — 7300  (88),  und  aus 
dem  Rol.  (ca.  9000  verse)  kann  er  s.  172  nur  21  rührende  reime 
beibringen,  dazu  kommt,  dass  gewisse  arten  rührenden  reims, 
wie  wir  noch  einmal  in  nr  1 1  zu  betonen  haben  werden,  allerdings 
für  die  ältere  periode  charakteristisch  sind,  aber  wie  bei  den  hO~ 
fischen  epikern  so  auch  im  Nib.  mehr  oder  weniger  streng  und 
erfolgreich  gemieden  werden,  es  sind  dies  die  schon  bei  Otfr. 
gangbaren  bindungen  gleicher  formwörter  und  partikeln  (ist .'ist, 
sich: sich,  under  in  :  wider  in,  wesen  :  wesen,  sin  inf.  :8in  inf., 
an :  daran  udgim.)  und  die  bindungen  identischer  ableitungen 
("Schaft:  -schaft,  -heit : -heit ,  -tuom  :  -tuom,  -lieh,  nicht  gdichl, 
:4ich,  'haft:'haft,  -lös: -lös  udglm.).  von  den  65  beispieleu 
rührenden  reims  im  Alex,  fallen  22  in  diese  kategorien,  von  den 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  95 

21  im  Rol.  9,  ▼od  deo  5  im  Rolh.  2.  dagegen  werdeo  in  den 
Sltern  gefliehten  die  rührenden  bindungen  zweiter  compositionsteile 
von  namen  aufis  ängstlichste  gemieden.  Ruoth^e  reimt  6  mal  auf 
flifre  und  in  fester  formel  22  mal  auf  overm^e,  ferner  Imal  auf 
jenfren  2018  (vgl.  A^e  ;  tm^re»  2585),  nie  aber  reimt  iluo^A^e 
:herel  ebenso  Berchtfr  nur  zu  mere  462.  im  selben  gedieht 
reimt  das  pseudonym  des  beiden,  Thtederich  zu  -Itch  (825.  1613. 
2181.  2393.  2509.  2781.  2849.  2917.  2997;  2151.  2899;  1252; 
2319),  za  «VA  (1435.  1912.  2807),  zu  mich  (1381.  1985.  2213. 
2195.  2307.  2407),  zu  dich  (1758.  1965.  2221),  zu  lislich  (2289) 
und  das  flectierte  Thiederiche  zu  -liehe  (967;  2037.  2147;  1507; 
2265;  1096.  2077;  1353.  2803.  2873;  1141.  1325.  1409.  1423. 
1487.  1529.  1951.  2095;  1604.  2501;  1844;  1929),  zu  sumi- 
liehe  (2773),  zu  o/pe/lcAe  (1347. 1517.  2493),  schliefslich  FneferlcA 
2a  sich  (1617.  1652),  nie  aber  reimt  Thiedertch  oder  Thiederiche 
zu  rieh  oder  richel  diese  beobachtung  ist  auch  fUr  die  kritik 
des  gedichts  nicht  ohne  bedeutung.  wir  finden  im  Roth,  bekannt- 
lich eine  anzahl  von  dreireimen,  die  bislang  als  besondre  alter- 
tamlichkeiten  zählten,  da  aber  v.  818f  als  solchen  dreireim  über 
liefert  :  Ich  bit  üch  alle  geliche,  Arme  unde  riche.  Heizet  mich 
Thiederiche  und  wir  hier  bei  dem  sonst  überall  im  gedieht  gel- 
tendeo  meiden  rührenden  reims  auf  namen  im  zweiten  vers  des 
dreireims  sicher  einen,  übrigens  pleonastischen  und  lästigen  Zu- 
satz zu  erblicken  haben  werden,  so  werden  uns  auch  die  übrigen 
dreireime  arg  compromittiert  erscheinen,  endlich  reimt  im  Roth, 
noch  Wolfrdt  und  Wolfrdte  zu  hdt  3440.  3478.  4355,  zu  bestdt 
4201,  zu  brdht  3582,  zu  drdte  3616,  zu  guolen  3593,  aber  nie- 
mals zu  rät,  rdte  und  rdten.  und  ganz  die  gleiche  erscheiuung 
lassen  die  reime  des  Rol.  erkennen  :  lant  ist  ja  selbstverständlich 
auch  hier  ein  beliebtes  reimwort  seines  typus,  aber  Ruolant  reimt 
nur  auf  wigant  (4,  12.  41,  25.  224,  33),  auf  hant  (5,  15.  10,  4. 
29,  12  usf.,  19  mal),  auf  gesant  (30,  24.  40,  1.  142,  23.  204,  5), 
aufpAaiU  (143,  11),  m(  schiltes  rant  (144,  30.  221,  18),  auf  vant 
(38,  24.  120,  3.  141,  31.  230,  3.  24.  234,  32),  auf  swant  (183, 13), 
auf  aUe  samt  (38,  18.  48,  23.  128,  4.  147,  3.  211,  17.  212,  16. 
253,  4)  oder  unrein  auf  dranc  (46,  7)  und  gewalt  (82,  22).  aber 
niemals  auf  lant,  ebenso  Ruolante  und  Ruolanten  auf  hanten, 
banten,  wiganten,  vianten,  enplanten,  wanteln,  nie  auf  lanten.  da- 
gegen sehen  wir  bei  einem  andern,   viel  seltener  vorkommenden 


96  ZWIERZINA 

namen  desselben  reimlypus,  weon  auch  nicht  personepnameo,  auf 
(Hivanten  236,  15  lante  gereimt,  auch  Waltere  (nur  so,  und 
nicht  Walthfre,  wie  noch  bei  Konr.  vWürzb.  Part.  18805.  20167 
—  hier  rührend  zu  hfrl  —  20445,  sagt  der  pfa(fe  Konrad)  reimt 
auf  sire  228,  28,  mere  229, 11,  mcere  120,5,  s^en  230,21  und 
nie  auf  das  so  häufige  adj.  herel 

Der  dichter  unsers  Nib.  hat  also  damit  ^  dass  er  es  ver- 
schmäht, einen  namen  in  so  bequemem  rührenden  reim  zu  binden, 
wie  Gimöt :  nöt^  eine  alte  Qbung  fortgesetzt,  die  technik  der  ihm 
vorliegenden  alten  lieder  in  sein  neues  werk  herübergenommen. 
Hartm.,  Konr.  vWarzb.  uaa.  waren  durchaus  nicht  so  sorgsam 
<s.  zb.  Vos  aao.  s.  64  sub  i),  nur  Wolfr.  hat  sidi  auch  hier  der 
volkstümlicheren  tradition  angeschlossen  (s.  darüber  unten  nr  11). 

Sehen  wir  uns  sonst  im  Nib.  die  behandlung  derjenigen  eigen- 
namen  im  reim  an,  die  gelegenheit  zu  rührendem  reim  boten, 
so  können  wir  beobachten,  dass  weder  Rüedeg4r  noch  Volker  je- 
mals aufser  mit  Aer»  mir  und  sir  auch  mit  dem  sonst  doch  nicht 
ganz  seltenen  gir  (reimt  211,  1.  212,  3.  1974,  1.  2065,  3)  ge- 
bunden sind,  das  könnte  ja  zufall  sein,  gewinnt  aber  neben  dem 
fehlen  der  bindung  Gernöt  zu  not  doch  bedeutung.  ebenso  reimt 
GiseUifr  nur  auf  mer  und  wfr  (1184,  1.  2043,  1)  und  nicht  auf 
her,  das  beide  male,  wo  der  reimtypus  -er  sonst  noch  vorligt,  das 
eine  der  reimworte  ist  (116,  1.  1872,  1)^ 

*  dazu  möcbt  ich  noch  folgendes  bemerken  :  eine  form  GüMSr  ist 
im  Nib.  nirgend  belegt,  der  reim  FolkSr :  Gttelhf  1662,1,  der  einzige, 
wo  GCtelker  nicb^t  rein,  di.  auf  -er,  gebunden  ist,  ist  gewis  nicht  als  FolkSr 
auf  gelängtes  GtselhSrj  sondern  als  gekürztes  Folker :  Gttelher  aufzufassen, 
sowie  ja  aoeh  2117,  3  Riiedegir,  das  sonst  meß^olkSr  stets  mit  -Sr  reimt, 
einmal  mit  her  (freilich  her)  gebunden  ist.  Lachraann  und  in  noch  weilerm 
umfange  Bartsch  haben  aus  gründen  der  rhythmik  Günther  und  Güelher 
für  das  Nib.  auch  mit  langer  reimsilbe  angesetzt,  aber  das  fehlen  von  reimen 
auf  Günther  spricht  auch  bei  diesem  namen  für  -her  im  zweiten  gliede,  für 
welches  -Aer,  da  das  subst.  her  als  rührende  bindung  ausgeschlossen  ist, 
in  mer  und  w^r  nur  ungenügende  und  unbequeme  reimworte  zur  Terfügnng 
waren,  auch  GUelh^  reimt  nur  2  (resp.  3)  mal,  dagegen  beachte  man,  wie 
oft  Rüedeg^r  (36  mal)  und  Folkir  (8  mal)  im  reim  stehn.  hatte  der  dichter 
Gunthar  und  Güelhir  zugelassen,  müsten  wir  sie  jedes  mindestens  ein 
dutzend  mal  im  reime  finden,  wir  werden  also  für  den  cäsurschluss  ein 
w  X  auch  auf  dritter  hebung  zugeben  müssen ,  wenigstens  für  namen ,  wie 
man  sich  auch  zu  den  anmm.  Lachmanns  zu  Nib.  118,2.  508,4.  601,4 
stellen  mag,   sonst  kommt  man  ja  notwendig  mit  Bartsch  auch  zu  einem 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  97 

Dass  Niderlant  und  Österlant  nie  zu  lant  reimen,  versteht 
sich  fast  VOD  selbst 

Nuo  kommeo  aber  im  Nib.  auch  rührende  bindungen  von 
oamen  vor.  zunächst  bei  personen,  die  im  gedieht  keine  hervor- 
rageode  rolle  spielen,  nur  in  eng  begrenzten  partien  hervortreten^ 
wie  Edcewart  (;  hewart  9,  3  —  übrigens  unecht  — ,  ;  wart  1223, 1) 
ttod  Häwart  (:  hewart  1285, 1),  oder  gar  erst  späterer  umdichtung 
uod  neuerer  sagenbildung  ihre  existenz  verdanken,  wie  vielleicht 
Bmmemart  (:  hewart  1592,1),  Liudegir  (:gir  212,3,  m^Rüedegir 
.gerl),  über  die  also  keine  tradition  vorlag,  eine  ausnähme  macht 
Duterich.  dieser  name  reimt  auf  rieh  verhältnismäfsig  eben  so 
oft  als  auf  'lieh,  nSmlich  1292,  2.  1667,  2.  1686,  1.  1690,  2. 
1838,  1.  2250,  1.  2256,  3.  2266,  1  (vgl.  AlherUh :  rieh  335,  3). 
wie  diese  ausnähme  zu  erklären  ist,  dafür  kann  ich  nur  ver- 
mutuDgeo  vorbringen,  dem  Roth,  galt  ja  doch  ein  reim  JAtede- 
licfc  .-  rieh  noch  für  unerlaubt,  wurde  -rieh  erst  später,  dadurch, 
4iass  es  auch  zu  -Hch  gekürzt  wurde  (die  reime  Dieterich :  -ich 
im  Nib.  s.  oben  s.  29),  seiner  provenienz  nach  unklar,  nicht 
mehr  mit  rieh  identisch  gefühlt,  so  wie  -not  mit  not,  -gir  mit  gert 

langen  Sivride,  Sivriden  neben  im  endreim  allein  und  oft  belegteo  Sivrit, 
fär  dieses  Stvride  aber  fehlt  sowol  die  stütze  der  reimbelege  ans  kliDgend 
reimenden  spätem  epeo  als  auch  die  späterer  sprachentwicklang.  wir  finden 
Dämlich  zwar  in  der  Kl.  zb.  GtselhSre,  GuntMre  im  reim  (591.  1509.  1937, 
aber  aoch  einsilbig  Guelher:hSr  1517  —  rührend,  also  nicht  alte  tradi- 
tion! —  Günther :  mer  1963,  and  nie  reimt  Güelher,  Gunth^rl),  in  diesem 
spätem  Giselher  nnd  GunihSr  für  das  Gttelh^r  und  Günther  der  Nib.,  DFl. 
aod  Rabenschi,  ligt  jedoch  keine  längung  des  zweiten  compositioosteils  vor, 
sondern  eine  Termengnng  von  Guelh^r  mit  GüelhSr,  einem  anders  compo- 
oierteo  namen.  dass  die  zweiten  compositionsteile  in  germanischen  namen, 
auch  wo  sie  dieselbe  person  bezeichnen ,  wechseln,  mag  diese  vermengnng 
begünstigt  haben,  im  Nib.  steht  Folkher  neben  Folkger  (s.  oben),  und  es 
gibt  ein  ßf^althSr  (s.  zb.  oben  die  belege  aus  Rol.)  neben  fFaUkere  (s.  oben 
die  belege  aus  Parton.),  fFaltharius,  aber  die  doppelform  ist  auf  den  namen 
Swrit  nicht  übertragbar,  denn  ein  -vrid  als  namenbestandteü  ist  mir  nicht 
bekannt  nnd  man  wird  sich  auch  wol  vergeblich  nach  einem  Seifreid  spä- 
terer zeit  umsehen,  sowie  auch  Kl.  (1186),  Bit.  (s.  Jänicke  s.  xn),  Gudr.  (722, 1) 
S6frit  nnd  Imvrit  nur  auf  -Yt,  nie  Sivrtde,  Storiden  klingend  auf  &ienj  mtden^ 
nide  reimen,  so  bequem  die  bindnng  dort  wäre,  darauf,  dass  unflectiertes 
Sivrit  ganz  un verbal tnismäfsig  leichter  zu  reimen  gewesen  wäre  als  Svorit^ 
weis  ich  erst  in  zweiter  linie  hin,  da  nach  Bartsch  ja  nur  die  flectierten 
formen  von  Günther,  GUelher  und  Stvrit  längung  des  zweiten  gliedes  er- 
lüiren  haben  sollen. 

Z.  P.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXII.  7 


98  ZWIERZINA 

oder,  was  mir  eher  glaublich  erscheint,  waren  die  lieder,  die  von 
Dietrich  erzählten,  in  ihrer  technik  verschieden  von  denen,  die 
von  Gernot,  Günther  und  Giselher  berichteten?  dass  Dietrichs 
gestalt  erst  später  in  den  Sagenkreis  der  Nibelungen  einbezogen 
wurde,  darf  ja  als  ausgemacht  gelten,  dass  die  namen  der  drei 
burgundischen  könige  auch  in  jenen  partien  dann  nicht  rührend 
reimen,  wo  die  beiden  stoQkreise  bereits  vermengt  erscheinen, 
könnte  nicht  auffallen,  denn  hier  mochte  der  dichter  (oder  die 
dichter  seiner  jungem  quellen)  der  altern,  bereits  adoptierten 
Übung  älterer  Burgundenlieder  weiter  folgen. 

Auch  der  name  Sigfrids  nun  reimt  niemals  rührend  und  so- 
mit auch  niemals  rein,  liefe  ein  rührender  reim  zu  diesem  namen 
der  technik  der  Nib.  nicht  zuwider,  so  sähen  wir  nicht  ein,  warum 
dieses  sonst  schwer  zu  bindende  wort  in  seiner  flectierten  form 
Sivride  nicht  auf  wide,  Sivriden  nicht  auf  bevriden  udglm.  gereimt 
erschiene,  aber  dieser  reim  widersprach  der  tradition  und  wurde 
gemieden,  dagegen  reimt  der  nom.  Sivrit  auf  ich  bite  56,  2. 
158,  2.  320,  2.  331,  2.  853,  2,  auf  siie  153,  4.  209,  4.  329,  2. 
935,  2,  auf  mite  59,  2.  173,  2.  914,  2.  nur  die  ieUte  der  drei 
genannten  bindungen  könnte  auch  rein  sein,  denn  es  gibt,  so 
wie  schon  bei  Otfr.,  auch  im  mhd.  ein  adv.  mit  neben  mite,  bei 
Gotfr.  zb. ,  der  das  e  hinter  dem  t  kurzer  Stammsilben  nie  apo- 
kopiert,  reimt  dieses  dd  mit  auf  lit  nom.  sing.  3177  und  auf /nY 
acc.  sing.  11817.  nie  reimt  im  Trist,  etwa  bite,  Site,  mite,  Ute 
auf  lit  und  trit,  wol  aber  reimt  neben  mit  nattlrlich  auch  mite 
(:site  12311  usf.,  ctrite  14651  usf.,  ssnite  10905  usf.),  so  wie 
wider  Otfr.  thdr  miti  (ii  4,  4.  iv  9,  3)  zeigt  neben  thdr  mit.  ebenso 
bei  Herbort  neben  dd  mite  auch  dd  mit :  samit  2611.  8721.  8901, 
.mit  2987.  14665,  :berfHt  10193.  10467,  :git<:^gibet  10903, 
nie  aber  bite,  site,  rite :  -it.  aber  da  Sivrit  nicht  nur  zu  mit, 
sondern  auch  zu  bite  und  site  reimt,  so  werden  wir  wol  dies 
und  jenes  unter  6inen  gesichtspunct  zu  stellen  haben,  zu- 
nächst hab  ich  zweierlei  zu  bemerken,  fürs  erste  wider- 
sprechen die  apokopen  in  diesen  reimen  der  sonstigen  sorgfall 
des  Nibelungendichters  gänzlich,  im  Nib.  findet  sich  kein  gebit  : 
stfte  (hier,  wo  i  und  e  nur  vor  liquiden  unterschieden  werden, 
gewis  ein  möglicher  reim),  bete,  mete  usf.,  kein  got,  spät,  gebot 
usf.  :gote,  böte,  geböte;  auch  kein  State:  bat,  trat  ist  überliefert, 
und  bei  einem  dichter,  der  selbst  -ame  und  -am  so  genau  aus- 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  99 

eioaoderhalt,  wie  wir  dies  unsern   dichter  tuo  sehen  (s.  s.  60), 
werden    wir  solche  apokopen   hinter  dem  t  kurzer  Stammsilben 
auch  nicht  erwarten  i.    die  reime  zu  Sivrit  stehn  also  innerhalb 
d^  sonstigen  Obung  des  dichters  so  vereinzelt  da,  wie  die  Ger- 
not :  tuai.  Hagene  :  degene,  gadetne  und,  im  ersten  teile,  die  üote 
:guoie  und  Hagene :  tragene ,  sagene.     und  zweitens,   so  wie  die 
gerade  genannten  bindungen  sich  als  typisch  erwiesen,   im  Nib. 
selbst   Öfter  erschienen   und   in   den  spätem  epen  zum  stil  ge- 
horten,   so  auch   die  apokopierten  reime  auf  Sivrit   (s.  bes.  die 
Zusammenstellungen  bei  Jänicke  Biterolf  s.xii);  -vrit  (auch  Imvrit) 
:  bü,  sü,  mit  zeigt  sich  alsbald  auch  in  den  plusstrophen  von  "^B 
(338, 5)  und  *C  (1968, 1),  in  der  Klage,  Gudr.  und  Bit.,  obwol  auch 
diese  gedichte  sonst  gleichartige  apokopen  meist  nicht  zulassen  2. 
Nachdem  wir  in  den  auft^lligen  bindungen  üote  :  guote.  Ha- 
getu :  degene,  Gemdt :  tuet   alte  tradition,    die   alte  technik   der 
quellen  unsrer  Nibelungendichtung,  anerkennen  musten,  werden 
wir  doch    wol   auch   erwarten,    in   den  gleichmäfsig  auffallenden 
bindungen  mit  einem  weitern  namen,  den  reimen  von  Slmit  zu 
ich  bite,  siie^  mite,   ähnliche  Verhältnisse   sich  spiegeln  zu  sehen 
und  werden   den  gewaltsamen   reim  nicht  blofs  der  reimnot  des 
dichters  ankreiden  wollen,   da  dieser  ja  zb.  auch  Gunthfr  lieber 
gar  nicht  als   unrein  bindet   (s.  s.  96  anm.)   und   die  reine  bin- 
dong  Sivride :  vride  nur  der   tradition  halber  verschmäht,     die 
reimnot  bat  freilich  mitgespielt,  aber  nicht  in  der  Übung  unseres 
dichters,  sondern  in  der  seiner  quellen,     denn  diese  bindungen 
sind  aus  der  technik  der  altern  poesie  heraus  sehr  leicht  zu  er- 
klären,    im  Nib.  des  13  jhs.  ligt  in  einem  reim  von  Sivrit  auf 
iA  bii  gewis  eine   gewaltsame  und  nur  durch   die  tradition  ge- 
rechtfertigte apokope  vor,  in  den  quellen  aber  reimte  einsilbiges 
(Si)vrii  auf  zweisilbiges,  stumpfes  bite,  site,  mite,     so  reimt  im 
Rol.  gebit  zu  tite  108,  24.  227,  32   und  zu  stete  211,  18  uO., 
ferner  309,  24  schäme :  man  (an  ein  apokopiertes  schäm  ist  na- 
iQrlicb  nicht  zu  denken)    und  im  Roth.  3906    (wenn  nicht  bair. 
einscblag  vorligt)  sune :  Basilistium  udgim.    zum  Uberfluss  finden 

*  aber  die  wenigen  apokopen  nach  länge  —  meist  dative,  vgl.Woifr.!  — 
s.  Lachmann  Aoswahi  s.  xix  (—  Kl.  Schriften  i  170),  wo  aber  noch  manches 
aoa  Lacbmanns  liste  fär  den  kritischen  text  zu  streichen  wäre. 

*  Dar  gebffi:  stete  Gudr.  1133,  1  wäre  zu  vergleichen,  aber  in  Klage 
ood  Bit  ist  nichts  entsprechendes. 

7* 


100  ZWIERZINA 

wir  Rol.  268,  15  nun  auch  würklich  Gotefrit :  süe.  unter  dem 
einfluss  der  reimnot  wurde  nuo  in  den  allen  Nibelungenliedern 
diese,  der  poesie  der  zeit  auch  sonst  nicht  fremde  reimart  für 
den  namen  Sivrit  tradition  :  es  wurde  feste  Übung,  Sivrit  auf  -tte 
zu  reimen. 

Dass  wir  es  hier  mit  einer  althergebrachten  gewohnheit,  nicht 
mit  einer  jungen,  dem  Nib.  gar  nicht  zukommenden  apokope  zu 
tun  haben,  lehrt  uns  auch  die  beobachtung,  dass  diese  bindungen 
auf  Sivrit  hauptsächlich  in  festen  formein  erscheinen.  Sivrit 
reimt  nicht  allgemein  gesprochen  auf  hite,  sondern  es  reimt  fast 
immer  edel  Sivrit  {vriunt  her  Sivrit)  . .  .  tuot  des  ich  inch  bit 
320,  2.  331,  2.  853,  2.  158,  2  und  das  ist  eine  alte  forme],  vgl. 
bes.  Rol.  101,  25  Tuo,  helt,  des  ich  dich  bite,  ferner  Durch  dine 
tugentliche  süe  Tuo  des  ich  dich  bite  Rot.  126,28.  141,7.  nur 
einmal  abstrahiert  der  dichter  daraus  :  sprach  dd  Sivrit,  Swaz  ich 
friuntliche  niht  ab  in  erbit  56,  2.  —  blofs  Sivrit  ist  ferner,  nicht 
Hagen»  nicht  Günther,  nicht  Dietrich,  der  preisliche  man  (98,  4) : 
kUngt  da  in  der  küene  Sivrit  Der  gewan  in  dem  stürme  einen 
vreislichen  sit  209,  4 ,  ja  auch  noch  in  eprach  dö  Sivrit :  Jd  hat 
diu  kOneginne  so  vreislichen  sit  329,2  nicht  eine  alte  formel 
an  :  Sivrit,  Der  het vil  preislichen  eite,  Sivrit . . .  mit  preis- 
lichem sitel  ich  weise  auch  darauf  hin,  dass  an  zwei  von  den 
drei  stellen,  an  denen  site  auf  mite  und  nicht  auf  Sivrit  reimt, 
doch  der  alte  reim  und  die  alte  formel  noch  durchzublicken 
scheinen  :  Dö  sprach  der  starke  Sivrit  mit  herlichem  site  856,  1 
(es  reimt  mite),  Dd  mite  reit  auch  Sivrit  in  Srlichem  site  860, 1 
(wider  reimt  mite)^.  —  endlich  hiefs  die  dritte  formel,  mit  der 
Sivrit  zu  mite  reimte^  vermutlich  Sivrit  .  .  .  dem  volgent  recken 
mt7,  s.  59,  2  Sivrit :  Daz  mir  suln  ze  Rine  recken  volgen  mit, 
172,  2  Sivrit  :  Sit  daz  mir  iuwer  recken  wellent  volgen  mit, 
914,2  Sivrit: Daz  muget  ir  wol  versuochen  weit  ir  mir  volgen  mit 
und  mit  {da  mitl)  wird  nie  anders  mit  Sivrit  gebunden,  als  so. 

Zugleich  sehen  wir,  dass  die  lieder,  die  als  quellen  dienten, 
auch  die  quellen  des  ersten  teils,  keine  rheinischen  waren,    man 

^  scheut  sich  der  dichter,  in  doppelter  ongenauigkeit  gleichsam,  den 
dat.  siie  8a( S(orit  za  reimen?  da  befände  er  sich  natQrlich  im  gegensatz 
zu  seinen  qaellen,  was  ja  oben  deutlich  wurde,  in  Swrit:sit  ist  sit  immer 
4ICC.,  mit  . . .  Site  reimt  das  Nib.  auf  mite  (s.  oben)  oder  es  reimt  mit  (in) 
.  .  .  siten  318,  2.  498,  3.  670,  4.  765,  4.  1247,  3.  1339,  2.  1818,  2.  1819,  4. 
1828,  4.    wir  sehen  sehr  oft,  warum  also  nie  S(orit :  mit  . . .  sit^ 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  101 

köDDte  ja  iD  Sivrit :  mt ,  Sit  die  entsprechuog  eines  originaIeD 
StMfride  oder  Sivrede  (dat  oder  acc)  :  mide  side,  mede  sede  sehn, 
aber  Sivride  :  ich  biddel  schoD  side  für  sidde  macht  für  eioige 
der  rhein.  dialekte  Schwierigkeiten,  aber  sowol  rheinfränkische  als 
mittelfräokiscbe  denkmaler,  geschweige  denn  niederfränkische, 
zeigen  nie  ein  ich  bide  (bede)  oder  biden  (beden)  im  reim,  dh.  sie 
sprechen  nur  bidde  und  bidden^  nicht  die  analogieformen  bide 
und  biden.  weder  Alex.,  noch  Credo,  noch  Roth.,  noch  der  Wilde 
snaon,  Wernh.  vNiederh.,  die  hannöver.  Marienlieder  Zs.  10, 
Boschs  mfr.  legendär,  Morant  und  Galie  reimen  jemals  bide  oder 
biden,  dagegen  zeigt  sich  im  legendär,  Zs.  f.  d.  ph.  x  134,  11 
bidden  :  bieden  im  klingenden  reim,  noch  in  rheinfrünkischen  Ur- 
kunden des  14  jhs.  ist  bidden  die  regel  und  biden  vereinzelt,  s. 
Böhme  Zur  kenntnis  des  oberfränk.  s.  35.  56.  im  oberdeutschen 
Rol.  aber  finden  wir  natürlich  alsbald  tcA  (oder  er)  bite :  site,  mite 
(63,  9.  101,  25.  126,  28.  141,  7  uö.),  daneben  freilich  noch  den 
inf.  bitten  (;  in  (Umitten  42,  5). 

Mir  scheint  festzustehn,  dass  der  dichter  des  Nibelungenlieds, 
dessen  text,  wie  ich  mit  Roediger  Herrigs  arch.  1898  s.  420  glaube, 
dem  stropbenbestande  nach  am  besten  durch  A,  innerhalb  der  echten 
teile  aber  doch  zuverlässiger  durch  *B  überliefert  ist,  als  quellen 
oberdeutsche,  in  der  Nibelungenstrophe  verfasste,  sangbare  einzeU 
lieder  benutzt  hat,  die  bereits  feste  traditionen  in  bezug  auf 
rhythmik,  stii  und  reimtechnik  befolgten,  welchen  traditionen  der 
terfasser  unseres  gedichtes  sich  noch  vielfach  anschloss.  diese  lieder 
waren  zt.  in  grobbairischem  dialekt  geschrieben  und  in  ihrem 
ton  für  das  niedrige  volk  berechnet  (s.  s.  47),  der  höfische  be- 
arbeiter  ihres  Stoffes,  unser  Nibelungendichter,  hat  sich  an  vielen 
stellen  vom  Wortlaut  dieser  roheren  quellen  doch  nicht  ganz 
emancipieren  können  oder  wollen,  interpolationen  im  texte  von 
^A  scheinen  mir  unwahrscheinlich,  nur  str.  1 — 12  halt  ich  für 
spätem  Zusatz. 

7.  DAS  PRÄTERITUM  VON  HJN  UND  TUON. 
Wie  sich  die  verschiedenen  formen  des  prät.  von  hän  auf 
die  verschiedenen  mhd.  dichter  verteilen,  hat  Lachmann  Auswahl 
s.  IX  anro.  =»  Kl.  schriften  i  161  zusammengestellt.  Lachmann 
zählt,  ohne  die  stellen  zu  citieren,  nur  die  würklich  belegten 
formen  auf,  er  sagt  uns  nicht,  welche  von  etwa  neben  einander 


102  ZWIERZINA 

gebrauchteD  doppelformeo  bei  einem  dichter  die  berschendeo  sind, 
welche  aodere  nur  sporadisch  vorkommen ,  und  verzichtet  auch 
auf  Schlüsse  ex  absentia.  es  lohnt  die  mühe^  Lachmanns  angaben 
hier  nachzuprüfen  und  zu  ergänzen,  wenn  Lachmann  zb.  kurz 
verzeichnet,  dass  das  prät.  von  hän  bei  Wolfr.  im  ind.  und  conj. 
sing,  hcete,  im  conj.  plur.  hStm  lautet,  gibt  das  ein  andres  bild 
von  den  tatsacheu,  als  wenn  wir  erfahren,  dass  alle  drei  formen 
hcBte  ind.,  hcete  conj.,  heten  conj.  in  den  40000  reimen  des  dichters 
nur  je  Einmal  belegbar  sind,  während  Gotfr.  sein  hate  61  mal 
reimt,  ich  habe  die  angaben  Lachmanns  denn  auch  in  diesem 
sinne  schon  Beobachtungen  s.  492  fr  erweitert  und  specificiert. 
es  wurde  aao.  festgestellt,  dass  Hartm.  im  Büchl.,  Er.,  Grog,  und 
aH.  ohne  alle  einschränkung  und  ohne  Schwankungen  im  ind. 
hdte,  hdten,  im  conj.  hate,  hcetm  sagt,  im  Iw.  aber  jedwede 
präteritalform  von  hdn  im  reim  mit  absieht  meidet,  dass  Wolfr., 
so  wie  Hartm.  im  Iw.,  ebenfalls  dem  prät.  von  hdn  im  reime 
ausweicht,  dass  aber  die  sporadischen  reime,  in  denen  es  sich 
bei  ihm  findet,  folgende  doppelformen  erschliefsen  lassen  :  ind. 
und  conj.  hcete  hceten,  ind.  het  heten,  conj.  häe  hiten,  schliefslicb 
vielleicht  auch  het  (hite)  hdten.  dass  Wirnt  einen  ind.  ich  und 
er  het  gebraucht  und  ohne  scheu  in  den  reim  setzt,  dass  auch 
der  plur.  hSten  und  conj«  Mte  wol  nur  in  folge  von  reimnot  bei 
ihm  fehlen,  dass  aber  daneben  keine  andre  form  des  prät.,  kein 
hite  hdte  hcete,  erscheint,  auch  die  bei  Gotfr.  alleingeltende  form 
hcete  hceten  für  ind.  und  conj.  wurde  aao.  durch  die  verszahlen 
belegt  :  die  Ziffern  ergaben,  dass  Gotfr.  keinem  bedenken  gegen  die 
Verwendung  des  Wortes  im  reime  räum  gab.  den  ind.  hcete  hab  ich 
als  analogiebildung  zu  dem  ind.  der  verba  pura  {ncete,  gcete,  tocete, 
drcete)  in  anspruch  genommen ;  die  analogie  gienge  vom  couj.  hcete 
aus,  s.  jedoch  unten  s.  116.  die  flexionslosen  formen  het,  het,  hiet 
führte  ich,  s.  aao.  s.  494  anm.,  zurück  auf  eine  analogie  zu  den 
starken  präteritis.  vermittelt  war  diese  analogie  durch  die  form  tet 
für  tete,  die  sehr  früh  flexionslos  belegbar  ist  und  mit  der  in  der 
reihe  ich  tet(e),  du  tcete^  er  tet(e\  wir  tdten  nun  auch  die  1  und 
3  sing,  dem  Schema  der  starken  conjugation  angeglichen  wurde, 
ist  hite  mit  Schröder  würklich  als  analogiebildung  zu  tete  zu 
fassen,  so  ist  der  Vorgang  ja  ganz  klar,  aber  auch  das  flexions- 
lose (nicht  aus  hete,  hiete  apokopierte)  het,  hiet  wurde  nach  analogie 
von  tet  gemodelt,   s.   die  2  pers.  sing,  du  hiete   neben   du  hcete. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  103 

dass    das   fehlen   der   reime   vod   hete  und   der  von  tete  in   den 

werkeD  Wolfr.s  in  ursachlichem  Zusammenhang  stand,  suchte  ich 

ebenda  s.  495  wahrscheinlich  zu  machen,    darnach  wird  man  es 

biUigeD,  wenn  ich  im  folgenden  bei  jedem  einzelneu  dichter  immer 

zugleich    mit  der  angäbe  der  von   ihm   gebrauchten  formen  des 

präL  TOD  hän  aach  seine  formen   des  prät  von  tuon  bespreche. 

Schon  WGrimm  (Ober  Freidank,  Kl.  schrillen  iv  56)  bemerkte^ 

dass   die  von  Freidank  öfter  gereimten  tit  und  fAe  ^Walthers 

lieder  wol  der  schwankenden  form  wegen  meiden',     in  bezug  auf 

die  Verwendung  des  prät.  von  hdn  aber  zeigt  Wallh.  sich  weniger 

vorsichtig  als  Freid.     er  setzt  den  ind.  hdte  im  leich  3,2,  den 

cooj.   hwte   in   einem  spruch  79,  31  in  den  reim.     Freid.  reimt 

gar  keine  form  dieses  prät.,  weder  einen  ind.  noch  einen  conj., 

und  steht  also  da  auf  dem  standpunct,  den  Wolfr.  und  vor  allem 

Hartm.  im  Iw.  vertritt    den  conj.  hätte  auch  der  didaktiker  leicht 

reimen  kOnnen,  sowie  er  ja  bcBte  und  tmte,  s.  WGrimms  register 

s.  407,  tatsächlich  Öfter  reimU 

Auch  die  Nibelungen  kennen  kein  tet  oder  tete  im  reim, 
ebensowenig  irgend  eine  form  des  prät.  von  hdn.  die  klingend 
reimenden  waren  freilich  ausgeschlossen. 

Wenn  es  bei  Lachmann  aao.  s.  162  heifst,  dass  Rudolf, 
wie  Hartm.  und  Walth.,  den  ind.  hdte,  den  conj.  hcBte  unter- 
scheidet, so  ist  diese  angäbe  ja  richtig,  aber  die  sache  bekommt 
ein  wesentlich  andres  gesiebt,  wenn  wir  beobachten,  dass  im  Bari, 
überhaupt  keine  formen  des  prät.  von  hdn  reimen,  im  gGerh.  jedoch, 
dem  jüngeren  werke,  nur  6in  hdte  5139  und  nur  6in  hate  1891. 
steht  also  für  Rud.  die  form  hdte  fest,  warum  hat  er  sie  im  Bari, 
nie  zu  kemendte  (205,  19.  214,  35  uO.),  rdte,  spdte,  losaphdte 
(37, 1.  178, 1.  224,  35.  230,  29.  285, 27.  298, 15.  300,  5.  302,  23. 
334,25.  352,35)  und  drdte  (9,17.  18,37.  41,11.  135,37. 
192,  37.  194,  23.  205,  19.  318,  15.  399,  25)  gereimt  und  sie 
auch  im  gGerh.  nur  so  selten^an  den  versschluss  gestellt?  er 
hat  also  diese  seine  leicht  reimbare  form  des  sich  überall  in  den 
Zusammenhang  fügenden  auxiliars  im  reim  ebenso  gemieden,  wie 
Hartm.   sein  hdte  im  Iw.  mied^     ob  er  neben  hdte  nicht  auch 

*  freilich,  in  der  Weltcbron.  (noch  nicht,  wie  es  scheint,  im  Wilh.)  hat 
Rudolf  hdie  and  im  weitesten  maCse  den  conj.  hate  wider  zugelassen,  er 
zeigt  so  selbst,  wie  seine  reime  im  Bari,  und  gGerh.  ohne  absichtliche  zurück- 
haitang  in  diesem  puncte  beschaffen  sein  mosten. 


104  ZWIERZINA 

noch  eine  andre  form  sprach,  die  er  ebenfalls  nur  nicht  reimeo 
wollte,  kann  natürlich  nicht  entschieden  werden. 

Das  prät.  von  tuon  gebraucht  Rud.  nur  im  sing,  im  reim. 
täten  und  taten  sind  bei  ihm,  wenigstens  im  gGerh.  und  Rarl., 
ebenso  unerhört  wie  häten  und  hwten.  den  ind.  sing,  spricht 
Rudolf  im  gegensatz  zu  Hartm.^  der  nur  täte  kennt,  meist  ein- 
silbig, dies  beweisen,  da  er  e  nach  dem  t  kurzer  stamme  nicht 
so  wie  etwa  Wirnt  apokopiert,  die  reime  tet:  gebet,  nom.  und 
acc.  gGerh.  229.  485.  493.  959.  Rarl.  7,  21.  57,  19.  72,  1. 
146,27.  186,7.  187,15.  37.  204,31.  302,3.  316,29.  345,35. 
349,  21.  356, 17.  370,  35.  375,  39.  377, 15.  386, 1.  15.  392,  29. 
398^  25.  diesen  24  beispielen  für  tit  stehn  nur  3  für  tete  ent- 
gegen, täte :  bite  gGerh.  1027.  Rarl.  336, 13, ;  mit  gebete  Rarl.  169,  3. 
tet  ist  gGerh.  959,  tete  Rarl.  336,  13  erste  person,  alle  andern 
beispiele  betreffen  die  dritte  person,  die  dort,  wo  in  erzählenden 
gedichten  präterita  reimen,  immer  vorwigt,  s.  darüber  Reobach- 
tungen  s.  492  anm.  1.  wir  sehen  aber  hier  auch  die  erste  person 
in  flexionsloser  form,  was  die  Ton  JGrinim  und  Lachmann  ge- 
machte Unterscheidung  zwischen  einem  ich  tete  und  er  tet  (s. 
meine  anm.  aao.)  nicht  bestätigt,  der  conj«  teete,  getcete,  1  oder 
3  sing.,  reimt  auf  baite  gGerh.  1807.  2317.  6427.  6633.  Rarl.  29, 
27.  214,  27.  336,  35,  auf  hate  gGerh.  1891,  auf  gerate  subst. 
Rarl.  14,  11,  auf  State  subst.  Rarl.  129,  3,  adj.  334,  37. 

Auch  der  Pleier,  der  tete  sehr  oft  an  den  versschluss  stellt  ^ 
wagt  seine  form  des  prät.  von  hän  nicht  zu  reimen,  zum  min- 
desten nicht  im  Heleranz.  ich  vermute,  dass  seine  form  das  bair.- 
Osterr.  het  (dieses  auch  im  Hai)  oder  das  ebendort  heimische  hiet 
war.  diese  beiden  formen  konnte  der  Pleier  bei  seinen  mustern, 
Hartm.  und  Wolfr.,  allerdings  nicht  im  reime  finden,  hei  Wirnt 
freilich  reimt  he't. 

Um  den  gegensatz,  vor  allem  zu  Rud.,  der  seine  formen 
häte  häten,  hate  hceten  nicht  zu  reimen  wagt,  zu  illustrieren, 
schreib  ich  die  belege  für  diese  formen  her,  die  der  Stricker 
bietet  :  wir  finden  häte  (durchweg  dritte   person  I)    Dan.  1785. 

*  bei  dem  Österreicher  weifs  man  natürlich  nicht,  ob  sein  tete  auf  äl- 
teres tüte  oder  auf  tete  mit  geschlossenem  e  zurückgeht,  es  reimt  eben  auf 
b&e  sowol  als  auf  stete,  denn  die  e  waren  in  ofiener  silbe  vor  muta  in 
Österreich  schon  im  13  jh.  alle  geschlossen  geworden,  so  wie  sie  es  (sc.  in 
der  llngung)  heute  noch  sind.    s.  darüber  die  folgende  nr  8. 


MITTELHOCBDEÜTSGHE  STUDIEN  105 

2121.  2237.  2271.  2747.  2867.  3417.  3861.  4399.  6203.  6795. 
8097.  8325.  Karl  145.  169.  959.  1845.  2141.  3193.  3433.  3599. 
4127.  7445.  9093.  10041.  12097.  Am.  251.  409.  739.  1267. 
1315.  1397.  1529.1826.1935.  2275.  2475.  WLeseb.»  801,  31 ; 
hdtm  Dan.  3453.  3487.  5235.  5691.  6863.  7549.  7965.  7981. 
iarl  561.  857.  3011.  3151.  3577.  4149.  4203.  4291.  4361. 
5891.  6271.  6999.  8235.  9297.  9387.  9667.  10625.  10729. 
Am.  437.  867.  903.  1235.  HGerm.  8,295.  137.  HaliD  ?  11; 
du  luBie  Karl  10647.  Hahn  vi  63;  ir  hdtet  Daa.  7749;  conj.  haste, 
tera»  Dan.  967.  1053.  1465.  1615.  3492.  4417.  5537.  6435. 
6749.  6755.  7155.  7227.  7491.  7797  (1  sing.).  8321.  Karl  4287. 
4835.  5545.  6665.  6997.  8055.  10119.  10827.  11109  (1  sing.). 
12117-  Am.  53.  IUI.  1239.  1733.  2437.  2463.  Ges.  ab.  59,  51 
(1  siog.).  60,  107.  173.  Altd.  wäld.  iii  220,  13;  du  hcetest  Ges. 
ab.  46,  11;  ir  htstet  Dan.  6333.  Karl  2841.  also  111  reime  in 
nicht  ganz  28000  versen,  bei  Rud.  waren  es  2  in  über  23000  versen ! 
auch  die  pluralformen  zu  tete  und  tcete  gebraucht  der  Stricker 
ohne  scheu  (s.  täten  Dan.  363.  3453  usf.  Karl  107.  1823  usf. 
Am.  437.  867  usf.,  ir  tätet  Dan.  6043.  7749,  ir  tcetet  Dan.  7927. 
Karl  2841  udglm.).  im  ind.  sing,  kennt  Stricker  sowol  tet  als 
tBe,  ahnlich  also  wie  Rud.,  nur  dass  bei  ihm  die  form  auf  -e  die 
häufigere  ist.  ich  finde  tite  Dan.  939.  2233.  3351.  6773.  7411. 
7903.  8451.  8455.  Karl  301.  309.  829.  1293.  3575.  3977. 
7619.  10485.  10577.  10839.  Am.  271.  1405.  2363.  Ges.  ab. 
37,  47.  33,  199.  46,  119.  Doc.  Mise,  ii  217,  aber  tet  reimt  auf 
gebit,  nom.  oder  acc,  Karl  1839.  2909.  3581.  9369.  Am.  1163 
[Doc  Mise,  n  219?].  nur  Karl  7619  und  Ges.  ab.  46,  119  ligt 
die  erste  person  vor;  dass  an  diesen  beiden  stellen  tete  und  nicht 
t&  reimt,  also  nur  er  tit  belegt  ist,  ist  natürlich  zu  fall,  um  so 
mehr,  da  ja  tete  an  und  für  sich  4  mal  so  häufig  ist  als  tet. 

Aufser  häte,  conj.  hwte  kennt  Stricker  keine  andre  form  des 
prät.  vom  auxiliar.  im  selben  falle  befinden  sich  auch  Ernst  B, 
Konrad  Fleck  und  der  dichter  des  Moriz  vCraun,  welche 
beide  ihr  häte,  hcete  auch  so  ungescheut  reimen  wie  der  Stricker, 
über  Fleck  s.  Sommer  zu  Flore  171  und  5074.  über  Ernst  B 
s.  Bartschs  einl.  im  Mor.  vCraun  reimt  häte  1  sing.  429, 
3  sing.  653.  821.  961.  1413.  1623;  haste  1  sing.  conj.  583.  1715, 
3  sing.  conj.  1079,  auch  417  wird  hcete  conj.  und  nicht  ind. 
sein.     —    tete  3  sing.   ind.    Hör.  1011.   1463;   tcete    3  sing. 


106  ZWIERZINA 

coDJ.  281.    315.    1251.   1427;    twte    1   siog.   codj.  583.   1353. 
1715. 

Mehr  Schwierigkeiten  als  Stricker  und  Fleck  macht  wider 
Ulrich  vZatzikhoveD  die  wähl  unter  den  reimformen  unsers 
Präteritums,  wir  finden  bei  Dir.  im  ind.  sing,  (immer  dritte  personi) 
nebeneinander  :  A^/e  2753.  3119.  6185,  hcete  5781.  5973.  8431 
und  hdte  9152,  im  plur.  bäten  3003.  3251.  5555.  6241.  8699. 
der  conj.  lautet  hate  1307.  1577.  2717  (l  sing.).  2945.  4689 
(1  sing.).  4989.  5027.  5347.  7291.  7437.  7761.  8943.  die 
buntheit  der  formen  bei  Ulr«  im  vergleich  zu  der  durchführung 
einer  einzigen  reimform  bei  Hartm.,  Gotfr.,  Wirnt,  Rud.,  Stricker 
ua.  entspricht  Ulr.s  roherer  kunst,  sowie  es  auch  bemerkenswert 
ist,  dass  er,  der  unbofischeste  unter  den  höfischen  dichtem,  zu- 
gleich dier  erste  ist,  der  die  der  zeit  wol  schon  langst  geläufige 
form  bete  zu  reimen  wagt,  aber  wir  können  zeigen,  dass  dieses 
reimende  bete  nur  ein  erster,  tastender  versuch  war.  es  reimt 
2 mal  auf  bete,  1  mal  auf  tete,  warum  aber  nie  auf  Lanziletel  warum 
überhaupt  in  einem  gedieht,  in  dem  der  name  des  beiden  und 
mehrerer  nebenpersonen  die  reimform  begünstigten,  nur  so  spora- 
disches bete?  tete  reimt  auf  bete  275.  979.  1033.  1193.  1625 
(1  sing.).  2171.  2727.  3823.  4609.  5871.  7669,  auf  Lanzüete, 
nomin.i  4941.  5203.  5529.  6817.  7495.  7683.  7829.  8041.  8691. 
8703.  9202.  9212.  9293.  9407.  9421,  dat.  7943,  acc.  8999,  auf 
Orphilete  nomin.  687.  5897,  auf  Iwerete  4164.  4527,  dat.  9142, 
SiufKaylete  6031,  ^uf  Karjete  6343,  auf  von  Beforete  8719.  also 
tete  sollte  37 mal,  bete  nur  3 mal  reimen  können?  warum  finden 
Lanzilete,  Orpbilete,  Iwerete  und  die  andern  namen  ihren  reim 
26 mal  in  tete  und  nie  in  bete,  obwol  sie  aufser  auf  tete  auch 
10 mal  auf  bete,  gebete,  toete  reimen?  wir  sehen  also  tete  und  bete 
galten  Ulr. ,  obwol  er  sie  mit  einander  und  beide  wider  mit  bete 
bindet,  doch  nicht  für  gleichwertige,  gleich  willkommene  reim- 
Worte,  aber  auch  das  6ine  bäte  im  reim  des  Lanz.  ist  kaum  zu- 
fällig im  gedieht  so  vereinzelt,  wie  leicht  reimbar  die  form  ist, 
sehen  wir  beim  Stricker,   bei  Fleck,  im  Er.  und  Greg.,  dagegen 

^  eJD  sicheres  tet  ist  bei  Uir.  nirgend  belegt,  die  form  des  nomin. 
LanzHete  steht  wol  durch  Lanzilete  :  bete  4705.  5113.  5209.  8777.  7273. 
8049.  8199  fest,  ferner  acc.  Lanzilete :  zetamne  wete  9391,  :  mit  gebete 
6059,  dat.  Lanzilete :  bete  9311.  9341.  daneben  freilich  auch  Lanzilet  : 
gebet  9367,  Iweret :  gebet  3917,  Orphilet :  bret  1167. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  107 

dass  dichter  sie  absichtlich  meiden  bei  Rud.  und.  im  Iw.  Ulrichs 
form  war  häte  sieber  nicht,  am  Schlüsse  des  werkes  stellen  sich 
bei  ihm  viele  litterariscbe  reime  und  reimfreibeiten  ein,  wie  sonst 
bei  deo  dichtem  meist  nur  zu  anfang  (auch  bei  ihm  s.  s.  71). 
er  eilt  uod  flbereilt.  da  wird  er  sich  den  reim  hdte  9152  aus 
dem  Er.  geborgt  haben,  sowie  er  von  Harlm.,  um  nicht  ohne 
Meg  zu  sprechen,  auch  die  form  toeste,  die  er  gegen  schluss  des 
gedichts  einmal  verwendet,  entlehnt  hat.  seine  form  ist  totste^. 
den  plur.  zu  seinem  ind.  hete,  häten,  das  als  reim  auch  litterarisch 
•  überliefert  war,  gebraucht  er  ohne  scheu  und  einschränkung, 
sowie  täten  1187.  2127.  2887.  3003.  5555.  7603.  8823.  da- 
gegen ist  der  conj.  hcBte  doch  auffallend  häufiger  als  der  gleich- 
lautende ind.  —  12  :  3,  bei  Gotfr.  31  :  30.  aber  wir  mtlssen 
bedenken,  dass  Gotfr.  nur  die  form  hate  für  den  ind.  kannte, 
während  bei  Ulr.  sich  Mte,  häte  und  hcBte  in  den  ind.  teilen, 
oder  ist  hete  6185  der  conj.? 

Gotfr.  reimt  tete  bald  mit  stete,  bald  mit  bete;  stete  und  bete 
aber  lässt  er  nie  unter  einander  reimen  und  beweist  damit,  dass 
er  das  alte  reduplications  -e  anders  bebandelt  als  das  altgerman.  e 
der  Stammsilben  und  als  das  umlauts  -e  (s.  Beobachtungen  s.  495 
anm.  1),  eine  Unterscheidung,  für  die  wir  hei  UlQlas^  so  sonderbar 
diese  Zusammenstellung  ist ,  ihre  analogie  finden  :  ai  in  der  re- 
duplication,  t  im  stammt.     Konrad  vWürzburg  remitete  nur 

*  Ulr.  reimt  gette{n)  subst.,  engetten,  gleiten  ^  betle{n)y  ze  retten, 
rette  sahst.,  muotvette{n),  nötvette  unter  einander  :  t39.  161.  763.  785.  897. 
1117.  1345.  3717.  5567.  6273.  6623.  6675.  6803.  6829.  7407.  7615.  8307. 
S515.  8597.  8741.  9043  (es  reimte  beste),  nur  einmal  aber,  und  erst  7833 
reimt  er  toeste  (uzw.  conj.,  totste  ist  immer  ind.)  mit  zeleste,  dagegen  reimt 
im  typos  'isle{n)  auf  der  einen  seite  nur  gevristen  :  mit  wibes  listen  625 
uod  liste  :  vermiste  4473,  auf  der  andern  witte  :  liste  1923.  2037.  2747. 
7183,  Witten  :  listen  105.  5427.  6341,  :  vermisten  7037.  reimbequemheit 
var  es  also  nicht,  was  Ulr.  tviste  dem  weste  vorziehen  liefs.  aufserdem  bindet 
er  3707  weste  :  messe,  auch  erst  gegen  schluss  des  gedichts  erscheint 
HartJD.s  td,  7989,  vorher  nur  sdn  2427.  3055.  5287.  581 1.  ebenso  drängen 
sich  seine  alemannischen  m:n  alle  im  letzten  drittel  des  gedichts,  nur  ge- 
laden :  tidfgaden  4117,  sonst  kam: man  6543.  7611,  : gewan  7355,  ruom  : 
tuon  7757,  heim :  schein  9303. 

'  nach  Michels  Mhd.  elementarbuch  s.l59  soll  Gotfr.s  tele  analogiebil- 
duog  zu  hete  (aus  hnbete)  sein,  aber  wo  gibt  es  denn  im  13  jh.  ein  h^te^  wo 
bei  Gotfr.  und  wo  bei  allen  andern?  die  ältesten  dichter,  die  hete  reimen, 
reimen   es  coosequcot  mit  e,    so  Ulr.  vZatzikh. ,   Konr.  vWurzb.     und  die 


108  ZWIERZINA 

mit  Umlauts  -e,  s.  Grimm  Gramm,  i  885  (abdr.).  der  reim  tete  : 
stfte  begegnet  bei  Konr.  mehr  als  100  mal,  nur  die  gSchm.  und 
das  Turn,  bieten  keine  belege,  im  Troj.  :  4691.  4767.  5463. 
5901.  6211.  6303.  6469.  6603.  7211.  7957.  9127.  9759.  10229. 
10701.  10715.  11389.  12493.  12563.  12629.  14901.  17297. 
18755.  20455.  23713.  24197.  24651.  26081.  26129.  26977. 
27757.  27933.  31787.  31913.  34417.  35231.  35667.  36277. 
36627.  37053.  37915.  38789.  39021.  39402.  39967,  s.  ferner 
Engelh.  3107.  4425.  4537,  Schwann  36.  141,  Parton.  1559. 
5381.  5899  usf.  in  der  Halben  birue  reimt  v.  17  tete,  was  Woiff 
gar  nicht  bemerkt  hat.  aber  die  Halbe  birne  ist  eben  von  ihrem 
Verfasser,  wie  Lacbmann  sich  ausdrückte,  Konr.  vWürzb.  nur  auf- 
gelogen worden,  und  dabei  hätte  man  es  bewenden  lassen  sollen, 
der  plur.  täten  ist  bei  Konr.  vWürzb.  sehr  sehen  i.  in  den  ca. 
22000  Versen  des  Parton.  findet  er  sich  nur  Einmal :  5247,  ferner 
begegnet  man  ihm  etwa  Otte  611.  auch  in  den  ersten  beiden 
dritteln  des  Troj.,  ich  meine  v.  1 — 27000,  stehl  nur  6in  reim- 
beleg 6375,  erst  gegen  schluss  dieses  spätesten  Werkes  unsers 
dichters  wird  täten  plötzlich  häufiger  :  27579.  28145.  29747. 
31157.  33117.  33527.  33853.  39901,  ohne  dass  es  da  in  einer 
hier  erst  aufkommendem  formel  oder  redewendung  steht,  und 
hier,  nur  hier  gegen  schluss  des  Troj.,  finden  wir  auch  den 
plur.  häten{:  täten  39901)  und  den  plur.  heten :  getr&en  28195 
(ind.)  30967  (conj.). 

Bekanntlich  ist  die  gewöhnliche  form  des  prät«  von  hän  bei 
Konr.  vWürzb.  haste,  haten,  sowol  für  ind.  als  für  conj.,  sowie 
dies  die  einzige  form  Gotfr.s  vStrafsb.  und  Herborts  ist.  daneben 
kennt  Konr.  het,  hete,  u^w.  hete  wider  für  ind.  und  conj.  dieses 
hit,  hete,  im  Troj.  auch  hiten,  hat  stets  offnes  i  und  reimt  ausschliefs- 
lich  auf  bete,  gebet,  br&e,  tnete,  getreten,  nie  auf  stete  oder  tete. 

dichter,  bei  denen  hete  auch  zo  stete,  aufser  zu  bete  udgl.,  reimt,  die  machen 
zwischen  e  und  e  vor  t  dann  immer  überhaupt  keinen  unterschied,  so  Dir. 
vEschenbach,  £rnst  D,  Renner,  Rupr.  vWürzb.  oder  ist  auch  das  tete 
Konrads,  neben  dem  kein  tele  steht,  analogisch  zu  hete  gebildet,  ohne  dass 
Konrad  hete  jemals  anders  als  mit  e,  als  häte  streng  geschieden  von  tete^ 
gesprochen  und  gereimt  hat?  man  mäste  also  annehmen,  tite  sei  bei  Konr. 
nach  analogie  von  hete  zu  tete  geworden  und  hete  gleichzeitig  nach  ana- 
logie  von  tele  zu  hete.  mau  sieht,  wohin  solches  der  würklichen  sprach- 
verhältnisse  unkundiges  construieren  grammatischer  erklärungen  führt. 
^  vgl.  das  ähnliche  verhallen  Rudolfs  vEms  oben  s.  104. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  109 

wenn  also  der  verf.  der  Halb,  birne  337  heUe  reimt,  so  gebraucht 

er  nicht  nur  in  bezug  auf  das  doppelte  t,  sondern  auch  in  bezug 

auf   die    qualität  des  e  eine  bei  Konr.  vWUrzb.  unerhörte  form  : 

die  Halbe  birne  sagt  tele,  Konr.  tele,  die  Halb,  birne  sagt  hette  ^, 

Ronr.  k€ie.     als  der  Verfasser  der  Halben  birne  hefte  in  den  reim 

setzte,    glaubte  er  wol  besonders  konradisch  zu  sein,    denn  die 

reime  rftte  (f.  redete) :  bette  :  entoette  sind  für  Konr.  charakteristisch 

(WolCr  fttbrt  zur  Halb,  birne  337  kaum  die  hälfte  der  belege  an), 

wahrend  man  bei  den  meisten  andern  dichtem  der  zeit  den  reim- 

typus  'ftte  vergeblich  suchen  wird,     diesen  reimtypus  wollte  der 

Verfasser  der  Halben  birne  bringen  und  dabei  entschlüpfte  ihm  sein 

md.  hette, 

c 

Ich  führe  nun  die  belege  für  hit,  hete  bei  Konr.  an,  von 
denen  Wolff  aao.  auch  wider  nur  einen  teil  bringt,  auch  sondre 
ich  hit  von  hite  und  merke  an,  wo  die  form  den  conj.  bedeutet, 
wir  finden  hete  Parton.  5155.  5813.  5847.  Silv.  325.  1291. 
Pantal.  359.  656.  Alex.  1357.  Herzm.  339.  Schwanr.  502  (conj.) 
660  (conj.).  Troj.  3263.  3677  (conj.).  5277.  11511.  15097. 
15281.  16045.  16651  (conj.).  23537.  25040.  26601.  30315. 
37565.  37781  (conj.).  38687.  het  reimt  zu  gebit,  die  hss.  und 
heraasgeber  schreiben  da  merkwürdiger  weise  den  nom.  und  acc. 
oft  gebete  (s.  auch  Bartsch  anm.  zum  Troj.  10284)  :  Silv.  1335. 
1784.  5055.  Pantal.  1599.  Troj.  10284.  13013.  20441.  dieses 
ka  ist  nie  conj.,  was  ich  mit  rücksicht  auf  das  s.  102  gesagte  für 
keinen    zufall   halte,  hete   ist  erst  im  Schwanr.   und   Troj.  auch 

*  dieses  mitteldeutsche  oder  besser  rheinische  hette  halt  ich  für  die 
aas  hebita  entstandene  form;  hete  gibt  es  im  mhd.  nicht,  neben  hette  steht 
daDD  meist  ein  hatte,  das  aus  habeta  entstanden  ist,  und  beide  formen  gelten 
io  der  regel  für  ind.  und  conj.;  so  in  der  Erlös,  und  £lisab.,  wo  sie  neben 
iod.  und  conj.  hmte  (resp.  hade)  sowol  beim  auxiliar  als  beim  vollwort 
stebo,  während  Herb,  neben  hate  (resp.  h^de),  das  für  ind.  und  conj.  prät. 
des  auxiliars  so  wie  bei  Gotfr.  (vgl.  auch  Konrads  hoete  ind.)  allein  gilt,  ein 
hette  ODd  hatte  nur  als  präteritalformen  des  vollworts  stellt,  anders  ist  wol 
das  hatie^  conj.  hette  der  Martina  und  Heinzelins  (Ritter  und  pfaffe  232,  s. 
Pfeifers  anm.)  zu  verstehn,  das  als  auxiliar  neben  hdte,  conj.  hate,  in  diesen 
gedicbteo  steht,  es  ist  zu  beachten,  dass  Hugo  vLangenst  so  wie  Heinzelin 
t  und  tt  nach  kürze  ungescheut  binden  (s.  unten  s.  111  anm.  2),  sodass  hette 
auch  oft  zu  'fte  reimt  (so  wie  hatte  zu  -ate),  was  aber  nicht  nach  Michels 
und  Ehrismanns  hele  deutet,  ebenso  sagt  Kunz  Kistener  hette y  ob  er  es 
jeut  mit  betU  (201.  473)  oder  mit  ttje  (697.  833)  bindet,  ähnlich  sind  wol 
auch  die  zahlreichen  reime  von  hette  auf  itete  beim  Bäheier  zu  fassen. 


110  ZWIEßZINA 

coDJUDCliv,  der  plur.  beten  erscheint  erst  am  schluss  des  Troj. 
het  hSte  ist  also  wesentlich  seltener  als  tfte,  am  häufigsten  noch 
im  Troj.,  es  fehlt  im  Engelh.,  Otte,  gSchm.,  Weltlohn,  Klage  der 
kunst,  Turn,  und  den  Liedern;  im  Parton.  (22000  verse)  steht 
es  nur  3  mal  und  die»e  drei  mal  innerhalh  700  versen  sich  wider- 
holend :5]55.  5813.  5847. 

WolfT  hat  als  parallele  zu  dem  vereinzelten  kette  der  Halb, 
birne  ein  vereinzeltes  hete  und  ein  häte  fOr  Konr.  beigebracht, 
dieses  hSte  nun  stünde  zunächst  im  reim  auf  einen  namen  :  Lu- 
crete  Parton.  269  —  stund  iz  anderswar,  Daz  were  valsch,  und  ist 
ganz  dar.  Wand  sich  da  rlmet  der  name  (Hessler  Beitr.  24,  183). 
aber  wer  sagt  uns  denn,  dass  Konr.  Lucrite  gereimt  hat  und 
nicht  LuercBtel  welcher  reim  beweist  das?  Milete :  Lucrete  Parton. 
11145  doch  gewis  nicht,  und  hier  ist  auch  LucrSte  der  name 
eines  landes,  dort  der  einer  frau  und  die  hss.  schreiben  des  öfteren 
e  für  (B,  ich  würde  also  Lucraste  :  hate  für  den  text  in  Vorschlag 
bringen,  und  auch  mit  dem  hdte :  drdte  adv.  Parton.  11219  ist 
es  nichts,  es  ist  mit  Bartsch  htste :  drmte  zu  lesen  und  ein  adv. 
drate  für  Konr.  zu  constatieren ,  das  auch  Troj.  4383  auf  hoBte 
reimt,  im  Parton.  steht  übrigens  auch  häte  in  der  hs.,  und  wenn 
daneben  drate  geschrieben  ist,  so  beweist  das  nichts,  denn  der 
Schreiber  bezeichnet  a,  aufser  durch  regelmäfsiges  ä  und  durch  e, 
auch  durch  a,  s.  zb.  State :  hate  Parton.  13273.  im  Troj.  aber 
schreiben  an  der  betreffenden  stelle,  wie  es  scheint,  alle  bss. 
hcBte :  drcBte  (resp.  die  orthographische  entsprecbung  davon),  auol] 
ist  hcBte  hier  wahrscheinlich  der  conjunctiv. 

Neben  gewöhnlicherem  hdtehdten  12L  542.  656.  819*  llOl 
1437.  1521.  2145.  2207;  541.  693.  2408.  2497,  codj.  hmte  km§ 
143.  203.   409.   927.    1937.  2523.   2657    und   einmaligem  iij 
hate  55,  zu  anfang  des  gedichts,  gestattet  sich  auch  der  verß 
der  guten  Frau  einmal,   im  reim  auf  einen  oameQ^  da^ 
bei   ihm    wie  bei  Hartm.,   ßud.   und  Wolfr,  verpOnte  kii  (; 
Tolet  2433).     ob   hier  das  hit  ein-   oder   zweisilbig  reimt , 
schwer  auszumachen,     es  ist  3  sing,    oder  ist  nicht  het  :^ 
sondern  het:  Tolet  anzusetzen?  das  scheint  mir  dur  deu  Alii 
höchst  unwahrscheinlich. 

Dagegen  reimt  Wernher  im  Meier  Helm  brecht,  bü\ 
het  diuf  glet  1847,  eine  andre  form  des  prat  von  hän  keo 
uns  ist  dieses  hit:glit  sehr  wertToll,  da  Lacbmaiia 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  111 

(s.  darflber  Beobacbtungeo  s.  492  aom.)  behauptete,  dass  das  ein- 
silbige Aef  blofs  die  form  der  3  sing,  sei,  die  1  sing,  dazu  aber 
zb.  bei  Wirot  h&e  lautete,  ao  uusrer  stelle  des  MHelmbr.  aber 
ist  kii  erste  person  :  es  wird  also  Wig.  7114  sicher  Mahmit:hä 
anzuseUeD  sein  ^  wenn  Wirnt  auch  die  reimform  Mahmite  nicht, 
wie  ich  aao.  andeutete,  erst  aus  dem  Wh.  hätte  lernen  können, 
s.  Malmet :  iet  Rol.  96,  1,  ;  bete  Rol.  83,  7,  :  gebet  Rol.  123,  23, 
Makmeien  :  ze  steie  Rol.  31,  3.  144,  5.  147,  5  usf.  —  tete  reimt 
im  MHelaibr.  sowol  zu  bite  1147.  1265,  als  zu  stfte  849  und  zu 
hfte  (fQr  bette,  s.  auch  Warn.  711.  519,  Kindh.  Jesu  2415.  2569, 
vgl.  Lachmann  zu  Iw.  1212^)  1855.  es  findet  sich  daneben  kein 
andres  beispiel  der  bindung  von  -ite  und  -^te,  aber  in  dem  kleinen 
gedieht  kann  das  zufall  sein. 

Neben  dem  ind.  und  conj.  hete  beten  in  Reinbots  Georg — 
kete  :  propke'te  Zbb9.  4077.  4457  (stets  dritte  person),  hSten.'pro- 

*  das  eiDsilbii^e  ich  hSt  {:ttSt)  steht  ferner  noch  in  Mai  und  Beaflor 
d3,  19  Debeo  er  hSt  {:  stSi^  140,  15.  153,  37.  —  er  hSt  belegt  schlieCalich  aoch 
ülr.  vTürl.  (xTi  27.  clxxvii  11.  ccxLvm  1,  s.  Singer  s.  xvn)  und  Weinhold 
Bair.  gramm.  §  321  bringt  reimbeispiele  aus  der  Krone  und  dem  Tundalus. 
über  andre  formen  des  prät.  von  hdn  in  der  Krone  s.  Reifsenberger  s.  26. 
freilich  apokopieren  alle  diese  österr.  gedichte  hie  und  da  das  e  nach  dem 
I  (dber  MHelmbr.  s.  oben  s.  63),  da  aber  dem  hSt  meist  kein  klingend  ge- 
reimtes hete  gegenöbersteht,  ja  bei  manchen  auch  keine  einer  solchen  apo- 
kope  ganz  correlate  parallele,  dürfen  wir  hSi  woi  für  die  flexionslose  form 
in  ansprach  nehmen. 

>  Ygldrite  KronelU,  Mantel  348,  Lanz.  6701,  Mart.  100,21.  173,5.  208, 
109  oö.,  Minne!.  853,  in  almiten  Lanz.  2025. 3613.  5187,  enmiten  Bari.  68,  27. 
340,5,  Mart.  36,97.  87,73  uö.,  Minnel.  807,  hatte :  schale  Mart.  161,21. 
206,3  aö.,  rette, 'ttete  MarU  43,53.  77,23,  enwette  :  stete  Mart.  101,75. 
126,  69,  spotte(n) :  gote,  bote{n),  kriuzegote{n),  kestegote  —  das  o  in  diesen 
rerfoen  der  2  schw.  conjug.  ist  in  der  Mart.  (uud  im  Serv.)  stets  kurz,  nie 
laog  —  Lanz.  1847,  Bari.  184,  13.  206,  21.  236,  37.  247,  31.  325,  7. 
288,9.  200,  21.  233,  15.  257,  21.  260,31.  265,  15.  268,  7.  275,  13.  318,35, 
Marl.  61,41.  76,13.  41,34.  139,69.  109,101,  Minnel.  1289.  bei  spote{n) 
wird  man  för  Rud.  und  Dir.  wol  an  vereinfachtes  t  denken  dürfen,  jedoch 
ift  mir  im  allgemeinen  wahrscheinlicher,  dass  wenigstens  die  alemannischen 
diehtQDgen  (nnd  alemannisch  sind  die  meisten),  die  t  mit  tt  nach  kürze  binden, 
rinfaches  t  verdoppelten,  die  Österreicher  haben  bekanntlich  den  vocal  vor 
I  io  ofiber  silbe  gelangt  freilich  sind  die  betreffenden  verse  nur  bei  Hugo 
in  AtT  regel  dreihebig.  Hartm.,  Gotfr.,  Wolfr.»  auch  der  Türheimer,  kennen 
kein  späten  usf.,  resp.  keine  Verdopplung  des  t  nach  kurzem  vocal,  wol 
aber  kennt  der  Türheimer  das  alte  bitten  (.*  enifitt<«n  Trist.  589 ,  25 ,  ich 
bitte  .'dritte  Rennew.  Zs.  34,  1,  75)  neben  dem  allgemein  oberdeutschen  biten 
IS.  Rennew.  Adel.  Mag.  n  1,  60,  Germ.  16,  2,  30,  Zs.  34,  1,  55). 


112  ZWIERZINA 

pheten  2665  (conj.),  :planSten  3463  (conj.).  5711.  6009,  .'Marga- 
reten 4677  —  bedeutet  das  vereinzelte  hdten :  täten  5569  vielleicht 
nur  einen  litterarischen  reim,  auch  täten  findet  sich  nur  an  dieser 
stelle  gereimt,  der  sing,  lautet  bei  Reinb.  ausschliefslich  tfte, 
so  wie  bei  Konr.  vWürzb.,  er  reimt  auf  stete  (als  1  person  1389, 
als  3  person  3719.  4149.  4587.  5169.  5893.  5913),  nie  aber 
auf  bete,  gebite,  mite  usf. 

Ganz  so  wie  der  Georg  verhält  sich  auch  der  Servatius  Zs.  5. 
im  ind.  reimt  heter  auf  P4ter  151.  3039.  ob  häer  auf  hetf  er 
oder  auf  het  er  zurückgeht,  kann  man  nicht  sagen,  ebensowenig, 
ob  in  der  bindung  hete  3  sing.  ind.  .'Mahmete  632  h€te  anzusetzen 
ist,  oder  hä  hier,  wie  ich  es  oben  s.  111  für  Wirnt  postulierte, 
auf  ein  Mdhmä  reimte,  neben  het(e)  steht  dann  ein  vereinzeltes 
hwte  (conj.)  1891,  so  wie  bei  Reinbot  neben  hite{n)  ein  verein- 
zeltes häten  (plur.  ind.).  —  tele  reimt  im  Serv.  wie  bei  Reinbot 
(und  bei  Konr.  vWürzb.  s.  oben  s.  108)  stets  nur  auf  stete,  also 
mit  geschlossenem  e^  uzw.  Serv.  213.  899.  1381.  1823.  2139, 
streng  geschieden  von  bete  :  brete  3443  udglm.  ein  bete  :  stete 
belegt  der  Serv.  natürlich  so  wenig  wie  der  Georg. 

Häufiger  als  im  Georg  oder  Serv.  sind  in  der  Kindhheit  Jesu 
neben  den  österr.-bair.  hete  (3  sing,  conj.)  307  und  hiten  (ind.) 
2531  —  hiefs  der  sing,  heti  —  die  seit  Hartm.s  Er.  und  Greg, 
litterarischen  häte  (1883)  und  häten  (178.  1259)  im  ind.,  haßten 
(803)  im  conj.     der  ind.  hate,  ferner  hete  und  hit  fehlen,     tete 

^  an  täte :  ttäte  zu  denken  (also  etwa  das  alte  reduplications-e  gleich 
überofienem  ä,  dem  laut  des  zweiten  umlauts),  verbietet  Konr.  vWürzb.s 
gebrauch,  da  dieser  als  geborener  Franke  ä  und  e  unterschiedslos  bindet 
<8.  darüber  die  folgende  nr  8),  so  hätte  er  *täte  und  *ttäte  im  angenommenen 
fall  auch  mit  Mte,  bete  usw.  gebunden,  was,  wie  wir  oben  sahen,  nie  ge- 
schieht, er  sprach  tele  also  sicher  so  wie  stete  mit  geschlossenem  umlauts-«. 
an  State  könnte  man  bei  Wolfr.  denken,  der  es  mit  bete  bindet  (s.  Beobach- 
tungen s.  495)  und  anderseits  auch  sehr  oft  ä :  e  reimen  lässt  (s.  nr  8), 
ebenso  etwa  bei  Ulr.  vEschenb.,  Ernst  D  uaa.  wenn  aber  die  Österreicher 
und  Baiern  stete  stets  auch  auf  etymologisches  -ete  reimen  lassen,  so  ist 
an  einen  reim  von  ä  (also  stäte) :  e  nicht  im  entferntesten  zu  denken,  denn 
Österreicher  und  Baiero  halten,  wie  wir  sehen  werden  (nr  8),  ä  und  t  bis 
auf  die  spätesten  zelten  streng  auseinander,  dagegen  ist  hier  e  vor  muta 
in  offener  silbe  (wie  der  heutige  dialekt  beweist)  zu  geschlossenem  e  ge- 
worden und  der  reim  von  stete: -ete  dem  dialekt  nach  insofern  rein,  als 
etymologisches  e  und  etymologisches  e  vor  t  (6,  ^,  <Q  die  ursprünglich 
nur  dem  e  zukommende  geschlossene  qualität  hatten. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  113 

reimt  zu  aeie  673.  899.  2051,  nur  eiomal  zu  b€te  2517,  aber 
auch  u^esüete  2397.  täten  178.  1259,  conj.  getate  411,  ge- 
tmtm  469. 

lo  der  Urstende  finden  wir  einen  ind.  sing.  AiB/e  117,64, 
als  ind.  plur.  (zu  einem  sing.AeV?)  aber  nur  heten  124, 44. 125, 13  ^ ; 
jf^e  reiml  auf  gehite  121,  17.  122,  25,  tttt  aber  bleibt  unbelegt, 
men  105,  20.  106,  10.  108,  84.  112,73.  122,  3.  dagegen  reimt 
in  der  H  i  m  m  e  1  f.  M.  tete :  bete  387.  875,  niemals  -fte  :  -ite,  täten 
393.  877,  conj.  täte  537.  das  präl.  von  hän  steht  hier  nie 
im  reim. 

Eine  interessante  form  überliefert  Ulrich  v  Tür  he  im.  er 
reimt  Trist.  555,25.  583,37  als  3  sing.  ind.  prät.  von  hän 
heite:  seile  und  Trist.  575,  27  heite:  reite  (di.  redete),  auch  im 
Rennew.  steht  öfter  heite,  uzw.  für  ind.  und  conj.,  belege  bei 
LachmaDD  Kl.  Schriften  i  161  aam.  neben  heite  stellt  sich  ein 
präs.  er  heit  Trist.  498,  4.  500,  29.  568,  11.  sonst  kennt  Ulr. 
im  ind.  sing,  hwte :  tCBte  conj.  Trist.  508,  5,  ;  stCBte  Rennew.  Zs. 
26,  4%  36,  :wcBte  prät.  (vgl.  müete  553,  37)  Trist.  575,  35;  häte 
ist  selten,  ich  finde  es  nur  im  Rennew.  Lohmeyer  306,  der  plur. 
beifst  hdten  (wider  nicht  heeten)  Trist.  517,  9.  551,  39.  574,  37. 
578,  5,  Rennew.  Lohm.  265,  der  conj.  hcBte  Trist.  558,  31, 
Rennew.  Pf.  Ob.  47,451,  hcBten  Trist.  540,9. 

Die  form  heite  entstand  aus  dem  ahd.  hebita  (s.  KOgel  Beitr. 
9,520),  so  wie  einerseits  häte  aus  hahita,  anderseits  seite  aus 
segita,  neben  heite  findet  sich  bei  Ulr.  demzufolge  auch  das  präs. 
er  heit  aus  er  hebit,  so  wie  er  seit  neben  seite,  er  hat  neben  häte 
steht,  ich  glaube  nicht,  dass  dieses  heite  und  heit  (bei  Boner  auch 
wir  hein)  nach  analogie  des  conj.  heige  <<  hebege  gebildet  ist, 
wie  etwa  Paul  annimmt«  es  unlerligt  diese  herleitung  eines  be- 
legten heit,  hein,  heite  aus  der  analogie  zu  einem  im  13  jh.  un- 
belegten  heige  derselben  beurteilung,  wie  oben  s.  107  anm.  die  her- 
leitung des  belegten  tete  aus  der  analogie  zu  dem  nicht  beleg- 
baren hete.  aus  der  form  hebete  entsteht  also  die  form  heite,  ob 
auch  eine  form  hete  aus  ihr  entstanden  ist,  wie  Ehrismann  Beitr. 
22. 299  anm.  und  Michels  wollen,  bleibt  mir  zweifelhaft,  denn  erstens, 
wo  ist  denn  dieses  hfte^  das  älter  sein  soll  als   das  daraus  mit 

>  dieses  Debeneinander  von  hate  sing,  und  hSlen  plur.  auch  bei  Wolfr. 
obeo   s.  102.     sing,  hate,  plur.   hdten  bei   Dir.  vZatzikh.  s.  lOG   und   Ulr. 
▼Törb.,  8.  auch  hdten  neben  hate  bei  Kour.  vWörzb.  s.  lOS. 
Z.  F.  D.  Ä.  XLIV.     N.  F.  XXXIl.  8 


114  ZWIERZINA 

anlebnuDg  an  hcete  oder  tete  entslandeae  hite,  io  mbd.  zeit  be- 
legt? ich  find  es  nirgends,  zweitens,  wo  ist  das  aus  hebet  entr 
standene  alte  präs.  er  hftt  ein  prSis.  h€8t,  hit,  hint  kommt  erst 
in  sehr  späten,  meist  bochalemannischen  texten  vor  und  ist  dort 
natQrlich  abstraction  aus  dem  prSt.  hile,  dagegen  reimt  heüe^  das 
alte  resultat  der  contraction  von  hfhite  schon  in  der  Hochz.  373« 
914.  932  (Karajan  27,  17.  39,  22.  40,  10)  auf  setVe,  oder  ist  dort 
wenigstens,  wenn  wir  ESchrOders  zwei£ei  teilen  (s.  Anz.  xvn  292), 
so  in  der  alten  hs.  überliefert,  so  wie  es  bei  Konr.  vWOrzb.,  in 
der  gFrau  usf.  ein  rette  gibt  neben  dem  reite  Ulrichs  vTürh.^ 
Reinbots,  Konrads  vFussesbr«  usf.,  aber  kein  r^e,  so  ergibt  ahd. 
h^hita  höchstens  neben  heite  ein  hette  (s.  Halbe  bir,  ErlOs.,  Elisab«, 
Herb.,  oben  s.  109  anm.),  aber  kein  hete^  uzw.  einzig  und  allein 
bezeugtes  hite.  ebenso  steht  nur  hatte  (s.  oben  aao.)^  nicht  hate^ 
neben  hdte  <1  hahete  und  nur  schattet  latte,  nicht  sehate,  lote, 
neben  schdte,  läte  <<  schadete,  ladete.  hSte  kann  also  meines  er- 
achtens  nur  analogieform  zu  tete  sein,  in  der  weise,  wie  Schröder 
die  eotstehung  der  form  erklärte,  nur  ein  bedenken  hab  ich: 
KoMT.  vWürzb.  sagt  (so  wie  Reinbot,  Servatius  uaa.,  die  also  das 
alte  reduplications-e  durch  geschlossenes  e  widergeben,  während 
Gotfr.  und  andere  Elsässer  bei  diesem  und  nur  bei  diesem  e  in 
ihren  reimen  zwischen  f  und  €  schwanken)  constant  tete,  aber 
ebenso  constant  hite,  doch  kann,  wenn  hete  mit  dem  gleichen 
zwischen  e  und  f  in  der  mitte  stehenden  e  gesprochen  wurde, 
wie  tete  bei  Gotfr.  ^  hier  leicht  blofs  reimgebrauch  und  nicht 
Sprachgebrauch  die  Ursache  der  Scheidung  sein,  für  tete  fand 
Konr.  die  bindung  auf  stete  bei  Gotfr.  vor,  für  hete,  das  Gotfr., 
Hartm«,  Wolfr.,  Rud.  usw.  nicht  reimen,  muste  er  sich  selbst 
erst  die  ihm  richtig  scheinende  bindung  für  dieses  zwischen  e 
und  i  in  der  mitte  liegende  e  suchen  und  entschied  sich  ftlr  i; 
dass  er  dann  im  gegensatz  zu  Gotfr.  consequent  blieb,  kann  nicht 
auffallen. 

Wenn  Ehrismann  im  recht  wäre,  ein  *hete  aus  hebete  heraus- 
zuconstruieren ,  so  könnte  man  auch  hite  aus  einem  hebete  ent- 
standen sein  lassen,  dieses  hibete  liefse  sich  nämlich  tatsächlich 
aus  den  reimen  des  Strickers  und  des  Bühelers  abstrahieren,  beide 
dichter  reimen  niemals  i :  e,  weder  vor  g,  b,  d,  t  wie  die  Öster- 
reicher, noch  vor  andern  consonanten.  wenn  also  im  Dan.  2211. 
2353.   4153.   4237.  5933  (und  ähnlich  zb.  auch  im  DiocI.  926. 


MimiiHOCHDEDTSCHE  STUDIEN  115 

4961)  ^  das  piHt  des  voliworu^  sc  swh  gehebeU :  lebete  reimt,  so 
kaoD  dies  nicht  gehebete  mit  geschlossenem  e  seia.  der  Stricker 
keoot  neben  diesem  hebeU  auch  nur  ^in  habte  Karl  4967,  und 
di  ist  es  direct  aus  RoL  142,21  übernommeQ.  daher  ist  es 
B.  e.  mttfsig,  in  der  form  kebeU  dem  habete  gegenüber  mit  Rosen- 
hagea  Unters,  s.  40  eine  nicht  vorhandene  bedeutungsnuance  2u 
Sachen 2.  wenn  schon  nicht  Aete,.so  könnte  man  vielleicht  die 
km  hieu  (iod.  Gudr.  443,  3.  Riu  1677;  conj.  Gudr.  1015,  4. 
Bit  3438.  7567.  Krone  3548.  Konr.  vHaslau  727.  857.  945, 
pkr.  hieien  1216)  aus  solchem  hebele  erklären,  aber  wie  dieses 
hAeU  selbst  mit  seinem  alten  e  zu  erklären  wäre,  wüst  ich  nicht, 
ich  beßlDde  mich  hier  im  umgekehrten  fall,  wie  Ehrismann  und 
Michels,  die  ihr  kete  erklären,  aber  nicht  nachweisen  können, 
da  führt  ums,  glaub  ich,  die  beobachtang  auf  den  richtigen  weg, 
daas  sowol  der  Stricker  wie  der  Baheler  dem  ganz  oder  teilweise 
trSnkiscbeD  Charakter  ihrer  spräche  gemäfs,  wie  wir  nr  8  hören 
werden,  zwar  nie  e ;  e,  wol  aber  oß  und  unterschiedslos  ä:€ 
reiraeQ.  hebete  im  reim  auf  lebete  kann  also  eben  so  gut  häbete 
als  kehete  sein,  in  bestimmten  gegenden  war  also  erst  später 
als  analogisch  gebildete  form  nicht  habeta  neben  altes  habila^  son- 
dern habita  neben  altes  habita  getreten,  erst  als  der  process  des 
ersten  umlauts  bereits  vorüber  war.  a  wurde  demgemäfs  durch 
das  neue  t  nicht  zu  f,  sondern  nur  zu  ä  umgelautet  \  wir  werden 
ja  in  nr  9  sehen,  dass  die  österr.  -  bair.  set^e,  hleile,  vermit,  »teii 
(im  gegensatz  zu  geleit  <1  gtlegit)  wahrscheinlich  auf  solche  spä- 
tere sagitOj  klagita,  verzagit,  magit  (db.  magidi)  über  sägete,  klä- 
geie,  verzaget,  mdget  zurückgehn.  es  wäre  nicht  unmöglich,  auch 
keiie,  ja  auch  das  wesentlich  rheinische,  indicativische  kcBte  (eine 

1  s.  auch  Boncr  ^01^6^  put. :  geiekt  48,  3.  auch  Booer  reimt  ä:e, 
aber  oar  selten  e:  e. 

*  nm  dies  ton  10  können,  mass  RoseiiliageB,  der  behaoptet,  ^nnit' 
iKtfoe  beim  Stricker  habete,  nicht  hebeU,  Dan.  4153  die  bedeotang  von  he- 
beiß  'zweifelhaft'  sein.  Daniel  ist  in  ein  zaubernetz  gefiiUeo  und  wird  dort 
fettgebatten,  daae  er  keinen  finger  regen  kann  :  Er  wolde  M  gewU  wesen, 
Dom  in  der  i(oei  hebete, 

'  einige  rbeinfränkiscbe  dialekte  zeigen  dieses  ä^  resp.  die  entsprechung, 
aoch  beate  noch,  so  erfahre  ich  durch  Heeger  s.  8,  dass  icA  hib  usw.  (bd. 
ick  hmbe)  mit  offenem  laut,  dem  secandären  umlanls-e,  in  der  Südostpftlz 
gesprochen  wird,  das  e  (resp.  ä)  stammt  aus  der  2  und  3  person,  wo  habie, 
kakit  in  dieser  gegend  erst  später  für  habSe,  habSt  eingetreten  war. 

8* 


116       ZWIERZINA  MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN 

andre  erkläruDg  dieses  h(Bte  s.   oben   s.  102)  auf  unser  häbele 
zurückzuführen. 

Auch  in  bezug  auf  die  präteritalformen  von  tuon  gibt  Uir. 
interessantes  material.  er  reimt  tete  zu  5e/e  Trist.  514, 19.  571,  29. 
Rennew.  Zs.  f.  d.  ph.  13,  119^  55.  Adel.  Magaz.  ii  1,56,  Roth 
308,  165.  314,  79,  brete  Trisl.  522,  37,  Äntrite  Trist.  529,  11. 
534, 11.  565,  1 1  (vgl.  Antrete :  bete  528,  5),  Mahm&e  Roth  313,  39, 
er  reimt  aber  auch  zu  stete  Trist.  515,  5.  Uir.  reimt  sonst  niemals 
—  freilich  kenn  ich  vom  Rennew.  nur  einen  teil  —  €:  e  als  in 
Wirüersteten :  gebeten  Trist.  498,25,  vielleicht  mit  einer  reim- 
freiheit  beim  namen.  möglicher  weise  also  hat  auch  er  Gotfr.s 
indifferentes  tete  gesprochen,  ein  einsilbiges  tet  kennt  Uir.  nicht, 
wol  aber  ist  tete  bei  ihm  schon  hier  und  da  conjunctiv,  so  sicher 
Trist.  534,  11,  wol  auch  Trist.  514,  19.  diesem  conj.  tete  reiht 
sich  der  conj.  hete  und  plur.  heten  bei  Konr.  vWürzb.  an.  neben 
tete  heifst  der  conj.  auch  tcete  Trist.  505,  18.  508,  5.  558,  31. 
560,1.  573,11.  Rennew.  Pf.  Üb.  47,  451.  48,599.  51,831. 
Zs.  38,  63.  Germ.  16,  2,  40  und  tCBten  Trist.  540,  9.  den  plur. 
ind.  täten  find  ich  gereimt  Trist.  574,  37.  578,  5. 

Graz,  mai  1899.  KONRAD  ZWIERZINA. 

BLATTFÜLLSEL. 

Walth.  9, 14  :  die  übliche  beziehung  der  armen  künige,  die 
das  römische  reich  dringent,  auf  die  flüchtig  auftauchenden  thron- 
candidaturcn  des  Zähringers  oder  gar  des  Sachsen,  des  Pfalz- 
grafen, die  alle  nie  könige  wurden,  ist  mir  sehr  unwahrschein- 
lich, und  Otto  vPoitou  allein  ist  eben  nur  singular.  reguli 
heifsen  im  ma.  nun  aber  nicht  nur  die  gegenkönige,  sondern  na- 
mentlich auch  die  nichtdeutschen  herscher,  die  fictiven  .unter- 
kOnige  des  kaisers  (Wailz  VG.  vi*  159  f).  Walther  meinte  mit  den 
armen  künegen^  also  entweder  aufser  Otto  auch  Richard  vEng- 
land,  seine  rückendeckung  :  hatte  Heinrich  vi  den  Engländer  doch 
nahezu  als  vasallen  betrachteti  oder  aber  der  dichter  fürchtet 
von  der  kaiserlosen  zeit  eine  allgemeine  Schwächung  der  deutschen 
Weltmonarchie,  die  gerade  der  grofse  tote  verstärkt  hatte,  fasst  also 
neben  dem  Engländer  auch  Philipp  August  ins  äuge,  den  erst 
der  gemeinsame  feind  den  Staufern  verband,  und  den  unruhigen 
nachbar  der  nördlichen  reichsgrenzen,  den  Dänen  Knud,  bei  dem 
man  weifische  Sympathien  voraussetzte,  im  ersten  falle  wäre  der 
Spruch  nach  Ottos  wähl,  ja  krönung  abgefasst,  im  andern,  bevor 
Philipp  Augusts  bündnis  mit  dem  Staufer  (29  juni  1198)  allge- 
mein bemerkt  war.  R. 

^  arm  *  wertlos'  etwa  im  Iraditiönellen  (HMS.  ni  34*)  Wortspiel  mit  Mche^. 


AUS  DEM 
HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN, 


Die  von  KSckröder  Germ.  17,28 — 39  herausgegebenen  bruch- 
ifüdce  des  Gregor,  die  bei  Goedeke  i*  93  irrtümlich  nach  Colmar 
versei%i  werden,  bedürfen  einiger  berichtigungen.  icA  gebe  eine  voll- 
ständig  nachcollation: 

1507    oder  lieze   Did^       1524   mir  mir  mio       1530  sinen 
wolle       1535  zvivelen      1549  me  aio  ich      1565  sehen      1617 
gelich^  I  missitat      1627  alle  tinte  ist  in  dieser  gegend  abgewischt* 
aber  es  ist  deutlich,  dass  blofs  h^-e,  nicht  miD  stand,  es  folgt  un- 
mittelbar  joch^  dann  eher  mine  als  minir,  dann  girde  noch  merre« 
jedesfaUs  ist  -erre  sicher.     1643  schief     1645  Schire     l&gent 
1667   kvrzen      1688  wnd'er      1701  möfzic      1707  vrlvgis 
2105  hatde       2111  f&Ddenliche  sache  (das  f  ist  ganz  sicher) 
2115  mfit'     2128  tauele     2134  er  dar  lachende     2144  und  2158 
ivDcfrowe    2149  vile    2154  hatde  iz  die  magit    2166  oder  mochte 
2168  tr^ric      2173  enhan      2180  gute     2181  getegitis      2182 
segelis      2184  daz      2187  dfiz      2190  was  mac      2191  vch 
2195  genvme       2206  schit      2209  hvte       2215  higan       2219 
brvsten     2232  sp^ch     2236  gesvnt     2248  Seh     2249  Nil  want 
2252  hören     2253  dö      2260  ad'     2263  wol  zv      2267  ob  sin' 
zu  lesen  ist,  ist  nicht  deutlich,  das  abkürzungszeichen  scheint  aber 
siAer  zu  stehn,     smerze  scheint  mir  nicht  zu  stehn,    swere  e/a- 
gegen  möglich,     zweifelhaft,   ob   zwischen  swere  und  iender  noch 
ein  punct  anzunehmen  ist       2270  vn  sie  ime  beneme  mohte 
2273   zvge. 

II. 

2  blätter  einer  pergamenthandschrift  des  14  jhs»,  28  cm  hoch, 
22  cm  breit,  50  Zeilen  auf  der  spalte,  enthaltend  Bruder  Phi^ 
lipps  Marienleben  t?.  5030 — 5429.  ich  lasse  die  bemerkens- 
werten lesarten  folgen: 

5030  Sin  nas  waz  auch       33  iebse       41  hewflein      55  in 
schöner  prait      69 — 72  Daz  waz  gar  an  pein  Sein  füzze  vnd  sein 
hende  M.  zuhten  er  daz  wende  Daz  .  .  alle  die  lobes  iahen 
77  mandel  Irüch  (:  rokch)      78  siten  (:  Zeiten)      80  anfang  von 


118  FRANCK 

l'b   dhaineD   scbuech   phlagen   er  ze   tragen         81   Vod  seinen 
chintleichen.    darnach  rote  Überschrift  Von  der  sAzzen  sprach 
87  f  auch  die  er  chunde  Sey  beschaiden  alle  wol     5101  Got  vnd 
schepher  alles  dester  ist     8  von  anegenge     9  Vnd  ich  gewinne 
auch   nimm^   ende        17   gewalticleich       22   gehaizzen  ist 
29  beginn  von  Vs       47  welcher  sache  not       48  wie  text 
60   iechen   (:  geschehen)         65  erlose  von   der  tyefels  crunne 
(trünne?  :  chunne)       76  dinch  dew  suntleich        79  anfang  von 
l^b      86 — 88  Jesus  sprach  do  von  der  valant  An  mir  hat  dhain 
phant  Je  doch  wil  er  verraten  mich      90  Dar  zo  hat  er  beraitet 
sich  (:  geleich)      92  Süllen  ffigen       93  bring      303  da  von  ist 
mein  herz  zebrochen     6  sprach  ratne  mfiter     7  warnen     8  Die 
heiligen  scbrift  muesz      11  nicht  sware      12  gedenches  von  der 
red     15  In  dem  tempel  sprach  do  rtt  d!r     17  durch  dem  (oder 
dein)  hHczen     21  mein  laid  muezz  ich  sere  chlagen     29  beginn 
von  2'a       ertötet  (:vVaetet)       30  mein'  sei  (:  cheln)      32—33 
fehlen      34  Do  chumt      37 — 39  Vnd  hilft  in  von  irn  beinen 
Sus  wirt  der  tyefel   hd  Vff  mit  dem  gewalt  wsent  er  mein  sei 
An  sich   haben   gezogen  Dar  an  wirt  er  betrogen        42 — 43  ze 
stören  :  fflrent      44  Vnd  machent  si  vor  dem  tiefel      47  Aber 
ich  trawrich  worn  bin        48  So  ich   bor  nennen  deinen  töd 
49  Daz  ist  meines  hertzen  not     50  ganz  rote  initiale     62  Maria 
73  grozz  (70  so  grozzen)       79  beginn  von  2'b      warden;  diese 
form  öfter      84  sprach  lieber  herre  mein       95  chind  meins 
300 — 301    Die  sullen  ern  vnd  trösten  dich   Vnd  dir  dienen  alle 
geleich     303  Alles  trostes  ich  mich  ab  tun     6  sprach  ia  sende 
8  trost  satzehant     21  vil  grozzew  vrevd  inne  schawen      27  an- 
fang von  2^a       32  Lange       36  nicht  ganz  deutlich,  am  ehesten 
eruollen  (:  willen)      40  die  meschait      45  den  ewigen  Ion  (:  ge- 
tan)     47  Da      48  Solt  immer  ewichleich       52  Du  solt  sei  wol 
bewarn       53  sol  von  hinne  vam       54  Vnd  wil       59  Mit  allen 
vleiz  ich   ir  hüte  damoA  rote  ilbersehrift  Daz  Jesus  die 

christenhait  an  hAb  65  sand  67  zu  dem  wazzer  nach  5371 
rote  Überschrift  Daz  Jesus  an  hueb  ze  predigen  74 — 76  Zwelf 
iunger  die  wil  schreiben  alle  mit  nam  Daz  waz  pet's  v  and*as 
82  Sand  93  geben  Wirtschaft  96  brawtlust  99  prawtlust 
404  Vor  den  gesten  wein  ze  ran  22  Jesus  gab  dar  über  den 
«egen  (ohne  sin)  23  Daz  wazzer  ward  al  do  ze  wein  27  Vnd 
iiie«  alle  sie  trinchen  (:  scheuchen). 


ADS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      119 

III. 
Zwei  bldtter  uni  em  halbes  blatt  einer  pergamenthandschrift 
des  13 — 14  jks.,  35  em  A^ft,  23  cm  breit,  in  zwei  spalten  zu  je 
40  %eäeH  gesehrieben,  das  durdisckmttene  blatt  enthält  je  eine 
gamxe  spalte  van  jeder  seäe,  auf  dem  einen  blatt  steht  Recessus 
Haosae  Asoj  1597  Domioica  post  Trinilatis.  aus  dem  Veter- 
buch,  das  1  blatt  beginnt  mit  Franke  o.  241.  Aolbonius  hat 
eine  rot  uni  blam  verzierte  initiale;  auf  dem  mittdraum  zwischen 
den  beiden  spalten  steht  vö  seote  aotoDio  und  am  runde  in  roter 
sdurift  die  scUussoerse  der  einleitung  Jhesu  getruwer  leitesman 
Wä  ich  iz  durch  dich  wil  grifeo  an.  das  blatt  reicht  bis  401. 
wenn  die  einleitung  gegen  Frankes  text  nickt  gdcArzt  war,  um- 
foMste  sie  6  spalten,  es  giengen  also  wel  in  der  hs»  2  blätter 
voran,  und  der  text  begann  erst  auf  der  rückseite  des  ersten,  das 
2  blatt  war  jedesfalls  durch  ein  doppelblatt  vom  ersten  getrennt, 
sein  text  hat  noch  30  verse  von  dem  mü  Der  goles  degen  ge- 
truwe  (Franke  8ßS)  beginnenden  absatze,  das  blatt,  von  dem  nur 
die  hdlfte  erhalten  ist,  lag  später,  gegen  den  schluss  enthält  es 
die  verse 

swer  sich  durch  got  hat  gegeben 

\u  ein  gehorsamez  leben 

VD  doch  wil  ie  die  vrunt  besehen  (vgl.  Franke  1829/f). 

I?.  Diaticha  Catonis. 

Ein  zerrissenes  pergamentbkUt ,  das  jedesfalls  ein  doppelblatt 
war,  das  äufserste  einer  läge,  und  dann  nur  einspaltig  beschrie- 
bene Seiten  hatte,  es  enthält,  zum  teil  sehr  unsicher  lesbar,  reste 
einer  niederrheinischen  version,  die  mit  dem  von  Zarncke  Der 
deutsche  Cato  s.]60lf  verzeichneten  nd,  texte  übereinstimmt,  vgl. 
dazu  auch  Beets  De  Dist.  Catonis  in  het  middelnederl.  95  oben. 

Das  lat.  war  im  manuscript  rot  geschrieben,  im  folgenden 
ist  unsicheres  cursiv  gesetzt. 

1. 
C 

De  sich  msheit  wail  versan 
Inde  wais  zu  rome  in  eren  gewis. 

1  VOM  der  oberUen  %9ile  noch  das  heruntergezogenB  G  von  Gat4i 
sichtbar.  2  hinter  wis  ein  loch. 


120  FRANCK 

Men  du  he  sach  der  weyrelt  bloss 
5  Van  duchden,  seyden  inde  züchten, 

Du  begunde  he  sere  suchten 

Vm  eynen  sun,  den  hadde  he  du. 

Den  larde  he  inde  sprach  also. 
Cum  animadverterem  quam  plurimos  homines 
grauiter  errare  in  uia  morum 

Eyn  dencken  mir  zu  herzen  quam, 
10  Da  van  ich  in  den  moide  vernam 

Dat  veil  der  lüde  ir  zyt  verquisten, 

Dey  guder  seyden  neyt  en  wisten. 
Succurrendum  et  consulendum  eorum  memo> 
rie  fore    existimaui    maxime    ut   gloriose    vi- 
uerent  et  honorem  contingerent. 

Du  dacht  ich  doch  an  minen  müit 

Dat  in  zo  helpen  weir  gftit, 
15  So  man  in  ge&e  g&de  lere, 

Da  mit  si  mochten  crigen  ere. 
Nunc  te  fili  carissime  docebo   quo  pacto  mo- 
res .  .  .  tui  componas. 

0  alre  leifste  sun  min, 

Nv  wil  ich  dir  eyn  lere  sin, 

Wey  du  süyls  (?)  din  leyuen  maissen 
20  Inde  z&  gftden  dftchden  saissen. 
Igitur  precepta   mea  legito  ut  intelligas  .... 
enim  et  non  intelligere  negligere  est. 

Lis  dicke  sftn  inde  ouch  verstaut 

Wat  di bekant 

2. 
Du  zu  •  .  .  taus 
Dat  d&  geit  in  den  büdel  hais. 
Wat  boüh^  sallu  ouch  gelden, 
So  in  darf  man  dich  neit  drugener  scheiden. 
Cum  bonis  ambula.     Saluta  libenter. 
5  Sun  du  Salt  wandelen  da  du  weis 
Gude  Iftde^  dat  is  min  geheis, 

2,  1  hinter  zu  ein  loch  im  pergament,  2  gelt  scheint  nicht  zu 

stehn,  3  vieüeiehJt  wat  du  koifs? 


AUS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      121 

Inde  alle  I&de  gerne  grftissen, 

So  mach  dir  gude  aotwerde  gemftissen. 
Ad  coDsilium  ne  accesseris  antequam  voceris. 

Sud,  mirke  vort  dey  lere  myn: 
10  Wa  dey  lüde  zu  sameue  syo, 

Neil  in  gancch  in  eren  rait, 

E  man  dich  geiüfen  hait. 
Hundus  esto.    Verecundiam  serua. 

Du  Salt  kuysch  syn  inde  reine 

Mit  denken,  worden  inde  in  werck  gemeyne 
15  Inde  alle  zyt  halden  schamelheit« 

Hey  leift  der  werelde  we  dat  deyt. 
Haiori  cede.     Minorem  ne  contempseris. 

Sun,  du  Salt  al  zyt  deme  groissen 

Wichen  me  dan  dime  genoissen 

Inde  den  cleynen  neit  versmain, 
20  So  machtu  lof  der  l&de  hayn. 
Faroiliam  cura.     Rem  tuam  custodi. 

Sun,  sorge  ir&r  dey  deiner  din, 

Vp  dat  si  dir  getruwe  syn. 

Dine  haue  saltu  wyslichen  halden, 

So  in  dartu  neit  in  sorgen  alden. 
Conuiuia  raro.     Vino  te  tempora. 
25  Wirtschaf  zu  dicke  s[altu]  laissen 

3. 

Wes  du  ane 

Macht  dat  in  saltu  neit  ... 
Id  haent  dicke  lüde  ge  .  .  . 
Den  gftden  luden  wail  .... 

Quod  tibi  suspectum  est  con 

Namque  solent  prtmo  que 

5  Wuchs  dinchs  dft  wairheit  .  .  . 
Des  ganch  snel  us  dac2  .  .  . 
Want  wat  man  leist  in  z  .  .  . 
Des  mach  man  na  maits  .... 

Quin  te  detineat  veneris 

indulgere  gule  noli  que  v 

2,  25  hinter  s  des  ergänzten  saltu  loch  im  pergamenl. 
3, 1  die  seile  oben  abgeschnitten. 


122  FRANCK 

SuD^  is  dat  dir  vokiiische  [minne] 
10  Hait  beklummen  dine  sione, 

Sud,  so  saltu  halden  maissen 

An  aoer  drancke  inde  ouer  a[i88e] 
Cum  tibi  proponas  animalia  cuoc  .  .  . 
Vnum  precipio  hominem  plus  .... 

Bistu  von  8yDB€Df  sün,  so  cley[u], 

Dat  du  ?ürtes  alle  dir  geme[yD}, 
15  So  ffLrte  den  rainschen  vore  [al], 

Den  man  zu  rechte  vilr([en  sal]. 

Cum  tibi  preualide  f 

Fac  sapias  situ  poter 

Sun  haistu  starke  m  .  .  . 

Dey  dir  nature  hait  ge  .  .  . 

Bis  in  dinre  starcheit  w[ys?], 
20  So  wilt  man  dat  du  mecht[ich  sys?]. 

Auxilium  a  notis  petito  qu 

Nee  quisquam  melior  medic 

Bistu  mit  arbeide  grois  bea  .  .  . 

4. 

fuge  nomen  auari 

sint  si  pauper  habundas. 

•.  .  .  .  guit  erspart 

dins  bedart 

bistu  riebe  bekant 

arch  inde  vreeh  genant. 

....  ruare  velis  dum  vivis  honestam 

que  sunt  mala  gaudia  vite. 

5 ferstain 

eihie  hayn 

die  gering 

t  böser  duing$ 

noli  ridere  senectam 

sene  sensus  puerilis  in  ilio  est. 

....  hailt  dit  gebot 
10  ...  .  alden  geynen  spot 

....  echt  den  wiseu  kint 

....  sinnen  blint. 


ADS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      123 

Dam  cum  subito  fortuua  recedit 

....  que  hominis  non  deserit  vnquam. 

iMMii  deutschen  nkkts  eieker  zu  hsen. 
.  .  .  acite  quod  quisque  loquatur 
.  .  .  mores  celat  et  indicat  idem 

hey  in  dort 

de  wort 

den  deil  der  munt 

20 werden  kunt. 

V.  'Vom  andern  land'. 
Das  folgende  gedieht  steht,  in  schrift  aus  dem  15  jh,,  auf 
emem  wolerhaltenen  zweispaltigen  pergamentblatt,  das  von  anfang 
an  ein  einxüblatt  gewesen  zu  sein  scheint, 

Äufser  dieser  version  A  kenne  ich  vier  andre  :  B  bei  Meusd 

Hist.'litter.'bibliogr.  magazin  7,  166/f  noA  einem  Meininger  nui- 

nuscript  von  1477.    nach  derselben  hs.  vemeuhochdeutscht  mit  aus- 

lassung   von   11  Strophen  in   Des  knaben  wunderhom  iii  \82ff; 

auch  übernommen  bei  Erlach  Die  Volkslieder  der  Deutsehen  ii  599 /f. 

€  bei  Mone  Quellen  und  forschungen  i  126/f  nach  einem  manu- 

saripe,  das  Mone  ins  ende  des  H  jhs.  setzt,  und  das  die  inschrift 

trägt  :  über  monasterii  beati  Antonii  in  Albergben,  canonicorum 

regularium,  datus  a  venerabili  domino  Hinrico  Maibiae,  vicario 

in  Wersloei.    D  aus  einer  Oxforder  hs.  des  \h  jhs.  veröffentlicht 

c4m    Kalff  Tydsehrift   voor  ndl.  taal-  en  letterkunde   4,  iSSff. 

dazu  5,90/*  und  Priebseh  Deutsche  hss.  in  England  s.  151Jf;  vgl. 

320 /f.    E  nach  einer  von  Mantels  Zs.  d.  ver.  f.  lübeckische  gesch. 

2,  528 /f  veröffentlichten  hs.  der  stadtbibl.  zu  Lübeck  bei  Oesterky 

Niederd.  dichtung  im  mittelalter  61)f.     über  den  von  Steinmeyer 

Anz.  vfi  172  erwähnten  text  in  einer  Danziger  hs.  weifs  ich  nidus 

näheres. 

Das  verwantsehaftsverhältnis  dieser  texte  untereinander  ergibt 
sich  schon  ziemliA  klar  aus  dem  Strophenbestand.  A  stehn  B  und 
C  nahe,  in  B  feUt  str.  4;  25  steht  hinter  26;  es  hat  je  eine 
Strophe  mehr  hinter  11.  16.  17  und  20.  str.  36  findet  sich  allein 
in  A  und  B.  C  hat  dieselben  Strophen  mehr  wie  B,  es  fehlen  23 
und  36.  recht  stark  weichen  D  und  E  ab;  es  fMen  viele  Strophen^ 
vereinzelt  sind  sie  auch  anders  geordnet,  und  zwar  stimmen  beide 
^  petzt  in  Brüssel  Bibl.  roy.  19575;  vgl.  Borchling  Mnd.  hss.  1 270.    B.] 


124  FRANCK 

unter  einander  in  dieser  beziehung  zum  grofsen  teil  überein,  von 
den  plusstrophen  teilen  beide  die  hinter  16,  D  die  hinter  20  und 
E  die  hinter  17  mit  B  und  C.  weitere  plusstrophen  hat  noch  eine 
jede  für  sich,  besonders  E. 

Eine  ganze  reihe  stärkerer  Verschiedenheiten  in  einzelnen  les- 
arten  schliefst  DE  gegen  die  gruppe  ABC  ab;  so  1,  1.  1,  3  —  I> 
las  wie  E;  weitere  abweichung  unter  einfluss  von  3,3  — .  3,3. 
4,  1—3.  5,  2.  6,  1—2.  6,  3.  10,  1—2.  13,  1  (B  fehU).  13,  2 
(B  fehU).  20,  1.  20,3  —  4.  26,3.  27,  1.  27,2,  27,3.  28,  1 
(E  fehlt),  30,  1 — 4  —  in  3  stand  die  gemeinsame  vorläge  von 
DE  dem  ursprünglichen  vielleicht  noch  näher  — .  33^  3  (E  fehlt). 

34,  1—4. 

29,  2  dürften  ABC  auf  einem  gemeinsamen,  allerdings  nahe 
liegenden  fehler  beruhen,  ursprünglich  lautete  es  etwa  wy  e» 
wizzeo  (oder  wizzens)  nihi,  dals  uose  pyn  (oder  dat  doet  uns 
pyn).    E  hat  dann  anders  geändert. 

In  der  gruppe  DE  steht  D  noch  näher  beim  ursprünglichen 
4,  3.  6,  3  (?).  13,  4.  27,  4;  dagegen  E  4,  1.  29,  3  (auch  4). 

In  der  andern  gruppe  stimmt  in  bemerkenswerter  weise  A  mit' 
B.     11,3  daden  ^e^en  doen;    17,3   gerant  gegen  to  hant    (DE 
fehlen);    21,4  seer  swaer  fehlt;  34,3  —  4    (B   Und   blibe  doch 
vmnier  voser  vorslaod,    Als   wir  faro  dahen  in   daz  ander  lant; 
C  und  bliven  unser  underslant^   als  wy  komen   int  ander  lant);. 

35 ,  3  —  4  (B  Vnd  behüte  vns  vor  dem  hoste  (I)  viant  Daz  wir 
nit  komen  in  daz  hellische  laut;  C  ende  behoeden  ons  vor  der 
vianden  hant  (hant)^  dat  wi  niht  en  komen  in  der  helle  baut). 
A  und  C  stehn  sich  näher  1,  4  (C  thuet;  B  bringe)  und  IQ,  2 
mit  dem  übereinstimmenden  fehler  van  für  wan;  femer  15,  4. 
21,  3.  25,  1.  30,  1.  30,  2-3.  auffällig  ist  18,  3,  wo  die  falsche 
lesart  von  B  Oder  eyn  uuwe  kyste  bekannt  beweisen  dürfte,  dass 
auch  in  der  vorläge  von  A  das  in  C  stehnde  nouwe  (of  nouwe 
ene  bloten  kysten  sonder  gewant)  noch  ähnlich  vorhanden  gewesen 
sein  muss.  B  stimmt  mit  C  auch  16,  1;  sieh  lesarten.  wenn  C 
6,  4  in  brenget  mit  E  bringhet  (D  list  anders)  gegen  sleyft  von 
AB  stimmt,  so  ist  das  wol  zufall. 

Öfters  hat  B  auf  eigene  hand  geändert,  so  5,  3.  7, 1.  11,  1. 
18,  2.  18,  4.  32,  2  (?).  eine  {beabsichtigte?)  änderung  von  C  ist 
sorghen  8,  1  für  scorgen,  von  A  27,  1,  wo  alle  andern  das  ad- 
jectivum  krumm  haben. 


ADS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      125 

Nach  diesem  tatbestand  dürften  von  den  in  A  fehlenden 
siropken  dem  ursprünglichen  gedidUe  angehört  haben  11'  (m  B 
und  C)  »,  16'  (BCDE)2,  17»  (C  und  E)3,  20'  (BCD)*,  wogegen  die 
sonst  nirgends  vorkommende  Strophe  23  von  A  oder  seiner  vorläge 
xu^esetsa  sein  wird,  hier  und  in  Strophe  9.  11.  16.  21.  26.  32 
utid  34  steht  in  unserm  text  dat  ander  lant,  sonst  stets  eyn  an- 
der laot.  offenbar  war  dat  ander  lant  eine  geläufige  redensart, 
^e  B,  D  und  E  {in  B  mit  ausnähme  der  ersten  Strophe)  überall 
gegen  den  Wortlaut  des  ursprünglichen  gedichts  aufweisen^  während 
auch  in  C  daneben  een  noch  oft  stehn  geblieben  ist,  ob  die  nur 
in  AB  vorhandene  schlussstrophe  in  C  (und  DE)  ausgelassen  wurde, 
oder  erst  in  einer  gemeinsamen  quelle  von  AB  hinzukam,  wird  sich 
ohne  weiteres  nicht  entscheiden  lassen. 

Str.  14  {fehlt  in  D  und  E)  ist  Rome  :  schone  gebunden, 
^r.  11,  1  nemen  :  ontwenen  (B  hat  geändert  in  Schemen;  DE 
fehlen),  diese  nicht  ganz  genauen  reime  müssen  wir  dem  original 
suschreiben.    wenn  also  10, 1  A  krygen  :  liggen,  B  erkrygen  :  lygen, 

*  sie  lautet  in  G: 

gheen  schände  of  schade  saltu  klaffen 
van  monken,  «nunnen  ende  van  pafTen; 
se  syn  godes  schal  ende  edele  prysant; 
se  geven  rede  in  dat  ander  lant. 

•  in  C :         wy  gaen,  als  de  hyr  vor  waren 

starck,  wys,  rike,  schone,  jonck  van  jaren. 
woe  man  se  noemet  of  weren  ghenant« 
se  syn  al  vort  in  een  ander  lant. 
V.  1  gaen  ouer  hem,  die  lüde  waren  D,  gen  over  se  de  ok  lüde  vereii 
E;  ursprünglich  gaen  over,  als?  v,  3  abel  notabel  wys  ende  becant  D, 

se  menden  van  kranckheit  syn  ongeschantt  £        v.  4  vor  B,  voer  D,  doch 
al  gevaren  E. 

'  in  C:         alse  god  wil  hebben  rekenynghe 

van  onser  tyd  ende  van  allen  dynghe; 
wes  wy  van  gode  dan  werden  bekant, 
daer  nae  gheet  id  uns  in  dat  ander  lant. 
r.  3  —  4  so  moten  beven  alle  ofßciant,  wente  wy  jo  moten  in  dat 
ander  lant  E. 

*  in  C:         0  siele,  o  siele,  geystelike  creature, 

god  schoep  dy  na  synes  selves  figure. 
wat  da  heft  gheseyt  of  gheplant, 
dat  nimpstu  mit  in  dat  ander  lant. 
V.  3— 4  In  den  lichaem  heet  gheplant  Daer  moet  se  ut  ende  int  ari- 
der lant  D.  V.  4  Daz  saltu  nemen  B. 


126  FRANCK 

C  abtr  krigheo  :  bliveo  reimtn  (DE  haben  geändert) ^  so  könnten 
wir  auch  hier  wol  den  consonantisch  ungenauen  reim  von  C  für 
den  des  Originals  ansehen,  da  aber  18, 1  bei  ABC  krygen  :  ligen 
widerkehrt  (D  wider  geändert,  E  feUt),  so  isi  auch  der  reim  krlgen : 
hgeü  dem origmalzuztischreiben,  dem  femer  gebaren  (für  geboren): 
tzwareo  angehört  (D  und  E  ändern),  dien  beiden  reime  beweioen 
jedesfaUs,  dass  das  gedieht  nicht  niederländischen,  sondern  deutschen, 
und  zwar  mederrheinischen  ur^rungs  ist.  nichts  nötigt  uns  aus 
dem  gebiete  der  kölnischen  litteratursprache  herauszugehn,  weder 
die  Vernachlässigung  des  lautlichen  Unterschieds  von  ü  und  ü  in 
krude  :  lüde  str.  7,  von  6  und  ö  in  Rome :  schone  str.  14,  noch 
der  inf.  benedidea  :  ziden  str.  9  ii>gl  Weinhold  Mkd.  gr.*  §  189), 
noch  bescreven  :  leven  str.  36  (bescreven  31, 1;  hemelrych  35,  2), 
noch  auch  gheplaat :  lant  str.  20*  (vgl.  Wahlenherg  Die  niederrh, 
mda.  und  ihre  verschi^mngsstufe  s.  10  und  11).  verwiesen  sei 
auch  auf  den  gebrauch  von  klafTen  (:  paffen)  str.  11*  und  auf  die 
form  smachen  24, 2.  bringen  wir  die  paar  unverschobenen  formen 
yc  7,  1.3,  bloet  8,  4  und  ungelyck  16,  1  —  der  fehler  von  B 
vngelucke  seheint  merkwürdiger  weise  fast  auf  dieselbe  form  zu 
weisen  —  in  anschlag,  die  aus  einem  original  mit  zahlreicheren 
unverschobenen  formen  stehn  geblieben' sein  könnten,  so  hätten  wir 
vielleicht  möglichst  nördlich,  aber  gewis  nicht  über  Neufs  hinaus 
zu  gehn.  C  ist  also  eine  ziemlich  getreue  Übertragung  in  eine 
plattdeutsche,  wol  dem  nordwestl.  Westfalen  angehörige  mda.  ganz 
nahe  dem  original  standen  offenbar  die  vorläge  von  A  und  von 
B,  welches  letztere  auA  noA  die  niederrheinische  färbung  wahrt, 
auf  nd.  gebiet  wurde  dann  das  rhein.  gedieht  stärker  überarbeitet, 
zum  teil  wol  auch  der  spräche  wegen,  aus  dieser  bearbeitung 
stammt  das  für  die  novizen  eines  nonnenklosters  (oder  für  schule- 
rinnen?)  —  5,  2  wy  sint  tomale  docbtere  van  asschen;  16,  1  al 
siDt  wy  junghe  lüde  van  jaren  —  znrecht  gemachte  E  und  D, 
dessen  original  wol  im  Bremer  gebiet  entstanden  ist;  vgl  die 
21  Strophe  bei  Kalff.  auch  die  in  diesem  text  vorliegende  um-- 
Schrift  in  eine  local  gefärbte  nl.  Schriftsprache  verläugnet  den  platt- 
deutschen Ursprung  nichi  ganz  {rein  plaUdeutsch  ist  12,  4  hier 
mede  ward  ik  sent  iot  ander  lant)  und  gehört  jedesfalls  ins  rechts- 
rheinische gebiet  des  niederländischen,  das  'friesische  Marienlied' 
(s.  Zs.  37,  240)  dürfte  also  würklich  auf  altfriesischem  boden  ge- 
schrieben sein. 


AOS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      127 

1.  Et  yn  ys  neit  alwege  vastauent; 

Der  doel  der  kompt  eod  brenget  deo  auent 
Ende  bynt  tos  myt  eyme  so  vasteo  bant, 
Dat  he  vns  trecket  yn  eyn  ander  lanU 

2.  Ouch  eyo  ys  neit  alwege  i»ey; 
Wyr  moissen  daussen  an  den  rey, 
Da  Tns  dat  meyen  wyrt  yntwant, 
Ind  syngen  voirt  na  eyn  ander  lanU 

3.  Alwege  yn  mögen  wyr  hyr  neit  blyuen, 
Der  doet  wylt  vns  van  hynne  driuen 

Noch  schyr  morn  ofT  altzo  hant. 

Got  der  weis  yt;  wyr  moessen  yn  eyn  ander  lant. 

4.  Wyr  hoffen  alle  tzyt  lange  tzo  leuen 
Ende  begeren  dat  yt  vns  gae  euen. 
Also  bleuen  wyr  gerne  an  dussen  kant 
Tzwair  neynl  wyr  moessen  yn  eyn  ander  lant 

5.  Wie  scone  wyr  vns  tzieren  ofte  weschen, 
Wyr  synt  alle  eyrst  comen  van  eschen. 

Dat  eyrste  pair  Volkes  dat  men  vant 
De  synt  och  vort  yn  eyn  ander  lant. 

6.  Ocb,  wat  ys  soessers  dan  dat  leuen  I 
Wyr  moissen  steruen  ynd  allet  begheuen: 
Der  doet  der  kumpt  sunder  wedderstant 
Ende  sleyft  vns  yn  eyn  ander  lant. 

7.  Ich  wach,  yc  brech,  yc  heue,  yc  krude 
Vmb  goer,  dat  ys  doch  ander  lüde. 

Yc  was  ouch  hyr,  do  yck  yt  vant; 

Ich  laissent  hyr  end  varen  yn  eyn  ander  lant. 

8.  Ich  gaen  hyr  scheren  ynd  scorgen 
Vmb  goef,  off  ych  mych  solde  erworgen. 
Got  en  bait  mych  daer  vmb  neyt  her  gesant, 
Want  naket  ind  bloet  varen  ych  yn  eyn  ander  lant. 

9.  Ich  solde  byr  got  tzo  allen  tzyden 
Louen  daucken  ind  benediden; 

Dat  were  myn  schylt,  min  mure,  myn  want 

lesarten  der  andern  texte  werden  nur  aus  beeonderm  anläse  ge- 
geben. 2,  4  So  MDgen  wir  fort  in  das  B,  unde  singea  voert  in  een  G; 
die  atrophe  fehlt  DE.  9,  3  wer  myn  schylt  ond  mya  gewaat  B,  were 
myn  mure  (ende)  myn  want  G;  in  DE  fehlt  die  strophe. 


128  FRANCR 

Voir  Sathanas  in  dat  ander  lant. 

10.  Her  gyr,  her  gyr,  wat  moecht  yr  krigen? 
It  mois  doch  allet  hyr  blyuen  lyggen. 

Myt  vns  moest  yr  vnder  den  sant 
Ind  varen  hyn  yn  eyn  ander  lant. 

11.  Niemantz  goet  ofT  eere  to  nemen, 
Vrunt,  des  salstu  dych  yntwennen. 

De  dat  daden,  de  worden  geschant 
AI  hyr  ynd  ouch  yn  dat  ander  lant. 
ir  sieh  oben  s.  125. 

12.  Wair  ys  Karl,  Hector  myt  Allexander, 
Julius,  Artes  ynd  mannych  ander, 

Rytter,  knecht  ind  mannych  scharyant? 
War  anders  dan  yn  eyn  ander  lant? 

13.  Pais,  keyser,  hertzogen  ynd  greuen, 
Geistlich,  werentlich,  nichten  ind  neuen: 
Dysser  ys  mannyger  voer  gesant, 
Sunder  wedderkeren,  yn  eyn  ander  lant. 

14.  Were  enych  keyser  van  Rome 
So  wert,  so  edel  ynd  so  schone 

Als  eyn  karbunkel  off  dyamant, 

Hy  mois  dannoch  yn  eyn  ander  lant. 

15.  Yr  aduocaten,  yr  officialen, 
Rychter,  scheden  altzomalen^ 

ir  bleuet  gerne  hyr^  hed  yrs  hant; 
Auer  neynl  yr  moest  yn  eyn  ander  lant. 

16.  AI  synt  wyr  hyr  vngelyck  van  jaren, 
It  ys  myslich,  wan  wy  van  hynnen  varen. 
Alt,  jonck,  starck  ofT  wal  bewant, 

Wyr  moessen  al  yn  dat  ander  lant. 
16*  sieh  oben  s,  125. 

17.  Der  dach  der  mach  tzom  auende  kamen, 
Ti  sy  tzo  schaden  o(T  tzo  vramen, 

13, 3  voer  CD,  vore  E,  oer  A.  15, 1  Yr  aduocaten  vnd  yr  officiale 
B,  gy  advocateQy  gy  officiale  G,  Yr  officialen  yr  aduocaten  A;  in  den 
übrigen  fehlt  die  strophe,  15,3  hant  auch  in  BG.  16,1  Wol  hen 

vngelucke  B,  wal  hen  al  syn  wy  öngelic  G,  AI  synt  wy  jonghelic  D,  AI 
synt  wy  junghe  lüde  £;  wal  hen  ist  offenbar  ursprünglich,  16,2  van 
wy  van  hynne  (henne)  AG,  wan  wir  van  hynen  B,  wen  my  van  henne  E, 
wie  voer  sal  D.         17, 1  mach]  mot  E. 


ADS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      129 

Na  dem  leuen  kompt  der  doet  gerant 
Ind  driuet  ?08  yo  eyn  ander  labt. 
17'  9ieh  oben  s.  125. 

18.  As  wyr  syot  doet  wyr  magen  (I)  krygen 
Eyn  alt  lachen,  da  wyr  yn  lygen, 

Off  eyn  bloisse  kiste  sunder  gewant. 
Das  varen  wyr  arm  yn  eyn  ander  lant. 

19.  Och  wat  geselschaff  vynden  wy  dairl 
Kraden,  slangen,  wormen  ?oirwair. 

Eyn  kalt  graff  ys  vnse  bedde  altiohant. 
Alsus  sent  men  vns  yn  eyn  ander  lant. 

20.  Wyr  werden  alle  naket  gebaeren; 
Geyn  eygen  goet  yn  haynt  wyr  tzwaren 
Dan  vnse  siele,  de  ys  eyn  vnderpant; 

Ir  wercke  vynt  sy  yn  eyn  ander  lant. 
20*  sieh  oben  8.  125. 

21.  So  wat  der  lycham  haet  mesdaen^ 
De  seyle  yn  mach  des  neyt  yntgaen, 

Se  moys  lyden  pynen  off  den  brant 
Hyr  nae  al  yn  dat  ander  lant. 

22.  Och  lieue  mynsche,  verstaut  wal  dat: 
Wyr  yn  wyssen  hyr  geyn  blyiiende  stat. 
Stunde  alle  de  werlt  an  vns  bewant, 

Wyr  moessen  tzom  lesten  yn  eyn  ander  lant. 

23.  Got  halt  vns  vnse  tzyt  gegeuen, 
Dair  wy  neyt  mögen  ouer  leuen. 

AI  synt  wyr  nu  slarck  izo  haut, 

Doch  moissen  wy  balde  yn  dat  ander  lant. 

24.  Vns  yn  hylfet  kruyt  noch  wyn, 
Wyr  moissen  smachen  des  dodes  pyo, 
Dae  Lucifer  eirst  den  vont  äff  vant; 

Des  moist  he  sceyden  van  den  hilligen  lant. 

25.  Intgayn  den  doet  eyn  ys  geyn  raet 
Dan  wal  tzo  doen  ynd  bissen  dat  quait. 
Der  doet  yn  wylt  borge  noch  pant; 

Wyr  moissen  vmmer  yn  eyn  ander  lant. 

26.  Dat  beste  dat  ych  mych  kan  versynnen 

18y  1  mogea  B,  moghen  G;  D  geändert,  in  E  fehU  die  ttrophe, 
20y  4  werck  B,  werke  G ;  DE  haben  geändert, 
Z.  F.  D.  A.  XUV.     N.  F.  XXXll.  9 


130  FRANCK  .:  ::::  i  . 

Dat  ys  got  vorten  ynd  altzyt  myanen. 

Dat  sal  &yD  vnser  sieleo  gewagt; 

So  vareo  wyr  sycher  yn  dat  äoder  lant. 

27.  Als  wy  werdeo  alt,  kranck  ynd  vos  krummen^ 
So  were  yt  tzyt  dat  wyr  besegen  vmme; 

Als  VDS  vatfellet  der  lecker  tzant, 

So  wyllea  wyr  balde  yn  eyn  aoder  lanL 

28.  Geduldkbeyt  were  rechte  boiesse, 
Tzo  Jyden  wat  men  lyden  moesse, 

Als  der  doet  brycbt  des  leuens  baot 
Vod  voert  vns  yn  eyn  ander  lant. 

29.  Ocb  got,  wie  sal  vnse  leytzman  syn? 
Wyr  yn  wyssen  neit  dan  vnse  pyn. 

Der  wech  ys  veer  ynd  vnbekant, 

Dae  wyr  hynnen  varen  yn  eyn  ander  lant. 

30.  Och  lieue  vrunt,  bedencke  den  grünt: 
We  snel,  we  kortz  de  doet  tzer  slunt 
Nympt  den  roynschen  van  dyssen  bant 

Ind  voert  yn  hen  yn  eyn  ander  lantl 

31.  Na  dem  as  men  bescreuen  vynt 
So  ys  vnse  leuei^  als  eyn  wynt. 

De.  der  flueget  ouer  den  sant: 

So  snel  varen  wyr  yn  eyn  ander  lant. 

32.  Och,  dat  ych  ye  wart  gebaerenl 
Dat  ych  myne  ionge  tzyt  bayn  verloerenl 
Doch,  here,  myn  siele  setze  ych  yn  dyn  bant, 
Als  ych  sal  varen  yn  dat  ander  lant. 

.  <33.  Wyr  wyllen  vmmer  des  besten  hoffen 
Die  gpitz  genaide  steyt  altzyt  offen. 
We  wal  vns  got  hait  beer  gesant. 
Doch  moissen  wyr  yn.  eyn  ander  lant 

26,  3'aticA'B  und  C  giewänt;    DE  ändern  den  vers,  21  y  1  ynd 

krum  B,  unde  krum  G,  ende  trom  D,  unde  krumme  E  27,2  sehen  B, 
seggen  G,  sien  D,  se^  E.  28,1  rechte  boysse:  moste  G,  gerechte  bflsz: 
mAsz  B  28,  1 — 2  Verduldicheit  waer  ons  dan^  guet  Als  wy  emmer 

Sternen  moten  D;    in  E  fehlt  die  ttrophe.  29,2  Wir  enwissen  nit  von 

vnser  pyn  B,  wy  en  weten  nicht,  dat  onse  pyn  G,  Ic  weet  des  niet,  des 
doet  roy  pyn  D;  Bistu  des  nicht,  so  lyde  wy  pyn  E        30,3  m^^chen  A 
bant  aüeh  in  C;    Wie.  snel  wie  kortz  ist  des  todes  st&nt.    Er  drybet  vns 
von  diesem  kant  B ;  D  Mtnd  £  ändern  abweichend  von  einander:  . 


ADS  DEM  HISTORISCHEN  ARCHIV  DER  STADT  KÖLN      131 

34.  Byddea  wyr  Marien  de  ionfrou  fyn, 
Dat  sy  vnse  troesterynoe  wyl  syn 

lod  blyueo  doch  vmmer  vnse  vurstant, 
As  wyr  varen  yn  dat  ander  lant. 

35.  Vose  here  Jbesus  der  wyl  vns  geuen 
Int  hemelrych  syn  ewych  leuen 

Ind  beboeden  vns  voir  den  boesen  vyant, 
Dat  wy  neyt  in  komen  yn  dat  belsche  lant. 

36.  Dat  ys  vys,  yn  bayns  neit  me  bescreuen. 
Got  de  brenge  vns  yn  dat  ewyge  leuen^ 

Dat  wyr  dair  moissen  werden  bekant 
Myt  allen  hylligen  yn  dat  bemelscbe  lanll 
Amen. 
35,  3  boese  A         36, 2  Got  der  wyse  vns  B         36,  4  hemlche  A 
Bodo.  JOH.  FRANCK. 

ALTSÄCHSISCHE  WORTERKLÄRUNGEN  L 

atela. 
In    dem  Merseburger  cod.  42  findet  sich  niatela  attedun  als 
glosse  zu  non  ab  re  putauimus,  s.  Kleinere  altsächsische  sprach- 
denkmäler,  herausgegeben  von  Wadstein   (im  folgenden  als  KAS 
citiert)  s.  71,3  und  Gall^e  Altsächsische  Sprachdenkmäler,  facsimile- 
sammluog  x^    Gall^e  fasst  aao.  241  niatela  als  6in  wort  auf.    da 
ein  derartiges,  hier  passendes  wort  nicht  bekannt  ist,  dürfte  fol- 
gende  auffassung    dieser   stelle   vorzuziehen    sein,      meiner   an- 
siebt  nach  sind  hier,  wie  auch  sonst  in  der  hs.  (zb.  tithenthingun 
—  ti  ihm  thingun  KAS  70, 7,  alleramest  —  altera  mest  70, 17—18), 
zwei  Wörter  zusammengeschrieben  worden  und  niatela  ist  ni  atela 
zu  lesen,     ni  entspricht  dem  lat.  it^^ft  uqd  atela  dem  lat.  ab  re. 
aiela  erklär  ich  aus  ä'telo.     wegen  -a  statt  der  adverbiellen  en- 
dung  -o  sind  unteUica  aus  unteUtko,  atistondanlica  aus  anstandan- 
tiko  in  derselben  hs.,  KAS  70,  1,9,  zu  .vergleichen,    dieses  ä-/elo 
ist  eine  Zusammensetzung  von  dem  negativen  präfix  ä-  *un-'  (zb. 
in  abd.  ä-teili  'unteilhaftig',  anfr.  ä-wiggi  'unwegsamer  ort',  ags. 
i'ScSre   'ungeschoren')    und  'telo  «=  ags.  tela  'passend,  usw/ 
(vgl.  aifch  got.  ga-tib  'passend'),    ä-telo  hat  also  dieselbe  bedeu- 
tong  wie  ags.  un-tela  'unpassend  usw.'    ni  atela  attedun  ist  folg- 
lich zu  übertragen  :  'wir  hielten   nicht  für    unpassend^ 

9* 


132  WADSTEIN 

uDangemessen*,  was  ja  ganz  zu  dem  lat.  non  ab  re  putaui- 
mus  stimmt. 

biseffe. 

Unter  den  Merseburger  glossen  steht  s.  121^*  der  hs.  (KAS 
72,  4)  neben  der  zeile  constüuat  qui  ei  stipendia  das  wort  biseffe. 
der  Zusammenhang  ist  der  folgende  :  ^Debet  procurare  praelatus 
ut  fratribus  cellerarium  .  .  .  conslituat  qui  et  stipendia  fratrum 
fideliter  seruet  et  diligenti  cura  administret'. 

Nach  Gall6e  Altsächs.  sprachdenkm.  237  würde  biseffe  aus 
HiseSje  entstanden  sein,  diese  auflassung  ist  nicht  möglich ,  da 
ein  Übergang  8;>>/f  ganz  unerwiesen  ist.  biseffe  dürfte  vielmehr 
ganz  einfach  zu  mndl.  biseffen^  mhd.  beseben  'wahrnehmen,  be- 
merken' zu  stellen  sein,  dass  hier  -ff-  statt  -M-  steht,  ist  mit 
der  form  afheffian  Heliand  Gott.  4324  statt  des  gewöhnlichen 
aßebbian  zu  vergleichen,  biseffe  ist  2  sing,  imperat.  und  be- 
deutet also  *merkl'  es  ist  dies  keine  Übersetzung  eines  wortes 
des  handschrifttextes;  der  schreiber  hat  sich  die  stelle  nur  ge- 
merkt, weil  ihm  der  inlialt  besonders  gut  gefallen  hat. 

drembil. 

In  der  Prudentiushs.  cod.  Duss.  f.  1  steht  s.36^^  (RAS  93, 33) 
togas  :  thrembilos  und  8,62**"  (KAS  101, 15)  tage  (dat.) ;  drem- 
bila,  Schlüter  hält  jn  seiner  verdienstlichen  darstellung  der 
altsächs.  lautlehre  in  Dieters  Laut-  und  formenlehre  der  altgerm. 
dialckte  s.  271  die  Schreibung  drembila  für  uncorrect,  indem  er 
meint,  dass  hier  d-  statt  ^A-  stehe,  meines  erachtens  dürfte  in- 
dessen drembila  ganz  richtig  sein,  thrembilos  dagegen  statt  drem- 
bilos  stehn. 

Es  ist  nämlich  zu  bemerken,  dass  eben  in  unsrer  hs.  ganz 
sichre  fälle  von  th-  statt  et-  vorkommen,  s.  29*^  (RAS  93,  17) 
steht  subfundere  fumo  :  bithempan  statt  bidempan  (vgl.  engl., 
ndl.,  mnd.  damp,  aschw.  damb  'dampf  usw.)  und  s.  59^^  (RAS 
98,  34)  uaparat  :  t hörn  da  statt  dömda  (vgl.  got.  dauns  'dunst, 
geruch',  lit.  dimai  usw.)  i,  folglich  ist  von  vorn  herein  garnicht 
ausgemacht,  dass  von  den  Schreibungen  thrembil-  und  drembil- 
die  erstere  die  correcte  sei. 

^  ob  vielteicht  auch  io  thrüfön  :  corimhos  io  derselben  hs»  s.  52^' 
(RAS  95, 6)  tk'  statt  d-  sieht,  bleibt  unsicher,  jedesfalls  beweist  die  scbrei- 
buog  mit  ih-  also  nicht,  dass  dieses  wort  urgerm.  f-  hat,  wie  vFriesen  Om 
de  germiiiska  mediageminatorna  s.  88  glaubL 


ALTSÄCHSISCHE  WORTERKLÄRUNGEN  133 

Für  aDlautendes  d-  spricht  zunächst  die  althochdeutsche  form 
des  Wortes  :  tremM  (das  'trabea^  toga,  pallium'  übersetzt  wird). 
den  entscheideDden  beweis  für  die  ursprüoglichkeit  des  d-  dürfie 
aber  das  islandische  liefern. 

Das  hier  fragliche  wort  gehört  nämlich  ofTenbar  mit  isl. 
ärmmb'hosw  *art  weite  beinkleider'  zusammen,  ebenso  wie  asäcbs. 
dremhil  ahd.  trembü  nicht  nur  ein  weites  gewand  ^toga')  be- 
zeichoen  kann,  sondern  auch  ein  gewisses  prächliges  kleid, 
Staatskleid  ('trabea*),  so  bedeutet  isl.  dramb-homr  auch  ^court- 
breeches'  (Cleasby-Vigfusson  s.  v.);  vgl.  auch  das  einfache  isl. 
dramb  :  *pomp,  arrogance\  .und  norw.  dramb  'pralilerei,  Staat, 
p  rächt'. 

Schaut  man  sich  nach  aufsergermanischen  verwanten  dieses 
drawUh-  um,  findet  sich  vielleicht  ein  solcher  im  lit.  drambäzius 
^dickbauch,  scbmerbauch' ;  vgl.  dass  isl.  dramb  auch  'a  roll  of 
Tat  OD  the  neck  of  fat  men'  bezeichneu  kann.  lit.  drambäzius 
wird  von  Prellwitz  Eu  würterb.  d.  griech.  spr.  unter  ^gofjßog 
zu  einer  wurzel  dhre(m)bho  'ballen,  dick  machen'  gestellt,  diese 
ursprOogliche  bedeutung  passl  auch  gut  zu  den  hier  in  frage 
stebndeo  germanischen  würtern. 

gethesuues. 

Unter  den  Essener  evangeliarglossen  steht  (?.  KAS  57,  1 0 
zu  ^t  in  mente  sua  insidias  habet  canditas  die  glosse  the  the  an 
geihesuues  lif  radid.  dieses  gethesuues  'irgend  eines'  fehlt  unter 
deo   indefiniten  pronominibus  der  Altsächs.  grammatik  von  Gall6e. 

gethesuues  ist  offenbar  mit  ahd.  etheswer  'jemand,  irgend  einer' 
zusammenzustellen,  es  ist  also  zu  den  von  Schlüter  in  Dieters 
Laut-  und  formenlehre  usw.  s.  279  mitgeteilten  formen  mit  ur- 
geriD.  //  zu  fügen,  was  ist  aber  das  anfangende  g-l  zunächst 
iigt  es  ja,  dieses  g^  aus  ^e-  zu  erklären ;  vgl.  asäcbs.  hwe :  gi-hwe. 
in  diesem  falle  hat  man  es  hier,  wie  auch  in  gnodor  'diligentius' 
KAS  56,  31,  mit  einer  in  den  altsächsischen  grammatiken  (Gall^e 
Altsacbs.  gramm.  §  81,  Schlüter  aao.  §  83,  9)  übersehenen  vocaU 
losen  form  dieses  präfixes  zu  tun^ 

*  dagegen  existiert  kaum  in  altsächsischen  Sprachdenkmälern  die  von 
diesen  gelehrten  verzeichnete  form  ga-  von  dem  fraglichen  präfixe.  gai- 
kuuelhar  in  der  Freckenhorster  heberoUe  (KAS  28, 16)  ist  wie  geihuuetkar 
(RAS  25,26)  wahrscheinlich  aus  io-gi-hwethar  entstanden,  von  gascöpun 
sagt  Gall^  selbst,  dass  es  nicht  sicher  ist.  ich  konnte  diese  form  in  der 
ha.  garnicbt  unterscheiden  (s.  KAS  s.  71  note  3). 


134  WADSTEIN 

Eine  andre  mOglicIikeit  wäre,  getheguues  aus  io-ethes-hwes  zu 
erklären  (über  g-  statt  t-  s.  Gall6e  Altsächs.  gramm.  §  94,  Schlüter 
aao.  §  159  in  4).  dies  ist  aber  deshalb  weniger  wahrscheinlich, 
weil  in  den  Essener  glossen  to  in  altsächsischen  Wörtern  als  ta 
^aufzutreten  pflegt;  (die  form  farliesan  51,11  ist  eine  correctur 
und  nieht  53,  27  ist  hochd.). 

*hrttian. 

In  der  Prudentiushs.  cod.  Duss.  f.  1  findet  man  (KAS  96,8) 
hritdnthion  crämpon  als  glosse  zu  ungtUis  scribetUibus^  und 
exarabant  (aao.  96, 10)  wird  rittun  glossiert,  ebenso  weisen  die 
Essener  glossen  (aao.  60^2)  ritta :  scribebat  auf. 

Gall^e  sagt  in  seiner  Altsächs.  grammatik  §  130,  dass  in  diesem 
hrüdnthion  'kr  fOr  tor'  stehe,  durch  diese  (übrigens  ganz  will- 
kürliche) annähme  würden  aber  die  zwei  formen  mit  anlautendem 
r-  nicht  erklärt  werden;  w-  fällt  bekanntlich  im  altsächsischen 
und  im  niederdeutschen  bis  heute  vor  r  nicht  fort,  man  kann 
sich  auch  nicht  denken,  dass  das  fehlen  des  lo-  auf  gedanken- 
loser Übertragung  von  hochdeutschen  glossen  ins  sächsische  be- 
ruhe, da  formen  ohne  w-  in  zwei  verschiedenen  hss.  belegt  sind. 

Diese  drei  glossen  können  also  zu  dem  germ.  tonr-  ^schreiben' 
nicht  gehören,  da  in  altsächs.  denkmälern  A-  vor  r-  zuweilen 
fehlt  (vgl.  zb.  renän^a 'piaculi'  KAS  97, 15,  riuliko  49,22),  können 
die  glossen  dagegen  sämtlich  ein  hrtlian  voraussetzen,  die  länge 
des  wurzelvocals  deutet  die  form  hritdnthion  an.  nach  langer 
Wurzelsilbe  kann  nämlich  in  der  hier  fraglichen  hs.  t  fehlen;  vgl. 
bithempan  statt  bidempian  'subfundere  fumo'  KAS  93,  17,  lerdn- 
thirv  'docenti'  96,  40,  vvemmdnthi  'scaturiens'  96,  25  ^ 

Die  existenz  eines  germ.  hrit-  'reifscn,  schreiben  usw.'  wird 
auch  durch  mittelniederdeutsche,  niederländische  und  schwedische 
formen  bestätigt,  das  mittelniederdeutsche  hat  ein  ritm  ^reifsen 
usw.',  das  mittelniederländische  ein  ftten^  nndl.  rijten  ^zerreifsen 
usw.',  das  schwedische  rita  *  zeichnen,  ritzen'  und  schwed.  dial. 
rita  'ritzen,  schreiben',  auch  ^pflügen'  (vgl.  die  altsächsische  glosse 
rittun  ^exarabant').  in  allen  diesen  sprachen  bleibt  to-  vor  r, 
h  f^llt  dagegen  in  derselben  Stellung  fort,  weshalb  diese  formen 
nicht  auf  tori/-,  aber  sehr  gut  auf  hfit-  zurückgehn  können. 

^  indessen  war  es  ja  sehr  möglich,  dass  hritdnthion  zu  einem  starken 
hrtian  gehört  hat.  in  diesem  falle  bleibt  es  ungewis,  ob  für  die  glossen 
rliiun,  ritta  ein  Infinitiv  hritian  oder  hriltian  anzusetzen  ist. 


.    ALTSÄCHSISCHE  WORTERKLiRUNGEN  135 

Da  in  der  fraglkhen  Prudentiushs.  eio  A-  im  anlaut  zuweilen 
aorichüg  geschrieben  worden  ist  (zb.  in  hribtüngü  ^normam'  KAS 
92,31,  huai  *nos'  92,36),    könnte  man  ungewis  sein,  ob  A-  in 
krÜdniUan  wQrkiich  berechtigt  seL    den  beweis  für  die  ursprOng- 
lichkeit    des    A*    liefern    aber    altschwedische    runeninschriften* 
bei  Liljegren  Ronorkunder  nr  269  findet  sich  hriti  runoR  'ritzte 
die  runen'  und  nr  158  Ift  hrita  stan  Miefs  den  stein   ritzen '% 
Brate«    der  Antiqvarisk   tidskrift  för  Sverige    10,39f  über  rtYa, 
krüa  in  altschwedischen  runeninschriften  handelt,  hält  die  Über- 
setzung *  zeichnen,  ritzen'   für  unrichtig  und  setzt  diese  formen 
gleidi   isl.  rata  ^errichten',     die  formen   mit  hr-  hat  Brate  aber 
nicht  erklären  können;    ^r  sagt,    dass  sie   fehlritzungen  seiend 
wenngleich  Brate  insofern  gewis  im  recht  ist,  als  runenschwed. 
rüih  wenn  es  als  object  ^stein' hat,  wenigstens  in  den  meisten 
fallen    ^errichten^  bedeutet,    ist  doch   für  das  oben  erwähnte 
jbilrt  runoR  eine  solche  auffassung   ganz  unmöglich;    das  object 
zeigt  ja   hier,  dass  ArtYt  *  ritzte'  bedeutet^,     da  also  ein  aschw. 
krüa  ^ritzen'  zweifelsohne  existiert  hat,  ligt  kein  grund  vor,  hrita 
in   lii  hrita  stan  Liljegren  158  anders  denn  als  *  ritzen*  aufzu- 
fassen,     dass  ^stein*  in  altschwedischen   runeninschriften   sicher 
als  object  zu  einem  verbum  ?on  der  bedeutung  ^ritzen'  auftreten 
kann,    geht  zb.  aus   Liljegren  724  :  Bali  risti  stan  *B.   (ein  he-, 
kannter  runenritzer)  ritzte  den  stein'  (andre  beispiele  verzeichnet 
Brate  aao.  s.  41)  hervor. 

Ein  germ.  Art/-  'reifsen,  ritzen'  wird  auch  durch  got.  dis- 
dnrdtan^  -skritnan  ^zerreifsen'^  Schweiz,  schfissen,  schreissen,  bair. 
sckritzen  bestätigt,  über  den  in  germ.  sknt-  :  hrtt-  ^reifsen  usw.' 
vorliegenden  Wechsel  von  indogerm.  sk-'.k-  s.  Brugmann  Grundriss 
i'  725  und  Noreen  Urgerm.  laut),  s.  204. 

metis. 
Unter  den  Essener  glossen  steht  KAS  60,  38  metis  als  glosse 
zu  facis  {tt  ipsum  deum).    Gall6e  Allsächs.  sprachdkm.  s.  55  sagt 

'  TOD  der  form  hrita  io  Ut  hrita  stan  sagt  Brate  indessen  aacb,  dass 
es  TieUeicht  ein  *ä'rStta  widergebeo  könnte,  was  ich  aber  mit  Bugge  aao. 
42  för  nicht  annehmbar  halte.  ^  auch  in  ikit  riti  stina  *Egil  r.  die 

steine'  Liljegren  476  findet  sich  gewis  ein  {h)ritte  *  ritzte*  (mit  jüngerem, 
laotgesetzlichem  schwnnd  des  A-).  dieses  kann  nämlich  nicht  <E.  errichtete 
die  steine^  bedeuten,  da  es  schon  vorher  in  der  inschrift  angegeben  wird, 
welche  personen  die  steine  errichtet  haben.  Brate  ist  mit  seiner  auffassung 
genötigt,  auch  hier  eine  fehlritzung  {riti  statt  risti)  anzunehmen. 


136     WADSTEIN  ALTSÄCHSISCHE  WORTERKLÄRDMGEN 

(s.  fufsnote),  dass  hier  mecis  oder  metis  stehe,  und  zieht  die 
erstere  form  vor.  ich  las  aber  io  der  hs.  ganz  deutlich  meiis, 
die  form  gehurt  zu  metan,  das  hier  (wie  im  ags.,  s.  Grein  u  234) 
'wofür  halten,  scbäUen'  bedeutet  (vgl.  auch  isl.  meia  'schätzen 
usw/).  facis  te  ipsum  deum  hat  der  glossator  also  als  ^hältst  dich 
selbst  für  Gott'  verstanden,  was  ja  den  sinn  ganz  gut  widergibt, 
wegen  metis  statt  zu  erwartendem  müis  sind  ähnliche  analogie- 
formen in  derselben  hs.  wie  ginesid  'salvus  erit'  KAS  60,  5,  uuer- 
thid  'wird'  50, 15  zu  vergleichen. 

serieondi. 

Die  unter  den  Strafsburger  glossen,  KAS  107, 8,  vorkommende 
form  scricondiy  glosse  zu  garula  (aüts),  stellen  Heyne  Kl.  and. 
denkm.*  s.  176  und  Schade  Altd.  wb.  s.  807,  zu  ahd.  screcchön, 
scricckm  und  übersetzen  skrikon  'hüpfen*,  dieses  passt  aber 
garnicht  zu  dem  lat.  'garrula'.  scrieondi  gehört  vielmehr  gewis 
zu  schwed.^  norw.  skrika  'schreien',  dän.  skrige  dass.,  isl.  skrikja 
'zwitschern',  engl,  shriek  'schreien,  kreischen',  ags.  scric  ein 
vogel,  schw.  dial.  en-skrika  ein  vogel :  garrulus  infaustus,  norw. 
skrikja  ein  vogel  :  garrulus.  die  wurzel  skri  'schreien'  ist  also 
in  den  germanischen  sprachen  sehr  verbreitet,  sodass  Kluge  Et. 
wb.,  der  (s.  schrei)  bierhergehOrige  formen  nur  aus  dem  hoch- 
deutschen kennt,  gewis  im  recht  ist,  wenn  er  die  wurzel  für 
zweifelsohne  echt  germ.'  erklärt. 

uuitharuuaid. 

In  dem  Werdener  Prudentiusfragment  steht  (KAS  105,  7) 
uüithdruuaid  als  glosse  zu  restagnai.  die  Prudentiushs.  cod.  Duss. 
f.  1  hat  an  der  entsprechenden  stelle  (KAS  97, 16)  vuühardvvdid. 
hinsichtlich  der  letztern  form  ist  indessen  zu  bemerken,  dass 
'üvdid  auf  rasur  steht,  und  es  beruht  —  da  die  form  des 
fragments  ohne  correctur  geschrieben  ist  und  mit  den  beiden 
Schreibungen  nicht  gut  verschiedene  formen  gemeint  sein  können 
—  offenbar  nur  auf  einem  versehen,  dass  das  -d-  bei  dem  ra- 
dieren stebn  geblieben  ist. 

Die  form  uuitharuuaid  lässt  sich  aus  uuitharuuägid  erklären ; 
ein  g  kann  vor  t  geschwunden  sein  wie  zb.  in  bacimäion  'lanci- 
bus'  in  unsrer  fraglichen  Prudentiushs.  KAS  93 ,  2.  dieses  ver- 
bum  wägian  gehört  zu  asächs.  wüg^  ahd.  wdg  usw.  'woge,  flut' 
und  bedeutet  also  'wogen,  fluten'.  uuithar'Uua{g)id  ist  eine  wort- 
liche widergabe  des  laU  re-  'wider'  und  -stagnat  'überflutet'. 
Uppsila,  juni  1899.  ELIS  WADSTEIN. 


ZUR  KUDRUN. 

11,  4  bietet  die  hs.  aUer  hande  vogelin.  die  neuero  ausgaben 
habeo  die  emendatioD  diu  v.  aufgenommeD,  doch  ist  wol  der 
Oberlieferung  naher  stehend  alliu  v.  (s.  379,  3;  Landegge  vii  2^ 
HMS  1  354b;  Tanhäoser  iv31«  HHSii87a;  Winterstetien  xl  1  f, 
HMS  I  169b;  Lohengr.  3688  uaa.)  zu  schreiben,  der  zosatz 
kande  lässt  sich  dadurch  erklaren,  dass  in  der  vorläge  allev  stand, 
was  der  abscbreiber  aller  las  und  in  folge  dessen  h.  ergänzte 
äholicfa  wie  5,4  tage.  Tgl.  zur  ganzen  stelle  Landegge  xii  1 
(HMS  1  357  a). 

38,  2  zieh  ich  den  bisherigen  änderungen  vor  des  (oder  dö) 
muosie  man  von  der  wilde  den  walt  dar  tragen,  —  walt  =»  holz 
findet  sich  auch  104,  1,  im  jTit.  2169, 1  hous  von  starkem  walde; 
ebenso  kommt  in  unsrer  dichtuug  tvilde  vor  (1142^4). 

48,  1  schreiben  die  herausgeber  mit  recht  höehgezit,  welche 
form,  wie  bereits  Bartsch  (Germ.  10,166)  bemerkte,  wol  auch 
sonst,  wo  das  (Iberlieferte  hochzeit  zwei  hebungen  verlaugt,  ein- 
ZQseUen  ist.  dass  HRied  höehgezit  beseitigte,  ist  nicht  befremd- 
lich, denn  schon  der  Schreiber  der  Brixener  Passionalhandschrift, 
der  ca.  100  jähre  früher  tätig  war,  nahm  daran  anstofs  (s.  WSB. 
CT  50). 

186,  1  ist  under  staube  sicher  lesefehler  uud  u.  schilde  (so 
auch  in  der  Nibelungenstr.  184)  herzustellen. 

221,  1  dürfte  nach  vür  den  nicht  herren,  sondern  vürsten 
ausgefallen  sein. 

228,4  sind  die  ergänzungen  der  herausgeber  zwar  sinn- 
gemäfs,  aber  nicht  derart,  dass  man  daraus  das  versehen  des  ab- 
scbreibers  erklären  kann,  dies  ist  möglich,  wenn  wir  swer  immer 
sichs  vervdhet  oder  sw,  s.  des  v.  einsetzen  (s.  1061,3  und  wegen 
immer  691,  4.  742,' 1.  770,  3). 

281,3  kann  ich  mich  mit  der  allgemein  gebilligten  emen- 
dation  mit  strite  solte  erwerben,  ob  in  des  geschoehe  not  nicht  be- 
freunden, lautete  die  stelle  so,  dann  hätte  ein  abscbreiber  schwer- 
lich daran  geändert,  ich  lese  mit  auslassung  eines  Wortes  dd  man 
da%  magedin  mite  solte  erwerben,  ob  in  strites  geschähe  not.  dass 
ein  gedankenloser  copist  dann  nach  mite  (vorläge  mit)  das  nach 
seiner  meinung  fehlende  Substantiv  einfügte,  lag  sehr  nahe,  wie 
denn  derartige  ergänzungen  zu  den  gewöhnlichen  erscheinungen 


13S  ZINGERLE 

gehören,  die  zweisilbige  Senkung  im  zweiten  balbverse  ist  um 
so  weniger  anstöfsig,  als  bei  geschwhe  synkope  angenommen  wer- 
den darf« 

294,  If  sind  die  bisherigen  herstellungsversucbe^  besonders 
was  den  mangelnden  halbvers  anlangt^  ziemlich  unkritisch,  dass 
dieser  einen  teil  der  antwort  Pruotes  bildet,  darauf  weist  das 
folgende  so,  aber  entschieden  abzulehnen  ist  got  bewar  iuch  immer 
fiie  (VoUm.),  got  müeze  iuch  hewam  (Bartsch  ^  Sym.),  denn  diese 
häufige  Wunschformel  erscheint  in  der  epischen  dichtung  nur 
beim  abschiede  und  bei  wOrklicher  oder  befflrchteter  gefabr  ge- 
braucht ^  so  sagt  436 ,  2  Wate  vor  der  abfahrt  zu  Hagen  got 
müeze  iuwer  ire  und  iuch  selben  hie  bewam.  an  unsrer  stelle 
ist  sie  also  nicht  passend,  und  auch  dd  was  uns  dicke  u>4  (Ziem., 
Ettm.)  klingt  auf  die  frage  des  Stadtrichters,  woher  sie  gekommen 
seien  ^  recht  seltsam,  hält  man  sich  an  die  Oberlieferung  von 
wanne  sy  waren  vber  see  dar  gefaren,  so  kommen  fQr  den  reim 
des  ersten  verses  gevam,  s4  und  dar  in  betracht.  vam  reimt 
auch  in  der  Kudrun  (247.  436)  mit  bewam,  aber  damit  oder 
einem  andern  reimbildenden  worte  lässt  sich  kaum  ein  sinnge- 
mäfser  satz  construieren,  und  dasselbe  gilt  von  den  in  -i  endigen- 
den ausdrücken,  von  welchen  mit  se"  gebunden  sind  wi  (77. 116. 
117.  287.  600.  748.  800.  897.  960.  967.  981.  1074.  1125. 
1128.  1359),  mi  (757.  1027),  erge  (839),  Alzab^  (673.  728), 
und  aufserdem  im  reim  erscheinen  e  (subst.  und  adv.),  galinS, 
gi,  kU,  schrS,  sne  und  einige  Ortsnamen,  für  einzig  brauchbar 
eracht  ich  das  im  reime  ziemlich  häufig  vorkommende  dar  {:  ge* 
var  173.  333,  :sehar  507.  634.  777.  1412,  :har  1006,  : gar 
1527,  :  gewar  152.  1510,   :  jdr  1090)    und  schlage  vor  (von) 

^  8.  Nib.  449,2.  1366.4.  1448,4,  BiU  795.  2264.  2654,  Dletr.  tL 
2791,  Virg.  895,  14  (i/ni),  Wolfd.  B  290,  2.  41  &,  3  —  b  v  4.1,  4»  ApolL  6153, 
Blansch.  i  126  (Germ.  14,71),  Flore  4929,  SFroDcisken  L  3§73,  Garel  11140, 
Reinb.  Georg  1441.  1601,  Helbl.  vii  62.  vm  tOT,  Hdiubr  1334,  Mal  IS,  12. 
203,26,  Makkab.  (WM)  91,  in  einer  jungem  bearbeiiung  (Germ,  2fi,  2ft1l^ 
T  65  (uns),  Meleranz  304.  356.  1560.  1564.  244S.  3566.  rmh  5720.  blZ^. 
6938.  8948,  Parten.  2956.  3126,  Schwann.  1Ü&3,  Segrem.  (Geriiu  5, 161)  r  4at_ 
Freib.  Trist.  3669,  Wigal.  1065.  1293.  \U\.  3126.  3936  i//«r>A),  4974.  m 
8841.  10197,  Wigam.  5308,,  GA  m  250.  vi  828.  xvi  322.  xnu  228  Jb 
1054  (mich),  xxii  300.  xli  388.  Li  464  {tmsl  574  {unt);  Mm  %M»kM^t 
Eracl.  3438,  Mai  232,  12  (v.  90, 36).  beachtenswert  ist,  ^«' 
Wolfram  and  Gottfried  die  fonnel  fehlt. 


ZUR  KUDRUN  139 

watmen  n  dar  ü.  s.  g,  wanren  .  daz  sage  ich  tu  vür  war  (s.  1571, 1). 
der  reim  dar :  war  ist  im  hinbHck  auf  dar :  jär  kaum  zu  be- 
aosUndeo,  weanschon  war  sonst  immer  mit  jdr  gepaart  ist.  es 
sei  dazu  auf  310  f  verwiesen,  wo  es  ähnlich  he\[si :  vrägen  er  be- 
gan,  von  wannen  si  dar  waren  komen  in  daz  riche  (vgl.  79,  3, 
Trierer  Aegid.  570  ff,  Alph.  339,4,  Garel  11706,  Reinb.  Georg 
1568,  Gerh.  1362,  Meleranz  280,  Nib.  81,1.  105,2.  1117,3. 
1371,2,  Orendel  2993.  3457,  Part.  13135,  Siebenschi.  523, 
Walb.  306,  Wigamur  4731,  Woifd.  D  v  200,  1,  GA  lxiv  202)  und 
fiorand  dann  wie  Hagen  124,  1  seine  antwort  mit  der  phrase 
einleitet  daz  wü  ich  tu  sagen,  Martin  ergänzt  daz  sage  wir  tu 
gar,  doch  erwartet  man  dann  eine  bestimmtere  auskunft  als  unser 
lant  lit  verren  und  überdies  erklärt  sich  die  lücke  nicht  so  leicht 
wie  bei  vitr  wdr^  dessen  graphische  Ähnlichkeit  mit  g.  w.  (in  der 
▼orlage  vielleicht  wäre)  das  abspringen  verschuldet  haben  kann. 

390, 2  soll  nach  allgemeiner  ansieht  gesagt  sein,  der  gesang 
der  geistlichen  wollte  denen,  die  Horands  gesang  gelauscht  hatten^ 
Dicht  mehr  gefallen,  und  dem  entsprechend  wurde  auch  geändert 
nehmen  wir  an,  dass  der  dichter  würklich  dies  zum  ausdruck 
bringen  wollte,  was  der  folgende  vers  zu  erweisen  scheint,  so 
ist  sicher  der  phaffen  statt  der  phafjfe  zu  schreiben ,  denn  nicht 
um  den  text,  sondern  nur  um  die  melodie  der  kirchlichen  ge- 
länge kann  es  sich  handeln,  uzw.  ist,  worauf  SchOnbach  (Das 
Christentum  in  d.  altd.  heldendicbtung  s.  147)  aufmerksam  macht, 
der  gemeinschaftliche  gesang.  der  geistlichen  im  chor  gemeint. 

Die  neuern  ausgaben  bieten  nach  Wackernagels  verschlag 
sieh  (oder  sin  mit  beibehaltung  von  phaffe)  unmdri  in  koeren  oder 
Hofmanns  conjectur  sin  minnert  in  ze  hasren^  nur  Symons  schliefst 
sich  wider  mehr  der  hsl.  Überlieferung  an,  indem  er  herstellt 
ein  minnert  in  den  kceren  dd  von  der  phaffe  sanc.  und  mit  ge- 
ringerer änderung  begnügt  sich  ebenfalls  Schönbach  aao.,  der  in 
wesentlicher  Übereinstimmung  mit  Ziemann  schreibt  sich  minnert 
in  den  kceren  (Z.  in  k.)  dd  von  der  pfaffen  sanc  beide  halten 
dabei  an  der  alten  auffassung  fest,  doch  ist  für  (sich)  minnem 
die  bedeutung  'geringer  geachtet  werden,  weniger  gehen'  uner- 
wiesen und  darum  muss  man  sich  für  eine  änderung  oder  eine 
andre  interpretation  entscheiden,  nach  meiner  Überzeugung  kann 
die  Überlieferung  bis  auf  einen  puuct  gewahrt  werdea,  es  ist  ein- 
fach zu  schreiben  sich  minnert  ir  koeren  dd  von  der  phaffen  sanc. 


140  ZINGERLE 

und  das  kann  nur  besagen^  der  chorgesang  vermiaderte  sieht 
wurde  schwächer,  weil  gar  mancher  pfaffe,  durch  iiorands  gesang 
angezogen  und  gefesselt^  ferne  blieb,  was  recht  gut  zur  voraus- 
gehnden  Schilderung  der  gesangswürkung  passt.  kranke  und  ge- 
sunde konnten  sich  nicht  trennen,  die  tiere  des  waldes  liefsen 
die  weide  stehn,  das  gewürm  und  die  fische  ihr  geverte^  nienoand 
wurde  bei  Horands  gesang  die  zeit  lang  —  384,  3  si  htetens  niht 
geahtet  einer  hende  tolle,  ob  er  soUe  singen,  daz  einer  möhte  riten 
tüseni  mik  — ,  was  wunder,  wenn  geistliche  die  chorslundeD 
Versäumten,  man  erinnert  sich  dabei  an  die  bekannte  gescbichte 
vom  bruder  Felix  (s.  Zs.  T.  d.  phil.  28,  35 ff  und  aufser  den  in 
der  anmerkung  verzeichneten  bearbeitungen  Germ.  25,  339),  der, 
durch  den  wunderbaren  gesang  eines  vogels  bezaubert,  durch 
hundert  und  mehr  jähre  zuhOrte,  ohne  an  kloster  und  milbrüder 
zu  denken,  und  an  eine  stelle  in  Reiubots  Georg  (v.  5297  ff),  wo 
der  dichter  bemerkt,  hätte  eine  nonne  von  Geiselfeld  Georgs 
herliche  gestalt  gesehen^  so  würde  sie  der  mette  vergessen  haben, 
aber  die  kräftigste  stütze  meiner  auffassung  bietet  das  in  den 
Altd.  bl.  I  52 ff  mitgeteilte  stück  Was  schaden  tantzen  bringt,  in 
dem  dieselbe  würkung  weltlichen  gesangs  fast  in  wöriUcher  Über- 
einstimmung mit  unserm  verse  hervorgehoben  wird,  der  Verfasser 
sagt  (s.  52)  :  An  dem  tanz  eint  vil  vrsach  der  sunde  :  vnderwiln 
der  gesanck  der  frawen  bilde,  der  fimferley  schaden  bringt,  der 
erst,  daz  sie  mit  irme  gesange  ziehen  zu  ine  und  zu  begirde  des 
tantzes  ander  zuchtig  personen  .  .  .  und  dann  (s.  58)  sie  tünd 
auch  wider  das  sacrament  der  heiligen  wyhung  :  wann  solide 
tentzerin  sint  äffen  der  priester.  dann  als  die  priesterschafft  mit 
gesang  got  loben  und  eren,  also  tunt  dise  dem  tufel  auch  wirt 
durch  im  gesanck  versumt  vnd  gemynnert  der  gesang  vnd 
lop  gottes  :  wann  die  in  der  vesper  vnd  in  der  kirchen  solten 
singen,  die  sint  by  dem  tanlz  —  auf  den  Kudrunvers  angewendet : 
die  hörten  Horand  zu.  der  parallelismus  zwischen  v.  2  und  3 
ist  nun  freilich  aufgehoben,  aber  trotzdem  scheint  mir  v.  3  nicht 
völlig  isoliert  zu  sein,  bekanntlich  war  eine  hauptbestimmung 
der  glocken,  die  gläubigen  zum  gottesdiensle  zu  rufen,  ob  ihr 
klang  besonders  schOu  gewesen^  ehe  man  ihnen  eine  harmonische 
Stimmung  zu  geben  verstand,  und  dies  gelang  erst  um  die  mitte 
des  13  jhs.  (s.  Otte  Glockeokunde'  s.  90 f),  ist  zu  bezweifeln, 
doch  vermochte  er  immerhin  eine  andächtige  Stimmung  zu  wecken. 


ZUR  KUDRUN  141 

Horands  siDgen  beeinträchtigt  nun  den  eindruck,  welchen  das 
geliute  vordem  machte,  es  klang  nicht  mehr  so  wol,  so  einladend, 
dass  man  sich  zur  kirche  hingezogen  fühlte,  denn  alkz  daz  in 
Mta;  dem  was  näeh  H,  wi.  der  grundgedanke  der  Strophe  wäre 
also  :  H^  gesang  war  so  schön,  dass  sogar  der  kirchenbesiich 
fesp.  die  aodacht  von  geistlichen  und  laien  nachliefs. 

Schliefslicb  mOcbl  ich  noch  bemerken,  dass  die  änderung 
des  Qberliefenen  dienm  in  dcemn  nicht  zu  rechtfertigen  ist 
(s.  378,  1. 4.  387,  2.  396,  4.  397,  4).  H.  dient  mit  seinem  ge- 
sänge,  wozu  an  Virg.  768, 10  %e  dienste  sime  sungen  erinnert  sei. 

570,  2 ff  Waie  der.  vil  wise  sehen  liez  er  daz,  dri  stunt  in 
dem  jdre  er  uehe  sinen  herren.  dieser  äufsvrung  des  dichters 
hat  man  bisher  keine  bedeutung  beigelegt.  RSchrüder  (Zs.  f.  d. 
ph.  1,  262}  führt  die  stelle  zwar  an,  aber  sie  bezeugt  ihm  nun 
dass  Wate  den  hof  seines  kOnigs  fleifsig  besuchte,  die  dreizahl 
ist  indes  durchaus  nicht  willkürlich  gewählt,  sondern  der  dichter 
hatte  unzweifelhaft  bestimmte  anlasse  im  äuge,  uzw.  müssen  land- 
teidioge  gemeint  sein,  darauf  deutet  entschieden  1699,2,  wo 
Hilde  der  scheidenden  Kudrun  den  wünsch  äufsert :  wil  du  mir 
jl»  getuedie,  mich  suln  die  holen  din  dri  stunt  des  jdres  sehen  hie 
zen  Hegelingen,  mit  der  begründung  :  dn  michel  ungemHete  getrouwe 
adk  suM  nimmer  hie  gedingen.  Martin  verweist  bei  570^  3  darauf, 
erklärt  aber  in  irriger  auffassung  der  stelle,  gedingen  Verhandeln' 
steh  hier  wol  für  ein  allgemeineres  Meben',  während  es  doch 
tenniDus  der  rechtssprache  ist^. 

Es  handelt  sich  hier  um  das  echte  ding,  das  an  bestimmtem 
orte  und  zu  bestimmten  terminen  abgehalten  wurde  und  zwar  an 
jeder  dingstätte  gewöhnlich  dreimal  im  jähre  (s.  Schröder  Deutsche 
rechtsgesch.'  552),  was  Karls  d.  Gr.  gerichtsorganisation  als  das 
maximuna  der  Vollgerichte  in  der  hundertschaft  bestimmt  hatte 
{Schröder  aao.  s.  168).  dass  dem  dichter  die  institutionen  seines 
heimatlandes,  also  die  von  Österreich  oder  Steiermark  vorschwebten, 
tigt  nahe,  wie  oft  in  letzterm  lande,  dem  man  jetzt  meist  die 
Rudrun  zuweist,  allgemeine  landteidinge  an  den  hauptdiugstätten 

*  Siegel  Die  rechtliche  stell uDg  der  dienstmannen  in  Österreich  (WSB. 
102,  8.  235  ff)  bemerkt  s.  265  anm.  5,  dass  dingen  io  den  sächsischen  rechts- 
<lDeUen  io  dem  sinne  von  gericht  halten,  gericht  einem  ansagen  gebraucht 
werde,  in  der  bair.  rechtssprache  aber  so  viel  wie  ^appellare'  bedeute,  doch 
ist  dies  Dicht  durchweg  der  fall. 


142  ZINGERLE 

stattfaDden,  ist  m.  w.  noch  oicbt  aufgehellt,  das  Steiermark ische 
landrecht  (hg.  voo  FBischoff,  Graz  1875),  welches  übrigens  erst 
um  die  mitte  des  14  jbs.  abgefasst  wurde  (s.  BischofTaao.  s.  &3, 
Luschio  Österreich,  reichsgesch.' 8.141),  gibt  hierüber  keioe  aof- 
schlUsse,  und  aus  den  quellen  des  12  und  13  jhs.  (s.  Krones  Zur 
quellenkunde  und  geschichte  des  mittelalt.  landtagswesens  der 
Steiermark,  bes.  s.  7.  11.  23)  ist  es  ebenfalls  nicht  festzustellen, 
es  dürften  hier  aber  wol  ähnliche  einrichtungen  bestanden  haben 
wie  in  Osterreich,  über  dessen  gerichtsverfassung  wir  viel  besser 
unterrichtet  sind  (s.  Luschin  Geschichte  des  altem  gerichtswesens 
in  Österreich  ob  und  unter  der  Enns,  Weimar  1879).  das 
Österreich,  landrecht  (hg.  von  HasenOhrl,  Wien  1867),  nach  neuerr» 
Untersuchungen  (s.  Luschin  Die  entstehungszeit  des  Österreich, 
landesrecbts,  Graz  1872)  1237/38  aufgezeichnet,  stellt  nun  art.  i 
fest :  Daz  dhain  lanndes  herre  sol  dkain  taiding  haben,  nur  Über 
sechs  Wochen  und  nicht  darhinder,  und  sulkn  auch  die  taiding  sein 
nur  ze  Newnburg,  ze  Tüln  und  ze  Ma%tttam,  sie  fanden  demnach 
9  mal  im  jähre  statt  —  sechswOchentliche  termine  wurden  1338 
auch  Kärnten  und  Krain  gewährt  — ,  sodass  auf  jede  der  drei 
genannten  dingstätten,  die  ihren  eigenen  gerichtssprengel  hatten, 
drei  landteidinge  entfallen  i.  da  die  dreizahl  Oberhaupt  weit  ver- 
breitet erscheint  (s.  Grimm  RA  s.  822^fiO  tind  zwar  auch  bei  den 
niedern  gerichten,  wird  gleichfalls  in  der  Steiermark  der  zu- 
sammentritt des  landteidings  (^placitum  generale')  jährlich  dreimal 
erfolgt  sein. 

Die  teilnähme  Wates  darf  nicht  befremden,  er  ist  Betels 
man  (518,1)  und  wird  später  (1611,3)  als  truhswze  bestellt, 
was  bestätigt,  dass  er  als  ministeriale  gedacht  ist  (s.  OvZallinger 
Die  rechtsgeschichte  des  ritterstandes  und  das  Nibelungenlied,  im 
Jahrbuch  der  Leo-gesellschaft  für  1899  s.  41f),  und  diese  waren 
zum  besuche  der  landteidinge  verpflichtet. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  boten  Kudruns,  die  Hilde  sich 
erbittet,  letztere  übernimmt  auffallenderweise  (s.  Zs.  f.  d.  pb.  1,264) 

*  aus  Helbl.  ii  656  ff  und  756  ff  haben  Luschiii  und  Seemuller  (s.  anm. 
z.  6560  gefolgert,  dass  später  nur  drei  landteidinge  —  also  an  jeder  ding- 
stätte  eines  —  gehalten  worden,  aber  driu  lantteidinc  kann  sich  auf  jeden 
der  genannten  orte  beziehen,  und  meines  erachtens  ist  diese  aaffassung  aUein 
zulässig ,  nicht  wegen  der  angeführten  bestimmung  des  landrechts,  sondern 
weil  diese  im  entwürfe  von  1298  widerholt  ist  (s.  Hasenöhrl  s. ! 


ZUR  KDDRUN  143 

Bach  Uetels  tode  trotz  der  mOodigkeit  Ortwios  die  regieruog  <• 
Herwig,  Kudruns  gemahl^  hat  aber  als  unabhängiger  farst  ihr 
gegenüber  keine  yerpflichtung,  daher  die  formulierung  wil  du 
war  <fe  genmdie.  die  holen  sollen  der  kOnigin,  die  fQrchtet^  an 
wMd  MHifemäete  nicht  gedingen  zu  können ,  offenbar  als  beirat 
dieneii,  doch  ist  schwer  zu  sagen,  woran  der  dichter  hierbei  ge^ 
dacht  bat.  wie  zu  den  reichstagen  nicht  den-  reichssianden  an- 
hOrige  personcn,  die  sich  des  hesondem  königlichen  Vertrauens 
erfireuteDy  als  berater  berufen  wurden,  mag  ähnliches  auch  sonst 
forgekommen  sein,  aber  mit  dem  regelmäfsigen  erscheinen  der 
boten  Kudruns  muss  es  eine  andre  bewantnis  haben. 

687,  2  steht  in  der  hs.  ich  welk  H„  wofür  die  herausgeber 
kk  emkelfe  £f.  (Bartsch  me  wege)  einsetzten;  welle  ist  aber  wol 
beizubehalten  und  zu  lesen  ich  enwelle  ze  ff. 

720,  1  hat  Martin  oinem  wiuser  der  bs.  in  einer  warte  ge- 
ändert, was  Symons  in  seine  ausgäbe  aufnimmt,  ich  halle  die 
änderuDg  scbou  deshalb  für  yerfehlt,  weil  nicht  einzusehen  ist, 
warum  HRied  oder  ein  früherer  copisl  die  ihm  yorliegende  les- 
art  beseitigte,  was  mit  absieht  geschehen  sein  müste,  da  ein 
lesefehler  sehr  unwahrscheinlich  ist.  dazu  kommen  noch  gründe 
sachlicher  natur.  mit  warte  finden  wir  'specula,  custodia,  ex- 
cubiae'  und  ^statio'  verdeutscht,  man  verstand  also  darunter  einen 
zur  ausschau,  zur  wache  benutzten  platz  und  aufserdem  den-  oder 
diejenigen,  welche  ausschau  hielten,  einen  Wachposten,  hierzu 
besonders  geeignet  waren  höher  gelegene  puncto,  daher  auch  im 
uiiltelalter  'specula'  schlechtweg  erklärt  wird  als  aUitudo  quelibet, 
de  qua  lote  langeque  pxospiei  polest  (Ahd.  gl.  iv  340,  U),  welche 
Vorstellung  auch  mit  warte  vorwiegend  verknüpft  ist.  entweder 
haben  wir  es  mit  natürlichen  bodenerhebungen  oder  mit  künst- 
lich hergestellten  Standorten  zu  tun.  erstere  fungierten  als  warte, 
sobald  sie  von  Wanderern  zur  Orientierung,  von  streifenden  kriegs- 
leuten  zum  recognoscieren  oder  zur  aufstellung  von  Vorposten 
ausersehen  wurden,  aber  nicht  selten  dienten  aussichtsreiche- 
puocte  nicht  blofs  als  gelegentliche,   sondern  als  ständige  warte, 

^  weibliche  erbfolge  bestimmt  der  ödterreicbische  freibeilsbrief  vom 
17  sept.  1156  folgeodermaÜBen  :  ul  ipsi  {Heinrieus  u,  Theodora)  et  liberi 
eoram  post  eos  indifferenter  fitii  sive  filie  euridem  Austrie  ducatum 
kereditario  iure  a  regno  teneant  et  posndeant  (s.  dazu  Hauke  Die  ge- 
scbichUicheo  grondlagee  des  moDarchenrecbts  s.  6). 


144  ZINGERLE 

iodem  man  für  warlleule  eioe  gesicherte  Unterkunft  schuf,  ein 
warthaus  oder  einen  wartturra  errichtete,  solche  warten  legten 
die  Römer  und  andre  Völker  des  altertums  an,  wir  finden  sie 
ebenfalls  bei  (germanischen)  wallburgen  und  selbstverständlich  in 
späterer  zeit,  wobei  ich  lediglich  die  ganz  isolierten  oder  aufser- 
halb  der  eigentlichen  befestigungsanlage  stehnden  im  äuge  habe, 
derartige  kleine  befestigungen,  die  einem  ernsthaften  angrifife  nicht 
lange  zu  trotzen  vermochten,  wurden  also  auch  warte  genannt, 
aber  auf  grofse  bürgen  oder  festen  fand  der  ausdruck  keine  an- 
wendung.  betrachtet  man  nun  die  Situation  in  der  Kudrun,  so 
muss  die  toarte  befremden.  Siegfried  mit  seinem  beere  ist  ins  ge- 
dränge  geraten,  er  sieht  sich  zum  rückzuge  gezwungen,  und  im 
kriegsrate  wird  beschlossen  :  rtten  in  eine  veste,  da  si  genesen 
künden,  daran  schliefst  sich 
720  Si  wichen  von  dem  strite  ze  einer  warte  dan, 
da  ze  einer  sUe  ein  grözer  phlüm  ran. 
dö  si  begunden  rilen,  dar  si  entwichen  soUen, 
dö  sach  man  mit  in  striten  die  in  gemaches  niht  gunnen  wolten. 
trotz  tapferer  gegenwehr  «nuss  S.  schliefslich  zu  einer  feste 
flochten,  die  von  den  Verfolgern  belagert  wird: 
swie  guot  in  was  ir  veste,  etelicher  doch  dd  heime  gemer  woere  usw. 
es  fragt  sich  zunächst,  ob  die  warte  mit  der  genannten  veste 
identisch  oder  eine  Zwischenstation  auf  der  rückzugslinie  ist. 
ersteres  ist  nach  dem  oben  gesagten  ausgeschlossen  —  eine  feste, 
die  ein  ganzes  beer  aufnehmen  konnte,  würde  der  dichter  nicht 
als  warte  bezeichnen  —  und  gegen  letzteres  spricht  gar  vieles, 
entweder  ist  anzunehmen,  dass  die  warte  (len  verfolgenden  feind 
aufhalten  und  den  rückzug  decken  sollte,  oder  dass  man  dort 
nochmals  sich  festsetzen  und  dem  gegner  die  stirne  bieten  wollte, 
im  ersten  falle  könnte  nur  ein  wartturm  oder  wartbaus  gemeint 
sein  und  eine  solche  fortificaiion  hätte  nur  in  einer  talenge  diese 
aufgäbe  für  kurze  zeit  erfüllen  können,  aber  da  hätte  sich  der 
dichter  sicher  anders  ausgedrückt  —  er  würde  etwa  klüse  ge- 
schrieben haben  — ,  denn  bei  warte  dachte  jedermann  an  eine 
höhenlage  und  nicht  an  einen  pass,  noch  dazu  mit  besonderer 
ierralngestaltung.  im  andern  falle  wären  zwei  möglichkeiten  in 
erwägung  zu  ziehen,  die  eine  ist,  dass  man  von  der  warte  aus 
die  bewegungen  der  feinde  zu  beobachten  gedachte,  die  andre, 
dass  man  dort  schütz  zu  finden  hoQ'te.    dieseq  gewährte  aber  ein 


ZUR  KUDRUN  145 

warllurm,   selbst  wenn  auf  einer  seile   ein   fluss  deckung   bot, 
wider   nur  unter  bestimmten   ortsverhältnissen,   und   so  läge  die 
Sache  ooch  am  einfachsten,  wenn  wir  warte  als  anhohe,  die  einer- 
seits eine  weile  ausschau  gestaltete   und   anderseits  einen  angriff 
der  gegner  erschwerte,  betrachteten.     aulTallend  bleibt  die  stelle^ 
der  ich  keine  parallele  an   die  seile   zu  stellen  weifs,    auch   bei 
dieser  deulung.     es  ist  ja  mehr  als  unwahrscheinlich,    dass  ein 
geschlagenes  beer  ohne  nötigung  auf  dem  rQckzuge  noch  einmal 
halt  macht,  um  den  Qberlegenen  gegner  zu  erwarten,     und  was 
sollte    den  Verfasser  der  Strophe  hierzu    bewogen  haben?     nicht 
das  geringste  rootiv  ist  zu  entdecken,     unler  solchen,  umständen 
scheint  es  geraten,   die  brauchbarkeit  der   ursprünglichen  lesart 
zu  prüfen,  und  da  stellt  sich  heraus,   dass  sie  mit  unrecht  ver- 
worfen wurde.    Siegfried  ist  über  s^  zu  Herwigs  land  gekommen. 
nach   ankunft   der  Hegelingen   wendet  sich   sein  kriegsglück,   er 
zieht    sich    in   eine  feste  zurück,     aus  728,  1  Dö  liezen  die  von 
Stürmen  ninder  üf  den  se  die  von  Mörlande  und  die  von  Alzabe 
erhellt,    dass  die  läge  des  zufluchlsorles  beim  meere  gedacht  ist. 
wenn    es    also  heifst  si  wichen  von  dem  strite  ze  einem  wazzer 
dan^  so  ist  damit  das  meer,   eine  meereshucht  gemeint  und  nun 
hat  auch  der  folgende  vers  —  ich  lese  dd  ze  einer  site  ein  grözer 
pklüm   in  ran    (hs.  hinran^  wofür   die   herausgeber   einfach  ran 
schreiben)  —  guten  sinn,   denn    durch   den  fluss  wird   die  ver- 
teidigungsfcShigkeit  des  platzes  erhobt,   indem    nur  eine  angrifls- 
seitc  dem  lande  zugekehrt  ist.    auf  der  von  beiden  gewässern  ge- 
bildeten   landspitze   haben  wir   uns   die  guote  feste  vorzustellen, 
welche  gerade  so  wie  Tharsis  im  Apoll.  lOSlfT  und  die  im  Gerb. 
1272  (T   beschriebene  sladt  situiert  ist  und  wie  diese   platze  die 
Umfassung  nicht  knapp  an  das  wasser  vorgeschoben  hat,  worauf 
die  völlige  cernierung  weist,    beachtenswert  ist,  dass  der  ausdruck 
ceste  719,3  zum  ersten  male  gebraucht  ist  und  in  der  folge  noch 
723,4.  780,3  für  Hetels  bürg  und  1255,4.  1427,3.  1452,3 
für  Ludwigs  bürg,    er  gehört  wol  durchweg  Jüngern  Strophen  an. 
720, 1  hat  M.  die  Änderung  offenbar  im  hinblick  auf  676, 3 
vorgenommen,   wo  bereits  Ziemann  wargk  der  hs.  in  warte  ge- 
bessert  hatte,     darnach  wäre  Herwig  in   derselben  Situation  wie 
Siegfried  Af  sine  warte  entronnen,    da  die  warte  aber  hier  wie  dort 
unhaltbar  ist,  wird  man  mit  Vollmer  und  Symons  marke  zu  lesen 
haben.  —   700,2  scheint  mir  Martins  emendalion  warten  schon 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXII.  10 


146  ZINGEBLE  ZUR  KUDRUN 

deshalb  bedeDklich,  weil  das  handschriflliche  horten  borlen-barten 
voraussetzt,  aber  auch  porlen,  worauf  die  Überlieferung  zunächst 
deutet,  will  mir  neben  bärge  nicht  gefallen,  es  müsteu  die  tore 
der  äufsern  Umfassung  und  die  innere  bürg,  die  hocbburg,  ge- 
meint sein,  was  ganz  unglaublich  ist^.  andre  substantiva  von 
graphischer  ähnlichkeit  passen  nicht  in  den  Zusammenhang,  und 
so  kann  hinter  horten  nur  ein  adjecliv  stecken,  es  ist  nach  meiner 
Überzeugung  wU,  das  als  attribut  von  burc  neben  guot  und  vesie 
in  unsrer  dichlung  mehrfach  zu  belegen  ist  (138,2.  685,3.  760,2. 
1333,  2.  1536,  1  diu  burc  ist  vil  teste,  wH  unde  guot),  dass  w 
von  einem  flüchtigen  abschreiber  als  ho  gelesen  werden  konnte^ 
wird  jeder,'  der  die  to- formen  des  13/14  jhs.  kennt,  zugeben 
müssen. 

843,  4  ist  nach  Idzen  müesten  kaum  beide  oder  mit  ir  spise 
ausgefallen,  sondern  eher  zer  merverte  (hs.  mauerte), 

855,4  erganz  ich  nach  icol  üf  niqht  sprach  dö,  sondern 
rief  oder  ruofte  (hs.  ruft?).  902,  3  lieifst  es  er  sprach  ^wol  üf, 
ir  heldt\  —  1360,  2  Ludewiges  wahtaere  krefticlichen  rief  ^wol 
üf,  ir  stolzen  recken*,  an  obiger  stelle  ist  'rufen',  abgesehen  von 
der  graphischen  ähnlichkeit  von  nf,  rief,  ruft,  auch  der  Situation 
angemessener,  r.  finden  wir  zb.  noch  Bit.  10038,  Dietr.  Fl.  15S6. 
5463.  5804,  Rabenschi.  831,  3,  Wolfd.  D  iv  14,  1  (s.  v  166,  3), 
Reinb.  Georg  301,  Wigam.  5711  —  spr.  Nib.  471,4,  Dietr.  Fl. 
5950,  Rabenschi.  993,  4,  Alph.  364,  1.  412,  3,  Wolfd.  D  vii  53,  1. 
IX  197,1.  X  52,  2,  Parten.  15696.  16398;  beide  verba  Ulr.  vdT. 
VVilleh.  ccxL  4. 

Czernowiiz.  OSW.  v.  ZiNGERLE. 

KASSELER  BRUCHSTÜCK  DES  RENNEWART. 

Ein  blaltausschnüt  mit  17  +  16  verszeilen  aus  einer  pghs,  des 
14  jhs.j  im  besitz  der  Kasseler  ständischen  landesbibliothek,  10  cm 
hoch  und  1 5  cm  breit ;  aus  der  innern  columne  (sp.  a  und  d)  eines 
2  spaltigen  codex  in  folio,  der  dem  bekannten  cod.  Pal.  germ.  404 
{bei  Lohmeyer  s.  12  :  /)  sehr  ähnlich  gewesen  seiti  muss.  rahmen 
und  linien  sind  vorgezeichnet,  die  spalten  ebenso  breit  (9,6  cm),  die 
linie  ebenso  hoch  (0,65  cm)  wie  in  L  die  (grofsen)  anfangsbuchstaben 
der  verse  sind  wie  dort  gleichmäfsig  hinausgerückt  und  rot  durch- 

^  sonst  werden  neben  den  toren  törine  oder  mauern  genannt,  letztere 
zb.  Konr.  Troj.  23254  :  die  porten  und  die  müre  sterslwret  man  .... 


SCHRÖDER  KASSELER  BRUCHSTÜCK  D.  REiNNEVYART      147 

stricken,  die  eine  rote  initiale  hat  zwar  an  der  betr.  stelle  keine 
enisprechting  in  l,  ist  aber  dem  anderweiti(i  vorkommenden  initial-S 
sthr  ähnlich,  freilich  erreichte  unsere  hs.  doch  nicht  ganz  das 
stattliche  format  von  (  denn  1)  sowol  der  räum  zwischen  den  co- 
Inmuen  ist  schmäler  (1,8  cm  gegen  2,1  cm),  2)  als  der  erhaltene 
innenrand  (3,6  cm  gegen  6  cm)  —  und  so  waren  es  wol  auch  die 
übrigen  r ander;  3)  lässt  sich  die  zahl  der  verse  pro  spalte  auf  b'.i 
berechnen  *,  w^rend  l  56  Zeilen  aufweist,  —  das  fragment  hängt 
wut  keinem  der  anderweit  aufgetauchten  zusammen  und  weist  gegen- 
über l  (bL  145  sp.  a  49 — 6  9,  d  40 — 55),  das  ich  durch  die  ge- 
fälUgkeit  der  Heidelberger  bibliotheksverwaltung  hier  am  orte  be- 
nutzen konnte,  die  folgenden  laa,  auf: 

bL  145  sp.  a  :  49  oben  weggeschnitten  :  Der  fcbol  vil  ..... 
hao  erfiriteD  ist  erkennbar,  für  prises  stand  ein  anderes  wort 
50  der  hat      51  Swie  mit  grofser  roter  initiale    hin  fehlt      53  rite 
fv    fo  vor  54  enpor         55  ewrem  56  üch]  ev   hie.    — 

sp.  b  :  1.2  znigen  :  vaigpn  2  Ez,  das  übrige  weggeschabt,  aber 
noch  controlierbar  3  heyden  immer  gein  immer  4  ma- 
niges  5  Yngefchart  6  chomeo  ovch,  nachträglich  umgestellt 
S  Hinlz  da.  —  sp,  d:  40  fwanc  er  vil  chavm  eiilwancle 
41  fnellieil  er  phlac  42  Panthanys  eiueo  43  den  k.] 
Rennewarten  44  tieffe  45  Dem  helde  in  finen  46  firavchle 
47  Vnti  ovch  nach  48  Rennewarten  was  vil  gach  50  er 
zornlichen  51  paide  fine  ftarke  52  ez  wirl  din  53  du 
dich  le  min  torft  gewern  54  Din  lehn  mvfl  du  da  von  ver- 
zern        55  La  din  dro  vnd  tu  cHn  weich. 

Die  laa.  bezeugen  die  hs,  ausreichend  als  bairisch,      E.  SCII. 

ZUM  REINAERT. 

Zu  den  am  meisten  verderbten  stellen  unsrer  Überlieferung 
gehört  die  auFzählung  der  tiere,  welche  gegen  Reinaert  klage  er- 
heben :  H  I  (a)  1845  —  1860,  R  ii  (b)  1869—1885.  man  weifs 
längst,  dass  hier  der  text  der  Comburger  hs.  (a)  nicht  fehlerfrei 
ist,  anderseits  hat  JVVMuller  (De  ouile  en  de  jüngere  bewerking 
van  den  Reinaert  s.  59)  gezeigt,  dass  die  (vuu  bd  überlieferte) 
liste  von  R  ii  vielfach  mit  I  gegen  a  zusammenstimmt,  folgerungen 
daraas  für  die  reconstruction  des  textes  von  R  i  zu  ziehen ,  hat 
»ich  Muller  mit  recht  gescheut;  bei  dem  radicalen  vorgehn  van 
Reitens  dagegen  nimmt  es  fast  wunder,  dass  er  hier  den  text  (bei 
ihm  vv.  1703 — 1718)  wider  genau  so  liefert  wie  Martin,  ich  glaube 
wenigstens  an   einer  stelle  darüber  hinauskommen  zu  können. 

Dass  die  Comburger  hs.  (a)  in  dieser  partie  neigung  zum 
interpolieren  zeigt,  hat  Martin  erkannt,  indem  er  nach  1855  einen 
vers  ausschied    {Dat  water  var,  dat  butseel),  durch   welchen   ein 

*  bei  fort  fall  oder  erweiterung  der  roten  capitelüberschriften  könnte 
man  alienfallt  auch  auf  52  oder  54  seilen  geführt  werden, 

10* 


148  SCHRÖDER  ZUM  REINAERT 

dreireim  entsland;  JGrimm  Iialie  umgekehrt  hier  eine  lücke,  also 
einen  ursprünglichen  vierreim  angenommen,  nach  v.  1856  ende 
dat  eencoren  here  Rosseel  fahrt  dann  a  fort: 

Dieweline,  die  vrauwe  fine. 
man  nimmt,  soviel  ich  sehe,  allgemein  an,  diese  ^Dieweline',  die 
sonst  nirgends  vorkommt,  sei  das  weibliche  eichhorn  (so  Martin 
s.  XXXIX  und  im  Wörterbuch  s.  450*"),  wobei  JGrimm  (anm.  z.  st.) 
freilich  die  Änderung  von  fine  in  fine  für  wünschenswert  halt, 
van  Helten  vor  ihrem  namen  ein  ende  einfügt,  dazu  ist  zunächst 
zu  bemerken,  dass  diese  nennung  eines  Weibchens  bei  einem  klei- 
nern Säugetiere,  wo  das  geschlecht  für  den  menschen  nicht  ohne 
weiteres  erkennbar  ist,  um  so  mehr  überrascht,  als  aufser  widder 
und  lamm  {Belijn  und  Hawij)  in  der  langen  reihe  der  tiere  kein 
weiteres  paar  auftritt,  weiter  ist  der  binnenreim  Dieweline  :  fine 
auflällig  und  anstOfsig,  und  schliefslich  gehört  die  'feine  dame' 
sprachlich  unbedingt  einer  jungem  schiebt  an. 

Wir  wissen  durch  Sleinmeyer  Zs.  34,  282  f,  dass  das  dem 
franz.  entlehnte  adj.  fin  in  Mitteldeutschland  seit  Berthold  von 
Holle,  in  Oberdeutschland  gar  erst  seit  Konrad  vWürzburg  be- 
zeugt ist.  nun,  auch  im  niederländischen  kommt  das  wort  nicht 
früher  auf :  der  Reinaerl  i  hat  keinen  zweiten  beleg  und  im  Rei- 
naert  ii  erscheint  fijn  in  charakteristisch  enger  Verwendung  :  van 
finen  goude  5323.  5495;  fijn  gonden  5502;  van  silver  fijn  5487; 
wo  I\  II  2431  fijn  selver  ende  root  gout  bietet,  hat  R  i  2409  noch 
einfach  daer  vandic  selver  ende  gout.  jene  engere  bedeutung  'fein 
gold',  'fein  silber*,  weiterhin  'fein  lasur',  'perlen  fein*  stammt  aus 
dem  französischen,  wo  ich  zb.  im  Roman  d*En6as  ausschliefslich 
diese  Verwendung  gefunden  habe  :  de  (en)  fin  or  4071.  4083. 
4483.  6435.  6457.  6489.  6928.  7174;  de  fin  argent  4077.  es 
ist  die  bedeutung  'raffiniert',  die  in  verschiedenen  nuancen  noch 
heute  in  Frankreich  wie  in  Deutschland  fortlebt,  im  12  jh.  sprach 
man  von  durhsotenem  golde,  auch  bei  Konrad  vWürzburg  hat 
Steinmeyer  aao.  s.  283  diese  ' Vorliebe',  fin  von  gold  und  edel- 
gestein  zu  brauchen,  bemerkt  und  darin  richtig  die  ursprüng- 
liche bedeutung  erkannt,  ohne  dass  er  dafür  auf  das  französische 
zurückgieng. 

Im  vorliegenden  falle  können  wir  also  in  der  Überlieferung  drei 
Stadien  beobachten  :  R  i  braucht  das  adj.  fijn  überhaupt  noch 
nicht,  R  II  wendet  es  ausschliefslich  in  der  engen,  ursprünglichen 
bedeutung  auf  (reines)  gold  und  silber  an,  ein  interpolator  von 
R  I,  wahrscheinlich  derselbe,  dem  wir  auch  den  zusatzvers  nach 
1855  verdanken,  überträgt  es  bereits  auf  personen.  der  von  ihm 
herrührende  vers  1857  Dieweline,  die  vrauwe  fine  (den  nur  a 
kennt),  muss  unbedingt  ausgeschieden  werden  :  ob. aber  darum 
für  die  nunmehr  reimlose  zeile  1859  Cantecleer  ende  die  kindre 
sine  ohne  weiteres  das  reimpaar  aus  b  (1883  f)  eingesetzt  werden 
darf,  möcht  ich  doch  bezweifeln.  E.  SClI. 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJUNCTION  UNDE. 

Die  Partikel  unde  zeigt  im  mbd.  eine  fülle  vod  bedeutUDgeo, 
die  sie  in  ahd.  zeit  Doch  nicht  besessen  zu  haben  scheint,  und 
die  ihr  in  onsrer  Schriftsprache  zum  grofsen  teil  wider  abhanden 
gekommen  sind,     so  hat  sich  das  interesse  der  philologen  früh- 
z^tig  und  anhaltend  der  Sammlung  und  Untersuchung  der  manig- 
fiicben  gebraucbsweisen  zugewendet.    LTo hier  hat  das  problem 
zum  gegenstände  zweier  besondrer  abhandluogen  gemacht  i,  und 
zahlreich  sind  die  Sammlungen  einzelner  beispiele,    die  sich   in 
den  aomerkungen  zu  mhd.  ausgaben,  in  den  wOrterbQchern ,  in 
dissertationen   syntaktischen  Inhalts   und  sonst  an  allerlei  orten 
ferstreut  finden,    dank  diesen  bemühungen  besitzen  wir  ein  un- 
gemein reichhaltiges  material  und  eine  in  manchen  puncten  über- 
zeugende  erklärung,  auf  welche   weise  sich   die  manigfaliigkeit 
der  bedeutungen  herausgebildet  habe,    das  höchste  interesse  des 
Philologen  aber  ist  trotz  allem  noch  unbefriedigt  geblieben,    der 
Philologe  muss  darauf  aus  sein ,  den  ganzen  gedanken-  und  ge- 
(Ühlsinhalt,  den  das  wort,  die  phrase  oder  die  construction  eines 
Schriftstellers  in  sich  schliefst,  so  deutlich   und   lebhaft  nachzu- 
empfinden, wie  es  nur  dessen  gebildete  Zeitgenossen  einst  ver- 
mochten,    wir  sind   freilich  von   diesem  idealen  ziele  noch  weit 
entfernt,   werden   es  bei  der  Schwierigkeit  des  weges  auch  wol 
niemals  ganz  erreichen,     vielleicht  darf  gerade  deshalb  auch  der 
kleinste  schritt  nach  diesem  ziele  hin  auf  die  teilnähme  der  alt- 
deutschen Philologen  rechnen.  — 

Wir  finden^  dass  dieselbe  phrase  bei  mhd.  autoren  bald  mit, 
bald  ohne  unde  erscheint;  wenn  Friedrich  vHausen  (MFr.  46,  2) 
sagt  und  wil  sts  jehen,  so  lesen  wir  im  Parz.  (359,  30)  u)ils  jehen 
frau  Obie.  wir  bezeichnen  also  dieses  und,  das  bald  steht,  bald 
fehlt,  als  ^pleonastisches'  und^  und  geben  es  im  nhd.  in  beiden 
fällen  durch  ^wenn'  wider,  ebenso  erscheint  in  andern  fügungen 
bald  das  relativpronomen,  bald  an  seiner  stelle  unde :  da  nehmen 
wir  keinen  anstand  von  relativem  gebrauch  des  und  zu  sprechen 
usw.  usw.  dabei  hat  man  im  ersten  falle  gänzlich  unterlassen, 
zu  prüfen,    ob  denn  allen  arten   von  condicionalen  Vordersätzen 

^  Über  den  relativen  gebrauch  des  deutschen  und  mit  vergleicbung 
verwanter  spracherscheinongen  KZ.  7,  353  ff;  Germ.  13,  91  ff;  eine  kurze  Zu- 
sammenfassung der  ergebnisse  Beitr.  5,  375  f. 

Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXll.  11 


150  KRAUS 

ein  solches  unde  vorgesetzt  werden  könne  —  was  doch  sein 
müste,  falls  es  wQrklich  rein  'pleonastisch'  stünde  —  ehenso  wie 
man  sich  im  zweiten  fall  nicht  darum  gekümmert  hat,  ob  für 
jedes  relativum  ohne  weiteres  unde  als  ersatz  eintreten  könne, 
wenn  solche  gegenproben  jederzeit  gemacht  würden,  so  würde  in 
nicht  all  zu  ferner  zeit  die  reiche  liste  der  ^pleonasmen',  ^tauto- 
logien*  und  ^synonyma'  ganz  beträchtlich  vermindert  werden,  so- 
bald wir  denselben  begriff  auf  zwei  verschiedene  arten  ausgedrückt 
finden,  sind  wir  eben  nur  allzu  bereit  anzunehmen,  dass  sich 
diese  ausdrucksweisen  vollständig  deckten,  und  lassen  ganz  aufser 
acht,  ob  nicht  etwa  die  bedeutungsinhalte  der  betreffenden  aus- 
drucksweisen sich  nur  zum  teil  schnitten,  oder  ob  der  grund  des 
wechseis  der  sprachlichen  mittel  nicht  etwa  darin  zu  suchen  ist, 
dass  sich,  wie  Sievers  das  für  die  bewegungsverba  gezeigt  hat, 
üne  und  dieselbe  sache  eben  von  ganz  verschiedenen  Seiten  aus 
betrachten  und  somit  auch  sprachlich  darstellen  lässt. 

Von  dieser  eben  skizzierten  aufgäbe  principiell  verschieden 
ist  die  aufgäbe,  das  herausbilden  solcher  sprachlicher  erschei- 
nungen  historisch  zu  erklären,  beide  werden  m.  e.  am  besten  ge- 
trennt behandelt,  weil  sonst  die  gefahr  besteht,  dass  das  philo- 
logische erfassen  des  tatsächlichen  über  dem  verlangen  nach  hi- 
storischem begreifen,  wie  es  denn  geworden  ist,  zu  kurz  komme, 
das  wichtigste  und  daher  auch  der  ausgangspunct  muss  uns  immer 
die  genaue  erforschung  des  tatsächlichen  sein,  denn  ohne  sie  kann 
die  historische  erklärung,  also  die  hypothese,  höchstens  durch  die 
gunst  eines  glücklichen  Zufalls  das  richtige  treffen  :  während  um- 
gekehrt die  richtige  erkenntnis  des  tatsächlichen  auch  ohne  hi- 
storische erklärung  seines  Werdens  aufrecht  stehn  kann,  ich  sondre 
demnach  im  folgenden  Interpretation  und  hypothese  durchaus,  und 
stelle  erstere  voran. 

1.   UJ\DE 
LEITET   DEN  VORDERSATZ   EINES  HYPOTHETISCHEN  GEFÜGES  EIN. 

Litteratur  :  Bechstein  zu  Trist.  212;  Benecke  zu  Iw. 
5829.6369,  zu  Wig.  s.  729;  Cordes  Der  zusammengesetzte  salz 
bei  Nie.  von  Basel,  Leipzig  1889,  §  214.  226;  Cutting  Der 
conjunctiv  bei  Hartmann,  Chicago  1894;  Diemer  zu  Erinng.  150, 
Glossar  zur  Mst.  hs.  s.  v.  unde;  Erbe  Beitr.  5,7f;  Erdmann 
Grundzüge  i§  126;  Grimm  Gr.iv'1308f;  Haupt  zu  Neif.  8,  17; 


OBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UNDE  151 

Jänicke  zu  Walb.  1251;  Jellinek  Hero  s.  83;  Kinzel  zu 
Alex.  4514;  Kraus  Aoz.  xvn28.  xix  58;  Martin  zu  Kudr.  227,3; 
Paul  Beitr.  5,  48;  Rothe  Coodicionalsatze  bei  Gottfr.,  diss.,  Halle 
1895;  Roiteken  Der  zusammengesetzte  satz  bei  Berthold,  QF.53; 
Tobler  aao.;  Mhd.  wb.  iii  184;  soweit  die  im  folgenden  be- 
sprocbeoen  tMe  nicht  der  eben  angegebenen  litteratur  entnommen 
sind,  stammen  sie  hier  wie  später  aus  eignen  Sammlungen. 

Der  gewöhnliche  bedingungssalz  drückt  aus,  dass  eine  be- 
stimmte tatsache  sich  realisiert,  wenn  eine  bestimmte  bedingung 
(annähme,  Toraussetzung)  sich  erfüllt  :  Er.  1148  gelinget  im,  er 
kumi  dar  zuo.  daneben  gibt  es  nun  bedingungssätze,  welche 
obendrein  besagen,  dass  die  betreffende  bedingung  (annähme, 
foraussetzung)  die  einzige  ist,  die  erfüllt  werden  muss,  damit  eine 
bestimmte  tatsache  sich  realisiere,  im  neuhochdeutschen  pflegen 
wir  diese  Sätze  mit  ^wofern  nur'  einzuleiten^  im  mittelhochdeutschen 
ist  der  adäquate  ausdruck  das  sogenannte  pleonastische  unde: 
Parz.  645,  1 8  frouwe,  ernbiut  iu  mere,  daz  er  mit  werden  freuden 
lebe,  und  vreischer  itoers  tröstes  gebe  'wofern  ihr  ihn  nur  tröstet'. 

Der  grund,  öttr  den  redenden  veranlasst,  in  so  nachdrucks- 
foller  weise  hervorzuheben ,  dass  die  betreffende  bedingung  die 
einzige  ist,  die  notwendig  realisiert  werden  muss,  kann  ein  ver- 
schiedener sein,  in  weitaus  den  meisten  fällen  ist  er  darin  ge- 
legen, dass  die  im  nachsatz  berichtete  tatsache  in  würklichkeit 
von  einer  reihe  von  bedingungen  abhängt,  die  jedoch  alle  be- 
reits erfüllt  sind,  sodass  nur  mehr  die  6ine  im  Vordersatz  an- 
geführte bedingung  —  gewissermafsen  als  letztes  glied  der  ganzen 
kette  von  bedingungen  —  eintreten  muss,  damit  die  tatsache 
realisiert  wird,  die  beispiele  hierfür  sind  zahlreich  :  Roth.  1953 
den  hetieh  sicherliehe  verholne  gerne  gesen,  unde  mochtiz  mit  ge^ 
vöge  gesehen  :  'wofern  es  nur  mit  anstand  geschehen  könnte';  also 
das  wichtigste,  dass  sie  sich  für  ihn  interessiert  und  dass  sie  ihn 
gerne  sehen  würde,  ist  bereits  tatsache;  es  müsle  nur  noch  auch 
dem  anstand  genüge  geschehen  können.  —  WMann  ii  97  kumin 
ich  zu  lande,  ich  reche  sinen  anden,  undi  (hs.  undir)  sal  mir 
ummir  guot  von  im  gischin  :  'wofern  mir  nur  je';  die  notwendigen 
Vorbedingungen,  den  tod  Christi  zu  rächen,  sind  gegeben  :  der 
kOnig  hat  die  nötige  heeresmacht  sowie  den  festen  entschluss,  es 
zu  tun;  es  fehlt  also  nur  mehr  das  6ine,  dass  der  vater  geheilt 
wird.   —    Er.  1007  nu  geruochet  mir  den  lip  Idn.    und  habe  ich 

11* 


152  KRAUS 

iht  des  getan,  des  ich  von  rehte  engeüen  sol,  daz  widerdiene  ich 
harte  wol  :  'wofern  nur*;  die  hauptbedingUDg,  die  bereitwilligkeit 
zu  sühnen ,  ist  gegeben;  und  so  braucht  er  es  nur  auch  getan 
zu  haben,  damit  die  sühne  erfolge.  —  ebenso  Wh.  306 ,  12 
der  tötliche  val,  der  hiest  geschehen  ze  heder  sit,  dar  umbe  ich  der 
geteuften  nit  trag  und  ouch  der  heiden,  daz  bezzer  got  in  beiden 
an  mir,  und  st  ich  schuldic  dran.  —  Cr.  3534  und  twinge  iuch 
dehein  hungernöt  (ich  füer  hie  schultern  unde  bröt  unde  vil  guoten 
trin),  nü  Idtz  in  iuwem  hulden  sin,  und  heizt  die  frouwen  biten : 
die  mittel  und  den  willen,  Crec  zu  speisen,  hat  der  knappe;  so 
braucht  also  Erec  nur  würklich  hungrig  zu  sein,  und  er  mag  sich 
bedienen.  —  Er.  4885  und  Idt  mir  got  so  wol  geschehen,  daz  ich 
im  immer  kume  zuo,  idi  sage  iu,  herre,  waz  ich  tuo  :  ich  bringen, 
mag  ich  ins  erbiten  :  Gawein  ist  von  dem  kOnig  Artus  eben  auf 
das  dringendste  gebeten  worden,  Erec  an  seinen  hof  zu  bringen, 
und  antwortet,  dass  er  ja  selbst  niemand  lieber  sehen  würde  als 
Erec  :  so  braucht  es  also  nur  noch  die  äufsere  mOglichkeit,  und 
es  soll  geschehen.  —  Er.  8585  *  wan  unde  kumet  ir  dar  in,  so 
geriuwet  ir  mich  sere  :  wart  so  seht  ir  uns  nimmer  mere  :  das  blofse 
hineingelangen  in  den  baumgarten  genügt,  die  andern  bedingungen, 
die  nötig  sind,  damit  der  eindringende  das  gefühl  des  mitleids 
erregt,  sind  im  baumgarten  bereits  gegeben.  —  ebenso  Iw.  414 
und  heten  si  min  war  genomen,  sone  triut  ich  mich  niht  erwem. 
auch  hier  ist  an  fähigkeit  und  absieht  der  untiere  zu  schaden, 
nicht  zu  zweifeln;  es  fehlte  also  nichts  als  die  äufsere  Wahr- 
nehmung, und  Kalogreant  wäre  nicht  davon  gekommen.  —  ebenso 
Iw.  555  zwäre  unde  kumestü  dar  und  tuostü  ime  sin  reht  gar, 
tuostü  dan  die  widerkere  dne  gröze  din  unere,  so  bistü  wol  ein 
vrum  man  :  alle  die  andern  bedingungen,  die  einen  schluss  auf 
die  tapferkeit  desjenigen  der  sie  übersteht  zulassen,  sind  als  ganz 
sicher  gegeben ;  so  reicht  die  blofse  tatsache  des  rückkehrens  hin, 
um  Kalogreant  den  rühm  der  tapferkeit  zu  sichern.  —  Greg.  3724 
ich  erkande  in  wol,  und  scehe  ich  in  :  ^beim  blofsen  sehen'.  — 
Er.  8030  und  ist  ez  niwan  ein  man,  an  dem  si  ze  gewinne  stät, 
des  möhte  werden  guot  rdt :  'es  braucht  nur  würklich  so  zu  sein, 
und  .  .  .'.  —  Wh.  88, 18  Mahmet,  unt  ganstu  mirs,  ich  begrife 
dich.  —  Trist.  3983  min  nacketage  enwirret  niht,  swie  mich  der 

^  von  Lachmann  zu  Iw.  155  mit  unrecht  bestritten,  s.  die  beispielc  für 
wan  unde  bei  Bech  Germ.  7,  466  und  Haupt  z.  st. 


Ober  die  mhd.  conjunction  unde         153 

künee  nü  vamde  siht,  er  wirt  mich  gerne  seilende,  und  wir  de  ich 
ime  vergehende  umbe  sinen  neven.  —  Trist.  4878  und  mag  auch  ich 
dem  (trahen)  dd  bejagen,  so  behalte  ich  mine  stat  da  wol  — 
Trist.  5  t  44  und  si  daz  dich  got  gewer,  s6  soUü  wider  kiren.  — 
Trist.  5435  ich  weiz  too/,  so  manc  edele  man  .  .  .  sine  hende  mir 
gecaiden  hat;  und  hcBtens  dise  unidt^  der  ir  da  jehet,  an  mir  er- 
kani,  tr  ddieiner  hmte  sine  haut  zwischen  die  mine  nie  geleit.  — 
Trist.  5715  und  werdents  (mann  und  weib)  aber  gescheiden,  son 
ist  nihi  an  in  beiden  :  *man  braucht  sie  nur  zu  trennen^  und'.  — 
Trist.  6056  Tristan  wart  . . .  empfangen  niht  so  suoze,  als  er  doch 
w4Bre  getan,  und  hwte  si  diz  leit  verlän.  —  TrisL  6191  und  helfent 
wUr  die  selben  dri  (Gott,  recht  und  Selbstvertrauen),  swie  unver- 
suocht  ich  anders  si,  so  hän  ich  guoten  tröst  dar  an,  ich  genese 
iro/  vor  einem  man.  —  Trist.  7855  und  kanstü  keiner  lere  .  .  . 
mere  danne  ir  meister  oder  ich,  des  underwise  si  durch  mich.  — 
Trist.  7930  sine  erkande  ir  vindes  niht;  undmöhtesi  dazwizzen, 
an  wen  si  was  verflizzen  und  wem  si  half  üz  tödes  not,  wcere 
iht  ergers  danne  der  tot,  den  hcete  sim  zewdre  gegeben.  —  Trist. 
9494  und  kume  ich  wider  ze  miner  mäht,  so  ist  reht,  daz  ich  tuo 
unde  sagBj  swaz  iu  geliche  und  iu  behage,  —  Trist.  10196  Isöt 
wes  hdsttl  mich  gemant?  daz  ich  min  leben  ie  gewan!  und  ist  diz 
danne  Tristan,  wie  bin  ich  dar  an  so  betrogen.  —  Trist.  13335 
herre,  herre  gdt  her  an!  und  kumet  min  her  Tristan^  die  wile  ir 
an  dem  lande  sit,  uns  begdt  ein  übel  zit.  —  Trist.  14103  auch 
mit  ir  iuch  versinnen,  und  keret  ir  von  hinnen^  wer  beschermet 
iuwer  zwei  laut?  —  Trisl.  14881  iuwer  bete  .  .  .  und  weste  ich, 
obe  diu  keine  kraft  von  minem  rdte  hcBle,  ich  riete  unde  tcete  . . . 
dar  an  iu  wol  geschcehe.  —  Trisr.  18664  und  sol  ouch  triuwe  und 
ere  haben  mit  gote  gemeine  .  .  .,  sone  zwivel  ich  zewdre  niht  . . ., 
sine  sin  vor  gotes  ougen.  —  Trist.  19543  daz  solle  sider  gar  sin 
ersuocht,  und  hcete  si  min  iht  gemocht.  —  Wig.  5348  und  hiet  er 
sich  versunnen^  so  wcer  ez  im  beliben  dd  :  *wofern  nur*;  die  be- 
gründung  des  'nur'  ist  hier  wie  in  den  folgenden  beispielen  eine 
ähnliche  wie  in  den  bisherigen,  sodass  ich  sie  wol  nicht  näher 
anzuführen  brauche.  —  Wig.  5373  m%  si  dir  daz  für  wdr  geseit: 
und  lebt  er  unz  an  den  tac^  daz  ez  uns  geschaden  mac,  wir  stdn 
in  baz  tasten  :  'wofern  er  nur  die  nacht  überlebt'.  —  Wig.  8959 
der  eren  mich  genüeget,  die  du  mir  herre  hdst  gegeben  und  Icestü 
mir  ze  vröuden  leben  dise  maget  wol  getdn,  —  Türl.  Wh.  107,16 


154  KRAUS 

der  göte  helf  ist  doch  niht  laz,  und  weit  ir  si  genäden  hiten.  — 
Türl.  Wh.  107,  19  ich  bedurft  tool  helf,  und  fund  ich  die.  —  Nib. 
1089,3  und  ist  ir  lip  so  schcßne  so  mir  ist  geseit,  minen  besten 
vriunden  sol  ez  nimmer  werden  leit :  *es  braucht  sich  nur  würklich 
80  zu  verhaken'.  —  ebenso  Nib.  1091,2  und  sol  ich  Kriemhilde 
geligen  iemer  U,  des  wil  ich  dir  lönen  so  ich  beste  kan  :  'wofern 
es  nur  auch  dazu  kommt'.  —  ebenso  Nib.  1139,2  und  ist  daz 
so  getan  ^  so  sol  st  kröne  tragen  vor  Etzelen  recken.  —  ebenso 
Kudr.  1 52,  2  sit  irz  der  recke,  der  nach  uns  hat  gesant,  und  gehet 
ze  einer  muoter  der  edelen  küniginne?  und  sint  war  diu  masre, 
so  bin  ich  vrö  von  allen  minen  sinnen.  —  Nib.  1183,3  swester 
mirst  geseit  und  wilz  ouch  wol  gelouben,  daz  alliu  diniu  leit  der 
künec  Etzel  wende,  und  nimes  dun  zeinem  man.  —  Kudr.  227, 1 
Hetele  dö  vrdgte  :  möhte  daz  gesln,  daz  mir  ir  vater  gasbe  daz 
schcene  magetin?  und  diuhte  ich  in  so  biderbe ^  so  wolt  ich  si 
minnen  und  woüe  im  immer  lönen,  der  mir  die  maget  hülfe  ge- 
winnen. —  Kudr.  298, 1  und  sol  idi  leben  drter  tage  stunde,  daz 
si  mir  hänt  gegeben,  daz  wirt  den  minen  gesten  also  vergolten, 
hänt  si  iehtes  gebresten,  daz  ich  immer  mire  bin  bescholten.  — 
Kudr.  1167,  3  ich  bin  ein  böte  von  gote,  und  kanstü  mich  gevrägen^ 
.  .  .  so  sage  ich  dir  von  dinen  mägen  :  'du  brauchst  mich  nur  zu 
fragen'.  —  Kudr.  1267,4  find  wirt  des  Gerlint  innen,  so  getete  si 
uns  mit  siegen  mch  nie  leider.  —  Kudr.  1646,  4  unde  lobet  siz 
eine,  so  mügen  wirs  alle  wol  ze  hulden  bringen.  —  Helmbr.  217 
her  Nilhart,  unde  solt  er  leben,  dem  hete  got  den  wünsch  gegeben. 
—  Helmbr.  891  und  het  ich  win,  des  müeste  hinte  getrunken  sin.  — 
Frauend.  25,  5  und  ist  ez  war,  so  helf  iu  got.  —  Frauend.  25,  29 
und  rüert  ir  iuch,  ir  nemt  sin  schaden.  —  Jüd.  (Hahn)  130,  25 
wurm,  unt  wcerstü  wise,  du  rihtest  din  werc  anderswä.  —  Jüd. 
130,  28  unt  west  ich  wd  ich  dich  funde,  du  mUesest  .  . .  amen 
dise  missetdt.  —  Hausen  MFr.  46,  2  si  darf  mich  des  zihen  niet, 
ichn  hete  si  von  herzen  liep.  des  mohte  si  die  wärheit  an  mir 
sehen,  und  wil  sis  jehen  :  'wofern  sies  nur  eingestehn  will'.  — 
Walth.  22,  37  und  volges  du  der  lere  min,  so  wis  gewis,  ez  frumt 
dir  an  dem  muote  :  'du  weifst  jetzt,  was  du  zu  tun  hast,  und  gut 
ist  die  lehre  auch,  du  brauchst  sie  also  nur  mehr  zu  befolgen, 
und  .  .  .'.  —  ebenso  Walth.  149,  25  und  tuost  also  und  volgest 
miner  lere,  so  büwes  du  üf  iren  strdze.  —  Walth.  32,  25  ich  weiz 
wol  swer  wiUecliche  spridiet  *jd\  der  gäbe  ouch  gerne,  und  wwr 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UNDE  155 

e%  datme  dd  :  irooisch  :  *es  brauchte  nur  auch  noch  vorhaodeo 
zo  sein'.  —  Walih.  82, 14  ich  hdn  niht  rosses  daz  ich  dar  gerite. 
"ich  lih  dir  ein«,  und  wiU  du  daz'  :  Mu  brauchst  nur  zu  wolleo'. 
—  Frauenberg  MS  i  37*  wt«  sunge  ich  vil  gerne,  unt  hülfe  ez 
mich  ihi.  —  Gliers  MS  1 43*  des  wolle  ich  geswigen  hdn  und  swige 
^uch  nochj  uni  liez  er  mich  :  ^die  leute  brauchten  mich  nur  in 
mhe  zu  lassen'.  —  Stammheim  MS  ii  56*  die  vogel  alle  sint  der 
nanerumnne  vrö  :  reht  also  teste  auch  ich,  unt  lieze  ein  ander  swasre 
aitich.  —  Neidh.  MSH  in  198*  unt  hcet  ich  got  gedienet  also  sere^ 
drtzec  jdr,  er  hülfe  mir.  —  Otto  zum  Turne  MS  1190**  es  möht 
ein  iant  verderben^  unt  twt  ir  ungendde  an  im  diu  fine,  als  si  an 
mir  begdt.  —  Reinmar  vZweter  hrsg.  von  Roethe,  nr  153, 1  her 
kerre,  unt  habt  ir  einen  man,  der  iu  stnen  dienest  marketveile 
wMchen  kan,  so  mezzet  sinen  dienest  ndch  der  miete  unt  ndch  der 
UAe  niht. 

Bei  durchsieht  der  beispiele  wird  man  leicht  sehen,  dass  es 
imnoer  dieselben  kategorien  sind,  die  widerkehren,  eine  gruppe 
bat  den  sinn  *es  braucht  nur  sich  so  zu  verhalten,  wahr  zu 
sein,  sich  zu  erfüllen',  eine  andere  Mu  brauchst  mir  nur  zu  folgen', 
eine  dritte  'sie  hätten  es  nur  zu  sehen,  wahrzunehmen,  zu  haben 
gebraucht',  eine  vierte  *er  braucht  nur  hinzukommen',  eine  fünfte 
drQckt  wider  durch  ein  gerne  oder  toeUen  im  nachsatz  aus,  dass 
der  eine  wichtige  factor  für  das  Zustandekommen  der  tatsache 
bereits  gegeben  ist,  usw^. 

Lediglich  eine  Unterabteilung  der  eben  besprochenen  gruppe 
stellt  eine  reihe  von  Sätzen  dar,  wo  gleichfalls  aus  einer  ganzen 
kette  von  bedingungen  alle  bis  auf  die  eine  ausdrücklich  genannte 
bereits  erfüllt  sind  :  und   diese  eine,   noch   ausstehnde,   ist  eine 

^  aaf  dieselbe  weise  erklärt  sich  aoch  der  gebrauch  von  unde  in  ge- 
visten  i wonschsälzen  (beispiele  bei  Grimm  Gr.  iv'  1309;  Mhd.  wb.  s.v. 
unde)  :  der  redende  wönscht  sich  in  allen  fallen  eine  reihe  von  tatsachen, 
fahrt  aber  ausdrücklich  nur  ^ine  einzige  an,  deren  erfüllung  die  der  andern 
implicite  enthalt,  auch  hier  setzen  wir  deshalb  im  nhd.  'nur'  :  Rol.  36,  22 
wolde  got  unde  wSre  ich  ü  wert,  das  mich  vür  oder  swert  gelüterte 
an  deme  Kbe  :  s6  wSre  ich  dn  swtvil^  daz  mtn  got  mochte.  —  Woifd. 
H.  2041  wolt  got  und  (fehlt  in  der  ausgäbe  DHB.  Wolfd.  D  ix  153, 4)  wasrett 
du  gesunt.  —  Jac.  vWarte  MS  i  28«  ich  wolt  und  wter  er  (der  tobruch 
des  tages)  verre.  —  Neidh.  MSH  m  224  *>  nu  wolt  got  und  wahren  si  alte 
erslagen.  —  Ls.  i  118  wölt  got  und  macht  es  stn  .  . ,  des  war  ich  frö.  — 
Fraoeod.  39,  9  mir  wwre  liep,  und  war  ich  tot. 


156  KRAUS 

ganz  selbstverständliche,  ohne  deren  erfüllung  die  tatsache  des 
hauptsatzes  überhaupt  niemals  realität  gewinnen  könnte,  wir 
pflegen  im  nhd.  in  solchen  föllen  S?ofern  überhaupt'  neben  *wo- 
fern  nur*  zu  gebrauchen  (doch  kann  ^überhaupt'  auch  in  andern 
Sätzen  als  den  eben  charakterisierten  stehn  :  aber  es  passt  für 
alle  diese),  hierher  gehört  zb.  Veldeke  MFr.  59,  3  des  sol  mir  diu 
guote  danc  toizzettj  daz  ich  ...  5t  minne  baz  dann  er  (Tristan), 
und  mac  daz  sin  :  Svofern  das  überhaupt  möglich  ist'.  —  ebenso 
Iw.  5827  man  sagt  von  im  die  manheit,  und  sol  ich  min  arbeit 
iemer  überwinden,  so  muoz  ich  in  vinden.  —  Iw.  4050  daz  lant- 
volc  hat  uf  mich  geseit  eine  schult  so  swmre  :  und  ob  ich  schuldec 
wcere,  so  wcere  ich  grözer  zUhte  wert.  —  Parz.  163,  6  sit  ir  durch 
rdtes  schulde  her  kpmen,  iwer  hulde  müezt  ir  mir  durch  raten  län, 
und  weit  ir  rdtes  volge  hdn.  —  Wh.  232,  10  den  knappen  hete 
gar  bevilt,  und  het  er  sich  versunnen,  wie  daz  ors  wart  gewunnen. 

—  Trist.  3307  daz  ich  niemer  hirz  noch  tier  geho^iwen  wil  in 
vier  quartier^  und  solt  ich  iemer  mere  jagen.  —  Kudr.  316,  1  und 
weit  ir  recken  bi  mir  hie  bestän,  so  wil  ich  mit  iu  teilen  diu  lant, 
diu  ich  da  hdn.  —  VVig.  3783  wir  haben  funden  einen  list,  der 
uns  benamen  frumen  muoz^  und  sol  uns  leides  werden  buoz.  — 
bisweilen  kann  man  zweifeln,  ob  die  Übersetzung  mit  'nur'  oder 
mit  'überhaupt'  besser  ist;  so  gehören  vielleicht  einzelne  bei- 
spiele  der  früheren  gruppe  hierher,  wie  Hausen  MFr.  46,  2  oder 
Er.  1007;  Wh.  306,  12. 

Der  redende  kann  ferner  versucht  sein,  den  umstand,  dass 
eine  bestimmte  bedingung  die  einzig  notwendige  ist,  deshalb  durch 
einen  besonderen  sprachlichen  ausdruck  zu  bezeichnen,  weil  die 
bedingung  einen  ganz  speciellen  Charakter  hat,  während  die  tat- 
sache,  die  von  ihr  abhängt,  eine  allgemeine  ist.  durch  das  mhd. 
unde^  nhd.  'nur'  wird  in  diesen  fällen  die  discrepanz  zwischen 
beiden  scharf  beleuchtet,    beispiele  sind:  Parz.  645, 18  s.o.  s.  151 

—  Wig.  1300  waz  sol  mir  min  starker  lip,  und  sol  ich  mich  nu 
als  ein  wip  verligen  in  diesem  lande  hie?  Svofern  nur  dieses 
eine  geschieht,  ist  all  meine  stärke  nichts  wert*.  —  Trist.  11304 
er  wcere  tumber  danne  ein  kinty  unt  vcehte  er  mit  dir  umbe  den 
wint.  —  Wig.  2626  deiswdr  so  diAht  ir  mich  ein  kint,  unde  weit 
ir  den  bestdn,  dem  so  manec  biderber  man  an  riterschaft  des 
prises  jach.  —  Wig.  3932  daz  wcere  ein  slac  aller  miner  eren,  und 
soldich  (oder,   wol   besser,   mit   C  woldich)  von  im  keren  sit  ich 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTlOiN  UNDE  157 

nä(h  riterschefie  vor.  —  Hausen  MFr.  53,  4  mich  diuhte  ein  gewin, 
unt  tcoUe  diu  guote  wizzen  die  not,  diu  wont  in  minem  muote.  — 
Reinroar  MFr.  152,  20  mich  müel,  und  sol  im  iemen  lieber  sin.  — 
Uadlaub  MS  ii  191a  und  vröutet  ir  noch  minen  Hp  mit  iuwerm 
holden  ^ruoz,  so  kcBme  ich  gar  üz  leide,  dar  inne  ich  sterben 
mmoz,  ir{n)  tuot  mich  sorgen  buoz^. 

Dieseo  &i\\en  Dur  in  gewissem  sinne  verwant  sind  endlich 
zwei  beispiele,  wo  eine  aussage  von  allgemeinem  Charakter  giltig- 
keit  erhält  dadurch,  dass  sich  eine  einzelne  ergänzende  bedingung 
erfdlll:  Freid.  80,  15  wol  im  wart  der  vil  gereit,  unt  weiz  er 
reble  was  er  seit :  *wofern  er  nur  weifs  .  .  .'  —  Biler.  551  swä 
noch  füere  alsam  ein  gast,  und  haste  er  dar  zuo  wisen  muot,  die 
naktselede  möhten  werden  guot.  hier  liegen  mischungen  vor  :  *wol 
dem  der  viel  redet  und  genau  weifs  was  er  sagt'  sowie  *ein  gast 
der  IQ  eben  solcher  läge  wäre  und  obendrein  verstand  hätte'; 
die  beiden  zweiten  glieder  werden  aber  gleichzeitig  hypothetisch 
gesetzt 

Aus  den  bisherigen  darlegungen  ergibt  sich  von  selbst,  dass 
die  conditionalen  Vordersätze  mit  und  an  der  spitze  eine  Unter- 
abteilung der  gewöhnlichen  conditionalsätze  darstellen,  infolge 
dessen  kann  man  in  all  den  gebrachten  beispielen  das  und 
streichen,  ohne  dass  sich  der  tatsächliche  inhalt  der  gedanken 
irgendwie  veränderte  :  aber  die  präcisere  Fassung  derselben  wird 
dadurch  vernichtet,  indem  man  nur  das  erstere  beobachtete,  ist 
man  zur  meinung  gekommen,  und  stehe  in  diesen  fallen  ^pleo- 
oastisch'.  dass  das  irrtümlich  war  und  dass  die  oben  betonten 
unterschiede  würklich  vorhanden  sind,  lässt  sich  leicht  durch  eine 
gegenprobe  erweisen  :  wenn  die  salze  mit  und  nur  eine  kleine 
gruppe  der  gewöhnlichen  condilionalsätze  bilden,  dann  muss  es 
uomOglich  sein,  sämtlichen  Sätzen  der  letzteren  art  ein  und 
hinzuzufügen,  ebenso  wie  im  nhd.  zwar  jedes  ^wofern  nur'  durch 
ein  *wenn'  ersetzt  werden  kann,  nicht  aber  umgekehrt,  die  rieh- 
tigkeit  dieser  erwägungen  lässt  sich  durch  beispiele  leicht  er- 
weisen. Er.  92  wilt  du  deich  dichs  erläze,  so  rit  dine  sträze  und 
hebe  dich  der  sunnen  haz.  hier  geht  einzig  und  allein  ^wenn  • .  . 
so'  an  :  'du  brauchst  nur  zu  wollen  dass  ich  dirs  erlasse,  und' 
wäre  ganz  unmöglich,     man   halte  zu  diesem  beispiel  als  gegen- 

*  hierher  auch  Trist.  16372  owS,  owS,  und  frö'uwe  ich  mich!  wie  tuon 
ich  ungetriuwe  so,  wo  der  gedaoke  ebeDfalls  conditional  ist. 


158  KRAUS 

stück  Walthers  ich  Hh  dir  einz,  unt  wiüü  daz.  —  Er.  576  der 
held  erklärt,  dass  die  armut  Eniteos  kein  hinderois  sei  für  seine 
brautwerbuog  :  ir  armuot  hcßr  ich  iuch  klagen  :  der  suü  ir  stille 
gedagen,  ez  schtidet  iu  nicht  gegen  mir,  wand  ich  ir  guotes  wol 
enbir.  auch  het  ich  einen  swachen  muot,  nasm  ich  für  minen 
wiUen  guot :  'ich  brauchte  nur  geld  zu  nehmen,  und  ich  hätte 
einen  schlechten  Charakter'  wäre  ganz  unmöglich  :  'wenn  . .  so' 
ist  allein  richtig,  man  vergleiche  damit  etwa  das  oben  gebrachte 
beispiel  aus  dem  Wig. :  'ich  brauche  mich  nur  wie  ein  weih  zu 
verliegen,  und  meine  ganze  stärke  ist  nutzlos'.  —  Er.  5467  hat 
dirre  man  ritters  namen,  so  möhtent  ir  iuch  immer  schämen  :  'falls 
der  (von  euch  so  unwürdig  behandelte)  mann  dem  ritterlichen 
Stande  angehört,  so  gereicht  euch  das  zur  schände';  dagegen  'er 
braucht  nur  ein  ritter  zu  sein,  und  es  gereicht  euch  zur  schände' 
gäbe  hier  gar  keinen  sinn.  —  Iw.  538  sl  dir  nü  verre  oder  bi  kunt 
umbe  seihe  wäge  iht,  daz  verswic  mich  niht.  —  ebenso  Iw.  2800 
wizzet  ir  iender  hie  bi  eine  stat  diu  mir  gevellic  si  ...  des  be- 
wiset  mich.  —  Parz.  7,  28  het  ich  dar  inne  mer  getan,  etswä 
man  min  gedashte.  —  Parz.  50,  12  ich  muoz  des  eime  tiuvel 
jehen  .  .  . :  het  er  den  pris  behalten  so  din  lip,  für  zucket  gcBzen 
in  diu  wip.  —  Parz.  56,  29  wil  er  wider  wenden,  schiere  sol  ichz 
enden.  —  Parz.  81,  8  wcere  worden  der  tumei,  so  wmre  verswen- 
det  der  walt.  —  Parz.  170,  23  ist  hoch  undhwht  sich  iuwer  art, 
lät  iuwem  willen  des  bewart,  iuch  sol  erbarmen  nötec  her.  — 
Parz.  230,  28  sazte  tiuch  verre  dort  hin  dan,  daz  wäre  iu  al  ze 
gastlich.  —  Parz.  356,  22  het  den  erzogen  Gumemanz.  so  wcbt 
sin  pris  gehwhet  gar.  —  Parz.  585,  5  frou  minne,  weit  ir  pris 
bejagen,  möht  ir  iu  doch  Uzen  sagen,  iu  ist  an  ire  dirre  strit.  — 
alle  diese  fälle,  die  sich  ins  ungemessene  vermehren  liefsen, 
würden  unde  nicht  dulden,  weil  die  bedingungen,  die  oben 
für  die  zulässigkeit  des  unde  angegeben  wurden,  nicht  vorhanden 
sind,  so  dürfte  es  an  jener  stelle  des  Parz.  (50,  12)  nicht  heifsen: 
unt  het  er  den  pris  behalten  so  din  lip;  denn  die  in  diesem  satze 
ausgesprochene  bedingung  ist  die  einzige,  die  überhaupt  not- 
wendig ist,  damit  der  nachsatz  realisiert  werde;  und  weil  sie 
dies^  nicht  etwa  das  endglied  einer  reihe  nicht  ausgesprochener 
anderer  bedingungen  ist,  so  ligt  für  den  dichter  keine  veran- 
lassung vor,  unde  zu  gebrauchen,  das  immer  nur  dann  steht,  wenn 
der  gedanke  des  redenden  sich  Ober  die  eine  genannte  bedingung 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UN  DE  159 

bioaus  auch  auf  andere  bediDgUDgen  erstreckt,  die  entweder  be- 
reits gegeben  sind,  oder  deren  es  in  dem  vorliegenden  falle  nicht 
bedarf,  der  schwerpunct  des  gedankens  ligt  eben  an  dieser  stelle 
Didit  darin,  dass  ein  teufel  nichts  anderes  zu  tun  brauchte,  als 
so  tapfer  zu  sein  wie  P.,  damit  ihn  die  weiber  vor  liebe  fräfsen, 
sondern  einfach  darin,  'wenn  selbst  ein  teufel  so  tapfer  wäre, 
so  wurden  usw.'.  dagegen  könnte  natürlich  und  stehn  in  einem 
Vordersatz  wie  'ich  wQrde  einem  jeden  meine  liebe  schenken, 
wofern  er  nur  so  tapfer  wäre  wie  P.'  hier  richten  sich  eben  die 
gedanken  auf  andere  bedingungen,  die  nicht  erfüllt  zu  werden 
brauchen  (*er  braucht  nicht  klug,  nicht  jung,  nicht  reich  usw. 
zu  sein'). 

Aus  den  bisherigen  darlegungen  ergibt  sich  von  selbst,  dass 
ganze  kategorien  von  bedingungssätzen  die  hinzufügung  eines  und 
nicht  vertragen,  so  vor  allem  die  sog.  'höflichen'  bedingungs- 
sätze.  denn  da  die  in  solchen  salzen  enthaltene  bedingung  gar 
nicht  ernsthaft  als  solche  gemeint  ist,  so  war  es  absurd,  sie  als 
einzige  deren  erfüllung  noch  aussteht,  oder  als  einzige  die  in 
diesem  speciellen  fall  nötig  ist,  damit  die  aussage  des  nachsatzes 
realität  gewinne,  noch  in  besonderer  weise  hervorzuheben,  es 
steht  daher  in  solchen  föUen  immer  nur  die  einfache  form  des 
condicionalsatzes  :  Parz.  26,  3  saget  mir,  oh  trs  ruochet.  —  263^  30 
ruBchi  trs,  si  täten  strites  schin.  —  270,  1  ruocht  irs,  si  sol  «n- 
sekuldic  sin.  —  369,  13  (fen  nenne  ich  tu,  geruochet  irs.  —  47,  21 
gebietet  ir,  so  lät  in  min  geniezen,  senftet  sinen  pin.  —  59,  27 
gdnei  ir,  so  ist  ez  tßdr.  —  535,  IZ  op  mirs  iuwer  munt  vergihty 
so  brich  ich  miner  triuwe  niht.  —  695,  7  toelt  irs  jehen,  deist 
ParziväL  —  649,  21  jd,  herre^  ob  ir  wellet,  zer  vreude  er  sich 
gesellet.  —  682,  11  dd  tioas,  toelt  ir  glouben  mirs,  der  kläre  her- 
tiout.  —  Wh.  15,  4  ob  ir  miers  geloubt^  so  wil  ich  zieren  diz  mcere 
wni  den  vieren.  —  Walth.  74,  26  obe  ir  mirs  geloubet,  daz  müest 
üf  iuwer  houbet.  —  den  unterschied  zwischen  solchen  höflichkeits- 
phrasen  ohne  und  und  anderen  fällen,  wo  und  steht,  verdeutlicht 
trefifend  ein  vergleich  der  stelle  Parz.  359,  28  mit  Hausen  MFr. 
46, 2.  im  Parz.  ist  die  rede  davon,  dass  der  von  Obie  höhnisch 
abgewiesene  üebhaber  Meljanz  unter  ihren  äugen  tapfer  gestritten 
und  erfolge  errungen  habe;  da  heifst  es  nun,  mit  einem  ironisch- 
höflichen condicionalsatz:  da  ist  mir  gewannen  danne  verlorn  .. 
wils  jehen  frou  Obie  'wenn  sies  gnädigst  zugestehn  will';  ganz 


160  KRAUS 

unpassend  wäre  hier  :  'sie  braucht  es  nur  auch  zuzugeben',  da- 
gegen die  stelle  bei  Hausen  lautet:  si  darf  mich  des  zihen  niet, 
ichn  hete  si  von  herzen  liep.  des  mohte  si  die  wdrheit  an  mir 
sehen,  und  wil  sis  j'ehen :  hier  ist  die  Übersetzung  'sie  braucht  es 
nur  auch  einzugestehn'  vollständig  am  platz  K 

Bisher  sind  lediglich  beispiele  vorgeführt  worden,  die  einen 
positiven  Vordersatz  aufweisen,  ist  die  bedingung  dagegen  negiert, 
so  bedeutet  unde,  dass,  wenn  nur  diese  eine  bedingung  nicht 
eintritt,  die  im  hauptsatz  berichtete  tatsache  unter  allen  um- 
ständen realität  gewinnt,  die  gründe,  die  den  redenden  veran- 
lassen, die  Singularität  der  bedingung  besonders  hervorzuheben, 
sind  wider  dieselben  wie  bei  den  positiven  Sätzen,  immer  denkt  der 
redende  an  eine  reihe  anderer  bedingungen,  die  unter  sonstigen 
umständen  gleichfalls  die  realisierung  der  tatsache  des  nachsatzes 
hätten  herbeiführen  können,  die  aber  in  dem  speciellen  fall  da- 
für gar  nicht  in  betracht  kamen,  sei  es,  dass  sie  diesmal  nicht 
nötig  waren,  oder  dass  sie  bereits  gegeben  vorlagen,  also  nicht 
ausdrücklich  gesetzt  zu  werden  brauchten,  das  letztere  ist  der 
fall  Iw.  561  waz  vnimt  ob  ich  dir  mere  sage?  ich  weiz  wol, 
unt  bistü  niht  ein  zage,  so  gesihestü  wol  in  kurzer  vrist  selbe 
waz  diu  rede  ist :  'du  brauchst  nur  kein  feigling  zu  sein,  und  du 
wirst  dich  bald  durch  den  augenschein  überzeugen';  alles  andere 
was  notwendig  ist,  damit  er  sich  würklich  überzeuge,  ist  bereits 
gegeben  und  tritt  mit  mathematischer  Sicherheit  ein,  wenn  es 
durch  dieses  letzte  glied  ausgelöst  wird.  —  der  zuerst  angegebene 
grund  für  die  setzung  des  nachdrücklichen  unde  ligt  vor  in  fol- 
genden   fallen  :  Mst.  Gen.  16,  8   ich  hetis  (die   verbotene   fruchi) 

^  daraus  ergibt  sich,  dass  Er.  3515,  wo  die  hs.  bietet  er  sprach  ^herre, 
und  warez  in  niht  leit,  ich  frdgete  iuch  mtere  war  iuwer  wille  ware\ 
nicht  mit  Haupt  blofs  das  er  sprach  zu  tilgen,  sondern  auch  und  in  en 
zu  ändern  ist,  wie  schon  Bech  Germ.  7,448  vorschlägt,  der  noch  auf  £r. 
3734  {herrCy  wmr  ez  in  niht  leit)  und  auf  Iw.  6304  (er  sprach^  enwarez 
tu  niht  leit,  nur  Ea  t/A,  A  ne,  die  übrigen  bss.  ohne  en)  verweist,  freilich 
will  Bech  er  sprach  belassen  und  herre  tilgen  :  dass  das  falsch  und  die 
lesung  ohne  'inquit'  und  mit  en  st.  und  allein  richtig,  wird  schon  durch  die 
entlehnung  bei  Wirnt  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  wo  es  heifst  (88,40): 
herre,  enwcere  ez  iu  niht  leit,  ich  fraget  iuch  gerne  mare,  war  iuwer 
Wille  wtere,  vgl.  noch  Parz.  774,  23  fi  wurbenz,  wcerez  im  niht  leit.  — 
das  beifügen  des  unde  ist  eine  unart  späterer  Schreiber,  denen  dieses  unde 
bedeutungslos  geworden  war. 


Ober  die  mhd.  conjünction  unde         lei 

nie  enbixzen  und  hete  siz  i  niht  gezzen :  alle  anderen  bedio- 
guDgen,  die  Adam  zum  genuss  des  apfels  hätten  veranlassen  können, 
begierde,  ungehorsam  gegen  Gott,  nachgiebigkeit  gegenüber  dem 
teufel,  waren  nicht  vorhanden  :  Eva  hätte  ihm  nur  nicht  mit 
bösem  beispiel  voranzugehn  gebraucht^  und  ...  —  ebenso  Trist. 
17951  ez  ist  ouch  noch  min  vester  wdn^  Eve  enhcBt  ez  nie  ge- 
tan, und  enuxBre  ez  ir  verboten  nie.  —  Trist,  211  von  den  diz 
semem(Bre  seit^  und  hceten  die  durch  liebe  leit^  durch  herzewunne 
iemedez  klagen  in  einem  herzen  niht  getragen,  sone  wmr  ir  name 
und  ir  geschiht  so  manegem  edden  herzen  niht  ze  scßlden  noch  ze 
liebe  körnen  :  'alles  andere  hätte  sie  nicht  berühmt  gemacht  als 
das  eine;  sie  brauchten  nur  dieses  nicht  getan  zu  haben,  und  . . .' 
—  Trist.  5821  nü  uxBre  uns  michel  baz  geschehen,  und  hasten  wir 
iuch  nie  gesehen.  —  W ig.  2103  unser  fröude  wcer  enwiht  und 
kiete  wir  der  wibe  niht :  'es  brauchte  sonst  nichts  weiter  als  dass 
€s  keine  frauen  gäbe,  und'.  —  Frauend.  352,  19  einz  ich  von  ir 
gehceret  hdn,  und  wenkstü  an  ir  dienste  niht,  daz  dir  noch  liep 
geschiht.  —  Berthold  vRegensburg  1,  340,  19  owe,  ir  unsceligen 
tiuvel,  unde  hwtet  ir  den  list  niht  funden  (dass  der  mensch  den 
Sünden  dient),  so  ist  hiute  niendert  kein  mensche  vor  minen  ougen, 
icA  woüez  dem  almehtigen  gote  antwurten^  ez  wcere  halt  wuocherer 
oder  fürkdufer  usw.  —  ebenso  341,  21.  auch  hier  überall  kann 
der  redende  auf  die  gröfsere  präcisierung  des  gedankens,  die  durch 
%nde  erzielt  wird^  verzichten  und  conditionalsätze  ohne  unde  ge- 
brauchen, aber  nicht  umgekehrt :  durchaus  nicht  jeder  negierte 
Vordersatz  verträgt  die  beifügung  des  unde.  so  wäre  zb.  unde 
ganz  unmöglich  Greg.  2697  engezzent  in  die  wolve  niht,  daz  aber 
vil  lihte  geschihty  so  muoz  er  da  ungdz  ligen  und  aller  gndden 
verzigen  :  denn  der  sinn  'die  wOlfe  brauchen  ihn  nur  nicht  zu 
essen,  und  . .  .'  ist  ausgeschlossen.  —  Iw.  1837  er  bat  mich  iu 
daz  sagen,  daz  . .  .  der  künec  Artus  wil  zem  brunnen  komen  mit 
her.  enist  dan  niemen  der  in  wer,  so  ist  iuwer  ere  verlorn,  auch 
hier  ist  einfache  constatierung  'wenn  .  .  .,  so'  das  einzig 
angemessene,  'es  braucht  nur  niemand  da  zu  sein^  und  .  .  .' 
wäre  an  sich  denkbar,  aber  in  diesem  zusammenhange  unpassend. 
—  Iw.  4899  doch  wwre  diu  eine  magt  dd  wider  schiere  verclagt, 
wider  dem  schaden  der  hie  geschiht,  gieng  ez  mir  an  die  triuwe 
nibt.  wer  die  stelle  im  zusammenbang  list,  wird  nicht  im  zweifei 
sein,    dass    ^es    brauchte    nur   nicht  gegen   meine  ehre  zu  sein, 


162  KRAUS 

und  .  .  /  auch  hier  ganz  unaogemesseo  wäre.  —  ebenso  Wh. 
160,  4  Wirt  nu  niht  von  ir  geklaget  diu  dürren  herzebwren  ser 
.  .  .,  fr  sol  getrüwen  niemer  man. 

Wer  die  beispiele  mit  unde  im  negierten  Vordersatz  vergleicht 
mit  den  früher  gegebenen,  wo  unde  im  positiven  Vordersatz  steht, 
der  wird  in  bezug  auf  die  häuflgkeit  des  Vorkommens  ein  grofses 
misverhältnis  constatieren :  so  häußg  positive,  so  selten  sind  ne- 
gative Sätze  mit  unde  (78 : 9).  es  erklärt  sich  das  daraus,  dass 
die  letztere  conslruclion  schwerfällig  ist.  verzichtete  man  des- 
halb darauf,  den  gedanken  so  prägnant  zu  formulieren?  keines- 
wegs, die  spräche  hat  hier  vielmehr,  soweit  es  sich  um  tat- 
sachen,  nicht  um  möglichkeiten  handelt,  ein  adäquates  und 
kürzeres  ausdrucksmittel  in  u>an  daz  mit  folgendem  positiven 
satz.  man  sehe  stellen  wie  Iw.  2967  er  hele  geweinet  benamen, 
wan  daz  er  sich  muose  schämen,  es  hätte  nichts  gebraucht,  als 
dass  ihm  das  Schamgefühl  keine  rücksicht  auferlegte,  und  er  hätte 
geweint,  widerum  sind  andere  Vorbedingungen,  seine  traurige 
Stimmung,  das  bedürfnis  zu  weinen^  gegeben  :  so  bedurfte  es  also 
nur  noch  des  hinzutretens  der  möglichkeit,  es  zu  tun,  ohne  un- 
männlich zu  scheinen,  und  er  hätte  würklich  geweint,  hier 
könnte  es  also  umständlicher  ebensowol  heifsen  :  unde  ne  müese 
er  sichs  niht  hän  geschämt,  dasselbe  trifft  für  alle  wan  e/os-sätze 
zu^  man  sehe  zb.  die  reiche  liste  im  Mhd.  wb.  in  487  f.  daher 
lassen  sich  natürlich  auch  die  oben  citierten  sätze  mit  unde  niht 
in  wan  (fa^^-sätze  umwandeln,  ohne  dass  der  sinn  geändert  wird : 
Mst.  Gen.  16,  8  könnte  auch  lauten  :  ich  hetis  nie  enbizzen,  wan 
daz  siz  4  hat  gezzen.  und  so  bei  allen  jenen  salzen  :  nur  dass 
natürlich  in  der  stelle  Iw.  561  aus  der  annähme  eine  tatsache  ge* 
macht  werden  müste  —  denn  nur  für  letztere  gilt  wan  daz  — 
also  etwa  :  er  mohtez  selbe  hän  gesehen,  wan  daz  er  ein  zage  was. 
—  natürlich  gilt  ebenso  das  umgekehrte  :  für  alle  positiven  sätze  mit 
und,  soweit  sie  talsachen,  nicht  annahmen  enthalten,  könnten  ne- 
gierte Sätze  mit  wan  daz  eintreten,  ohne  dass  der  sinn  an  präg- 
nanz  verlöre,  so  könnte  es  also  statt  der  fassung  mit  und  in  der 
stelle  des  Frauenbergers  MS  i  37  a  (s.  o.  s.  155)  nu  sunge  ich  vil 
gerne  und  hulf  ez  mich  iht  auch  heifsen  :  nu  sunge  icA  vil  gerne 
wan  daz  ez  mich  niht  enhilfet  oder  statt :  die  vogel  alle  sint  der 
sumerwunne  vrö  :  reht  also  tCBte  auch  ich^  unt  lieze  ein  ander 
swfBre   mich  (Stamniheim  MS  ii  56  a)    ebensogut   .  .  .   wan  daz 


OBER  DIE  MHD.  CONJUNCTION  UNDE  163 

mek  ein  ander  swigre  enlät;  wie  es  auch  wUrklich  im  Iw.  198 
beifst :  in  der  werlde  ist  manec  man  .  .  .  der  gerne  biderbe  wcere, 
wan  daz  in  sin  herze  erdät.  —  aber  wie  die  spräche  den  posi- 
ÜTeo  ausdruck  mit  wan  daz  bevorzugt  vor  der  negativen  wen- 
dong  mit  und  . .  .  niht,  so  wendet  sie  hier  lieber  die  positive 
mit  und  an,  statt  der  negativen  mit  wan  daz  niht :  daher  sind  bei- 
spiele  für  letzteres  verhüllnismäfsig  selten,  den  43  belegen,  die 
dbs  Mhd.  wb.  aao.  Tür  wan  daz  gibt,  stehn  nur  6  für  wan  daz 
Mtftf  gegenüber  1;  ebenso  stark  ist  der  unterschied  der  zahlen  bei 
den  TOD  Erbe  aao.  s.  17 f  verzeichneten  stellen:  es  stehn  32  po- 
sitive Sätze  gegenüber  nur  2  negativen. 

Im  grofsen  und  ganzen  kann  man  also  sagen  :  sobald  der 
Vordersatz  eine  tatsache  enthält,  wird  bei  position  dieses  satzes 
unde  gebraucht,  bei  negation  dagegen  wan  daz,  weil  die  gleich- 
bedeutende ausdrucksweise  mit  wan  daz  niht  im  ersten^  mit  unde 
nüU  im  zweiten  fall  umständlicher  wäre. 

Wie  aber,  wenn  der  Vordersatz  keine  tatsache,  sondern  eine 
annähme,  bedingung,  Voraussetzung  enthält?  auch  hier  war  unefe 
bei  Position  massenhaft  zu  belegen,  während  nur  ein  einziges 
beispiel  (Iw.  561  unt  bistu  niht  ein  zage)  unde  mit  negation  auf- 
weist, wodurch  drückt  also  die  spräche  geüanken  der  letzteren 
kategorie  aus?  natürlich  durch  die  exceptivsätze.  besagen  die 
positiven  Sätze  mit  unde,  dass  nur  eine  einzige  bedingung  erfüllt 
zu  werden  braucht,  damit  die  aussage  des  hauptsalzes  realität  ge- 
winne, so  besagen  die  negativen  exceptivsätze,  dass  nur  eine 
einzige  bedingung  nicht  erfüllt  zu  werden  braucht,  damit  die 
aussage  des  hauptsatzes  realität  gewinne,  und  so  wie  es  hier  ein 
umweg  wäre,  dieses  Verhältnis  durch  unde  niht  auszudrücken, 
also  zu  sagen,  ^etwas  geschieht,  wofern  nur  etwas  anderes  nicht 
geschieht',  so  wäre  es  dort  ein  umweg  ez  enwcere  daz  niht  zu 
gebrauchen,  also  zu  erklären  ^elwas  geschieht,  es  wäre  denn,  dass 
etwas  anderes  nicht  geschieht',  somit  ist  unde  bei  position,  ez 
tnwcere  daz  bei  negation  das  gebräuchliche,  theoretisch  denkbar 
aber  wäre  auch  unde  niht  für  alle  fälle,  wo  die  excep- 
tivconstruction  gewählt  ist :  also  für  Iw.  2931  er  kceme  wider,  .  .  . 
esn  lazte  in  ehaftiu  not  könnte  es  auch  heifsen  und  enlazte  in  niht 
ehaftiu  not.    wenn  Hartmann  diese  construction  würklich  einmal 

^  zwei  belege  sind  verdruckt  (Nib.  1701,4  st.  701,4  und  Walih.  117,7 
it  117,  17). 


164  KRAUS 

anwendet  {und  bistü  niht  ein  zage),  so  sind  wol  stilistische  gründe 
mafsgebend :  *(iu  ensist  ein  zage  wäre  an  dieser  stelle  nicht  mög- 
lich, und  *ez  ensi,  daz  du  .  .  ,  sist  zu  schleppend,  umgekehrt 
kann  man  auch  alle  salze  mit  positivem  unde  (mag  es  'nur*,  s.  151, 
oder  ^überhaupt',  s.  156,  bedeuten)  in  sätze  mit  ez  ensi  (enuxBre) 
daz  niht  verwandeln,  soweit  sie  nicht  tatsachen  enthalten  (wo 
wan  daz  niht  eintreten  müste).  also  zb.  statt  Roth.  1953 
'ich  würde  ihn  gerne  sehen,  unde  mochtiz  mit  gevöge  gesehen^  könnte 
gesagt  werden :  *ez  enwcere  daz  ez  niht  mit  gevöge  möchte  gesehen, 
usw.  —  die  exceptivsätze  unterscheiden  sich  also  von  den  ge- 
wöhnlichen negierten  conditionalsätzen  genau  durch  dasselbe  (den 
nachdruck,  mit  dem  die  Singularität  der  bedingung  hervorgehoben 
wird)  wie  die  uiKie-sätze  von  den  gewöhnlichen  conditionalsätzen. 
und  die  psychologischen  gründe,  die  den  redenden  veranlassen, 
die  Singularität  der  bedingung  ausdrücklich  hervorzuheben,  sind 
ganz  dieselben  wie  bei  jenen  und-säUen,  nämlich  in  erster  linie 
dass  zwischen  dem  allgemeinen  Charakter  des  hauptsatzes  und 
dem  speciellen  der  bedingung  ein  grofser  contrast  besteht,  des- 
halb findet  sich  auch  diese  construction  meist  nur,  wenn  der 
hauptsatz  negativen  sinn  hat^  (oder  eine  frage,  ein  al,  iemer  udgl. 
enthält)  :  weil  solche  Sätze  vollständig  allgemeinen  Charakter  tragen, 
daneben  finden  sich  aber  auch  exceptivsätze,  deren  hauptsatz  ein 
so  ausgesprochener  allgemeiner  Charakter  nicht  inne  wohnt,  in 
solchen  Sätzen  wird  die  Singularität  der  bedingung  deshalb  be- 
sonders hervorgehoben,  weil,  ganz  wie  bei  dem  andern  teil  der 
unc^-sätze,  die  gedanken  des  redenden  sich  noch  auf  andere  be- 
dingungen  erstrecken,  die  sonst  auch  in  betracht  kämen,  in  diesem 
i^pecielien  falle  aber  bereits  erfüllt  sind,  sodass  die  ausdrücklich 
erwähnte  bedingung  wider  nur  letztes  glied  einer  ganzen  be- 
dingungskette  bildet,  wenn  es  zb.  heifst  (Nib.  164,  4)  welln  si 
midi  ab  suodien  her  in  miniu  lant,  mim  zerinne  friunde,  in  wirt 
arbeit  bekam,  so  ist  hier  eine  reihe  von  bedingungen  (Günthers 
entschlossenheit  und  föhigkeit,  gegen  die  Sachsen  zu  kämpfen) 
bereits   als   gegeben   gedacht :  und   es  braucht  also  nichts  mehr, 

*  Wackernapel  Fundgr.  1 278.  W.s  crklärung  für  diese  tatsache  mo- 
tiviert nur  auf  treffliche  weise,  warum  in  solchen  fallen  einfaches  ne  ge- 
nügt :  gibt  aber  keinen  Innern  grund  an,  warum  nach  negativem  hauptsatz 
die  spräche  neben  den  gewöhnlichen  negierten  conditionalsätzen  noch  ein 
besondres  ausdrucksmittel  entwickelt  habe. 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  ÜNDE  165 

als  das8  seine  freunde  ihn  nicht  verlassen,  und  die  Sachsen  werden 
zo  tun  bekommen!  —  ebenso  Iw.  7330  ez  gienge  denriteman 
iax  leben^  ir  einem  ode  in  beiden,  sine  wurden  gescheiden :  schon 
der  Torhergehnde  kämpf  hat  gelehrt,  dass  die  beiden  so  tapfer, 
so  stark  und  so  entschlossen  sind,  dass  der  kämpf  mit  tOtlichem 
ausgang  enden  muss :  so  braucht  man  sie  also  nur  nicht  zu 
trennen,  und  das  würde  würklich  eintreten,  und  so  in  vielen 
anderen  föllen.  —  daher  versteht  es  sich  auch  von  selbst,  dass 
die  exceptivconstruction  in  gewissen  kategorien  von  bedingungs- 
sätzen  nicht  angewendet  werden  kann:  so  vor  allem  wider  bei 
den  ^höflichen' :  so  häufig  die  wter  ez  tu  niht  leit  sind,  einem 
tx  enwcgre  iu  leit  wird  man  kaum  begegnen,  aufser  wo  es  einen 
tieferen  als  den  blofs  höflichen  sinn  hat.  dann  dort,  wo  der  con- 
ditionalsatz  einen  weiteren  inhalt,  der  hauptsatz  den  engeren  hat, 
wie  Parz.  560,  1  toelt  ir  niht  erwinden^  mir  und  minen  kinden 
getchaeh  8Ö  rehte  leide  nie^  ob  ir  den  lip  verlieset  hie  :  wenn  er 
von  dem  wagnis  nicht  absteht  und  dadurch  seinen  tod  findet,  so 
kann  ihr  mehr,  oder  weniger,  oder  gar  nicht  leid  sein  udglm. ;  nicht 
aber  lässt  sich  das  Verhältnis  umdrehen  :  sondern  er  muss  unter 
allen  umständen  sterben,  damit  der  kummer  der  anderen  in  rea- 
litat  treten  kann,  solche  Sätze  vertragen  natürlich  keine  darstel- 
Inng  in  der  form  der  exceptivsätze  :  denn  es  wäre  absurd  zu  sagen, 
eine  tatsache  werde,  einen  einzigen  fall  ausgenommen,  sich  rea- 
lisieren, wenn  dabei  eben  dieser  fall  notwendiger  weise  eintreten 
moss,  damit  jene  tatsache  realisiert  werden  kann. 

Überschaut  man  am  Schlüsse  des  1  abschnittes  angelangt  die 
gesammelten  beispiele,  so  findet  man  unde  nirgends  in  der  func- 
tion  einer  die  Wortstellung  bestimmenden  conjunction.  der  con- 
dicionale  Charakter  des  bedingungssatzes  ist  durch  die  fragende 
Wortstellung  an  sich  ausgedrückt,  unde  hat  auf  die  Stellung  keinen 
einflass.  das  hat  schon  Paul  (Beitr.  5 ,  48  f)  richtig  hervor- 
gehoben, an  einzelnen  stellen,  wo  man  unde  diesen  einfluss  zu- 
schrieb, sind  immer  andere  deutungen  möglich  oder  nötigt. 

*  einige  beispiele  hat  schon  Paul  richtig  gestellt  andre  ßUe  sind: 
Isidor  47,  10  (et  qui  generationem  ceteris  tribuo,  sterilis  ero?)  enti  ih  an- 
{drem  gt]bu  %a  beranne,  scuH  ih  uueta\n  . . .]?  dass  Tomanetz  (Relativ- 
sätze s.  40)  hier  mit  unrecht  conditionales  enti  annimmt,  hat  Rannow 
(Satzbao  des  Isidor  s.  43 f)  überzeugend  dargelegt,  kennt  doch  die  gesamte 
ahd.  litteratnr  überhaupt  kein  enti  im  condilionalsatz ,  geschweige  denn  als 
Z.  F.  D.  A.  XUV.     N.  F.  XXXD.  12 


166  KRAUS 

2.  VNDE  LEITET  DEN  CONCESSIVSÄTZ  EIN. 

Litteratur  :  Cordes  aao.  §  279;  Roelteken  aao.  §31; 
Mensing  Untersuchungen  Ober  die  syntax  der  concessivsätze, 
Kiel  1891,  §  21;  Kuhlmann  Die  concessivsätze  im  Nibelungen!, 
u.  in  der  Gudrun,  Kiel  1891;  Tomanetz  Anz.  xviii  201. 

In  den  concessivsätzen  wird  der  gedanke  ausgedrückt,  dass 
eine  bestimmte  tatsache  oder  annähme  realitat  hat  oder  gewinnt^ 
obwol  eine   oder  mehrere  andere  tatsachen  oder  annahmen  dem 

conjuDctioo.  —  ebenso  ist  eia  fall,  den  Kinzel  zu  Alex.  4514  bespricht,  an- 
ders zn  erklären  :  man  lese  mit  geänderter  interpunction  :  t%  com«<  dick» 
%e  fromen,  daz  der  hSre  $tne  man  xe  n6te  tool  getrosten  kan  unde  willi- 
get mit  dem  gute  —  daz  machet  in  (den  mannen)  stolz  gemüte,  —  und 
er  wider  ti  {ist  Wackernagel]  eüze  mit  minKchem  grüze  und  er  ze  vor' 
derist  an  den  scaren  e0i  here  selbe  tar  bewam,  —  nebst  diesem  beisptel 
fuhrt  ferner  Jellinek  (Hero  nnd  Leander  s.  83)  an  Trist.  13721  und  19504. 
die  erstere  stelle  (die  auch  Rotbe  aao.  s.  11  misversteht)  lautet:  der  zw^el 
unde  der  arcwän,  den  er  zem  neven  solle  hän,  der  töte  in  zallen  stunden, 
und  in  ouch  unerfunden  und  unervaren  hate  dn  aller  slahte  unttete,  hier 
ist  zu  und  . .  .  hwte  ein  getan  (wie  in  den  von  Haupt  zu  MFr.  80,  15; 
zu  Er.  9455;  Grimm  Gr.  nr  137  nacbtrag;  Kraus  zu  Hzt.  258  angeführten 
fallen,  s.  auch  Geo.  5256)  zu  ergänzen  :  *nnd  hatte  ihn  auch  getötet,  wenn 
er  nichts  wahrgenommen  hätte*,  unervunden  und  unervaren  sind  parti- 
cipia  prät.  mit  activer  bedeutung,  Grimm  Gr.  it  70  f;  Lachmann  zu  Nib. 
1723,4;  Hahn  zu  Stricker  8,38;  zu  MFr.  84,4;  Roethe  zu  Reinm.  ii  73,9. 
112, 4.  —  an  der  andern  Tristanstelle  ligt  sog.  concessives  unde  vor, 
worüber  weiter  unten  zu  sprechen  sein  wird,  somit  muss  für  jene  verderbte 
stelle  im  mhd.  gedieht  von  Hero  und  Leander  eine  andre  bessernng  gesocht 
werden;  ebenso  für  die  erganzung  Hzt.  864 f,  die  ich  Anz.  xvii  28  vorge- 
schlagen habe,  s.  etwa  Schröder  Anz.  xvii  300;  Roediger  Zs.  36,  263.  — 
ein  fall  bei  Nicolaus  von  Basel  muss  schon  deshalb  aufeer  belracht  bleiben, 
weil  das  fehlen  des  pron.  personale  bei  der  annähme  von  conditionalem  und 
unerklärlich  wäre,  s.  Cordes  aao.  §  226.  —  aus  demselben  gründe  kann 
die  stelle  aHeinr.  1088  nicht  in  betracht  kommen  :  ich  ziuhe  dich  Hz  rehte 
bl6z  und  wirt  din  schäme  harte  gröz^  die  du  von  schulden  danne  hast 
unde  nacket  vor  mir  sldst,  es  ist  ein  beispiel  för  lässige  Verbindung,  wie 
ein  ähnliches  etwa  Parz.  139, 12  bietet :  er  fuort  ouch  dannoch  beidiu  phant 
diu  er  von  Jeschüten  brach  unde  ein  tumpheit  dd  geschach;  ebenso 
Credo  11 19  f.  —  zwei  beispiele,  die  Roelteken  aao.  §  49  aus  Berthold  an- 
gibt, gehören  auch  nicht  hierher  (beim  ersten,  i  552,  5,  bleibt  die  stelle  trotz 
annähme  des  conditionalen  unde  ungebessert).  —  endlich  im  Wilden  Alex. 
MSHiii27b,  wo  Paul  dieses  «nife  Haupl  zuzugestehn  geneigt  ist,  muste 
Haupt  Wirt  für  werde  der  hs.  lesen;  ich  schlage  vor  :  unt  [woU\  wir  nu 
niht  6sen  wol,  unser  schif  wurd  finden  vol.  —  so  bleibt  also  nur  Neifen 
22,  29  bestehn  :  aber  dieses  lied  ist  nur  in  C  äberiiefert. 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  ÜNDE  167 

bindernd  entgegeostehn.  fassen  wir  zuerst  die  fälle  ins  äuge, 
wo  es  annahmen  sind,  die  entgegensteho.  dabei  sind  (ganz 
wie  bei  den  conditionalsätzen ,  s.  o.)  folgende  fälle  denkbar,  es 
kann  nur  ^ine,  es  können  aber  auch  mehrere  annahmen  sein  : 
ist  nun  das  letzlere  der  fall,  so  kann  der  redende  sämtliche  ent- 
gegenstebnde  annahmen  anführen ;  oder  er  kann  aas  einer  grofsen 
reibe  solcher  annahmen  eine  einzige  herausgreifen;  das  muss  dann 
■atorgemäls  diejenige  sein,  die  der  realisierung  der  annähme  im 
haaptsatz  von  allen  annahmen  am  stärksten  widersteht,  im  erste- 
ren  falle  steht  die  gewöhnliche  form  des  conditionalsatzes  (mit 
fragesatzstellnng,  oder  mit  ob);  im  zweiten  steht  widerum  das 
charakteristische  unde  mit  fragesatzstellung.  im  nhd.  können  wir 
die  Gonstniction  ebenfalls  mit  'und  (wenn)'  widergeben  oder  mit 
'selbst  wenn,  wofern  selbst',  beispiele  sind  zahlreich :  Eilh.  4068 
mmd  wusie  ick  daz  man  mteft  pinge  und  hinge  midi  als  einen  dib, 
ffcft  enUzez  doreh  die  quäle  nU.  —  Trist.  2373  (5t)  leiten  an  ir 
Üp  9Ö  jamerliche  klagenöt,  und  wcsre  er  vor  ir  ougen  tot,  daz  in 
Hu  $dbe  9W(Bre  niht  näher  gangen  wcere.  —  Wig.  4350  ez  wirt 
mir  ein  vil  siUziu  not,  und  soldich  durdi  si  ligen  tot,  die  idi  ze 
frmiwen  hän  erkom.  —  Nib.  604,  3  tuo  ir  9waz  du  wellest,  und 
nitmesi  ir  den  Itp,  daz  sold  ich  wol  verkiesen.  —  2196,  2  und  ob 
tdk  hiute  sähe  tot  den  vater  mtn,  mir  enwurde  nimmer  leider  denn 
nmbe  einen  lip.  —  Hausen  MFr.  55,  5  des  ist  er  von  mir  gewert 
aOes  swes  sin  herze  gert,  und  solle  ez  kosten  mir  den  lip.  — 
Honberg  MS  i  24  a  uiU  solt  ich  drumb  verderben,  ich  diene  ir  alle 
He  wile  ich  lebe.  —  Nie.  vBasel  236,  23  ich  wil  mich  alzuomole 
geite  lossen,  und  solle  ich  dorumb  einen  bitteren  tot  liden,  —  Eilb. 
3762  du  sali  bi  mir  sin  alle  wege  .  .  .  und  zurizzen  sie  sich  alle 
vor  leide.  —  Hausen  MFr.  54, 29  ich  wil  tuon  den  willen  sin,  und 
w€ere  ez  al  den  friunden  leü,  diech  ie  gewan.  —  Reinmar  MFr. 
159,  26  dem  ich  ze  dienste,  unde  wctre  ez  al  der  werlde  zom, 
wmoz  sUn  gebom.  —  Trist.  9299  und  hmte  es  al  diu  werlt  ge- 
swom,  em  wirdet  niemer  din  man,  —  Eckenl.  186,  7  und  bistuz 
joch  der  tiuvel  ikz  der  helle,  du  muost  mir  siges  jehen  doch.  — 
Virg.  651,  12  wir  geben  in  allen  kämpf  es  gnuoc,  und  wcerens  ouch 
des  tiuvels  kint.  —  Hadamar  190  daz  tcet  ich,  und  wcer  offen  mir 
diu  helle.  —  Nib.  159,  1  swenn  iwer  starke  vinde  ze  helfe  möhten 
hin  drizec  tüsent  degne,  so  woldich  si  bestän,  und  het  ich  niht  wan 
tüsent.  —  Nib.  406,  2  nu  teilt  swaz  ir  gebietet,  und  wares  dan- 

12» 


168  KRADS 

noch  mer,  ich  besiümdez  aUez  durch  iwren  sehomen  Up,  —  Nib. 
1066,  1  ntide  war  Hn  tüsmi  siunt  noch  alse  vä  geweten,  nnde 
$olde  Sifrxt  gauni  sin  genesm,  bt  im  wäre  Krimhüt  hendeblöz  6e- 
ttän  (eiD  habsches  beispiel,  weil  es  beide  tmde  nebeneiDander 
bietet :  das  erste  bedeutet  ^weno  selbst',  das  zweite  ^wofern  nur*). 
—  Kudr.  1286,  2  und  ob  du  tiUent  sabene  hate$t  mir  verlorn,  die 
woUe  ich  verkiesen.  —  Kudr.  1256,  2  und  hat  iA  tüsent  swester, 
die  lieze  ick  sterben  e.  —  En.  12899  went  an  minen  jongesten 
dach,  ende  solde  ich  leven  diisont  jär.  —  Iw.  3485  esn  dühtes 
dannoch  niht  genuoc,  und  wcsr  ir  sehsstuni  mi  gewesen.  —  Iw. 
6340  die  sint  abö  manhaft^  und  hetet  ir  sehs  manne  kraft,  daz 
wäre  ein  wint  wider  in.  —  Iw.  1847  und  weer  ir  aUer  vrumek- 
heit  an  einen  man  gdeit,  dazn  wcer  noch  niht  ein  vrum  man.  — 
Virg.  151,  4  und  trüegest  risen  kraft  an  dir,  so  kanstu  küme  ent- 
rinnen mir.  —  Wh.  262,  14  unde  ob  dL  Todjeme  Aräbie  und 
Ar6hi  .  .  .  mir  ze  dienste  wcem  benant,  da  bevilh  ich  allez  iwerr 
hant.  —  Trist.  18212  undwcere  ein  werc  von  ere  und  von  golde, 
ez  endorfte  .  .  .  niemer  baz  gefHeget  sin.  —  Hadamar  416  so  mäht 
du  sin  der  arme,  und  wcer  din  al  der  Kriechen  hört  von  golde.  — 
Berthold  i  524,  14  unde  daz  man  im  ein  künicriche  drumbe  gäbe, 
swanne  er  zomic  ist,  em  Icet  sin  niht.  —  Nib.  1063,  2  und  ob 
man  al  die  weite  hete  versolt,  sin  wcere  minner  niht  einer  marke 
wert.  —  Had.  549  und  wceren  halt  die  besten  hunde  min,  si  würden 
da  ze  nihte.  —  Er.  356  und  woer  daz  got  hien  erde  rite,  ich 
wcen  in  gnuogte  da  mite^  ob  er  solhen  marstdllare  hmte.  —  Er. 
650  ich  läze  iuch  hiute  schouwen  .  .  .  und  war  si  nacket  sam  ein 
hant, .  . .  daz  mich  sper  unde  swert  volles  lobes  an  ir  wert.  — 
Berthold  i  241, 14  und  täte  ein  mensche  alle  tegeliche  sünde,  ez 
enfHere  dar  umbe  ze  helle  niht.  —  Berthold  i  318,  8  unde  swer  er 
dir  als  vil  eide  ak  unze  an  den  Atme/  geligen  mühte,  du  soU  ir 
niht  nemen.  —  Nicol.  vBasel  120,  34  und  hatte  ein  mensche  aller 
der  menschen  sinne,  die  in  der  zit  sint,  es  müeste  nochdan  nUt 
das  allerminneste  nüt  begrifen.  — x  Eilh.  4236  ich  wine,  und  süA- 
tin  sie  in  noch^  sie  envundin  sin  doch  nit,  —  Iw.  770  swie  niugeme 
ich  anders  si^  unde  saz  ich  iemer  da  61,  ichn  begüzze  in  niemer 
mire.  —  Walth.  33,  33  es  war  ze  vil  und  täte  ein  tumber  leie 
daz.  —  Eckenl.  169,  2  und  wärest  du  noch  niendert  umnt,  an 
dir  lag  lützel  iren.  —  Virg.  623,  5  wir  wellen  niemer  gar  ver- 
zagen, und  warens  joeh  von  Saksen  oder  von  Priuzen  her  bekamen. 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UNDE  169 

—  Trist.  18600  ine  ruoche,  und  ist  mir  iemer  w4K  —  Pseudo- 
Gottfried MS  ir  184  b  kint,  unt  welle  dich  gelücke  mtden,  so  daz 
dir  got  armuot  gebe  an  Übe  und  ouch  an  guote,  daz  soUü  gedul- 
tAliche  liden^  und  ensoü  dar  umbe  hän  kein  trüren  in  dem  muote, 

Natflriich  wird  das  bedürfDis,  die  entgegeostehnde  anDahme 
in  der  angegebeDen  weise  hervorzuheben,  auch  dann  bestehn,  wenn 
die  anDahme^  die  der  redende  stillschweigend  daneben  ins  äuge 
fasst,  das  gegenteil  der  ausgesprochenen,  also  eine  für  die  er- 
foUoDg  des  hauptsatzes  weniger  oder  gar  nicht  ungünstige  an- 
nähme darsteliu  Vorbedingung  dafür  ist,  dass  von  der  günstigen 
annähme  vorher  die  rede  war,  sodass  sie  dem  redenden  im  geiste 
gegenwärtig  ist  wir  pflegen  im  nhd.  solche  Verhältnisse  durch 
^enn  auch',  'selbst  wenn'  auszudrücken,  als  beispiele  können 
dienen  :  Nib.  156,  2  Nu  lön  iu  got,  her  Sifrit.  diu  rede  dunct 
mich  guot.  und  ob  mir  nimmer  helfe  iur  eilen  getuot,  ich  fröu 
mich  doch  der  mcere,  daz  ir  mir  sit  so  holt,  eben  hatte  Siegfrid 
dem  kOnig  gesagt,  ich  sol  iu  helfen  wenden  elliu  iuriu  leit :  den) 
antwortenden  kOnig  schweben  also  zwei  annahmen  vor,  von  denen 
er  nur  die  ungünstigere  ausdrücklich  erwähnt.  —  Nib.  1143,4 
Hagene  .  .  .  sprach  .  .  .  :  habt  ir  rehte  sinne,  so  wirt  ez  wol  be- 
kuotj  und  ob  sis  (Kriemhilt)  volgen  wolte^  daz  irz  doch  niemer 
geiuot.  eben  vorher  war  die  rede  davon,  dass  Kriemhilt  Etzel 
heiraten  solle,  falls  die  verwanten  einwilligten.  —  Nib.  1146,  3 
ich  kan  vil  wol  bewaren  daz,  daz  ich  im  kam  so  nähe  daz  ich 
deheinen  haz  von  ime  (Etzel)  dulten  müese^  und  wurde  sl  stn  wtp, 
es  ist  das  die  antwort  Günthers  'auf  Hagens  worte  :  sol  si  in 
danne  minnen  .  .  .  so  ist  iu  alreste  von  schulden  sorgen  geschehen, 

—  Klage  1350  ir  sult  och  Dietelinde  jehen,  unt  ob  des  niht  müge 
sin,  so  welle  ich  doch  die  niftel  min  gesehen,  eben  hatte  Dietrich 
verkündet,  er  wolle  mit  Rüdiger  zusammen  zu  Dietelinde  kommen. 

—  Klage  1042  daz  soll  ich  pilliche  tuon,  und  bcet  ir  des  niht, 
Dietrich,  antwort  auf  D.s  bitte.  —  Orto.  75,4  und  werest  du 
mir  die  reise,    s6  wil  ich  doch  da  hin.     vorher  gehn  worte  der 

^  lehrreich  ist  hier  wider"  der  aoterschied  zwischen  diesem  satze  mit 
unde  und  andern  (hei  Erdmann  Grundzuge  i  §  211)  :  Nib.  209  nune  ruoche 
iehj  ist  ez  iemen  liep  ode  leit.  —  Nib.  942  mir  ist  vil  unmare,  wirt  ez 
ir  bekant,  —  Parz.  78,  12  em  mochte,  hetes  der  ander  haz.  in  diesen 
fallen  ist  die  bedingung  nicht  das  hemroendste  endglied  einer  ganzen  kette, 
daher  steht  auch  kein  unde. 


170  KRAUS 

mutier,  die  zeigen,  dass  sie  schwankt,  ob  sie  ihn  ziehen  lassen 
soll  oder  nicht.  —  Nicolaus  vBasel  101,20  und  $ol  das  war  nn^ 
so  wil  i(h  midi  doch  darumb  nüt  von  dir  scheiden. 

Wenn  der  redende  dagegen  nur  die  üne  ausdrücklich  ge- 
nannte annähme  ins  äuge  fasst,  ohne  daneben  an  eine  oder 
mehrere  andre  zu  denken,  dann  steht  der  einfache  conditional- 
satz  ohne  unde,  so  zb.  Parz.  206,  27  wirt  mir  din  meister  niemer 
holt,  dins  amts  du  doch  geniezen  soU.  —  Parz.  302, 27  vinde  ich 
nimmer  von  iu  strit,  doch  sint  diu  lant  so  wit^  ich  mac  da  arbeü 
holn.  —  Parz.  532,  23  er  ist  doch  äne  schände,  lU  er  in  minnen 
bände,  —  Wh.  220, 1  möhten  höher  sin  ntl  dine  gote,  so  wolt  ich 
doch  ze  sime  geböte  unz  an  den  tot  beliben,  der  ie  werden  wlben 
vor  üz  ir  rehts  also  erbot  usw. 

Enthalten  die  concessivsätze  eine  tatsache  (nicht  eine  blofse 
annähme),  dann  werden  sie  durch  doch  oder,  sobald  dieses  zu 
veralten  beginnt,  durch  swie  eingeleitet  vor  diesen  erscheint 
(ebenso  wie  vor  wan  daz  oder  vor  ez  enwasre)  niemals  unde.  die 
erklärung  dafür  wird  weiter  unten  gegeben  werden. 

3.   UlSDE  IN  RELATIVSÄTZEN. 

Litteratur  :  zu  MSD  46,79;  Diemer  zu  Erinng.  150,  1; 
zu  Hst.  Gen.  3,  19;  glossar  zu  Hst.  hs.  s.  v.  unde\  Grimm  Gr. 
III  283.  ivM59.  1309f;  Rehrein  iii  §457.  482;  Lachmann 
zu  Iw.  1206;  Tobler  K.  Zs  7,  353Cf;  ferner  einzelne  stellen  in 
den  im  vorherigen  angegebenen  werken. 

Die  bestimmung,  die  der  relativsatz  bringt,  kann  wider  die 
einzige  sein,  an  die  der  redende  denkt :  dann  sieht  der  gewöhn- 
liche relativsatz.  oder  die  gedanken  gehn  neben  der  einen  ge- 
nannten gleichzeitig  auf  eine  reihe  unausgesprochener  be- 
stimmungen  :  dann  steht  wider  unde.  letzteres  ist  daher  ange- 
wendet in  fallen  wie  jJud.  180,  27  in  aller  der  wile  und  diu 
frowe  was  en  Übe,  so  stuont  daz  lant  vridelichen  cewäre  :  *so  lange 
sie  nur  lebte,  war  das  land  friedlich'  dh.  es  war  weiter  nichts 
nötig,  als  das  sie  lebte,  und  das  land  war  friedlich,  dagegen  wäre 
unde  unmöglich  in  einem  falle  wie  Nib.  759,  2  :  ob  ander  nieman 
lebete  wan  din  unde  sin,  so  möhten  im  diu  riche  wol  wesen  under- 
tän  :  die  wil  daz  lebet  Günther,  so  kundez  nimer  ergän.  wie  ja 
auch  nhd.  'so  lange  nur'  hier  nicht  am  platze  wäre. 

Veranlasst  kann   der   redende  sein,    nur   eine   einzige    be- 


OBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UN  DE  171 

sümmuog  aasdrücklich  zu  nenDen  entweder  dadurch,  dass  die 
»dem  beräu  als  gegeben  zu  betrachten  sind,  oder  aber  dadurch, 
dass  er  ausdrücken  will,  dass  andre  gar  nicht  gegeben  zu  werden 
brauchen,  dass  Tielmehr  die  6ine  genannte  allein  genügt. 

Ersteres  ist  der  fall  zb.  an  folgenden  stellen  :  W.  Gen«  Fdgr. 
3&,  37  er  bat  in  daz  er  in  gelabite  mit  diu  und  er  dd  habite  ^was 
er  nur  hätte'.  —  Mst.  Gen.  80,  18  er  gap  in  maz  unde  tranehj 
4m  in  dienot  er  den  gotee  danch,  er  half  in  genöle  mit  diu  und 
er  käe.  —  Er.  305  nü  sit  mir  wiUekemen  ze  dem  tmd  ich  nü 
haben  mac.  —  W.  Gen.  Fdgr.  55,  31  in  eüiu  diu  und  er  tele, 
so  hete  er  guote  site.  —  Mst.  Gen.  77,  13  got  gab  im  fransrnuat 
ze  allen  dingen  unde  er  bestuont.  —  Predigt  Fdgr.  i  91 ,  36  der 
mäze  und  iwer  iegelicher  gelceisten  mege^  so  irbietet  miner  frowen 
s.  Marien  etiellche  ire.  —  Mst.  Gen.  3,  19  er  gebot  der  erde  daz 
allez  neren  mit  dem  wuochir  und  si  banre^  daz  si  dem  allem  vrum 
mmre,  —  Mst.  Gen.  14,  19  toan  an  der  selben  stunt^  unt  ez  im 
dwm  durch  den  munt^  dö  verstuant  sich  der  arme  man^  daz  er 
ubil  hete  getan.  —  Mst.  Gen.  36,  18  dei  louJte  si  bestrouffent  mit 
diu  und  si  verchouffent,  —  Mst;  Gen.  59,  5  (ich)  hän  wol  funten 
daz  von  den  stunden  unde  du  zuo  mir  chöme  unde  mines  dinges 
phlwge,  daz  got  durch  dich  mir  was  gencedich.  —  Reinmar  MFr* 
173, 10  doch  so  wil  ich  dienen  ir  mit  den  triuwen,  und  ich  meine 
daz,  —  Bit.  8428  in  dem  willen  unde  idi  bin,  den  wil  tcA  iu  vil 
schiere  sagen.  —  Frauend.  164,  9  si  wil  ouch  wider  niemen  ein 
wart  sprechen,  si  gebiutet  von  dem  tage  und  ir  vart  ein  ende  hdtj 
an  dem  ahten  tage  einen  tumei  ze  Niuwenburc.  —  Ls.  u  198  si 
ist  mir  nit  dester  gehasser,  ob  ich  ir  holdez  herlze  trag  mit  allem 
dem  und  ich  vermag.  —  ebenso  bei  die  wile  und  :  jJud.  Diem. 
180,27  in  aller  der  wile  und  diu  frouwe  was  en  libe,  so  stuont 
daz  lant  vridelichen  cewäre.  —  Er.  4555  ouch  sult  ir  mich  ge- 
niezen  län  daz  ich  iu  State  triuwe  leiste  äne  riuwe  al  die  wile 
unde  ich  lebe.  —  Er.  6039  und  krönde  mich  diu  werlt  al  ze  fro- 
wen  über  elliu  wip,  so  hat  doch  got  den  minen  lip  so  unscBlic  ge- 
tan^ daz  ich  kumber  muoz  hän  al  die  wile  unde  ich  lebe,  — 
Trist.  1236  mäht  du  mir  dar  zuo  guot  gewesen,  ich  engän  dir 
niemer  nihtes  abe^  die  wile  und  ich  daz  leben  habe,  —  Trist.  1871 
die  wile  unde  er  daz  leben  hat,  so  sol  er  mit  den  lebenden  leben, 
im  selben  tröst  ze  lebene  geben,  —  Wig.  1 1 508  nü  wizzet  daz  ich 
iemer  wil  iu  dienstes  wesen  underlän  die  wile  und  ich   den  lip 


172  KRAUS 

hän.  —  Berthold  i  197, 11  wan  alle  die  u>ih  unde  daz  der  mensche 
lebet,  8Ö  hat  eht  er  frie  willeküre.  —  Berth.  i  408,  5  tcan  die  wile 
und  sie  in  der  werlte  wären  ^  dö  heten  sie  maniger  hande  stricke 
von  den  jagenden;  ebenso  408,  23.  —  Predigt  Fdgr.  i  126,  10 
daz  . .  .  die  guoten  unde  die  uheln  sin  under  einander  die  wile 
unde  disiu  werU  stet,  —  jJud.  Diem.  178,  19  die  wile  unt  stät 
Jerusalem,  sone  sol  din  lop  niemer  zegen.  —  Er.  5114  so  kumber- 
Hcher  sache  ergaztes  mit  gemache  diu  vil  edele  kunegin  die  wile 
und  daz  mohte  sin.  —  i  Büchl.  1381  daz  ich  si  gerne  ervollen 
sol  alle  wile  unde  ich  mac.  —  Er.  8146  die  wile  und  mich  got 
wil  in  siner  huote  hän  so  mac  mir  niht  missegän.  —  Trist.  1755 
der  ere  an  Riwaline  laCy  der  er  nach  grözen  eren  pflac  die  wile 
und  ez  got  walte,  daz  er  ir  pflegen  solte :  der  leit  was  leider  alze 
gröz.  —  Trist.  11433  die  wile  und  sitA  ouch  Tristan  .  .  .  bereite 
unde  berihte,  die  wile  so  betihte  Isöt  .  .  .  einen  tranc.  —  Nib. 
1293,1  al  die  wile  und  Etzel  bi  Kriemhilte  stuont,  dö  täten  die 
tumben  als  noch  die  Hute  tuont.  —  Zs.  7 ,  406  daz  du  nimmer 
trinken  verbirst  die  wile  unt  dich  der  släf  lät.  —  Ludw.  Kreuz- 
fahrt 2434  die  wile  unde  wir  mit  Salatine  sin  gefrit .  ,  .iz  dunket 
wol  nutze  wesen  mich  die  wile  man  des  die  muoze  habe,  daz  ein 
itslich  man  sich  ummegrabe.  —  Berlh.  i  136,  27  alle  die  wile  und 
er  die  harpfen  hörte,  so  liez  er  im  ruowe.  —  Berth.  1 182,  27  trän 
die  wile  und  daz  der  jungeste  tac  niht  kamen  ist,  so  hat  niuwen 
diu  sele  martel  alleine.  —  Berth.  i  422,  27  und  alle  die  wile  unde 
ir  die  heiligen  buoze  niht  ane  grifet,  so  sit  ir  in  der  gevancnisse 
des  tiuvels.  —  Berth.  1 450, 20  und  alle  die  wile  und  daz  daz  kleine 
guot  under  dem  grözen  here  was,  dö  muosten  si  des  einen  alle  samt 
engelten.  —  auch  oacb  aadern  demoDstraliveo  (adverbien  udgl.) 
Gndet  sich  dieses  unde :  Mst.  Gen.  38, 10  inne  diu  unde  si  äzzen, 
einer  rede  si  niht  vergäzzen.  —  Trist.  2651  Tristan  da  mite  unde 
er  si  ersach  vorhtliche  er  wider  sich  selben  sprach.  —  Trist.  16364 
da  mite  unde  ir  daz  hündelin  ze  dem  aller  ersten  kam  .  .  .,  iesä 
betrahte  si  daz.  —  Winsb.  23,  4  der  man  ist  nach  dem  sinne  min 
dar  nach  und  er  gesellet  sicL  —  Leyser  Pred.  16,28  die  zeher 
reinigent  den  sunder.  Si  reinigten  sant  Peter,  do  er  wceint  darnach 
unt  er  got  verlouget  hele.  —  Otto  vBrandenburg  MS  i  5*  swä 
ritter  unde  vrouwen  sint,  al  da  mag  eren  vil  geschehen,  iedoch  ist 
daz  vil  gar  ein  wint  da  wider  und  ich  min  liep  mak  sehen.  — 
Er.  4270  swaz  Erec  not  unz  her  erleit,  daz  was  ein  ringiu  arbeit 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UNDE  173 

Mnde  gar  efn  kindes  spil  da  wider  und  (hs.  umb)  ich  iu  sagen  wil 
daz  im  ze  Hden  noch  geschach  :  'gegenüber  dem,  wie  ich  euch  nur 
sagen  will,  was  ihm  noch  durchzumachen  bevorstand'.  —  Berlh. 
156,18  (la.)  daz  suü  ir  slihteti  als  verre  und  ir  müget  unde  als 
verre  als  ez  iuch  an  gSt;  ebenso  als  verre  unde  336,  39.  361,34. 
373,  25.  2,  4,  32  K 

Wer  die  gegebenen  beispiele  betrachtet,  wird  bemerken,  dass 
die  Terba  des  durch  unde  eingeleiteten  relativsatzes  vielfach  die- 
selben sind,  namentlich  'haben,  tun,  leben,  können,  bestehn' 
finden  sich  mehrfach  in  solchen  Sätzen,  das  erklärt  sich  leicht 
aus  dem  was  oben  über  die  natur  solcher  relativsätze  bemerkt 
wurde :  denn  diese  und  ähnliche  verba  drücken  die  grundbedingung 
ans,  sie  stellen  die  weitestgehnde  möglichkeit  dar,  die  alle  andern 
in  sich  schliefst :  wenn  jemand  alles  gibt  was  er  nur  hat,  so  ist 
impUcite  eine  reihe  andrer  bestimmungen  mit  ausgedrückt;  ebenso 
wenn  jemand  dankbar  ist,  solange  er  nur  lebt  usw.  usw. 

Auch  hier  kann  der  redende  auf  die  nuancierung,  die  unde 
dem  Satz  hinzufügt,  verzichten  :  und  so  könnte  in  all  den  obigen 
beispielen  unde  auch  fehlen,  aber  nicht  umgekehrt :  vielfach  er- 
scheinen relativsätze,  die  unde  nicht  vertragen,  ein  beispiel  wurde 
bereits  angeführt  (Nib.  759,2).  ein  paar  andre  mögen  folgen: 
Anno  499  Wurmiz  unti  Spiri,  die  si  worhtin  al  die  wili  duo  Cesar 
dar  in  lante  was.  —   Erinng.  93  swaz  er  halt  guter  dinge  bigät, 

^  zu  keiner  dieser  kategorien  passt  Wig.  8396  er  genddete  gote  vü 
taugen  mit  wazzerrtcken  ougen  der  gendden  unt  er  an  im  begie.  übrigens 
mnss  unt  hier  nur  von  wenigen  hss.  geboten  werden  :  denn  Pfeiffer  schreibt 
die  for  Beneckes  unty  wodurch  auch  das  metrum  gebessert  wird.  —  ebenso 
mnss  Greg.  2667  mit  Paul  und  Bech  nach  AG  gelesen  werden  :  des  sehet- 
tems  des  ir  (oder  in  der)  man  lete,  des  ervolleten  ir  diu  ovgen;  und  EK 
ist  an  sich  oomöglich,  und  im  Greg,  auch  schon  deshalb  verdächtig,  weil 
Hartmann  ein  solches  und  nach  demonstrativem  pronomen  sich  sonst  nur 
in  Er.  und  im  i  Büchl.  gestattet  hat.  Lachmann  schreibt  zwar  auch 
Iw.  1205  den  mac  niemen  al  die  vrist  und  er  in  blözer  hant  ist,  gesehen 
noch  gevinden,  aber  schon  der  ausdruck  vrist  macht  und  entbehrlich,  zu- 
dem ist  es  nur  aus  den  abweichungen  der  hss.  erschlossen  (unz  B,  bisz  b, 
di  wil  Dad,  dwil  c),  und  die  vier  andern  stellen  im  Iw.,  auf  die  Lachmann 
z.  St.  selbst  verweist,  zeigen,  dass  der  dichter  dem  t/nt/e 'auswich.  —  eine 
sprachwidrige  conjectur  scheint  mir  auch  Er.  1877  vorzuliegen,  wo  Lachmann 
list  :  ez  gerten  ir  sinne  anderre  minne  danne  (hs.  darnach)  und  s{  ge- 
mdzet  sint  :  dar  nach  wird  zu  belassen^und  das  nach  anderre  zu  erwar- 
tende danne  in  dem  also  des  folgenden  verses  zu  suchen  sein. 


174  KRAUS 

die  wik  er  an  dem  unrecht  stät,  daz  ist  vor  got  verfluchet.  — - 
Parz.  110,18  daz  wcer  Gahmurets  ander  tot,  ob  ich  mich  selben 
slüege,  die  tolle  ich  bl  mir  trüege  daz  ich  von  siner  minne  en- 
phienc.  —  Parz.  220,  \^  du  weist  wol  daz  in  min  lant  dir  matiec 
laster  ist  getan,  des  vergiz  nü,  werder  man,  die  u>ile  ich  hie  ge- 
vangen  sl,  läz  mich  sölhes  hazzes  vri.  —  Parz.  330, 17  ir  gäbt 
mir  aüe  geseUeschaft,  die  wile  ich  stuont  an  prises  kraft :  der  sit 
nü  ledec.  —  Parz.  392,  2  iwer  zuht  was  ie  so  ganz,  die  wile  daz 
ich  wonte  hie,  daz  iwer  rät  mich  nie  verlie.  —  Parz.  412,  25  nü 
gebt  uns  einen  vride  her,  die  wil  daz  dirre  tac  gewer.  —  Parz. 
485,  7  min  küche  riuchet  selten  :  des  muostü  hiuie  enkdten,  unt  al 
die  wil  du  bi  mir  bist.  —  Parz.  753, 12  Parziväl  sprach  zim  :  sU 
ir  so  gewaldec  iwerr  Hute,  daz  se  iwer  biten  hiute  und  al  die  ^ile 
ir  von  in  sit?  —  aHeior.  621  die  wile  daz  er  leben  sol,  so  stit 
iuwer  sache  wol.  und  läze  wir  den  sterben,  so  müezen  wir  ver- 
derben. —  Iw.  3515  ouwi  waz  ich  eren  pflac  die  wil  ich  släfende 
lac.  —  Iw.  6289  im  wart  al  umbe  genigen,  und  liezen  ir  werc 
ligen  die  wile  daz  er  bi  in  saz.  ir  zuht  von  art  gebot  in  daz.  — 
Iw.  6610  ouch  ist  ez  leider  so  gewant  :  die  wil  sie  unerwunden 
sint,  sone  mac  ich  min  kint  deheinem  manne  gegeben.  —  TrisL  13 
ez  zimet  dem  man  ze  lobene  wol,  des  er  iedoch  bedürfen  sol,  und 
läze  ez  ime  gevallen  wol,  die  wile  ez  ime  gevaüen  sol.  —  Nib. 
2305,2  ja  hän  ich  des  geswom,  daz  ich  den  hört  iht  zeige,  die 
wile  daz  si  leben,  deheiner  miner  herren,  so  enwirt  er  niemen  ge- 
geben. —  Bari.  113,  25  got  zeichen  vil  an  in  begie,  die  wile  daz 
sie  lebeten  hie.  —  Flore  57 1 6  bluomen  sint  mir  unm(cre  und  swaz 
ze  fröuden  ziuhet,  die  wile  mich  daz  fliuhet,  daz  rehtiu  fröude 
heizet.  —  Walth.  70,  25  wan  einez  soltü  mir  vergeben  :  daz  mahtü 
mir  ze  kurzewile  erlauben  gerne,  die  wile  unz  ich  din  betten  soL  — 
audre  Beispiele  bei  Köhler  Der  zusammeogesetzle  satz  bei  Heiorich 
vMelk  (1895);  bei  Frey  Temporalcoojunctionen  s.  30;  Heuck 
Temporalsätze  s.  40;  Roettekea  aao.  id  all  dieseo  fallen  kommt 
für  den  redenden  nur  die  ^ine  bestimmung  in  belracht,  die  auch 
ausdrücklich  genannt  ist  übersetzungmit  ^solange  nur'  wäre 
unpassend,  es  handelt  sich  eben  hier  durchweg  um  reine  tem- 
poralsätze  ohne  jeden  andern  nebensinn.  — 

In  anderen  relativsätzen  setzt  der  redende  nur  üue  bestim- 
mung ausdrücklich,  weil  er  anzeigen  will,  dass  man  von  der 
Setzung  anderer  beslimmungen  ganz  gut  abstrahieren  kann,  indem 


Ober  die  mhd.  conjünction  unde         175 

die  eine  genaoote  allein  genügt,    das  bedürfnis,  sich  solcher  weise 
auf  die    anfObrung  einer  einzigen  bestimmung  zu  beschränken, 
wird  naturgemäss  dann  bestebn,  wenn  es  dem  redenden  darum 
zu  tun  ist,  nur  das  unomstofslicb  sichere,  das  würklich  beweisende 
henrorzuhebeo   und   Ton  allem  unsichern  oder  discutablen  abzu- 
sdien.     es    wird  also  in  solchen  fällen  immer  ein  gegensatz  be- 
stehn  zwiscbeo  der  gesetzten  (meist  realen)  bestimmung  und  den 
anderen^    die  anzuführen  man  bedenken  trägt,     diesen  gegensatz 
drAckea    wir  im   nhd.  durch   'doch'   aus.     beispiele  sind:   MSD 
46,  79  oueh  bite  wir  dich,  herre,  durch  der  wandelunge  ere,  unde 
skk  dixze  opher  tuot  ze  Christes  liehe  unde  hluot  .  .  .,  du  wende 
«fu  eUiu    unsriu  leü  :  'in    hinblick  auf  die  Wandlung,    wo  doch 
dieses  opfer  in  Christi  fleisch  und  biut  übergeht'.  —  Nib.  1148,  3 
ergezei  si  der  leide  und  ir  ir  habet  getan  :  'die  ihr  ihr  doch  zu- 
gefügt habt';  also  'von  anderm  will  ich  nicht  reden  :  aber  dieses 
eine   ist   doch    tatsächlich    geschehen,  und  nur  das  sollt  ihr  gut 
raachen'.  —  Nib.  2086,  1  ich  mane  iuch  der  gendden  und  ir  mir 
hänt  geswom,  do  ir  mir  zuo  Etzeln  rietet,  daz  ir  mir  woldet  dienen 
WZ  an  unser  eines  tot,  —  Ulr.  Trist.  1330  ine  getriuwe  niht  ge- 
cam    da  hin  in   der   siecheit   unde  ich   bin   'in    anbetracht  der 
krankheit,  die  ich  doch  habe*.  —  (Jlr.  Trist.  2386  din  antlitze  ist 
erwildei  der  forme  unt  du  soUest  hän.    —    Rubin  MS  i  169  b   ir 
mnnMiche  gHete  zuo  der  schcene  unt  sl  hat,  der  mak  si  wol  ge- 
tmret  sin:  '?on   anderen  Vorzügen^   die  man  mir  vielleicht  nicht 
glaubt,  will  ich  ganz  absehen  :  aber  ihre  gute  neben  der  Schön- 
heit, die  sie  doch  bat  .  .  .'  —  Fdgr.  i  112,  27  daz  ich  die  buoze, 
diu  mir  enpJiolhen  wart  vür  min  sunte,  niht  so  Iceist  et  mit  dem 
vHze  unde  ih  die  sunde  tet  unde  frumpte.  —  Ls.  iii  305  ich  sprach: 
jvnckfrüw  beschaidet  mich  der  mcere  und  ich  uch  vrägen  wil.    — 
Walberan  1249  die  burgcer  wilUc  täten  daz  und  schuofen   ez   in 
dester    baz  und  (Ja nicke  wand)  si  wol  sähen  dar  an,    daz  im 
wiüic  was  der  man,  —  ebenso   nach  demonstrativen  adverbien  : 
Siebenschi.  579  er  stuont  vor  in  und  sprach  nie  wortj  wan  er  kein 
aniwort  an  im  vant  nach  dem  und  it  was  gewant : '  denn  er  wüste 
sich  keine  aniwort,   die   dem   entsprochen    hätte,  wie  sichs  doch 
zugetragen  halte*.  —  jJud.  305,  26  nu  lä  du  {den  erg.  Diemer) 
Zinn  din  über  mich  verworhten  niht  gdn  dar  nach  unde  ich  daz 
gamet  hän.  —  Er.  9661    da  wider  und  in  lange  daz  herze  was 
getrOebet,  so  wart  nü  freude  geüehet  und  Erec  schöne  geeret,  sin 


176  KRAUS 

pris  wol  gemeret.  —  Er.  1439  dar  zuo  unde  ez  sanfte  gie,  so  ge- 
strächet  ez  doch  nie :  'obendrein,  wo  es  doch  sanft  gieng,  strau- 
chelte es  nicht*.  —  Iw.  3481  des  wcer  doch  alles  unnöt  da  zuo 
und  man  irz  verbot :  'obendrein,  wo  man  es  ihr  doch  verboten 
hatte'.  —  Er.  5541  der  kolbe  was  s6  swcere,  also  dicke  unde  er 
sluoc,  daz  er  so  sere  nider  truoc,  daz  er  in  s6  kurzer  stunde  [in 
niht  erziehen  künde]  :  ^bei  der  häu6gkeit  mit  der  er  doch  schlug'. 
—  ülr.  Trist.  530,  10  war  umhe  er  dich  dö  bete  erlie,  des  enweiz 
ich  niht  die  wärheit;  daz  er  ein  ander  strdze  reit,  so  gHetÜche 
und  ichs  in  bat,  daz  ist  miner  vröuden  mat.  —  Ulr.  Trist.  532, 
12  mit  die  rehten  strdze  und  ganc  die  holzwege  hin,  alse  lieb  und 
ich  dir  bin.  —  Ludw.  Kreuzf.  4792  her  keiser,  so  und  ir  diz  haben 
alle  wolt  an  mir,  s6  wil  unde  sal  des  ersten  ich  euch  allen  s& 
des  verbinden  mich  .  .  .  daz  ich  niht  wil  noch  entuo  ez  ensi  nutze 
der  kristenheit.  —  Mezze  MS  i  163  b  solhen  kumber  unde  ich 
llde,  Sit  ich  sin  erst  genäden  bat,  den  wendet  si  mir  niht.  — 
Heinzenburg  MS  i  181  b  ine  getar  vor  gote  niht  verfehen,  alse 
kumberlich  unde  ez  mir  stät. 

Vertreter  des  relativums  ist  in  diesen  Sätzen  unde,  wie  be- 
reits Paul  aao.  s.  48 f  richtig  hervorhob,  ebensowenig  wie  Ver- 
treter eines  ob  in  conditionalsätzen.  zeigte  dort  die  fragesatz- 
stellung  oder  ob  den  conditionaien  Charakter  des  satzes  bereits 
hinlänglich  an,  so  ergibt  sich  hier  die  tatsache,  dass  unde  nicht 
als  relativum  fungiert,  dadurch  zu  erkennen,  dass  es  nur  in  solchen 
relativsätzen  auftritt,  wo  das  relativum  fehlen  darf,  also  immer  nur 
dann,  wenn  ein  demonstrativum  vorhergeht  i. 

4.   ÜND£  —  *W0  DOCH,  DA  DOCH*. 

Litteratur  :  Benecke  zu  Iw.  155;  Grimm  Gr.iii  286;  Mhd. 
wb.  s.  V.  finde;  Roetteken  §30,  Mensing  §111;  Cordes 
§  280. 

Ich  stelle  die  beispiele  für  diese  Verwendung  voran  und  lasse 
die  erklärung  folgen  :  Trist.  19504  dur  waz  habt  ir  mich  mir  be- 
nomefi,  und  ir  min  also  kleine  gert  und  min  auch  iemer  wol  en- 
bert?   die  Übersetzung  mit  'ungeachtet'  oder  gar  'obgleich'  (Mhd. 

*  charakteristisch  Ist  wider,  dass  eine  gewisse  kategorie  solcher  satze 
ohne  relativum  niemals  mit  unde  erscheint :  er  quam  in  eine  stat  heizet  X 
kann  kein  unde  erhalten  :  well  hier  der  gedanke  des  sprechenden  auf  den 
reinen  Terbalbegriif  gerichtet  ist. 


ÜBER  DIE  MHD.  CONJÜNCTION  UNDE  177 

wb.  s.  ▼.  tmde)  wird  dem  sione  nicht  ganz  gerecht  :  vielmehr  ist 

unser  *wo  • . .  doch,  da  .  .  .  doch'   der  adäquate  ausdruck :  ^wo 

euch  doch  nach  mir  gar  nicht  verlangt*.  —  Trist.  19507  d  süe- 

%im  küniffmne  Isöt,  mit  wie  vil  maneger  herzenöt  gdt  mir  min  leben 

wdi  tu  hin   und  ich  iu  niht  so  mcere  bin,  daz   ir  mich  hwtet  sit 

hesani  und  eieswaz  umb  min  leben  erkant^,  —  Trist.  13879  schcene, 

wfraek  er,  nü  ist  mir  niht  herzeliche  liep  wan  ir,  und  ich  von  iu 

nü  scheiden  sol,  daz  wetz  got  von  himele  wol,  daz  nimet  mir  mlne 

shme.  —  Mai  78,  11  sit  ir  in  solhem  gelübede  stät,  wie  stet  iu,  ob 

BT  dax  läi,  und  ir  iuch  habet  vertriuwet?  —  Nib.  1725,  3  nü  saget, 

her  Hagene,  wer  hat  nach  iu  gesant,  daz  ir  getorstet  riten  her  in 

däxe  laniy   unde  ir  daz  wol  erkandet,  waz  ir  mir  habet  getan?  : 

*wo  ihr  doch  genau  wüstet'.  —  Heinrich  vMorungeu  MFr.  147,5 

•ar   umbe  weit  ir  testen  mir  den  lip,  und  i'uch  so  herzedichen 

mimne?  —  iiOnig  Kourad  MS  i  1  b  .  .  .    der  ungetät,   daz  si  min 

harze  läi  in  ungemHete^  und  ich  mich  ie  mit,  dienste  in  ir  genäde 

hö(.  — -  Toggenburg  MS  i  IIa  5t  tuot  als  si  sich  niht  verstiidaz 

tuat  mir  wol  von  schulden  we  und  ich  mit  stcete  nach  ir  minne 

ringe,  —  RvRothenburg  MS  i  34  b  wie  hän  ich  gedienet  daz,  daz 

ü  hat  so  vil  der  vröude  an  mir  zerbrochen,  unt  ich  ir  mit  triuwen 

nie  vergaz?  —  Neidh.  MS  n  71  a  scheid  ich  mich  von  ir  und  ich 

herzenliche  gir  stcete  nach  ir  minne  hän,  daz  enist  niht  guot  ge- 

thu  —  vObernburg  MS  ii  158  a  owi,  daz  mich  diu  liebe  des  (leides) 

mto  äne  tuot  I  und  ich  ir  mint  besten  tage  mit  stOBte  her  gedienet 

Un.  —  auch   wenn   das  pron.   pers.   der  dritten  person  subject 

des  durch  unde  eingeleiteten  satzes  ist :  Bari.  394,  38  sol  der  vater 

w^  mir  ebengliche  kröne  tragen,  und  er  in  also  kurzen  tagen  sich 

derh  got  garbeitet  hat?  —  Berthotd  vRegensburg  i  374,  20  daz 

dehein  kreatüre  so  smwhe  ist,  si  diene  got  in  ir  ahte,   äne  der 

ibde  mensche,   und  er  ez  doch  dem  menschen  ze  nutze  geschaffen 

hat,  —  Adelheid  Laugmann  80,  9  dö  wart  si  sere  wundemt^  daz 

er  ir  als  gütlichen  tet,  und  sl  ez  ni  um  in  verdint  het.  —  Herrn. 

vSachsenheim  Leseb.  999,  7  was  hat  getragen  dich  zu  land  durch 

das  wollende  mer  mit  sand,  und  doch  kein  Schwab   nie  drOber 

kam\  —  andere  beispiele  bei  Mensing  und  Cordes  aao. 

^  falsch  aofgefasst  von  Rothe  aao.  s.  11. 

*  bei  gleichheit  des  sabjects  kaon  das  pron.  im  zweiten  satz  gespart 
werden  :  Berthold  1 14,18  war  umbe  hästü  mir  ein  als  arbeitsamez  leben  ge- 
geben,  tmde  manigem  s6  gröze  Sre  geben  hdstt  —  Myst.  45,  7  iz  was  ein 


180  KRAUS 

5.   VNDE  IN  TEMPORALSÄTZEN. 

Lilleratur:  Grimm  Gr.  m  283;  Haupt  zu  Neifen  8,  17;  zu 
Cr.  7028;  Paul  Beitr.  5,  48;  Liechteusteiu  zu  Eilh.  3772; 
RiDzel  zu  Alex.  1811;  Kraus  Anz.  xix  28;  Beilr.  21,  546;  Zs. 
f.  d.  ö.  gymn.  1892,  1099.  1106.  fgrner  ein  teil  der  im  vorher- 
gehoden  citierteu  lilteratur,  bes.  Mhd.  wb.  s.  ?.  unde  und  Tob- 
lers  aufsetze. 

Auch  hier  zeigen  die  beispiele,  wenigstens  die  älteren,  eine 
bedeutung,  die  im  nhd.  durch  ^sowie  nur'  (nicht  durch  'als') 
richtig  widerzugeben  ist.  somit  drückt  der  redende  den  gedanken 
aus,  dass  es  nichts  weiter  bedurfte,  als  des  eintretens  eines  be- 
stimmten, ausdrücklich  genannten  ereignisses,  damit  sich  ein  an- 
deres vollzog,  die  beispiele  sind  :  Kehr.  Schröder  2872  duo  wurden 
gote  gehorsam  alle  di  da  wärent  unt  {wan  hs.  3)  8t  diu  grözen 
zaichen  sähen.  —  Kehr.  7686  dem  chunige  begunde  sin  gemuote 
harte  swären,  unt  (als  2,  (2o  4  viell.  auch  5)  Römiere  daz  er- 
sähen^ si  gehiezen  im  alle  gellche,  si  newoUen  im  dar  zuo  niemer 
geswichen,  —  Alex.  D.  191,  li  unt  diz  A.  vemam,  niweht  er  ne 
beite,  e  er  zu  dem  rosse  chorn.  —  Alex.  D.  222,  5  unde  i.  sinen 
vanen  wider  gewan,  Mennes  aber  ime  zuo  chom,  —  W.  Mann  ii 
195  unde  (alse  erg.  Kohn)  he  dat  antlitze  undir  sine  äugen  gi- 
dvanc,  he  wart  gisurU,  —  Er.  7028  und  si  wurden  wol  gewar,  daz 
im  niht  tCBtliches  uiar,  des  wären  si  gemeine  vrö.  —  Wh.  58,  12 
den  marcräven  dühte  gröz  ir  kraft,  und  (nur  K,  wan,  wand  1  m  n, 
do  0  p)  er  si  reht  ersach.  —  ürst.  118,  61  unt  sich  der  tat  ent- 
slöz  unt  der  Hecht  morgen  schein,  nü  wurden  aber  die  Juden  enein 
daz  . .  .  sumeliche  chömen  hin.  —  H.  Trist.  128  und  er  zwivalter 
liebe  enpfant,  des  nam  in  selber  wunder,  und  wundert  in  besunder, 
daz  er  leit  herzeliche  not  umb  ietweder  IsötK  —  H.  Trist  326 
unde  in  begunde  twingen  diu  minne  vaste  unde  genuoc  .  .  .  er  ge- 
dähte  an  Kaedinen  . . .  und  sante  näh  ime  sä  zuhant.  —  H.  Trist.  367 
und  er  Tristandes  ernst  ersach,  gar  sinnecUch  er  jach  ...  —  H. 
Trist.  3325  nü  suochten  die  gehiuren  aber  die  fossiuren  .  . .  und 
sie  der  niht  enfunden,  sie  machten  . .  .  eine  hUtle.  —  H.  Trist. 
3783  und  als  daz  engerlin  wart  naz,  Isöl  mit  rede  niht  ze  laz 
was.  unde  ir  dise  geschiht  geschach,  si  begtmde  smielen  und  sprach. 
—  H.  Trist.  4262  Nu  quam  der  künec  ouch  geriten.  unde  er  von 

'  kaum  aber  das.  332,  wo  ich  ioterpangiere  :  nü  Kdedin  wart  besant 
unde  er  ze  TrUtane  kam^  Tristan  in  heimelicke  nam. 


Ober  die  mhd.  conjünction  unde         n» 

endsteUoDg  des  Terbums  auch  auf  solche  mit  unde  eingeleitete 
dUe  übertragee,  wo  die  abhSCngigkeit  nnr  im  gedanken  ligt,  somit 
öoe  logische  ist,  ohne  jedoch  sprachlich  direct  ausgedrückt  zu 
werden  K  also  in  rbetonscben  fragen  und  erstaunten  ausrufen. 
eine  frage  wie  oben  Trist.  19504  ist  ja  gedanklich  genommen 
teeelbe  wie  etwa :  ^es  ist  schlimm  von  euch,  daz  ir  mieh  mh^ 
hmomen  habt  und  ir  min  aUö  kleine  gert\ 

Primär  ist  also  unde  mit  der  endstellung  des  verbums  in 
keioeni  siisammenbang.  wdre  das  der  fall,  dann  müste  dieser 
gebraecb  tob  unde  sich  auch  finden,  wenn  nur  ein  adversativ- 
satz  Torhaiideo  wäre,  also  in  fDgungen  wie  ^obwol  er  stark  war, 
wirf  ihn  Erec  doch  vom  pferd':aber  da  steht  immer  nur  doch 
(oder  spater,  nach  Haupts  und  Mensings  hübschen  beobacb- 
taagen,  ncie) :  doch  er  guot  eilen  Mlege,  Erec  in  von  dem  rosse 
idUer  (ebenso  zb.  Er.  941.  4160.4714.  8910;  swie  aHeinr.  423; 
Wig.  2794;  Waltb.  71,  32).  und  unogekehrt  fanden  sich,  wo  jenes 
unde  stand,  immer  aussagesätze  oder  Sätze,  die  von  einem  aus- 
mf  oder  einer  frage  abhängen  2. 

i£  Mündet  rnne  mir  und  ich  ir  vil  gedimei  hdn.  der  sinn  ist  aach  hier: 
^o  ich  ihr  doch  viel  gedieot  habe',  aber  der  syntaktische  aosdruck  dafür  ist 
«■  reUtiTsatz  :  die  sich  versöodigt  und  der  ich  gedient  habe  {und  ich  ir  ist  ja 
die  mhd.  entsprechuog  unseres  *und  der  ich*,  s.  Grimm  Gr.  iv  459;  Benecke 
IQ  Iw.  3781 ;  Kraus  zu  Rhein.  Paulus  390-  —  ebenso  Parz.  213,  26  ich  trage 
den  lebendigen  tot,  Ht  ich  von  ir  gescheiden  bin,  diu  mir  herze  unde  sin 
ie  wüt  ir  gewalt  beslSm^  und  ich  des  nie  gein  ir  genSz,  —  ebenso  Hobesk 
(Haapt)  6b,  14  er  bezzerl  alle  die  genesen  sulen,  unde  siu  iedoeh  also  un- 
semfte  se  vertragenne  sinL  —  Nicoiaus  von  Basel  266,  26  karg  gegen  den 
wiensehen,  die  ,  , ,  es  noch  alle  zit  zuo  vil  enpfahent  .  . .  und  sü  sich 
selber  toenent  domitte  fürdem  und  sii  sich  domitte  hindemt, 

*  dagegen  bleibt  die  ursprüngliche  Stellung  des  hauptsatzes,  falls  der 
mit  und  eingeleitete  sata  dadurch,  dass  der  vorhergehnde  abhängig  wird,  in 
aeioer  uoabhängigkeit  nicht  mitgetrofien  ist  :  aus  zwei  sätzen  wie  got  wit 
wueh  ftirbaz  rouben  und  ist  doch  ein  rihtare  wird,  falls  man  den  ersten 
Dor  annahm  weise  setzt  :  wil  got  mich  ftirbaz  rouben,  und  ist  doch  ein 
rihtare,  s6  äuget  mir  daz  mcere  (Parz.  10,26).  —  ebenso  Myst.  i  262,  14 
ats  man  siht^  daz  sich  ein  gebüre  schämt,  daz  er  izzet,  und  ist  doch  ein 
Mtmelick  dine,  also  sülen  wir  uns  schämen,  —  anderseits  kann  sich  selbst 
bei  bauptsätzen,  falls  der  erste  aus  irgend  einem  gründe  endstellung  des  ver- 
boms  hat,  dies  auch  auf  den  mit  t/nct  coordinierten  übertragen: Penis MFr. 81, 11 
wun  grozru  state  mich  des  niht  erldt  und  ez  mich  leider  kleine  vervdL 

'  daraus  geht  auch  hervor,  dass  die  von  Lachmann  Iw.  155  in  der 
ersteo  ausgäbe  gewählte  la.  Ton  A  unl  wir  daz  wizzen  vil  wol,  wo  unt 
'ungeachtet'  bedeuten  soll  (s.  Benecke  und  L.  z.  st,)  sprachwidrig  ist. 


180  KRAUS 

5.   UNDE  IN  TEMPORALSÄTZEN. 

Lilteratur:  Grimm  Gr.  m  283;  Haupt  zu  Neifen  8,  17;  zu 
Er.  7028;  Paul  Reitr.  5,  48;  Liechteostein  zu  Eilh.  3772; 
RiDzel  zu  Alex.  1811;  Kraus  Anz.  xix  28;  Reitr.  21,  546;  Zs. 
f.  d.  ö.  gymo.  1892,  1099.  1106.  ferner  ein  teil  der  im  vorher- 
gehnden  citierteu  lilteratur,  bes.  Mhd.  wb.  s.  v.  unde  und  Tob- 
lers  aufsetze. 

Auch  hier  zeigen  die  beispiele,  wenigstens  die  älteren,  eine 
bedeutung,  die  im  nhd.  durch  ^sowie  nur'  (nicht  durch  'als') 
richtig  widerzugeben  ist.  somit  drückt  der  redende  den  gedanken 
aus,  dass  es  nichts  weiter  bedurfte,  als  des  eintretens  eines  be- 
stimmten, ausdrücklich  genannten  ereignisses,  damit  sich  ein  an- 
deres vollzog,  die  beispiele  sind  :  Kehr.  Schröder  2872  duo  wurden 
gote  gehdrsam  alle  di  da  wärm,  unt  (wan  hs.  3)  8t  diu  grözen 
zaichen  sähen.  —  Kehr.  7686  dem  chunige  begunde  sin  gemuote 
harte  swären,  unt  (als  2,  do  i  ?iell.  auch  5)  Röimere  daz  er- 
sähenj  si  gehiezen  im  alle  geliche,  si  newoüen  im  dar  zuo  niemer 
geswldien.  —  Alex.  D.  191,  14  unt  diz  A.  vemam,  niweht  er  ne 
beite,  S  er  zu  dem  rosse  chom.  —  Alex.  D.  222,  5  unde  i.  sinen 
vanen  wider  gewan,  Mennes  aber  ime  zuo  chom,  —  W.  Mann  ii 
195  unde  {alse  erg.  Kohn)  he  dat  antlitze  undir  sine  ougen  gi- 
dvanc,  he  wart  gisunt,  —  Er.  7028  und  si  wurden  wol  gewar,  daz 
im  niht  tCBtUches  uiar,  des  wären  si  gemeine  vrö.  —  Wh.  58,  12 
den  marcräven  dühte  gröz  ir  kraft,  und  (nur  K,  wan,  wand  1  m  n, 
rfo  0  p)  er  si  reht  ersach.  —  Urst.  118,  61  unt  sich  der  tat  ent- 
slöz  unt  der  Hecht  morgen  schein,  nü  wurden  aber  die  Juden  enein 
daz  . .  .  sumeliche  chömen  hin,  —  H.  Trist.  128  und  er  zwivalter 
liebe  enpfant^  des  nam  in  selber  wunder,  und  wundert  in  besunder, 
daz  er  leit  herzeliche  not  umb  ietweder  IsötK  —  H.  Trist  326 
unde  in  begunde  twingen  diu  minne  vaste  unde  genuoc  .  .  .  er  ge- 
dähte  an  Kaedinen  , . .  und  sante  näh  ime  sä  zuhant.  —  H.  Trist.  367 
find  er  Tristandes  ernst  ersach,  gar  sinnecÜch  er  jach  ...  —  H. 
Trist.  3325  nü  suochten  die  gehiuren  aber  die  fossiuren  .  . .  und 
sie  der  niht  enfunden,  sie  machten  . .  .  eine  hUtte.  —  H.  Trist. 
3783  und  als  daz  engerlin  wart  naz,  Isöt  mit  rede  niht  ze  laz 
was.  unde  ir  dise  geschiht  geschach,  si  begunde  smielen  und  sprach. 
—  H.  Trist.  4262  JVt*  quam  der  künec  ouch  geriten,  unde  er  von 

>  kaum  aber  das.  332,  wo  ich  ioterpongiere  :  nü  Kdedin  wart  besamt 
unde  er  %e  Tristane  kam^  Tristan  in  heimeliche  nam. 


ÜBER  DIE  MHD.  COMJUNCTION  UNDE  181 

dem  mne  saXj  iu  simm  schimpfe  sprach  er  daz.  ^--  H.  Trist.  548 

Der  Wirt   «h   tische  nü  §esaz  .  .  .  und  er  gaz,  dd  fuorte  er  die 

§eMi€  dar.  —  H.  Kreuz  (Pfeiffar  übfsb.)  95  N64ii  Adämes  misse- 

tat  uteä  er  smntlkher  wise  üz  dem  vrönsH  paradise  wart  vertri- 

kesi   .  .  .   ruofie  (nach  Hruscbka  Anz.  vm  304)  er  mit  innerdiehes 

ker%en  ger.  —  H.  Kreuz  239  und  in  ersach  Cherubin,  wn  dem 

weg  fragt  er  m.  — ^  Schretel  GA  ui  46  und  er  den  hof  so  schoßnen 

saA,  er  dähte  in  ünem  sinne,  da  swxe  ein  ritter  inne  oder  sus 

ein  guoterhande  man,  —  Schretel  198  und  ez  des  bern  wart  ge-- 

war,  ex  dähte  in  sime  sinne :  waz  tuet  diz  hmder  himul  ein  drittes 

beispiel  (v.  176)  ist  mehrdeutig.  —  Marl.  22,  47  als  dirre  sdmoler 

wart  gewar  des  morgens  und  die  sunne  üf  trat,  dö  gienc  er  auch 

uzar  etat.   —  Tanhäuser  MS  ii  60  a  und  ich  ir  also  nähe  kam  daz 

icft  ir  bot  den  minen  gruez  . .  .  dö  wart  mw  aller  sergen  buoz.  — 

lur  bedeutUDg  des  blo^aen  dö  abgeschwächt  erscheiot  teruponiies 

wmL  öfler  in  Griesb.  predigten  :  i  91,  14  und  daz  beschach,  dö  gebot 

gU  der  schar,  daz  eis  iemen  sageten(vg\.  Ludw.Kr«uEf.7297  und  da» 

beschach,  ir  stritlkh  geverte  niman  me  sach),  —  ii  36,  22  und  daz 

S.  Peter   getet,  dö  hiez  si  unser  herre,  daz  si  ieriii  neiz  würfen 

und  das  si  vische  viengen,  —  ii  59,  26  und  der  blinde  daz  hörte 

iez  JhesMS  da  fUr  in  gienge,   dö  ruofter  in  an  unde  sprach,  — 

u  130, 1 1   und  die  boten  körnen  ze  dem  wissagen,  dö  sprach  er  ze  in. 

Widerum,  wie  schon  ^Üter  im  vorbergehnden,  fällt  auf,  dass 

die  verba  in  den  durch  unde  eingeleiteten  Sätzen  vielfach  dieselben 

sind  :  e«  finden  sich  in  nicht  weniger  als  12  beispielen  verba  der 

maücben  Wahrnehmung  {ersehen,  sehen,  war  nemen,  gewar  werden, 

eememen,   hoeren,  empfinden),     der  grund  ist    ofTenbar    widerum 

der,  dass  das  blofse  wahrnehmen   die  einfachste  grundbedingung 

ist  für  den  eintritt  der  im  anschluss  daran  erfolgenden  tatsache. 

*er  brauchte  es  nur  zu  hören,  und  er  eille  sofort  zum  pferde'  usw^. 

Auffällig   ist  die  beschränktheit  dieses  gebrauchs.     Gottfried 

bietet  kein  einziges  beispiel^  Hartmann  nur  das  eine  angeführte^, 

Wolfram  aufser  dem  einen  vielleicht  noch  ein  zweites 3,  die  Kehr. 

>  daher  lassen  sich  diese  sätze  auch  wider  in  conditionalsatze  mit  unde 
am  wandeln  :  Kehr.  2872  und  sahen  st  diu  grözen  zaichen,  st  würden  alle 
gole  gehorsam  usw. 

^  ein  zweites,  das  Haupt  zu  Er.  7028  anführt,  gehört  nicht  hierher: 
und  ob  das  unde  7028  nicht  etwa  blofe  deshalb  temporale  bedeutung  zu 
liabeo  scheint,  weil  vorher  etwas  iehlt,  scheint  mir  nicht  ganz  abzuweisen. 

3  Wh.  48, 16 ,  wo  jedoch  wider  nur  K  und  Hst,  wahrend  Imnopt  do  bieten. 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXII.  13 


182  KRAUS 

liefert  nur  zwei  belege  usw.  überdies  zeigen  auch  die  abweich- 
UDgen  der  hss.  mehrfach,  dass  den  Schreibern  das  Verständnis 
für  diese  Verwendung  von  unde  abgieng.  und  auf  der  anderen 
Seite  befremdet  die  grofse  zahl  von  beispielen,  die  bei  einem  ein- 
zelnen dichter,  Heinrich  vFreiberg,  begegnen  :  im  Trist.  7,  im 
Kreuz  2,  im  Schretei  (falls  es  Heinrich  mit  recht  zugeschrieben 
wird)  ebenfalls  2.  man  hat  es  hier  also  jedesfalls  mit  einer  lo- 
cal  sehr  beschränkten,  vorzugsweise  mitteldeutschen  gebrauchst 
weise  zu  tun. 

Dass  unde  hier  einfluss  auf  die  Wortstellung  hat,  ist  deutlich, 
minder  deutlich,  ob  es  ihn  auch  ursprünglich  besessen  hat.  wenn 
man  an  ßille  denkt,  wie  sie  bei  unde  in  relativsätzen  angeführt 
wurden  (zb.  Mst.  Gen.  14,  19  an  der  selbett  stunt  unt  e%  im  chom 
durch  den  munt^  do  verstuont  sich  der  arme  man,  daz  er  ubil  hete 
getan)  ^,  so  wird  man  zugeben,  dass  hier  imde  eine  bedeutung  zeigt, 
die,  aus  der  ^relativen'  erwachsen,  vollständig  temporal  ist  (wie  ja 
auch  dö  stehn  könnte),  sodass  das  Sprachgefühl  leicht  dazu  kommen 
konnte,  unde  überhaupt  als  temporalconjunction  zu  verwenden. 

Noch  eingeschränkter  und  sicher  mitteldeutschen  Charakters 
ist  die  Verwendung  von  unde  in  der  bedeutung  'bis',  beispiele 
sind  :  Pil.  (Weinhold  Zs.  f.  d.  phil.  8,  280)  v.  310  in  der  mulen 
er  si  liez  und  iz  quam  an  den  taCy  daz  si  des  kindes  gelac,  — 
Eilh.  Trist.  3770  wen  he  bi  der  koninginnen  lach  also  dicke  s6 
her  wolde  und  (H  bis)  eines  tagesdö  solde  der  trogseze  riten  jagin. 
—  Eilh.  5907  zu  heiin  sie  sich  da  begunden  . .  .  und  jene  wordin 
ir  geware  und  hübin  sich  ze  hant  dare.  —  Eil.  6962  ich  wil  alhir 
betin  din  und  (bis  H)  du  mich  aber  bestrichest.  —  Dieser  ge- 
brauch nimmt  natürlich    von   unte  =  'usque  ad'  seinen  ausgang. 

5.  ABSCHLIESSENDES  UNDE. 

Diese  Verwendung  von  unde  hat  in  den  Wörterbüchern  und 
sonst  verhältnismässig  wenig  beachtung  gefunden,  in  erster  linie 
wol  deshalb,  weil  sie  ganz  allgemein  gebräuchlich  und  im 
nhd.  noch  ebenso  zu  finden  ist.  unde  steht  in  solchen  fällen 
regelmässig  am  beginn  des  satzes  und  zeigt  au,  dass  eine  ge- 
dankenreihe, die  im  vorhergehnden  angesponnen  wurde,  durch 
den  dem  unde  folgenden  satz   fortgesetzt  und  zum  abschluss  ge- 

*  oder  Fred.  Fdgr.  i  91,  32  zuo  der  selben  wÜe  unt  min  trehttn  den 
ersten  man  üz  dem  paradyso  sitez,  an  der  selben  wtle  fuorte  er  den 
Schacher  ...  in  die  Schönheit  des  paradyses. 


Ober  die  mhd.  conjunction  unde         iss 

bracht  wird,    unde  fügt  also  hier  wider  das  letzte  glied  einer  kette 
ao.      solche   Verwendung   von   unde  findet   vor  allerlei  arten  von 
Sätzen    statt,     steht  es  vor  hypothetischen  Vordersätzen  mit  frage- 
satzstelluDg,   so   könnte   man    auf  den  ersten  blick  geneigt  sein, 
es  mit   dem  unter  i  besprochenen  unde  zu  idenlificieren,  wie  auch 
mehrfach    geschehen    ist.     ein    paar    beispiele    mögen    genügen: 
I  Büchl.    1157    das  herz  belobt  den  leib,   dass  er  sich   nunmehr 
zur  Umkehr  entschlossen  habe:  verwirf  mtnen  rät  und  wizze  daz 
dir  wol  geschiht,    und  ist  daz  du  war  last  als  du  mir  geheizen 
hast,  so  si   der  schade  verhorn   usw.     der  durch   und  eingeleitete 
satz  hriogt  den  abschluss  der  ganzen  gedankenreihe.  —  Er.  5838 
Erec   ruft   den  wilden  tieren  zu,  eines  von  ihnen  möge  kommen 
und    sie    beide   verschlingen,   damit   ihre    körper   nicht  getrennt 
würden,      und  ruoch  got  unser  seien  phlegen,  die  enscheident  sich 
henamen   niht :  ^und  die  seelen  werden,  so  gott  will,  ohnehin  bei- 
sammen   bleiben'.  —  Greg.  2025  si  sprächen,   ez  wcer  daz  gröze 
lant    mit  einem  wibe  umhewart  von  unrehter  höhvart;  und  heten 
si  einen  herren,  sone  mühte  in  niht  gewerren.  —  Iw.  312  und  vil 
schiere    sach    ich    komen  .  .  .  eine  juncfrotiwen,  diu  mich  empfienc 
..  .  diu  enlwäfente    mich,     und  einen  schaden  klage  ich  ...  daz 
der  wufenriemen  also  rehte  lützel  ist,  das  si  niht  langer  vrist  mit 
mir    solde    umbegän.      ez   was    ze    schiere   getan  .  .  .  ein   schar- 
lachez    mantelin   daz  gap  si  mir  an,     die  Schilderung  zerfällt  in 
verschiedene  teile  :  er  sieht  sie  kommen,   sie  empfangt  ihn,  ent- 
waffnet ihn,  bekleidet  ihn  mit  einem  mantel.     den  abschluss  der 
erwähnung    des  entwaffoens   bildet  der  ausdruck   des  bedauerns, 
üass  dies    nicht   längere   zeit   in   anspruch  nahm,     deshalb  steht 
unde.  —  Wh.  251,  17   weert  ir  niht  stcete  an  uns  belibn,    wir 
Citren  üz  werdekeit  vertribn  :  und  het  ir  minen  sun  verkam,  da 
mite  wier  diz  lant  verlorn,    damit  schliefst  der  erste  teil  der  ge- 
dankenreihe :  was  Gyburg   hätte   verderben  können.    —    ebenso 
Trist.  S862.  10575.  11053.  13038.  13233.  13792. 14183;  Frauend. 
167,32  (nach  man  punct,  nach  hän  komma);  Nib.  395,2.  635,1. 
768,  1.   1097,  1.  1391,  1;  Kudr.  402,  1  usw. 

Es  ist  aus  dem  gesagten  leicht  erklärlich,  dass  unde  auf 
solche  weise  gerne  zur  einleitung  des  zweiten  alternativsatzes  ge- 
braucht wird :  weil  damit  eben  wider  eine  gedankenreihe  zum 
abschluss  gebracht  wird,  so  zb.  :  Iw.  2683  ein  gast  ist  bald  im 
klaren  über  die  gesinnungen  seines  wirtes;  wander  im  bescheinet 

13* 


184  KRAUS 

an  elelicher  swtrre,  ist  er  im  unmcere :  und  geherherget  ein  man 
da  ims  der  wirl  wol  gan,  deme  gezimet  deete  baz  sin  schimpf  unde 
sin  maz,  —  Iw.  6369  die  bediogung  war  :  er  muoz  in  ettiu  j6r 
gebn  drizec  mägde  da  her  die  wile  si  lebent  und  er.  unde  gesigte 
ab  dehein  man  iemer  disen  beiden  an,  so  waren  wir  aber  erlöst, 
—  ebenso  Tml.  5668.  6419.  7462  usw. 

Ebenso  beim  abschlusse  einer  discussion  :  Nib.  54,  1  d6 
sprach  dm-  küetie  Sifrit :  'vil  lieber  vater  min,  an  edeler  frouwen 
minne  wold  ich  immer  sin,  ich  enwurbe  dar  min  herze  gröze  liebe 
hät\  swaz  ieman  reden  künde,  des  was  deheiner  slahte  rät.  'Und 
wil  du  niht  erwinden\  sprach  der  künec  dö,  *s6  bin  ich  dines  willen 
wwrlichen  vr6\  —  aus  dem  nbd.  sind  beispiele,  wie  *Und  bisl  du 
nicbt  willig,  so  brauch  ich  gewalt'  zahllos. 

Damit  sind  die  verschiedenen  kategorien  des  gebrauches  von 
unde  im  wesentlichen  erscböpreod  dargestellt :  was  sieb  an  bei- 
spielen  sonst,  in  Toblers  aufsetzen  insbesondere«  findet,  wird  man 
unschwer  in  die  obigen  gruppen  einreiben  können,  soweit  es 
nicbt  lediglich  einer  falschen  interpretation  seine  scheinexistenz 
verdankt  ^  und  so  erübrigt  es  nur  noch,  eine  erkläruug  für  die 
behandelten  erscheinungen  zu  geben. 

Hat  die  darstellung  des  tatsächlichen  beträchtlichen  räum 
iü  ansprach  genommen,  so  kann  dafür  der  versuch,  die  ermittel- 
ten tatsachen  zu  erklären,  umso  kürzer  ausfallen  :  wie  ja  ofibei 
wissenschaftlichen  arbeiten  beide  bestrebungen  in  umgekehrtem 
Verhältnis  zu  einander  stehn. 

Auszugehn  ist  dabei  von  der  frage  nach  dem  aller  der  be- 
handelien  gebrauchsweisen   des  %mde.     wie  sich  aus  den  wörter- 

*  wie  das  ^causale*  unde  :  die  beiden  belege,  die  im  Mhd.  wb.  dafür 
augeführt  sind  (Iw.  34S1  und  Mai  7S,  U)  sind  anders  zu  erklären  (s.  o.  s.  176 
und  177);  ein  beispiel  bei  Cordes  s,  76f  zeigt  adversativ- verknöpfendem 
unde^  wie  Cordes  selbst  schon  als  möglichkeit  erkannt  bat.  —  im  Er.  850S 
{und  die  den  Itp  habent  verloren^  so  dürft  irs  niht  versuochen)  wird  wände 
St.  unde  zu  lesen  sein  :  dass  Haupts  nü  (in  der  1  aufl.)  bedenklich  ist, 
hebt  Hech  (Germ.  7,465)  unter  hinweis  auf  L.  zu  Iw.  252S  mit  recht  hervor. 
wenn  er  aber  vorschlagt,  und  habent  die  den  i(j)  verlorn  zu  lesen,  so  ligt 
das  von  dem  überlieferten  doch  zu  weit  ab;  auch  wird  der  dichter  kaum 
unmittelbar  nacheinander  zwei  fortführende  unde  gebraucht  haben.  —  bei 
ßerthold  i  541,  17  (s.  Roetleken  §  11)  scheint  mir  der  text  verderbt  —  und 
nach  comparativ  (Lachmann  Kl.  sehr,  i  199)  ist  mir  aus  classischer  zeit 
nicht  bekannt. 


ÜBEH  DIE  MHD.  CONJUiNCTION  UNDE  185 

bOehern  sowie  aus  verscbiedeoeD  specialabhaDÜlungeu  über  ahü. 
sjotax  mittelbar  oder  unmittelbar  ergibt,  ist  keine  der  uoter  i 
bis  IV  behaodellen  verWeoduDgen  io  abd.  zeit  zu  finden  K  das 
ist  eio  fiogeneig,  die  entstehung  nicht  irgend  einer  etymologie 
za  liebe  io  das  dunkel  der  unlitterariscben  vorzeit  zu  verlegen. 
Yielnaehr  seben  wir  ganz  deutlicb,  dass  die  älteste  Function  von 
wiuie  lediglich  in  der  Verbindung  von  satztoilen  und  Sätzen  be«^ 
suod,  während  die  andern  gebrauchsweisen  sozusagen  vor  unsern 
äugen  im  12  jh.  aufzutauchen  beginnen,  es  ligt  also  nahe  zu  ver- 
Sachen,  ob  die  letztern  sich  nicht  aus  der  erstem  ableiten  lassen. 
Der  zweite  Factor,  mit  dem  die  erklärung  rechnen  muss,  ist 
die  tatsache,  dass  unde  niemals  auf  die  Wortstellung  einQuss  bar, 
(aufser  wo,  wie  beim  temporalen,  ein  solcher  einQuss  plausibel  als 
etwas  secuodäres  auFgefasst  werden  kann)  :  das  steht  mit  der  be- 
obachtung,  dass  der  gebrauch  von  utide  als  Satzteile  (oder  Sätze) 
terbindeoder  partikel  der  älteste  ist,  im  schönsten  einklang. 

Drittens  endlich  wird  zu  berücksichtigen  sein,  was  über  die 
bedeutung  jenes  unde  ermittelt  wurde,  damit  freilich,  dass  es 
einmal  durch  nhd.  'nur',  dann  wider  durch  'doch'  oder  durch 
'Oberhaupt',  durch  'wo  doch'  und  durch  'als'  passend  widergegeben 
werden  kann,  wird  nicht  ernsibafl  zu  rechnen  sein,  denn  diese 
bedeutungen  sind  zu  verschiedenartig,  als  dass  man  hoffen  dürfte, 
mit  der  aufstellung  einer  derselben  als  Urbedeutung,  aus  der  dann 
die  andern  mehr  oder  minder  gewaltsam  herzuleiten  wären,  das 
richtige  zu  (reffen,  vielmehr  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  im  nhd. 
dieselbe  sache  einmal  von  der,  dann  von  jener  seile  betrachtet 
wurde  und  demgemäfs  hinter  dieser  manigfaltigkeit  nichts  zu 
suchen  ist  als  das  bedürfnis,  das  verschieden  gesehene  auch  ver- 
schieden auszudrückeo. 

Aber  ^ine  beobachtung  zog  sich  wie  ein  roter  faden  durch 
die  ganze  Untersuchung  hindurch,  in  welcher  weise  auch  unde 
Verwendung  fand,  immer  konnte  man  wahrnehmen,  dass  in  solchen 
Sätzen  die  annähme  oder  tatsache,  die  allein  genannt  wurde, 
eigentlich  nicht  die  einzige  war,  mit  der  die  gedankeu  des  re- 
denden sich  beschäftigten,  sondern  nur  das  letzte  glied  einer  blofs 
gedachten  kette  von  annahmen  oder  latsachen. 

Damit  ist  m.  e.  die  erscheinung  auch  schon  erklärt  :  denn 

^  s.  aufser  den  ahd.  wörterbuchern  und  glossaren  bes.  die  arbeiten  von 
BaoDow,  Tomanetz,  Wunderlich  und  Schollen  (Beitr.  2*2,  394  anm.). 


186       KRALS  ÜBER  DIE  MHD.  CO>JG>CTIO>  ÜNDE 

das  ältere  unde.  das  Satzglieder  und  sätze  mit  eioaoder  verbiodet, 
t)at  ja  ganz  dieselbe  fuDClioD  :  an  YorbandeDe  glieder  weitere  oder 
eio  letztes  glied  anzareibeo.  der  onterscbied  ist  Dor  der,  dass 
bier  die  forbergehodeo  glieder  ausdrücklich  gesetzt  werdeo,  dort 
aber  dem  redendeo  nar  im  geiste  Yorscbweben.  somit  gelangen 
wir  zu  folgenden  pbasen  der  entwicklung  :  in  ältester  zeit  dient 
unde  (bezw.  aniü  oUi,  imti,  unti)  nur  dazu^  an  ein  oder  mebrere 
genannte  glieder  weitere  anzureiben  ^  (woraus  im  weitem  verlauf 
die  im  abscbnitt  ir  erörterte  construction  erwächst). 

Die  zweite  phase  bildet  dieselbe  Verwendung  von  unde  im 
anfange  eines  satzes,  wenn  die  Yorausliegenden  glieder  in  vorher- 
gehnden  Sätzen  genannt  sind  (s.  o.  abscbnitt  vi)  :  diese  Verwen- 
dung tritt  schon  in  abd.  zeit  auf,  denn  so  zu  erklären  sind  f^le 
wie  Otfr.  i  10,  19  :  Int  ick  scal  tkir  sa^,  ikind  min,  thu  hisi 
forasa^  sin  :  Zacharias  hat  im  vorhergehnden  ausscbliefslicb  von 
Christus  und  dem,  was  man  von  ihm  erhoffen  darf,  gesprochen: 
nun  wendet  er  sich  dem  Johannes  zu;  also  das  skelelt  der  ge- 
danken  ist :  'Christus  wird  das  und  das  tun  und  du,  du  bist  sein 
prophet'.  ebenso  v  9 ,  23  sie  zaliun  so  man  ofto  duai,  thaz  ira 
seraga  nnuit.  inti  ihm  ni  kortos  kiar  in  lante  fon  demo  heilante? : 
'wir  betrauern  Christus  so  sehr,  und  du,  du  hast  von  ihm  gar 
nicht  gebort?' 

Die  drille  phase  endlich  ist  erreicht,  wenn  die  vorangeh n- 
den  glieder  Oberhaupt  nicht  mehr  ausdrücklich  genannt  sind, 
sondern  sich  lediglich  aus  der  Situation  ergeben  oder  dem  re- 
denden nur  im  geiste  vorschweben  :  hierher  gehören  die  unter 
I — III  sowie  V  besprochenen  gebrauchsweisen  von  tmde.  dass  diese 
erst  im  12  jh.  aufkommen,  kann  uns  nicht  wunder  nehmen: 
denn  das  bedürfnis,  die  feioeren  bezöge,  die  zwischen  den  ge- 
danken  bestehn,  durch  das  sprachliche  mittel  der  conjunclioneo 
auch  äufserlich  zum  ausdruck  zu  bringen,  zeigt  sich  im  deutscheu 
wie  in  allen  cullursprachen  um  so  lebhafter,  je  gröfsere  fortschrille 
die  kunst  der  litterariscben  Verwendung  der  spräche  macht. 

*  deshalb  fehlt  es  auch,  wenn  zwei  haudlungea  gleichzeitig  erfolgen, 
soDiit  ZQ  einer  zusammenflierseo,  also  io  fallen  wie  saz  dageta  ('safs  schwei- 
gend), wie  deren  bei  Grimm  Gr.  it  216.  950;  Beoecke  zu  Iw.  3620;  zu  Dkm. 
xxxii  1,  54.  2,  37;  zu  meinen  Deutschen  gedd.  des  12  jhs.  t  52  zahlreiche 
gesammelt  und  too  Behaghel  Germ.  24, 167  ff  vortrefflich  erklärt  worden  sind. 

Wien,  23  Januar  1900.  C.4RL  KRAUS. 


MÜNCHENER  REIMPREDIGT. 

Die  Münchener  papierhs.  C^.  690,  4^,  löj/i.,  vereinigt  einen 
bunten  deutschen,  lateinischen,  deutsch -lateinischen  inhalt  in  sich, 
über  den  der  handschriftenkatalog  oberflächlich  orientiert,  sie  ist 
sif^lich  Siusatnmengesetzt  aus  mehreren  partien,  die  ursprünglich 
nichts  mit  einander  zu  schaffen  hatten,  mich  geht  hier  nur  die 
läge  bL  244 — 256  «n,  die  durchaus  für  sich  steht  und  deutsche 
geistliche  prosa  und  reime  unbekannter  autoren  enthält, 

Sie  beginnt  mit  einem  allegorischen  tractat:  'der  gaifilich  wa«ien*, 
der  unter  starkem  aufgebet  von  citaten  aus  bibel  und  patres  nach 
einander  die  vier  räder,  die  zwei  gestelle,  die  vier  pferde,  den  wagen- 
mann  und  die  deichsei  erbaulich,  zum  gedanken  an  das  ende  mahnend, 
auslegt,     sehr  merkwürdig  ist  zumal  die  form,    der  verf  verfällt, 
soiDie  er  aus  den  weit  vorhersehenden  citaten  und  ihrem  einleitungs- 
oder    Verbindungstext  einmal   zu   mehr   selbständiger    betrachtung 
kommt,  sofort  in  reime,  die  selten  vereinzelt,  meist  in  gruppen  auf- 
treten undj   wenn  er  sie  auch  nicht  all  zu  lange  und  streng  fest- 
hält^   wenn  er  sich  auch  im  zeilenumfang  viele  freiheit  lässt,   er 
kehrt   doch  immer  wider  zu  dieser  lockern  reimweise  zurück,    das 
angehängte,  ursprünglich  wol  nicht  dazu  gehörige  stück  'Von.  dem 
flrcDgen  Jungflen  gerichl  fpricht  ein  weifer  Alfo*  ist  ganz  durch- 
gereimt  und  sorgsamer  gebaut,    schluss  :  Deo  gracias  Aono  mcccc  86 
[hl,  252"^) ;  dahinter  eine  rohe  Zeichnung  der  vier  räder. 

Mit  bl,  253'  setzt,  vielleicht  von  derselben  hand,  ein  kurzes 
gereimtes  stück  ein,  das  ich  genau  mitteile,  aber  so,  dass  ich  die 
al^rzungen  auflöse,  die  reimzeilen  absetze,  den  gebrauch  von  v 
und  u  sowie,  die  reimpuncte  oder  -striche  ignoriere,  die  grofsen 
anfangshuchstaben  reguliere,  auch  sichere  fehler  verbessere  und  die 
nötigste  interpunction  einführe: 

Jebus  xps  Alfo  folt  ir  petteu. 

Gol  bat  das  heilig  pater  nofter  felbs  gemacht 
Id  allain  anzupetten  als  UDferen  valer  mit  andacht. 
Aber  es  fein  laider  der  vil  die  (mit)^  dem  muod  faft  pappern, 
Biitt  pücber  und  pater  nofter  bin  und  her  clappern- 
5  Und  ist  oft  das  bercz  gancz^  nyndert  da  pey; 

*  fe/ill  hs.  2  clapperü  ^  ich  schreibe  immer  cz,  doch  sind 

die  c-siriche  gerader  als  sonst  das  c,  sodass  t  gemeint  sein  mag. 


188  ROETHE 

Merck  ob  das  gepeU  got  genem  fey, 

Die  fein  heiligs  gepet  alfo  mifhandelD, 

Andre  wort  uad  gedaocken  darunter  wandeln, 

Hoffen,  got  werde  sy  darumb  hol  pegaben, 
10  Und  wiffen  selbs  nit,  waß  sy  gepett  haben. 

Auch  find  laider  vil  der  groben  erdknollen, 

Die  das  pater  nofter  nit  wifTen  noch  lernen  wollen  ^ 

Und  wellen  fich  doch  criften  nennen. 

Aber  got  wirt  der  teufelifche^  kinder  nit  kennen. 
15  Wann  ein  yeglicher  crirtenmenfch  ^  auf  das  minfie  fol 

Cr  wilTen  den  pater  nofter,  Ave  Maria  und  den^  glauben  wo], 

Und  die  weil  er  die  nit  lernet  und  erkent. 

So  ist  im^  verpotten  das  heilig  wirdig  sacrament. 

Darumb  ifl  dife  figur  zu  einer  gedachtnüß  gemacht, 
20  Das  man  dar  auß  lerne  und  betracht, 

Wie  uns  got  unfer  vaier  hat  petten  leren  ß. 

Das  nyen^ant  die  wort  folt  myndern*^  oder  meren; 

Wann  die  felbigen  fein  gar  tief  gegrundt^, 

Darumb  fo  fey  euch  dife  auflegunc^  verkuut. 
25        Zum  ersten  :  vater  unfer  der  pift 

In  den  himeln,  gleich  einer  vorrede  '  ist. 

Geheilig  werd  dein  nam, 

Da  heben  Heb  die  fiben  fiuck  an, 

Dorjnnen  dann  got  gepetten  wirt; 
30  Auch  fiben  färb  fein  do  figurirt, 

Dem  laieni<>  zu  gedachtnüß  gemalt, 

Das  er  es  defier  OeifTiger  behalt; 

Auch  pej  yecczlichem  stück  sein  drey, 

Die  mag  man  auß  ynnigkait  bedencken  da  pej; 
35  Wann  pefTer  ift  ain  pater  nofter  mit  andacht, 

Dann  hundert  in  dem  herczen  unbedacht. 

Dar  vmb  wer  wil  petten  mit  andacht  ^^  und  rew. 

Der  merck  gar  eben  mit  vleiß  auf  die  drew^ 

Wenn  er  pitt,  wer  der  fey. 

*  wcllfl                *  leufelifchen?  ^  ztosi  worte, 

*  dem  ^  dahinter  p  geHr.  ^  leraea            ^  Dymderu 

*  gegrudl              '^  aurlegüt  *^  laideo;  aber  der  Schreiber  setzt 
awar  für  mhd,  ei  sowol  ai  ais  ei ;  für  mhd,  \  stets  nur  ei. 

"  oder  andocht? 


MÜNCHENER  REIMPREDIGT 


189 


40  Wer  ^  do  pittct,  merck  auch  da  pej, 
Was  er  pittet,  fol  feio  heixzlich, 
So  erhöret  2  yn  got  genedigklich.  etc. 
Die  rückseite,  bl  253^  ist  leer. 

Mit  254'  beginnt  von  selber  band,  nnter  aufwand  von  roten 
kreisen  und  linien  eine  parallelgliedervng,  die  ich  hier  im  abdmck 
ansck^mitcker  vereinfache. 

Spricht  unfer  herr  :  Alfo  füllt  ir  pettenn  (rot). 


Die  sibeD  pluetvergifTeD  ^  UDfers 
herreo  werdenl  geordeot  wider 
die    fiben  todfuDde^  (rot). 


Siben  pett  fein  ^  in  dem  vater 
uofer  uod  geschechen  wider 
die  fibeo  todfundt^.   etc. 


Das  erfl  gefchicht  wider  die 

unkewfch. 
Die   ander  wider   die  geitig- 

kait. 
Die  drilt  wider  die  tragkait. 


Die    befchDeiduDg    ift   wider    die 

fuud   der  unkeüfchait. 
Die    durchoagiang    der    heod   ift 
wider  die  fand  der  geitigkait^. 
Der    plütig  angflfwais2  ift  geor- 
dent  wider  die  fumi  der  tragkait^. 
Die  durcligaiflung  iA  geordent  wi- 
der die  fund  der  uomeffigkait. 
Die  durchnaglung  der  füfß  wider 

deo  rachfamen  zoreo. 
Des  haupts  krooung  ift  wider  die 

fundt  der  hochfart. 
Die  ofTQaDg  der  feitten  durch  das 
rper  wider  denn  neid.    etc. 

Eine  zweite,  compliciertere ,  graphisch  nicht  besser  gelungene 
gmppierung  von  siebenzahlen  beginnt  dann  bl.  254^.  die  worte 
des  Vaterunsers  stehn  in  roten  kreisen,  ich  helfe  im  folgenden 
wider  der  gmppierung  nach;  die  zusammenfassenden  klammem  { 
hat  die  hs.  nur  dreimal,  einige  beim  binden  abgeschnittene  lettem 
klammere  ieh^  soweit  sie  sich  ohne  weiteres  ergaben^  rund  ein. 


'Die  vierd  wider  die  frashait^ 


7  Die  fünft  wider  deo  zoreo. 


Die  fechft  wider  die  hochfart. 


Die  fibeiTt  wider  den  neid. 


*  were  '  zwei  worte.  ^  fein  Ubergesckr. 

*  gejigkait  ^  vor  tr.  ist  inärrigkait  gestr.  ^  frashat 

'  beide  tätze  stehn  rot  durchstrichen  auch  an  falscher  stelle,  die 
ganze  vierte  nr  steht  aufser  der  reihe,  wird  aber  durch  zeichen  an  den 
richtigen  platz  verwiesen. 


190 


ROETHE 


Vater 
unfer 


allmechtig  in  der  fchoppfang 
fleirTig  in  der  Versorgung^ 
kunstreich '  in  der  underweilTung ' 


Derdupift* 
in  den^ 
himelen 


ein  Tchoner  Tpigel  der  clarbait 
ein  edle  krön  der  ewigkait 
ein  reicher  Tchacz^  der  faligkait 


»Weiß  be- 

deüt  (ra)in 

in  dem 

(g)lauben 


Geheilig 

werd  dein 

nam 


{unfers  herczen  rainigkait 
unrers  munds  warhaftigkait 
unrer  werck  heiligkait 


das   rein  harpfen  in  o 

eruns<ein  honig  im  mi 

fei    lein  ynnikait  im 


Plob  be- 
deut   (rt)et 

in  der 
(h)ofrnung 


Zw  kum 

unr  dein 

reich 


f  alles  gölten  uberfluffikait 
dar  jn  in  <  aller  gemAt  gancz  ainigkait 
l  saliges  wefens  ftate  ewigkait 


frolich  on  betrabni 
gerügsam"  on  hinc 
gewirriich  on  verli< 


Rot  bedeut 

gerecht  in 

der  lieb 


Dein  will 
gefchech 

als  in 
himel  und 

in  erde 


durch 
deiner 


grorren  güdtett  betrachtung^ 
heiligen  maieftat  lobung 
wirdigen  gepot  erföllung 


alles  das  du   liebest  i 

lieben 
alles  das   du   harTefi 

auch  halfen 
alles    dein    gepot    wi 

volpringen 


Gro  bedeut 
(.)anp8 
in  der 

(d)emütig- 
keit 


Unfer  tag- 
lich prott 
gib  uns 
heut 


an  fundlich  Verschuldung 
zu  leiblicher  aufenthaltung 
zu  pröderlieher  mittaylung 


das  facramentlich^  zu 

ewigkleich 
das  geiftlich  zu  behalten 

leich 
das  materlich  zu  noturf 

lieh 


{bL  255') 
Gel  bedeut 
gewert  in 
der  pareni- 
herczigkail 


Und  ver- 
gib uns 
unsere 
fchulde 


die  ge- 
fchechen 
seien  aus 


die  be- 
laidigt 
haben 


als  und 
wir  ver- 
geben 
unferen 
fchul- 
digern 

*  zwei  Worte, 
facz  gestr. 
nugfam? 


unerkantnuß  oderunwifenhait 
kranckhait  oder  plodigkait 
mötwillen  oder  poffhait 


unfer  perfon  leiblich 
unfer  gut  zeitlich 
unfer  ere  unrechtigklich 


übergeschr. 


*^die  wir  haben  getan  w 
wider  unferen  nechfte 

lieh 
wider  unf  felbs  willi| 

^®die  uns  betrübt  habe 
Worten 
die  uns  verfert  habe 

wercken 
die  uns  verdacht  hak 
herczen 
untergeschr.  *  davor 


^  steht  fälschlich  schon  neben  vater  vnfer  ^  wol  ge- 

betrachüg  schreibt  die  hs.  auch  sonst.        ^  facrametlich 


^  zu  lesen  ist  nur  anp  oder  aup  :  vielleicht  sanpe  {f,  sanpte)? 

^^  beide  gruppen  erst  später  über  oder  unter  der  vorhergehnden 
rubrik  nachgetragen;  übrigens  trägt  die  A  rubrik  überall  spuren  späterer 
hinzufi/gung. 


MÜNCHENER  REIMPREDIGT 


191 


be-    Uod  Dit 
BS-    enför  *  uns 
[  ii       iu   rer- 
küt       röchang 


{töckurch  oder  haimlich 
frävell  oder  offenlich 
rtel  oder  ungertumüch 


der  weit 2  faifcheit 

des  teufeis  betrugligkeit 

des  fleirch  lupkeil^ 


ircx  -Sander  er- 
:dag|   löß  uns 
^  ^e'  ^oo  übel. 


tajt 


mangerlay  dürnigkail 
meofchlicher  wütlrickait 
hellifcher  pitlerkait    etc. 


vergangen  runden 
gegenwertigen  runden 
zukunftigen  funden 


Die  eröffnenden  reime  beziehen  sich  v.  19  auf  eine  memorial- 
figur,  die,  um  dem  geddchtnis  der  laien  nachzuhelfen^  zu  den  sieben 
stücken    des   Paternosters  die  sieben  färben  setzte   und  wol  auch 
nach  zu  Jeder  bitte  drei  zeilen  hinzufügte,    von  dieser  figur  können 
uns    die    farblosen  bll.  254^.  255'  nur  einen  sehr  blassen   begriff 
geben;   zudem  zeigt  die  vierte  rubrik,   die  zweite  triadenreihe ,  in 
der  hs.  deutliche  spuren  nachträglicher  eintragung,  wenn  auch  wol 
von  der  gleichen  hand.    die  reime  bilden  also  die  einleitung  zu  der 
tafelj  die  auch  ihrerseits  in  allen  10  triaden,  wo  das  allein  möglich 
war,  durchgeführte  reime  aufweist,  freilich  auf  die  billigen  endungen 
Mngy  -ail,  -lieh,    die  8  zusatztriaden  der  4  spalte  haben  die  reime 
nur  3 Uta/  sauber,  Imal  grob  rührend  (funden);  in  der  2  bitte  tritt 
eine,  vielleicht  versehentliche  Störung  des  reimes  ein;  3  triaden  be- 
schränken  sich  auf  rhythmisch' syntaktischen ,    aber   doch   ähnlich 
klingenden  parallelismus  :  die  echten  triaden   würken  also  in  dem 
Zusatz  nach,    dagegen  entbehren  die  zwischen  einleitung  und  tafel 
bl.  254'    stehnden    blutvergiefsen    und  todsünden  sowol  des  reim- 
Schmucks,  wie  sie  in  dem  proömium  unerwähnt  bleiben  :  sie  sind 
also  ein  jüngerer  bestandteil,  eingeschoben^  aus  dem  grofsen  bereit- 
liegenden schätze  symbolischer  heptaden^  wie  sie  eine  Patertioster- 
erklärung  stets  nahe  legte  :  die  todsünden  gehören  geradezu  zum 
eisernen  bestände  dieser  frommen  siebenzahlen ;  die  sieben  blutungen 
Christi  sind  nicht  so  alt  und  fest  {Borchling  GGN,  1898,   gesch, 
min,  270   erwähnt  einen  tractat  über  eichl  bluel  slurIzuDge  vns 
leuen  Herrn);  aber  auch  sie  waren  durch  die  Vorliebe  der  beiden 
letzten  Jahrhunderte  des  ma,s  für  Maria  und  Christi  sieben  leiden 
und  ihre  lyrisch-sentimentale  ausnutzung  in  aufnähme  gekommen: 
auch  eine  predigt  der  Grieshaberschen  Sammlung  s,  120  hat  dieselben 

*  ein  für  ^  oder  woll?  ^  doch  wol  ■=  lüppekeit. 

*  dass  es  sich  nicht  um  eine  originalmifzeichnung  des  ganzen  han- 
delt ^  beweisen  schon  die  foftnen  wellen  und  lernen,  die  wider  den  reim 
im  texte  der  einleitungsreime  stehn. 


192  ROETHE 

7  blulungen,  tiur  dass  da  die  richtige  chronologische  reihe  :  beschnei- 
düng,  angstschweifs,  geifelung,  krönung,  hände,  füfse,  seile  inne- 
gehalten ist :  in  der  Münchner  ks.  hat  der  parallelismus  der  7  bitten 
und  der  7  todsünden  die  um-  nnd  Unordnung  bew&rkt. 

Die  reimeinleitung  253'  also  und  die  tafel  254^  255'  [mit 
ausnähme  der  vierten  ruhrik)  bilden,  trotzdem  sie  in  der  hs.  ge- 
trennt sind,  eine  eng  zusammengehörige  einheit.  nach  den  quellen 
der  erbauungszwecken  dienenden  triaden  hab  ich  nicht  gesucht; 
solche  dreiheiten  sind  zumal  in  der  predigtlitteratw  in  unüberseh- 
baren massen  vertreten;  beim  Paternoster  treten  sie  zb,  auf  in 
Wackernagels  Altd.  pred,  s.  179/f*.  interessanter  war  mir  die  ein- 
beziehung der  färben  in  die  Patemostererklärung.  denn  es  ist  un- 
verkennbar, dass  diese  concession  an  die  laien  hinausgeht  über  einen 
blofsen  sinnlichen  anhält,  meines  Wissens  sind  die  7  färben  kein 
bestandteil  der  heiligen  heptaden;  selbst  Isidor,  der  in  seinem  viel 
benutzten  eapitel  über  die  siebenzahl  schlief slich  auch  weltliche 
septenen  reichlich  heranzieht,  hat  an  die  färben  nicht  gedacht,  der 
kirche  fehlte  zumal  für  messgewänder  und  manch stracht ^  eine  ge- 
wisse farbensymbolik  nicht  ganz  {vgl,  Wackemagel  KL  schrr.  i  181 
uö,;  noch  anders  Musk,  ^,12  ff;  Nd.  jb.  16»  74);  aber  einiger- 
mafsen  lebendig  ist  immer  nur  die  bedeutung  von  weifs  und  rot, 
jenes  für  reinheit^  Unschuld,  dies  für  die  göttliche  liebe ,  die  sich 
im  heiligen  blut  betätigte  :  ich  verweise  zb.  auf  Schönbach  Altd. 
pred.  III  262,  21,  Leyser  Pred,  37, 19,  Veghe  s.  265,  Iff,  und  diese 
fromme  Symbolik  würkt  auch  im  Münchner  Paternoster  nach,  sonU 
aber  hat  sein  verf.  sich  an  die  minniglichen  farbendeutungen  ge- 
halten, an  denen  sein  jh.  so  reich  war  :  natürlich  wählte  er  nicht 
die  typischere  sechszahl,  sondern  die  für  seine  zwecke  allein  brauch- 
bare und  ebenfalls  oft  bezeugte  sieben,  der  Zusammenhang  ist 
schlagend,  zwar  weifs  ist  bei  ihm  raiD,  während  es  sonst  deo 
guoten  wäD,  die  liebeshoffnung  meint :  das  ist  eben  geistlicher  ein- 
fluss,  dass  plob,  für  religiöse  betrachtung  eine  düstre  färbe,  hier 
die  stätigkeit  vertritt,  entspricht  der.minniglichethregel{Germ,S,bOO); 
auch  die  hoffnung  ist  in  christlicher  Symbolik  grün,  nicht  blau, 
beim  r6r,  der  färbe  der  liebe,  treffen  kirche  und  weit  zusammen, 
das  adj,  des  grö  ist  in  der  hs,  nicht  deutlich;  zur  färbe  der  demut 
konnte  mönchische  vertoendung  das  grau  empfehlen;  in  der  minne- 
spräche  hat  es  keine  ausgebildete  rolle,  nach  Hätzl,  166*,  1  würde 
es  myone  gut,  daby  adel  uod  hochen  nult  bedeuten,  in  dem  Am- 


MÜNCHENER  REIMPREDIGT  193 

braser  liederbtuih  nr  57  sir.  5  heifst  es  :  grawe  färb  bringl  mir 
(>eia  (vgl,  Kd.  jh.  15, 18);  im  'Lofsbuch  aufs  der  karten*  (hsg.  v. 
HöfftimsUr)  $.  4  trägt  der  elleode  grabe  kleider  (vgl  auch  Fratücf. 
mrtk,  3,  255);  häufiger  ab  gr6  erscheint  praun  in  der  miuniglicheH 
si^mboUk,  ganz  unzweideutig  der  minneterminologie  gehören  au 
^  wms  'geweri',  die  färbe  der  erhörung,  und  grueo  =3^  ^aDfaocJi', 
die  färbe  beginnenden  minneglücks  {vgl.  Germ,  8,  498.  499;  die 
beiepiele  sind  ganz  dürftig),  aber  auch  schwarlz  fUgt  sich  ein  :  das 
fwarU  blDmlio  das  brioget  mir  die  klag  (Fratücf  arch.  3,  256); 
auch  zoreu,  irauer  bedeutet  es,  ganz  der  letzten  bitte,  die  vom 
übel  spricht,  angemessen. 

Der  wesentlich  minnigliche  Charakter  dieser  farbendeutung 
würde  wahrscheinlich  noch  schärfer  hervortreten,  wäre  mit  den 
färben  nicht  die  weitere  beziehung  auf  die  sieben  christlichen  tU' 
genden  verbunden,  atich  dies  eine  variierende,  aber  normale  rubrik 
der  siebenzahldeutung.  die  einen  verwerten  so  die  gaben  des  heil, 
geiuee,  die  andern  eine  heptas  :  bumiiiias,  maosuetudo,  palieotia, 
in^taolia  boui,  misericordia,  parcimooia  (oder  pax),  mundilia,  mit 
manchen  Varianten  (so  in  den  sieben  septenen  des  Johannes  Saris^ 
beriensis,  in  den  fiinfen  Hugos  vS Victor;  twch  zb.  in  da  Butis 
Dantecommentar  ii  709);  eine  dritte  art  endlich  stellt  die  drei 
'virtuies  theolugicae'  tides,  S|»es,  cariUs  voran  und  lässt  die  mehr 
weltlichen  'virluLes  cardioales'  prudentia,  iustitia,  lemperautia,  (orli- 
tudo  folgen  (vgl.  zb,  Gregor  Migne  76,  758;  vor  allem  Bernard 
vClairvauQc  184,574;  Hugo  vSVictor  176,1010).  diese  dritte 
gruppierung  behielt  durchaus  den  sieg,  und  sie  empfahl  sich  bei  der 
deutung  des  Paternosters  um  so  mehr,  weil  man  auch  in  ihm  drei 
geistliche  und  vier  leibliche  bitten  unterschied  (vgl.  Patern.  MSD.  43, 
Str.  20;  MSD.^  ii  264;  Bernh,  vCiairv.  184,811);  sie  hat  sich 
denn  auch  Hans  Sachs  vom  predigflul  her  für  den  spruch  an- 
geeignet,  in  dem  er  das  Vaterunser  mit  den  haupttugenden  in  ver- 
biudung  setzt  (Keller-Götze  Kv3ll/f). 

Auch  unser  Münchner  poet  geht  diesen  weg;  auch  bei  ihm  er- 
öffnen glauben,  hoffnung,  liebe  den  reigen,  in  weifs,  blau,  rot,  mit 
einer  abweichung  also  erinnernd  an  Dantes  drei  frauen,  rot,  grün 
(di  smeraldo),  weifs,  die  Purgat,  xxix  121  ff  gleichfalls  deth  tanz 
der  sieben  eröffnen,  dann  aber  folgen  bei  unserm  mann  in  den 
abstraeten  demütigkeit,  paremherczigkait,  weisbait,  gedultigkait: 
also  von  den  4  cardinaltugenden  der  3  gruppe  höchstens  die  weis- 


194  ROETHE 

hait,  wenn  man  prudcntia  so  übersetzen  will  {mit  VeghedlZ^  10); 
als  sapienlia  würde  sie  in  die  1  gruppe  gehören,  demut,  harm- 
herzigkeit  und  geduld  gehören  in  die  2  reihe;  die  humilitas  wird 
von  Hugo  vS  Victor  aao,  übrigens  als  würzet  aller  7  tugenden 
auch  seiner  siebenzahl  der  3  ort  angegliedert,  in  den  adjectiven 
der  4  ersten  bitten  begegnen  noch  andre  tugenden  der  zweiten  reihe : 
muDÜitia  {auch  bei  Hugo  der  ßdes  gepaart),  inflantia  boni,  viel- 
leicht maosuetudo;  iuslitia  (3  bitte)  steuert  eine  weitere  cardinal- 
tugend  der  3  gruppe  bei.  also  ein  compromiss  zwischen  der  2  und 
3  tugendreihe,  eine  mischung  und  wirrung,  an  der  widerum  die  ein- 
mischung  der  weltlichen  farbendeulung  die  hauptschuld  tragen  wird. 

Für  uns  ligt  darin  gerade  ein  reiz,  viel  bedeutet  er  freilich 
nicht,  wir  werden  das  stück  doch  als  einen  ausläufer  der  alten 
Patemosterdichtung  ansehen  :  das  um  so  mehr,  als  im  1 5  jh. .  der 
dekalog  die  bitten  für  die  katechetische  und  homiletische  litteratur 
weit  zurückgedrängt  hatte,  der  Münchner  handschriftenkatalog  und 
nach  ihm  Goedeke  {Grundr.  i*  206)  bezeichnen  das  stück  als  'Pater- 
noster, mystisch  ausgelegt*,  meinetwegen;  nur  darf  mati  nicht  an 
die  neue  mystik  des  14  und  15  jhs.  denken,  zu  der  Goedeke 
es  stellt;  das  Münchner  Paternoster  huldigt  in  der  methode  ganz 
der  alten  nur  leicht  verweltlichten  ioterpretatio  myslica,  wie  sie  im 
11  und  12  jh.  unter  französischem  einfluss  aufblühte. 

Lohnt  es,  solch  altmodisches  stück  abzudrucken  ?  mein  haupt- 
grund  kommt,  es  hat  eine  Unterschrift,  unter  dem  letzten  kreise 
des  Paternoster  steht  noch  ein  kreis  mit  der  eintragung  :  Das 
chriflenlich  voick  :  die  christliche  gemeinde  ist  also  als  beterin  ge- 
dacht, daneben  aber  die  bemerkung :  Der  palernofter  ift  gepredigt 
worden  zw  münchen  io  dem  parfueffer  clofter  etc.  Anno  dni  1481. 
es  ist  eine  predigt,  und  eine  reimpredigt,  spät  freilich,  aber  meines 
Wissens  doch  die  einzige  deutsche,  die  gegenüber  den  französischen 
und  englischen  Zeugnissen  beobachtet  ist :  die  zahlreichen  belege,  die 
Wackemagel  Altd.  pred.  324/*  /i'ir  predigtreime  anführt,  stellen  sich, 
soweit  es  sich  nicht  um  gedichte  handelt,  die  gar  keine  predigten 
sind,  in  ihrer  Winzigkeit  und  Vereinzelung  als  ein  fast  zufälliger, 
kaum  gewollter  schmuck  heraus,  noch  kaum  von  dem  gewicht  der 
von  Linsenmayer  Gesch.  der  predigt  in  Deutschland  s.  156/"  er- 
wähnten schlnssreime  oder  der  reimspielerei  bei  Schönbach  Pred.  1 58, 8. 

Der  prediger  legte,  das  ergibt  die  einleitung  unbefangener  be- 
trachtung,  seiner  predigt  die  oben  erwähnte  memorialfigur  zu  gründe: 


MCNCHENER  REIMPREDIGT  195 

etwa  eine  tafel  mit  den  sieben  grell  aufgetragenen  färben,  die  allen 
körem  sichtbar  hing,  ich  verkenne  nicht  das  auffällige  dieser  Voraus- 
setzung, eine  derartige  figur  eignete  sich  mehr  für  leset  als  für 
hörer,  und  würklich  hat  Hugo  vS Victor  {Migne  176,  1010)  einem 
tradat  von  den  tugenden  und  lästern  eine  arbor  virtutum  und 
eine  arbor  vitiorum  zur  veranschaulichung  beigegeben  :  der  tugend- 
ftottifi  wurzelt  in  der  humilitas  und  trägt  7  fruchte  in  kreisform, 
nämlich  die  4'  weltlichen  und  die  3  theologischen  tugenden,  deren  jede, 
wider  m  kreisform,  von  7  kleineren  (die  Caritas  hat  eine  reichere 
familie)  iugendfrüchten  umgeben  ist.  man  könnte  denken,  dass 
diese  oder  eine  ähnliche  Zeichnung  unsern  prediger  angeregt  hat. 
denn  die  subscription  um  der  figur  willen  anzuzweifeln ,  scheint 
mir  unzulässig,  es  handelt  sich  um  nichts  undenkbares,  für  die 
laien  braucht  man  etwas  sinnliches  :  Berthold  vRegensburg  i  48  ver- 
weist die  laien  ausdrücklich  auf  die  betrachtung  der  erde  hei  tage, 
des  Himmels  bei  nacht;  das  sind  ihm  für  laien  die  rechten  heiligen 
bücher.  und  wie  das  streben  der  versinnlichung  die  spätere  mittel- 
alterliche predigt  überall  durchdringt,  warum  soll  sie  in  ihrer  bilder- 
lust  nicht  auch  die  letzte,  vergröbernde  consequenz  gezogen  haben? 
da  haben  wir  aus  der  Überlieferung  zu  lernen. 

Die  einleitung  wird  also  der  prediger  gesprochen  haben,  wie 
sie   überliefert   ist  :  reimprosa   möcht   ich  sie  nennen   im  hinblick 
auf  monstra  wie  v.  15.  16;    gfrade  für  reimprosa  gab  die   latei- 
nische predigt  muster  zur  genüge,    v.  24  redet  die  gemeinde  im 
plural  euch  an\  der  sing,  merck  v.  6  ist  höchstwahrscheinlich  auch 
ein  plural,  der  sein  t  verloren  hat,  wie  geheilig  (2  mal),   faup, 
belrachuDg  (vgl.  Weinhold  Bair.  gramm.  §  143);  übrigens  ist  auch 
die  singularische  anrede  der  mittelalterlichen  predigt  nicht  fremd: 
gleich  die  erste  predigt  bei  Schönbach  ermahnt   auch  singularisch: 
merke  (i  5,  35).   höchst  predigtartig  beginnt  dann  v.  25  die  dispo- 
sition  :  zum  erfteu ,   zugleich  eine  art  disposition  der  tafel.     die 
letzten    4   Zeilen,    ihrem   bau   nach  auffällig  kurz^,   sind   recht 
ungeschickt,    mögen   aber   immerhin    den   trivialen   abschluss    der 
einführenden   ermahnung  gebildet  haben  :  die  interpunction  nach 
V.  39  hat  eine  stütze  in  der  hs.  selbst. 

*  die  verse  l — 38  schwanken  zwischen  9—18  Silben  {durchschnitt 
über  1 1  Silben) :  ausgenommen  v.  27,  der  Wortlaut  einer  Patemosterbitte^ 
und  V.  33  (8  silben);  —  die  4  letzten  Zeilen  umfassen  6.  8.  8.  10 
tilben. 


196  ROETHE  HDNCHENER  REIMPREDIGT 

Wie  gietigs  dann  weiter?  folgten  die  triaden,  $o  schlechtweg 
an  jede  Pateniosterbilte  gefügt  ?  die  reimung  der  triaden  beweist 
wol^  dass  sie  auf  zusammenhängenden  vertrag  der  je  drei  glieder 
berechnet  waren,  aber  wol  nur  als  disposition ;  num  gab  ja  gerne 
eins  kurze  inhaJtsangabe  vor  der  eingehnderen  erörterung,  die  scharfen 
und  stark  markierten  dispositionen  sind  gradezu  ein  kennzeichen 
des  predigtstHs.  und  allermindestens  die  farbendeutung  der  ersten 
rubrik  brauchte  unbedingt  eine  sehr  viel  breitere  ausführung,  wie 
denn  auch  ein  befriedigender  homiletischer  schluss  fehlt,  ist  uns 
die  ausfahrung  verloren?  oder  sollte  sie  improvisiert  werden?  jedes- 
falls  war  sie  in  dieselbe  lockere  prosareimform  gekleidet,  wie  die 
erhaltene  einleilung  und  der  Geistliche  wagen  sie  zeigen ;  sehr  mög- 
lich auch,  dass  der  prediger  sich  mitten  unter  den  reimen  prosa 
gestattete,  wie  d»r  Verfasser  des  Geistlichen  wagens  das  reichlichst 
tat.  so  ist  leider  das  bild  der  reimpredigt  auch  in  diesem  falle 
getrübt  und  unvollständig,  dass  der  reim  aber  eine  erhebliche 
rolle  in  jener  predigt  des  Münchner  Barfüfserklosters  gespielt  hat, 
wird  man  mir  hoffentlich  zugeben,  trotz  der  zweifei,  die  die  Über- 
lieferung lässt  ^.  und  da  ist  es  doch  vielleicht  kein  zufall,  dass  es 
sich  hier  um  eine  katedutische  predigt  handelt,  die  stofflich  schon 
im  12  jh.  ihre  deutschen  poetischen  seitenstücke  hat.  der  schluss 
auf  einen  engeres^  Zusammenhang  zwisdien  dichtung  und  predigt 
auch  für  jene  frühere  periode  ligt  um  so  näher^  als  er  nur  längst 
erschlossenes  heUätigen  würde.  ROETHE. 

*  erwogen  hab  ich  auch  die  möglichkeit,  dass  die  tafel  der  ht.  ledig- 
lich die  disposition  des  predigers  festgehalten  habe  und  dass  erst  nach- 
träglich, für  die  schriftliche  publication,  die  reimeinleitung  hinzugefügt 
wurde,  aber  wie  gekünstelt!  wie  sollte  man  auf  die  idee  kommen,  die 
figur  einer  blofsen  disposition  fnü  einer  an  laien  gerichteteti  reimeinlei- 
tung zu  versehen? 

ZU  Zs.  44,  116. 

Burdacli  liat  mir,  veranlasst  durch  meine  interpretatiou  von 
Wallh.  9,14,  di«  aushäugebogea  seines  im  drucke  befindticlien 
bucbes  über  Wallher  vd Vogelweide  übersendel,  und  ich  habe 
daraus  zu  meiner  Überraschung  erseheu,  dass  sicli  ihm  dieselbe 
erkläruug  der  'armen  künige*  unabhängig  von  mir  ergeben  halle, 
ich  treue  mich  des  zusammeulrefTeus  um  so  lebhafler,  als  die 
reichen,  weilgreifendeu  darlegungen,  die  Burdach  an  die  slelle 
knüpft,  die  Sicherheit  und  tragweile  jener  deutung  erlreulieh 
steigern.  R. 


HADLAUB  UND  MANESSE. 

In  der  grofsen  Heidelberger  hs.  fiodet  sich  zu  Wisseolo  ein 
seltsames  bild  :  ein  liebespaar  auf  einer  bank  sitzend,  zwischen 
ihoeD  ein  kind,  das  beide  anfassen,  während  es  die  dame  streichelt. 
einen  Zusammenhang  mit  den  unter  Wissenlos  namen  überlieferten 
gedichten  aufzufinden  gelang  mir  so  wenig,  wie  es  vdHagen  (MSH 
IT  457)  gelungen  war.  da  kam  mir  der  gedanke  :  das  ist  ja  ein 
auftritt  aus  Hadlaubs  liedernl  hier  haben  wir  ja  den  inhalt  seines 
anmutigen  4  liedes  (Bartsch  Schweiz,  mionesinger  s.  291): 

Ach  ich  sach  st  triuten  wol  ein  kindeÜD, 

da  von  wart  mtn  muot  liebs  ermant. 

si  umbvieng  ez  unde  truchte  ez  iiÄhe  an  sich: 

dk  von  dächt  ich  liepltch  zehant, 

st  nam  sin  aotlül  in  ir  liende  wtz 

unde  truchte  ez  an  ir  munt,  ir  wengel  clär: 

ow^  so  gar  wol  kuste  s!z!  ... 

Ich  oam  war  doz  kindelin  Srst  kam  von  ir, 
ich  uamz  zuo  mir  liepltch  ouch  d6. 

luDi  ganzen  minnesang  ist  mir  keine  andre  stelle  bekannt, 
zu  der  dies  bild  irgend  passen  könnte  —  und  hier  passte  es  so 
genau ! 

Die  vermeintliche  enldeckung  berauschte  mich  förmlich,    ich 
suchte    nach  Hadlaubillustrationen   in   der  Heidelberger  hs.   und 
fand    sie    natürlich   auch;    ich   sah   den  Zusammenhang  Hadlaubs 
mit  dieser  hs.  und  damit  den  manessischen  Ursprung  der  Samm- 
lung  unantastbar  bezeugt,    bedenken,  die  Edward  Schröder  gegen 
einige  deutungen  äufserte,  vermochten  meine  grundidee  nicht  zu 
erschottern,    der  aufsatz  sollte  bereits  in  die  druckerei  wandern  — 
als  mir  plötzlich  in  der  nacht,   während   ich  wider   einmal  über 
diese    zusammenhänge  grübelte,    eine   ganz  andre  auslegung  des 
bildes  zu  Wissenlo  aufgieng.     nicht  auf  Hadlaub  bezog  es  sich, 
sondern  —  auf  Aeneas.    ^Ascanius  der  jongelinc'  (vgl.  Eneide  ed. 
Beb.  805  ff)  wandert  aus  des  Trojaners  band  in  die  der  königin 
und  stiftet  dort  liebesbrand.    so  war  denn  auch  wider  ein.  zweifei 
des  herausgebers  dieser  Zs.  gerechtfertigt :  sein  einwurf,  dass  das 
kindeitu  doch  'so  bestimmt  als  knebeltn^  ja  eigentlich  als  knabe' 
aufgefasst  sei.   ich  erbat  mir  telegraphisch  mein  manuscript  zurück, 
und  mit  ^Hadlaub  und  Manesse'   schien   es   vorläufig   gute  wege 
zu  haben. 

Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXII.  14 


198  MEYER 

Ich  habe  mir  den  gegenständ  seitdem  ein  halbes  lustrum 
lang  immer  wider  vorgenommen  und  glaube  nun  allerdings  zu 
ziemlich  zuverlässigen  ergebnissen  gelangt  zu  sein,  sie  decken 
sich  freilich  nicht  mehr  mit  der  ersten  ^entdeckung';  aber  das 
Schlussresultat  kommt  ihr  doch  wider  näher,  als  ich  in  langer 
skeptischer  pause  erwartet  hätte. 

Mein  jetziges  ergebnis,  um  die  hauptsache  sogleich  auszu- 
sprechen, ist  dies:  die  illustratoren  der  groTsen  Heidel- 
berger handschrift  griffen  in  allen  fällen,  in  denen 
ihnen  verbürgte  ^porträts'  der  minnesinger  nicht 
überliefert  waren,  zu  illustrierten  andern  büchern, 
vorzugsweise  natürlich  epischen  Inhalts,  vielleicht 
auch  noch  zu  vorlagen  andrer  art,  und  wählten  aus 
diesen  bilder,  die  zu  dem  text  der  gedichte  eiuiger- 
mafsen  in  beziehung  zu  bringen  waren,  natürlich  halfen 
sie  auch  durch  allerlei  kleine  mittel  der  anpassung  nach.  —  da 
nun  aber  diese  manier  das  Vorhandensein  einer  brauchbaren 
'bibliolhek'  mhd.  bilderhandschriften  voraussetzt,  und  da  wir  nicht 
ohne  weiteres  für  irgend  welchen  unbekannten  platz  voraussetzen 
dürfen,  was  uns  für  Zürich  und  Büedeger  Manesse  ausdrücklich 
bezeugt  ist,  so  erhält  der  Zusammenhang  unsrer  sammelhandschrifl 
mit  dem  Schweizer  patricier  allerdings  von  hier  aus  eine  neue 
Wahrscheinlichkeit;  und  diese  wird  noch  durch  einige  einzeU 
momeute  erhobt. 

Das  ist  indes  immerhin  erst  Folgerung  und  hypothese.  als 
tatsache  glaub  ich  den  ersten  teil  dieser  ausführungen  hinstellen 
zu  können  :  die  benutzung  älterer,  besonders  epischer  bilder- 
handschriften für  die  minnesingerporträts  in  der  Heidelberger 
Sammlung. 

Sieht  man  sich  die  folge  der  bilder,  wie  sie  nun  in  Kraus 
verOfTentlichung  zuverlässig  und  zugänglich  vor  unsern  äugen  ligt, 
unbefangen  durch,  so  werden  eine  anzahl  verschiedener  typen 
sich  ohne  weiteres  dem  äuge  aufdrängen,  mit  den  von  Rahn  in 
seiner  grundlegenden  Untersuchung  (Studien  über  die  Pariser 
liederhandschrift,  in  den  Kunst-  und  wanderstudien  aus  der  Schweiz 
s.  79ff)  unterschiedenen  classen  gehn  sie  nicht  zusammen;  und 
das  aus  gutem  grund  :  bei  Rahn  handelt  es  sich  um  dififerenzen 
der  ausführuogy  in  unsern  typen  um  solche  der  anläge. 

1.  Den  hauptstock  der  illustrationen  bilden  diejenigen  dichter- 


HADLAÜB  UND  M ANESSE  199 

bilder,  die  unzweifelhaft  von  vornberein  dazu  bestimmt  sini),  eine 
sammluDg  von  gedicbten  des  betreffenden  Sängers  einzuleiten. 
dazu  gehört  vor  allem  die  stattliche  zahl  von  bildern ,  die  der 
Heidelberger  mit  der  Weingartner  bs.  gemein  sind,  über  die  ty- 
pischen Züge  dieser  dichterporlrüts  handelt  jetzt  Fritz  Trau- 
gott Schulz  in  seiner  diss.  Typisches  der  grofsen  Heidelberger 
üederhs.  (Goitingen  1899),  obwol  in  ziemlich  schematischer  weise 
and  niemals  durch  beachtenswerte  abweichungen  von  diesem  mit 
fast  byzantinischer  strenge  festgehalteneu  lypus  stutzig  gemacht, 
es  sind  bilder,  deren  tradition  noch  heut  in  den  titeibildern  ly- 
rischer gedichtbücber  fortdauert,  ein  porträt,  dessen  haltung  Uns 
sofort  in  die  grundstimmung  der  lieder  versetzen  soll,  wird  ge- 
wisserroafsen  als  führender  accord  vorausgeschickt;  die  Situation 
wird  entweder  im  allgemeinen  aus  dem  Charakter  der  dichtungen 
entnommen  —  indem  der  Verfasser  etwa  als  ritterlich- höfische 
erscheinung,  oder  im  liebeswerben,  oder  tanzend  udgl.  dargestellt 
wird  — ,  oder  sie  beruht  speciell  auf  einem  einzelnen  charakte- 
ristischen gedieht  wie  VValthers  Ich  saz  üf  einem  steine. 

Woher  nun  diese  bilder  tatsächlich  stammen,  wird  schwer 
auszumachen  sein.  wUrkliche  porträtäholichkeit  ist  natürlich 
höchstens  für  die  fürsten  anzunehmen,  bei  denen  münzbilder  be- 
nutzt sein  können;  aber  diese  selbst  sind  selten  ikonisch,  und 
den  malern  lag  auch  nichts  an  Individualisierung,  und  doch  bat 
gerade  in  der  ikonographie  der  dichter  bis  in  die  jüngste  zeit 
hinein  eine  fast  fanatische  neigung  zur  Stilisierung  geherscht  —  ich 
habe  mir  darüber  mancherlei  angemerkt — und  der  typische  ausdruck 
der  ^dichterphysiognomie'  erschien  fast  bis  in  die  mitte  unsers  jhs. 
als  wichtiger  denn  die  charakteristischen  einzelzüge  [vgl.  darüber  jetzt 
Roethe  Anz.  xxvi  12f].  es  würkt  ja  fast  komisch,  zu  beobachten,  wie 
Julius  Mosen  und  lord  Byron,  Zedlilz  und  Freiligrath,  Gutzkow  und 
Prutz  bei  aller  unendlichen  Verschiedenheit  der  persönlichkeilen 
in  den  landläufigen  bildern  sich  auf  den  ersten  blick  ähnlich 
sehen  I  wie  viel  stärker  muste  im  ma.  das  idealisierende  moment 
selbst  da  würken,  wo  etwa  einmal  die  müglichkeit  der  porträt- 
ähnlichkeit  gegeben  warl  noch  das  berühmte  ^älteste  porträt 
eines  deutschen  dichters',  Frauenlobs  köpf  im  kreuzgang  des 
Mainzer  doms  (in  Könneckes  Bilderallas  s.  48)  hat  durchaus  nichts 
von  der  überzeugenden  porträthaftigkeit  etwa  der  frühsten  Dante- 
bilder,   das  eigentliche  porträt  existierte  ja  überhaupt  noch  kaum  I 


200  MEYER 

DeDDOch  wird  man  diesen  eigCDtlicbeo  Miederbuchbildern' 
eine  gewisse  aulbenticitdl  nicbt  abstreiten  dürfen,  die  überwiegend 
genaue  ricbtigkeit  der  heraldiscben  beigaben  deutet  auf  gute 
quellen,  während  auch  die  beste,  bezeichnendste  auffassung  des 
dichters  selbst  —  zb.  die  hübsche  darstellung  Veldekes  mit  den 
singenden  vögeln  in  den  blumen  (MFr.  56,  If.  62,  25  f.  64,  17  f. 
65,  28  usw.)  —  einfach  aus  dem  text  gefolgert  sein  kann,  aber 
Wappen  und  helmzeichen  müssen  natürlich  auf  tradition  beruhen, 
an  ofQcielle  ausgaben  braucht  man  deshalb  noch  nicht  zu  glauben  — 
obwol  sie  vorgekommen  sein  können  und  etwa  eine  Warnung  vor 
entstellung  wie  Walther  18,  1  f ?  33,19  in  diese  richtung  deuten 
könnte,  aber  es  genügte  ja,  dass  die  spielleute  oder  die  samroler 
sich  die  Schildeszeichen  merkten  und  notierten,  um  darüber  auf 
befragen  auskunft  geben  zu  können;  ist  doch  die  ganze  Neidhart- 
legende auf  die  sammlertätigkeit,  auf  die  notizen Verarbeitung  von 
fahrenden,  die  über  den  dichter  genau  bescheid  wissen  wollten, 
zurückzuführen  (vgl.  Zs.  31,  64  0. 

Ich  denke  mir  also  :  die  wappen  und  heimzeichen  sind  das 
ältere,  und  erst  bei  der  anläge  gröfserer  systematischer  Samm- 
lungen traten  die  ^porträts'  hinzu,  das  wäre  dann  ein  ganz  ähn- 
liches arbeiten  mit  tradition  und  auslegender  phantasie  zugleich, 
wie  später  bei  der  anpassung  epischer  illustrationen. 

Wie  es  sich  damit  nun  auch  verhalte  —  sicher  bleibt,  wie 
gesagt,  was  auch  niemand  angezweifelt  hat,  dass  eine  grofse  reihe 
von  dichterbildern  von  vornherein  für  die  liedersammlung  gemalt 
sind,  es  sind  in  der  regel  einzelfiguren ,  seltner  gruppen  von 
zwei  gestalten,  nur  ausnahmsweise  noch  mehr.'  das  üguren- 
reiche  gemälde  Wenzels  von  Böhmen  kann  etwa  als  ein  alles 
titelbild  erklärt  werden  (über  diese  mehr  unter  2);  ist  es 
doch  auch  in  Kraus  reproduction  dazu  benutzt  worden.  —  die 
Üguren  sind  in  einfachen  typischen  Stellungen  gezeichnet,  nach- 
denklich, im  gespräch,  aufreitend  —  wie  sie  etwa  auf  siegeln 
oder  grabdenkmälern  auch  erscheinen,  fast  durchweg  besitzen  die 
bilder  dieser  classe  als  besondres  kennzeicben  ein  für  die  aufnähme 
des  namens  bestimmtes  schriftblatt  [vgl.  darüber  jetzt  Roethe 
aao.  s.  14  f].  dies  ist  etwa  bei  Kilchberg  ein  berabgereicbter  brief, 
bei  Meinloh  eine  dargebotene  gedichtrolle,  bei  Heinrich  vRugge  ist 
die  fahne  hierfür  ausgespart;  Wallher,  Veldeke,  Penis  und  andre 
halten  einfach  das  blatt  wie  eine  steife  puppe  in   der  band,    es 


HADLAÜB  UND  MANESSE  201 

kann  schwerlich  bezweifelt  werden,  dass  diese  bläUer  von  vorn 
herein  fQr  den  nameu  bestimmt  waren;  ich  erinnere  nur  an  die 
manigfaltigen .  arten,  wie  die  modernen  witzblätter  (am  geist- 
reJchsleo  die  amerikanischen)  in  immer  neuer  weise  ein  Ordens- 
band, ein  muster  an  der  kleiderschleppe ,  eine  Fahne  benutzen, 
um  den  namen  der  skizzierten  persönlichkeit  anzubringen,  wenn 
io  C  durchweg  die  namen  oberhalb  des  rabmens  stehn,  so  be- 
weist das  eben  nur^  dass  altere  bilder  benutzt  wurden;  wozu 
hatte  man  sonst  diese  breiten,  so  oft  (zb.  bei  k.  Heinrich)  nur 
störenden  blätter  anbringen  sollen? 

Schriftbldtter  haben  in  der  Heidelberger  hs.  kHeinrich, 
Neuenbürg,  Kilchberg,  Botenlauben^  Hohenberg,  Veldeke,  Neifen, 
—  vdMure,  Morungen,  Wintersteten,  Reinmar,  Hohenfels?  Bieten- 
burg, Sevelingen,  Rugge,  Wallher,  Seven? —  Bligger,  Munegiur, 
Raute,  —  Reimar  vZweter;  bei  Kürenberg,  vermutet  vdHagen  mit. 
guteo)  grund,  ein  blatt  sei  beabsichtigt  gewesen.  Hausen,  der 
in  B  eine  rolle  ins  wasser  hält,  hat  in  C  kein  schriftblatt.  übri- 
gens haben  wir  einige  von  diesen  bildern  —  wie  das  Reinmars 
vZweter  trotz  den  schrirtblättern  in  andere  classen  einzu- 
reiben. 

Diese  classe  deckt  sich  weder  mit  einer  der  classen  Rahns 
oder  Apfelstedts  (Germ.  26,  2130  ^^^^  i^^  sie  mit  der  gruppe  der 
B  und  C  gemeinscharüichen  sanger  völlig  gleich,  wir  werden 
annehmen  müssen,  dass  verschiedene  ältere  liedersammlungen  be- 
nutzt sind,  darunter  eine,  nach  deren  muster  dann  sowol  in  B  als  in 
C  weitere  bilder  mit  schriftblatt  gezeichnet  wurden,  (das  typische 
bild  einer  solchen  entwicklung  gewährt  der  bilderkreis  zum 
Wälschen  gaste,  bei  dem  AvOechelhäuser  die  Variationen  einer 
original  vorläge  durch  verschied  ne  hss.  verfolgt  hat),  das  Verhält- 
nis der  gemälde  in  den  beiden  grofsen  hss.  ergibt  nicht  ohne 
weiteres  aufschluss.  ich  habe  mir  schon  vor  langen  jähren  auf 
Scherers  veranlassung  eine  Zusammenstellung  derselben  angelegt; 
ich  muste  damals  noch  die  schönste  unserer  hss.  in  dem  dunkeln 
provisorischen  lesezimmer  der  Pariser  bibliothek  benutzen  —  nun 
ist  es  wider  die  'Heidelberger  hs.M  damals  kam  ich  zu  dem  er- 
gebnis,  bei  vielfach,  aber  nicht  durchweg  gleicher  grundlage  sei 
C  altertümlicher,  B  variiere  zuweilen  willkürlich,  wie  weit  neuere 
Untersuchungen  diese  meinung  bestätigen,  weifs  ich  nicht,  als 
besonders   charakteristisch  halte    ich   mir   neben   Hartmann   und 


202  MEYER 

Rielenburg  damals  schoo  Hausen  Dotiert  (im  allgemeinen  vgl. 
Uhland  Schriften  v  272,  der  B  für  allertümlicher  hält). 

2.  Eine  ganze  gruppe  von  bildern  trägt  wesentlich  den 
gleichen  charakler,  wenn  auch  das  Spruchband  fehlt;  wir  sehen  ja 
bei  Hausen,  dass  bei  dem  gleichen  bild  B  es  besitzt,  C  nicht, 
hierher  gehören  Limburg,  Wolfram,  Singenberg,  Künzingen, 
Heinzenburg,  Wallher  vMelz,  Hartmann,  (der  Winsbeke),  Lichten- 
stein^  Stadeck,  Augheim,  Tanhäuser,  Buocheim,  Hardegger,  Taler, 
der  tugendhafte  Schreiber,  Steinmar,  Reinmar  der  Fiedler^  Hawart, 
Günther  vdVorste?,  Obernburg?,  Friedrich  der  Knecht,  bruder 
W^ernher,  der  Marner,  Tetingen?,  Sunnenburg?,  Spervogel,  Boppe, 
der  Kanzler,  bei  einer  ganzen  reihe  von  ihnen  tritt  aber  ein 
auffallend  enger,  so  zu  sagen  anekdotischer  anschluss  an  die  ein- 
zelpersönlichkeit  hervor,  bei  Hawart  wird  die  Situation  aus  dem 
Wappen  abgeleitet.  Spervogels  bild  ist  fast  eine  art  rebus,  der 
Tanhäuser  ist  ganz  individuell  aufgefasst.  der  Schreiber  —  auf 
dessen  bild  Gawein  und  Kai  disputieren  (man  beachte  des  einen 
dialektische  fingerstellung,  wie  sie  etwa  die  heilige  Katharina  in 
späteren  darstellungeo  ihrer  disputation  zeigt),  während  ein 
Schiedsrichter,  der  landgraf,  zuhört  und  ein  diener  symbolisch 
die  handlung  des  abwägens  vornimmt  —  wird  ebenfalls  ganz 
specifisch  als  der  dichter  des  Streitgedichtes  aufgefasst,  während 
vdHagen  (MSH  iv  965)  jede  beziehung  auf  seine  poesie  vermisste. 
ganz  specifisch  ist  auch  das  genrehafle  herbstbild  zu  Steinmar. 
des  Fiedlers  gemälde  ist  wider  aus  seinem  namen  gezogen,  auch 
die  bilder  zu  Günther  vdVorste,  Friedrich  dem  Knecht  und  etwa 
noch  Marner  haben  mehr  stofThchen,  epischen  Inhalt  als  die 
'echten'  liederbuchporträts.  ich  bemerke  ferner,  dass  die  am 
stärksten  genreartigen  bilder  in  kleinen  gruppen  zusammenslchn. 
—  ich  glaube  innerhalb  dieser  reihe  eine  entwicklung  annehmen 
zu  sollen,  man  emancipiert  sich  zuerst  von  dem  scbriftblatt,  ob- 
wol  dies  doch  eigentlich  nach  dem  wappen  das  wichtigste  war 
und  für  den,  der  mit  heraldik  nicht  ganz  vertraut  war  —  die 
fahrenden  waren  es,  die  Sammler  brauchten  es  nicht  zu  sein  — 
unentbehrlich,  man  kommt  so  aus  dem  typischen  bilde  des  minne- 
Sängers  allmählich  immer  stärker  ins  genrehafte,  und  der  anschluss 
an  epische  illustrationen  (vgl.  u.  zu  Steinmar;  ferner  zu  Alram 
vGresten)  tut  das  seinige. 

Übrigens  lassen  sich  in  dieser  classe  der  ^liederbuchporträts 


HADLAUB  UND  MANESSE  203 

zweiter  ordouDg'  wider  einige  familien  absondern,  die  vieriigu- 
rigen  (Schreiber  und  Boppe)  nähern  sich  den  gruppen^  zu  denen 
Sachsendorf,  Schwangau,  Wengen,  Niuniu,  Süfskind  gehören; 
die  eigeDlQmliche  behandlung  des  arabeskenartigen  baupies  lässt 
rar  mehrere  bilder  auf  die  gleiche  vorläge  schliefsen.  für  unser 
eigenlliches  thema  probandum  ist  dies  aber  nicht  von  belang. 

3.  Eine  stattliche  reihe  von  bildern  zeigt  immer  noch  wesent- 
lich deDselben  typus,  l^Ut  aber  durch  die  scharfe  horizontale 
Zweiteilung  auf.  wappen  und  helmzier,  die  noch  frei  in  der 
ecke  hangen,  sind  hier  durch  einen  balken  abgetrennt,  der  etwa 
in  der  höhe  des  goldenen  Schnitts  über  dem  figurenbilde  ligt. 

Hier  finden  sich  gemälde  von  allen  arten: 

a)  einfache  gruppen  mit  Spruchband :  Reinmar  der  alle  (man 
beachte  die  'fensler';  vgl.  u.),  Rietenburg,  Sevelingen,  Munegiur, 
Rute. 

b)  ohne  Spruchband  mit  dem  arabeskenartigen  bäum  (wie 
öiier  in  2):  Bernger,  Horbeim,  Altsleten. 

c)  ohne  Spruchband,  aber  sonst  in  typischer  hallung  (wie 
io  2):  Johansdorf,  Bligger. 

d)  ^enrebildartig:  Lüenz  (stein ewerf er),  Adelnburg  und  Müln- 
busen  (gruppen  mit  dem  Venuspfeil),  Reinmann  vBrennenberg 
(Sänger  unter  bauern),  Landeck  (der  schenk  vor  dem  geistlichen 
berro  kniend),  VVerbenwag  (liebesscene  im  zeit). 

Mehrfach  (bei  Rielenburg,  Horheim,  Landeck,  Munegiur, 
Rute)  bildet  noch  das  auffallend  steif  gehaltene  oder  Mn  der  luft 
Letestigte*  schwert  ein  kennzeichen  dieser  gruppe. 

Das  merkwürdigste  und  aufschlussreichste  bild  ist  das  Rein- 
manns  vBrennenberg.  das*  ist  nämlich  —  wie  sonderbarer  weise 
noch  niemand  bemerkt  zu  haben  scheint  —  nichts  anderes  als 
eine  Variation  des  bekannten  Neidhartgemäldes,  der  dichter  ist 
in  haltung  und  ausdruck  verzerrt,  die  beiden  bauern  rechts  vom 
beschauer  sind  vergröfsert  und  aus  der  drohenden  haltung  zu  würk- 
lichem  mord  und  todschlag  übergegangen,  an  dem  auch  die  bei- 
den klein  gebliebenen  bauern  links  teilnehmen  (über  die  ver- 
schiedene gröfse  der  figuren  auf  6inem  bild  vgl.  Oechelhäuser 
aao.  s.  6).  die  gesamtanordnung  ist  klärlich  dieselbe,  überhaupt 
sonst  nirgends  wider  vorkommende,  es  wird  nicht  zu  bezweifeln 
sein,  dass  das  bild  Reinmanns  das  Neidharts  voraussetzt  und  im 
siune  biographischer  nachrichten  über  den  späteren  dichter  um- 


204  HEYER 

bildet,  ganz  uomOglicb  war  es  freilich  Dicht,  dass  irgend  eio 
episches  gemälde  —  eio  Sänger  von  bauern  überfallen  —  beiden 
zu  gründe  läge;  aber  wir  haben  schon  so  vielfach  episch-bio- 
graphische illustrationen  getroffen,  dass  eine  solche  für  einen  mann 
von  Neidharts  popularität  gewis  angenommen  werden  darf. 

Ich  erklär^  mir  diese  gruppe  so.  es  werden  zunächst  fer- 
tige (epische)  illustrationen  wie  die  zu  Werbenwa^  genommen,  und 
da  hier  nua  der  in  den  'echten'  bildern  ausgesparte  räum  für 
wafl'en  und  heim  fehlte,  wurde  er  durch  den  oberraum  eingebracht, 
den  man  mit  dem  unkttnstlerischen  querbalken  gewann,  dabei 
hat  aber  gewis  auch  die  analogie  der  doppelbilder  (vgl.  u.)  mit- 
gewürkf.  man  scbloss  dann  aber  später  auch  bilder  von  älterem 
typus  —  mit  oder  ohne  schriftblatt  —  an  diese  tieue  art  an. 
dass  sie  jung  ist,  dafür  spricht  wenigstens  die  Wahrscheinlichkeit, 
man  beachte  auch,  dass  bei  Werbenwag  nur  der  leere  schild 
steht:  dem  maier  fehlte  hier  eine  vorläge,  und  so  half  er  sich 
durch  ein  gemälde  der  liebesfreude  aus  einem  epos  (aus  einem 
epos  :  dafür  sind  die  zeltvorbänge  beweisend)  und  liefs  den  räum 
für  die  heraldischen  zutaten  vorerst  frei. 

4.  Eine  vierte  gruppe  schliefst  sich  immer  noch  an  den 
alten  typus  eng  an,  zeichnet  sich  aber  durch  das  anbringen  von 
Spitzbogenfenstern  über  dem  figurenbilde  aus. 

a)  einfache  gruppe  mit  schriftblatt:  Reinmar  vZweter. 

b)  einfache  gruppe:  (Winsbekin),  Konrad  vWürzburg,  der 
Kanzler. 

c)  genrebildartig  :  Hildbold  vSchwangau  im  turnier  nach 
dem  tanz  (wie  Schulz  aao.  s.  97  wol  zutrefl'end  erklärt). 

d)  eigentliches  genrebild  :  Süfsklnd  vTrimberg  (Jude  vor 
dem  geistlichen  schutzherrn),  Rudolf  der  Schreiber  (in  der  kanzlei, 
vgl.  Schulz  aao.  s.  79),  namenlos  zu  Regenboge  (disputation  zwi- 
schen dem  Schmied  im  schurzfell  und  dem  dichter)  —  alle  drei  aus 
biographischen  nachrichten  oder  der  namensüberschrifl  gefolgert. 

Die  darstellungen  erinnern  lebhaft  an  die  vorige  gruppe: 
Süfskind  wie  der  schenk  von  Limburg  vor  einem  geistlichen 
herrn,  Rudolf  der  Schreiber  wie  Reinmann  in  bewegter  tätig- 
keit,  Hildbold  und  der  Kanzler  wie  der  burggraf  von  Lüenz  — 
der  doch  wol  in  einem  ritterlichen  kampfspiel  in  der  art  des 
Steinwerfens  im  Nibelungenlied  begriffen  ist  —  in  einem  eigen- 
artigen moment  des  typischen  ritterlebens. 


HADLAUB  UND  MANESSE  205 

Schulz  (aao.  s.  47)  oimmt  die  spitzbOgen  als  andeutung  des 
geschlossenen  raums.  das  ist  natürlich  die  ursprüngliche  Be- 
deutung; der  geschlossene  räum  hat  aber  doch  höchstens  für 
das  bild  Hildebolds  und  allenfalls  noch  für  die  disputation  in 
der  schmiede  Wichtigkeit,  ich  denke,  wir  werden  auch  hier  zu 
einer  erklärung  aus  technischen  rücksichten  greifen  müssen,  es 
ist  doch  wol  kein  zufall,  dass  diese  bilder  fast  ohne  ausnähme  wappen«" 
los  und.  einen  selbständigen  Schild  samt  helmzier  hat  nur  Reinmar 
▼Zweier;  aber  sie  sind  so  gedrückt,  eingeklebt,  dass  man  zuversicht- 
lich annehmen  darf:  sie  sind  nachgetragen,  war  doch  vorher  schon 
die  rosette  gezeichnet,  die  auch  bei  Rudolf  dem  Schreiber  das 
wappenbild  ersetzen  mussl  —  Hildbold  ist  allerdings  mit  aller 
heraldischen  zier  ausgestattet,  aber  er  trägt  sie  an  der  gewandung. 

Ich  meine  also:  wo  der  illustrator  kein  wappenzeichen  fand 
oder  finden  konnte  (wie  bei  dem  Juden  von  Trimberg),  oder  wo 
er  keine  lust  hatte,  die  wappenbilder  am  waffenrock  nochmals 
zu  aialen  (wie  bei  dem  Schwangauer),  da  half  er  sich,  indem  er 
den  dafür  sonst  leer  gelassenen  räum  durch  die  'fenster'  aus- 
füllte. 

Geschlossene  reihen  finden  wir  in  dieser  gruppe  so  wenig 
wie  in  der  vorigen,  wenn  auch  natürlich  gelegentlich  einmal 
zwei  bilder  gleicher  art  neben  einander  stehn. 

Aber  all  diese  typen  lassen  uns  doch  schon  ein  Stückchen 
tiefer  in  das  verfahren  der  illustratoren  blicken,  diese  erbalten 
saainiluDgen  mit  wappen  ohne  bild  (gruppe  3)  —  wie  es  wol 
die  alten  Uederbücher  der  fahrenden  waren  —  und  zeichnen  nun 
geoQälde  nach  analogie  anderer  lyrischer  porträts,  oder  auch  nach 
dem  muster  epischer  illustrationen  ein.  sie  erhalten  anderseits 
Sammlungen  mit  bildern  ohne  wappen  (gruppe  4)  und  helfen  sich, 
indem  sie  den  wappenplatz  durch  die  immerhin  heraldisch  wür- 
kenden  spitzbögen  ausfüllen,  nachträglich  wird  dann  auch  wol 
noch  ein  schild  wie  der  Reinmars  vZweter  oder  gar  das  groteske 
handwerkerzeichen  Regenbogens  —  neben  dem  doch  das  Frauen- 
lobs fehlt  —  nachgetragen;  letzteres  hängt,  bezeichnend  genug, 
an  einem  nagel  an  der  decke  und  ist  so  mehr  ein  kennzeichen 
des  raums  —  der  schmiedewerkstatt  nämlich  —  als  der  person. 

Übrigens  ist  auch  die  gemusterte  einfassung  dieser  bilder  — 
die  nur  bei  den  ersten,  Winsbekin  und  Hildebold,  fehlt,  —  zu 
beachten,   wenn   sie   auch   keineswegs  ihnen  allein  eigentümlich 


206  MEYER 

ist,  vielmehr  bei  den  'zuscliauerbildern'  fast  nie  fehlt  und  auch 
hei  den  'echten  lyrikerhildern'  häufig  begegnet. 

5.  Eine  gruppe  für  sich,  und  zwar  eine  sehr  interessante, 
bilden  die  doppelbilder,  obwol  C  nur  zwei  solche  besitzt,  es 
sind  die  bilder  zum  Wartburgkrieg  ('Klingsor  von  Ungerland') 
und  —  zu  Hadlaub.  dass  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  bil- 
dern  mit  halkenteilung  (gruppe  3)  besteht,  gaben  wir  schon  zu. 
aber  dort  ist  der  oberraum  nur  zugäbe;  hier  teilt  ein  querbalken 
das  blalt  in  zwei  gesonderte,  gleichberechtigte  figurenbilder.  das 
ist  nun  der  herschende  typus  in  illustrierten  epen  wie  der  typi- 
schen Berliner  hs.  der  Eneide.  es  kann,  glaub  ich,  nicht  be- 
zweifelt werden ;  dass  auch  jene  beiden  bilder  ursprünglich 
selbständige  ausgaben  schmückten,  der  Wartburgkrieg  hat  für 
einen  liedersammler  das  allergröste  interesse  wegen  seines  bio- 
graphischen Inhalts;  und  Hadlaubs  gedichte  müssen  wol  für  den 
Sammler  etwas  besonderes  geboten  haben,  warum  wären  sonst 
gerade  hier  zweiteilige  figurenreiche  bilder  in  die  liederhandschrift 
aufgenommen?  man  könnte  antworten:  weil  der  lebhafte,  episch- 
dramatische  inhalt  dazu  auffordert,  aber  etwa  Waltbers  gedichte 
bieten  nicht  weniger  malerische  Situationen,  wie  denn  Burdach 
(ADB41,83f)  mit  recht  die  anschaulichkeit  in  seinen  gedichten 
hervorhebt,  und  etwa  bei  Steinmar  oder  Neifen  hätte  man  so  gut 
wie  bei  Hadlaub  zwei  bilder  anbringen  künnen.  viel  einfacher 
scheint  mir  also  die  annähme:  während  der  oder  die  redacloren 
von  C  im  allgemeinen  nur  Sammlungen  benutzten,  hatten  sie  hier 
Originalausgaben  vor  sich  und  behielten  deren  titelbilder  bei.  es 
handelt  sich  aber  gerade  um  zwei  liederbücher  —  denn  in  ge- 
wissem sinn  ist  ja  doch  auch  der  Wartburgkrieg  eine  liedersamm- 
lung  — ,  die  durch  ihren  episch-dramatischen  ton  eine  ausstattung 
in  der  an  der  epen  ermöglichten,  ja  fast  forderten.  —  und  so 
wäre  hier  denn  wider  ein  bezug  Hadlaubs  auf  die  grofse  Samm- 
lung gegeben. 

Nun  aber:  die  beiden  doppelbilder  sind  nicht  völlig  gleich- 
artig. Hadlaubs  gemälde  bringt  würklich  zwei  Situationen,  wie 
die  doppelbilder  der  Eneide  und  des  Wälschen  gastes  — 
Klingsors  nur  eine,  in  zwei  teile  zerlegt:  tinten  die  sänger,  oben 
das  kOnigspaar.  wäre  räum,  so  konnte  alles  neben  einander 
platz  finden,  wie  auf  den  disputationsbildern  des  tugendhaften 
Schreibers  und  Regenbogens.     daran  ist  aber  natürlich  nicht  zu 


HADLAUB  UND  MANESSE  207 

denkcD,  dass  erst  io  C  das  bild  zerlegt  wäre:  die  anordouDg  vor 
allem  des  untern  teils  zeigt  deutlich,  dass  dieser  immer  selbst- 
ständig war. 

^'un  haben  wir  aber  ein  anderes  gemälde,  auf  dem  die  beiden 
groppen  würklich  in  ein  bild  zusammengerückt  sind,  das  ist 
das  Frauenlobs. 

Ich  Termute  auf  das  bestimmteste,  dass  hier  ein  zweites  altes 
buch  zum  Wartburgkrieg  vorligt.  oben  der  richtende  fürst,  unten 
sieben  musicierende  dichter  —  mehrfach  mit  den  typischen  rosen- 
kränzen  —  und  an  beiden  Seiten  die  henkersknechte  mit  den 
fesseln  ^  für  den  unterliegenden,  was  sollte  das  bild  denn  dar- 
stellen, wenn  nicht  einen  Sängerkrieg?  wahrscheinlich  safs  ur- 
sprüDglich  auf  der  andern  seile  die  landgräfin.  dann  wurde  das 
bild  auf  Frauenlob  bezogen,  weil  dieser  ebenfalls  einen  Sänger- 
krieg —  mit  Regenbogen  —  ausgefochten  hat;  wie  ja  auch  für 
seineo  gegner  diese  kampfscene  gewählt  ist.  nun  rückte  der 
Wappenschild  in  die  ecke  ein  und  eine  Störung  der  Symmetrie, 
die  ganz  beispiellos  ist  in  der  ganzen  Sammlung,  kam  zu  stände, 
(ihnliche  Verschiebungen  zeigen  sich  auch  beim  VVälschen  gast: 
zusammeDziehung  zweier  bilder  in  eins  Oechelhäuser  s.  43;  mehr- 
fach  die  ^übereinander-anordnung' :  s.  31,  vgl.  49). 

Trifft  diese  Vermutung  zu,  so  ergibt  sich  ein  weiteres, 
dies  Frauenlobbild  ist  von  dem  Klingsorgemälde  zu  stark  verschie- 
den, als  dass  wir  beide  der  gleichen  ausgäbe  zuschreiben  dürften. 
6er  Sammler  besafs  also  den  Wartburgkrieg  zweimal  —  vermut- 
lich einmal  in  einer  liedersammlung  (das  einheitliche  gemälde) 
und  einmal  in  einer  sonderhs.  (das  zweiteilige  bild).  bei  der 
Wichtigkeit  des  gedichtes  ist  das  verständlich;  es  wirft  aber  doch 
ein  interessantes  hebt  auf  die  litterarhistorischen  interessen  des 
Sammlers. 

6.  Eine  weitere  wichtige  gruppe  bilden  die  zahlreichen  ge- 
mälde mit  einer  mauerzinne  und  zuschauenden  frauen,  bei  denen 
scboD  gleich  auffällt,  dass  vier  von  ihnen  (zu  Rinkenberg,  Raprechts- 
wil.  Lupin,  Düring)  zu  den  anonymen  gehören. 

Rein   äul^erlich    stehn   diese   bilder   in   der   mitte    zwischen 

den  doppelbildern  und  denen  mit  balkenteilung.     wie  bei  diesen 

ist  der  halbierende   strich   nicht  (wie  bei   den   doppelbildern)  in 

der  mitte,  sondern  zu  etwa  zweidriltel  angebracht;  aber  wie  bei 

[*  eine  deatung,  die  Roethe  allerdings  lebhaft  bestreitet.] 


208  MEYER 

den  doppelbilderD  ist  auch  oberhalb  des  Strichs  eio  figurenbiid. 
auch  an  die  ausfüllung  des  obern  raums  durch  Spitzbogen  darf 
erinnert  werden. 

Dennoch  ist  diese  gruppe  eine  reihe  fUr  sich,  solche  mauern 
im  hintergrund,  wie  sie  hier  durch  die  zinne  angedeutet  werden, 
sind  in  der  Berliner  Eneide  ungemein  häufig  (17  unten,  16  unten 
und  oben,  33  oben,  35  unten,  45  unten,  56  oben,  66  unten, 
80  unten,  86  unten,  90  unten,  93  oben,  94  oben,  97  oben, 
120  oben,  124  oben,  146  oben  und  unten),  widerholt  begegnet 
auch  die  Ueichoskopie'  (12  unten,  73  oben,  ganzbild  93,  195 
unten);  oder  die  mauer  in  belagerung  (15,  85  unten),  hier  ligt 
also  in  C  wol  anlehnung  an  epische  illustrationen  —  oder  directe 
Übernahme  vor,  und  zwar  so,  dass  diesmal  die  ganze  anläge  von 
dem  muster  bestimmt  wird,  nicht  blofs  das  eigentliche  'porträt', 
das  eigentliche  'flgurenbild'. 

Wir  haben  folgende  nuancen: 

a)  bilder  vom  habitus  der  'echten'  liederbucbillustrationen : 
meister  Sigeher,  der  wilde  Alexander,  Rumslant, 

b)  ähnlich,  aber  mit  Verbindung  zwischen  der  porträtgruppe 
und  den  Zuschauern:  Rotenburg,  Rubin, 

c)  zweikampfbilder: 

ä)  zuross:  Klingen,  Raprechtswil  (unbezeichnet),  Ehenheim. 
ß)  zu  fufs:   Rinkenberg  (unbezeichnet),  ScharfTenberg,  Diet- 
mar der  Sezzer, 

d)  Schlachtenbilder:  herzog  von  Anhalt,. 

e)  aufzug  zum  turnier:  Dorner  (unbezeichnet)  und  heimkehr 
von  da :  Heinrich  von  Breslau  (mit  anschluss  an  die  zuscbauergruppe). 

Unverkennbar  ist  hier  ein  besonderer  typus  bevorzugt:  ge- 
rade wie  bei  den  bildern  mit  balkenteilung  specifische  momente 
aus  dem  höfischen  leben,  sind  hier  solche  aus  dem  ritterlichen 
gewählt,  solche  bilder  sind  nun  naturgemäfs  in  den  illustrierten 
epen  besonders  häufig;  solche  reitergefechte,  Zweikämpfe  zu  pferd 
und  zu  fufs,  turnierbilder  sind  zb.  in  der  Berliner  hs.  der  Eneide 
stark  vertreten  (35  oben,  66  oben  und  unten  usw.).  ich  möchte 
diese  gruppe  die  der  epischen  genrebilder  nennen,  ihre  durch- 
aus typisch  gehaltene  art  verbietet,  irgend  eine  specielle  quelle 
aufzusuchen,  (auch  zum  Wälschen  gast  werden  solche  allgemein 
gehaltenen  kampfbilder  gezeichnet  :  Oechelhäuser  s.  33;  vgl. 
s.  60).     handelte  es  sich  um   die  figuren  allein,  so  würden  wir 


HADLAUB  UND  MANESSE  209 

Dicht  eiDinal  mit  bestimmtheit  auf  epische  grundlage  schliefsen 
könocD.  der  typische  rittersmanD  sieht  natürlich  nicht  anders 
aas,  wenn  er  als  dichter  oder  als  kämpfer  gefeiert  wird:  eine 
ritterfigur  auf  dahinsprengendem  ross,  wie  schon  die  ältesten 
l3fnkeraii&iaturen  sie  aufweisen,  wird  niemand  auf  epen  zurück- 
fohreo  wollen,  überhaupt  ist  eine  starke  berührung  der  typi- 
schen Situationen  ja  schon  durch  die  inhaltliche  verwantschaft 
da*  mhd.  epik  und  lyrik  gegeben,  ein  schifTsbild,  wie  das  wahr- 
scheinlich doch  alte,  'echte'  Hausens,  ist  zb.  in  der  illustrierten 
Eneide  häußg,  allerdings  (vgl.  u.)  mit  stärkerer  bemannung.  bil- 
der,  die  gleichsam  das  typische  tagelied  darstellen,  wie  etwa  das 
AltsteteDS,  fehlen  dort  auch  nicht:  liebesgruppe  unter  dem  linden- 
baam,  daneben  das  ross  (26  unten),  liebespaar  mit  Wächter 
(79  oben)  udgl.  einfache  'conversazioni'  im  stil  zahlreicher 
lyrikerporträts  fehlen  dort  auch  nicht,  zb.  der  könig  mit  beistand 
(11  oben,  29  oben,  71  oben),  zwei  (25  unten,  30  unten,  39  unten, 
41  unt^D,  51  unten,  69  unten)  oder  zwei  und  eine  person 
(22  unten,  34  oben,  41  unten)  im  gespräch,  könig  mit  gefolge 
(37  unten),  einzelne  figuren  sitzend  (59  unten;  weibliche  figur 
46  oben)  oder  stehend  (52),  schreibend  (55  oben)  usw.  dass  die 
lyrikerporträts  eben  überhaupt  in  der  allgemeinen  tradition  und 
dem  herschenden  stil  wurzeln,  versteht  sich  ja  von  selbst  und 
ist  jetzt  wider  durch  Traugott  Schulz  (aao.)  belegt  worden  (vgl. 
Kraus  Gesch.  der  christl.  kunst  ii  452).  aber  die  mauer  im 
hintergrund  und  die  Zuschauerinnen  (neben  denen  die  Zuschauer 
zurücktreten)  dürfen  wir  allerdings  sicherlich  als  epische  kenn- 
zeichen  ansprechen,  nicht  nur  ergibt  die  handlung  des  epos  sehr 
oft  gerade  diese  Situation:  kämpf  vor  der  belagerten  Stadt,  turnier 
im  burghof  —  es  entspricht  auch  der  naiven  gepflogenheit  alter 
kaust,  den  Zuschauer  auf  die  bühne  zu  bringen;  wie  der  chor 
der  antiken  tragOdie  vertritt  diese  Corona  bewundernder  frauen 
das  publicum,  in  der  lyrik  ist  dazu  kein  anlass:  da  ist  ja  die 
sonstige  tätigkeit  des  ritterlichen  dichters  nebensache,  und  nur 
auf  sein  singen  und  liebeswerben  kommt  es  an. 

Die  bilder  sind  kunsthistorisch  sehr  interessant:  die  ent- 
wicklung  von  der  schematischen  widerholung  zweier  Zuschaue- 
rinnen (Anhalt,  vgl.  ScharfTenberg)  bis  zu  der  lebendigen  Ver- 
bindung von  held  und  publicum  (kranzspende:  Heinrich  vBreslau, 
Rotenburg);  das  anekdotenbild  der  zum   türm  geschossenen  bot- 


210  MEYER 

Schaft  (Rubin)  neben  den  typischen  mensuren  der  heim-  und 
harnischlosen  (Rinkenberg,  Scharpfenberg);  die  komisch  würkende 
Vermischung  dreier  grörsenmarse(Raprechtswil)  oder  die  unmögliche 
kopfstellung  des  auf  wildem  ross  dahinjagenden  Alexander  neben 
dem  sehr  gut  componierten  tumierbild  des  DUrners  —  sie  sind 
geeignet,  auch  für  die  vorlagen  den  weiten  zeitlichen  abstand  zu 
erhärten,  den  Rahn  für  die  illustratoren  selbst  annimmt.  fOr 
unsere  aufgäbe  aber  ligt  eben  hierin  die  bedeutung  dieser  gruppe: 
auch  sie  scheint  das  Vorhandensein  einer  ganzen  'bücherei'  zu 
beweisen. 

Auch  die  blofs  angefangene  Zeichnung,  die  noch  niemandem 
zugewiesen  war,  gehört  hierher. 

7.  Zwei  bilden  in  denen  das  besonders  lebhaft  ausgeführte 
Schlachtgemälde  die  burgmauer  in  eine  ecke  gedrängt  und  ge- 
drückt hat  —  etwa  wie  das  fürstenpaar  in  dem  bilde  Frauenlobs 
halbiert  und  in  die  ecke  geschoben  ist  —  stell  ich  als  Über- 
gang zwischen  der  gruppe  'zinne'  (6)  und  der  gruppe  'eckturm' 
(S)  besonders,  es  sind  die  sich  folgenden  bilder  zu  Heigerloh  und 
Homberg.  bei  dem  ersten  ist  noch  fast  ganz  der  typus  der  an- 
dern Zuschauerinnen  gewahrt  —  klagend,  wie  bei  Wallher  vKlingen, 
—  aber  das  bauwerk  selbst  ist  durch  starkes  hervorheben  der 
Untermauerung  ausgezeichnet,  das  wüste  bild  zu  Homberg  — 
mit  merkwürdig  lebhaft  individualisierten  fufsknechten  —  zeigt 
statt  der  burgzinne  einen  schlossturm  mit  Windfahnen,  gockel- 
hahn  und  aufgeregten  mansardenßguren.  ich  möchte  vermuten, 
dass  diese  beiden  figuren reichen  gemälde  nicht  auf  miniaturen 
zurückgehn,  sondern  auf  Wandgemälde;  dass  das  zweite  bild  über 
den  rahmen  geht,  ist  wol  kaum  zufall.  in  Runkelstein  ist  das 
grofse  schlachtbild  (tafel  xii  der  Seelosschen  reproduction)  ebenso 
wirr,  die  allerdings  einfacher  gehaltenen  burgtürme  (tafel  ix. 
XV  uö.)  sind  ebenso  mit  zuschauerköpfen  überfüllt. 

8.  Aus  miniaturen  stammen  dagegen  gewis  wider  die  bilder 
mit  eckturm.     es  ist  wider  eine  ansehnliche  reihe: 

a)  typische  alte  Situation  mit  schriftblalt:  Kilchberg. 

b)  ebenso  ohne  schriflblatt:  Seven,  Wildonje,  Stambeim. 

c)  Zweikampf:  Leiningen,  Lupin  (unbezeichnet),  Püller  (oder 
zwei  ritter  in  gemeinsamem  angriff?). 

d)  anekdotische  Situationen:  ritter  klimmt  zum  kränz  empor 
(Toggenburg);    kaufmann    und    burgfrau    (Dietmar);    aufzug    am 


HADLAUB  UND  MANESSE  211 

türm  (Harole) ;  hin-  und  herschiefsen  von  briefen,  im  hintergrund 
eine  belageruDgsmaschine  (Trostberg),  besonders  merkwürdig 
floroberg:  hier  blickt  stall  der  Frau  der  ritter  aus  der  bürg  und 
statt  des  ritters  reitet  die  dame  heran,  um  ihn  zu  fesseln;  denn 
dass  es  die  dame  ist  und  nicht  freu  minne,  bemerkt  Oechelhäuser 
(aao.  s.  26  anm.)  zutreffend,  also  eine  ähnliche  umkehrung  der 
situatioD,  wie  wenn  zu  Troslberg  ein  brief  herabgeschossen,  zu 
Rubin  aber  (vgl.  o.  gruppe  6)  einer  heraufgeschossen  wird  (vdHagen 
MSH  IV  412).  Schröder  verweist  mich  für  beide,  mit  unzweifelhaftem 
recht  wol  für  Rubin,  auf  Veld.  En.  10785  ff. 
e)  grofse  vierfigurige  gruppe:  Wengeu. 
Toggenburg,  Kilchberg,  Leiningen  —  Hornberg  (Werbenwag) 
PQller,  Trostberg  slehn  bei  einander,  alle  fast  befinden  sich  in 
der  Umgebung  von  bildernder  späteren,  episch  mindestens  be- 
einflussten  gruppen. 

Wir  sind  hier  mitten  im  bekannten  epischen  gebiet,  im 
ganzen  hat  die  erklärung  dieser  bilder  von  JGrimm  (Kl.  sehr,  vi 
238)  und  vdHagen  bis  zu  Traugolt  Schulz  kaum  fortschrilte  ge- 
macbi,  weil  sie  das  typische  zu  stark,  das  eigenartige  zu  wenig 
betonte  und  weil  sie  sich  zu'  sehr  von  der  anschauung  leiten 
liefs,  irgend  ein  geheimer  bezug  zwischen  text  und  bild  müsse 
aufzufinden  sein. 

Aber  nun  gleich  Dietmar!  [vgl.  jetzt  auch  Roethe  aao.  s.  14  u.]. 
'das  gemälde  scheint  sich  auf  eine  Verkleidung  des  dichters  in 
einem  liebesabenteuer  zu  beziehen',  meint  vdHagen  (MSH  iv  111). 
hMten  wir  nur  in  Dietmars  gedichten  den  geringsten  anhält  dafür  I 
aber  Uetels  vasallen  verkleiden  sich  würklich  als  kaufleute  und 
stellen  ihre  pracht  vor  den  frauen  aus:  die  krdme  stuonden  offen: 
dd  moht  diu  küniginne  wunder  schouwen  (Kudr.  442,  4).  dass  das 
bdd  die  verkaufsstätte  von  dem  schifl*  an  den  burgeingang  verlegt, 
erklärt  sich  aus  dem  herkömmlichen  Stil,  der  für  die  ruhige 
bandlung  des  beschauens  ruhigen  boden  forderte. 

Noch  unmöglicher  ist  es,  das  bild  zu  Hamle  biographisch 
zu  deuten.  vdHagen  (aao.  s.  118)  bezieht  es  auf  die  'heimlichen 
nachtbesuche',  bei  diesen  sollte  der  miniator,  ohne  den  geringsten 
iobalt  im  text,  auf  die  idee  dieser  winde  gekommen  sein?  natür- 
lich bezieht  sich  das  bild  auf  liebesangelegenheiten ;  aber  es  ist 
von  irgend  einer  stelle  entlehnt,  wo  diese  maschinerie  erwähnt 
wird,     das   kann  VVolfdietrich  B  sein    (DHB  ni  s.  189),    wo  das 


210  MEYER 

Schaft  (Rubin)  neben  den  typischen  mensuren  der  heim-  und 
harnischlosen  (Rinkenberg,  Scharpfenberg);  die  komisch  würkende 
Vermischung  dreier  grörsenmarse(Raprechtswil)  oder  die  unmögliche 
kopfstellung  des  auf  wildem  ross  dahinjagenden  Alexander  neben 
dem  sehr  gut  componierten  turnierbild  des  Dürners  —  sie  sind 
geeignet,  auch  für  die  vorlagen  den  weiten  zeitlichen  abstand  zu 
erhärten,  den  Rahn  für  die  illustratoren  selbst  annimmt,  für 
unsere  aufgäbe  aber  ligt  eben  hierin  die  bedeutung  dieser  gruppe: 
auch  sie  scheint  das  Vorhandensein  einer  ganzen  'bücherei'  zu 
beweisen. 

Auch  die  blofs  angefangene  Zeichnung,  die  noch  niemandem 
zugewiesen  war,  gehört  hierher. 

7.  Zwei  bilder,  in  denen  das  besonders  lebhaft  ausgeführte 
Schlachtgemälde  die  burgmauer  in  eine  ecke  gedrängt  und  ge- 
drückt hat  —  etwa  wie  das  fürstenpaar  in  dem  bilde  Frauenlobs 
halbiert  und  in  die  ecke  geschoben  ist  —  stell  ich  als  Über- 
gang zwischen  der  gruppe  'zinne'  (6)  und  der  gruppe  'eckturm' 
(S)  besonders,  es  sind  die  sich  folgenden  bilder  zu  Heigerloh  und 
Homberg.  bei  dem  ersten  ist  noch  fast  ganz  der  typus  der  an- 
dern Zuschauerinnen  gewahrt  —  klagend,  wie  bei  Walther  vKlingen, 
—  aber  das  bauwerk  selbst  ist  durch  starkes  hervorheben  der 
Untermauerung  ausgezeichnet,  das  wüste  bild  zu  Homberg  — 
mit  merkwürdig  lebhaft  individualisierten  fufsknechten  —  zeigt 
statt  der  burgzinne  einen  schlossturm  mit  Windfahnen,  gockel- 
hahn  und  aufgeregten  mansardenßguren.  ich  möchte  vermuten, 
dass  diese  beiden  figurenreichen  gemälde  nicht  auf  miniaturen 
zurückgehn,  sondern  auf  Wandgemälde;  dass  das  zweite  bild  über 
den  rahmen  geht,  ist  wol  kaum  zufall.  in  Runkelstein  ist  das 
grofse  schlachtbild  (tafel  xii  der  Seelosschen  reproduction)  ebenso 
wirr,  die  allerdings  einfacher  gehaltenen  burgtürme  (tafel  ix. 
XV  uö.)  sind  ebenso  mit  zuschauerköpfen  überfüllt. 

8.  Aus  miniaturen  stammen  dagegen  gewis  wider  die  bilder 
mit  eckturm.     es  ist  wider  eine  ansehnliche  reihe: 

h)  typische  alte  Situation  mit  schriftblatt:  Kilchberg. 

b)  ebenso  ohne  schriftblatt:  Seven,  Wildonje,  Stamheim. 

c)  Zweikampf:  Leiningen,  Lupin  (unbezeichnet),  Püller  (oder 
zwei  ritter  in  gemeinsamem  angriff?). 

d)  anekdotische  Situationen:  rilter  klimmt  zum  kränz  empor 
(Toggenburg);    kaufmann    und    burgfrau    (Dietmar);    aufzug    am 


HADLAUB  UND  MANESSE  211 

türm  (Harole);  hin-  und  herschiefsen  von  hriefen,  im  hintergrund 
eine  belagerungsmaschine  (Trostberg),  besonders  merkwürdig 
flornberg:  hier  blickt  statt  der  Frau  der  ritter  aus  der  bürg  und 
statt  des  ritters  reitet  die  dame  heran,  um  ihn  zu  fesseln;  denn 
dass  es  die  dame  ist  und  nicht  frau  minne,  bemerkt  Oechelhäuser 
(aao.  s.  26  anm.)  zutreffend,  also  eine  Jihnliche  umkehrung  der 
^ituatioD,  wie  wenn  zu  Trostberg  ein  brief  herabgeschossen,  zu 
Rabin  aber  (vgl.  o.  gruppe  6)  einer  heraufgeschossen  wird  (vdHagen 
MSH  IV  412).  Schröder  verweist  mich  für  beide,  mit  unzweifelhaftem 
recht  wol  für  Rubin,  auf  Veld.  En.  10785  (T. 
e)  grofse  vierfigurige  gruppe:  VVengeu. 
Toggenburg,  Kilchberg,  Leiningen  —  Hornberg  (Werbenwag) 
PQller,  Trostberg  stehn  bei  einander,  alle  fast  beßnden  sich  in 
der  Umgebung  von  bildemder  späteren,  episch  mindestens  be- 
eioflussten  gruppen. 

Wir  sind  hier  mitten  im  bekannten  epischen  gebiet,  im 
ganzen  hat  die  erklärung  dieser  bilder  von  JGrimm  (Kl.  sehr,  vi 
238)  und  vdHagen  bis  zu  Traugolt  Schulz  kaum  fortschritte  ge- 
macht, weil  sie  das  typische  zu  stark,  das  eigenartige  zu  wenig 
betonte  und  weil  sie  sich  zu'  sehr  von  der  anschauung  leiten 
liefs,  irgend  ein  geheimer  hezug  zwischen  text  und  bild  müsse 
aufzufinden  sein. 

Aber  nun  gleich  Dietmarl  [vgl.  jetzt  auch  Roelhe  aao.  s.  14  u.]. 
'das  gemälde  scheint  sich  auf  eine  Verkleidung  des  dichters  in 
einem  liebesabenteuer  zu  beziehen',  meint  vdHagen  (MSH  iv  111). 
hätten  wir  nur  in  Dietmars  gedichten  den  geringsten  anhält  dafür  I 
aber  Hetels  vasallen  verkleiden  sich  würklich  als  kaufleute  und 
stellen  ihre  pracht  vor  den  frauen  aus:  die  krdme  stuonden  offen : 
dd  moht  diu  küniginne  wunder  schouwen  (Kudr.  442,  4).  dass  das 
bdd  die  verkaufsstätte  von  dem  schifl'  an  den  burgeingang  verlegt, 
erklärt  sich  aus  dem  herkömmlichen  Stil,  der  für  die  ruhige 
bandluDg  des  beschauens  ruhigen  boden  forderte. 

Noch  unmöglicher  ist  es,  das  bild  zu  Hamle  biographisch 
zu  deuten.  vdHagen  (aao.  s.  118)  bezieht  es  auf  die  ^heimlichen 
nachtbesuche',  hei  diesen  sollte  der  miniator,  ohne  den  geringsten 
iohalt  im  text,  auf  die  idee  dieser  winde  gekommen  sein?  natür- 
lich bezieht  sich  das  bild  auf  liebesangelegenheiten ;  aber  es  ist 
von  irgend  einer  stelle  entlehnt,  wo  diese  maschinerie  erwähnt 
wird,     das   kann  VVolfdietrich  R  sein    (DHR  m  s.  189),    wo  das 


214  MEYER 

der  iaschrifl  Amor  wol  sicher  auf  einen  hOQscben  roman  deutet; 
welchen,  liefse  sich  vielleicht  aus  den  dem  dichter  nicht  gehören- 
den Worten  des  aufgeschlagenen  buches  (MSU  4,  472)  feststellen, 
dann  das  vier6gurige  schifTsbild  zu  Niuniu,  bei  dem  schon  die 
weibliche  schifTerin  auf  eine  bestimmte  Situation  weist;  schiffs- 
bilder  sind,  wie  schon  erwähnt,  zb.  in  der  Berliner  Eneide  sehr 
häufig  (fahrendes  schiff  129  unten ^  139  unten),  das  seltsame 
genrebild  des  fischenden  Pfeffel  brachten  wir  vorher  zu  Steinmar 
in  bedingte  beziehung;  vielleicht  ist  es  noch  näher  mit  den  jagd- 
bildern  (s.  u.)  verwant.  das  bilü  zu  Morungen  ist  wol  nicht  blofs 
des  Schriftblattes  wegen  zu  den  'echten'  zu  rechnen,  obwol 
die  lebhaft  ausgemalte  Situation  episch  anmutet,  bestimmt  möclu 
ich  die  schach-  und  damespielbilder  zu  Otto  vBrandenburg  und 
Göli  auf  epische  miniaturen  zurückführen:  die  Situation  ist  ja  in 
den  romanen  beliebt  und  wird  zb.  in  der  Eneide  (s.  11  unten) 
durch  den  text  gehalten,  ebenso  wie  im  Tristan  (Bechstein  v.  2247) 
und  sonst,  das  sitzen  beim  Schachspiel  gehörte  im  würklichen 
leben  (Weinhold  Deutsche  frauen  i  416  f,  Altnord,  leben  s.  469; 
Schultz  Höf.  leben  i  417  f)  wie  in  der  sage  (zb.  Frithjofssaga)  so 
sehr  zu  den  typischen  zügen,  dass  man  es  gern  zur  hervor- 
hebung  entscheidender  momente  benutzte  (der  Herulerkönig: 
Deutsche  sagen  ii32;  Konradin);  wie  natürlich  ergab  sich  da 
dies  bild  auch  für  die  illustrationen  im  eposi  dagegen  ist  für 
den  miunesinger,  trotz  gelegentlicher  bildlicher  anwendung,  das 
Schachspiel  keineswegs  bezeichnend:  sind  ein  herr  und  eine  dame 
beisammen,  so  haben  sie  anderes  zu  tun.  bei  dem  bilde  Ottos 
vBrandenburg  sind  noch  die  kleinen  spielleute  zu  beachten,  die 
offenbar  nur  (wie  sonst  die  Spitzbogen)  den  bei  herübernahme 
eines  fertigen  bildes  entstandenen  leeren  räum  auszufüllen  haben, 
b)  eine  gruppe  für  sich  bilden  die  Zeichnungen  mit  kinder» 
figuren.  zwar  das  bild  Reinmars  des  Fiedlers  mit  dem  lang- 
gestreckten tanzenden  backfisch  gehört  nicht  hierher,  sondern  zu 
der  Spitzbogengruppe,  aber  schon  bei  Sunnenburg  kann  man  4och 
zweifelhaft  sein,  ob  dies  gemälde  eines  mannes,  der  ein  kind 
segnet  und  das  andre  bei  der  band  fasst,  nicht  ursprünglich  ganz 
wo  anders  hingehört,  etwa  zu  einer  bibeihs.  (Adam  und  seine 
söhne?  schwerlich  Isaac  mit  Jacob  und  Esau).  Wissenlos  ge- 
mälde  glaubten  wir  zuversichtlich  einer  hs.  der  Eneide  zusprechen 
zu  dürfen,     und  zwei  solche  kleine  knaben   begegnen  nun  auch 


HADLAUB  UND  MANESSE  215 

bei  dem  Litschauer.  vdflagen  (iMSH  iv  700)  machl  sich  die  er- 
klärung  dieses  bildes  dccb  zu  leicht  :  der  Sänger  erscheine  mit 
eioigen  knaben  vor  einem  kOnige  —  ja  warum  denn?  ich  möchte 
nicht  gerade  auf  die  schwertleite  Tristans  raten,  wo  der  held  mit 
einem  genossen  (einem  für  dreifsig)  von  Rual  zu  Marke  geführt 
wird(Tr.  v.  50 10 ff);  eher  auf  irgend  ein  widerbringen  zweier  kinder. 
ao  Flore  und  Blanscheflur  (etwa  v.  884  f)  darf  man  nicht  denken, 
weil  beide  kinder  knaben  scheinen  und  statt  der  kOnigin  ein  er- 
zieher  oder  dgl.  dasteht. 

c)  Jagdbilder  trafen  wir  schon  in  andern  gruppen.  aber  die 
beiden  zu  Geltar  (haseojagd)  und  Sunegge  (hirschjagd)  stehn  iso- 
liert, nur  etwa  noch  mit  dem  Hawarts  (bärenjagd,  denn  als  bär  ist 
das  gejagte  tier  wol  doch  mit  MSH  iv  476  anzusehen,  wenn 
auch  der  name  Hawart  früh  zu  den  *hauern'  des  ebers  volks- 
etymologisch in  beziebung  gebracht  ward  :  Mie  strafse,  in  der  die 
familie  zu  Strafsburg  wohnte,  heifst  noch  heute  Hauergässel', 
schreibt  mir  Schröder  und  verweist  auf  Schmidt  Strafsburger 
gassen-  und  häusernamen  s.  79  und  Seyboth  Das  alte  Strafsburg 
s.  37.  66)  zu  vergleichen.  Runkelstein  zeigt  IOwenjagd,  derVVälsche 
gast  eine  bärenjagd  (Oechelbdusers.  38).  aber  jene  beiden  erstge- 
nannten sind  gewis  peodants  :  die  jagd  zu  fufs  und  zu  pferde  neben- 
einander wie  etwa  Helmbr.  v.963  (ener  jagte,  dirre  birste),  die  mit 
und  ohne  bracken,  oder  wie  sonst  der  Zweikampf  zu  fufs  und  zu 
pferde  (besonders  in  den  typischen  epischen  geurebildern  s.  o.). 
den  gedanken  an  fresken  legt  die  eigentümliche  technik  der  genau 
cooiponierten  bilder  näher  als  eine  beziebung  etwa  auf  Tristans 
Jagdgeschicklichkeit,  denn  der  hase  wird  weder  v.  2757  f  und 
V.  I7246f  erwähnt,  und  an  die  basensprünge  auf.  der  wortheide 
V.  4636  wird  man  nicht  erinnern  wollen  —  obwohl  manche  aus- 
legung  von  minnesingerbildern  nach  textworten  nicht  weniger 
gewaltsam  ist  als  diese  wäre!  man  denke  nur  etwa  an  den  mit 
Wandgemälden  ritterhcher  freuden  geschmückten  Palazzo  Schiafa- 
ooja  zu  Ferrara,  um  fresken  als  Vorbilder  denkbar  zu  ßnden. 
lieben  doch  auch  die  dichter,  solche  gelegenheitsbilder  zu  ganzen 
cyklen  zu  vereinigen  (zb.  Iwein  v.59ff,  Meier  Helmbr.  v.  924  ff  — 
besonders  reich  an  charakteristischen  Situationen),  aber  es  könnte 
auch  zb.   eine  illustrierte  ^ars  venatoria'  benutzt  sein. 

Oder  sollte  statt  an  Gottfrieds  Tristan  hier  an  den  Eil- 
harts  zu   denken   sein,   wie   er   es    erßndet,  Jagdhunde  auf  die 

15* 


216  HEYER 

fährte  zu  leiten  (Lichtenstein  v.  4541  fT)?  dann  hätten  wir  in 
diesem  ersten  fischer  (v.  4534  f)  auch  Pfeffels  bild  erklärt,  aber 
ich  muss  hervorheben,  dass  dies  gemälde  zu  denen  Geltars  und 
Sunecks  im  typus  wenig,  zu  dem  Winlis  (s.  u.)  aber  gar  nicht 
stimmt. 

d)  zwei  figurenreiche  bilder  erinnern  immer  noch  an  die 
typischen  lyrikerminiaturen,  verraten  aber  fremden  Ursprung,  was 
soll  bei  Gottfried  von  Strafsburg  das  zeitdach?  in  der  Eneide 
aber  kehrt  es  häufig  wider  :  hl.  1.  36.  97  unten,  auch  auf  85  unten, 
da  passt  es  hin  :  es  sind  zelte  der  im  felde  lagernden  (besonders 
i)ei  belagerungen)  gemeint,  in  der  tat  erinnert  das  bild  zu 
Gottfried  stark  an  ein  blatt  der  Berliner  Eneide  :  bl.  97  unten, 
wo  ebenfalls  ein  kOnig  hauptfigur  ist,  neben  ihm  eine  gestalt  mit 
der  kappe  sitzt,  und  wo  weder  der  sprechende  mit  erhobener 
hand  noch  die  Zuschauer  fehlen.  —  und  das  gemälde  des  burg- 
grafen  von  Regensburg  ist  auch  zu  figurenreich,  durch  den  alten 
mit  der  krücke  vorn  (vgl.  Parz.  513,  27)  zu  individuell,  und  der 
köpf  hinter  dem  grafen  erinnert  zu  stark  an  die  physiognomien 
bei  Neidhart  und  Brennenberg,  als  dass  wir  dies  bild  zu  der 
gattung   der  echten   alten  liederbuchillustrationen  stellen  dürfen. 

e)  ein  anderes  zellbild,  zu  Winli,  stellt  rein  epische  züge 
dar  :  der  ritter  rüstet  sich  zur  ausfahrt  und  erhält  zum  abschied 
«inen  ring,  oder  ist  an  Eilhart  vOberge  (Lichtenstein  v.  6386) 
zu  denken,  wo  Tinas  der  kOnigin  Tristrants  ring  zeigt?  zöge 
man  das  alte  gedieht  heran,  so  könnte  man  auch  für  den  stein- 
Wurf  des  von  Lüenz  dies  gedieht  (v.  7819)  als  vorläge  annehmen 
und  etwa  noch  für  das  seltsame  bild  zu  Heinrich  vSax  an 
Tristrants  Sprung  (v.  7808)  erinnern;  das  untere  bild  würde  dann 
Gariole  vorstellen  und  der  Steinbock  die  jagdlust  ihres  gatten 
symbolisieren?  —  über  die  bilder  zu  Neidhart  und  Hesso  vRinach 
vgl.  unten. 

f)  noch  weiter  entfernen  sich  ein  paar  andre  genrebilder  von 
dem  typus  der  liedersäogerporträts. 

a)  das  berühmte  Neidhartbild  —  ohne  wappen  I  —  sieht  ge- 
wis  wie  auf  ihn  gemünzt  aus.  aber  auffallend  ist  doch,  dass  das 
bild  Reinmanns  vBrennenberg,  wie  gezeigt,  gerade  sein  Spiegel- 
bild ist.  solche  umkehrungen  eines  bildes  gehören  nun  zum 
handwerksgebrauch  der  epenillustratoren ;  wir  haben  sie  in  der 
Berliner  Eneide  widerhoU  :  42  oben  —  45  oben  (vgl.  auch  52 


HADLAUB  UND  MAiNESSE  217 

oben),  115  oben  uod  uDteo,  116  oben  und  unten,  oh  am  ende 
doch  an  den  von  den  knappen  geschlagenen  Tristrant  (v.  7040t) 
zu  denken  wäre?  die  physiognomieu  könnten  ja  nachträglich 
'ferbaueri'  sein,  so  wie  Reinroanns  ermordung  erst  hineinvariiert  ist. 

ß)  Rost  vSarneus  darstellung  hat  uns  viel  kopfzerhrechen  ge- 
macht, ich  wollte  es  erst  zu  einem  Hadlaubcyklus  ziehen ;  CSchrOder 
dachte  an  Simson  und  Delila.  aber  jetzt  scheint  mir  im  Wolf- 
dielricb  eine  wahrscheinlichere  quelle  vorzuliegen  :  Hugdietrich 
entdeckt  sich  der  schönen  Hiltburg,  mit  der  er  bisher  zusammen 
weibliche  handarbeit  gefertigt  hat  —  sie  ist  im  hintcrgrund  durch 
den  webeapparat  symbolisiert  —  und  umfasst  ihr  knie,  um  Ver- 
zeihung bittend  (was  Wolfdietrich  B,  Ileldenbuch  iii  s.  180  f  aller- 
dings nicht  steht),  und  dazu  würde  dann  das  bild  Ottos  zem 
Turne  gehören,  wo  die  verkleidete  Hildegunt  dem  —  freilich  sehr 
jung  gemalten,  vielleicht  aber  auch  nachträghch  erst  verjüngten  — 
kdoig  die  wol gezierte  hübe  (s.  177)  aufsetzt,  während  die  alte  kö- 
nigin  daneben  steht,  der  name  ^zum  türme'  erklärt,  wie  man  hier 
gerade  zu  der  sage  von  Wolfdielrich  griff,  freilich  besitzen  wir, 
wie  man  mir  einwirft,  aufser  der  jungen  Nibelungenhs.  b  keine 
alten  illustrierten  hss.  zur  heldensage;  aber  beweisen  nicht  schon 
die  altnordischen  Siegfriedsbilder,  die  CSäve  beschrieben  und  er- 
klärt hat,  oder  die  Wielandsbilder  des  altenglischen  wallfisch- 
kästchens  für  eine  alte  Iradition,  die  schwerlich  zur  zeit  der 
buchillustrationen  plötzlich  erlosch?  —  beide  bilder  haben 
nur  erschlossene  sprechende  wappen  :  den  rost  und  den  türm; 
beide  haben  reich  stilisierte  bäume  und  verwante  anordnung.  für 
die  hauptGgur  des  ersten  gemäldes  müste  man  freilich  eine  starke, 
durch  die  bezeichnung  des  ^kirchherrn'  veranlasste  Umformung 
voraussetzen. 

y)  völlig  sicher  scheint  mir,  dass  das  schmiedebild  Hartmanns 
vStarkenberg  aus  einem  Encidbild,  wie  in  der  Berliner  hs.  79 
unten,  abgeschrieben  ist.  dort  hat  es  epische  begründung  :  Vulcan 
arbeitet  die  waffen  des  Aeneas  (Veld.  5671ff);  bei  Hartmann  nur 
metaphorische,  sprächen  noch  andre  Zeugnisse  für  die  benutzung 
gerade  der  Berhner  Eneide,  so  hatten  wir  hier  einmal  die  sichre 
quelle,  aber  so  sehr  auch  das  bild  des  Dürners  zu  Berl.  ms. 
Germ.  fol.  282  bl.  73  unten  stimmt,  so  sehr  Sigehers  und  Gott- 
fried vStrafsburgs  bilder  an  andre  gemälde  jener  typischen  epenhs. 
gemahnen  —  die  Zeugnisse  sind  doch  zu  spärlich,     wir  müssen 


218  MEYER 

eine  allere  lis.  mit  bildero  voraussetzen,  aus  der  ueben  diesen 
Zeichnungen  oder  wenigstens  der  zu  Starkenberg  auch  die  mi- 
niaturen  für  Wissenlo  und  Alram  vGresten  stanamen.  platz  dafür 
lüsst  ja  die  hsl.  Überlieferung  zur  genüge!  (vgl.  Behaghel  in  seiner 
ausgäbe  s.  xxxvi). 

ö)  das  unbezeichnete  bild  zum  Teschler  verrät  sich  schon 
durch  das  zeitdach  als  episch,  mir  scheint  hier  Ulrichs  vLiecbten- 
stein  wunderliche  Verhandlung  am  bell  der  geliebten  (Bechstein 
Str.  12200  illustriert,  neben  dem  bell  der  dame  kniet  die  niftel. 
hinter  Ulrich  steht  sein  Schildträger,  der  zwar  hier  nicht  erwähnt 
ist,  aber  aus  dem  abenteuer  mit  dem  auf-  und  abziehen  — 
Krislan  vllamlel  —  herüber  genommen  werden  konnte. 

£)  das  greuliche  bild  Hcssos  vRinach  kann  ein  altes  heiligen- 
bild  variieren,  wie  das  Eberhards  vSax.  es  kann  aber  auch  — 
freilich  recht  ungeschickt  —  darstellen,  wie  Ulrich  sich  unter  die 
aussätzigen  mischt  (Bechstein  str.  1126f);  schwerlich,  wie  Tristrant 
unter  die  siechen  trill  (Eilhart  v.  43150. 

^)  Sachsendorfs  vicrfiguriges  bild  mit  dem  arzt  möcht  ich 
nur  mit  einem  grofsen  fragezeichen  als  umgestallung  des  bildes 
einer  weiblichen  ohnmacht  oder  eines  plötzlichen  todes  —  etwa 
Blanscheflurens  im  Tristan,  oder  Herzeloydens  im  Parzival  — 
auslegen. 

rj)  dagegen  stellt  die  miniatur  zu  Jacob  vWarte  wol  sicher 
nichts  weiter  dar,  als  eins  joner  in  den  höfischen  epen  so  be- 
liebten bäder,  in  denen  die  beiden  von  mädchen  bedient  und  be- 
kränzt werden  (Alwin  Schultz  i  170).  nur  dass  der  dichter  als 
greis  dargestellt  wird,  bringt  einen  persönlichen  zug  hinein,  die 
wähl  des  bildes  könnte  auf  einem  Wortspiel  mit  dem  namen  ^Varte 
beruhen. 

^)  das  unbezeichnete  bild  des  Schulmeisters  von  Esslingen 
erinnert  an  die  professoren-  und  doctorenbilder  italienischer  Uni- 
versitäten; könnte  es  auf  ein  grabrelief  zurückgehn? 

i)  endlich  das  ganz  eigenartige  gemälde  zu  Eberhard  vSax  — 
wie  ganz  anders  sind  die  mönche  gehalten  als  etwa  bei  vdMure!  — 
halte  ich  einfach  für  ein  behebiges  gemälde  aus  einem  geistlichen 
werk,  eine  darstellung  von  irgend  einem  heiligen  dominicaner, 
dessen  heiligenschein  durch  die  inschriflrolle  —  kein  Spruchband  1 
der  name  steht  darunter  —  ersetzt  ist. 

g)  noch  bleiben  ein  paar  schlachtenbilder,  die  ich  nach  der 


miMAi]^  oa»  ftiM:^§E  £if» 


mii  .|>nyi«£mtfl  itesimiiitkna  ak^ 

■um  liiiriii^   (iiTii«fflWMRfay»*4i; ,   üiivifmlai^ 

MMi  ^^noid  jIbb'  ju8«vaiii  ^üii  ilmii  iiiiiiii  ^^soIl  cL  ^  >öicIk 

AOL  .^simaiit  iibIIil.  -iIh^   dvt  ndüpfiinlifsii  ira^mÜfttsMiii  imii  «iäi 
•dif  iKur  zur  -»»iff»*tf**»^^*«T!iw>f'  imoiidafii^ 

TttcL    Jtsmux:  «oic^   moilifai  vu!  ficiimi  «liBBi   iiiuk:?  m.tt  dit  £ii 

ara     um  ^warm^oL  iHR^peiieii  miHOtüt,   omiHsii   Ävt  miiumwaHsh  zh 

uvtcatr     tiF  ^fciriani-  inai  ä^leiiiiiBi  itgxaupBBi^taj  wurüfsiu  iuti  lamii 

iBuiiitcuk^i:  ^wem^rsr  guülisii  —  inaBiKtOi.  ^nutofeln,  amteifi^ 
t»iter'  —  ^scttfiuii  JBiiiiiflnsBi>  iiictii  üua^^ffiiiiiifiBtm.  iiir  dcb  ^ubsI' 
it^iinifc^  all'  liis?  ^sntssn.  liir  <aeii  iifauisr  •ots^  ibiuiL  -t^iiff  auj  •lifir 
«utt^ri  -i^iii  -eqritti  «icIj  nuu  die  r^JzinilK^  Hulpiitt;.  deiu  in^inui^ 
Ac*  -eiMteXU«!.  iüu&mniitutat '  oi  C  ,^«3011119  imniBus^iimai.  omni 
sus'  ^iTKÜia  stutü  HUT  ^  Iiüihst  «i^ku»  iliT  Offli  uDiles  cim^i*- 
ittsr  <siiii.  ^*t  iiMUij  ft^üiu  (WüiiiitinsiiidHai  &  ¥7  ■  annoiitni  wird 
HMx   -eziw^rsTkeL  jiHsäi  ^aaimai  üürkiiL.  — 

^üt  tten  SBdPFBnaüL.  ^»t^  ^ir  üdj  öarzu4Bp«i>  «^asiuxiikiiii. 
rriäii.  »«Oj  um.  ütir  imtwftiidtpiwii  iksr  jMstgirüiuii^  luicij  Üti  J5«visi 
jikisf9BMUift^    i#tiiieufiaBiif  Im^cii  ::  xuinii  ctfOL  iiiu^EngdiffiBlfflii  Wf^i 

ii  iifin  ^sp&ysL  |uiiici  m'jrc  «^uj  -tmit  ^wmM:  vursushi  4.4^1011111 
f^iii  ai#ir  iifi  2eis:imuiia&L  vaii  jliiipsT>en.  bUbt  iiai  muD  düswr  jtt 
auci  früiKT  «duni  auntnoiiiL  iibid  wirci  mixiL  ifsriMsnliiii  jtidesiiBil 
Z!  rxaufta  uaueii.  iii<  üb  iiüii  unkimdladiBii  i»*Bn  iao.  iMiuu  -tit'w» 
lif'  .^AMii  ^^üTkL.  ^lutsii  tspfikiii  SciMMsnsr  dickker.  üi*t!r  dfoi  dif 
ttamniHT  Ttrai;  ik»ü;  mufxcriciutia  «üui  ikiuaHsL.  «m  iiüii  "tgnBriHttj 
uf»irniif^  *L  "lariitm  wr'fL  üBst^  lua.  luii  ^nvi^  ül  iiaici  fiiMi  — 
^ok^  MrmtQhmiit*iL  ^usl  juii^liruiiuüij  «cüwefiioli  üun^fwUilki 
ttiuttu  —  .  -^t    okt!  naoi    ditaif  jniiiiauir  auclj  iürüBriini  jnfl  ^kib 

G^  ^t      ik:iil  üh  iluatrHUfreii  -v^fircHo:  -emeii  ^irclksL  wideT!aprui2li 


218  MEYER 

eine  allere  lis.  mit  bildero  voraussetzen,  aus  der  ueben  diesen 
Zeichnungen  oder  wenigstens  der  zu  Starkenberg  auch  die  mi- 
niaturen  für  Wissenlo  und  Alram  vGresten  stanamen.  platz  dafür 
lasst  ja  die  hsl.  Überlieferung  zur  genüge!  (vgl.  Behaghel  in  seiner 
ausgäbe  s.  xxxvi). 

ö)  das  unbezeichnete  bild  zum  Teschler  verrät  sich  schon 
durch  das  zeitdach  als  episch,  mir  scheint  hier  Ulrichs  vLiecbten- 
stein  wunderliche  Verhandlung  am  bell  der  geliebten  (Bechstein 
Str.  12200  illustriert,  neben  dem  belt  der  dame  kniet  die  niftel. 
hinter  Ulrich  steht  sein  Schildträger,  der  zwar  hier  nicht  erwähnt 
ist,  aber  aus  dem  abenteuer  mit  dem  auf-  und  abziehen  — 
Krislan  vllamlel  —  herüber  genommen  werden  konnte. 

£)  das  greuliche  bild  Hcssos  vRinach  kann  ein  altes  heiligen- 
bild  variieren,  wie  das  Eberhards  vSax.  es  kann  aber  auch  — 
freilich  recht  ungeschickt  —  darstellen,  wie  Ulrich  sich  unter  die 
aussätzigen  mischt  (Bechstein  str.  1126f);  schwerlich,  wie  Tristrant 
unter  die  siechen  tritt  (Eilhart  v.  43150. 

Z)  Sachsendorfs  vicrüguriges  bild  mit  dem  arzt  möcht  ich 
nur  mit  einem  grofsen  fragezeichen  als  Umgestaltung  des  bildes 
einer  weiblichen  ohnmacht  oder  eines  plötzlichen  todes  —  etwa 
Blanscheflurens  im  Tristan,  oder  Ilerzeloydens  im  Parzival  — 
auslegen. 

rj)  dagegen  stellt  die  miniatur  zu  Jacob  vWarte  wol  sicher 
nichts  weiter  dar,  als  eins  joner  in  den  höfischen  epen  so  be- 
liebten bäder,  in  denen  die  beiden  von  mädchen  bedient  und  be- 
kränzt werden  (Alwin  Schultz  i  170).  nur  dass  der  dichter  als 
greis  dargestellt  wird,  bringt  einen  persönlichen  zug  hinein,  die 
wähl  des  bildes  könnte  auf  einem  Wortspiel  mit  dem  namen  Warte 
beruhen. 

^)  das  unbezeichnete  bild  des  Schulmeisters  von  Esslingen 
erinnert  an  die  professoren-  und  doctorenbilder  itahenischer  Uni- 
versitäten; könnte  es  auf  ein  grabrelief  zurückgehn? 

i)  endlich  das  ganz  eigenartige  gemälde  zu  Eberhard  vSax  — 
wie  ganz  anders  sind  die  mönche  gehalten  als  etwa  bei  vdMure!  — 
halte  ich  einfach  für  ein  beliebiges  gemälde  aus  einem  geistlichen 
werk,  eine  darstellung  von  irgend  einem  heiligen  dominicaner, 
dessen  heiligenschein  durch  die  inschriftrolle  —  kein  Spruchband  I 
der  name  steht  darunter  —  ersetzt  ist. 

g)  noch  bleiben  ein  paar  schlachtenbilder,  die  ich  nach  der 


HADLAUB  UND  MANESSE  219 

iholichkeit  mit  den  RunkelsteioerD  mit  grOfserer  bestimmlheit  als 
frObere  fQr  freskencopien  halten  möchte  :  Johan  vBrabant,  das 
wQste  belageruDgsbild  zum  Düring  (unbezeichoei),  Buwenburgs 
raabzug  (deo  grund  der  auswahl  gibt  Baechlold  Gesch.  d.  d.  dich- 
tung  in  der  Schweiz  s.  159).  die  namenlose  graustifizeichnung 
uach  Otto  zem  Turo  haben  wir  dagegen  wegen  des  leeren  ober- 
raums   einer  andern  kategorie  angereiht.   — 

leb  glaube  nicht,  dass  die  zahlreichen  hypothesen  und  oft 
gewagten  bebauptungen,  die  wir  zur  einzelerkläruug  brauchten« 
das  gesamtresultat  fraglich  macheu.  dass  illustrierte  ausgaben  von 
epen  benutzt  sind,  machen  wol  schon  allein  bilder  wie  die  zu 
Wissenio,  Starkenberg,  Warte  sicher,  dass  liederbücher  mit  bil- 
dern  ihre  vorlagen  hergeben  musten,  zeigen  die  miuiaturen  zu 
Klingsor  und  Frauenlob  wol  mit  beweisender  krafl.  dass  ^bilder- 
bücher'  für  Hadlaub  und  Steinmar  herangezogen  wurden,  hat  nach 
dem  dargelegten  wol  grofse  wahrscheinlichkeil,  aber  auch  die 
inOglichkeit  weiterer  quellen  —  fresken,  grabtafeln,  andachts- 
liilder  —  scheint  mindestens  nicht  ausgeschlossen,  für  den  kunst« 
historiker  auf  der  einen,  für  den  kenner  des  mhd.  epos  auf  der 
andern  Seite  ergibt  sich  nun  die  reizvolle  aufgäbe,  dem  Ursprung 
der  'epischen  illuslrationen'  in  C  genauer  nachzuspüren,  denn 
dass  würklich  auch  nur  27  bilder  eigens  für  den  codex  compo- 
niert  sind,  wie  noch  Rahn  (Wanderstudien  s.  97)  annahm,  wird 
man  schwerlich  noch  glauben  dürfen.   — 

Aus  dem  Sachverhalt,  wie  wir  ihn  darzulegen  versuchten, 
ergibt  sich  nun  die  notwendigkeit  der  neuprüfung  auch  für  zwei 
allgemeiner  bedeutsame  fragen  :  nach  dem  biographischen  wert 
der  gemälde,  und  nach  dem  Ursprung  der  handschrift. 

In  dem  ersten  punct  wird  wol  eine  gewisse  vorsieht  geboten 
^eiu;  aber  bei  Zeichnungen  von  jüngerem  alter  hat  man  diese  ja 
auch  Trüber  schon  angewant.  man  wird  auch  fernerhin  jedesmal 
ZU  fragen  haben,  ob  das  bild  urkundlichen  wert  hat.  wenn  etwa 
für  Jakob  vWarte,  einen  späten  Schweizer  dichter,  über  den  die 
Sammler  recht  wul  unterrichtet  sein  konnten,  ein  bild  epischen 
Ursprungs  so  variiert  wird,  dass  nun  ein  greis  im  bad  sitzt  — 
wobei  vurslellungen  vom  juugbronnen  schwerlich  mitgewürkt 
haben  — ,  so  darf  man  diese  miuialur  auch  fürderhin  mit  ganz 
demselben  recht  verwerten,  wie  da  sie  für  den  dichter  neu  ge- 
malt galt,    denn  die  illustratoren  werden  einen  grellen  Widerspruch 


220  MEYER 

zwischen  leben  und  bild  vermieden  haben,  wo  sie  eben  von  der 
biographie  selbst  etwas  wüsten,  die  minialur  zu  Regenbogen  be- 
zeugt wol  nicht  mit  bestimmtheit,  dass  er  ein  schmied  war,  son- 
dern nur,  dass  er  dafür  galt  (vgl.  Roethe  ADB  27^  547);  dies 
jedesfalls  nicht  unbeträchtliche  Zeugnis  würde  aber  auch  dann  zu 
beachten  sein,  wenn  das  bild  nicht  zu  den  sehr  wenigen  würk- 
lichen  originalcompositionen  zu  gehören  schiene.  —  als  wertlos 
dürfen  in  litterarhistorischer  hinsieht  alle  gemälde  gelten,  in  denen 
nur  aus  einem  vers  oder  dem  namen  (wie  bei  Otto  zem  Turne) 
das  bild  abgeleitet  ist;  uud  die  ganz  allgemein  gehaltnen  genre- 
bilder  haben  auch  sonst  schon   nichts  specielles  lehren  können. 

Darf  man  an  ein  groteskes,  aber  wie  mir  scheint  lehrreiches 
neueres  beispiel  erinnern  ?  als  Kortum  seine  Jobsiade  mit  allen 
steifen  holzschnitten  von  tabaksdüten  und  kinderfibeln  schmückte, 
muste  er  natürlich  immer  (wo  nicht  einmal  gerade  der  mangel 
an  Übereinstimmung  komisch  würken  sollte)  bilder  wählen,  die 
zum  text  einigermafsen  passten.  wenn  er  gleich  über  die  vor- 
rede das  bild  des  schreibenden  evangelisten  setzt,  so  ist  das  ganz 
dieselbe  manier,  mit  der  die  lieder  des  Schulmeisters  von  Esslingen 
in  C  illustriert  werden,  das  bild  beweist  eben  nur,  dass  der 
Schulmeister  für  einen  Schulmeister  gehalten  wurde,  aber  mehr 
hat  man  auch  nie  daraus  entnehmen  können. 

Wichtiger  dürften '  unsre  nachweise  für  die  vielumstrittene 
frage  nach  der  entstehung  unsrer  grösten  liederhs.  sein,  freilich, 
dass  zwischen  den  liederbüchern  und  den  grofsen  Sammlungen 
kleinere  standen,  hat  von  JGrimm  (Kl.  sehr,  vi  239)  und  Uhland 
(Schriften  v  272)  bis  zu  Bartsch  (Schweizer  minnesinger  s.  clxxxix) 
und  Bahn  (aao.  s.  88)  wol  niemand  bezweifelt,  durch  die  Unter- 
suchungen Apfelstedts  und  Oechelhäusers  (N.  Heidelb.  jbb.  3, 152f) 
ist  das  vollends  sicher  gestellt,  aber  um  so  stärker  ist  der  ort 
der  redaclion  neuerdings  in  frage  gezogen  worden.  vWyss  hat 
wol  zuerst  wider  energisch  gegen  die  bezeichnung  der  ^Manessi- 
schen hs.'  einspruch  erhoben,  die  GKeller  für  'Hadlaub'  mit  einem 
so  köstlichen  act  htterarhistorischer  cabinetsjustiz  verteidigt  hatte, 
jenem  folgen  FXKraus  (Die  minialuren  der  Manesseschen  liederhs. 
s.  15f),  obvvol  er  im  titel  seiner  publicatiou  die  Züricher  an- 
sprüche  anerkennt,  und  —  ohne  begründung  —  FrPfaff  (Die  grofse 
Heidelberger  liederhs.  in  getreuem  textabdruck).  aber  auch  PfafT 
spricht  für  die  nähe  von  Zürich,   auch  Kraus   erkennt  an,   dass 


HADLAUB  UND  MANESSE  22t 

die  aosprQclie  Rüedegers  denen  des  bischofs  Heinrich  vConstanz 
die  wage   halteD.    was  er  für  Constanz  anführt  -^  die  ähnhchkeit 
der  mioiatureo  mit  dortigen  Wandgemälden  —  hat  für  unsce  fresko- 
bjpotheseo    bedeutung;    unmittelbar   beweisend   ist  es  nicht,    da 
abzeichnUDgeD  bemitzt  sein  können,    hätte  gar  Uhland  mit  seiner 
aDDabme  recht,  dass  B  direct  für  C  benutzt  sei  —  was  ich  aller- 
dings Dicht  glaube  — ,  so  fiele  dies  argumeut  ganz  fort,  wie  auch 
das,  das   Kraus  aus  dem  auftauchen  der  Weingartner  hs.  in  Con- 
staoz  zieht,     nach  Schröder  (Zs.  43, 188)  waren  freilich  die  quellen 
fOr  B  UDcJ  C  in  Constanz  und  deshalb  tritt  er  dem  grafen  Zeppelin 
bei,  der   für  Constanz  kämpft. 

Unsre    betrachtungen  liefern  nun  aber^  wie  uns  scheint,  be- 
deutsame   stützen   für  die   alte   meinung    ßodmers,    die  ja   auch 
JGrimm    und  Uhland   (aao.)   trotz   gegenteiliger  bedenken   geteilt 
habeo.       selbst    aus    Scherers    Worten    (Gesch.  d.  d.  litt.  s.  220) 
möcbt    ich    trotz   der   Wendung  ^die  sogenannte  Manessische  hs/ 
(s.  737)  eine  leise  neigung,  für  Maness  zu  stimmen,  herauslesen. 
Dun  machen  aber  wol  unsre  nachweise  die  annähme  unvermeid- 
lich, am  ort  des  entstehens  sei  eine  mhd.  bibliothek  —  so  dürfen 
wir  uns  wol  ausdrücken  -^  vorhanden  gewesen,    das  erklärt  denn 
auch  den  Jweiten  abstand  der  Stile,  den  Bahn  (s.  92)  betont :  die 
oiiniatureD  konnten  auf  ältere  oder  auch  schon  benutzte  quellen 
zurückgreifen,  mit  der  einzigen  bedingung,  ein  schon  einmal  co- 
piertes  bild  nicht  zu  widerholen  (während  bei  den  epen  die  wider- 
kehr des  bildes  erlaubt  scheint),    sie  konnten  wechselnden  modeu 
folgen  oder  den  eigenen   geschmack  durchsetzen,   treu  oder  frei 
abzeichnen   —    mit  der  feststellung  der  vorlagen  haben  all  diese 
kunsigeschichtlich  wichtigen   probleme  nichts  zu  tun. 

Dürfen  wir  nun  Uadlaubs  zeugnis  so  kühl  ignorieren: 

Wk  vund  man  sament  so  nianic  liel? 
man  vuDde  ir  nicht  im  künicriche, 
als  in  Zürich  an  buocheD  stat. 

Ein  Sänger  wie  Hadlaub  konnte  darüber  schon  bescheid 
wissen,  noch  mehr  sein  gOnuer;^  Püterich  vBeicherzhausen  fand 
ja  auch  die  concurrenten  heraus  und  trat  mit  ihnen  in  Verbin- 
dung, und  der  weitere  vers:  'des  prüeft  man  dick  dd  meister- 
tand!  eine  mustersammlung  wollte  nach  Hadlaubs  bericht 
Büedeger  herstellen,  an  der  die  dichter  das  rechte  singen  studieren 
konnten,   den  'meistersang*  —  dann    anders   heifst   es   hier   doch 


222  MEYER  IIADLAÜB  UND  MANESSE 

nicht,  trotz  Bartsch  (aao.  s.  cluxix).  sein  ganzer  schätz  an  buch- 
illustrationen  ward  aufgeboten,  um  diese  sanomlung  würdig  aus- 
zustatten, wie  natürlich,  dass  Zeitgenossen  und  günsüinge  wie 
Steinmar  und  vor  allem  (ladlaub  ihm  entgegenkamen,  indem  sie 
ihm  schön  ausgestattete  iiederbücher  dedicierten,  und  dass  Had- 
laub  die  gelegenheit  benutzt,  um  dem  mäcen  mit  jenen  versen 
ZU  huldigen  I 

Ein  bedenken  bleibt,  es  sind  grofsenteils  gerade  Schweizer 
Sänger,  die  mit  entlehnten  bildern  beschenkt  werden :  der  Teschler, 
Rost,  Pfeffel,  Wart  ua.  man  wird  einwenden:  waren  nicht  ge- 
rade hier  leicht  originalbilder  zu  erhalten?  ich  glaube  nicht, 
es  sind  kleine  dichter,  die  man  aufserhalb  der  Schweiz  schwer- 
lich überhaupt  nur  in  das  goldene  buch  eingetragen  hätte,  hier 
fanden  sie  sie;  aber  ^ikonischer  porträts'  auch  nur  im  sinn  der 
ältesten  lyrikerminiaturen  wurden  sie  nicht  gewürdigt. 

Und  so  kämen  wir  denn  auf  meister  Gottfried  zurück  — 
nicht  den  von  Strafsburg,  sondern  den  von  Zürich,  er  blieb  bei 
Manesses  titeln  'obgleich  ein  schulfuchs  neulich  den  ton  angab, 
Rüedeger  sein  verdienst  streitig  zu  machen  —  ein  bakel,  welchem 
das  werk  selbst  doch  nach  500  jähren  noch  quelle  und  Werk- 
zeug seiner  tagesarbeit  wurde'  (Züricher  novellen  s.  23).  der 
Stadtschreiber  von  Zürich  hat  der  bücherei  Manesses  ^uch  den 
Parzival  und  den  Tristan  einverleibt  (s.  55),  die  kampfscenen 
freilich  (s.  105.  154)  anders  erklärt,  hübsch  wäre  es  doch,  wenn 
die  Züricher  dichter  recht  behielten,  Bodmer  und  Keller,  und 
wenn  herrn  Manesse  sein  alter  rühm  neubefestigt  zuerkannt  wer- 
den dürfte  I 

Berlin.  RICHARD  M.  MEYER. 

BLATTFÜLLSEL. 
In  Konrads  v Würzburg  Schwanritter  ist  zu  lesen: 
108  flöz  sf.  flouc,  —  114  gtzüge  ah  dem  vü  starken,  vgh  157. 
191.  —  614.  15  mit  Umstellung  :  daz  dirre  strit  gescheiden  sol 
mit  kämpfe  werden  hiute,  vgl.  589.  —  787  min  alte  veter 
hänt  Verlan  st.  altfater  der  hs.,  vgl.  Silv.  3369  dine  veter  alt.  — 
die  verse  1113.  14  unde  sprächen  beide  dö  mit  fretiden  wider  in 
a^dsind  ein  unschöner  Schreiberzusatz.  — 1282  der  selbe  wunnec- 
liehe  swan  st.  minnecliche,  E.  SCU. 


zu  GENESIS  UND  HELIAND. 

Ich  habe  die  Genesisresle  des  Valicanus  zum  ersten  male 
auffflerksam  gelesen  und  mit  dem  Heliaud  verglichen,  naclidem 
oir  bereits  die  recensioo  von  Sievers  Zs.  f.  d.  phil.  27,  534  fr  be- 
kannt war,  und  ich  habe  das  bestimmte  und  gerade  von  dieser 
Seite  besooders  eindrucksvolle  urteil,  dass  wir  es  in  der  as.  Ge- 
uesis  mit  einem  andern  aulor  als  dem  dichter  des  Heiland  zu  tun 
haben,  durchaus  bestätigt  gefunden,  aber  ich  bin  dabei  doch  den 
wünsch  Dicht  los  geworden^  es  möchte  aus  der  regsamen  be- 
schäftiguDg  mit  dem  neugefundenen  denkmal  und  der  neubewerteteu 
as.-ags.  Genesis  B  heraus  auch  ein  oder  der  andre  greifbare  beweis 
fDr  die  Verschiedenheit  der  autoren  geboten  werden,  und  dieser 
wünsch  ist,  soviel  ich  weifs,  bisher  unerfüllt  geblieben  :  Hies  Zs. 
40, 287  f  und  Pachaly  Variation  im  Heiiand  und  in  der  as.  Genesis 
s  108  und  111  glauben  nur  eben  die  Wahrscheinlichkeit  erbracht 
zu  haben,   dass  wir  mit  verschiedenen  äutoren  rechnen  müssen. 

Unter  diesen  umständen  scheint  ein  fündlein  von  bedeutung^ 
(las  mir  die  lectüre  der  ags.  Genesis  (im  Zusammenhang  ihrer 
öberheferung)  eingetragen  bat  und  das  ich  im  weitern  verlauf  der 
beobachtuog  zu  einem  festen  kriterium  gestaltet  zu  haben  glaube. 

Indeqa  ich  die  geschichte  Adams  im  para diese  überblickte, 
fiel  es  mir  auf,  dass  an  den  aufsenrändern  der  as.  interpolation  der 
(m.w.  bisher  unerklärte)  ags.  name  für  den  aufenthaltsort  der  ersten 
menschen  :  neorxnawong  recht  oft  erscheint  ^  :  v.  171.  208.  217.  — 
S54.  889.  929.  944  (dann  noch  einmal  1^24),  während  er  in 
dem  altsächsischen  stücke  gänzlich  fehlt,  nun,  das  hat  wahr- 
scheinlich schon  1875  Sievers  gesehen,  wenn  er  es  auch  für  seine 
absichtlich  knapp  gehaltene  und  auch  so  völlig  ausreichende  be- 
weisführung  (Der  Heiiand  und  die  ags.  Genesis)  nicht  mitverwertet 
baL  was  aber  merkwürdiger  scheint,  ist  die  tatsache,  dass  der 
Verfasser  von  Genesis  ß,  wie  er  den  altheidnischen  ausdruck 
Aiorxnawang  nicht  kennt,  auch  die  anwendung  des  fremdworts 
paradisus  vermeidet,  obwol  ihm  doch  die  darstellung  des  sünden- 
falls  dazu  reichlichen  anlass  gab.     beständig  wird   der  aufenthalt 

*  ich  eitlere  nach  Grein-Wulker,  erinnere  aber  daran,  dass  nach  v.  167 
ein  stück  vom  umfang  dreier  Matter  ausgefallen  ist,  das  die  belege  noch 
gehäuft  —  und  uns  möglicher  weise  bei  erster  einfuhrung  den  ausdruck 
neorxnawong  erläutert  haben  dörfie. 


224  SCHRÖDEK 

Adams  und  Evas  weit  uod  allgemein  umschrieben  :  v.  395  hat 
ihnen  GoU  gemearcod  änne  middangeard  [doch  vgl.  hierzu  Braune 
in  den  Neuen  Heidelb.  jahrbb.  4,  227],  419  wohnen  sie  oti  eori- 
rice  mid  welan  bewunden,  434  rechnet  Lucifer  mit  der  möglich- 
keil :  gif  htm  pCBt  rice  losai,  454  sucht  er  den  Adam  on  eoririce 
auf,  und  ohne  dass  eine  genauere  angäbe  des  locals  folgt,  wird 
nun  das  sorgenfreie  dasein  der  ersten  menschen  geschildert,  nach- 
her ist  wol  die  rede  von  grene  geardas  (511),  und  nach  der  er- 
kenntnis  des  Sündenfalls  fordert  Adam  die  Eva  Siui : 'uton  gän  on 
pysne  weald  innen*  (839),  ''on  pone  grenan  weald*  (841),  aber 
nirgends  findet  eine  genauere  bezeichnung  ihres  ersten  aufent- 
haltes  statt :  der  dichter  begnügt  sich  mit  den  aller  allgemeinsten 
ausdrücken,  wie  ihm  der  Stabreim  sie  nahelegte  :  on  eoririce  (zu 
Adam  und  Eve  522.  548),  on  pdm  (p^s)  lande  (zu  libban  7S7. 
805).  es  ist  klar,  dass  er  das  wort  paradisus  (das  er  selbstver- 
ständlich kannte)  mied  und  ein  heimisches  ersatzwort,  wie  es  die 
angelsächsischen  kunstgenossen  besafsen,  nicht  zur  Verfügung 
hatte,  für  die  Vermeidung  des  latein.  Wortes  liefse  sich  freilich 
ein  stichhaltiger  grund  anführen  :  die  Schwierigkeit,  es  im  Stab- 
reim zu  verwenden,  kommt  doch  in  der  gesamten  ags.  poesie  der 
guten  zeit  kein  j?-reim  vor  und  verfügen  die  617 -j- 332  verse 
der  as.  Genesis  auch  nur  über  die  eine  verbalform  plegode  B  724. 
für  den  Helianddichter  freilich  scheint  auf  den  ersten  blick  diese 
Verlegenheit  nicht  zu  existieren  :  er  verwendet  paradise  :  Petrus 
3136  (ohne  anlass  der  quelle)  und  ;  pine  5606  (=  Luc.  24,  43) 
und  hat  alles  in  alleia  9  langzeilen  mit  p-reim  (2933  Petrus :  pine. 
4951  Petrus  :  portun,  5129  Pilatus  :  Ponteo  lande.  5142  u.  5259 
pdscha :  Pilatus.  5179  päschadage :  Pilatus.  5304  palencia :  Pilatus), 
ja  er  bietet  auch  aufserhalb  des  reimes,  von  den  eigennamen  ab- 
gesehen, 9  i^lle  von  p-anlaut.  aber  mau  sieht  alsbald,  dass  von 
jenen  9  p-zeilen  8  durch  den  eigennamen  aufgezwungen  sind, 
und  dass  fast  die  ganze  hälfte  des  gedichts  —  bis  v.  29321  — 
von  dieser  seltnen  allitteration  frei  geblieben  ist.  ja  es  ergibt 
sich  etwas  für  die  psychologie  des  reimgedächtnisses  höchst  lehr- 
reiches :  auch  die  sämtlichen  ßille,  in  denen  ein p-wort  au fs erhalb 
des  reimes  vorkommt,  gehören  der  zweiten  hülfte  des  Heliand  an: 
porta  3072'.  palmun  3677".  pdscha  4203".  4459".  4562^  plegan 
547S^  5482^  5485^  peda  5548^  dh.  erst  unter  dem  zwange, 
für    die    häufig   vorkommenden   eigennamen   Petrus    und   Pilatus 


zu  GENESIS  UND  HELIAND  225 

passende  stabwOrter  zu  findeD,  sammelte  der  Verfasser  in  seinem 
ledächtois  eioeo  kleineD  verrat  von  Wörtern  mit  p-Buhui,  fremden 
wie  beimischen,  an^  die  ihm  nun  bis  zum  ende  der  arbeit  gegen- 
wärtig blieben,  so  war  es  ihm  möglich^  den  Pilatus  alle  5 mal 
glQcklich  im  Stabreim  unterzubringen,  der  Petnis  machte  ihm 
mehr  Schwierigkeiten,  deren  er  nur  3 mal  durch  einen  p-reim 
berr  geworden  ist.  es  ist  interessant  zu  beobachten^  wie  er  sich 
anderweit  beholfen  hat.  entgegen  der  biblischen  quelle,  welche 
bei  einer  nennung  von  zwei  Jüngern  den  Petrus  stets  an  erster 
stelle  hat,  versteckte  er  ihn  bei  den  drei  ersten  vorkommen  hinler 
Andreas  :  Andreas  endi  Petrus  1153'.  1166*.  1256%  gegen  schluss 
der  dichtung  ebenso  oft  hinter  Johannes  :  Johannes  endi  Petrus 
4937*.  5895^  5911';  einmal  half  er  sich  mit  sancte  Peter  aus: 
3069*;  19  mal  griff  er  zu  Simon  Petrus  :  3054'.  3093^  3108^ 
31S7\  3196'.  3201'.  3210'.  3306'.  4508*.  4516'.  4598'.  4673^ 
4S66^  4883'.  4960'.  4992'.  4994'.  5835^  5898^  und  schliefs- 
lich  bat  er  einmal,  die  regel  für  den  hauptstab  verletztend,  den 
Damen  an  das  ende  der  langzeile  gebracht  :  Thö  frdgode  Petrus 
324 1^ 

Haben  dem  Helianddichter  die  paar  namen  mit  p-anlaut  so 
viel  Schwierigkeiten  bereitet,  so  wäre  es  immerhin  nicht  ausge- 
schlössen,  dass  der  unter  ihrem  zwange  zeitweise  präsent  ge- 
haltene verrat  von  stabwörtern  in  seinem  gedächtnis  bald  zurück- 
getreten war  und  er  in  einer  spätem  dichtung  (denn  das  müste 
ja  die  Genesis  unbedingt  seini)  dem  wprte  paradisus  wider  mit 
ähnlichem  Unbehagen  gegenüberstand,  wie  s.  z.  dem  bösen  Petrus. 
ein  beweis  gegen  die  Identität  ist  also  aus  der  fernhältung  dieses 
einen  wortes  nicht  zu  holen,  allerdings  wird  jeder,  der  seinen 
Heliaod  kennt,  mir  zugestehn,  dass  das  Ungeschick,  mit  dem  der 
Genesisdichter  den  begriff  ^paradies'  in  weitem  bogen  umkreist, 
dem  dichter  der  altsächsischen  evangelienharmonie  nicht  zuzu- 
trauen ist :  wo  diesem  auch  nur  die  Vorstellung  davon  auftaucht, 
bat  er  gleich  zwei  charakteristische  Variationen  :  3135  f  was  thar 
gard  gödlic  endi  gröni  wang,  paradise  gelte,  —  überhaupt,  wo 
bleibt  in  der  Gen.  dies  wang,  ein  lieblingswort  des  Heiland? 

Ich  wende  mich  vom  paradies  zur  hölle.  das  ist  nun  ein 
wort,  das  in  der  Genesis,  deren  reste  nicht  ganz  ein  sechstel  vom 
umfang  des  Heliand  (949  gegen  5983  verse)  ausmachen,  gleich 
häufig  vorkommt,  wie  in  der  grofsen  dichtung  :  ich  zähle  im  He- 


226  SCHRÖDER 

liaod  für  hel(l)  und  hellia  22  belege  ^  dazu  5  mit  hei-,  helli-  im 
compositum^,  zusammen  27;  in  der  Genesis  Vat.  sind  es  2^ 
in  Gen.  B  20  U\r  helle*,  6  für  composita ^  also  in  allem  28.  es 
verdient  bereits  hervorgehoben  zu  werden,  dass  unter  den  belegen 
für  das  Simplex  im  Hei.  nur  2,  in  der  Gen.  9  von  jedesmal  22 
aufserhalb  des  Stabreims  stehn^.  viel  interessanter  aber  ist  eine 
beobachtung,  die  wir  mit  der  Variation  des  begriffs  machen,  unter 
den  verschiedenen  ausdrücken  für  Miölle'  (vgl.  Sievers  ausgäbe 
s.  424)  folgt  im  Heliand  auf  hei,  hellia,  hellt-  als  näcbsthäufig  das 
fremdwort  in  fern  1490.  2641;  gekürzt  fern  899.  1276.  2141. 
2510.  3358.  3368.  3401,  dazu  comp,  fern-dalu  1115,  also  mit 
zusammen  10  belegen.  8  mal  steht  fern  resp.  in  fem  unmittelbar 
als  Variation  vor  oder  nach  hei,  hellia  :  898.  99  an  hellia  .  .  ,  an 
fem;  1275.  76  wii  hellie  gethwing  . . .  wii  them  ferne;  1490.  91 
te  them  in  ferne  ...  an  helligrund;   2510.  11  ferne  te  boime,  an 

thene  hetan  hei;  2639.  41  hellie  finres an  themu  in  ferne; 

3357.  58  an  thene  snarton  hei,  an  that  fern  innen;  336S.  70  an 

thit  fern  innan an  thesaru  helliu;   34.00.  Ol  an  thea  hell 

innen,  an  that  fem  faren. 

Die  Genesis  aber  kennt  dies  infem  resp.  fern  ganz  und  gar 
nicht,  während  ihr  die  sonstigen  synonyma  und  Variationen  für 
hölle  wohl  geläufig  sind  7.  freilich  legt  uns  Gen.  B  ein  paarmal 
die  Versuchung  nahe,  ein  fpr  der  ags.  Überlieferung  durch  fem 
zu  ersetzen,  vgl.  bes. 

Gen.  B  330 f  tccBroji  pd  befeallene     f$re  tö  botme 

on  pd  hdtan  hell, 
und  361  { pCBt  he  iis  heefi  befylled     f^re  tö  botme 

helle  p&re  hdtan, 
mit  Hei.  2510 f  elcor  bifelliad  sia  ina     ferne  te  boime, 

an  thene  hetan  hei. 
aber  nicht  nur  bleibt  an  beiden  stellen  der  Gen.  der  sinn  auch 
bei  f^r  gut,  in  330  wird  sogar  fpr  verlangt :  denn  eben  der  be- 

»  vv.  898.  1038.  1275.  1778.  2081.  2145.  2511.  2601.  2639.  3072.  3078. 
(3357).  3364.  3370.  3384.  3388.  3400.  4446.  4922.  5169.  (5429).  5433. 

«  945.  1500;  1483;  1491;   5774.  ^  (2).  (79).  *  304.  (308). 

(312).  (319).  324.  331.  348.  362.  368.  377.  (389).  439.  (529).  718.  721.  732. 
746.  (761).  764.  (792).  *  303;  373;  38ü.  447;  696;  775.  «  sie  sind 

oben  in  anm.  1  und  3.  4  eingeklammert.  ^  das  würde  man  aus  einem 

'Formel Verzeichnis'  wie  dem  von  Sievers  leicht  erkennen;  bei  Fachiiy,  der 
überdies  Gen.  B  bei  seile  lässt,  tritt  es  (s.  79)  nicht  zu  tage. 


zu  GENESIS  UND  HELIAND  227 

griff  der  feuerhOlle  ist  es,  der  im  folgenden  näher  ausgeführt 
wird  :  333  f  /«ps  liges  ful,  fpres  f&r  micel  wir  werden  also  an- 
oehmeo  dQrfen,  dass  der,  welcher  in  der  nachbildung  des  Heliand- 
▼erses  2510  ftme  durch  f^e  ersetzte,  schon  der  nachahmer  selbst, 
der  Geoesisdichter,  war,  und  nicht  erst  der  angelsächsische  um- 
schreiber.  und  dies  wird  nun  durch  einen  ausblick  auf  den 
fremdwOrterbestand  in  Heliand  und  Genesis  bestätigt. 

Die  Genesisfragmente  V  und  B  bringen,  wenn  wir  einmal  von 
deo  sehr  frOh  und  jedesfalls  lange  vor  einer  würksamen  christlichen 
mission  eingebürgerten  Wörtern  ^engel'^  und  Ueufel'^  absehen, 
oar  ein  einziges  fremdwort,  in  6inem  beleg  :  clüstro  acc.  pl. 
B416  —  und  dies  ist  mit  dem  Heliand  und  mit  den  Angelsachsen 
(seit  CynewulO  gemein. 

Der  Heliand  hingegen  bietet  bei  freilich  sechsfachem  um- 
fang ein  recht  stattliches  material  an  fremdwOrtern.  ich  will  es, 
ohne  mich  auf  erOrterungen  über  alter  und  natur  der  entleh- 
Dung  einzulassen,  hier  alphabetisch  geordnet  aufführen,  indem 
ich  die  zahlen  derjenigen  verse  hinzufüge,  in  denen  das  fremde 
wort  im  Stabreim  steht,  und  da,  wo  noch  belege  aufserhalb  der 
allitteration  hinzutreten,  die  gesamizahl  in  klammer  vorausstelle: 

alamösna  1226.  1556.  —  biskop  4146.  4470.  4941.  5081. 
5098.  —  bref  230.  352.  —  disk  3020.  3342.  —  ekid  5645.  — 
eidcoro  861.  —  evangelium  13.  —  fakla  (1).  —  fern  899.  1276. 
2141.  2510.  3358.  3368.  3401;  fern-dalu  1115.  —  figa  1743. 
—  in  fem  1490.2641.  -  karkari  2723.  4400.  4680.  —  kastei 
5959.  —  kelik  4764.  —  kesur  (19)  62.  66.  342.  351.  3809. 
3824.  5127.  5209.  5252.  5363.  5557.  5723;  kesur  -  dorn  mb. 
2890;  dazu  adalkesur  (2)  und  u?oroM-^eswr  (l).  —  klüsiar  46^0; 
klAstßrbendi  2723.  —  köp  (2);  köp-stedi  1191.  3736.  —  köpon 
i-^an),  far-  (8)  3525.  4462.  4577.  4606.  4806.  4837.  —  kristin 
2426.  3074.  —  crüci  4462.  5329.  5347.  5374.  5418.  5438. 
5508.  5535.  5551.  5562.  5567.  5584.  5624.  5630.  5634.  5725. 
5820.  5859.—  iiUi  1681.  —  mangon  3737.  —  merigrüa  1721.  — 
mäier  30.  3192.  3258.  —  mnniteri  3737.  —  muniton  3823.  — 
müra  3626-  —  myrra^lb.  —  nön,  nöna  3420.  3491.  5631.  — 
Mundeo  3299.  -r-  ark  2009.  —  palencea  5304.  —  pdma  (1).  — 

«  «7?^/7,  enget  V  8mal  (3mal  allilterierend),  B  12mal  (9m8l  allilf.), 
dazu  engeleynn  B  246. 

^  deofol  B  7  mal  allitleriereiid. 


^2S  SCHRÖDER 

paradisiil)  3136.  5606.  —  päscha  (5)  b\A2.b2b9;  päschadag  5179. 

—  plna  2933.  5606.  —  portä  (2)  4951 ;  dazu  himil-porta  (1).  — 
segina  2629.  —  seginon  2042.  —  sikur  1720.  3875.  4209.  5440. 
5477.  5595.  —  sikoron  892.  —  föt-skamel  (1).  —  skriban,  bi-, 
gi-  (17)  752.  1085.  5311.  —  sokri  (1).  —  spumxa  5648.  — 
strdla  (5)  2399.  5462.  —  tim  1195.  3190.  3207.  3810.  5189. 

—  tolna  1195.  —  tresurhüs  3766. 

Das  sind  im  ganzen  49  arlikel  mil  insgesamt  160  belegen 
(1:37 — 38  verse);  die  120  slabreimtelege  entfallen  auf  116  verse 
(1  :  51—52  verse),  denn  es  kommt  widerliolt  vor,  dass  die  allittera- 
lion  durchaus  von  fremdwörtern  getragen  wird;  2723  karkarea  : 
kliistarbendiun ,  4680  carcaries  :  chUtron^;  3737  mangodun  — 
manages  :  muniterias;  5606  paradpse  :  pinu. 

Sehen  wir  uns  die  Verwendung  dieses  fremden  sprachgutes  näher 
an,  so  können  wir  die  beobachtuog,  die  wir  oben  über  hellia  und 
infern  {fem)  machten,  öfter  widerholen  :  soweit  die  fremdwörter 
nicht  direct  durch  die  quelle  verlangt  oder  herbeigerufen  sind 
oder  sich  unter  dem  zwange  der  allilteration  eingestellt  haben, 
dienen  sie  als  erwünschte  bereicherung  des  Variationsapparats: 
da  treffen  wir  direct  neben  einander  disk  und  biod  3020.  21 ; 
segina  und  fisknet  2629.  30;    bref  gemrkean,    namon  giskriban 

writan  .  .  .  wordgimerkiun  230 — 233 ;  pine  tholon,  watares 

tciti  2933.  34;  mangodun  .  .  .  habdun  iro  wesl  garu  te  gebanne 
3737.  38 f.  —  den  helldoroji  5774  entsprechen  die  hellie  portun 
3072,  und  umgekehrt  folgen  auf  die  himiles  dwru  985  später  die 
himilportun  1799.  aus  alledem  sieht  man,  wie  vertraut  ein  grofser 
teil  dieses  Wortschatzes  dem  Helianddichter  bereits  ist.  und. wenn 
diesem  reichtum  und  dieser  leichten  Verwendbarkeit  der  lehn- 
wörter  und  fremdwörter  ein  fast  absoluter  mangel  in  der  Genesis 
gegenübersteht,  so  ist  das  unter  allen  umstülnden  auffällig,  man 
kann  gegen  recht  viele,  ja  gegen  die  meisten  obigen  Wörter  sofort 
einwenden,  dass  sie  im  rahmen  der  alttestamentlichen  dichtung 
(oder  doch  unsrer  bruchstücke)  keine  Verwendung  fanden,  man 
kann  das  fernbleiben  jedes  einzelnen  Wortes  erklären  oder  ent- 
schuldigen, aber  man  wird  nie  und  nimmer  behaupten  können, 
dass  der  Helianddichter  in  einem  spätem  werke  siph  eines  recht  we- 
sentlichen bestandteils  seines  Wortschatzes  entäufsert  oder  enthalten 
habe,     denn  selbstverständlich  ist  mit  jenen  49  Wörtern  der  be- 

*  derselbe  reim  düstre :  carcernes  bei  Gynewalf  Jul.  236. 


zu  GENESIS  UND  HELIAND  229 

flitz  des  diehters  «i  fremdem  sprachgut  nicht  erschöpft :  er  ver- 
fOgte  Qber  weil  mehr  derartige  wOrter,  und  für  manches,  das 
er  im  Heliräd  anzuwesdeo  keine  gelegenbeit  fand,  hätte  sich  %m 
in  der  Genesis  der  piMz  von  seihst  geboten. 

Die  saebe  bat  aber  auch  noch  ihre  euhurbistorisch  interessante 
seile.  TOD  jenen  49  lehn-  und  fremdwOrtern  des  Heliand  -—  ich 
beume  nochmals,  dass  mich  eine  genauere  scherdung  zu  weit 
Muren  würde  —  finden  wir  im  Tatian  und  bei  Otfrid  die  toU 
geadeD  wider^  :  ekmatyna  0  (alamosan  schon  gl.  K).  —  biscof 
TO.  —  triaf  0,  gebrieoen  T.  —  disk  TO.  —  ezzih  TO.  — 
äum^dim  0.  —  faecala  TO.  —  figa  TO.  —  carcäri  TO.  — 
kutd  O.  —  keisur  TO.  —  kekk  TO.  —  couf  TO.  —  coufen 
{-im  T)  (fir-  0)  TO.  —  ctüci  TO.  —  kri^in  0.  —  lilia  TO.  — 
merigrioz  T.  —  meis$ar  TO.  —  munizzeri  TO.  —  munizön  0. 
—  m&ra  0.  —  myrra  TO.  —  ndna  O.  —  olbenta  T.  —  pa- 
Imxa  0.  —  palma  0,  palmboum  T.  —  parad^8(t)  0.  —  pirui 
(kOi-pliia)  0.  —  porta  0,  phorta  T  {helU-porta  0,  hella-phorta 
T).  —  s^'iM  T.  —  se^nd»  TO.  —  sicAor  0.  —  iichordn  T.  — 
iCBBuU  T.  —  serldon  TO.  —  «sfert  TO»  —  «ptm^a  T.  —  sträza 
TO.  —  «ins  TO.  —  Äoi  T.  —  tresohüs  T  (dreso  0). 

Wir  können  also  aus  beiden  werken  zusammen  42  dieser 
«Orter  belegen,  wenn  auch  nicht  durchweg  in  der  genau  ent- 
^rechenden  hochdeutschen  form;  Tatian  und  Otfrid  haben  mit 
ilem  Heliand  gemeinsam  23,  Tatian  allein  7,  Otfrid  allein  12. 

Der  rest  ist  nun  freilich  auch  iu  keiner  andern  abd.  quelle 
boeugt,  wenn  auch  für  ein  wort  wie  ork  («-  lat.  orca)  das  frühe 
bestehen  auf  oberdeutschem  oder  doch  hochdeutschem  boden  durch 
spätere  Zeugnisse  wahrscheinlich  wird  2.  demags.  und  as.  gemeinsam 
sind  aufser  diesem  noch  ekid^^^gs^eced  und  klüstar'^sgs.clüstor  — 
aber  auch  mnl.  (holl.)  klüster^  und  incoro  ■»  ags.  dncra^  dem  wider 
abd.  einchoran(er)  nahe  genug  zur  seite  steht,    schliefslich  ist  nur 

*  ich  wähle  die  form  des  Tatian,  wo  sich  eine  solche  bietet 

*  8.  hierzu  nnd  znm  folgenden  Kluge  in  Pauls  Grdr.  i*  33 3  ff.  es  ist 
BBschwer  nachzuweisen,  dass  sich  vom  Niederrhein  aus  eine  stattliche  an- 
abl  TOQ  röm.  wdrtern  (und  sogar  snffixe)  sehr  früh  nach  dem  norden  und 
Bordosten  Terbreiteten,  ohne  in  den  hochdeutschen  Sprachschatz  aufgenommen 
m  werden,  dahin  gehören  zb.  von  den  obigen  Wörtern  eÜUtar^  ekid  und 
namenüicfa  mangony,  mangari^  das  in  Oberdeutschland  erst  später,  durch  die 
rbeiiiischen  handelsbeziehungen,  fufs  gefasst  hat,  besonders  durch  den  Köln- 
Begensbnrger  verkehr. 

Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXII.  16 


230  SCHRÖDER 

festländisch  sächsisch  (und  von  da  nach  dem  norden  getragen) 
pdscha,  päschadag,  und  nirgends  anders  auf  germ.  boden  als  hier  im 
Heliand  hezeugt  ist  die  Umformung  von  4nfernum'  zu  infem^  fem. 
Eine  directe  anleihe  oder  eine  Vermittlung  vom  angelsächsi* 
sehen  her  ist  merkwürdiger  weise  in  dem  fremdwOrtermaterial 
durchaus  nicht  zu  spüren  :  so  zweifellos  doch  schon  eine  Ver- 
deutschung wie  gödspell  den  sprachlichen  einfluss  der  angel* 
sächsischen  mission  erscheinen  lässt^.  machen  wir  also  eine 
probe  darauf,  wieviel  von  den  fremdwOrtern  des  Heliand  im  ags. 
Sprachschatz  widerkehrt,  das  angelsächsische  wOrterbuch  weisl 
die  nachfolgenden  nummern  auf  2,  wovon  die  in()  eingeklammerlea 
nur  in  der  prosa  und  in  späten  dichtwerken  (vom  10  jh.  ab) 
vorkommen.    Slmesse,  —  bisceop,  —  disc  als  'schUssel'.  —  eud. 

—  (dncra.  — )  {fmele.  — )  (fic.  — )  carcem.  —  (aistel.  — )  crf- 
sere,  -cdserdöm.  —  (cwlc.  — )  clustor.  —  ceitip.  —  ceapian.  — 
crüten.  —  [crUl  s.  Pogatscher  QF  64,  §  160.  — ]  Wie.  —  {mm- 
gian.  — )  {meregreot.  — )  [mdgister,  rnrngster.  — ]  {mynetere.  — ) 
myutan.  —  mür.  —  {myrre.  — )  nön.  —  orc, —  {pdlendse.  — ) 
(palma,  — )  [paradisus  nur  in  den  westsächs.  evangelien.  — ] 
[scrifan,  s.  Zs.  36,  145  ff-  — ]  segne.  —  segnian.  —  {sicor.  — ) 
{scamoL  — )  solor.  —  (spynge.  — )  str&t.  —  (tolh). 

Es  sind  alles  in  allem  34  resp.  37  (von  49);  auf  die  gesamte 
ags.  poesie  des  7 — 9  jhs.  entfallen  davon  19  (auf  Olfrid  351).  und 
dieser  festländische  Charakter  des  fremdwOrterbestands  tritt  noch 
weit  mehr  hervor,  wenn  wir  die  im  ags.  gänzlich  fehlenden  wOrter 
unter  beifügung  der  belegzahl  im  Heliand  vergleichen  :  br^f(2). 

—  evangelium  (1).  —  fern  u.  in  fern  (10).  —  crüci  (18).  — 
mester  (3).  —  olbundeo  (1).  —  paradU  (2).  —  pdscha  (6).  — 
pinß  (2).  —  porta  (2).  —  sikoron  (1).  —  skriian  (17).  — 
tins  (5).  —  tresur-hüs  (1);  im  ganzen  71  belege^  beinahe  die 
hälfte  von  allen. 

Die  angelsächsische  missionssprache  zeichnet  sich  vor  der 
deutsch -festländischen  durch  die  energie  aus,  mit  der  sie  eine 
reihe  von  kirchlich  bedeutsamen  begriffen  in  volkstümlichem 
ausdruck   widergibt;   nicht  nur  'pascha'  und  Mnfernum',  womit 

^  nach  abschluss  des  grorsen  ahd.  glossencorpus  wäre  es  gcwis  lohDend, 
diesem  einfluss  der  Angelsachsen  einmal  weiter  nachzospuren  :  er  tritt  gleich 
im  ahd.  Talian  dentlich  zu  tage;  —  hier  übrigens  auch  in  der  bibelexegese! 

^  immer  unter  weglassung  von  'engel*  und  'teufel'. 


Zu  GENESIS  UND  HELIAND  231 

ttberbaapt  nur  das  alts^chsische  zurücksteht,  soDdern  auch  ^para^ 
disiis'  und  'eTangelium'y  und  vor  allem  ^crux',  wofür  die  gesamte 
sBgdsadisisebe  poesie  und  prosa  ausnahmslos  gealga  und  röd  bietet : 
vir  glanbeo  die  matten  wellen  des  angelsächsischen  einflusses  zu 
q^Oren,  wenn  neben  18  maligem  crüci  8  mal  galgo  (5532.  5553. 
5572.  &591.  5623.  5685.  5726.  5730)  und  einmal  ruoda  (5732) 
auftaucht  ^  :  man  beachte,  dass  der  dichter  sich  zu  galgo  erst  nach 
7  maligem  Yorkommen  von  criiei^  zu  dem  einzigen  moda  erst  nach 
16  crAci  und  8  galgo  entschliefst  :  —  dem  gegenüber  stehn  zb. 
iD  Cynewulfs  Elene  3  galga  und  21  röd  der  Überlieferung. 

Kehren  wir  von  dieser  abschweifung,  die  uns  den  Heliaud  in 
dem  gewählten  ausschnitt  seines  Wortschatzes  eng  verknüpft  mit 
hochdeutscher  cultur  und*  nur  mäfsig  berührt  von  litterarischen 
einüassen  der  Angelsachsen  zeigte,  zur  as.  Genesis  zurück, 
ich  lege  keinen  wert  darauf,  dass  jenes  clüstor^  das  wir  aus  ihr 
als  einziges  fremdwort  notierten,  dem  Heliand  mit  der  ags.  poesie 
gemein  ist,  wohl  aber  scheint  mir  die  tatsache  von  bedeutung,  dass 
hier  jene  durch  das  fremdwörtermaterial  für  den  Heliand  gesicherte 
beziehuDg  zu  Oberdeutschland  nirgends  zu  tage  tritt,  nun  ist  es 
ganz  richtig,  dass  dem  dichter  der  as.  evangelienharmonie  der 
biblische  Stoff  zunächst  einmal  in  hochdeutscher  widergabe  ver- 
mittelt sein  konnte,  wenn  ihm  auch  bei  der  arbeit  selbst  keine  ahd. 
Obersetzung  des  NT  zur  band  lag;  für  den  dichter  der  Genesis 
aber  fiel  solche  litterarische  Vermittlung  naturgemäfs  fort  :  eine 
Übersetzung  des  ^ersten  buches  Mosis'  hat  es  so  früh  sicherlich  nicht 
gegeben,  er  hat  allem  anschein  nach  überhaupt  keine  directe 
fflhluDg  mit  hochdeutscher  cultur;  seine  litterarische  bildung  ist 
fast  ganz  auf  dem  boden  eines  sehr  intimen  Heliandstudiums  er* 
wachsen  :  das  oft  misbrauchte  wort  vom  cento  durfte  Sievers  nach 
auffinduDg  der  vaticanischen  fragmente  auf  die  Genesis  mit  einigem 
recht  anwenden,  aber  warum  bleiben  dann  —  wird  man  mir  ein- 
wenden —  die  von  dir  vermissten  fremd  Wörter  fort?  ich  will 
darauf  mit  einem  parallelen  fall  antworten.  Konrad  vWürzburg 
hat  ozw.  Hartmann  und  Wolfram,  wahrscheinlich  auch  einiges 
von  Rudolf  vEms  gelesen  (beweisen  kann  ich  es  vorläufig  nicht), 
er  ist  ein  ganz  genauer  kenner  von  Gottfrieds  Tristan,  und  trolz- 
dem  hat  er  in  allen  dem  Partonopier  vorausliegenden  werken 
einen  sehr  geringen  fremdwOrterbestand  :  was  sich  eben  seinem 

>  bei  Otfrid  1  galgo  (iv  30, 15)  neben  20  krüsi  (und  3  krüsön). 

16* 


232  SCHRÖDER  ZU  GENESIS  UND  HELIAND 

bildungftgrad  nicht  ohne  weiteres  anpaaste,  glitt  an  ihm  ab  oder 
entschwand  doch  rasch  wider  seinem  gedächtnis.  erst  nachdem  er 
mit  fremder  hilfe  den  Partonopier  abersetzt  hatte,  bekam  er  ge- 
schmack  am  fremdwOrterwesen,  der  Schwanritter  verstärkte  das 
noch,  und  als  er  wahrend  der  arbeit  am  Trojanerkrieg  mit  dem 
Turoei  von  Nantheiz  einen  ersten  and  einzigen  versuch  in  freier 
composition  machte,  da  verrät  er  überall,  was  er  gelernt  hat  der 
dichter  der  Genesis  hätte  für  paradiii  und  mfem,  fem,  für  ear^ 
cari  und  porta,  für  fina  und  sieur^  und  gewis  noch  für  eine 
reihe  andrer  fremd-  und  lehnwOrter  bequeme  Verwendung  gehabt: 
dass  er  davon  gar  keinen  gebrauch  macht,  beweist,  dass  er  sie 
entweder  seiner  bildung  oder  aber  seinem  geschmacke  nicht 
assimiliert  hatte,  —  und  in  jedem  fSlle  unterscheidet  er  sich 
darin  von  dem  dichter  des  Heliand. 
Marburg.  EDWARD  SCHRÖDER. 

BEITBÄGE  ZUR  KUDRÜN. 

Studien,  die  ich  über  die  entstehung  des  Kudrunepos  an- 
gestellt habe,  zeigten  mir,  dass  hier  auch  der  einzelkritik  und 
-erklärung  noch  manches  übrig  gelassen  sei»  da  uns  Ernst  Martin 
mit  einer  neuen  bearbeitung  seiner  verdienstvollen  ausgäbe  be- 
schenken will,  so  mOcht  ich  nicht  mit  den  folgenden  bemerkungen 
zurückhalten,  die  sich  auf  den  etwas  stiefmütterlich  behandelten 
ersten  teil  des  gediqhts  beschränken. 

1 ,  4.  Symons  hat  in  seiner  ausgäbe  auf  bedenken  des 
Sprachgebrauchs  hingewiesen,  die  sich  gegen  Hofmanns  Vermutung 
riehe  erheben,  gleichwol  vermag  ich  mich  für.  das  handschrift- 
liche reichen  nicht  zu  erwärmen,  ich  glaube  vielmehr,:  dass  das 
wort  hier  nur  unter  dem  einfluss  der  Umgebung  in  den  text  ge- 
riet (vgl.  1,  1.  2,  1)  und  durch  ein  synonym,  etwa  helde^  zu  er- 
setzen sein  wird,  denn  die  dreimalige  widerholung  von  Aetsen, 
die  Martin  parallel  stellen  will,  besitzt  einen  wesentlich  andern 
Charakter,    vgl.  auch  zu  11,  1. 

^  der  HelianddictUer  braucht  6  mal  das  adj.  sikur,  Imal  das  vb.  #i- 
koron  :  immer  in  Verbindung  mit  dem  gen.  sundea,  sundeono ;  der  Genesis 
aber,  wo  wort  und  begriff  ^sönde'  so  häufig  erscheint  {sundea  im  Yat.  9  mal), 
ist  dieser  ausdruck  fremd ;  er  war  wol  für  den  nachahmer  zu  persönlich,  zu 
individuell. 


JOSEPH  BEITRÄGE  ZUR  KUDRUN  233 

5,  1—4.  Zacher  bemerkt  in  Martins  commentar  zu  st  v.  1 : 
*ob  si  Täter  und  söhn  oder  auch  die  mutter  mit  bezeichne,  ist 
nicht  zu  entscheiden',  mir  scheint  die  beziehung  auf  die  mutter, 
TOD  der  seit  str*  1  nicht  mehr  die  rede  ist,  völlig  ausgeschlossen. 
die  beideo  vorangehnden  Strophen  handeln  allein  vom  söhn,  und 
daher  könnte  st  auch  nur  von  diesem  neben  dem  vater  gelten. 
bei  dieser  Sachlage  aber  fällt  nun  dreierlei  auf :  1)  der  ausdruck 
iö  s€kiei  st  der  tdt,  nach  dem  man  voraussetzen  sollte,  dass  vor- 
her in  irgend  einer  weise  das  zusammenleben  von  vater  und  söhn 
hervorgehoben  wurde.  2)  die  gedankenverbindung  von  5, 1  und 
5«  2.  ^dass  der  tod  vater  und  söhn  auseinanderreifst,  ist  noch 
heute  ein  ereignis,  das  edele  liute  in  grofsen  kummer  versetzt'. 
wir  fragen  :  blofs  edele  liutel  3)  auch  das  scheint  nicht  im  Zu- 
sammenhang zu  liegen^  wenn  es  sich  um  das  Verhältnis  von  vater 
und  söhn  handelt,  dass  dann  5,  3  f  von  den  Urkunden  gesprochen 
wird,  die  in  aller  vürsten  riehen  entstehen. 

Alle  diese  mishelligkeiten  sind  beseitigt,  sobald  wir  str.  5 
unmittelbar  nach  str.  2  setzen,  dann  hat  man  unter  si  den  kOnig 
und  seine  recken  zu  verstehn,  deren  innige  gemeinschaft  der 
dichter  eben  (2,30  gerühmt  hatte,  edele  liute  aber  steht  nun 
synonym  mit  recken  2,  3.  es  wird  also  gesagt :  noch  heut  ist  es 
eine  höchst  schmerzliche  sache  für  die  gefolgschaft,  vom  herrn 
getrennt  zu  werden,  und  von  aller  vürsten  rkhen  endlich  darf 
jetzt  im  hinblick  auf  die  verschiedenen  länder  gesprochen  werden, 
die  dem  verstorbenen  kOnig  unterstanden,  wie  es  ja  speciell  von 
könig  Ger  hiefs  er  het  siben  vürsten  lant  2,  2. 

Aber  die  verse  3  und  4  haben  noch  keine  annehmbare  deu- 
tung  gefunden.  Martin  übersetzt  urkünde  ^zeugnis,  beispiel'  und 
mit  sargen  warten  'mit  trauer  erblicken',  er  fragt :  ^bezieht  sich 
dies  auf  einen  würklichen  todesfall,  etwa  den  Leopolds  vii  von 
Österreich  1230?'  Symons  denkt  bei  urkünde  an  'grabdenkmäler'. 
auch  ich  verstehe  unter  urkünde  gedächtnisbekundungen  für  den 
verstorbenen  :  aber  solche,  die  in  frommen  klösterlichen  Stiftungen 
bestehn ,  und  v.  4  übersetze  ich  'für  die  müssen  wir  immerfort 
angelegentlichst  sorgen',  dh.  unverdrossen  weiter  spenden,  der 
dichter  dieser  Strophe  benutzt  also  die  gelegenheit,  die  säckel  der 
gläubigen  zu  gunsten  der  kirche  locker  zu  machen,  für  die 
ricbtigkeit  unsrer  deutung  bürgt  die  spätre  stelle  909—917.  man 
vergleiche  insbesondre: 


234  JOSEPH 

D6  riet  der  (legen  Ortwtn      *jÄ  sal  wir  si  begraben, 
daz  sul  wir  ahlen  danne,      daz  si  Urkunde  haben 
mit  einem  riehen  kl6ster      immer  nAch  ir  ende 
und  daz  ein  teil  guotes      iegeliches  künne  dar  zuo  sende*.    909. 

Alle  die  ir  mdge      heten  dk  verlin, 
die  gAben  dar  ir  stiure,      wtp  unde  man, 
durch  willen  der  s^le,     der  Itchnam  si  begrooben. 
stt  wart  ez  ab6  rtche     daz  dar  dienten  wol  driu  hundert  huobe.  917. 

Weitre  beispiele  aus  der  volksepik  gewährt  SchOnbach  Das 
christeDtum  in  d.  altd.  heldeDdichtung  (1897)  21  ff. 

10 — 12.  In  diesen  drei  stropbeo  schildert  der  dichter  an- 
schaulichst eine  landreise,  in  str.  13  aber  verlSsst  die  junge  braut 
4lie  See  :  mit  recht  nennt  Wilmanns  Die  entwicklung  der  Kudrun- 
dichtung  s.  136  dies  ^höchst  überraschend',  aber  sein  schluss 
nun,  dass  die  Strophen  10 — 12  erst  der  schildernde  bearbeiter 
hinzugetan  habe,  geht  zu  eilig,  denn  betrachtet  man  die  verse 
genau,  so  fallen  sie  nur  dadurch  auf,  dass  sie  sich  nicht  in  die 
Chronologie  der  darstellung  fügen,  die  landreise,  um  die  es  sich 
handelt,  betrifft  den  einzug  der  braut  ins  haus  des  mannes  :  ein 
Vorgang,  der  natürlich  erst  nach  der  landung  eintreten  konnte, 
nach  der  landung  folgt  nun  im  gedieht  zunächst  eine  nacht  der 
ruhe  13,  4.    str.  17  aber  heifst  es: 

An  dem  naehsten  morgen      d6  wart  viir  gesant, 
wie  si  komen  solte      in  des  vürslen  lant, 
d4  si  bt  dem  recken      solte  tragen  kröne. 

Hier  wird  also  der  feierliche  einzug  in  der  tat  ausdrücklich 
angekündigt,  wo  bleibt  seine  Schilderung?  in  str.  18  ff  befindet 
«ich  die  braut  bereits  an  ort  und  stelle  :  und  der  Übergang  von 
Str.  17  zu  Str.  18  scheint  so  unvermittelt  wie  möglich,  kein 
zweifei  :  zwischen  diesen  beiden  Strophen  sind  eben  jene  an 
ihrem  überlieferten  platz  überschüssigen  10 — 12  ausgefallen,  die 
richtige  folge  der  Strophen,  von  der  frage  ihres  ursprünglichen 
bestandes  abgesehen,  ist  also  diese  :  9.  13 — 17.  10 — 12.  18. 

11,  1.  Das  handschriftliche  bedecket  versucht  natürlich  nie- 
mand zu  halten,  aber  es  scheint  mir  überflüssig,  hier  nach  einem 
graphisch  ähnlichen  wort  zu  suchen,  wie  Hofmann  mit  seinem 
gewetet,  Zarncke  mit  zertretet,  das  wort  kam  dem  Schreiber  eben 
aus  10,  4  in  sinn  und  feder,  und  wenn  wir  uns  der  entsprechen- 
den scene  183,  Iff  erinnern,  so  wird  man  geneigt  sein,  als  die 
A-erdrängte  phrase  ze  molten  zu  betrachten. 


BEITRÄGE  ZUR  KUDRÜN  235^ 

1 3,  1  ff  schreibt  man  allgemein : 

Enphangen  wart  vil  scb6ne      daz  minnecltche  kint 
üf  zweier  lande  marke,,     da  si  der  westerwint 
YOD  des  meres  üode      waejen  ab  begunde. 

Zu  lt.  2  bemerkt  Martin  1)  ^was  soll  die  grenze  hier,  wo  die 
braut  zur  see  kommt?'  und  2)  'der  westwind  soll  demnach  voi> 
Norwegen  (oder  Schottland)  nach  Irland  führen;  die  geographischen 
begriffe  sind  unklar",  die  erste  bemerkung  Martins  trifft  sicher 
zu.  indessen  in  der  handschrift  steht  nicht  lande,  sondern  hande:, 
and  setzen  wir  dieses  wort  wider  ein,  so  ist  die  sache  ganz  ia 
Ordnung,  auf  doppellartiger  grenze  ward  die  braut  empfangen,, 
oämlich  auf  der  scheide  von  wasser  und  land,  db.  gleich  beim 
ferlassen  des  schjffes  .ward  ihr  ein  willkommen  bereitet  :  mau 
wartete  nicht  erst,  bis  sie  ihren  neuen  wohnsitz  selber  erreichte. 

Zu  Martins  zweiter  bemerkung  ist  zu  sagen  :  überliefert  ist 
nicht  der  westerwint,  sondern  der  veste  wint.  und  auch  in  diesem 
falle  löst  sich  alles  zur  Zufriedenheit,  sobald  wir  wider  der  hand- 
schriftlichen lesart  zu  ihrem  recht  verhelfen,  der  veste  wint  ist 
der  wind,  der  die  reisenden  ans  festland  bläst,  der  landungswind» 
der  entgegengesetzte  wind  heifst  wazzerwint,  vgl.  Nib.  494,3. 
euch  kom  in  zuo  ir  reise  ein  rehter  wazzerwint  :  si  fuoren  von 
dem  lande,  veste  gilt  hier  also  als  Substantiv  in  einem  sinn,  für 
den  im  Parz.  750,  9  und  io  Ulr.  vdTürl.  Willeh.  (ed.  Singer) 
cLxxix  17  das  compositum  lantveste  gebraucht  ist; 

Übrigens,  was  den  geographischen  gesichtspunct  betrifft,  so 
Uefse  sich  auch  der  tgesterwint  verteidigen,  man  muss  nur  fest- 
halten, dass  es  sich  hier  nicht  um  die  abfahrt,  sondern  die  an- 
fahrt handelt.  landeten  nun  die  reisenden  an  der  Westküste  Ir- 
lands, so  trieb  sie  in  der  tat  der  westwind  an  die  küste. 

19,  3.  Auch  hier  empQndet  Marlin  richtig,  indem  er  an  der 
folge  von  rossen  und  von  kleidern,  von  maneger  hande  wcBte 
anstofs  nimmt,  dennstr.  40, 1 — :3  lehrt,  dass  in  unserm  fall  nur 
ein  lapsus  calami  vorligt  und  für  kleidern  stehn  muss  Schilden. 

21,  1.  im  dienten  sine  huobe  daz  kreftige  guot  fasst  man 
gewöhnlich  auf  :  *ihm  trugen  seine  hufen  reichliches  gut  ein', 
aber  hierbei  bleibt,  wie  auch  schon  Symons  bemerkte,  ouch  der 
folgenden  zeile  ganz  unversLändlich.  ich  schreibe  in  für  im  und 
beziehe  den  plural  auf  die  armen,  von  denen  vorher  die  rede 
war;  daz  kreftige  guot  aber  nehm  ich  —  dies  schlägt  auch  schon 


236  JOSEPH 

SymoDS  vor  —  aus  sprachlichen  grttodeD  (vgl.  Martins  anmerkung) 
als  apposition  :  ihnen  dienten  seine  hufen,  der  reiche  ertrag,  die- 
selbe gesinnung  besafs  die  kOnigin.  sie  hätte  gar  dreifsig  kOnig- 
reiche  verteilt,  virenn  man  sie  ihr  zu  eigen  gegeben  hatte,  str.  21 
enthalt  also  nun  zunächst  die  iUustrierung  der  zum  schluss  der 
vorigen  Strophe  envähnten  miUe  des  kOnigs. 

52,  4  ist  die  übliche  lesung: 
und  onch  des  wirtes  vriunde  :  die  zugen  ez  mit  vltze  stnen  mAgen. 
die  fehlt  in  der  hs.  schon  Hofmann  sah,  dass  dieses  wOrtchen 
den  sinn  zerstört,  da  vriunde  und  mäge  zusammen  das  kind  den 
eitern  erziehen,  also  nicht  entgegengesetzt  sein  dürfen;  er  schrieb 
daher  und  oud^  des  wirtes  vriunde  :  sus  «ugen  ez  mit  vUze  sine 
mäget^;  Symons  und  Bartsch  (in  Kürschn.  Nat.  litt.  6,  1)  setzen 
ja  für  sus.  ich  glaube,  dass  die  dativform  einen  durch  falsche 
auffassung  der  form  mägen  entstand,  die  ihrerseits  wider  durch 
das  streben  nach  reimangleichung  hervorgerufen  wurde  (vgl.  Martin 
4,  3  und  auch  Kudr.  799,  4.  1063^  3).    ich  schreibe  denn: 

und  ouch  des  wirtes  vriunde       zugen  ez  mit  vlize,  sine  mäge. 
jetzt  steht  also  des  wirtes  vriunde  and  xoivov  und  sine  mäge 
appositionell  dazu.     vgl.  198,  3f  sfn  huoten  edele  vrouwen,  sam 
täten  sine  mäge.- 

56, 2.  Dass  der  greif  stare  war^  ist  eben  55, 4  gesagt  wor- 
den, und  man  sieht  nicht  recht  ein,  in  welchem  Zusammenhang 
hier  diese  seine  eigenschaft  widerbolt  wird,  mir  scheint  hier 
strac  an  stelle  von  stare  am  platz  :  der  greif  hatte  seine  flügel 
dermafsen  ausgespannt,  dass  er  einen  schatten  in  der  grOfse  einer 
wölke  warf,  aber  trotzdem  ward  man  ihn  nicht  gewahr,  indessen 
soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  strac  ein  wort  ist,  das  allen 
bairisch-Osterreichischen  quellen   des  12 — 14  jhs.  fremd  scheint. 

57,  1  lautet  in  allen  ausgaben  :  vor  des  grifen  krefte  der 
walt  da  nider  brach.  *eine  abenteuerliche  Vorstellung!'  bemerkt 
Martin  und  er  hätte  noch  hinzufügen  können  :  eine  solche,  die 
gar  nicht  in  die  Situation  passt  denn  man  befindet  sich  nicht 
im  oder  beim  wald ,  sondern  vor  des  wirtes  hüse  (51  f  3).  auch 
hier  enlMnd  der  fehler,  indem  ein  nahe  liegendes  wort  für  ein 
ferner  liegendes  eintrat,    ich  lese 

von  des  grifen  krefte      der  val  da  nider  brach. 
*mit  dem  greifen  fuhr  das  verderben  hernieder' :  mit  diesen  Worten 
wird  nicht  übel  der  unerwartete  umfall  der  freude  in  trauer  ein- 


BEITRÄGE  ZUR  KUDRUN  237 

geleitet,  nider  brach  hält  die  Vorstellung  des  aus  der  höhe 
kommenden  slOrenfrieds  fest,  mit  eutgegeugesetztem  bild  heifst 
es,  der  abweichendeD  Situation  entsprechend,  in  Nib.  dö  huop 
sich  ungemath  von  des  volkes  krefte  in  Burgonden  laut, 

79,4.  Hier  scheint  mir  eine  bestimmung  wie  ze  der  zite 
oder  in  der  stunde  am  platz  zu  sein,  während  die  (Ibiicben  er- 
gänzungen  gen  den  vroutoen  (EltmUller),  harte  sere  (Bartsch)  nur 
lackenbüfser  sind. 

81,  4  wird  nach  Vorgang  vdHagens  allgemein  geschrieben: 
si  lobelen  gotes  güete  und  wdren  in  ir  tumben  jären  wtse. 
der  preis  Gottes  steht  hier  völlig  aufserhalb  des  Zusammenhangs, 
in  der  hs.  finden  wir  lebeten  für  lobeten  und  ich  begreife  würk- 
lich  nicht,  wie  man  diese  lesart  je  aufgeben  konnte,  sie,  die 
kOnigskinder,  die  schenken  und  truchsessen  bei  ihrem  mahl  ge- 
wöhnt waren,  zeigten  sich  trotz  ihrer  Jugend  einsichtsvoll  genug, 
sich  mit  dem  zu  begnügen,  was  Gottes  gute  gab,  dh.  mit  dem, 
was  in  freier  natur  wuchs,  st  begunden  balde  suochen  würze  und 
ander  krüt  fahrt  der  dichter  82, 1  fort,  güete  ist  natürlich  genitiv, 
wie  es  ja  auch  83,  3  heifst  des  si  dd  lebeten,  vgl.  ferner  74,  2 
nod  auch  103,  3. 

86,  4  list  man  den  ersten  halbvers  nach  Vollmer  :  des  der 
junge  Hagene  oder  nach  Bartsch  :  des  manic  wip  von  vrdge.  über- 
liefert ist  nur  des  frage,  ich  schlage  vor  :  des  vrdge  sinen  mdgen. 
das  aage  des  Schreibers  eilte  von  ma^en  auf  vra^e  zurück,  vgl.  67, 4. 

88,  If  schreibt  man  jetzt  allgemein  nach  Bartsch: 

Hagene  rät  der  liute      sach  ligen  \A  dem  mer 
(die  d&  wAreu  ertrunken      daz  was  ein  gotes  her). 

der  salz  in  parenthese  steht  ganz  unvermittelt  da.  für  rdt  {=  ge- 
ratschaften)  bietet  die  hs.  noch,  ich  schreibe  mit  möglichster  an- 
Dflherung  an  die  überlieferte  lesart: 

Hagene  nacket  liute      sach  ligen  b!  dem  mer: 
die  d&  w&ren  ertrunken»      daz  was  ein  goles  her. 

Hagen  bemerkte,  dass  leute  angespült  lagen,  die  keine  rüstung 
trugen  :  die  verunglückten  waren  nämlich  fromme  pilger.  daher 
also  waren  sie  nacket,  nun  begreift  sich  auch  die  gegensätzliche 
Stellung  von  gewdpent  89,  K 

98,2  hei  waz  er  von  tieren      sneller  Sprunge  nami 
man   erklärt  ^wie  schnelle   sprünge   er  von   den  tieren   lernte  1' 
dieser  gedanke  fällt  aus  dem  Zusammenhang.     Wilmanns  s.  120 


238  JOSEPH 

wird  dem  sinn  gerecht,  indem  er  ändert  :  hei  waz  er  tiere  in 
siieUen  sprangen  naml  ich  halte  mich  wider  ganz  nah  an  der 
üherlieferung  und  wandle  blofs  das  handschriftliche  von  in  vor: 
er  erjagte  die  tiere,  indem  er,  schnell  wie  ein  panter,  ihnen  den 
vorsprung  abgewann,  so  wird  von  Hagen  nachher  rUckgreifend 
noch  einmal  erzählt  :  er  wuohs  in  einer  wüeste,  der  edele  vürste 
junc,  hi  den  wilden  tieren.  des  mähte  im  einen  sprunc  lebendes 
niht  enphliehen,  swaz  er  wolle  vähen  167, 1  (T;  vgl.  auch  Krone  265' 
(Mhd.  wl).  11^  546)  daz  er  vor  dem  degen  junc  nam  manegen 
snellen  sprunc, 

111,4.  Bartsch,  Martin,  Symons  schreiben  erbaldet  für  das 
handschriftliche  erkaltet  und  Martin  bemerkt :  *der  schrecken  oder 
die  furcht  erhitzt  nicht,  das  gemüt  kann  also  nachher  nicht  ab- 
kühlen', indessen  findet  man  bei  Lexer  unter  erkalten  eine  stelle 
citiert,  die  wol  geeignet  sein  dürfte,  die  Überlieferung  an 
unsrer  slelle  zu  stützen.  Roth  Denkm.  57,  25  heifst  es  in  der 
wol  zum  Veterbuch  gehörigen  Piacidus-Eustachius-legende  cUs  im 
die  vorchte  erkalte  und  ein  teil  gelac  der  schrie  (es  ist  die  Situa- 
tion, wo  Christus  zu  Placidus  aus  dem  geweih  des  hirsches  spricht). 

116^  2.  diu  ungewonheite  erklären  Bartsch  und  Martin  *die 
ungewohnte  Umgebung',  Symons  und  Bartsch  (in  Kürschners  Nat.- 
litt.)  beziehen  den  ausdruck  auf  'das  ungewohnte  tragen  von 
mänuerkleidern'.  ich  meine  :  diu  ungewonheite  besteht  für  die 
frauen  vielmehr  in  dem  nächtlichen  beisammenseio  mit  den 
männern,  von  dem  im  vorhergehnden  vers  116,  1  die  rede  ist. 
die  herren  wollten  ihnen  aber  mit  ihrer  persönlichen  sorge  nur 
hofliche  rücksicht  erweisen  und  daher  heifst  es  116,3  hceten  siz 
vür  wirde,  s6  diuhten  si  mich  wise. 

116,  4  schreibt  Martin  :  von  Garadie  der  grdve  hiez  in  geben 
gttotespise;  Symons  :  der  grdve  von  G.  hiez  in  balde  geben  guote 
spise;   Bartsch  :  der  grdve  iiz  fi.  hiez  in  allen  geben  guote  spise. 

Symons  text  steht  der  Überlieferung  am  nächsten,  indem  er 
nur  balde  ergänzt,  aber  dieses  wort  stünde  gerade  so  wie  Bartschens 
allen  hier  doch  gar  zu  müfsig.  ich  schreibe  :  der  grdve  von 
Garadi  hiez  in  geben  gnuoc  guote  spise ^  vgl.  Iw.  791  min  hon- 
delunge  wcer  gnuoc  guot,  der  ausfall  von  gnuoc  vor  guot  erklärt 
sich  leicht,    wegen  der  form  Garadi  vgl.  150,  4. 

117,  3  lesen  die  neuern  ausgaben  :  wer  si  so  rehte  schome 
brcehte  zuo  dem  se,    so  ist  aber  erst  zusatz  der  herausgeber  und 


BEITRÄGE  ZUR  KUDRUN  239 

für  wer  sieht  in  der  hs.  woheer,  offenbar  ist  zu  schreiben  wer 
her  51  brcehte  etc.,  vgl.  Iw.  2381  wer  brdhte  disen  riter  her! 

117,4  deo  kinden  tele  sin  vrAgen  und  ouch  ir  arbeile  we. 
Martio  und  Bartsch  erklären  'sie  waren  schüchtern  und  müde*. 
Deiol  die  frage  des  grafen  ist  ihnen  deswegen  peinlich,  weil 
damit  io  ihnen  die  schmerzliche  erinnerung  an  die  ausgestandenen 
qualeo,  ir  arbeite,  aufgeregt  wird,  daher  bemüht  sich  auch 
5tr.  122  der  graf  vergeblich,  näheres  über  ihre  leidenszeit  aus 
ihnen  herauszubekommen,  ähnliche  deutung  bei  Piper(in  Kürschners 
Nal.-litt.  6,  1). 

118,2fr  list  Martin: 

ich  bin  von  verren  landen,      herre,  wizzet  daz, 

von  Indi^  der  guoten      (da  was  künic  inne 

min  vater)  :  da  ich  kröne     leider  nimmer  mere  gewinne. 

Bartsch  und  Symons  schreiben  die  beiden  letzten  verse: 

von  Indiä  der  guoten;      da  was  künic  inne 
min  vater   d 6   er   lebte,       da  ich  kröne  leider  nimmer 

m^r  gewinne. 

an  stelle  des  gesperrten  steht  in  der.  hs.  der  da  und  da  erlaite. 
ich  behalte  die  Überlieferung  wörtlich  bei  und  schreibe  die  bei- 
deo   letzten  verse: 

von  Indi4  der  guoten.       der  d4  was  künic  inne. 
min .  vaier,  da  erleite,      da  ich  kröne  leider  nimmer  m^re 

gewinne. 

'der  da  als  kOnig  herschte,  nämlich  mein  vater,  machte  sich  ver- 
hasst,  und  ich  bin  daher  dort  für  immer  der  kröne  verlustig  ge- 
gaogen'.  sie  ist  also  eine  verbannte,  für  das  intransitive  erleiden 
in  dieser  absoluten  Stellung  vermag  ich  freilich  kein  zweites  bei- 
spiel  beizubringen. 

122,4  schlage  ich  vor  des  st  gegen  im  doch  nie  gewuogen, 
IQ  den  texten  ergänzt  man  mit  Ziemann  meVe  statt  gegen  im. 

134,  1  schreibt  Martin  :  s(n  gesinde  wesen;  Bartsch  und 
Symons  sin  ingesinde  wesen.  die  Überlieferung  daz  sy  ewer  g.  w. 
führt  aber  auf  daz  sin  gesinde  wesen.  denn  wo  der  echte  text 
bestimmten  artikel  vor  Possessivpronomen  enthielt,  weist  die  hs. 
oft  fehler  auf.  so  fiel  131,  4.  567,  4  der  artikel  aus,  89,4  ver- 
mutlich das  pronomen  (sinen)^  357,4  gibt  sich  die  Verlegenheit 
des  Schreibers  in  völligem  ändern  kund,  und  als  ähnlichen  fall 
werden  wir  gleich  nachher  149,4  kennen  lernen. 


240  JOSEPH  BEITRÄGE  ZUR  RUDRUN 

141,  3  lese  ich  dSr  st  sage,  vgl.  Zs.  43,  75. 

149,  4  ist  zu  lesen  daz  sin  jungez  ingesinde;  vgl.  zu  134,  1. 
überliefert  ist  des  seines  tunge  ynngesynnden,  die  texte  schreiben 
nach  vd Hagen  :  st  heizent  dines  jungen  ingesinde,  was  soll  hier 
dines  jungen  bedeuten?    etwa  Meines  jungen'?! 

181,  2  list  man  dö  man  vol  gesanc,  obwol  man  nicht  ver- 
kennt, dass  mit  diesen  Worten  zu  spät  und  zu  abgerissen  von 
dem  gottesdienst  die  rede  ist.  für  vol  gesanc  ist  tiberliefert  u>ol 
sanc.  ich  behalte  das  erste  wort  bei  und  suche  den  fehler  in 
sanc.  der  echte  text  wird  sein  :  dö  in  wol  getane  ^nachdem  sie 
so  rühmlich  das  turnier  beendet  hatten',  ganz  entsprechend  heifst 
es  im  Iwein  nach  beendigung  des  turniers  :  3067  dö  sluogens  df 
ir  gezelt  vür  die  hure  an  daz  velt.  da  lägen  si  durch  ir  gemach, 
unz  si  der  künec  dd  gesach  und  die  besten  alle  .  •  wand  im  was 
komen  mcere  wie  in  gelungen  wcere,  er  sagt  in  gndde  undß  dane, 
daz  in  so  dicke  wol  getane, 

186, 1.  Martin  beanstandet  mit  recht  das  überlieferte  under 
stoube,  aber  für  das  von  ihm  später  eingesetzte  u,  helme  [und 
Zingerles  u.  Schilde  oben  s.  137]  schlag  ich  vor  u.  schouwe  :  sie 
ritten  unter  dem  zuschauen  der  schönen  freuen ;  vgl.  184,4. 181, 3  f. 

196,3.  Für  das  unerklärbare  in  siner  vorgetcene  sind  die 
verschiedensten  Vermutungen  aufgestellt,  offenbar  ist  zu  lesen 
in  siner  vorhtgetcene  Sn  seiner  schreckensgestall'. 

Strafsburg  i.  Eis.  EUGEN  JOSEPH. 

Der  räum  gestattet,  noch  zwei  weitere  Vermutungen  zur  ein* 
gangspartie  derKudrun  vorzutragen.    146,3  lesen  die  ausgaben 

mit  der  hs. 

daz  mir  des  kindes  t6t 
dicke  h^t  erwecket      mines  herzen  sinne. 

genügt  dieser  ausdruck  für  einen  oft  widerkehrenden  ausbruch 
des  väterlichen  Schmerzes?  oder  ist  nicht  vielmehr  zu  lesen  mines 
herzen  winne  *  krampfartigen ,  rasenden  schmerz'?  dies  winne 
und  (daraus  umgedeutet?)  winde^  dazu  die  Verbindung  totnn«  unde 
we  belegen  die  mhd.  wbb.  freilich  nur  aus  westdeutschen  quellen 
von  KvWürzburg  über  EWindeck  zu  Geiler.  —  203,  2  les  ich  hdt 
ie  einer  Übermuot  st.  ir,  vertauschung  von  ie  und  ir  ist  wie  überall, 
so  auch  in  unsrer  hs.  häuQg  :  10,1  muss  ir  fürye,  995,4  umge- 
kehrt iedoch  f.  ir  doch  gelesen  werden  (s.Zs.34^77  n.l).    E.SCH. 


DIE 
CX)MPOSITI0N  DER  TREVRIZENT-SCENEN. 

PARZ.  1x452,  13-502. 
lo  einem  excurs  zu  seiner  schrift  ^Das  hohelied  vom  ritter- 
iam'  gibt  GBOtiicher  eine  aoalyse  der  TrevrizeDtscenen  des 
a  buche«  des  Parzival  und  eine  kritik  ihrer  composition.  er 
findet  die  composition  höchst  mangelhaft  und  hat  mit  diesem,  ur» 
teil  bisher  m.  w.  noch  keinen  Widerspruch  gefunden,  über  die 
einzelheiten  seiner  analyse  und  kritik  will  ich  hier  nicht  be- 
richten, das  wenige,  was  ich  im  folgenden  selbst  über  die  com- 
position dieses  abschniltes  ausführe,  wird,  denk  ich,  zeigen,  dass, 
von  kleinigkeiten  abgesehen,  die  kritik  Böttichers  der  berechtigung 
dorcbaus  entbehrt. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  zunächst  im  allgemeinen,  was  den 
iahalt  dieser  scenen  bildet,  der  ganze  lange  abschnitt  gibt  (aufser 
natOrlich  in  den  reden  der  beiden  personen)  so  gut  wie  gar  keine 
erzählung  zeitlicher  ereignisse,  sondern  nur  gespräche,  zum  grOsten 
teile  sogar  nur  reden  6iDer  person,  Trevrizents.  was  kommt  in 
diesen  gespräcfaen  alles  zur  darstellung?  die  beiden  personen, 
Parzi?al  und  Trevrizent,  treten  sich  als  gänzlich  unbekannte 
gegenüber,  sie  müssen  einander  namen  und  geschlecht  mitteilen. 
Parzival  kommt  als  sUoder,  er  muss  seinen  abfall  von  Gott  und 
seine  schuld  gegen  Anfortas  bekennen,  ebenso  <len  leichenraub 
an  Ither;  er  erfährt  von  Trevrizent,  dass  er  in  Ither  einen  ver- 
waoten  getötet  habe,  dass  auch  seine  mutter  aus  schmerz  über 
seinen  abschied  gestorben  ist.  daran  knüpfen  sich  belehrungen 
und  trOslungen  Trevrizents.  über  Trevrizents  vorleben  hüren  wir 
verschiedenes,  über  Ither,  über  das  geschlecht  Parzivals,  über  das 
Oralsgeschlecht,  besonders  über  Anfortas,  über  den  Gral  usf.  der 
ganze  grofse  abschnitt  wird  ausgefüllt  durch  bekenntnisse ,  be- 
lehrungen und  aufklarungen  über  eine  grofse  anzahl  von  dingen, 
und  gewis  muste  es  nicht  geringe  Schwierigkeit  bieten,  all  diese 
Sachen  natürlich  und  übersichtlich  zu  ordnen,  selbst  wenn  dies 
gelungen  sein  sollte,  so  lässt  sich  vermuten,  dass  die  disposition 
doch  eicht  sofort  mit  dem  ersten  blick  zu  flberscliaueo  sein 
mochte,  namentlich  bei  einem  dichter  wie  Woifram,  dessen  art 
es  auch  sonst  nicht  ist,  die  einzelnen  dinge  mit  sirenger  Schei- 
dung in  parade  neben  einander  zu  stellen.  —  ich  komme  zur 
(orüaulenden  analyse  des  abschnitts: 

Z.  F.  D.  A.  XUV.     N.  F.  XXXII.  17 


242  NOLTE 

(A)  452,  13 — 461;  2  :  ankunft,  empfang,  erste  gespräche. 

452,  13 — 28  :  der  dichter  über  Trevrizents  einsiedlerleben 

{der  kiusche  Trevrizent). 

452,  29 — 455,  24  :  excurs.  weoduog  an  das  publicum: 
die  iflogst  gewünschte  auflcläcung  Ober  den  Gral  soll 
jetzt  kommen,  bericht  über  die  quellen,  am  schluss 
(455,  13fiE)  geschickte  zurücklenkung  zu  Parzival. 

455,  25—457,  3  :  die  ankunft.    Parzival  bekennt  sich   als 

Sünder,  Trevrizent  verspricht  ihm  rat. 

457^  4 — 20-— 458,  12  .:  gespräche  ohne  besondre  be- 
Ziehung  auf  den  hauptpunct  dieser  scenen,  erste  con- 
versation  der  beiden  sich  begegnenden,  zuerst  die  frage 
Trevrizents,  wer  Parzival  hergewiesen  habe;  eine  gewis 
sehr  naheliegende  frage,  die  auch  dem  leser  weitere 
Bufklärung  tlber  den  alten  ritter  verschafft,  sodann 
Parzivals  gleichfalls  sehr  natürliche  fragen  in  Trevrizents 
antwort  kurze  Charakterisierung  des  einsiedlers  (auch 
nach  seiner  Vergangenheit)  und  seiner  Waldeinsamkeit; 
dadurch  wird  die  Situation ,  .  die  gegenüberstellung  des 
ritters  und  des  einsiedlers,  erst  ^anz  anschaulich;  um 
dieser  künstlerischen  würkung  willen  wichtig  und  un- 
entbehj^lich. 

458;  13 — 459,  30  :  die  aufnähme,  Trevrizents  behausung. 

460,  1—461,  2  :  an  den  reliquienschrein  angeknüpft  :  wie 
lange  Parzival  umhergeirrt;  sein  kummer.  Überleitung  und 
Vorbereitung  zum  hauptteil. 

(Bi)  461,  3 — 467,  18  :  Parzivals  erstes  bekenntnis  und  belehrung 
durch  Trevrizent. 

461,  3 — 26  :  Parzival  bekennt  seinen  abfall  von  Gott  und 
sucht  itin  durch  anklagen  gegen  Gott  zu  begründen. 

461,  27 — 462,  10  :  die  erste  sehr  schOn  dem  leben  abge- 
lauschte antwort  des  aufs  höchste  betroffenen  beraters. 
darauf  folgt  erst  die  zusammenhängende  belehrung. 

462,  11— 30  :  Trevrizent  über  Gottes  triuwe  (sehr  wichtig). 

463,  1 — 467,  10  :  führt  das  unter  dem  gesichtspunct  des 
lohns  und  der  strafe  weiter,  zunächst  durch  beispiele  aus 
der  heiligen  geschichte. 

463,  4 — 14  :  die  bestrafung  der  abtrünnigen  enget. 
463,  15 — 465,  10  :  der  Sündenfall,  Kain,  die  mensoh- 


COMPOSlTIOiN  DER  TREVRIZENT-SCENEN  243 

werduog  Gottes  und  die  eriOsung.  hier  tritt  das  rätsei 
sehr  störend  Qip,  weon  es  auch  keineswegs  nur  äufser- 
lieb  und  um  seiner  selbst  willen  eingeflickt  ist;  man 
beachte,  wie  ^s  zb.  zur  einfubrung  der  menschwerdung 
Gottes  dient. 

465,  11 — 467,  10  :  führt  den  gedanken  des  lohns  und 
der  strafe  rein  belehrend  aus  (465,  19—30  :  zeugnis 
Platong  und  der  Sibylle);  neu  tritt  das  motiv  der  bufse 
hinzu. 

466,  15 — 30  :  verstärkendes  motiv  :  Gott  sieht  selbst 

die  gedanken. 
467,  11 — 18  :  Parzival  nimmt  die  belehrung  an;  sein  irrtum, 
dass  Gott  nicht  helfen  könne,  ist  widerlegt;  indem  er  sich 
jetzt  Gott  wider  zuwendet,  hofft  er,  dass  Gott,  der  nichts 
ungelohnt  lässt,  es  auch  ihm  vergelten  werde,  dass  er  immer 
treu  gewesen  sei  und  um  der  treue  willen  kummer  ge- 
tragen habe. 

Damit  ist  dieser  erste  wichtige  hauptteil  zu  ende,  das  ireue- 
verhaltDis  Parzivals  zu  Gott  ist  widerhergestellt ;  der  gßnze  übrige 
teil  des  ix  b.  (bis  502,  22)  kommt  auf  diesen  punct  mit  keinem 
Worte  mehr  zurück  und  muss  dem  ersten  hauptteil  gegenüber 
als  zweiter  hauptteil  gelten;  er  enthält  die  eigentlichen  Schwierig- 
keiten der  composition  in  der  immer  weiter  fortschreitenden  er- 
kennung  und  aufklärung  auf  beiden  Seiten,  man  halte  als  haupt- 
gesichtspunct  für  das  Verständnis  des  aufbaus  fest,  wie  jedem 
weitem  bekenntnis  Parzivals  eine  weitere  aufklärung  Trevrizents 
entspricht. 

(B  II  a  1)  467, 19—471,  30  :  bekenntnis  Parzivals,  er§te  aufklärung 
Ober  den  Gral. 

467,  19 — 468,  22  :  durch  Parzivals  letjEte  worte  veranlasst, 
fragt  Trevrizent  weiter,  und  Parzival  erklärt,  dass  er  sich 
nach  dem  Grale  und  nach  seinem  weihe  sehne.  Trevrizent 
lobt  die  treue  liebe  zur  gattin,  sie  schütze  vor  derhölle; 
dagegen  nach  dem  Gra|e  sich  zu  sehnen,  sei  töricht;  den 
könne  niemand  gewinnep,  als  wer  vom  himmel  dazu  be- 
stimmt sei.  wir  erfahren,  dass  er  selbst  dep  Gral  gesehen 
hat,  während  Parzival  noch  verschweigt,  dass  auch  er  dort- 
bin gekommen  ist. 

17* 


244  NOLTE 

468,  23—471,  30  :  auf  Parzivals  frage  gibt  Trevrizent  aus- 
führlichere aufkläruDgeu  über  den  Gral. 

468,  23—30  :  die  Templeisen. 

469,  1—470,  20  :  der  Gral  und  seine  kräfte. 

470,  21 — 471,  14  :  wie  man  zum  Grale  berufen  wird. 

471,  15—30  :  die  frühern   hüter  des  Grals   (die  neu- 
tralen enge]). 

Damit  ist  die  aufklärung,  die  Trevrizent  geben  will  und 
vorläufig  nur  geben  kann,  beendigt. 
472,  1 — 474,  24  :  ein  abschnitt,  der  einerseits  d^  vorigen  fort- 
setzt, anderseits  den  folgenden  vorbereitet. 

472,  1 — 11  :  Parzival  äufsert  voll  rilterlicbeD  selbstbewust- 
seins  :  Gott  müsse  ihn  um  seiner  ritterschaft  willen  zum 
Gral  bestimmen. 

472, 12 — 473,  4  :  Trevrizent  warnt  ihn  vor  solcher  hoffart, 
hoffart  müsse  den  zum  Grale  berufenen  fremd  sein;  er  ge- 
denkt des  Anfortas,  den  hoffart  zu  falle  gebracht  habe, 
(natürlich  kann  es  ihm  nicht  einfallen,  hier  schon  dem  ihm 
unbekannten  Parzival  die  geschichte  des  Anfortas  ausführlich 
erzählen  zu  wollen.) 

473,  5 — 30  :  mit  beziehung  auf  Parzivals  streben  nach  dem 
Gral  bemerkt  Trevrizent  weiter,  dass  der  Gral  von  der 
bruderschafi  verteidigt  werde  und  dass  nur  die  zu  ihm  be- 
rufenen ihn  gesehen  haben,  nur  einer  sei  unberufen  ge- 
kommen, die  schuld  dieses  unbekannten  wird  angedeutet, 
vorher  sei  nur  noch  Lähelin  in  das  gebiet  des  Grals  ge- 
langt, habe  einen  ritter  im  Zweikampf  getötet  und  dessen 
ross  geraubt. 

474,  1-^24  :  Trevrizent  erinnert  sich,  dass  auch  sein  gast 
ein  Gralsross  reitet,  anderseits  bemerkt  er  eine  ähnlich- 
•keit  Parzivals  mit  Frimutel,  und  so  kommt  er  zu  der  ge- 
spannten frage  an  Parzival :  wer  er  sei. 

In  dem  die  frage  vorbereitenden  abschnitt  (von  der  er- 
wähnung  Lähelins  an)  beachte  man,  wie  jeder  gedanke  ebenso 
um  des  folgenden,  wie  um  des  vorangehnden  willen  da- 
zusein scheint,  diese  gedanken  sollen  eben  in  ihrer  psycho- 
logischen, nicht  logischen  Verkettung  die  ideenassociation 
darstellen,  welche  Trevrizent  zu  der  in  der  entwicklung  des 
gesprächs  nunmehr  notwendig  gewordenen  frage  führt. 


COMPOSITION  DER  TREVRIZENT-SCENEN  245 

(a2)474,  25 — 484,  30  :  die    erkennung    und    die   daran    sich 
schUefsendea  aufklärungen. 

474,  25 — 476,  30  :  Parzival  nennt  sein  geschlecht  und  be- 
kennt, dass  auch  er  (wie  Läbelin)  einmal  in  seiner  tumpheit 
leichenranb  begangen  habe,  an  Ither.  Trevrizent  sieht,  dass 
er  den  söhn  seiner  Schwester  ?or  sich  hat,  gibt  sich  als 
oheim  zu  erkennen  und  teilt  dem  niedergeschmetterten  mit, 
dass  Über  sein  (Parzivals)  verwanter  gewesen  sei,  und  dass 
auch  der  tod  seiner  mutter  ihm  zur  last  falle. 
477,  1 — 484, 30  :  Trevrizent  erzahlt  nunmehr  dem  nefTen  von 
seinen  übrigen  geschwistern  und  ausführlich  vor  allem  das 
traurige  Schicksal  des  Anfortas,  seine  schuld,  seine  strafe, 
seine  leiden,  seine  durch  die  schrift  am  Gral  erweckte,  durch 
die  tumpheä  des  fremden  ritters  aber  grausam  getäuschte 
hoffnung  auf  erlOsung.  diese  mitteilungen  üben  auf  Parzival 
eine  würkung  aus,  von  der  Trevrizent  nichts  ahnen  kann, 
eine  würkung,  die  um  so  grOfser  ist,  weil  er  noch  nicht 
seine  schuld  in  dieser  sache  bekannt  hat.  sein  selbstbewust- 
sein  ist  jetzt  völlig  gebrochen,  und  das  gefühl  seiner  schuld 
so  niederdrückend,  dass  er  noch  nicht  den  mut  finden  kann, 
sich  seinem  oheim  sogleich  zu  entdecken. 

485, 1 — 487,30 :  episode,  über  deren  künstlerischen  wert 
an  sich  und  für  die  composition  kein  wort  zu  verlieren 
ist,  zumal  sie  auch  von  Bötticher  gut  gewürdigt  wird. 

(b)  488,  1 — 489,  21  :  Parzivals   bekenntnis  seiner  schuld  gegen 

infortas  und  Trevrizents  trost. 

489,  22 — 501,  10  :  nachdem  nun  Trevrizent  erfahren,  dass 
Parzival  auf  Munsalvaesche  gewesen  ist,  gibt  er  noch  eine 
reihe  von  aufklärungen  über  das,  was  Parzival  dort  gesehen 
bat,  über  den  blutigen  speer,  die  silbernen  messer  usw., 
über  die  Jungfrauen  und  ritter  im  dienste  des  Grals,  daran 
anknüpfend  über  seine  eignen  ritterlichen  fahrten  im  minne- 
dienst; abschliefsend  wird  die  rede  noch  einmal  auf  Parzivals 
schuld  gegen  Ither,  seine  mutter  und  Anfortas  gebracht,  auf- 
forderung  zur  bufse.  scbluss  des  ersten  tages. 
501,11 — 18 :  fünfzehn  tage  hält  sich  Parzival  bei  Trevrizent  auf. 
501,  19—502,  22  :  (der  letzte  tag)  über  Titurel,  frauen  und 
priester. 

(C)  502,  23 — 30  :  absolution  und  abschied. 


246  NOLTE 

Ich  glaube,  man  wird  sagen  müBseo,  dass,  von  wenigen 
einzelheiten  abgesehen,  der  abschnitt  etwa  von  455, 25-^489,  21 
geschickt  und  würksam  disponiert  ist.  der  dichter  beherscht 
seinen  Stoff,  er  weifs,  was  er  sagen  will,  und  er  sagt  es.  freilich 
finden  wir  nicht  jene  durchsichtigkeit  der  disposition,  welche  auch 
die  kleinsten  einzelheiten  scharf  von  einander  trennt;  das  ist  auch 
sonst  nicht  Wolframs  art.  er  liebt  es,  unmerkliche  flbergänge 
und  Vermittlungen  zu  schaffen,  jede  neue  Wendung  des  gesprächs 
sorgfältig  vorzubereiten,  sodass  die  grenzen  der  teile  in  einander 
verfliefsen.  er  greift  vor  und  zurück,  aber  nie  verliert  er  dabei 
den  natürlichen  fortschritt  der  erzählung  aus  den  augeki,  er  ver- 
schleiert ihn,,  aber  er  verdunkelt  ihn  nicht,  wir  erhalten  den 
eindruck  eines  würklichen  lebendigen  gesprächs,  das  ungezwungen, 
aber  nicht  nachlässig,  unmerklich,  aber  sicher  fortschreitet,  diesen 
Charakter,  sowie  anderseits  die  besondre  eigontümlichkeit  des  im 
gespräche  zu  entwickelnden  Stoffes  hat  Botticher  verkannt,  der 
abschnitt  489,  22-^502,  22  i^llt  allerdings  nach  dem  voraügehn- 
den  stark  ab,  er  ist  zu  lang  und  sein  inhalt  zu  unbedeutend, 
wenn  er  auch  dem  dichter  und  seinem  publicum  interessanter 
gewesen  sein  mag  als  uns.  zwar  konnten  die  meisten  der  neuen 
aufklärungen  Trevrizents  vor  Parzivals  letztem  bekenntnis  nicht 
gegeben  werden,  auch  für  die  erzählung  von  Trevrizents  ritter- 
lichen fahrten  war  vorher  kaum  platz,  insofern  war  solch  ein 
letzter  aufklärender  abschnitt  in  der  composition  nicht  zu  ver- 
meiden; aber  er  hätte  doch  kürzer  gefasst  und  namentlich  auch 
noch  der  schluss  (499, 11  ff)  straffer  und  kräftiger  heransgearbeit«! 
werden  können. 

Ich  will  versuchen,  den  hauptentwicklungsgang  noch  in  einem 
Schema  kurz  darzustellen. 

A.  452,  13 — 461,  2  :  ankunft  und  empfang. 

B.  461,  3 — 502,  22  :  bekenntnisse,  belehrungen,  aufklärungen. 

I.  461,  3—467,  18  :  Parzivals  abfall    von    Gott   (erstes   be- 
kenntnis). 

II.  467i  19 — 502,  22  :  Parzivals  schuld  gegen  Anfortas;    der 
Gral. 

a.  467,  19 — 487,  30  :  Vorbereitung   des  bekenntnisses  der 
schuld. 

1.  467,  19 — 474,  24  :  Parzivals  Sehnsucht  nach  seinem 
weihe   und  nach  dem  Gral,   aufklärungen   Ober  den 


COMPOSITION  DER  TREVRIZENT-SCENEH  247 

Gral,  welehe  das  vergebliche  seine»  strebeos  nach  dem- 
selben dartun  sollen. 
2.  47 4y  25 — 484,  30  :  Parzival  gibt  sich  zu  erkenneni^  er 
erf^rt  seine  schuld  gegen  seine  mutter  und  kher^ 
Trevrizent  erzählt  ihm  ausführlich  die  geschichle  seine» 
oheims  Anfortäs. 

485,  1—487,  30  :  episode. 
b.  488,  1 — 489,  21  :  das  (zweite)  bekenntni»;    Trevrizenta 
trost. 

489,  22—502,  22  :  letzte  aufklärungen. 
C.  502,  23—502,  30  :  schlusa. 

Soviel  zur  composition  der  Trevrizentscenen  an  sich,  da 
Rötlicher  zu  seiner  kritik  dieser  partie  von  der  Untersuchung  über 
den  grundgedanken  des  ganzen  epos  aus  kam  und  sie  gerade 
auch  in  der  darstellung  diese»  grundgedankens  mangelhaft  fand,^ 
90  sei  auch  hierüber  noch  einiges  bemerkt,  im  letzten  gründe 
erkUrt  sich  Bottichers  so  gänzlich  mis  verstehen  de  beucteilung 
der  Trevrizentscenen  aus  seiner  in  der  bekämpfung  der  theolo- 
gischen speculationen  San -Maries  verdienstlichen',  aber  selbst 
falschen  und  verflachenden  grundauffassung  des  epos.  der  Parzival> 
ist  'das  hohelied  vom  riltertum'  höchstens  insoweit,  als  er  von 
einem  mit  starkem  standesbewustsein  erfüllten  ritterlichen  dichter 
fir  ein  ritterliches  publicum  verfasst  ist  und  mit  zahllosen  äufeer- 
lichkeiten  und  zuiUlligkeiten  in  ritterlichen  zuständen  und  anr 
schauuDgen  wurzelt*  dagegen  ist  er  in  seinen  wesentlichsten 
inneren  motiven  von  solcher  beschränktheit  auf  die  zufälligen  Ver- 
hältnisse des  dichters  und  seiner  zeit  frei,  eine  aufmerksame  und 
unhefangene  betrachtung  des  ganzen  Werkes  und  insbesondre  auch 
des  IX  buehes  lehrt,  dass,  wie  auch  der  eingang  bestätigt,  nach« 
der  eignen  auff^ssung  und  absiebt  des  dichters  da»  centrale  motiv 
des  Parzival  die  treue,  die  centrale  handlung  Parzivals  untreue 
gegen  Gott  einerseits,  seine  treue  in  andern  Verhältnissen,  na- 
mentlich in  dem  mit  höchster  reinheit  und  Zartheit  dargestellten 
Terhältnis  zu  seiner  gattin  anderseits  ist.  Parzivals  abfall  von  Gott 
vollzieht  sich  im  vi  buch  (332,  tff),  er  kommt  besonders  zum 
ansdruck  in  der  begegnung  mit  dem  alten  ritter  (ix446f!),  und' 
die  widerherstellung  des  treueverhältnisses  gegen  Gott  ist  der 
gegenständ  des  ersten  und  wichtigsten  teils  der  Trevrizentscenen. 
die  arty  wie  die  begegnung  mit  Trevrizent  durch  die  begegnung 


248     NOLTE  COMP(»rnoei  DfX  TRCfBBEIIT-SCENEN 

HMt  dem  allen  ritter  vorliereiteC  ist,  we»c  mit  gemtgesder  deot- 
liehkeit  auf  die  erste  und  wesentlicbate  bedescoog  der  TreTrizent- 
seenen  bin.  allerdUiff  wird  der  erste  hnapcteii  dieser  scenen 
an  umfang  doreli  des  foigeadeii  weic  ttbertrodea;  aber  hieriD 
spiegelt  iieb  nnr  die  tom^eMkm  des  ganzes  Werkes  wider,  in 
weichem  rein  anfseriieh  Parzi^als  scbold  gegen  Anfortas  und  sein 
streben  nach  dem  Gral  einen  weit  gr(l(seren  raaan  einnimmt,  als 
iein  trenbmcb  gegen  Gott,  der  sich  weniger  durch  den  ihm  gewid- 
meten ranm,  als  durch  seine  Stellung  in  der  composition  des  ganzen 
and  dareh  die  im  eingang  und  sonst  gegebenen  hinweise  als  der 
mittelponct  der  ganzen  weitschichtigen  handlang  zu  erkennen  gibt. 
Für  die  beurteilong  der  quellenfrage  dOrften  die  Tre?rizent- 
scenen  besonders  grofses  interesse  haben,  bei  Chrestien  ent- 
sprechen, wie  ich  den  anfahrungen  Rochats  und  Kopps  entnehme, 
den  rund  50  absetzen  oder  1500  versen  Wolframs  noch  nicht 
200  verse,  die  kaum  das  notdarftigste  gerippe  fOr  Wolframs  dar- 
stellung  enthalten.  Botticher  legte  die  nach  seiner  ansieht  so  sehr 
unvollkommene  composition  der  vorläge  Wolframs  zur  last;  wir 
worden  nach  unsrer  analyse  wol  eher  geneigt  sein,  fOr  das,  was 
Chrestien  nicht  hat,  Wolfram  allein  verantwortlich  zu  machen. 
Kassel,  5  november  1899.  ALBERT  NOLTE. 

WoLFR.  Parz.  201, 12  :  Bartsch  erklärt  den  vers  er  sazt  die 
U)$rden,  dier  da  vant  'er  wies  den  vornehmsten  ihre  platze  an', 
sollte  Parzival  würklich  in  dem  augenblicke,  da  es  gilt  brennen- 
den hunger  zu  stillen,  an  das  placieren  denken?  der  vers  scheint 
der  geHainlslimmung  zu  widerstreben,  die  Übersetzer  lassen  ihn 
sämtlich  Tallen,  und  ich  selbst  habe  früher  an  äzte  f.  sazte  ge- 
dacht (vergleicht  das  überkrüpfe  201,  14  die  bürger  doch  mit 
fisenden  falken,  vgl.  191,  120«  atich  so/fe  Osättigte',  im  gegensatz 
lur  QberfOllung)  erwogen,  was  besonders  leicht  zu  sazte  (D  satze) 
sich  misverstand.  dennoch  wird  die  Überlieferung  recht  haben. 
$H%en  {doM  iitzen  bticheiden)  ist  vor  der  mahlzeit  so  ständige 
ceremonie  (Pars.  311.  636.  762,  Wh.  172.  261.  263,  also  selbst 
bei  der  henkersmahlieit  vor  der  entscheidungsschlacht),  speciell 
das  amt  des  wirtes  (Wh.  263,  10),  dass  es  schlechthin  'bewirten' 
bedeutet,  der  kOnig  lässt  Wh.  173,23  die  gaste  seUen  nicht 
nitk  ir  &eH,  sondern  ndck  Hnen  &m^  Usst  sie  173,21  im/ 
ietztn,  di.  wohl  bewirten;  Wh.  234,  17  will  Willehalm  die  seinen 
ebenso  «e  iDirrseke/^e  gesetzen.  in  diesem  sehr  prägnanten  sinne 
bedeutet  mzte  auch  in  der  Parzivalstelle,  was  dort  allein  not  tut: 
^er  sori^te  als  wirt  für  die  edeln';  der  eigentliche  sinn  ist  Ober 
dem  sjmbolischen  vergessen.  R. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN. 

8.   DIE  Ä-LAÜTE  IN  DEN  REIMEN  DER  MHD.  DICHTER. 
Dass  Umlauts-^  und  altes  e  von  den  mhd.  dichtero  im  reim 
geschieden    werden,    war    eine    der    frühsteo    erkeDOtoisse    der 
deolschen  philoIogie  und  grammatik.    heute  sind  wir  hauptsäch- 
lich mil  hilfe  der  mundartenforschung  darüber  belehrt,  dass  ein 
grofser  teil  der  früher  zur  regel  constatierten  ausnahmen  darauf 
zorQckgeht,  dass  einerseits  e  in  gewissen  Stellungen  und  Worten 
(vgl.    zuletzt   Paul    Mhd.  gramm.^  §  43   anm.  3,    Michels    Mhd. 
elementarh.  §  48)  seit  jeher  den  geschlossenen  laut  des  §  hatte, 
and  dass  anderseits  der  umlaut  des  a,  dort  wo  er  secundär  ein- 
tritt ^    offenes  ä  ergibt,    welches  bei   manchen   dichtem    und   in 
manchen    mdaa.  mit  dem   offenen  e  zusammenHlllt.     nichtsdesto- 
weniger ist  diese  erkenntnis,  dass  qualitativ  ungleiche  e-laute  von 
den  mhd.  dichtem  nicht  gereimt  werden,  noch  immer  nicht  con- 
sequent  weitergeführt  worden  :  man   operiert   noch  immer  mehr 
als  hillich   mit  den  'ausnahmen',  führt  die  bindung  von  elymol.  ^ 
and  elymol.  e  stets  am  liebsten  auf  die  gröfsere  und  geringere 
Sorgfalt  der  reimtechnik  des  einzelnen  zurück,  verbreitet  so  durch- 
aus  schiefe    und  vage   lehren  wie  ^sorgfältiger   reimende  dichter 
meiden   die  bindung  von  e:e,  dulden  dagegen  meist  e:ä*  und  ist 
meiner  erfahrung  nach  auch  noch  heute  geneigt,  Weinholds  aus- 
spruch  (Mhd.  gramm.  §41),  dass  die  bindungen  von  Qie  'gegen 
ende   des    13  jhs.   kaum    noch    als   ungenau    galten',    zu   unter- 
schreiben. 

Nicht  auf  die  Sorgfalt  der  technik,  sondern  auf  die  mda., 
auf  diese  immer  zuerst  und  meist  ganz  allein  kommt  es  an,  ob 
ein  dichter  ^  mit  e  bindet  und  welche  f  er  mit  e  bindet  ^    dass 

^  ich  ziele  hier  nicht  auf  die  e,  die  in  vielen  oder  allen  mdaa.  im 
klang  mit  q  zosammenfallen,  da  ich  überall  in  diesen  Stadien  die  blofs  ety- 
mologischen, aber  nicht  lautlichen  e,  also  die  geschlossenen  e  in  swesterj 
gcMler^  weste  {nest,  fest  *die8  festus'.  breiten,  gebrSst  haben  auch  oft  ge- 
schlossenes e,  verlangen  aber  für  jeden  dichter  und  jede  mda.  gesonderte 
betrachtung),  fels,  heim,  belUz,  welker  (eben  verlangt  wider  gesonderte  be- 
trachtung),  etewir  usw.  direct  als  e  ansetze,  dass  ich  ferner  auch  den 
Worten  ihre  richtigen  e-iaute  zuzuteilen  bestrebt  bin,  denen  man  in  folge 
falscher  eljmologie  oder  nichtbeachtung  ihrer  mundartlichen  lautung  ein 
amlauts-  r^sp.  brechungs-e  fälschlich  zugeteilt  hat  [vsgen,  röchenen,  jener, 
tneeke,  schenket  usw.),  and  dass  ich  schlierslich  zwischen  e  und  ä  genau 
scheide  und  dieses  auch  von  i  gesondert  betrachte,  versteht  sich  von  selbst. 


250  ZWIERZINA 

*  auch  nur  hinein  hochd.  dichter  des  13  jhs«  und  seis  dem  letzten 
e  und  e  im  reim  gleich  galt,  laugen  ich.  es  gibt  bei  unrein 
reimenden  autoren  natürlich  reime  von  ^:e  so  gut  wie  etwa 
andre  unreine  reime,  immer  lässt  sich  aber  dann  die  reine  bin- 
dnng  der  e-laute  als  das  regelmäfsige  erweisen,  das  zur  un- 
reinen ausnahmsbindung  genau  im  gleichen  Verhältnis  steht,  wie 
reine  und  unreine  bindung  bei  diesem  autor  überhaupt,  und 
auch  hier  spielt  die  mda.  die  hauptroUe.  denn  nur  d^r  au- 
tor bindet  ausnahmsweise  ^;e,  in  dessen  mda.  die  beiden  laute 
auch  heute  nicht  zu  weit  von  einander  abliegen  :  ein  Hochale- 
manne  wie  Walth.  vRheinau  lässt  den  reim  -^.'-är  ausnahms- 
weise passieren,  dass  ein  Baier  oder  Österreicher,  auch  noch 
im  14  Jh.,  jemals  -^  mit  -er  gebunden  hätte,  halt  ich  für  aus- 
geschlossen. 

Ferner  find  ich,  dass  selbst  für  unsre  mhd.  hauptdichter  die 
kenntnis  ihres  Sonderverhaltens  in  bezug  auf  die  e-laute  noch 
immer  nicht  sichrer  besitz  der  Wissenschaft  ist.  und  diese  kennt- 
nis ist  leicht  zu  erlangen  und  höchst  wichtig  für  die  richtige 
einordnung  des  betreffenden  dichters.  zöge  man  Wolframs  ge- 
brauch der  e-laute  im  reim  in  betracht,  so  würde  man  nicht,  wie 
dies  heute  allgemein  geschieht,  den  bairischen  einschlag  seiner 
spräche  so  ganz  ungebührlich  überschätzen,  aber  da  list  man 
immer  und  immer  wider  und  zuletzt  noch  in  Michels  Mhd.  ele- 
mentarb.  §  74,  3  anm.  1,  dass  Wolfr.  ^  und  e  häufig  binde  und 
bes.  häufig  vor  g  :  all  das  nur,  weil  Schulz  in  seinem  reimregister 
aus  purer  Unwissenheit  einige  70  bindungen  von  ^:e,  darunter 
viele  vor  g,  für  Wolfr.  ansetzt,  die  mit  ausnähme  der  zwei  reime 
von  st^teibete  und  der  fölle,  in  denen  nicht  ^,  sondern  d  mit  e 
gebunden  ist,  von  ihm  alle  einfach  falsch  beurteilt  sind,  nein, 
es  gibt  keinen  dichter,  der  {i  und  e  schärfer  und  sichrer  zu  trennen 
wüste  als  Wolfram,  aber  so  wenig  ist  die  bedeutung  dieser 
Scheidung  in  fleisch  und  blut  der  altdeutschen  philologie  über- 
gegangen, dass  etwa  WolCf  noch  im  xix  band  des  Anzeigers  s.  155 
auf  grund  einer  überall  corrupten  Überlieferung  des  16  jhs.  den 
reim  von  A(T  zu  ger  Konrad  vWürzburg  octroyiert,  obwol 
dieser  dichter  innerhalb  von  nahezu  hunderttausend  versen  -er 
und  -er  niemals  bindet  und  die  beiderlei  reimpaare  -^;-fr  und 
-^r; -er,  die  bei  ihm  zu  hunderten  vorkommen,  stets  streng  aus- 
einanderhält, und  dies,  trotzdem  Haupt  in  der  anm.  zur  stelle  den 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  251 

kOnftigeD  ^kriiiker'  auf  die  vorliegende  Schwierigkeit  eigens  auf- 
aterksam  gemacht  hall  ^ 

Merkwürdig  bleibt  es  mir  schliefslich  auch,  dass   man   sich 
fOr  die  ▼ielen  unter  den  altern  und  Jüngern  dichtem,  die  ^  und 
e  im  reiai  noch  durchaus  trennen,  jedoch  mehr  oder  weniger  häufig 
kurz  ^  auf  lang  4  reimen,  m.  w.  noch  nicht  gefragt  hat,  welches 
^  (f,  e  odier  ä)  denn  von  ihnen  auf  4  gereimt  wird,  und  welches 
i  (i  oder  a)  auf  I^K     es  ist  doch  nicht  anzunehmen,   dass  der- 
seS>e    dichter,   der  f  und  #,  4  und  CB  dort,   wo  er  die  etymol. 
quantiiaten  in   sich   bindet,    feinhörig  scheidet^    dieselben   laute 
durcbeinaDdermengt,  sobald   er  etymol.  kürze  mit  etymol.  länge 
bindet,  sodass  sein  reimpaar  dort  auch  qualitativ  unrein  wird,  wo 
es  (voB  historischem  standpunct  aus)  schon  quantitativ  unrein  ist. 
man    hat   über  die  ursprüngliche  qualität  des  aus  ai  hervorge* 
gangeaen  e  schon  viel  debattiert  und  widersprechende  ansichten 
gedufoerL    für  die  mhd.  zeit  wurde  jüngst  von  Michels  Mbdl  ele- 
meDUrbucb  §  26  s^  27  für  e  die  offene  qualität  in  anepruch  ge- 
nommen, uzw..  allein  mithinweis  auf  den  Wbergding  herre^  hirre; 
denn  erze  >-  irze  wollen  wir  doch  besser  bei  seite  lassen,  in  der 
hoffnuDg,  dass  das  Ahd.  elementarbuch  der  Sammlung  uns  darüber 
bald  richtiger  belehrt,    mit  der  einschränkung  ^wenigstens  oberd.' 
bringt  Michels  selbst  seine  ansieht  vor  ^  :  mit  der  einschränkung 
'wenigstens  ostschwäb.  und  bair.'  werden   wir  sie  gelten   lassen 
kftnnen.     dass  fürs   13  und  14  jh.   die  beobachtung  des  reim- 
gebraocbs  der  dichter,  die  §  und  ß,  i  und  €B  trennen,  aber  die 
qnantitaten  mengen,   die  entscheidung  bringen  muss,   war  leicht 
vorauszusehen,    sie  föllt  zu  gunsten  derjenigen,  die  hier  den  zu- 
sammenfall der  altern  mit  den  heutigen  dialektverhältnissen  ver* 
fochten   haben,     die  nähere  ausführung  dieses  themas  wird  uns 
im  folgenden  in  erster  linie  beschäftigen. 

Die  bairisch-üsterreichische  gruppe.  —  ich  schicke 
die  betrachtnng  jener  ^ausnahmen'  voraus,  jener  'unreinen'  bin^ 
dangen  von  ^  :e,  die  den  bair.-Osterr.  dichtern,  sei  es  des  kunst- 

^  Wolffs  verweis  auf  die  'weitem  fälle  des  reims  e :  6\  die  bei  Konr. 
ZQ  constatieren  wäreo,  hat  scbofi  ESchröder  in  der  anm.  aao.  zurückgewiesen. 

^  jedoch  scheint  Ehrismann  auf  richtigem  weg,  s.  Beitr.  22,  289.  291. 

3  auch  hkrre  ist  nicht  allgemein  mhd.,  sondern  hat  dialektisch  be- 
grenzte geltung,  s.  darüber  Studien  nr  10. 


252  ZWIERZINA 

epos  (Heinr.  vTürl.I),  sei  es  des  volksepos  (Nib.  usw.!)  seit  jeher 
vorgeworfen  werden,  als  wäre  die  tecbnik  hier  roher,  das  ohr  der 
dichter  hier  weniger  fein  gewesen  als  anderswo,  während  sie  in 
würklichkeit  nur  einen  unterschied  nicht  hOren  konnten ,  wo  er 
in  ihrer  mda.  seit  ältester  zeit  nicht  mehr  bestand. 

Ich  gebe  in  dieser  nr  der  Studien  nicht  für  jeden  dichter 
die  sämtlichen  belege,  die  mir  aber,  wie  ich  betone,  für  jeden, 
der  genannt  wird,  vollständig  zur  Verfügung  stehn,  sondern  lege 
nur  die  resultate  vor  und  illustriere  sie  dann  durch  die  bei 
diesem  oder  jenem  der  genannten  erkennbaren  einzelverhältnisse. 
da  ja  immer  auch  die  zahllosen  reinen  bindungen  neben  den  sog. 
unreinen,  uzw.  nicht  nur  für  die  gerade  in  behandlung  stehnde 
gruppe  von  dichtem  selbst,  sondern  zu  vergleich  und  contrast 
auch  für  die  ander  ndichter,  hätten  heruntergezählt  werden  müssen, 
so  hätte  das  diese  nr  unnötigerweise  aufs  fünffache  angeschwellt. 

Es  ist  festzustellen,  dass  alle  Osterr.  volksepen :  Nib.,  Gudr., Klage, 
Bit.,  Dietr.  Fl.,  Rabenschi.,  Wolfd.B,  Roseng. A,  Laurin;  fernerauch 
alle  andern  österr.denkmäler:Neidb.,Warnung,  Heinr.  vTürl.,  Mantel, 
Ulr.  vTürL,  Pleier,  Mai  und  Beaflor  und  ebenso  noch  die  spätem  und 
spätesten  :  Ulr.  vLichtenstein,  Herrand  vWildon,  Gundach.  vJuden- 
burg,  Ottokarl,  Konr.  vHaslau,  Lutwin,  Seifr.  Helbling,  Suchen- 
wirt, Christoph.  Zs.l7,  SOswald  ed.  EttmüUer,  dass  also  alle  diese 
österr.  denkmäler,  die  ältesten  wie  die  jüngsten,  ^  und  €  vor  r, 
doppel-r  und  r-^cons.,  vor  /  und  /-f-<^<>QS-^  ^üf  das  peinlichste 
und  ohne  dass  wir  auch  aur  6ine  ausnähme  von  der  regel  zu- 
geben dürften,  auseinander  halten,  spätere  Franken  und  spätere 
Alemannen  scheiden  e  und  6  ja  auch  noch  meist  in  ihren  reimen, 
aber  es  gestatten  sich  viele  von  ihnen  hie  und  da  auch  eine  un- 
reine bindung,  hier  in  der  tat  eine  unreine,  weil  ihr  das  gros 
der  reinen  bindungen  gegenübersteht,  diese  sporadischen  reime 
von  ^ :  6  finden  sich  bei  Franken  und  Alemannen  ebenso  oft  vor 
liquida  wie  vor  muta,  weil  sie  hier  und  dort  ihre  e- laute  in 
gleicher  weise  trennen  oder  mengen.  —  nicht  so  die  Österreicher. 

Die  ganze  reihe  der  Osterr.  denkmäler  nämlich,  die  ich  eben 
genannt  habe,   wider  die  Jüngern  so  gut  wie  die  altern,   reimen 

^  die  kenntnis  der  reim-  und  sprach  Verhältnisse  OUokars  verdank  ich 
den  Sammlungen  SSingers. 

'  für  Stellung  vor  doppel-/  ist  jeder  Österreicher  für  sich  zu  unter- 
suchen. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  253 

-f6(«)-  und  -e6(e)-,  -^(«)-  und  -ärf(e),  -f(7(e>  und  -ä^(c),  -(?((«) 
und  *d(e)-  ohne  die  geringste  eioschränkung  unterschiedslos  mit- 
eioand^r.     auf  dieses  ^unterschiedslos'  setz  ich  den  accent,  denn 
daK  f :  e   vor  g  in  diesen   gedichten   des  öftern  gebunden  wird, 
ist  8choo  iwiderholt  und  von  verschiedenen  seken  notiert  worden  t. 
immer    aber   rangieren   dann   diese  bindungen   unter   den  *reim- 
freih^ten'   Hod  nirgend  wird  betont,  dass  sämtliche  Osterr.  dichter 
f  und  e    vor   einfachen   b,  d,  g,  t   überhaupt  gar  nicht   unter- 
scheideo.     dass  die  bindungen  von  ^he :  ehe  und  ^de :  ede  trotzdem 
selten  sind  (s.  aber  etwa  gehabe: lebe  Krone  13018,  gr^et riebet 
4971,    Warn.  1293,  h^ben ;lebeji  Lbuv.  IM ,  :  geben  Lutw.  394, 
flnftf6en  :  degen    Christoph.  265,     ^del  :  sedel   Gudr.    1631,  3. 
Sochenw.  41,1303,    anderes  unten   bei   den   belegen    für   ein- 
zelne   didiler),    beweist  so    wenig  etwas   dagegen ,   als   dass   in 
den  weniger  umfangreichen  österr.  dichtwerken  auch  die  bindung 
von  fge  :  ege  hie  und  da  nur  sporadisch  auftritt,    dies  findet  seine 
volle  erklärung  im  wortmaterial.    in  §be  gibt  es  aufser  den  doch 
sicherlich  im  reim  nicht  häufig  zu  erwartenden  h{*ben,  grabet  keine 
reim  Worte  ^  und  noch  schlechter  ist  es  für  ede  mit  den  dem  dichter 
zur   Verfügung  stehnden   reimmOglichkeaten  bestellt,     so   müssen 
notwendig  die  sogen,  unreinen   bindungen   von  h^be(n)  :  -ebein) 
hinler    den   reimen    sou  geben : leben '.streben isweben:  eben  ganz 
aufl^llig  zurückstebn.    aber  die  hauptsache  ist  nicht,  dass  neben 
der  in   der  ganzen  mhd.  litteratur  wuchernden  reinen   bindung 
von  ebe:ebe,  Sgeiege  in   der   Osterr.  auch  einige  §be:ebe  und 
ege :  ege  stehn,  sondern  dass  hier  neben  den  unreinen  bindungen 
die   reinen   von  fbe  und  ^ge  in  sich  ganz  oder  fast  ganz  fehlen 
und  dass  man  daneben  q  und  e  vor  liquida  auch  in  den  schwie- 
rigeren reimtypen  reinlich  scheidet. 

Denn  ähnlich  wie  für  f  und  e  vor  h  ligt  die  sache  auch  für 
e  vor  g,  auch  hier  überwiegen  die  reimmöglichkeiten  in  ige 
{wige  subst.,  alle  wige,  under  wigen,  wegen  verb,  sich  bewigen,  üz 
erwegen^  digen,  »igen,  gelegen  part.,  stege,  phlege  subst.,  phlegen  verb, 

'  8.  th.  Martin  Kadr.  gr.  aosg.  s.  ix,  Jänicke  Heldenb.  i  s.  ix,  Martin 
HeMenb.  n  «.  lv  f,  Amelong  Heldenb.  ni  s.  lviii,  Holz  Roseng.  s.  lxxxi  usf. 

*  eben  gilt  den  meisten  mhd.  dichtem  als  eben,  für  die  Österreicher 
üsst  sich  Dalürlich  nichts  entscheiden.  enUeben  ist  keine  I>air.-Ö6terr.,  son- 
dem  eine  hauptsächlich  md.  Tocabe).  der  plar.  von  itap  hat  meist  secon- 
dären  omlaat. 


254  ZWIERZINA 

regen  subst.)  bei  weitem  Ober  die  reimmöglichkeiteq  in  ^ge  (sl^ge 
8ub8t.,  kgen,  w^gen  ^schütteln';  r^gen  verb,  m^gen  auxiliar),  wenn 
dieser  auch  mehr  vorhaodeD  sind^  als  derer  in  ^be  und  ede.  das 
illustrieren  uns  schon  die  zahleaverhältnisse  in  den  reimen  jener 
dichter,  die  ^  und  ü  auch  vor  6,  d,  g  unterscheiden.  Hartm.  zb. 
überliefert  10  reimpaare  in  ^ge(n)  ^  dagegen  stehn  62  reimpaare 
in  ege{n).  bei  Wolfr.  stehn  12  ^ge{n) :  ^ge{n)  gegen  89  eg$(n):: 
ige(n)^.  wir  sehen  also,  dass  die  wahrscbeinlichkeit  mipdestens 
6  mal  so  grofs  ist  dafür,  dass  §ge(n)  bei  dichtem,  in  deren  spräche 
es  mit  ege{n)  identisch  ist,  zu  diesem  ege{n)  gepaart  werde,  als 
dass  es  mit  ^g€(n)^  also  in  sich  reime,  da  §  vor  g  bei  den 
Österreichern  nun  tatsächlich  diesem  Verhältnis  gemäTs  fast  immer 
zu  g  reimt  und  nirgend  sich  ein  wort  mit  dem  passenden  ^  suchte 
so  dürfen  wir  wol  behaupten,  dass  die  Österreicher  ^  und  e  vor 
g  (b  und  d)  gar  nicht  unterscheiden,  eh  ich  die  Sachlage  im  ein- 
zelnen an  einigen  der  oben  genannten  denkmäler,  die  sich  alle 
gleich  verhalten,  illustriere,  müssen  wir  noch  die  weiteren  für  die 
richtige  Wertung  des  materials  notwendigen  darlegungen  hören. 
Für  ^  vor  t  handelt  es  sich  hauptsächlich  um  die  bindung 
des  Wortes  st^te^  resp.  si^m*  hier  brauchen  wir  nur  zu  Consta- 
tiereo,  dass  die  bindung  8t^e(n)  : 'iae(n)  (bBU,  gebete,  gebeten, 
triften,  ßten,  hete  usw.)  bei  allen  Österreichern  häufig  ist.    jedoch 

^  von  den  reimen  in  eget  (nur  Er.  4686)  ist  bei  der  berecbaung  ab> 
zusehn,  da  leit  und  treit  von  Hartm.  stets,  von  Wolfr.  fast  nie  conlrahiert 
.werden  und  auch  die  Österreicher,  wie  die  nächste  nr  lehrt,  sich  da  ver- 
schieden verhalten. 

'  bei  Schulz  sehr  viel  unter  f :  i  s.  49.  —  von  eget  seh  ich  wider  ab, 
s.  die  voranstehnde  anm.  zu  den  beispielen  für  igen  bei  Scholz  s.  43  füge 
noch  hinzu  dsgen :  phligen  Parz.  427,21. 

^  ein  überwiegen  der  reinen  bindungen  von  ige  in  sich  ist  aber  na- 
türlich auch  für  die  Österreicher  selbstverständlich,  da  die  worte  in  ^e  eben 
viel  häufiger  zur  Verwendung  kommen  als  die  in  ege.  in  kleinem  gedichten 
kann  auch  das  vollständige  fehlen  einer  bindung  von  ^  :e  vor  g  neben  zahl- 
reichen ige :  ige  unsrer  auffassung  von  der  Identität  des  e  und  des  i  in 
.Stellung  vor  muta  bei  den  Österreichern  nicht  ins  wanken  bringen,  solange 
nur  auch  kein  ege:^e  widerspricht,  so  wird  der  Laurin  nur  durch  die 
bindung  von  Af6en  .* /^60n  751  in  unsre  gruppe  gewiesen,  ige:  ige  ist  häufig, 
^e :  ige  fehlt,  aber  das  ist  lufsll,  deno  es  fehlt  auch  ein  ege :  ^ge.  ebenso 
kann  es  ib.  nichts  iweifelhaft  machen^  wenn  etwa  im  Roseog.  A  nur  2  mal 
*legefh:digen  reimt,  s.  Holz  s.  lxxxi,  sonst  kein  f:i.  die  hauptsacbe  ist 
M»ch  hier,  dass  im  gedieht  sonst  nirgend  ^e  reimt,  als  dort,  wo  es  mit 
ige  gebunden  ist. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  255 

ist  diese  biodung  Dichte  speciell  Österreichisches,  sie  greift  über 

öatoreich  und  das  engere  Baiero  hinaus  auf  fränkisches  und  ale- 

manniscbes  gebiet,    aber  so  viel  unterschied  bleibt  doch  :  es  gibt 

keinen  Oslerreicher,  der  diese  bindung  sichtlich  meidet  ^,  dagegen 

gibt  es  eine  ganze  reihe  alem.,  fränk.,  oberpf^lz.  dichter,  die  ^e 

and   &e  auseinandertiaiien.     so   von  Hartm.  und   andern   altern 

Alemannen  ganz  abgesehen,  zb.  Konr.  vWürzb.,  Reinbot,  Servatius 

Zs.  5,    die   alle  drei  t§te^  nicht  tete^  sagen  (s.  s.  107.  112)   und 

dieses  i^e   nur  mit  €t^e  binden,     über  Gotfr.  vStrafsb.   s.  oben 

s.  107.      noch  Hugo  vLangenstein   und   Hugo   vTrimberg   halten 

ttete  und  bete  auseinander,    man  pflegt  für  die  bindung  von  stete 

i-ite   in  neuerer  zeit,   bes.  seit  Ehrismanns  Zusammenstellungen 

Beitr.  22,  298  f,  stdte  statt  $t§te  anzusetzen,     aber  damit  kämen 

wir  etwa  für  Wolfr.  aus,  nicht  für  die  Österreicher,    denn  diese 

reimen  ä :  e  erst  recht  nicht,     übrigens  stehn   neben  st^e  :  -ite 

dach  auch  die  v^ter :  weter  und  k§ten :  getreten,  s.  u. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  betrachtung  der  reime  von  kurz 
i  auf  lang  e  in  den  genannten  Osterr.  denkmälern.  ich  setze  die 
reihe  noch  einmal  her  :  Nib.,  Gudr.,  Klage,  Bit.,  Dietr.  Fl.  und 
Rabenschi.  ^,  Wolfd.  B,  Roseng.  A,  Laurin,  Neidh.,  Warnung, 
Bemr.  vTürl.,  Mantel,  ülr.  vTürl.,  Pleier,  Mai,  ülr.  vLichtensL, 
Herrand  vWildon,  Gundach.  vJudenb.,  Ottokar,  Konr.  vHaslau, 
Lutwin,  Seifr.  HelbL,  Suchenw.,  Christoph  Zs.  17,  SOswald 
ed.  EttmUller.  alle  diese  nun  reimen,  wenn  sie  die  ungleichen 
quantitäten  binden,  und  das  tun  so  ziemlich  alle  (über  Ulr. 
?Torl.  s.  unten),  i  nur  auf  e,  nie  auf  ^.  i  kann  ja  aus  ety- 
mologischen gründen  hauptsächlich  nur  vor  r,  A,  tr,  resp.  im 
aaslaut,  ferner  in  sile  <C  saiwala  vor  I  erscheinen,  das  e  in  grede, 
bede,  wenie,  gen  und  eten  lass  ich  vor  der  hand  bei  seite.  sein 
klang  wird  unten  noch  zur  besprechung  kommen,    die  zwei  erst- 

^  wo  stete :-ele  in  einem  osterr.  gedieht  fehlte  wie  zb.  in  den  NIb., 
lisst  sich  der  'zafall*,  wie  wir  sehn  werden,  fast  mit  den  bänden  greifen. 

*  man  mass  dabei  in  anschlag  bringen,  dass  Dietr.  Fl.  und  RabenschL, 
sowie  die  Nib.  (s.  oben  s.  96  anm.)  als  zweiten  compositionsteil  der  namen 
lediglich  -her  kennen  und  nicht  -A^,  s.  Dietr.  Fl.  Starcher  955,  Ruother 
1315,  Sigehfr  2069  (der  Sigeher  oder  wol  besser  Sigeger  5859  ist  ein  an* 
drer),  Dielher  2409.  7445,  fFalther  5902.  9244,  Günther  9229; 'Rabenschi. 
Günther  489,  2.  722,  1,  ÄTfcW  72,  1,  Alpher  256,  1,  Diether  349,  2.  379, 4. 
428,  2.  im  Bit.  wechselt  -hqr  und  -h^y  s.  Jänicke  s.x,  ebenso  im  Roseng.  A, 
wovon  noch  unten,    in  der  Kl.  herscht  -hSr, 


256  ZWIERZINA 

genannten  können  bei  dichtem,  die  zweisilbig  klingend  und  zwei- 
silbig stumpf  nicht  binden  und  so  starke  apokopen  wie  gred,  bSd 
im  reim  scheuen,  mit  kürze  ja  überhaupt  nicht  gebunden  werden; 
ebensowenig  wenic.  hauptsächlich  wird  es  sich  bei  allen  dichtem  um 
die  reimlypen  -^r  und  -er  handeln,  und  hier  ist  zu  sagen,  dass  die 
Österreicher  zwischen  den  reimlypen  -er  und  -er  so  gut  wie  gar  nicht 
scheiden  :  -er  und  -er  fallen  auch  bei  denen  unter  ihnen  zusammen, 
die,  wie  etwa  der  dichter  der  Nib.,  zwischen  -ar  und  -är  noch 
genau  unterscheiden,  aber  nur  -er*  und  -er  fallen  zusammen, 
die  bindung  -^r ;  -^r  (her,  m§r,  w^,  em§r,  verz^r  usw.)  fehlt  auf 
dem  ganzen  gebiete,  wie  leicht  und  gefällig  die  letzlere  gewesen 
wäre,  wird  uns  noch  der  gebrauch  der  dichter  andrer  mdaa.  de- 
monstrieren, auch  die  bindung  'Srte'.-erte  und,  bes.  bei  den 
spätem,  die  stärker  synkopieren,  -emi-em  ist  in  österr.  denk- 
mälern  gang  und  gäbe,  so  gut  wie  nie  reimt  hier  aber  -er/e :  -§rte 
(ncrte,  WQVte,  h^rte,  gev^te  us^,)  oder  -^mi-^m  (tß^m,  ern§m, 
verz^m,  beh^m  usw.),  diese  bindungen  eignen  andern  mdaa.  von 
einigen  fast  immer  nur  scheinbaren  ausnahmen  wird  unten  noch 
die  rede  sein,  zu  sei,  das  apokope  nicht  scheuende  denkmäler 
auf  mel,  hei,  gel  usf.  reimen,  gibt  es  freilich  schon  an  sich 
leichter  bindungen  mit  -el  als  mit  -f{  (bem.  übrigens  ich  z^l,  wfl, 
ferner  *$eln  :  zf2n,  w^Jn  usf.),  aber  wäre  S  und  e  vor  I  nicht 
qualitativ  gleich  gewesen,  so  hätten  die  spätem  Österreicher  ihre 
bindung  meiden  können,  wie  die  spätem  Franken  etwa  sie  meiden, 
dasselbe  gilt  von  den  lehn,  vUhn  :  sehn,  geschehn,  jehn,  lieh,  ver- 
zieh :  er  jech,  ez  geschech  usw.,  vlihte  :  rehte,  knehte  usw. 

Während  in  Österreich  nun,  wie  wir  gehört  haben,  e  und 
f  zusammenfallen  vor  muta,  bleiben  sie  vor  r,  l  (und  h,  über  -6% 
und  -ch  s.  unten)  getrennt  nichts  natürlicher  also,  als  dass  zu 
-eVy  -il  und  -ih  nur  eins  der  beiden  i,  c  oder  e,  reimen  konnte, 
es  wäre  denn,  dass  die  qualität  des  e  eine  mittlere  gewesen  wäre, 
die  zwischen  e  und  f  iu  der  mitte  stand,  das  war  in  Österreich 
nicht  der  fall  :  auf  i  konnte  nur  e  gereimt  werden,  dh.  i  hatte 
hier  die  qualität  des  e  vor  r,  l,  hK 

Sowie  einem  Österreicher  kein  i:€B  und  kein  e  (geschweige 
denn  c)  ^^  reimen  kann,  so  kann  ihm  seiner  mda.  gemäfs  auch 
nie  ein  e  oder  f  mit  a  reimen,     ce  und  ä   reimen  nur  in  sich. 

^  aaslautendes  S  {S,  mS,  sS,  tnS,  kiS,  wS  usw.)  und  S  vor  w  (Swic  usw.) 
kann  ja  aus  begreiflichen  gründen  keine  bindong  mit  ^  finden. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  257 

ich  berOhre  dies  hier  our,  die  nähere  ausfübrung  bringt  ein  späi- 
terer  abschnitt  noch  dieser  nr. 

WcDB  wir  sehen,  dass  mit  dem  i  das  dann  vor  r,  l,  h  lu 
slfthn  kaounonde  e  zusammengebt  und  nicht  das  ^^  so  wird  uns 
dadurch  our  ein  detail  der  (Vsterr.  dialektgrammaiik  schon  fürs 
13  und  14  jb.  bestätigt,  das  für  die  gegenwärtige  zeit  längst 
GODStatiert  ist.  denn  auf  Osterr.  (und  auch  bair.)  boden  fällt  das 
i  mit  dem  in  gleicher  Stellung  gelängten  i,  nicht  aber  mit  de« 
f,  heate  vollkommen  zusammen,  uzw.  teils  in  einem  offenen 
ksgen  e,  teils  in  einem  daraus  in  einzelmdaa.  vor  r,  seltener 
vor  I  entwickelten  ea,  teils,  vor  I,  in  einem  offenen  langen  o  usw. 
ich  Terweise  dafür  auf  die  ausfahrungen  von  Luick  Beitr.  14, 129. 
133,  Nagl  Beitr.  18,  263,  Schau  Mundart  von  Imst  s.  50  f.  52, 
Maister  Voqalverbältnisse  der  mda.  des  burggrafenamtes,  Meraner 
progr.  1864,  s.  7.  10,  GMaurer  Die  mhd.  e,  o  und  tu  der  Stamm- 
silben  in  der  jetzigen  mda.  an  der  Hz  (Ostbaiern)  s.  7  f. 

Da  nun  ^,  wie  wol  feststeht,  den  offenen,  ^  den  geschlossenen 
laut  in  älterer  zeit  so  gut  wie  heute  repräsentiert,  so  hatte  ^  also 
in  österr.  (und  Baiern)  schon  im  13  und  14  |h.  den  offenen 
kbng,  der  ihm  auch  heute  eignet. 

Nun  fragt  es  sich  weiter  :  in  welchem  laut  fielen  in  der 
spräche  der  österr.  dichter  des  13  und  14  jhs.,  sowie  ihre  reime 
es  erkennen  lassen,  die  f  und  e  vor  g,  b,  d,  t  zusammen?  es 
wurde  zur  sache  schon  viel  verkehrtes  vorgebracht,  so  will  Hok 
Roseog.  ein],  s.  lxui  die  beiden  reime  von  slegmk :  -^gen^  die  srin 
gedieht  ausweist,  dadurch  erklären,  dass,  nacb  einem  sonst  ja 
ganz  bekannten  Vorgang,  der  plur.  von  slae  in  folge  der  beein- 
flussung  durch  das  a  des  Singulars  statt  des  zu  erwartenden 
ersten  zweites  umlauts-e,  also  ä,  erhalten  habe,  das  nun  mit 
offenem  e  reimte,  aber  erstens  hat  Holz  nicht  bedacht,  dass  im 
gedieht  zwar  nur  siegen: -igen  2 mal  gereimt  ist,  aber  nirgend 
sonst  ein  -egm  auch  rein  in  sich  reimt,  zweitens  dass  wir  diese 
bindung  von  ^:e  vqr  g  im  Roseng.  A  nicht  losreilsen  dürfen  von 
den  zahllosen  ganz  gleichartigen  reimen  der  andern  österr.  denk- 
mäler,  in  denen  aber  bindungen  von  lfg$n,  megen,  eng^gen :  -igen 
neben  den  slfgen  :  -egen  stehn.  ferner  ist  —  und  das  wäre  allein 
schon  entscheidend  —  eine  bindung  von  ä  :  e  wol  in  md.  und 
spätalera.  denkmälern  an  ihrem  platze,  in  österr.  oder  bair.  aber 
kann  ä  mit  e  gar  nicht  reimen,  sowie  diese  beiden  laute  ja  auch 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXIl.  18 


258  ZWIERZINA 

heute  eben  in  allen  md.  uod  den  meisten  alem.  dialekten  zu- 
sammenfallen, in  Osterreich  und  Baiern  aber  himmelweil  ver* 
schiedene  laute  bleiben;  und  schliefslich  gehört  gerade  der  plur. 
von  ^schlag'  zu  den  nicht  zahlreichen  pluralen  von  i-substantiven, 
die  ihr  altes  ^  durch  das  a  des  sing,  nicht  beeinflussen  lassen, 
sondern  es  auch  in  den  jetzigen  dialekten,  und  nicht  nur  auf 
österr.  gebiet i,  fest  in  der  alten  qualität  erhalten  haben;  s.  zb. 
wider  Luick  Beitr.  14,  130,  Schatz  aao.  s.  44,  Maurer  aao.  s.  7. 
auch  für  den  Wiener  dialekt  kann  ich  dies  bezeugen  :  das  de- 
minutiv heifst  sldg^^l  (hohes  d  »=:  mhd.  d),  der  plur.  aber  sl^k 
mit  langem  geschlossenen  e. 

Allgemeiner  hat  kürzlich  noch  Michels  Mhd.  elementarb.  §  74, 
anm.  1  s.  61  zur  erklärung  unsrer  österr.  reime  von  mhd.  q:e 
vor  g  —  von  den  gleichartigen  bindungen  vor  b,  d,  t  nahm  er 
nicht  kenntnis  —  der  Vermutung  räum  gegeben,  dass  im  bair. 
'g  die  volle  durchführung  des  umlauts  verhindert  habe',  danach 
wären  also,  wenn  wir  diese  hypothese  auf  unsre  beobachtung 
ausdehnen,  q  und  e  vor  g,  b,  d,  t  bei  den  österr.  dichtem  mhd. 
zeit  im  offenen  laut  des  e,  nicht  im  geschlossenen  des  ^  zu- 
sammengetroffen, dass  gerade  das  umgekehrte  der  fall  ist,  hätte 
Michels  ein  blick  in  die  den  bair.  -  österr.  6-laat  behandelnden 
Schriften  lehren  können. 

Auf  bair.-österr.  Sprachgebiet  behalten  einerseits  ^  und  e  vor 
r  und  /  ihre  ganz  heterogene  qualität  :  das  e  bleibt,  wie  die 
einzelmda.  es  auch  entwickelt,  stets  ein  offner  laut,  das  f  stets 
ein  geschlossener  und  geht,  namentlich  vor  r,  vielfach  direct  in 
einen  t-laut  über  oder,  namentlich  vor  [,  in  ein  geschlossenes  ö. 
so  bei  erhaltener  kürze,  so  in  der  dehnung.  in  den  übrigen 
Stellungen  aber  (von  Stellung  vor  nasal  wird  am  schluss  der  nr 
zu  handeln  sein)  hatte  anderseits  das  offene  e  die  tendenz,  den 
geschlossenen  laut  des  q  anzunehmen,  'uzw.  greift  diese  tendenz 
ausnahmslos  durch  vor  einfacher  muta,  wo  also  heute  immer 
dehnung  des  vocals  vorligt,  dh.  vor  (,  d,  g,  t.  hier  ist  in  den 
österr.  mdaa.  das  gedehnte  mhd.  e  geschlossen,  ein  f  oder  ^', 
ein  6  oder  ^t  usf.  und  hat  den  lautwert  des  umlauts-f,  mit  dem 
es  gänzlich  in  eins  fSlllt.  die  tendenz  wird  behindert  durch 
schärfere  consonanz  oder  vielleicht  vielmehr  durch  bestimmte  un- 
betonte Silben,  die  der  Wurzelsilbe  folgen  und  die  im  nhd.  sonst 

*  fürs  alemann.  von  Baselstadt  vgl.  zb.  Heusler  Germ.  34, 118. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  259 

häu6g  auch  coosoDaoteDScbärfuDgen  und  erhaltUDg  der  kürze  im 
gefolge  haben  (-er,  ^el,  in  der  flexion  weDigsteos  dialektisch 
darchstehndes  -en).  so  wurde  der  Vorgang  zuletzt  von  Brenner 
und  Maurer  formuliert  i.  ich  verweise  auf  Luick  Beitr.  11,492fr. 
14,  127  er.  Nag]  Beitr.  18,  262  ff,  Gradl  Die  mdaa.  Westböhmens 
Bayerns  mdaa.i411 — 13.  415 — 17  und  die  dort  in  den  anmm.  ge- 
gebenen verweise  auf  Schmeller;  ferner  Brenner  Beitr.  20,  87, 
Maurer  aao.  s.  7 — 17,  Schatz  aao.  s.  49  ff. 

Was  die  berührten  ausnahmen  von  der  allgemeinen  entwick- 
lung   des  e  zu  ^,  dh.  die  f^lle  anlangt,  in  denen  e  aufser  vor  r 
und  /  auch  sonst  (vor  scharfer  consonanz  usw.)   im  bair.-österr. 
nicht  geschlossenen  laut  erhält,  so  sind  nur  darin,  wie  es  scheint, 
alle  einzelmdaa.  einig,  dass  e  vor  ht   (knikt,  reht  usw.)    seinen 
offenen  klang  behält,    vor  einfachem  h  bleibt  €  (auch  in  der  deh- 
nung  also)    ebenfalls   meist   offen,   jedoch   tritt  hier  zb.   in   der 
Imster  mda.  schon  öi  ein,   also  der  laut  des  gedehnten  ^   (resp. 
e  vor  b,  d,  g,  0«  s.  Schatz  aao.  s.  50.    wo  e  sonst  der  allgemeinen 
tendenz   zuwider  seine  alte   qualität    (meist  zugleich   mit  seiner 
alten   quantität)  auf  Osterr.  gebiet  erhalten  hat,  da  gehn  die  einzel- 
mdaa. oft  stark  auseinander  und  jedes  einzelne  wort  verlangt  ge- 
sonderte betrachtung.    fest  steht  aber  für  das  zusammenhängende 
gebiet  der  ganzen  mda.,  dass  f  und  e  vor  liquida  getrennt  bleiben, 
vor  einfacher  muta  (6,  d,  g,  t)  im  geschlossenen  laut  zusammenfallen, 
dass  dieser  lautstand  schon  im  13  und  14  jh.  der  gleiche  war,  wie 
heute,  beweisen  uns  die  reime  unsrer  mhd.  dichter  aus  Österreich*^. 
Was  schlietslich  noch  die  Verbreitung  und  die  grenzen  dieser 
die  e-laute  betreffenden  dialektischen  Verhältnisse  angeht,  so  scheint 
sich  der  zusammenfall  von   mhd.  -er  und  -^r  auf  oberpfälz.  und 
westbobm.  gebiet  heute  nicht  zu  erstrecken,  dafür  greift  er  über 
die  westgrenze  Baierns  auf  ostschwäb.  gebiet  hinüber,  s.  Kauffmann 

^  da  wir  den  fibergang  des  e  vor  einf.  mula  in  den  geschlossenen  laut 
jetit  als  im  13  jh.  bereits  vollzogen  annehmen  müssen,  da  ferner  alle  osterr. 
gedichte  des  13  jhs.  zweisilbig  stompf  and  zweisilbig  klingend  noch  streng 
aoseinanderhalten,  die  dehnong  der  kurzen  rocale  in  offener  silbe  noch  nicht 
vollzogen  haben,  können  wir  in  der  tat  nicht  mehr  mit  Laick  dehnung  und 
ond  Übergang  des  e  in  geschlossenes  S  in  irgendwelchen  causalzusammen- 
haog  bringen.  ^  zuerst  hat  Maurer  aao.  s.  20 f  im  Zusammenhang  mit 

dem  lautstand  des  heutigen  dialekls  auf  die  bindungen  von  q:e  vor  g  und 
die  Seltenheit  der  correlaten  bindungen  vor  r  und  /  bei  den  öslerr.  dichtem 
hingewiesen,    [s.  jetzt  auch  WHorn  Zs.  f.  hd.  mdaa.  1,  181.] 

18* 


260  ZWIERZINA 

Gesch.  der  schwab.  mda.  §  72,  FrScbmidt  Die  Rieser  mda.  §  14  s.  31 . 
dagegen  ist  der  zusammeDfall  von  ^  uad  e  vor  einfacher  muta 
(und,  was  aber  die  mhd.  reime,  da  die  lautgruppe  -^a-  fehlt,  nicht 
berührt,  vor  einfachem  s)  im  verein  mit  vollkommener  Scheidung 
der  ^  und  e  vor  liquida  fürs  Osterr.  gebiet  ind.  Tirol  (s.  Luick, 
Nagl,  Maister,  Schatz),  für  Ost-  und  Sttdostbaiern  (s.  Maurer, 
Brenner)  und  von  GradI  aao.  auch  für  den  grOsten  teil  der 
Oberpfalz  und  Westböbmens  vermerkt,  macht  aber  im  westen 
zum  mindesten  an  der  schwäb.  grenze  halt  und  greift  nicht  auf 
ostscbvväb.  gebiet  hinüber,  wir  werden  sehen,  daas  uns  die  reime 
mhd.  dichter  darauf  führen,  dass,  im  13  jb.  wenigstens,  e  vor 
muta  auch  im  Ostlichen  Ostfranken ,  in  Wirnts  vGrafenberg  hei- 
mat,  also  in  einem  grenzgebiet  gegen  Baiern  hin,  den  Übergang 
zum  geschlossenen  laut  mitgemacht  hat,  hingegen  in  einigen 
teilen  des  engern  Baiern,  wie  ich  vermute,  den  westlichen  und 
nordwestlichen,  ans  ostschwäb.  und  fränk.  grenzenden  gegenden 
olTen  und  von  e  verschieden  gebheben  war.  wie  sich  dies  heute 
verhält,  weifs  ich  nicht. 

Damit  hab  ich.  die  gegenwärtig  in  den  bair.-österr.  mdaa. 
gegebenen  lautstände  nur  ganz  im  allgemeinen,  im  anschluss  an 
die  mir  vorliegenden  dialektuntersuchungen  skizziert :  jede  einzel- 
mda.  hat  ja  noch  immer  weiten  Spielraum  i.  mich  interessiert  all 
dies  hier  nur  vom  standpunct  des  mhd.  lautstands  aus,  wie  er 
durch  die  reime  mhd.  dichter  aus  Österreich  erschliefsbar  ist. 
das  resultat  ist  :  die  österr.  dichter  reimen  -er:-eV,  -el : -el, 
'ih  :  -eh  unterschiedslos,  weil  in  Österreich  schon  im  13  jh. 
längstens  die  beiden  e-laute  in  dieser  Stellung  im  offenen  laut 
qualitativ,  sowie  beute,  zusammengefallen  waren,  und  sie  reimen 
f  und  e  vor  einfacher  muta  unterschiedslos,  weil  in  Österreich 
schon  im  13  jh.  längstens  die  beiden  e-laute  in  dieser  Stellung 
(und  vor  s)  im  geschlossenen  laut,  sowie  heute,  zusammengefallen 
waren,  vor  r,  doppel-r  und  r-f-cons.,  vor  {  undZ  +  cons.  (und 
vor  h,  ht)  waren  damals  wie  heute  p  und  e  grundverschiedne  laute, 
und  ebenso  wurden  w  und  ä  nirgend  in  Baiern  einem  andern 
e-laut  gleich  gesprochen  :  daher  werden  e  und  e  vor  liquida,   d 

^  [dass  aber  die  Wiener  mda.  mhd.  mSr  *plas'  und  mqr  *mare*  gleich, 
uzw.  m^  spreche,  ist  nicht  die  einzige  unrichtige  angäbe  ThGartners  Zs.  f. 
hd.  mdaa.  i  146.  ich  habe  immer  nur  mi*  für  m^r  *mare*  gehört,  wie  auch 
Hügel  Der  Wiener  dialekt  (1873)  s.  lUS  bestätigt.] 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  261 

uDil  e  (f)  alber  id  atten  Stellungen  von  den  österr.  dicbtern  nie- 
mals gerehiit.  Mr  den  l&rtttwert  des  e  vor  U,  ck,  U,  )f,  zz,  tz  usf. 
siDd  die  reime  jedes  einzelnen  bsir .-österr.  dichlers  gesondert  wol 
ontersuGbcn.  gtsieherte  ausbeute  werden  diese  letztem  unter^ 
sochimgen  Hiebt  taanier  ergeben^  weil  der  mögUchkeiten,  die  beiden 
e  hl  solchen  steUiingen  im  reim  zu  mengen,  nur  wenige  gegeben  sind, 
diese  einzehintersucliungen  liegen  hier  nicht  in  meinem  plan. 

Dai  nun  aber  Ober  die  reimverhältnisse  der  Österreicher  nicht 

ganz    ohne  belege  gesprochen   zu  haben,   will  ich  im  folgenden 

die  einscbldgigen  beobachtungen  an  dem  reimmaterial  von  sieben 

der    oben  genannten  Osterreich,  dichter  illustrieren,     ich  stelle 

zunächst  je  ein  älteres  und  ein  jüngeres  denkmal  zusammen  und 

briDge   die   belege  aus  Nib.  und   Osw.  ed.  Ettmttller,    Mai   und 

Konr.  vHaslau,  Fleiers  Meleranz  und  Seifr.  Helbl.    dann  schliefs  ich 

noch  die  betrachtung  der  e-reime  Ulr.s  vTürl.  ao,  weil  die  spräche 

dieses  dichters  des  Oftern,  wie  mir  scheint  mit  unrecht,  als  md. 

bezeichnet  wurde,  nicht  von  seinem  herausgeber,  der  sie  richtig  als 

österr.  fassL,  aber  zuletzt  noch  von  Michels  Mhd.  elementarb.  s.  23. 

Far  das  Nibelungenlied  kommen  nur  stumpfe  reime  in 

betracht.    ich  benutze  Presseis  reimbucb,  das  freilich  die  e  nicht 

scheidet   und  eine  der  beiden  wichtigen  bindungen  von  '&:-ir 

nicht  verzeichnet,     es  reimt  425,  3  wel  'rund'  :mil^  -el  fehlt; 

innerhalb  des  typus  -eb  reimen  die  subst.  gezeU :  veU :  gilt  8  mal 

untereinander,  dagegen  reimt  helt  nur  zu  ir  weh  1207,3.  2168,3  ^. 

ebenso  reimt  Gisdker  nur  zu  mfr  'mare'  1184,  1   und  wer  'de- 

fensio'  2043, 1*  und  Spr  'exercitus'  nur  wider  zu  wer  1161, 1^ 

*  wellen  ist  ntlArlich  ininer  (dem  laut  nacii)  mit  f  aDzusetzeo,  s.  oben 
s.  249  aom. 

*  dass  nnr  GUM^  and  Gunth^  nnd  Dicht  Gdelhir  and  Gunthar 
die  form  des  Nib.  (sowie  noch  Dietr.  Fl.  and  Rabenschl.),  ist,  wurde  schon 
oben  s.  90  anm.  nnd  s.  255  anro.  hervorgehoben,  der  reim  Glselher :  Folker 
1662, 1  ist  —  ich  habe  das  s.  96  vielleicht  etwas  schief  ausgedräckt  —  als 
reim  Ton  -hfr : -h^r  zu  fassen,  gewöhnlich  reimt  im  Nib.  Folkir^  also 
FolC'ger.  hier  wurde  f^olker  <  f^olcgSr  mit  Folker  <  Folkhqr  confandierL 
an  GüelhSr:  FolkSr  dürfen  wir  ebensowenig  denken  als  an  GUelh^r :  Folkir, 
warum  würde  dieses  -hir,  resp.  -Afr,  nur  hier  so  unklar  zu  Folker  reimen 
und  nicht  zu  einem  der  so  häufigen  hir,  mSr,  sSr,  gSr  oder  RüedegSr?  — 
da  die  obliquen  casus  von  Günther,  GUelher  und  Storit  im  endreim  ge- 
mieden werden  nnd  in  der  cäsur  des  öftern  als  zweisilbig  klingend  zählen, 
könnte  man  doch  vielleicht  (anders  oben  aao.)  an  eine  flexion  GUelher  Güel- 
here,  Storit  Sivrtde  denken,  die  nach  analogie  von  Dieterick  Dietertche 


262  ZVVIERZINA 

1872,  1 1.  -er  reimt  nur  1  mal  in  sich,  sper : gir  1548,  1  und 
2mal  reimt  her  adv.  zu  -er,  uzw.  :mir  400,1,  :  Rüedeger  2117,  3. 
diese  zwei  reime  genügen  vollkommen,  um  -er  und  -er  schon 
fürs  Nib.  als,  was  den  reim  anlangt,  identischen  typus  zu  er- 
klären 2.  denn  da  -ir  häufiger  mit  -er  als  in  sich  gebunden  ist, 
können  die  vielen  bindungeu  von  -er  in  sich  natürlich  gar  nichts 
austragen  ^.    nirgend  reimt  also  ^ :  e  vor  r  oder  l  und  nirgend  {i :  e*. 

entstanden  wäre  (später  auch  Ludewic  Ludewige).  dass  die  längong  von 
'h^r  dann  ein  e  andrer  qualilät  zur  folge  hat  (denn  q  ist  geschlossen  und 
S  in  Österr.  offen),  durfte  man  dagegen  nicht  ins  feld  führen,  denn  auch  i 
und  f  hatten  zur  zeit  des  Nib.  gewis  schon  ToUkommen  verschiedne  quali- 
lät, befand  sich  doch  i  auf  dem  wege  zum  diphthong,  und  doch  steht  hier 
auch  Dietertche  neben  Dieterich.  die  mda.  hatte  eben  kein  andres  f  und 
kein  andres  e  zur  Verfügung,  denn  (b  kann  fürs  frank.,  aber  nicht  fürs  österr. 
für  den  langen  e-Iaut  in  betracht  kommen. 

'  s.  aufserdem  gsmcffewern  524,  l,  bsrn  *ursum'  :we>n  888,1  aui 
der  einen  seile,  abei  erw^m  :  des  lebenes  beh^rn  2310, 1  auf  der  andern, 
für  'Srt  belegen  die  Nib.  nur  9  reime  von  -ert  in  sich  {g^gert,  w^rt  adj., 
danwSrt,  swerl,  gewerl,  ungewiri);  die  typen  -eich,  -erc  und  -erch^  die 
gar  keine  möglichkeit  einer  mengung  von  f  und  e  geben,  kommen  für  uns 
hier  nicht  in  betracht. 

^  ebenso  ist  zb.  für  den  Roseng.  A  durch  die  einzige  bindung  Guelher 
:  hir  305,2  der  zusammenfali  der  lautgrnppen  -er  und  -Sr  genügend  illu- 
striert, da  im  ganzen  gedieht  -Sr  daneben  auch  nur  Imal  (Folker  :  her 
278,  1)  rein,  dh.  in  sich  gebunden  erscheint,  die  bindung  mit  her  beweist, 
dass  im  Roseng.  Gunthar  uthtn  Gunthar  (:w^r  302,  1)  steht,  sowie  etwa 
auch  im  Bit.,  denn  an  -qr :  -6r  oder  -ir  ist  in  dem  österr.  gedieht  natürlich 
nicht  zu  denken.  —  auch  dass  in  der  Gudr.  -Sr.-'er  gar  nie  reimt,  kann 
nicht  als  beweis  angeführt  werden  dagegen,  dass  im  dialekt  dieses  österr. 
denkmals  -er  und  -sr  nicht  hatten  reimen  können,  denn  in  der  Gudr.  reimt 
zwar  sehr  oft  mqr:hqr:wqr  85,  l.  88,  1.  453,  1.  594,  1.  750,  1.  844,  l. 
985,1.  1073,1.  1126,1.  1128,1.  1141,1.  1242,1.  1514,1.  1561,1.  1570,1, 
16S9,  1;  703, 1,  aber  der  typus  -ir  ist  in  den  reimen  des  gedichts  überhaupt 
nicht  verwendet,  wenn  er  nun  nirgend  in  sich  reimt,  warum  soll  er  zu  -er 
reimen?  anderseits  sehen  wir  wider  deutlich,  wie  genau  -^r  und  -er  im  ge- 
dieht auseinandergehalten  werden  :  obwol  beide  reimtypen  ungemein  häufig 
sind,  bleiben  sie  getrennt,    ähnliches  gilt  für  die  Warnung. 

^  ein  'dr:-ar  fehlt  bekanntlich  im  Nib.,  dem  nur  -dn  und  -an^  'dhi 
und  -aht  als  gleich  gilt,  in  der  Gudr.  ist  -drc-ar  auch  nur  vereinzelt 
(jdr:dar  1090,  1),  'dn : -an  massenhaft  zu  belegen. 

^  deshalb  muss  Nib.  1537,  3  die  la.  der  einzelhs.  B,  die  den  reim  h^r 
^exercitus*  :  oder  mer  ergibt,  notwendig  falsch  sein,  die  la.  hat  übrigens 
wenig  Verteidiger  gefunden  :  Lachmann  schreibt  mit  ADbg  schar  :ze  helfe 
dar,  Bartsch  (1597,  3)  mit  HdC  ser  :  oder  mer,  hqr  :  mer  stünde  nicht  nur 
im  Nib.,  sondern  in  der  ganzen  österr.  litteratur  vereinzelt  da. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  263 

Aber  vor  muta  wird  zwischen  ^  und  e.  nicht  unterschieden. 
▼or  b  reimt  freilich  nur  e  in  sich,  aber  der  typus  -f&e-  fehlt  ganz 
und  es  gibt  vor  (  also  auch  keine  reinen  reime  voo  ^•^*    da  es 
hier  hauptsächlich  auf  ün  wort  ankommt,   auf  h§ben  (^enn  enf- 
seben  fehlt  dem  Osterr.  wertschätz),  während  auf  der  andern  seite 
werte  von  allergrOster  häufigkeit    stehn  wie  liben  und  giben,  so 
ist  der  tatbestand  ja  durchaus  unauffällig  auch  unter  der  vorausr 
setzoDg,    dass  ^  und  €  im   dialekt  des  di^hters  lautlich   gleich 
waren,     dasselbe   gilt  von  §de  und  ede  :  beide  reirntypen  fehlen 
hier  im  Nib.     upd   ebenso   kann   es  schliefslich   nicht  auffallen, 
dass  auch  die  bindung  -^te  :  -€te  in   diesem  gedieht  nicht  nach- 
weisbar ist,  da  wider  beide  reimtypen,  sowol  der  mit  ^  als  der 
mit  e,  hier  überhaupt  fehlen,    dagegen  führen  ups  nun  die  bin- 
dungen  des  e  vor  g  die  Osterr.  Verhältnisse  aufs  deutlichste  vor 
augeo.      die  reinen  bindungen  von  ege  in  sich  ipteressieren  uns 
nach   dem  s.  253  f  gesagten  nicht  weiter  :  die  reimworte  in   ege^ 
die  viel  häufiger  und  geläufiger  sind  als   die  in  ^ge,  haben  sich 
oaturgemäfs  öfter  zusammengefunden,     aber  aus  eben  demselben 
gnind  kann   einen)  dichter,   dem  ^  und  e  vor  muta  gleich  steht' 
die  binduog  ^gei^ge  in  sich  nur  selten  liegen,    und  so  sehen  wir 
denn  auch,  dass  im  Nib.  §ge(n)  nirgend  rein,  oder  besser  nirgend 
in  sieb,   sondern  überall  wo  es  reimt,  zu  €ge{n)  reimt,   welches 
ebeo  die  stärkere  reimmOglichkeit  beistellte,    da  kann  man  doch 
nicht  von   ^reimfreiheit'  oder  ^Sorglosigkeit'  sprechen,   sondern  ^ 
und  €  war  vor  g  in  Osterreich   eben  identisch,     es  reimt. 8%e 
nur  zu  toe^e  .1556, 1,  skgm  nur  zu  dßgen  189,  .3.  1912,  3.  1976,  3. 
1977,  3.  1998,  1.  2013,  3.  2284,  1.  2286,  3,  gekg^  nur  zu  fhUge 
1135,  3,  kgen  nur  zu  phUgen  743,  3.  748,  1,  zu  under  wigen 
647,  1  und  zu  degm  210,  3.  619,  1.  915,  1.  2031,  1. 

Und  genau  die  gleichen  Verhältnisse  lässt  nun  auch  der  viel- 
leicht tirolische,  sicher  Osterreichische ^  S Oswald  erkennen,  den 

^  dieser  Osw.  gehört  zu  den  oben  8.  87  anm.  genannten  osterr.  denk- 
mälero  (Klage,  Dietr.  Fl.,  Rabenschi.),  die  zwar  kein  kam  reimen,  jedoch 
kamen  kmme  unbedenklich  finden,  also  nur  kom,  aber  auch  kämen  könne 
gesprochen  haben  rofissen.  Ettro.  3363  ist  kam :  nam  natürlich  nach  MI,  das 
den  reim  giene : gevienc  ergibt,  zu  bessern,  so  fehlt  das  leicht  reimbare 
kam,  das  viel  schwerer  zu  bindende  kämen  steht  87  und  3139  unbestritten 
im  reim,  ebenso  fehlt  schliefslich  auch  beim  Pieier  kam  nicht  nur  im  Meier. 
(s.  oben  s.  87),  sondern  in  allen  epen  so  gut  wie  ganz,  aber  kämen  (s. 
Tand.  12612,  Gar.  1048.  9124)  und  keeme  (s.  Tand.  13604  uö.)  reimt  er  hie 


2«4  ZWiERZINA 

Ettmfllier  nach  der  schlechtestea ,  der  Scliafifhauser  hs.  ge- 
druckt bat.  collatioD  einer  MflDchDer  hs.  Germ.  5«  142  (M),  eiD«r 
Innabrucker  Zs.  f.  d.  ph.  6,  377  (I).  die  legende  ist,  so  wie  sie 
ums  voriigt,  eitt  werk  des  15  jha.  aber  auch  hier  bleiben  e  und 
6  Tor  r  und  l  noch  durchaus  geschieden  i.  ich  bringe  nur  die 
beispiele  für  versauegang  in  -er.  mfr  'mare'  reimt  immer  nur 
zu  her  'exercilae'  63.  265.  351.  601.  1039.  1105.  1187.  1333. 
im  156*.  1609  M.  1617.  1743.  1823.  2257.  2399.  2565. 
2609.  2955 1  ^;  niemals  reimt  es  eu  -ir  und  niemals  zn  -er.  «to- 
gegen  reimt  -ir  nur  3 mal  in  sich,  hir  adv.  :ggr  773,  :eih- 
twir  ad?.  2409.  3227  und  26mal  tu  -^,  usw.  kir  adv.  :lSr^  51. 
463.  1942.  1989,  :mer  373.  699.  807.  M840».  1017.  2361. 
344«,  :er§  387.  977.  2137.  2199.  2334.  2382 M.  2472.  2833, 
:$&  1291.  1661.  M59,  hir  'ursus'  :/^  2813M,  girim^r  3232, 
:9^  719.  2111'.  da  auch  die  bindung  von  -^  in  sich  vor  diesen 
bittdungen  ven  -^ :  *ir  weit  zurücktritt,  so  wird  man  nicht  laugnen 
können,  dass  dem  dichter  -er  und  -ir  voUkommen  gleich  galten, 
er  aber  *fr  von  diesen  beiden  wol  zu  scheiden  wüste,  ebenso 
reimt  es  nur  zu  m  oder  d,  ni6  zu  e,  e  oder  ^,  denn  1857  ligt 
rtUr :  hit  vor,  nieht  rUitt :  A^,  dae  unbetonte  -er  gilt  als  -Ar. 

hn  eonMst  mit  dieser  reinlichen  acheMung  der  e^laute  vor 
iiquida  steht  nun  wider  das  vollkommene  zusammenwerfen  der- 
selben vor  einfacher  mnta.  nur  Imal  reimt  hier  e  in  sich,  in 
hfben  :  rifgen  2805  MI,  sonst  ist  e  stets  nur  mit  S  gebunden. 
lehm:&ten*  2441.  3329,  :giben  985. 112&.  3145,  :d€gen  1523; 
legen  :degen  1628,  ;pM#^€ii  2751,  .vermigen  3447,  :libeH  1613. 
2012  ^  femer  eift:  gilh€i  1205,  :tit  2502  M,  iMahmlU  913. 
sehen  wir  uns  einmal  zum  vergleich  den  Wiener  Oswald  Zs.  2 
an,  der  md.  gekeimt  ist,  so   können  wir  den  14  ^:e  vor  muta 

uod  da.  kam  steht  in  d€n  50000  ver8«o  des  Pleier  nur  ^iaiiial  (Gar.  20448) 
im  reim. 

^  2955  (Elt».  hSrre:m^)  ist  nach  I  zu  lesen,  2121  (Ettra.  twert 
:gev^)  mit  Bartseh  nach  MI,  2035  1.  mmre  :  tchmre  mit  M,  ebenso  ist 
2117  (EtCm.  iere:  wären)  nach  M  zu  bessern. 

*  ebenso  nur  w^m  :  em^m  M  2792'. 

'  vgl.  auch  im:ghm  adv.  293.  455.  895  usw.    kein  -im  .-^m. 

^  ich  sette  überall  etymologisch  &ten  an,  welche  laatnng  ja  auch  die 
weiter  verbreitete  und  allgemeinere  war. 

^  3277  (Ettm.  l^en :  tragen)  ist  nach  Ml  in  tragen  :  haben  zu  corri- 
gieren. 


HITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  265 

des  aaden  gvdichts  hmr  fceiii  einsigvs  entgegensetzeD,  ofawol  der 
md.  Obw.  woI  Dock  Bpflter  Mit  mtl  liederlicher  gereimt  ist  als 
der  MItTTfkMBdbt.  vä  jefteta  wftre  fg:e§^  eh:ib  eben  ein  un- 
reiner reim  geiveeen,  in  dem  (leterr.  war  die  bindung  reim. 

Zmi  beweise,  daas  auch  in  Hai  und  Beaflor  ^nnd^  vor 
i  gnoreont  bleiben,  seil  ich  die  citate  her  für  die  bindnng  von 
-eli  iD  sinli  anerteüs  and  -iü  anderseite.  es  reimen  heU :  tV  toeft 
:  eerteft  :  gmA  :  zf»  verb  :  erwfU  38,  21.  79, 35.  80,  27.  107, 1*5. 
113,  13.  136,20.  209,33  vaUkoaimen  geschieden  ?on  veU.'gB" 
sdl  siibsl.  70,  9.  108,  5.  206«p  35.  und  ebenso  die  andern  e  vor 
iL  zur  exenpliflcation  der  trennung  von  ^  und  i  vor  r^  verweis 
ich  darauf,  dass  io^ ; mer :  der  ^bacca'  :  A^ 'eiercitus'  nur  unter» 
eamMWöer  gebunden  werden,  uzw.  43,  39.  53,  3.  107,  23.  112,  7. 
12S,  29.  157,  25  und  ebenso  gef  snbsu  und  verb  ;A^'r  adv. ;  Ar 
:et:9par:temir  23,9.  34,  11.  109>  13.  126,23.  133,31.  163,27. 
178,  23.  190, 19.  202,  iU  210, 15. 23.  224,  39.  235, 1.  236,  37. 
239,  31.  oder  -A*  reinii  mit  -Sr.  dabei  sind  die  reime  von  -er 
:-^  gar  nicht  viel  seltener  als  die  von  *er  in  sich^  ja  -^  wird 
sog^  nie  in  sich^  sondern  stets  nur  mit  -^  gebunden  {mer:k&r 
adv.  31,  35.  59,  9.  92,  39.  114,  13.  118,  19.  202,  35.  217,  17. 
241,  23,  harzeiSt'.d^  171,  1),  was  doch  klarlich  beweist,  dass  ü 
■ad  i  "foT  auslastendem  r  für  den  dichter  identisch  waren,  eine 
bwduBgf  von  -er :  -it  aber  isl  auch  im  Mai  so  unerbört  wie  eine 
fon  -er  zu  -*r. 

Und  widf^  steht  mit  dieser  genauen  Scheidung  der  e^hinle 
for  liquida  im  contrast  der  vMlige  2usammenfaU  von  e  und  e  vor 
^>  d,  g,  I.  evor  (  reimt  nur  13,  31.  159,  27  in  erkfbet  und  da 
betdemaie  auf  {jjt)lehet^  ebenso  f  vor  d  nur  in  edeliteid  238,9 
ond  auch  für  ^  vor  *ge(n)  steht  keine  einiige  bindung  in  sieh 
(est;  erwogen  :phkgm  53,  23,  l^€n:phUgm  62,  9  und  auch  l^gtn 
:mk  des  bewegen  157,23  bleiben  Treilich  unentschieden,  da  der 
dinier  pkUgen  und  sidi  dee  bewegen  auch  schwach  flectiert,  nicht 
aar  stark,  s.  pfkgte  110,  31,  Der  vart  st  sich  bewegte  151,  25. 
aber  ^  reimt  sicher  zu  e  in  eng^gen :  segen  subst.  6,  39.  141,  33, 
ü^genzdegen  116,7,  beg^gent :  gesegent  122,33  und  wol  auch  in 
kge:wege  verb   34,  1.     dagegen    können   die  reinen  bindungen 

^  33,  5  ist  sicherlich  mit  hs.  B  wiU  enbsrn  im  reim  aaf  gern  za  lesen 
ind  Dicht  mit  Pfeiffer  wiU  erw^m,  auch  die  zweite  hs.  (Ä)  schreibt  erbem, 
oicht  erufem. 


266  ZWIERZINA 

1^gte:phkgte  110,  31  und  :  bewegte  151,  25  nicht  ausgespielt  wer- 
den, denn  nur  vor  -ge  und  -gen  sind  die  reimmOglichkeiten  für 
ige  gröfser  als  für  ^ge,  umgekehrt  aber  steht  die  sache  für  eget 
und  egte  :  hier  müssen  wir  notwendigerweise  ein  prävalieren  der 
bindungen  von  -fget,  -^gte  in  sich  erwarten,  wie  dort  von 
-ege^  -egen  in  sich^.  s.  ferner  8t§te:bete  6,7.  191,5,  :häe 
65,  15.  124,  25.  213,  1  ^,  :tete  77,  31.  89,  27.  225,  25. 

Stellen  wir  an  die  seile  des  dichter^  von  Mai  und  Beaflor  wider 
einen  etwas  jungem  :  Kon  rad  vHaslau.  in  dessen  Jüngl.  (Zs.8) 
reimt  kein  f.e  vor  /  (sondern  erw§lt :  z§lt  verb  365),  kein  ?.e 
vor  r,  sondern  w^  nur  zu  h§r  *bacca'  423  oder  zu  m^r  523, 
dagegen  her  adv,  nur  zu  swer  'dolor'  489  oder  zu  entwer  adv. 
605.  aber  auch  hier  reimt  -er  nie  in  sich,  wol  aber  her: gewer 
1020,  rert :  in  daz  trinken  mert  619  und  auch  hier  werden  ^  und 
i  vor  muta  nicht  geschieden  :  l^gen  reimt  zu  verpMigen  (pari., 
also  sicher  etymol.  e)  101,  siegen :  under  wegen  1213 ,  8t('4en :  treten 
929.    eine  bindung  von  ^  in  sich  fehlt  vor  muta. 

Für  den  PI  ei  er  verweis  ich  wider  ^u^  h^lt :  ir  w^lt :  (Hz) 
erw^lt  Meier.  3567.  4581.  5263.  6333.  8179.  8851.  9324.  10921. 
11027.  12131.  12397.  12751,  welche  bindung  getrennt  bleibt 
von  der  der  subst.  velt :  gek :  gezelt  Meier.  5833.  7981.  7985. 
8127.  9407.  11727.  11947.  und  auch  sonst  findet  sich  kein 
f,:e  vor  L  ebenso  reimt  -^  nie  zu  -er,  sondern  nur  m§r:n{r 
:Mr:w§r  Meier.  375.  7243.  7253.  7259.  7960.  8313.  11585. 
11689  auf  der  einen  seite  und  er :  her :  gär :  spar :  wer  pron.  Meier. 
205.  361.  809.  879.  2429.3091.  3209.3375.  3417.  3511  usf., 
im  ganzen  73  mal  im  Meier,  auf  der  andern,  diese  vielen  spar :  ger 
und  sper:her  stebn  meist  in  festen  formein,  die  in  kampfschil- 
derungen  oft  zu  sechs  und  sieben  malen  innerhalb  weniger  verse 
sich  auf  dem  fufse  folgen,  da  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass, 
obwol  gewis  auch  für  Pleier  -er  und  -^  identisch  waren,  die 
bindungen  der  durch  die  formein  aufgebrauchten  -er  mit  einem 
-er  ein  erkleckliches  seltener  sind,  als  eben  diese  bindungen  in 
sich,    absolut  selten  sind  sie  aber  durchaus  nicht,     ich  finde  im 

^  für  'iget  kämen  höchstens  die  2  plur.  wie  ir  bewöget ,  pkleget  in 
betracht,  aber  das  sind,  wie  bekannt,  seltne  versschlüsse. 

'  93,  19.  140,  15.  153,  37  reimt  aber  natürlich  nicht  hite,  sondern  das 
österr.  het  (s.  oben  s.  111  anm.  1)  :stSt,  nie  reimt  bite,  t^te,  st^te  zu  get 
oder  stet. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  267 

Melcr.  *«-ad?.  :mSr  5661.  9809.  11447.  11921.  11979,  €r:mer 
805.  3943.  9329,  :her  113,  spir:m4r  3371.  5667.  -^r  bleibt 
fon  -er  so  gut  geschieden  wie  von  -er^. 

Vor  g  aber  wider  voUkommeDe  vermisdiuDg.  im  Meier,  keine 
dnzige  bindung  von  §§e  in  sich,  sondern  nur  liegen; phUgen^ 
1345,  $l^gen:digen  6025.  8319.  10169,  m^gen  :  degen  7245, 
erwfgen  :  digm  10223,  ir  m^get :  ir  stSget  12115.  s.  ferner  noch 
a^:b&e  Meier.  6463.  7433,  :t&e  1535.  6493^.  einschlägige 
beispiele  aus  dem  Garel  stehn  einige  bei  Walz  zu  Gar.  15065. 
dort  wird  auch  -^rte.'-erte  aus  dem  Gar.  (5771.  15513,  füge  noch 
hinzu  20155),  bei  Weinhold  BGramm.  §  48  s.  59  eine  solche  bin- 
dung aus  dem  Tand.,  (3999  di.  4013  Khull,  füge  noch  hinzu  761) 
nachgewiesen,     im  Meier,  fehlt  dergleichen  wol  nur  zuföllig. 

Sehr  interessantes  material  liefert  uns  der  sog.  Seifrid 
Helbliog,  auch  bei  diesem  Spätling  bleibt  -§1  und  -e/,  -§r  und 
-er  streDg  geschieden,  so  reimt  zb.  hfiü :  gez^U  verb  ;  (er)w§U :  ir 
9fU  :  9est^l{U)t :  ges^(U)t  13,  59.  1,  1386.  2,  867.  3,  177.  4,  613. 
15,  553.  8,637.  949.  1141.  1215.  11,67  geschlossen  auf  der  einen 
und  m£ld^  :  velt :  Wintervelt  :  Trpunveli :  geh  6,21.  1, 181.  4, 167. 
325  ebenso  geschlossen  auf  der  andern  seite.  und  auch  -^  reimt 
Bor  iD  sich,  uzw.  A^r 'exercitus'  ;f0^subst.  :  {ah)gez§r  verb  :b§r 
^bacca'  .iwfr  *mare'  6,  141.  1,  564.  812.  4,421.  15,  523.  653. 
723.  747.  757.  8,971.  1041.  11,13.  7,147.  255.  471.  509. 
687.  985.   1051  und  nie  reimt  -^  zu  -er  oder  zu  -^r,  denn  in 

*■  Tand.  16748  ist  im  reim  auf  her  nicht  Mit  rehter  manischer  w^r 
m  lesen,  sondern  Mit  rehter  manischer  ger,  wie  16770.  2275  und  Gar.  1413. 
14637  in  genau  stimmenden  parallelstellen  auch  tatsächlich  überliefert  ist. 
v^r  wurde  16748  aus  v.  16741  irrig  herObergenommen.  die  umgekehrte 
Terwecbslang  ligt  vor  Tand.  2807,  wo  in  derselben  phrase  wider  ^^r  für 
wer  steht  {w(^r  s.  zb.  2870).  hier  überliefert  die  beste  hs.,  die  hs.  h,  übrigens^ 
ohDfhio  das  richtige  w^r.  Gar.  1072  I.  aber  mit  h^r  (:fnqr)  für  aber  htr 
der  hs. 

*  ich  kenne  keinen  sichefn  beleg  für  das  österr.  phl^gen  schw.  verb 
bdm  Pleier. 

'  zu  streichen  ist  Bartschs  itqte :  hete  Meier.  2486 ,  denn  es  ist  nach 
der  hs.  slat:hdt  zu  lesen,  12340  belässt  Bartsch  diese  lesung  im  ganz 
correlaten  fall,  ein  hele  kennt  der  Pleier  nicht,  s.  oben  s.'^04.  auch  Gar. 
1M)S9  reimt  wol  hat :  ttdt,  nicht  ein  ganz  vereinzeltes  h^t :  stSt,  da  würk- 
Uch  beweisende  reime  für  het  oder  hSt  beim  Pleier  fehlen,  an  den  drei  ge- 
oannten  stellen  ist  hat  wol  auch  nicht  apokopiertes  hdte,  sondern  es  steht 
io  österr.  weise  das  umschriebene  perfect* an  stelle  des  Präteritums.  —  q:e 
Tor  d  :  Gar.  5147  rf  /  <  redete  :  bei. 


268  ZWIERZINA 

hfr:  Terramer  7,  842  hat  Seifr.  entweder  das  fremde  e'  gesclilossen 
gesprochen  (wovon  unten  gleich  nach  zn  sprechen  sein  wird) 
oder  er  hat  den  zweiten  bestandteii  dieses  namens  mit  m§r  'mare' 
in  Terbindtmg  gebracht,  was  mir  noch  wahrscheinlicher  ist.  denn 
her  9&V.  :  ger :  8per :  gewer :  entwer  süv.  :  er  :  RiJtikmmer  reimen 
nur  unter  sich  (13,  31.  97.  135.  1,  215.  855.  4,  182.  8,  1061) 
oder  zu  langem  -^r,  uzw.  9rnd  diese  letzteren  hindongen  hier  ^o 
dicht  gesät,  dass  sie  an  zahl  nicht  nur  die  reime  von  -er  in  sieh, 
sondern  auch  die  von  -eV  in  sich  übertreffen,  ich  finde  her  adv. 
:sir  7,  1081,  :mer  1,  1070.  4,  687.  15,  575.  7,  997,  : RüedMg& 
1,  1022,  :er2,  1475.  8,  357.  15,  545.  781.  8,  825.  1035.  1237. 
7,430;  er:mSr  8,493,  :A<fi-2,95;  ier:mir  1,560.  1266. 
7,341.  893,  :er  2,  1145.   7,931;  ger  subst.  oder  verb  :m^ 

I,  479.  15,  132.  274,  ;^  2,  1261.  8,  49,  (je)wer  subst.  oder 
verb  :Rüedeg^  1,  944,  ;**•  10, 17.  2, 1515.  15,649,  :eri,  403; 
mir  :  mir  1,  674,  :  ir  4,  341 ;  entwer  adv.  ;  mir  14, 31.  ebenso 
reimt  auch  gl^m  adv.  :Um  5,  61,  :im  1,  554.  4,  141.  661.  669. 
15,727.  7,901.  1017;  enhem :  gim  subst.  1,497;  item  :  im 

II,  15;  wJbrt  adj.  :lert  8,  1019,  :veücirt  2,  1485.  9,  163,  fhm- 
wert  :  mgirt  13,  121,  :kirt  2,  1175;  mm  «taucht'  :gemirt 
U 1046;  gM^ :  gmnirt  2,  447 ;  gew%rt ;  Urt  2, 467.  dass  es  immer 
-^  ist^  das  bei  ungleicher  qnantitfilt  auf  -tfr  reimt,  nie  -^,  ist 
für  Seifr.  um  so  bemerkenswerter,  als  bei  ihm  die  historisth 
reinen  bindungen  von  -fr  in  sich,  wie  wir  oben  belegten,  viel 
zahlreicher  sind,  als  die  von  -^  in  sich. 

Seifr.s  gebrauch  der  «-laute  im  reime  gibt  uns  nun  auch 
anlass  zu  einigen  kleinen  digressionen.  Seifr.  reimt  e  zu  e  nicht 
nur  vor  r,  sondern  auch  vor  h  (geschi^hn :  lehn  8,  477.  515,  jeck 
:aUer8vech  8,  385)  und  /  (kel : Aehtdersel  13, 159,  sneLsil  1, 383. 
15y  331,  gel:9il  2,  1190).  da  könnte  es  auffallen,  dass  er  nie 
—  und,  sowie  er  nicht,  auch  kein  andrer  der  von  mir  unter- 
suchten Österreicher  —  g^t  oder  stet  .'-et  reimt,  denn  dort,  wo 
diese  get  und  stit  zu  het  reimen,  ist  für  den  Österreicher  natür- 
lich so  lange  immer  het  (ev.  neben  hä)  anzusetzen,  als  die  bin- 
dung  von  -^ti-et  nicht  durch  eine  sichre  bindung  zu  het,  gebät^ 
tet  usf.  festgelegt  ist.  und  diese  sichern  bindungen,  wie  gesagt, 
bleiben  aus.  warum  reimten  die  Österreicher  nun  nicht  get  und 
$tet  zu  -eY,  wo  sie  doch  e:i  so  häufig  und  nicht  nur  vor  r 
reimen  ?    der  reim  war  ihnen  doch  gewis  erwünscht  gewesen^  da 


HITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  269 

sie,  um  diese  luieatbehrUcheo  verba  nicht  immer  nur  wider  mit 
äcfa  selbBt  zu  binden,  Mgar  zu  den  für  ihre  mda.  gewis  nur  eot- 
Mmtan«  liUerariscbeo  (f-fornen  ihre  zuQucht  nabaien  rauslen 
(s.  Bobnenberger  Beitr.  22,  209,  Siuger  Uhd.  schriftspr.  ajun.  51 
s.  190-  ab«r  die  aal  wort  ist  leicht  gefunden  :  e  ist  vor  muta, 
wie  wir  bArten,  in  Österreich  schon  im  13  jh.  ein  geschlossner 
laiiU  fiel  im  klang  mit  ^zusammen  und  kann  zu  e,  das  in  allen 
Stellungen  (aufser  vor  nasal)  ofTeo  gesprochen  wurde,  vor  t  nun 
ebeiisoweDig  reimen,  als  §  selbst  je  zu  i  reimen  kann,  vor  r, 
i»  /  bat  e  seine  alte  offne  qualität  erhalten  (s.  s.  258) :  hier  reimt 
es  auch  zu  i.  dass  e  in  gA  stit  offne  qualität  hatte,  wie  sonst, 
hiireiseii  die  gegenwärtigen  mdaa.^ 

Dem  scheint  es  nun  zu  widersprechen,  dass  bei  Seifr.  hSden 
:mUr^dtn  reimt  (1,  1315)  und  diese  bindung  von  bede:r^  auch 
bei  Ottokar  und  dem  Teicbner  belegbar  ist    zahlreiche  beispiele 
bringt  Weiohold  B€ramm.  §  48  s.  59.    hier  wäre  also  doch  ge- 
scblofiseoea  ^  zu  offenem  S  gereimt?    wir  wissen^  dass  beide  und 
hÜB  fOr  die  zweiheit  beute  aus  dem  wertschätz  vieler  ei  nzelmdaa. 
gescb wunden  ist,  nicht  nur  üsterr.^   sondern  auch  fränk.  (s.  zb. 
Lenz  Vergl.   wb.  der  nbd.  spräche  und  der  Handschuhsheimer 
nda.  s.  10  s.  v.  beide)  und  alemann,     dieses  ^beide'  wurde  dann 
lan  einigen  dialekten  wider  aus  der  spräche   der  gebildeten  zu- 
rflckenüebnl  und  wird  daher  zb.  in  Osterr.  dialekten  nicht  mit 
dem   oa,    das  sonst  mbd.  et  entspricht,   sondern  mit  dem   ge- 
Wdeten  ei  gesprochen,     sprachen  nun  Seifr.  und  Ottokar  auch 
Me  mit  dem  gebildeten  4^  di.  dem  geschlossenen  e  der  Mittel- 
deutschen?   dass  das  e  io  lehnworten  im  gegensatz  zu  dem  bei- 
mischen e  als  geschlossener  laut  gesprochen  wird,  dafür  find  ich 
bei  Luick  Beitr.  14,  132  zahlreiche  belege  aus  Niederösterreich, 
bei  Gradl  Bayerns  mdaa.  i  435,  158  solche  aus  oberpßilzisch^west- 
böhmischer  gegend,  und  mir  sind  aus  dem  Wiener  dialekt  diese 
gKcblossenen  e  in  fremdworten  wolbekannt.      für  bede  in  bair.- 
österr.  mdaa.  verweist  Singer  aao.  anm.  27  s.  16    auf  Nagl  Das 
hohe  a  s.  32.    in  Zingerles  wb.  der  Luseroiscben  mda.  von  Tirol 
find  ich  8.  23  p^de  für  nhd.  ^beide'  augegebep,  mhd.  S  aber  gibt 
diese  mda.  sonst  durch  das  tirolische  ea  wider,  s.  geäst,  geat  für 

*  diese  offenen  e  in  gH  stet,  gett  tlfst  hat  Luick  bei  seinen  ausfüh- 
mo^co  Beitr.  14,  133  auCser  acht  gelassen,  sie  machen  Luicks  argumenta- 
tüm  uomöglieh. 


270  ZWIERZINA 

mhd.  gest,  gel  Zingerle  s.  18,  ferner  sea^  si,  seal'^sile  s.  10, 
earste>  erste  s.  13  usw.  ähnlich  reimt  Ottokar  auch  gencecUc  auf 
ledic  (oder  l^dic),  s.  Seemüller  s.  cxn,  di.  <b  auf  geschlossenes,  ge- 
dehntes e,  wobei  die  unregelmäfsigkeit  zunächst  noch  stärker  er- 
scheint als  in  der  bindung  Ton  e;f.  aber  mhd.  genadic  wird  in 
Österreich  heute  allgemein  mit  e,  nicht  mit  hohem  d  (=  mhd.  ee) 
gesprochen  und  ist  in  der  mda.  ein  lehnwort,  s.  Nagl  Roanad 
s.  103,  Luick  Beitr.  14, 131. 

CB  (resp.  ä)  und  S  (resp.  e)  bleiben  auch  in  Seifr.s  mda., 
wie  in  jeder  bair.-österr.  mda.,  getrennt,  die  reime  in  cmre^  ar 
(wcer^  leer,  ableilung  -cer,  -hcer,  swcer  usw.)  und  die  reime  in 
ere,  er  stehn  einander  in  durchaus  gesonderten  gruppen  gegen- 
über; denn  dass  1,  1374  für  das  selten  herr  der  hs.  im  reim  auf 
unmcere  das  bekannte  scBldenbcere  und  nicht  ein  im  mhd.  als 
Sna^  elgri/Äivov  dastehndes  saldenhere  zu  conjicieren  ist,  scheint 
mir  um  so  wahrscheinlicher,  als  die  adj.  in  -beere  bei  Seifr.  äufserst 
beliebte  reimworte  abgeben,  in  dem  dreireim  gemceret :  enbäret 
.'bewceret  11,89  ligt  im  zweiten  wort  sicher  d,  der  secundäre 
Umlaut,  vor,  nicht  enb^m,  da  die  ältere  spräche  nur  enbam  sagt, 
aber  vor  /  scheinen  Seifr.  <b,  ä  und  e\  d  zusammenzufallen,  auf 
die  bindung  von  sil:snel,  kel,  gel  hab  ich  schon  hingewiesen, 
sei  reimt  aber  auch  anstandslos  auf  sunder  hcel  8,  102.  9,  17  und 
ebenso  gelt: gevcelt  1,  281,  velde:s(elde  7,  1187,  meldec : einfäldee 
3,  381,  hals,  plur.  von  hals,  :Wels  4,  169.  jedoch  auch  diese 
Spracheigentümlichkeit  Seifr.s  findet  im  heutigen  dialekt  ihre  volle 
bestätigung.  es  ist  bekannt,  dass  in  einigen  Osterr.  und  bair. 
gegenden  ce  und  d  zwar  vor  allen  andern  consonanten  den  ihnen 
unter  den  e-lauten  allein  eignenden  klang  des  hohen  d  haben, 
vor  l  aber  in  einem  ofTenen  ö  mit  der  entsprechung  des  mhd.  ä 
und  e  (nicht  des  ^  natürlich,  das  geschlossener  laut  bleibt)  zu- 
sammenfallen, die  mdaa.  schwanken  da  oft,  hie  und  da  sogar  je 
nach  dem  einzelnen  wort,  sodass  in  dem  einen  das  hohe  d  vor  / 
in  der  gleichen  mda.  dem  b  vor  {  im  andern  gegenübersteht ,  s. 
Luick  Beitr.  14,  131;  aber  es  ist  kein  zweifei,  dass  Seifr.  voll- 
kommen seiner  mda.  gemäfs  reimt,  wenn  er  (b  und  ä  mit  e  und  e 
zwar  nie  vor  r  und  andern  consonanten,  wol  aber  vor  l  bindet  K 
§  steht  auch  hier  abseits. 

^  Seemüllers  anm.  zu  4,  229  beweist  also  nicht,  was  sie  soll,  an  der 
stelle  ist  an  Pfeiffers  undermmt  festzuhalten.    15,  609  1.  phleg  (:gel^)  für 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  271 

So  geoau  oun  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  ^  und  e  (e')  vor 

r  und  l  bei  Seifr.  Helbl.  geschieden  bleiben,  so  convergieren  sie 

for  muta  doch  auch  hier  zu  einem  und  demselben  laut,     vor  6 

reimt  ^  our  in  gr^el  'spaten'  und  da  zu  nebel  \,  183,   dann  ist 

auch  h^en:nioen  4,  353.  8,  485  zu  nennen,      vor  g  reimt  ^:§ 

in  ich  phl^ge  ind. ;  ab  dem  wege  1,  123 ;  kge  :  pMege  conj.  15,  609 

(sicl);  Ragzg^gmt : phligent  1,  167;  eng^gen :  under  wegen  9,46^ 

legen  :  phl€gen  1,  199.  4,  531.  8,  811.  939.   7,  7,  :under  wegen 

4,  689,  :d§gen  7,  199,  :8€gen  *benedicere'  4,  785,  :  wider  wegen 

:gepfUegen  (part.I)  9,67.     die  reime  von  -^gen  2um  inf.  phlegen 

bleiben  zwar  unentschieden,  da  Seifr.  phlegen  stark  und  schwach 

fleetiert,  aber  das  einzige  sichre  beispiel  eines  reims  von  -^gen  in 

>ich,  dem  mindestens  ein  halbes  dutzend  sicher  'unreifer'  g6gen- 

obeFstehD^  ist 'doch  nur  siegen :  eng§gen  7,957.     auch  in  Seifr.s 

mda.   waren  die  e  vor  muta   also  geschlossen,     s.   endlich    noch 

üH.gebei  5,  92.  7,  253,  :het  1,  1066.  2,  655.  4,  673.  743,  :hret 

13,  91.  8,  307,  :m  15,  491.  7,  101.  %%^  ^  ,st§ten :  beten  7,245, 

:meien  7,  831,  nnderr§tt  <^underr^det :  tet  4,  289  und  vor  allem 

auch  keten :  geweten  2,  1225,  v^ter:weter  8,  509^. 

Zum  schluss  noch  einige  worte  zu  Ulrich  vTQrlein.  im 
grofsen  und  ganzen  stellt  auch  er  sich  in  der  behandlung  der 
e-laute  zu  den  Österreichern,  widerlege :  pflege  subst.  230,  10; 
t»  wfffe  *in  bewegung'  :pfl€ge  subsU  182,  1,  kgen :  degen  bS,  19. 
257,  5,  : wegen  subst.  336,  11,  .über  wigen  95,  29.  315,  25^ 
:gephl€gen  305,5^.  diesen  8  reimen  von  f.e  vor  ge{n)  steht 
nur  einer  gegenüber,  der  §  in  sich  bindet,  l^gen :  erwogen  196,  21 ; 

das  phlwg  SeemöUers.  ''wii  wai  weV  :  bat  ^,  801  kann  naturlich  nichts  de- 
moDStiiereo ;  ich  glaobe,  dass  hier  wat :  bcBt  ursprünglich  reimte  und  Seifr. 
den  klang  des  fremden  a  persifflieren  wollte,  dagegen  ligt  8,  1099  vielleicht 
die  biodang  gmbe:  Habe  vor  (nicht  wie  Seemöllers  text  ergibt,  gebe  :  tt^bsy 
was  für  Seifr.  ja  auch  ganz  sprachgemäfs  wäre),  denn  der  plur.  von  ttap 
hatte  für  Seifr.  wol  so  gut  secundären  umlaut  wie  für  Oitokar,  für  den  er 
durch  den  reim  zu  urloub  (di.  österr.  urldb  mit  hohem  d  für  ou  vor  lab.) 
feststeht  28211.  auch  Hugo  vTrimb.  sprach  »tebe  mit  offenem  e,  also  se- 
condärem  umlaut,  s.  unten,  über  ttäbe  in  alemann.  mdaa.  s.  Heusler  Germ. 
34,118. 

1  het  kennt  Seifr.  so  wenig  wie  Pleier  und  dir.  vTörl.  er  sagt  nur 
ket^  das  er  dann  anstandslos  mit  g^t^  complet  usf.  reimt,  im  plur.  hSterij 
zb. :  Propheten  11,  3  uö. 

*  diese  bindung  schon  Müelmbr.  1197. 

3  ich  kann  aus  Ulr.  kein  schwaches  pflegen  belegen. 


272  ZWIERZINA 

deoD  beweget :  gekget  249, 27  darf,  wie  8.  266  ausgeführt  ist,  dort, 
V90  es  sich  darum  handelt,  die  ideotität  voq  §  und  e  vor  g  fest- 
zustellen, ebensowenig  in  anschlag  gebracht  werden  wie  die  bin- 
düngen  von  'ege{n)  in  sich,  auch  Ulr.  vTürl.  gelten  also  ^  und 
e  vor  einfacher  muta  gleich,  sowie  allen  österreiobern.  auf  die 
binduDgen  dieser  beiden  laute  vor  /  sei  noch  verwiesen,  s.  st^t 
:bet  198,  11,  :tet  15,  5.  103,  21.  287,  17.  342,  15,  :Duzet 
294,  7;  veter  :weter  241,  27.  auch  Dir.  vTürl.  scheidet  aber  ^ 
und  e  vor  I  und  r,  wider,  sowie  alle  Österreicher,  vgl.  zb.  helt 
:  ir  u>eü  :  ge89Ü  :  (üz)  erwelt  23,  2.  28, 10.  37, 13.  97, 11.  102, 25. 
110,15.  124,25.  127,9.  139,23.  151,29.  157,23.213,9. 
246^  15.  256,  15.  315,  3,  dagegen  in  ebenso  geschlossener  reihe 
velt :  gelt :  gezelt  231,15.  263,1.  267,7.  296,25.  298,29. 
300,  19.  vor  r  haben  wir  auf  der  einen  seite  wfr:hpr:tner:xer 
:ich  swer  49,  3.  11.  50, 19.  51, 1.  55,  3.  60,  25.  106,  9.  121,  21. 
126,  3.'l41, 25.  149,  7.  150, 15.  159,  9.  174,  11.  231,  7.  240, 1, 
auf  der  andern  wer :  ger :  er :  der :  her  adv.  ;  spar :  FimUater  25, 21. 
33,29.  38,8.  41,21.  50,  13.  58,5.  73,  17.  .83,25.  87,27. 
107,  23.  140,  15.  152,  1.  198,  1.  208,  27.  229,  13.  234,  13- 
281,  19.  285,  29.  291,  20.  293»  1.  305,  9.  309,  1.  312,  7;  auf 
der  einen  seite  vert : {ver)z^t : (0r)w^t : {er)np't  30,  19.  65,11. 
86,  9.  88,  25.  131,  1.  160,  27.  214,  1.  290,  21.  291,  11.  314,27 
und  v^rst.'z^rst  140,23,  auf  der  andern  wert  ad'}. : (ge)wert :  gert 
:wert  <  werdet :  swert :  der  hert  :  Kybert  6,  7.  11,  25.  13,  1. 
16,  7.  23,  1.  25.  28,  5.  52,  9.  94,  5.  98,  27.  105,  27  usw.,  im 
ganzen  35  solche  bindungen;  auf  der  einen  seite  (er)w^m:b^n 
'schlagen'  :h^m  dat.  plur.  :  {er)n^rn :  sw^m  10,21.  51,  25.  85,5. 
118,  29.  120,  15.  145,  25,  auf  der  andern  g€m :  (ge)wem :  (en)bini 
:gem§  :  lim  7,5.  15,  27.  20,  9.  59,  9.  81,  9.  94,  29.  98,  9. 
109,  21.  182,  27.  291,  15.  danach  kann  es  mir  nicht  zweifel- 
haft sein,  dass  in  dem  einzigen  beispiel  S  wo  vor  r  bei  Ulr.  der 

^  161,  15  ist  in  tolher  veste  wer  das  wer  nicht  gleich  w^r,  sondern 
sicher  gleich  wer,  wie  in  zahlreichen  andern  verbindongen  von  wer  mit  dem 
gen.  eines  abstracts  (fröuden  wer,  iriuwen  wer),  die  Ulr.  Wolfr.  nachbildet, 
ebenso  erledigen  sich,  glaub  ich,  die  drei  noch  übrigen  beispiele,  die  Singer 
s.  XIV  für  bindung  von  ^  :  e  vor  r  beibringt,  leicht  :  18 ,  23  kann  Herben 
{:  ^rben)  schwaches  verb  sein,  welche  auffassong  schon  Singer  selbst  dorch 
sein  fragezeichen  nahelegen  wollte,  and  24,  15.  29,  27  muss  in  werben 
(ritterltchez,  poynderltchez  werben)  das  durch  die  wbb.  auch  bei  Wolfr. 
und  Reinb.  belegte  schwache  warben  vorliegen ;  bes.  da  das  wort  in  dieser 
Verbindung  von  Ulr.  beide  male  mit  -^rben  gebunden  wird. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  273 

Qbeiiieferaog  nach  ^:€  reiint  {mfr:hir  153,27),  zu  bessern  ist 
(nelleicbt  ht  zu  lesen  daz  h^r  Der  heiden  für  her  Die  heiden). 

Aber  darin  weieht  die  spräche  Ulrichs  von  den  meisten  an- 
dern Oslerr.  denkmalern  doch  ab,  dass  die  bindung  -^;-^  ihr 
fehlt.  deoB  g&r:  TemmSr  72,  5  ist  kein  sichres  beispiel,  wenn 
dieser  name  auch  von  Wolfr.  nur  mit  langem  4  gereimt  wird, 
«nd  wenn  auch  Ulr.  selbst  ihn  sonst  immer  nur  mit  -ir  bindet 
(s.  :her%e9ir  25,  23.  104,  25,  :mer  66,  29,  .er  133,  17  usw.). 
^  e  der  reimsilbeo  fremder  namen  sind  Ulr.  jedesfalis  anceps 
gewesen,  so  reimt  er  natürlich  nie  bit,  tit,  gebüt :  gii,  stit^  so 
kann  kein  Österreicher  reimen  (s.  oben  s.  268  0*  und  so  ist  an- 
derseits kein  sichres  h&  durch  die  bindung  mit  6^T,  tet  oder  st^ 
belegt  neben  dem  gut  Osterr.  h4t  {:gä,  $tä  16,27.  177,11. 
248,  7.  303^  9) :  aber  auf  die  -«r  fremder  namen  reimt  dieses  M 
so  gut  (:Beonet  38,3.  312,21;  :  Serina  59,27;  :Rivetin^ 
192,  15.  205,  15.  213,19.  323,23;  :FUret21d,  15)  wie /elf,  «r^ 
ued  b&  (8.  zb.  41,  23.  195,  1  uO.,  ferner  etwa  Beoneten :  üzer- 
jHm  41,  7)1. 

Wenn  uns  Ulr.  aber  auch  —  ich  glaube  direct  aus  rttek- 
sicht  auf  sein  md.  publicum  —  kein  -er ;  -&  belegt,  so  belegt  er 
doch  auch  kein  -^;-er  und  kein  -er.'-anr;  und  das  liefse  er  seiner 
zeit  und  techntk  nach  sicher  belegen,  wäre  er  selbst  ein  Mittel- 
deutscher gewesen,    davon  noch  spater  mehr. 

Nachdem  ich  so  die  österreichische  'regel'  dargelegt  und  an 
beispielen  illustriert  habe,  wend  ich  mich  nun  zu  den  ausnahmen 
oder  zu  dem,  was  man  als  solche  bezeichnen  könnte. 

Die  bindungen  von  ^:e  ?or  liquida,  ^:^,  4:<b  und  ^.'(6, 
die  Weinhoid  BGramm.  §  12  s.  25,  §  43  s.  55,  §  48  s.  59,  Hhd. 
gramai.'  §  89  s.  84  in  reicher  anzahl  aus  bair.  und  österr.  dicht- 
werken  beibringt,  zerfiattern,  man  darf  fast  schon  sagen  alle  — 
nicht  nur  die  meisten  —  bei  näherem  zusehen,  entweder  ist  das 
citierte  denkmal  mitteldeutsch  und  nicht  bairisch,  so  das  als 
Trauenlist'  von  Majlälh  und  Köffinger  nach  dem  Coloczaer  codex 
gedruckte  gedidu  oder  die  Wiener  meerfahrt  vom  Freudenleeren, 
oder  es  sind  die  ansätze  falsch  :  bald  ist  ^  statt  d,  bald  ^  statt  i, 
bald  4  statt  ee  angesetzt  udgim.,  oder  die  citate  treffen  auch  ander- 
wärts   corrupte    Überlieferung,    sei    es    die   la.    überholter   oder 

^  gaox  ihnUch  verbot  sich  in  bezug  aof  Mt  oad  die  reime  zq  frem- 
dem -et  auch  Heinr.  vTärlein. 

Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXU.  19 


280  ZWIERZINA 

gescheut  gehört  also  auch  der  Orto.,  sowie  der  Alph.,  ins  eogre 
Baiern?  durchaus  oicbt;  denn  die  behaodluDg  der  «-laute  in  ihreo 
reimeu  verweist  Orto.  und  Wolfö.  A  güozlich  aus  bairisebein 
Sprachgebiet  und  zwingt  sie  in  Frankeu  zu  localisiereu.  keio 
Österreicher  uod  kein  Baier  kann  mit  Terscbiedoer  quaotitllt  -er 
anders  reimen  als  auf  -er,  und  keiner  kann  ferner  w  und  ä  anders 
reimen  als  in  sich^  Ortn.  und  Wolfd.  A  aber  reimen  -er  nur  zu 
-^,  s.  mer.h^  'exercitus'  Ortn.  424,  1-  Wolfd.  A  333,  1.  388,  1 
und  ebenso  consequent  -er  nur  zu  -<9r,  s.  ^uotiu  mcer :  her  ad?. 
Ortn.  233,  1.  249,  4.  diese  tlbuDg,  gelängtes  -^  nur  mit  -ir, 
gelängtes  -er  nur  mit  -cer  zu  binden,  tritt  in  allen  fränkischen, 
franco-alemannischen  und  ostmd.  denkmälern,  soweit  sie  4  und  <b 
überhaupt  auseinanderhalten,  so  gesetzmäfsig  auf,  dass  sich  ein 
denkmal,  wie  Ortn.  und  Wolfd.  A^  dadurch  allein,  dass  es  sich 
hierin  der  genannten  Übung  anschliefst,  von  selbst  und  mit  not- 
wendigkeit  in  die  gruppe  md«  dichter  einstellt,  die  wir  nun  zu 
besprechen  habend,  ist  in  einem  gedieht,  wo  her : -ir  reimt, 
das  lier  gleich  her  adv.,  so  ist  das  gedieht  aus  Baiern  oder  aus 
Österreich,  ist  her  dort  gleich  h^  ^exercitus'  and  reimt  zu  gleicher 
zeit  her  adv.  zu  -cer,  so  ist  das  gedieht  aus  Mitteldeutschland. 

Die  mitteldeutsch-alemannische  gruppe.  —  der 
soeben  skizzierte  unterschied  zwischen  bair.-österr.  und  md.  ge- 
brauch der  6-reime  ungleicher  quantität  hat  folgende  sprachliche 
grundlage  :  in  Baiern ,  in  Österreich  und  in  Ostschwaben  hatte 
mhd.  S  die  offene  qualität,  mit  der  es  auch  heute  dort  gesprochen 
wird,  dieselbe  qualität  kam  und  kommt  dem  e  vor  liquida  zu, 
-67  und  -er  konnten  also  nur  mit  -ei  und  -er,  nie  mit  -fl  und  -^ 
gebunden  werden,  denn  f  war  vor  /  uod  r  geschlossen,  im  md. 
aber  hatte  mhd.  e  die  geschlossene  qualität,  mit  der  es  widerum 
auch  heute  noch  dort  im  grofsen  und  ganzen  gesprochen  wird, 
dieselbe  qualität  kam  und  kommt  dem  mhd.  e  zu,  i  konnte  also 
bei  ungleicher  quantität  nur  mit  f,  nie  mit  dem  offenen  e  ge- 
bunden werden,  in  Baiern  und  Österreich  und,  wenigstens  in 
älterer  zeit,  auch  im  grOsten  teile  Alemanniens  wird  a  mit  dem 
überoffenen  laut  gesprochen,  der  nur  in  sich  oder  bei  ungleicher 

^  natürlich  nar  Wolfd.  A  1—505,  nicht  seine  unechte  fortsetznng. 
*  über  andre  unbair.,aber  frank.  Sprachmerkmale  des  Orln.  and  Wolfd.  A 
wird  noch  unten  nr  9  und  10  der  Studien  gehandelt  werden. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  281 

qaantiut  mit  ä,  dem  secuDdäreo  umlaut,  gereimt  werden  konnte, 
weil  sowol  €  als  ^  in  so  ziemlich  allen  Stellungen  von  diesem 
laut  TerschiedeD  gesprochen  wurden,  den  überofTenen  e-laut 
kennt  das  md.  dieser  zeit  nicht,  ä,  der  secundäre  umlaut,  ist 
offen  sowie  i^  und  mit  diesem  wird  er  hier  auch  unterschiedslos 
gereimL  da  nun  in  so  ziemlich  allen  mdaa.  dem  ä,  dem  secun- 
dären  umlaut  des  kurzen  a,  das  ce,  der  umlaut  des  langen  d,  als 
qualitativ  identische  länge  gegen  übertritt,  in  den  md.  mdaa.  aber 
d  auch  dem  e  qualitaü?  gleichstand,  so  steht  natürlich  hier  cb 
dem  gelangten  e  gleich,  deshalb  reimt  bei  den  md.  dichtem, 
deren  mda.  e  und  ce  schied  (nur  auf  diese  kann  es  mir  hier 
aatOrlich  ankommen),  sowie  zu  ^  das  geschlossene  |,  so  z\x  <b 
nicht  nur  a,  sondern  ebenso  gut  e,  denn  CB  und  d  waren  hier 
einfach  offene,  nicht  überoffene  laute. 

Auch  hier  beweisen  die  lautverhältnisse  in  den  heutigen  mdaa., 
(bss  die  genannten  bindungen  in  den  fränk.  und  anderen  md. 
denkmdlern  rein  waren,  so  wie  es  sich  mir  hier,  wie  gesagt,  nur 
iun  md.  denkmäler  handeln  kann,  in  denen  nicht,  wie  zb.  in 
Herborts  Trojkr.,  4  und  cb  zusammenfallen,  so  handelt  es  sich 
mir  auch  nur  um  solche  md.  mdaa.,  in  denen  noch  heute  e  und  (b 
verschieden  lauten,  ferner  ist  es  mir  nur  darum  zu  tun,  den 
in  betracht  kommenden  lautstand  der  mdaa.  in  der  hauptsache 
festzustellen  und  daran  den  reimgebrauch  der  älteren  dichter  zu 
messen,  den  manigfaltigen  Variationen  rechnung  zu  tragen,  die 
in  der  entsprechuog  der  mhd.  e-laute  in  heutigen  fränk.  einzel- 
mdaa.  insoweit  wahrzunehmen  sind,  als  hier  und  da  einzelne 
Worte  und  wortgruppen  sich  dem  allgemeinen  schema  entziehen^ 
Variationen,  denen  zb.  Jellineks  eingehnde  Untersuchungen  über 
reim  und  Orthographie  des  Paulus  Schede  Helissus  (Halle  1896, 
s.  cxxni — cxxxiii)  erfolgreich  nachspüren,  ligt  nicht  in  meinem 
plane,  ich  bemerke  nur,  dass  in  sehr  vielen  (aber  nicht  allen) 
fränk.  mdaa.  die  verba  pura  wie  mhd.  majen,  swjen,  drcejen,  ux^jen 
usw.  in  ihrem  stammvocal  heute  nach  mhd.  S,  nicht  nach  as,  zu 
weisen  scheinen,  dass  in  manchen  Wörtern  wie  mhd.  stwte  (s. 
aen)  oder  scbUc  (s.  sele)  durch  spätere  Volksetymologie  (b  und  i 
sich  ihr  gebiet  gegenseitig  verringerten,  die  auf  weiten  gebieten 
der  ost-  und  rheinfränkischen  mda.  geltende  beeinOussung  der 
e-laute  durch  das  folgende  r  des  Stammes,  wodurch  teils  ganz  ver- 
schiedene 0-laute  (e  und  (b  wie  e  und  e)  in  einem  einzigen  offenen 


282  ZWIERZLNA 

laut  zusaromeugefalleo  sind,  teils  qualitativ  ursprQoglich  gleiche, 
aber  quaotitaliv  verschiedene  laute  auch  qualitativ  auseioander- 
gerisseo  wurden,  f^Ut  vielfach  erst  in  die  zeit  nach  der  dehnung 
der  kürzen,  also  nach  der  mhd.  periode.  dies  hat  OHeilig  Gramm, 
der  ostfr.  mda.  des  Taubergrundes  §  201  s.  91  zb.  im  rahmen 
seiner  mda.  dargetan,  hier  und  da  scheint  auch  die  dehnung  die 
kürzen  von  den  ihnen  qualitativ  ursprünglich  conformen  längen 
entfernt  zu  haben. 

Eines  bleibt  sicher :  wenn  in  den  fränk.  dialekten,  die  rolid. 
e  und  ce  durch  verschiedene  laute  widergeben,  ein  ursprttngUch 
kurzes  e  nach  der  dehnung  mit  einem  ursprünglich  langen  e-laut 
heute  zusammenfallt,  dies  immer  nur  e  und  e  oder  €  (d)  und  CB 
ist,  und  überall  weist  hier  e  mit  e  auf  die  geschlossene  qualität 
zurück,  ich  verweise  zur  bekräfligung  auf  Heilig  aao.  §  53  s.  28 
(§  160  s.  74)  'mhd.  ^.  gedehnt  >  ef  V  gedehnt  vor  r  >  ?  (di. 
geschlossenes  langes  e)  :  §  76  s.  37  'mhd.  i  >>  e*  (mhd.  e  fällt 
also  mit  gedehntem  ^  vor  r  ganz^  und  wenigstens  qualitativ  mit 
als  kürze  erhaltenem  ^  in  allen  Stellungen  zusammen),  §  77  'mhd. 
i  verkürzt  >>  e'  (gekürztes  e  f^llt  also  mit  als  kürze  erhaltenem 
Umlauts-^  zusammen),  §  76d  'die  p-mda.  hat  e  zu  >»  et  diph- 
thongiert', 'nur  vor  r  bleibt  V  (hier  also  fällt  gedehntes  ^.  und 
mhd.  6  in  allen  Stellungen  zusammen);  §  56  s.  30  (§  170  s.  78) 
'mhd.  i  gedehnt  >>  i^  (im  0[sten]  d,  im  S[üden]  und  der  p-mda. 
>  e)';  §  73  s.  35  *rahd.  £P  >  «,  §  73  c,  s.  36  '0[sien]  hat  dafür 
ü\  die  S[üd]-mdaa.  wider  e^.  ebenso  fallt  gekürztes  mhd.  ce  (s. 
§  183  s.  83)  mit  als  kürze  erhaltenem  e  (s.  §  54  s.  28)  in  einem 
laut  zusammen,  in  der  Blankenheimer  mda.  (s.  EDittmars  diss., 
Darmstadt  1891)  sind  die  Verhältnisse  ziemlich  verworren;  aber 
mhd.  %*  und  mfr  werden  doch  auch  hier  mit  demselben  langen 
geschlossenen  e  gesprochen  wie  mhd.  mir  'plus',  eVf  'bonos',  ler^ 
'doctrina'  und  mhd.  begem,  her  adv.,  geswer  'dolor',  gerne  mit 
demselben   langen   offenen  e  als  mhd.  wcer^,  Ubt^  adj.,   mceren, 

'  hier  hat  aber  r  blofs  den  gedehnten  vocal  vor  der  diphthongierong 
bewahrt  (s.  Heilig  §  194),  die  gleichheit  von  gedehntem  f  und  e  vor  r  ge- 
hört also  nicht  zu  den  spätem  ausgleichungen  der  verschiedenen  e-laute 
durch  folgendes  r,  von  denen  oben  die  rede  war. 

^  di.  offenes  langes  0. 

3  damit  fallt  e  und  a  (resp.  gedehntes  e)  noch  lange  nicht  zusammen, 
weder  in  der  p-mda.,  der  mhd.  ^>et  wird,  noch  in  S,  wo  S  ebenfalls 
diphthongiert  wird,  s.  Heilig  §  76  c,  d. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  283 

jieric  usw.,  und  da  es  bei  deu  mbd.  dicblern  ja  zuoächsl  auf 
die  reimsilbeo  von  e  und  ^,  ce  uud  e  vor  eiofacbem  r  ankommt, 
bleibt  mir  dies  die  bauptsacbe,  s.  Diltmar  s.  17,  4.  18,  3.  19,  1. 
20,  1.  in  der  mda.  von  Buchen  (s.  Breunig  Die  laute  der  mda. 
TOD  Buchen  und  seiner  Umgebung,  Tauberbischofsheim  1891)  ent- 
spricht dem  mbd.  ^  in  der  dehnung  ei  und  vor  r  >>  e''  und 
ebenso  dem  mbd.  c'  >  ei  und  vor  r  >>  e,  ferner  mbd.  e  in  der 
debnuDg  >  e  und  vor  r  >  df,  mbd.  «  >  e*  und  vor  r  >  df,  s. 
Breunig  s.  18.  19.  22  f.  in  der  Hersfelder  mda.  fallen  zwar  ce 
und  ty  sowie  gelängtes  e  und  ^  vor  r  in  den  meisten  Worten  im 
selben  halb  offenen  6-laute  zusammen  (s.  Salzmann  Die  Hersfelder 
mda.,  Marburg  1888  s.  27),  aber  es  steht  doch  auch  hier  sei  <C 
mbd.  seU  mit  geschlossenem  e  gegen  ßl  <C  mbd.  fwlen  mit  ganz 
offenem  e  einander  gegenüber  ähnlich  wenigsten  wie  u>el  <^  mbd. 
vfln,  zel  <1  mbd.  z^ln  mit  halb  offenem  einem  kel  'gelb',  mel 
'mehr  usw.  mit  ganz  offenem  e,  s.  aao.  s.  22.  27.  30.  der  aus- 
gleichende einfluss  des  folgenden  r  mag  auch  hier  späterer  zeit 
aogebOren.  in  der  Handschubsbeimer  mda.  ist  gelängtes  ^  >>  ei 
s.  hetw9  <<  heben,  eijd  <<  egen,  leijd  <  l^gen,  tseih  <  z^len,  kd- 
vetftP  <  gewfnen  usw.,  ebenso  ist  mbd.  c>>  ei,  s.  frei  <igen, 
itei  <  «/«n,  pÄ€f7"  <<  Peter,  rei  <<  rcA,  sct7  <  se7e,  feiVia  <  fe- 
kenen;  dagegen  ist  gelängtes  e"^  e  (geschlossen),  s.  eio'^  <C  eben 
(adv.;  das  adj.  ist  ^ti?°  <^eben,  s.  Jellinek  Schede  s.  cxxx),  rejd 
<  regen,  fejd  <C  fegen,  kel  <^ gel,  toek  <  wie,  kdlejd  <<  gelegen 
usw.,  und  ebenso  ist  mbd.  (B  >  e,  s.  ßh  <  /Vpfen,  fr^  <  ^(BAe, 
kdnerie  <^gena!dic,  steK^sicete  usw.  nur  vor  mbd.r  fallen  alle  diese 
laute  in  einem  und  demselben  offenen  e  zusammen,  s.  hälpe'^  << 
heidelbfr,  we^n  <  wem  'dauern',  /c*  <  fcre,  ?c"  <  torc  usw. 
ich  verweise  auf  Lenz  Wörterverzeichnis  :  Der  Handschuhsheiroer 
dialekt  i,  Leipzig  1888,  s.  v.  die  ausgteichung  in  den  offenen 
laut  vor  r  ist  natürlich  auch  hier  spätere  entwicklung.  damit 
brech  ich  ab,  da  ich  vollsiändigkeit  und  sichere  abgrenzung  weder 
anstrebte  noch  mit  dem  mir  zu  geböte  stehnden  roaterial  an- 
streben konnte. 

Dass  auch  in  Aleroannien  die  Verhältnisse  heute  ähnlich  liegen, 
gelängtes  ^  mit  e,  gelängtes  e  mit  w  zusammengeht,  könnt  ich 
zb.  durch  verweise  auf  Hoffmann  Der  mundartliche  vocalismus  von 
Baselstadt,  Basel  1890,  s.  36^  Schild  Brienzer  mda.,  Lieslal  1891, 

*  geschlossen. 


282  ZWIERZINA 

laut  zusaromeugefalleo  sind,  teils  qualitativ  ursprünglich  gleiche, 
aber  quantitativ  verschiedene  laute  auch  qualitativ  auseinander- 
gerisseu  wurden,  fällt  vielfach  erst  in  die  zeit  nach  der  dehnung 
der  kürzen,  also  nach  der  mhd.  periode.  dies  hat  OHeilig  Gramm, 
der  ostfr.  mda.  des  Taubergrundes  §  201  s.  91  zb.  im  rahmen 
seiner  mda.  dargetan,  hier  und  da  scheint  auch  die  dehnung  die 
kürzen  von  den  ihnen  qualitativ  ursprünglich  conformen  längen 
entfernt  zu  haben. 

Eines  bleibt  sicher :  wenn  in  den  fränk.  dialekten^  die  mhd. 
e  und  ce  durch  verschiedene  laute  widergeben ,  ein  ursprünglich 
kurzes  e  nach  der  dehnung  mit  einem .  ursprünglich  langen  e-laut 
heute  zusammenfällt,  dies  immer  nur  e  und  e  oder  i  (d)  und  w 
ist,  und  überall  weist  hier  e  mit  ^  auf  die  geschlossene  qualität 
zurück,  ich  verweise  zur  bekräftigung  auf  Heilig  aao.  §  53  s.  28 
(§  160  s.  74)  'mhd.  ^.  gedehnt  >  eC  '^  gedehnt  vor  r  >  ?  (di. 
geschlossenes  langes  e)  :  §  76  s.  37  'mhd.  i  >>  ff  (mhd.  e  fällt 
also  mit  gedehntem  ^  vor  r  ganz^  und  wenigstens  qualitativ  mit 
als  kürze  erhaltenem  q  in  allen  Stellungen  zusammen),  §  77  'mhd. 
i  verkürzt  >>  e'  (gekürztes  e  fällt  also  mit  als  kürze  erhaltenem 
Umlauts-^  zusammen),  §  76d  'die  p-mda.  hat  e  zu  >»  et  diph- 
thongiert', 'nur  vor  r  bleibt  e^  (hier  also  fällt  gedehntes  ^.  und 
mhd.  4  in  allen  Stellungen  zusammen);  §  56  s.  30  (§  170  s.  78) 
'mhd.  ^  gedehnt  >  c^  (im  0[sten]  S,  im  S[üden]  und  der  p-mda. 
>  e)';  §  73  s.  35  'mhd.  £P  >  «,  §  73  c,  s.  36  '0[sten]  hat  dafür 
ä\  die  S[üd]-mdaa.  wider  e^.  ebenso  fällt  gekürztes  mhd.  CB  (s. 
§  183  s.  83)  mit  als  kürze  erhaltenem  e  (s.  §  54  s.  28)  in  einem 
laut  zusammen,  in  der  Blankenheimer  mda.  (s.  EDittmars  diss., 
Darmstadt  1891)  sind  die  Verhältnisse  ziemlich  verworren;  aber 
mhd.  h^  und  m§r  werden  doch  auch  hier  mit  demselben  langen 
geschlossenen  e  gesprochen  wie  mhd.  mir  'plus',  eVf  'bonos',  Ur^ 
'doctrina'  und  mhd.  begem,  her  adv.,  geswer  'dolor",  gerne  mit 
demselben   langen   offenen  e  als  mhd.  wcer^,  Usr^  adj.,   mceren, 

^  hier  hat  aber  r  blofs  den  gedehnten  vocal  vor  der  diphthongierong 
bewahrt  (s.  Heilig  §  194),  die  gleichheit  von  gedehntem  f  und  S  vor  r  ge- 
hört also  nicht  zu  den  spätem  ausgleichungen  der  verschiedenen  e-laute 
durch  folgendes  r,  von  denen  oben  die  rede  war. 

^  di.  offenes  langes  e, 

3  damit  fallt  e  und  a  (resp.  gedehntes  e)  noch  lange  nicht  zusammen, 
weder  in  der  p-mda.,  der  mhd.  S:>ei  wird,  noch  in  S,  wo  S  ebenfalls 
diphthongiert  wird,  s.  Heilig  §  76  c,  d. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  283 

jtme  usw.,  und  da  es  bei  deu  mhd.  dichlern  ja  zunächst  auf 
die  reimsilbeD  von  i  uod  (^,  ce  und  e  vor  eiofachem  r  aokommt, 
bleibt  mir  dies  die  bauptsache,  s.  Diltmar  s.  17,  4.  18,  3.  19,  1. 
20,  1.  in  der  mda.  von  Buchen  (s.  Breunig  Die  laute  der  mda. 
TOD  Buchen  und  seiner  Umgebung,  Tauberbischofsheim  1891)  ent- 
spricht dem  mhd.  f  in  der  dehnung  ei  und  vor  r  >>  e'  und 
ebenso  dem  mhd.  c'  >  ei  und  vor  r  >>  e\  ferner  mhd.  e  in  der 
dehouDg  >  e  und  vor  r  >  d,  mhd.  «  >  e*  und  vor  r  >  df,  s. 
Breunig  s.  18.  19.  22  f.  in  der  Hersfelder  mda.  fallen  zwar  ce 
und  e,  sowie  gelängtes  e  und  ^  vor  r  in  den  meisten  Worten  im 
selben  halb  offenen  6-laute  zusammen  (s.  Salzmann  Die  Hersfelder 
mda.,  Marburg  1888  s.  27),  aber  es  steht  doch  auch  hier  sei  <C 
mhd.  sele  mit  geschlossenem  e  gegen  ßl  <C  mhd.  fcelen  mit  ganz 
offenem  e  einander  gegenüber  ähnlich  wenigsten  wie  wel  <<  mhd. 
wdn,  zel  <1  mhd.  %§ln  mit  halb  offenem  einem  Icel  'gelb',  mel 
'mehr  usw.  mit  ganz  offenem  e,  s.  aao.  s.  22.  27.  30.  der  aus- 
gleichende einfluss  des  folgenden  r  mag  auch  hier  späterer  zeit 
angehören,  in  der  Handscbuhsheimer  mda.  ist  gelängtes  ^  ^  ei 
s.  heiw9  <<  h^ben,  eijd  <<  §gen,  le\jd  <  l^gen,  tseih  <  z^len,  kd- 
weind  <  gew^nen  usw. ,  ebenso  ist  mhd.  e  >  ei,  s.  kei  <  ^en, 
h^  <C  «'^w,  pAeÄ"  <;  Peter,  rei  <  rcA,  sei7  <  se7c,  fema  <  fc- 
kehen;  dagegen  ist  gelängtes  e  >  e  (geschlossen),  s.  eu?"  <  eften 
(adv. ;  das  adj.  ist  ^w"  <C§hen,  s.  Jellinek  Schede  s.  cxxx),  rejd 
<  regen ,  fijd  <C  ßgen,  keKigel,  wek  <  wie,  kdlejd  <;  gdigen 
usw.,  und  ebenso  ist  mhd.  (B  >  e,  s.  ßh  <  /itpten,  ke  <<  ^(Bfte, 
hneric<Zgen(cdic,  sleK^slcete  usw.  nur  vor  mhd.r  fallen  alle  diese 
laute  in  einem  und  demselben  offenen  e  zusammen,  s.  hälpe'^  << 
hddelbfr,  we^'n  <  wem  'dauern*,  W  <C  l^re,  /c*  <  leere  usw. 
ich  verweise  auf  Lenz  Wörterverzeichnis  :  Der  Handscbuhsheimer 
dialekt  i,  Leipzig  1888,  s.  v.  die  ausgteichung  in  den  offenen 
laut  vor  r  ist  natOrlicb  auch  hier  spätere  entwicklung.  damit 
brech  ich  ab,  da  ich  Vollständigkeit  und  sichere  abgrenzung  weder 
anstrebte  noch  mit  dem  mir  zu  geböte  stehnden  material  an- 
streben konnte. 

Dass  auch  in  Alemannien  die  Verhältnisse  heute  ähnlich  liegen, 
gelängtes  q  mit  e,  gelängtes  e  mit  (Jb  zusammengeht,  könnt  ich 
zb.  durch  verweise  auf  Hoffmann  Der  mundartliche  vocaiismus  von 
Baselstadt,  Basel  1890,  s.  36,  Schild  Brienzer  mda.,  Liestal  1891, 

*  geschlossen. 


284  ZWIERZINA 

§  76  s.  59,  §  77  s.  60,  §  79,  3  s.  62,  §  80  s.  63  belegen,  oder 
es  falleo  ^  und  e,  e  und  a  wenigstens  der  qualitflt  nach  in  eins, 
s.  Stickelberger  Lautlehre  der  lebenden  mda.  der  Stadt  Schaff- 
hausen s.  20  ff.  32  usf.  aber  für  die  alemann.  dichter  der  mbd. 
zeit  ist  daran  festzuhalten,  dass  der  Übergang  des  e  in  die  über- 
offene, die  df-qualität  des  as  und  ä  (so  ligt  hier,  wie  mir  scheint, 
meist  die  sache,  während  in  Mitteldeutschland  cb  und  ä  die  e-qua- 
lität  haben)  nicht  alt  und  auch  heute  noch  nicht  in  allen  einzel- 
mdaa.  gültig  ist.  dalier  können  wir  bindungen  fon  ceiS^  sowie 
solche  von  d :  ^,  auch  nur  bei  jungem  Alemannen  erwarten, 
ferner  erhalten  die  Alemannen  alte  kürze  viel  zäher  als  die  Mittel- 
deutschen, sodass  auch  diejenigen  unter  ihnen,  in  deren  spräche 
die  qualiläten  von  §  und  4,  von  e  und  m  gleich  waren,  dennoch  die 
quautitäten  sorgfältiger  zu  scheiden  wüsten  als  die  dichter  andrer 
mdaa.  dort  wo  e  sich  auf  alemann,  gebiet  heute  zu  d  geöffnet 
hat,  wurde  ^  nicht  selten  zu  offenem  e,  trat  also  in  die  qualität 
ein,  die  von  e  verlassen  worden  war;  so  zb.  in  BaselstadL  aber 
nur  kurz  gebliebenes  §  nimmt  dort  zb.  die  offene  qualitflt  an, 
gelängtes  §  nur  vor  r,  während  sonst  gelängtes  ^  geschlossen 
bleibt,  sowie  das  e  in  allen  Stellungen  aufser  wider  vor  r.  dass 
§  auch  in  der  längung  in  einzelnen  gegenden  die  mittlere  Öffnung 
hat,  mbd.  i  aber  ganz  geschlossen  ist,  s.  Heusler  Germ.  34,  124, 
welcher  aufsatz  die  uns  hier  betreffende  frage  überhaupt  am  ein- 
dringendsten behandelt,  im  Aargau  sind  die  kürzen,  wie  es  scheint, 
überhaupt  um  eine  stufe  offener  als  die  längen:  bei  Blattner  Ober 
die  mdaa.  des  Kantons  Aargau.  vocalismus,  Brugg  1890,  s.  50  f, 
s.  57  f  erscheint  mbd.  e  und  d  als  a  widergegeben,  ^  als  e,  da- 
gegen (B  als  e  und  e  als  (geschlossenes)  e.  sicher  ist  aber  auch 
fürs  alemann.,  dass  die  entsprechungen  des  mhd.  e  zurückweisen 
auf  die  geschlossene  qualität,  sei  es  die  qualität  des  ^,  sei  es  eine 
noch  geschlossenere. 

Die  gegenwärtigen  und  zukünftigen  herausgeber  solcher  md. 
texte,  die,  wie  Mor.  vCraun,  Elisab.,  Erlös.,  MHimmelfahrt  Zs.  5, 
Ulr.  vEschcnb.,  Ernst  D,  Renner,  Minneburg,  König  vOdenw., 
Heinr.  vFreiberg,  Ludwigs  Kreuzf.,  Heinr.  vKroIewitz  usw.,  etymol. 
ce  und  e  in  ihren  reimen  scheiden,  sind  inbezug  auf  die  Ortho- 
graphie des  e  in  einer  bösen  läge,  schreiben  sie  e  für  a  und  i 
in  Übereinstimmung  mit  den  hss. ,  so  bezeichnen  sie  zwei  laute 
mit  demselben  buchstaben,  die  die  Orthographie  unsrer  mhd.  texte 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  285 

auseinaDdersohaken  gewohnt  ist  und  die  auch  in  ihren  texten 
nicht  nur  etymologisch,  sondern  auch  lautlich  auseinanderfallen. 
trennen  sie  aber  m  und  ^  in  ihrer  Orthographie,  so  tun  sie  das 
im  gegensatz  zur  Orthographie  des  gesamten  deutschen  mittelalters, 
daß  nur  das  zeichen  e  kennt  für  offenen  und  geschlossenen  laut, 
für  ^  und  e,  md.  nnd  Osterr.  4,  ako  auch  für  das  dem  e  qualitativ 
gleiche  md.  m  (und  d)  und  das  dem  ^  qualitativ  gleiche  md.  i, 
and  das  durch  das  zeieben  ä^  as^  ä  usw.  nur  den  lediglich  auf 
oM.  boden  heimischen  tLheroffenen,  niedrigsten  e-laut  von  diesen 
e  und  e  bald  regelmäfsig  bald  gelegentlich  unterscheidet,  da  nun 
onsre  mbd.  ausgaben  darin  den  alten  Schreibern  folgen,  dass  sie 
e  und  e  mit  demselben  zeichen  drucken,  so  war  es  consequent 
bei  den  md.  dichtem,  die  cßie  oder  wenigstens  die  reimen^  (ß 
and  ä  also  mit  der  qualität  des  e  sprechen,  ebenfalls  e  für  beide 
bute,  etymol.  os  und  4,  durchzuführen  und  auch  für  den  zweiten 
amiaut  (im  gegensatz  zu  obd.  texten)  beim  a  zu  bleiben,  doch 
mach  ich  darauf  aufmerksam,  dass  man  bei  durchführung  dieses 
principes  dann  auch  in  Wolframs  gedichten  zb.,  wie  wir  sehen 
werden,  a  und  e  in  einer  kritischen  ausgäbe  nicht  mehr  scheiden 
dürfte. 

Und  nun  zu  den  md.  dichtem  —  diese  stehn  hier  in  erster 
reihe  — ,  die  sowie  i  und  as  auch  q  und  e  auseinanderhalten, 
aber  e-laute  verschiedener  quanti tat  aufeinander  reimen  1  von  allen 
gilt,  dass  sie  ihre  ^  und  e  im  gegensatz  zu  den  Österreichern  vor 
rauta  nicht  anders  bebandeln  als  vor  liquida.  lassen  sie  —  dann 
immer  sporadisch  —  unreine  bindungen  von  ^  zu  e  zu,  so  finden 
sich  diese  vor  liquida  sogut  wie  vor  muta.  femer  :  bindet  ein 
md.  dichter  lange  und  kurze  e-laute  miteinander,  so  kann  er  zu 
i  nur  f  reimen  und  e  nur  zu  os. 

Ich  stelle  dasjenige  material  an  die  spitze,  das  uns  in  seiner 
ausdehnung  und  klarheit  die  consequenz  und  gesetzmäfsigkeit  der 
fränkischen  ^e-regel'  am  deutlichsten  vor  äugen  führt,  und  be- 
ginne mit  Hugo  vTrimberg.  mit  identischer  quantität  reimt 
Hugo  ^  nur  in  sich,  e  nur  in  sich  oder  zu  ä,  endlich  e  und  cb 
jedes  wider  nur  in  sich,  die  belege  spar  ich  mir,  denn  nur  die 
absenz  von  ^.*e  und  4:os^  also  die  null,  ist  es,  was  uns  hier  an- 
geht i.     mit  ungleicher  quantität  aber  reimt  Hugo  zu  4  das  um- 

^  aoch  vor  b,  d,  g  bleibt  e  and  ^  getrennt,  s.  si^en  :  üf  w^gen 
'(schlage)  auf  streichen'  6038,  t<;^^0n^ 'bewegen'  .*  r^gent  19068,  nqget :  wqgel 


286  ZVVIERZINA 

lauts-f,  zu  (B  (las  alte  e  oder  den  zweiten  uaalaut  (d),  uzw.  aus- 
nahmslos. 

Im  Renner  reiml  -er  (in  mer  'plus',  gemer^  verb,  ir^,  ler§, 
s&r^)  nur  zu  -^,  uzw.  zu  h^  'bacca'  9901,  :h^  'exercilus'  2865. 
2870.  4765.  7712.  10400.  12350.  14050.  15746,  :m^  'mare' 
6883.  7364.  8230.  19687,  :  w^  'arceo'  13688,  :  verz^  2416. 
4766;  aber  -wr  (in  trtprf  conj.  präl.,  Icer^  adj.,  swcsr^  adj.,  m(pr§ 
subst.,  unmcBr§  adj.,  den  ableitungen  -cer^  und  -bcBre)  reimt  nur 
zu  -er,  uzw.  zu  er  pronom.  2620.  5437.  8030.  8757.  9045. 
15154.  19883.  19885.  21763.  23406,  .(/er  pronom.  1095.  7722. 
8010,  ;Aer  adv.  1256.  1774.  3726.  3731.  5690.  5813.  5957. 
6135.  6161.  7019.  7799.  10494.  11390.  12422.  12610.  13480. 
18474.  18696.  21986.  22842.  22983.  23410.  23444.  23504. 
23734,  ;  trer 'dauere*  17256.  ebenso  reimt  -ert  (in  gemert,  ver- 
kert,  geert,  gdert)  nur  zu  -^/,  uzw.  zu  v^t  3  sing.  1872.  17553. 
18486.23246,  :em§rt  8763,  :w^t  'arcet'  10482,  :verz^t  17102  S 
unerle :  w^te  'arcuit'  13692;  aber  beswcert  reimt  zu  girt  8726, 
:iun)wirt  adj.  5503.  16796,  :  gewirt  'gewährt'  13266,  gewalti- 
gcBvn  :  gern  adv.  24387,  bewcBm  :  sch^m  10418,  ervcemt :  wemt 
'dauern'  21395,  besweemt :  g€mt  22300.  und  nicht  nur  vor  r 
gilt  die  ausnahmsfreie  regel,  dass  mit  6*  nur  ^,  mit  w  aber  €  ge- 
bunden wird,  sondern  auch  vor  andern  consonanten.  die  zahl- 
reichen beispiele  für  -ceh'.'-eh-  übergeh  ich,  da  hier  die  gegen- 
probe,  der  reim  zu  '^h-  fehlen  muss.  freilich  ist  auch  hier  hervor- 
zuheben, dass  nur  stncBhen,  drcBhen,  ncßhen  usf.,  brcehte,  dahte  usf. 
au{  jehen,  sehen,  geschehen  usf.,  räite,  knßhte  usf.  reimen,  niemals 
vlehen,  lehen,  vlehte  usf.  ganz  regelmäfsig  stehn  sich  wider  gegen- 
über Jerusalem  :  l^m^  subst.  13130.  21973  und  sein  :  i\z  schein 
18442  auf  der  einen  seite,  dagegen  tßiderzcBtn  :  dem  8049,  nasm 
conj.  prät.  :  dem  3915.  20399  auf  der  andern,  ja  auch,  da  für 
Hugo  vTrimberg  sicher  t^te,  sowie   für  Konr.  vWürzb.   s.  oben 

^erschüttert'  9454.  in  Stäben,  plur.  von  stap,  :eben  (so  und  nicht  ^ben 
reimt  Hugo)  6029  ligt  zweiter  umlant  vor,  worauf  ich  schon  oben  s.  271  anm. 
hingewiesen,  in  der  mda.  andrer  steht  freilich  auch  ein  »t^be  neben  diesem 
$täbe,  s.  zb.  Sibotes  Frauenzucht  133  stqben :  enttqben.  Renner  2710  ist 
heben  wol  ebenfalls  gleich  haben  und  das  ä  zu  erklären,  wie  ich  dies  oben 
s.  115  angedeutet  habe. 

*  20945  1.  bewwrt :  dervterty  nicht  dervqrt,  vgl.  21395;  ferner  21158 
W^i  weer :  gesnar  *geschrei'  vor.  —  über  herren :  zqrren  890  8.  unten  nr  10 
8.  V,  hSrre  herre. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  287 

s.  107,  aDzusetzen  isti,  planeten : steten  8961,  gSt:(ge)t^t  7137. 
7776.  14822.  19801.  21293,  stä :  t^t  18972,  laphet :  t^  1392 
auf  der  einen  seite  und  bestwt^ :  b€t§  3521,  rcet^,  plur.  von  rät, 
.gO&e  3881  (—  15607),  W(Bt§:bret§  1888,  :gebele  20775,  mit 
mimigerkie  guottat^ :  gehel^  20349.  24507  auf  der  andern,  s. 
ferner  Icege :  pUege  8997,  :  wege  12760,  welche  bindungen  es 
evident  machen,-  dass  für  Hugo  e  vor  einfacher  muta  offen  ge- 
blieben war  und  nicht  wie  im  österr.  und  in  Wirnts  ostfränk. 
gföcblossene  qualität  angenommen  hatte. 

Ich  glaube,  das  entrollte  material  des  Renner  ist  so  aus- 
gedehnt und  gruppiert  sich  so  deutlich,  dass  darüber  ein  zweifei 
nicht  bestehn  kann,  dass  für  Hugo  vTrimberg  die  oben  formu- 
lierte md.  'e-regel'  volle  gellung  hatte. 

Die  mda.  Ulrichs  vE sehen b ach,  die  weder  bairisch  noch 
böhmisch  ist,  sondern  deutlich  westmd.,  macht  die  gleiche  Unter- 
scheidung wie  Hugos  vTrimberg  fränkisch;  s.  zb.  Aer,  m^,  ler, 
ker:m^  Alexand.  897.  4259.  4299.  4361  usw.,  :h^  'exercilus' 
4645.  4663.  4789.  5435  usw.,  :ichsw^  1373.  4237  usw.,  :w§r 
13915  usw.;  lerte:u>^te  1391,  mSrte.h^te  9811  usw.  Toischer 
bringt  io  seinem  programm  über  Ulrichs  spräche  (Prag-Neustadt 
1888)  s.  8  f  aus  dem  Alexand.  54  (jedoch  noch  nicht  sämtliche) 
beispiele  für  -er : -^r,  darunter  52  -er :  -^  und  nur  2  -erc-gr. 
wie  sind  nun  aber  diese  beiden  ausnahmen  zu  fassen?  wir  werden 
sofort  sehen,  dass  es  unreine  reime  sind,  die  in  ihrer  ausnahms- 
stellung  unsre  regel  glänzend  bestätigen  helfen.  Hugo  vTrimberg 
reimt  niemals  e:ce  oder  f.-e,  daher  reimt  er  auch  e:^  und  ce : e 
ausnahmslos.  Ulrich  vEschenbach  aber  gestattet  sich  neben  der 
durch  hunderte  von  beispielen  als  regel  belegbaren  trennung  von 
e  und  w  oder  q  und  e  dennoch  ein  paar  ganz  sporadisch  bleibende 
bindungen  dieser  laute.  Toischer  will  aao.  mit  den  vier  einzigen 
belegen  für  die  bindung  e.'a,  die  er  aus  den  mehr  als  40000  versen 
Ulrichs  beibringen  kann^  den  md.  zusammenfall  dieser  beiden  laute 

*  die  reime  von  hete:-ate  können  nicht  mit  angefahrt  werden,  da 
flo^o  wol  auch  das  md.  hate  für  ind.  und  conj.  gekannt  hat.  daneben 
stand  aber  vielleicht  auch  ein  hqtte^  wie  die  bindung  h^Ue:stqte,  plur.  von 
»tatj  tS942  wahrscheinlich  machen  könnte,  denn  e  und  e,  S  und  e  bleiben 
auch  vor  t  bei  Hugo  getrennt  [darnach  ist  oben  in  der  anm.  auf  s.  108  der 
Renner  aas  der  reihe  der  dort  aufgezählten  frank,  dichtungen  zu  streichen]: 
nie  reimt  itete  zu  sichrem  -etfi,  s.  aber  stete: wette  4425,  steten : planeten 
S96t.     ein  hfite  mit  einfachem  t  gibt  es  nicht. 


288  ZWIERZINA 

beweisen,  aber  wären  in  Ulr.s  spräche  i  und  cb  zasammengefallen, 
so  hätte  er  die  reimtypen  -ere  und  -cBre  nicht  in  dieser  weise  trennen 
können  :  sie  zu  mengen  hätte  er  jeden  augenblick  gelegenheit 
gehabt,  nein.  Ulrichs  reime  beweisen  die  Unterscheidung  von  i 
und  £?,  sowie  die  von  ^  und  e  für  seine  spräche;  wie  er  sich 
jedoch  einige  unreine  bindungen  von  -^;-fr  erlaubt  (die  wenigen 
beispiele  s.  bei  Toischer  aao.),  so  erlaubt  er  sieb  natürlich  auch 
solche  wenige  unreine  bindungen  von  -er ; -£pr -^  und  genau  so 
sind  wider  (es  wäre  ja  direct  auffällig,  wenn  gerade  sie  fehlten) 
die  im  selben  ausmafs  seltenen  bindungen  von  -er ;  -er  bei  ihm 
zu  beurteilen,  so  stebn  also  die  bindungen  i:^  und  f  ;^  der 
bindung  e:§  gleich  :  das  waren  die  bindungen  identischer  qualitäten; 
der  'ausnähme'  e:ce  und  §:e  aber  steht  die  'ausnähme'  e:B  gleich: 
das  waren  die  unreinen  bindungen  verschiedener  qualitäten. 

Für  den  reim  von  ce :  %  liegen  bei  Ulr.  zahlreiche  beispiele 
vor.  ich  verweise  etwa  auf  htswarden :  die  werden  Alexand.  3297, 
unervart : g'ert  Wilh.  vWenden  1170  udglm.,  geware : swehere  (di. 
stoere  mit  langem  e,  langes  e  aber  ist  md.  gleich  al)  Alex.  17846. 
dieses  lange  e,  das  aus  contraction  von  -eAe-  resultiert,  kann  nie 
mit  e'  reimen,  sondern  reimt  entweder  quantitativ  rein  zu  ce  oder 
quantitativ  unrein  zu  ä,  so  reimt  denn  auch  jen  <</eAen,  sin 
<C  s^hen  nie  zu  8t4n  oder  gen^  sondern  nur  zu  den,  wen  usw. 
(zb.  Alexand.  9298.  14722  uö.),  welche  reime  deuen  von  ob  :  ä 
ganz  gleich  stebn.  flen  <^  flehen  aber  reimt  natürlich  zu  st^n 
(zb.  Alexand.  18686);  s.  auch  Icwmen : n'emen  10466  ^  aus  dieser 
Unterscheidung  von  gelängtem  -en  und  von  -en  geht  hervor,  das» 
in  Ulr.s  spräche  die  heute  für  die  meisten  dialekte  geltende  aus- 
gleichung  der  e-laute  vor  nasal  noch  nicht  platz  gegriffen  hatte, 
aufser  vor  r  +•  cons.  und  n  bindet  Ulr.  w :i  noch  in  gmnoBlde : 
velde  Alexand.  443  anh.,  cehte :  rähte  Alexand.  7347  udglm.  nie 
bindet  er  ob  :  e  vor  einfachem  r  oder  l,  sowie  er  etwa  -ir  mit  -fr 
bindet,  es  scheint  ihm  also  mit  dem  kurzen  e  nur  das  vor  con- 
sonantverbindungen  stehnde  (gekürzte?)  ce  und  das  aus  contraction 
über  A  entstandne  gelängte  e  vor  n,  r  uam.  —  alle  bedingungen 

'  wenn  daneben  öfier  gehH:Het  (zb.  Wilh.  vW.  3628)  oder  tet:*tH 
(zb.  AI.  18239)  udglm.  reimt,  so  widerspricht  das  nicht,  da  Ulr.  und  Ernst  D 
zwar  vor  liquida  und  vor  b,  d,  g  ^  und  e  noch  unterscheiden,  wenn  sie 
auch  öberall  unreine  reime  zulassen,  diese  laute  Tor  t  aber  gar  nicht  mehr 
auseinanderhalten  und  sehr  oft  st^te  :  »ete  reimen,  s.  darüber  oben  s.  108 
anm.  und  255. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  289 

kaoD  ich  nicht  aufzahlen,  da  ich  nicht  im  besitz  des  ganzen 
materials  bin  — ,  nicht  aber  das  cb  vor  einfachem  r  qualitativ 
zii8aiDineDgefalleD  sein,  denn  warum  sollte  er  sonst  nicht,  wie 
Hago  vTrimberg,  seine  W€er§,  wuBrf,  Ubt^,  mwr^,  sündcBr^  usw. 
;«r,  der,  war,  gär,  h&r  neben  die  ir^,  Ur^,  kir^cm^,  h^  usw. 
stellen?  ich  habe  oben  die  regel  über  die  bindung  von  e-lauten 
voYchiedner  quantität  für  die  Franken  auch  nicht  so  gefasst, 
dass  bei  jedem  unter  allen  umständen  ^  zu  ^,  (B:ä  reimen  muss, 
sondern  sie  nur  dahin  formuliert ,  dass,  wenn  ein  md.  dichter  e 
oder  m  mit  der  ungleichen  quantitflt  bindet,  er  dann  S  mit  ^  und 
4K  mit  e  reimt,  und  nicht  i  mit  i  oder  te  mit  ^.  wenn  t  mit  §, 
4B  mit  e  vielleicht  auch  auf  dem  ganzen  gebiet  ursprünglich  iden* 
tischer  qualität  waren,  so  wurden  doch,  wie  die  gegenwärtigen 
einzelmdaa.  lehren,  die  verschiedenen  quantitäten  durch  lautver* 
ändeningen  aller  art,  die  sich  nur  auf  eine  der  beiden  quantitäten 
erstreckten,  in  gewissen  Stellungen,  werten  usw.  in  den  einzelnen 
Sonderdialekten  oft  auch  qualitativ  auseinandergerissen,  s.  darüber 
auch  oben  Sw  281  f. 

Auch  der  dialekt  von  Ernst  D  ist  westmd.  der  Verfasser 
dieses  gedichts  stammt  wahrscheinlich  aus  der  fränkischen  um* 
gebung  von  Rossfeld  und  Ansbach,  s«  Ahlgrimm  Unters.  Über  die 
Gotbaer  hs.  des  Herz.  Ernst  s.  32.  sollte  er  nicht  von  Eschenbacb 
her  sein?  Steinmeyer  hat  im  Anz.  zv  220 f  erwiesen,  dass  Ulr. 
vEschenbacb  den  Ernst  D  gekannt  hat.  ich  meine,  er  hat  ihn 
gekannt,  wie  man  seine  eignen  gedichte  kennt,  denn  dass  der 
nacbahmer  Wolframs,  der  auch  hier  sich  wunderreiche  orient- 
fahrten  zum  stoff  erwählt  hat,  kein  andrer  war  als  Ulrich  von 
Eschenbach,  der  Verfasser  des  Alexander  und  des 
Wilh.  vWenden,  wäre  nicht  schwer  zu  erweisen. 

Aach  im  Ernst  D  nun  reimt  auf  mir,  tir,  hir,  ker^  nur  kfr 
exercitus'  (4  mal),  m^  ^mare'  (10  mal),  z^  (Imal),  nie  aber  her 
adv.,  sper,  ger,  der,  er  usw.  ebenso  nur  v^i  auf  ISrte  1379 
und  verz^m  resp.  w^m  auf  Sm  2271.  3101  ^  nur  einmal  3&45 
reimt,  wenn  die  stelle  richtig  überliefert  ist,  Mm :  verbem.    aber 

*  bei  den  bindongen  ron  -eren.'-^ren,  'aren:'eren^  -Sre:'^e  usw. 
kommt  es  für  meine  zweeke  nicht  in  betracht,  ob  die  reime  durch  gyn-  und 
apokope  als  stumpf  oder  durch  debnung  der  kürzen  als  klingend  anzusetzen 
sind,  meine  scbreibuog  macht  nur  rechts  und  links  gleich  und  soll  nicht 
vorgreifen. 

Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXII.  20 


290  ZWIERZINA 

3203  reimt  eben  auch  v^geiherge^  uod  hier  wie  bei  ülr.  eol- 
spricht  der  vereinzelte  unreine  reim  von  4 :  e  dem  vereinzelten 
unreinen  reim  von  ^  ;  e.  ferner  reimt  vor  r  +  cons.  (nie  vor 
einfachem  r)  cb  :  e,  s.  unervcert :  swert  901,  ferner -Sfce- ;  £P  (nicht 
zu  e1)  in  besen  <.  besehm :  verncen  <  vemasjen  3377.  s.  ferner 
noch  phalzgrcBve :  n'eve  1367. 

Noch  der  König  vom  Odenwald^  lässt  ^  und  £p,  e  und  e 
nie  zusammenfallen,  denn  die  gültigen  beispiele  vBahders  für  den 
reim  von  umlauls-  und  brechungs-e  betreffen  alle  secundäreu  um- 
laut.  und  ebenso  bindet  dieser  dichter  nur  -ter  mit  -ir,  also 
gewcer :  scher,  gebcerde :  werde ,  wcBm:enbem,  ableitnng  -wrjher, 
ger  usw.,  s.  vBahder  Germ.  23,  196.  §  reimt  niemals  zu  cb,  freilich 
auch  nicht  zu  i.  für  diese  Unterscheidung  gilt  natürlich  wider 
das  zu  Ulr.  vEschenbach  s.  289  bemerkte. 

Ganz  ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  im  ostfränk.  gedieht  von 
der  Minneburg,  für  das  schon  Ehrismann  Beitr.  22, 289  con- 
statierte,  dass  offenes  e  nur  zu  offenem  e,  di.  mhd.  a,  reime, 
die  bindungen  von  cece  sind  zahlreich,  für  ä:e  bringt  Ehris- 
mann nur  ein  bede.rede.  die  sonst  bei  md.  so  häufige  bindung 
-^.-^  fehlt  also  ganz. 

Von  kleinern  md.  deokmälern  erwähn  ich  etwa  noch  den 
Zwingäuer  (Gesamlab.  24)  mirt  :  v&rt  141,  k^te  :  ernste  389; 
Der  Wiener  meerfahrt  (Lambel  Erzähl.  5)  s^:mer  275,  Frauenlist 
(Koloczaer  codex  s.  97  fQ  sir:  b^  407,  dagegen  \un)m(Br:her  195. 
249,  schuolcer :  her  235;  Heidin  (Ges.  abent.  18)  tocerjsp'er  135, 
su)(Br:h'er  177.  1149.  überall  bleibt  hier  i  und  cb,  ^  und  e  ge- 
schieden und  finden  sich  keine  andern  reime  von  e-lauten  ver- 
schiedner  Quantität  als  die  genannten. 

Daran  schliefs  ich  zunächst  einige  spätre  Franco-Ale- 
mannen,  die  mit  den  Franken  gleichen  schritt  halten,  weil  auch 
ihnen  ä  ein  geschlossener  laut  und  a  sowie  ä  nicht  der  über- 
offene laut  der  Oberdeutschen  ist.  ich  beginne  mit  dem  Bübeler, 
für  dessen  mundartlichen  merkmale  ich  vor  allem  auf  Behaghel 
Germ.  36,  243  verweise,  ich  ziehe  den  Diocletian  ganz  und  von 
der  Königstochter  v.  2000—4000  heran,  es  reimt  s^r,  kir,  er, 
A^,  1^  zu  -fr,  uzw.  ;Afr  'exercilus'  DiocI.  5049.  9049.  9111. 
Kgst.  3628,  .wfr  *mare'  Diocl.  1441.  7327.     Kgst.  2579,  :sw^ 

>  den  Schröder  als  einen  Würzburger  aus  dem  fünften  Jahrzehnt  des 
14  jhs.  zu  erweisen  verspricht. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  291 

'iaro'  DiocI.  8360,  :  zer  DiocI.  4475;   dagegen  war,  mcer,  swcer 

20  -er,    uzw.   :  hir  adv.   DiocI.  1387.    3889.  7011.  7702.  7786. 

S404  Kgsl.  2119.  2149.  2315.  3100.  3198.  3729,  :  d€r  proo. 
DiocJ.  8514,  :  gir,  beger  DiocI.  123.  1839.  3097.  3973.  6077. 
7205.  8978.  9239.  Kgsl.  2958,  :wer  verb  Kgsl.  3204,  Bühel(er 
:heg€r  Kgsl.  3745.  ebenso  Um,  kirn,  §rn  zu  -cni,  uzw.  :  nem 
DiocI.  199.  1437.  3943.  8756.  Kgst.  2701,  :swem  DiocI.  9323, 
:wfrn  Kgst.  3983;  dagegen  mcem  :  gern  DiocI.  1569,  Romcem 
.wem  DiocI.  4133.     ebenso  ert,  {ge)k§rt,  unversirt  zu  -ert,  uzw. 

erw^t  DiocI.  876.  9018,  :  hert^  adj.  DiocI.  1355.  4077,  :  ge- 
verif  DiocI.  4071,  .-^cn^rf  DiocI.  2805.  9221  und  kSrie :  geverte 
DiocI.  2781,  .ernste  4479,  von  erst :  erv^st  Kgsl.  2929;  dagegen 
htswfETt  :wirt  adj.  DiocI.  2673,  :  gert  DiocI.  4185.  5815,  gebcerde 

werde  DiocI.  255,  gefcerde :  u>€rde  DiocI.  431.  2075.  ebenso 
$eU:w^le  DiocI.  84.  772,  Israhiln :  erz^ln  DiocI.  7718;  dagegen 
ftfcsU :  weit  'mundus'  DiocI.  762.  2217.  6473,  :  gelt  DiocI.  5373. 
5443.  Kgst.  2804,  fcBln :  hiln  Kgsl.  2279.  schliefslich  reimt 
ct:e  auch  sehr  häufig  vor  einfachem  h  und  ht,  s.  DiocI.  131. 
3643.  5897;  2315.  922.  7375.    Kgsl.  2631.  3671. 

Neben  dieser  compacten  masse  der  belege  für  die  regelrechte 
scheiüuDg  der  qualitälen  laufen  einige,  ganz  sporadische  aus- 
oahmeD  her.  da  sich  der  Büheler  auch  bei  gleicher  quantität 
gegen  seine  gewohnheit  einige  vereinzelt  bleibende  reime  von 
e:cB  gestattet  (s.  w(Bre:Mre  DiocI.  8350,  .•^re9271),  so  können 
wir  UDS  über  ebenso  vereinzelte  reime  von  i:e  nicht  wundern, 
iwar  lert :  begert  DiocI.  476,  gelert :  begirt  7265  gehört  nicht 
hierher,  denn  hier  bedeutet  lert  Mernt',  nicht  'lehrt'  und  es  hat 
sich  da  wol  aus  den  synkopierten  formen  wie  lim  <C  lernen,  limt 
<  liment  ein  falsches  lert  herausgebildet,  aber  DiocI.  3053  reimt 
sere.'begere  und  3487  kirn: gern  adv.  die  bindung  von  tocBnen 
mit  z^nen  aber  DiocI.  1511  und  wcen  mit  z§n  Kgst.  2065  beweist 
uns  nur,  dass  in  der  spräche  des  Büheler  der  folgende  nasal 
bereits  alle  e-Iaute  im  geschlossenen  laut  vereinigt  hatte,  sowie 
das  beute  auf  fränkischem  und  niederalemannisch -schwäbischem 
gebiet  zu  tage  Iritis 

Aus  dem  Elsass  gehört  der  Rappoltsteiner  Parzival 

*  denn  nur  das  obd.  uberoffene  ä  und  a  bleibt  von  der  würkung  der 
oasalis  exempt,  so  in  Alemannien  (s.  Heusler  Germ.  34,  117)  wie  in  Baiern, 
Dicht  aber  das  md.  und  spätalem.  dem  e  qualitativ  gleiche  ä  und  as, 

20* 


292  ZWIERZINA 

hierher,  ich  habe  deo  prologus  und  v.  5000 — 8000  (Schorbach 
114,  1 — 180,  46)  verglichen,  eioem  hir  :  m^  130,  44  steht  da 
geschlosBCD  gegeoüber  mcBrshir  adv.  165,  11,  :  8p€r  prol.  281. 
321,  gewcer  adj.  :Sr  165,  23,  :sper  prol.  311,  tocer  'esset'  :er 
144,  27,  :hir  adv.  157,  10,  :dir  (di.  dar)  178,  20,  swtsr :  dir 
(di.  dar)  131,24,  ableitUDg  -CBr.&r  125,26.  128,34.  172,  19, 
:hir  174,  33.  176,  1,  :gir  175,  9,  ferner  8W€Brn:wirn  123,  29, 
phti<Bm:u)em  159,  20,  beswcert :  wert  adj.  128,  25.  175,  37  und 
lwgs:wege  131,  33. 

Der  Rappolst.  Parz.  kennt  das  elsäss.  der  für  dar,  das  nach 
analogie  zu  her  gebildet  ist,  sowie  im  selben  dialekt  auch  ein  har 
neben  her  steht,  da»  schon  von  Paul  Mhd.  gramm.^  §  111  anm.  die 
richtige  deutung  erfahren  hat.  diese  har  neben  her  und  der  neben 
dar  sleho  auch  in  Kunz  Kiste ners  Jäcobsbrüdem^  auch  diese» 
spät-elsäss.  gedieht  reimt  -(Bt  nur  zu  -er,  nie  zu  -^  (s.  mar :  er 
243.  737.  827,  :der  <  dar  433.  523.  531,  :her  577.  605. 1115; 
«rar/^r  1023,  ;d(?r<(tor  615,  trojr.-^r  697,  ;ä^ 643. 721.  727), 
sowie  das  gedieht  auch  e  und  (B  zu  trennen  weifs.  i:^  fehlt  hier 
gänzlich,  wie  es  ja  auch  im  Rappolst.  Parz.  selten  ist  K 

Dass  die  Alemannen  grund  haben,  die  quantiUiten  genauer 
zu  scheiden,  als  die  Ostfranken  und  Österreicher,  wurde  im  Ter- 
lauf  dieser  Studien  schon  des  öfteren  betont,  nicht  nur  wird  bei 
ihnen  die  alte  kürze  zäher  festgehalten,  sondern  es  geht  bei  ihnen, 
vor  allem  bei  den  a-  und  e-lauten,  neben  dem  unterschied  der 
quantität  oft  auch  ein  unterschied  der  qualität  einher,  der  sich 
freilich  wol  erst  mit  der  zeit  schärfer  accentuierte.  hierin  stehn 
auch  die  altern  Süd-  und  Rheinfranken  zu  ihnen  :  Stricker,  Hör. 
vCraun  und  noch  Erlös.,  Elisab.,  MHimmelf.  Zs.  5. 

Rei  den  Alemannen  wird,  wie  ich  oben  s.  11  notierte,  o 
und  ö  hauptsächlich  vor  r  4- cons.  gebunden,  wo  die  dehnung 
der  allen  kürze  also  früh  eingesetzt  hat  :  die  reime  von  h&rtt  auf 
parte,  warte  usw.  können  wir  schon  bei  Dir.  vZatzikh.,  Ulr.  vTürfa., 
Rud.  vEms  nachweisen,  ebenso  zeigen  nun  einige  alemannische 
und  fränkische  dichter  die  bindung -6te;-frre,  ohne  die  binduog 
-^;-(T  sonst  zuzulassen,  so  an  der  grenze  fränk.  und  alemvnn. 
gebietes  Konr.  vHeimesf.  hinv^rte :  hekirie  Uimmelf.  966  und  später 

*  diese  Terhaltoisse  entsprechen  der  heatigen  mda.  :  im  Elsass  fällt 
heute  e,  ä  und  m  meist,  azw.  in  beUem  d  zosimmeo,  ^  erscheint  als  odnes^ 
(2,  dagegen  i  als  geschlossenes  i  oder  örtlicb  auch  als  ie. 


MITTELHOCBDEÜTSCIIE  STUDIEN  293 

in  ScbwabeD  KoDr.  vStoffeln  gsv^en :  Herten  3780  und  am  Bodeo- 
see  das  gedieht  von  den  zwei  Jobaoseo  verkerte :  versärie :  n^rte 
52 1  ojid  im  ElsassEgeDolf  vStaufTenberg  miirt :  verz^t  27.  wir  wer- 
deo  hAren,  dass  auch  Wolfr.  auf  diesem  altera  standpuuct  steht. 
in  Augsburg  ireilicb  muss  Ulr.  vTttrh.  -ert  und  nicht  "^4 
mit  'in  hiodeu ,  a.  verkirt :  wert  adj.  Trist.  562^  25.  wir  haben 
ja  gehört,  dass  die  offne  qualität  des  S  über  Baiem  hinausgreift 
ond  auch  den  Östlichen  teil  Schwabeus  erfasst. 

w:e  konnten  die  altern  Alemannen  überhaupt  nicht  reimen, 
denii  erst  f  päter  ßlllt  die  qualität  von  ä  (cb)  und  i  hier  in  manchen 
gegenden  io  eins,  die  Jüngern  Hochalemanfien  fügen  sich  der 
oben  für  die  Franken  formulierten  e-regel.  nur  ist  zu  bemerken, 
dass  diese  Alemannen  in  noch  viel  weiterm  mafse  als  die  ^  und 
(Bj  ^  und  €  im  reim  überhaupt  scheidenden  Mitteldeutschen  un- 
reine bindungen  von  i  mh  ce  und  ^  mit?  zulassen,  die  compacte 
masse  der  diese  laute  trennenden  reime  beweist  auch  für  sie  die 
Unterscheidung  als  regel,  aber  die  anzahl  der  als  ausnahmen  zu- 
gelassenen, unreinen  bindungen  ist  bei  ihnen  meist  beträchtlich. 
sehen  wir  uns  zb.  den  gebrauch  Walthers  vRheinau  an,  dessen 
eigenart  weder  aus  den  Zusammenstellungen  VOgtlins  s.  25  noch 
Haufifens  Anz.  xiv  38  ganz  klar  wird.  Walth.  reimt  -^r-  rein  in 
sich  105 mal,  -ar-  in  sich  125 mal,  unrein  -^e:-<Bre  nur  20mal; 
ebenso  reimt  er  -^-  rein  in  sich  17  mal,  -er-  rein  in  sich  58  mal, 
onrein  -^-;-er-  nur  3  mal  (42,7.  120,48.  156,4)2.  ebenso 
reimt  er  natürlich  nun  auch  meist  qualitativ  i*ein  '&r:'^r  und 
'9r:-iT^  uzw.  dieses  8 mal 3,  jenes  46 mal;  2 mal  reimt  er  aber  auch 
-eri-tr^  uzw.  %^:%r  198,  23  und  gerM :  hßrt  'humus*  264,  18. 

Sowie  die  weslmd.  und  spätalemann.  dichter  verhalten  sich 
schliefslich  auch  die  ostmd.,  soweit  sie  S  und  cb  scheiden  und 
Unge  mit  kürze  binden,  auch  bei  ihnen  also  entspricht  im  reime 
dem  e  das  f,  dem  (B  das  S.  so  bindet  Heinrich  vFreiberg 
m^.'Sr,  her,  der,  ger  Trist.  11.  63.  2167.  2483.  2851.  3241. 
3275.   3593.   3983;  marntBr,,  kerkcer  usw.  :er,  her  usw.  Trist. 

*  der  Verfasser  der  Gonstanzer  liebesbriefe  (Lieders.  i)  reimt  schon 
aocb  mer.sw^r  21,73  neben  lert :  erwqrt  16,43,  verrSrt :  wqrt  17,27,  s. 
EHeyer  Anz.  xxv  3"3.  *  von    erb-,  -erk-,  -err-  and  -erd-  sah  ich 

dabei  ab;  nur  -er,  -er/,  -er/&(ra)  und  -em  sind  gezählt. 

3  A'e>.OT^r224,3,  iwer ;  Äfr  275,  24;  Arern  .w^rn  136,  51,  iem:genqm 
141,41;  verkert :  wqrte  159,43,  bekert :  erwqrt  ^ ,  {^i ,  geert :  widervqrt 
2S8,  3,  gelert :  unversch^rt  52,  47. 


294  ZWIERZINA 

1541.  2377.  2381.  3000.  4057.4361.6343.6847,  vruhtboBr :  er 
Trist.  6873,  gebcerde : erde,  werde  Trist.  311.  1191.  1707.  1867. 
3013. 5317.  aber  mSr,  sir,  Mr,  h^r  usf.  werden  bei  ihm  nur  in  sich 
gebunden,  nie  zu  -cer  oder  zu  -er,  freilich  auch  nie  zu  -^.  im 
gedieht  vom  hKreuz  stellt  er  neben  wcer :  er  Pf.  Ob.  129,285 
auch  ein  s^r  :  her  129,  243,  wenn  die  stelle  richtig  überliefert  ist. 

Auch  das  schlesische  gedieht  von  Ludwigs  Kreuzfahrt 
trennt  ö  und  CB  im  reim  genau,  denn  die  bindungen  des  ind. 
prüt.  von  hdn  mit  -cete  sind  nicht  mit  Kinzel  Zs.  f.  d.  ph.  8,  381 
für  den  md.  zusammenfall  des  CB  und  ä  heranzuziehn.  dieses 
hcBte  für  ind.  und  conj.  ist  eine  echt  md.  form,  und  ich  begreife 
nicht,  wie  Elster  Beitr.  10,  111  sie  als  markant  obd.  und  Mte  als 
md.  bezeichnen  konnte,  gerade  das  umgekehrte  ist  richtig.  Mte 
und  h^t  eignen  neben  hiete  und  hiet  am  öftesten  Baiern  und 
Österreichern,  der  ind.  hceie  (neben  het  und  h^Ue)  aber,  der  zb. 
zu  den  rheinischen  eigentUmlichkeiten  von  Gotfrids  und  andrer 
niederalemannisch  gehört,  steht  ua.  auch  für  die  rheinfränk.  Erlös, 
und  Elisab.  fest,  die  ja  te  und  ^  auch  nicht  mengen,  und  auch 
Herborts  Mie  geht  wol  auf  hcete  zurück,  nur  dass  diesem  dichter 
nun  tatsachlich  a  und  i  in  eins  fallen,  ebenso  ist  hcete  für  den 
Renner,  die  Minneburg  und  andre  md.  gedichte  gesichert,  auch 
f  und  e  trennt  Ludw.  Kreuzf.  nur  das  e  in  helt  'vir  fortis*  ist 
dem  Verfasser  indifferent,  denn  nur  dieses  reimt  er  sowol  zu  c 
(zb.  4876  uö.)  als  auch  zu  e,  s.  h^lt:feU  'campus'  475.  4176. 
6726.  6902,  :  gezelt  subst.  6192.  sonst  weifs  er  den  typus  -fft 
vom  typus  -elt  zu  scheiden,  aber  hell  ist  ihm  nur  ein  littera- 
risches wort,  es  fehlt  seiner  mda.  und  er  weifs  nicht,  wie  man  es 
spricht,    über  gegen .-egen  s.  unten. 

Die  reime  zwischen  ^  und  ^  in  Ludw.  Kreuzf.  zählt  Kinzel 
aao.  s.  380  auf.  es  sind  noch  hinzuzufügen  m^r:h^  ^exercitus' 
1546.  1824.  7090,  :w^r  3240,  ferner  unversärt : v^rt  652.  in 
allen  diesen  fcillen  —  es  sind  nun  18^  —  reimt  ^:§,  dagegen 
bringt  Kinzel  s.  381  drei  bindungen  von  unervart :  wert  adj., 
wozu  noch  heswasrt :  wert  804  kommt^.    also  (B:e  (dieses  nur  vor 

^  denn  es  zahlt  natürlich  Gunthar :  herzesSr  3128  und  ff^alth^r :  mir 
1692,  aber  nicht,  wie  bei  Kinzel,  auch  Günther :w^r  und  s^r,  Walth^r 
:  h^r,    diese  bindungen  sind  auch  quantitativ  rein. 

'  im  heutigen  schles.  dialekt  freilich  fallt  a  mit  f  quaUtativ  zusammen, 
^  wird  helles  d  und  i  ein  i-lant,  s.  Braune  Beitr.  13, 573,  Drechsler  Wencel 
ScherfTer  s.  I2f. 


HITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  295 

f  +  coDS.)  wie  ^  :  §.  tomne  :  s^ne  7632  widerspricht  dem  nicht, 
deoo  es  zeigt  sich  darin  die  ausgleichende  wUrkung  des  nasals, 
die  wir  oben  s.  291  auch  für  den  Büheler  festzustellen  hatten. 
Schliefslich  erwähn  ich  noch  Heinrichs  vKrolewitz 
Vaterunser.  S  und  w  bleiben  getrennt,  ebenso  ^  und  e,  aufser 
506  üifTS  ;  ir$  <  er  tst.  mit  ungleicher  quantität  ist  gebunden 
her:xe  iD^r  664,  m^r:tD§r  2322,  ;A^rsubst.  1741.  2001.  4877; 
dagegen  ze  9war:etewer  4607,  wuocherwr :  gewer  4445,  bewcert 
:gegert  1378,  swcerden :  erden  3187,  :  gewerden  4734.  besonders 
herrorheben  mochte  ich  die  bindungen  sl^ht  (nicht  reht,  kneht!) 
:viht  218.  229  und  $lit<$Ifhet:  beetät  4244,  welche  leUtre  die  er- 
gänzuDg  bildet  zu  der  art,  wie  Ulr.  vEschenb.  sich  zu  i<ehe  stellt. 

Die  biudung  von  ä  und  e.  —  die  Unterscheidung  der 
beiden  umlaute  des  a,  des  altern  (^)  und  des  jungem  (({),  gieng 
aus  von  der  erscheinung,  dass  die  beiden  mhd.  e,  umlauts-e  und 
altes  e,  in  gewissen  worten  und  Stellungen  von  dichtem,  die  die 
zwei  laute  sonst  im  reim  genau  auseinanderhalten,  miteinander 
gebunden  erscheinen,  s.  Gramm,  i^  139  f,  bes.  die  reime  von  ge- 
däkte,  dhte,  fnähte(n)  zu  rehte,  knehte{n),  v6hte{n)  waren  mafs- 
gebend,  s.  Franck  Zs.  25,  221.  224.  heute  wissen  wir,  dass  wir 
nicht  annehmen  dürfen,  es  sei  bei  solchen  dichtem,  die  -dhte 
und  -ehte,  phdrt  und  -ert,  wälde  und  vglde  nicht  aufeinander 
reimen,  das  ä  in  den  genannten  Stellungen  und  werten  etwa  mit 
dem  alten  umlauts-^  zusammengefallen  und  im  verein  mit  diesem 
von  offenem  e  unterschieden  worden,  sondern  wir  werden  im 
(Gegenteil  zu  dem  Schlüsse  gedrängt  sein,  dass  bei  diesen  dichtem 
das  d  noch  eine  weit  offnere  qualität  gehabt  habe  oder  das  e 
weniger  offen  gesprochen  worden  sei,  als  bei  den  andern,  dass 
d  und  €  also  getrennt  blieben,  weil  d  offner  war  als  e,  nicht 
weil  d  mit  dem  geschlossenen  §  zusammengieng.  man  wird  die 
Untersuchung  für  jeden  einzelnen  dichter  vor  der  herausgäbe  seiner 
werke  zu  machen  haben,  reimt  er  d  und  e,  dann  mag  man, 
wie  man  es  bis  jetzt  gewohnt  ist,  ruhig  geslehte,  mehte,  ehte,  phert, 
eme,  weide  usw.  drucken;  reimt  er  d  aber  nur  in  sich  und  nie 
zu  e,  dann  dürfte  es  sich  empfehlen,  das  von  den  obd.  hss.  ja 
ohnedies,  wenn  auch  selten  consequent,  gebotne  d  für  den  zweiten 
Umlaut  im  normalisierten  text  durchzuführen,  auch  in  worten 
natürlich,   deren  d  durch   keinen   reim   bewiesen  werden   kann: 


296  ZWIERZINA 

also  etwa  auch  in  tägdieh,  väterlich,  mdnnegUch,  mägede,gäru>en,harwe 
usw.  eigeutlicb  müslen  wir  für  jeden  dicbtert  für  den  wir  m  und  ^ 
durch  die  schrift  scheiden,  auch  d  und  e  auf  diese  weise  sondern, 
und  umgekehrt  etymol.  cb  und  S  durch  S  widergeben,  wo  uns  die 
reinoe  nötigen  (K  als  e  (•»  e)  anzusetzen,  s.  darüber  auch  o.  s.  285. 
Eine  anzabi  Schwierigkeiten  bleiben  freilich  bei  jedem  dichter 
in  bezug  auf  die  aufleilung  von  ä  und  §,  wo  der  reim  nicht  ent- 
scheidet, zurück,  diese  aufteilung  ist  ja  in  den  sämtlichen  heutigen 
dialekten  durchaus  nicht  glatt  und  historisch  consequeot  durch- 
geführt, eine  der  consonantverbindungen,  die  am  sichersten  zu 
den  alten  umlaut  hindernden  gerechnet  werden  darf,  ist  zb.  rw 
und  der  dialekt,  der  heute  noch  ä  und  ^  am  weitesten  ausein- 
anderfallen  lässt,  ist  der  bair.- Oster.  :  und  dennoch  gehn  auch 
hier  die  einzelnen  worte  in  bezug  auf  den  eintritt  des  umlauts 
auseinander,  im  Wiener  dialekt  heifst  es  heute  ßrbm  ^f^rben' 
(fdrbln,  ein  kartenspiel,  hat  secundären  umlaut  —  di.  hohes  ä  — 
wegen  der  Jüngern  denomination),  hingegen  hdrb  *böse'  für  mhd. 
hdrwe.  das  t  entspricht  vor  r  dem  mhd.  ^,  das  d  dem  ä,  ebenso 
heifst  es  im  tirolischen  zu  Imst  zwar  hdrb,  gdrwd^  aber  wider 
förvod  (ö  <  ^)  neben  fdrw9,  s.  Schatz  s.  42.  43.  Schmeller-From- 
mann  belegt  dagegen  aus  Baiern  nur  gdrbm  i  934  und  farbm  750. 
dass  aber  das  §  einzelner  mdaa.  nicht  ganz  junge  entwicklung 
ist,  beweisen  die  reime  mhd.  dichter,  die  älteren  unter  ihnen 
können  '^rwe-  resp.  -ärtce-  ja  immer  nur  in  sich  reimen,  also 
das  §  nie  beweisen.  Jüngern  Baiern  und  Österreichern  f^llt  aber 
u)  und  b  nach  r  schon  in  eins  und  von  diesen,  die  doch,  wie  wir 
überall  sehn  können,  ihre  e-lauie  streng  nach  ihrer  mda.  reimen, 
ä  von  ^  und  S  also  sondern,  reimen  einige  -^betK-^rwen  mit 
^ben,  $t^ben  schw.  verb,  verd^ben  schw.  verb  usw.  mit  altem 
umlaut  also^  mit  geschlossenem  ^,  nicht  mit  brechungs-e,  denn 
^ben,  verd^ben  weisen  m.  w.  zu  keiner  zeit  und  in  keiner  mda., 
trotz  der  r-verbindung  hinter  dem  vocal,  ein  d  aus.  so  find  ich 
beim  bairiscben  fortsetzer  des  Lohengr.,  der  ä  nur  in  sich  reimt, 
sowie  (B  nur  auf  cbS  v^bm:bid^ben  278,  2777,  :verd^ben  742, 

'  die  beiden  bindungen  er  brat  <i  hrehet :  tomt  548,5474,  brcsn<i 
brehen :  wan  498,  4978  bedeuten  keine  ausnähme  :  hier  beweist  der  e-Iaut 
der  3  sing,  schon,  dass  wir  es  mit  einem  schwachen  brähen  zu  tun  haben, 
bei  dem  ä  für  ^  als  wörkung  des  h  (säher,  äher)  oder  wegen  erst  späterer 
ableitung  eintrat. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  297 

7413,  gmf^rba:an  ^bei  309,  3083  und  beim  Teichoer,  dessen 
a<iDhd.  a  darch  reime  auf  österr.  (i<mhd.^(m  feststeht,  v^het 
:prb^  Lieders.  210,  53  oder  es  reimt  der  Vintler  h^  'berwe*  zu 
mpr  6954  neben  ad?,  harhiniarh  7582. 

Ferner  steht  folgendes  zur  erwdguug.  dass  im  piur.  vou 
»oft  ^  in  tfme,  welches  wort  eine  Sonderstellung  einoimmt^  schon 
weil  die  r-?erbindung  hier  auch  im  md.  umlaut  hindernd  gewürkt 
hat,  in  ffärt  zweiter  umlaut  gilt,  können  wir,  selbst  wenn  wir  von 
den  gegenwärtigen  mdaa.  abseben,  für  die  mhd.  zeit  dadurch  con- 
statieren,  dass  diese  worte  von  md.  dichtem  auf  -^/de  (veUe,  müd$\ 
-eme  {gime\  -irt  {wirt,  g&rt  usw.),  von  den  obd.  aber,  die  auch 
d  und  e  auseinanderhalten,  wenigstens  nicht  auf  -fMe  {h§lde,  s^lde), 
'^me,  -frt  (i?(T(,  to^t,  verz^,  em^t  usw.)  gereimt  werden,  für 
den  umlaut  des  a  vor  ht  haben  wir  sogar  nur  die  md.  controle, 
denn  das  fehlen  apokopierter  -dhi  im  reim  auf  slfhi  *  schlägt', 
twchi  ^wascht'  kann  nie  auffallen,  nun  würken  aber  von  den 
consonantverbindungen  nur  no  und  ht,  hs  auch  im  md.  umlaut 
hindernd,  s.  Braune  Ahd.  gramm.'  §  27  anm.  2^  wahrend  die 
andern  r-verbindungen  und  die  Z-verbindungen  nur  auf  obd.  ge- 
biet und  auch  hier  seit  der  mhd.  zeit  nur  in  gewissen  worlen 
omlautbinderod  würken.  vor  rr  zb.  steht  einem  obd.  ä  im  md. 
nicht  das  offne  e  (■»  e)  des  zweilen  umlauts,  sondern  direct  das 
geschlossne  ^  des  ersten  umlauts  gegenüber,  hier  kann  uns  kein 
sperren,  zerren,  denen  im  reim  zu  gewirren,  virre  usw.  bei  md. 
dichtem  den  zweiten  umlaut  demonstrieren^  denn  die  md.  kennen 
vor  rr  nur  den  ersten  umlaut,  geschlossenes  §.  anderseits  kann, 
da  im  bair.  -  Osterr.  umlaut  des  a  vor  rr  ja  theoretisch  in  jedem 
fall  auch  ä  sein  könnte  und  hier  wider  ä  :  i  nicht  reimt^  der 
umstand,  dass  bei  den  bair.-österr.  dichtem  die  genannten  worte 
in  ^erren  immer  nur  untereinander  reimen,  weder  für  ^  noch 
fDr  ä  etwas  beweisen,  daher  ist  es  nicht  unbedenklich,  wenn 
wir  heule  überall  nur  sp^en,  z^en,  d^en  ansetzen,  denn 
auch  vor  rr  wechselt  heut  im  dialekt  je  nach  dem  wort  und  je 
nach  der  eiozelmda.  d<d  und  t  (resp.  o,  ^<^.  in  Wien  sagt 
man   Iptni,   was   für  gperren  mhd.  ^  voraussetzt,  aber  zdm  für 

>  das  ä  in  wälde  ist  nicht  würkaog  des  /-{-cons.,  diese  gibt  es  ja 
im  md.  nicht,  sondero  durch  walt  beeinflusst.  der  t-plaral  vielleicht  über- 
haapt  erst  spätere  bildaog,  das  ahd.  kennt  nur  den  a-plural,  heutige  Österr. 
mdaa.  weisen  jedoch  nach  mhd.  ^. 


298  ZWIERZINA 

mhd.  zerren  di.  zärren  und  ddm,  därt  für  mhd.  derren,  gederret 
di.  darren,  gedärret.  ebenso  verzeichnet  Schatz  für  Imst  einer- 
seits spörrd  ((7<mhd.  f)  und  auch  dörrd,  aber  wider  tsdrrd,  aao. 
8.41.  43;  s.  auch  Schmeller-Frooimann  u  681.  i  530.  ii  1146. 

Anderseits  ist  es  direct  unsinnig,  wenn  jetzt  zb.  Michels  im 
Mhd.  elementarb.  dem  teuren  Mautgesetz'  zu  liebe  Schreibungen 
wie  käue,  wärme,  wärmer ,  wärmen  oder  gar  gevärte  und  härte 
durchführt,  hier  beweist  der  consens  fast  aller  obd.  dialekte  und 
noch  dazu  die  reime  der  mhd.  dichter  selbst,  dafs  das  ä  dieser 
rein  construierten  formen  falsch  ist.  ^kälte'  und  'wärme'  ist  im 
ganzen  Osterr.  dialekt,  soweit  ich  einblick  habe^,  und,  wie  die 
mundartenmonographien  mich  lehren,  auch  im  alemann,  mit  dem 
dem  ersten  umlaut  entsprechenden  e  verbreitet,  der  Teichner  zb., 
der  nie  und  nimmer  sein  ä  (di.  d)  auf  ^  hätte  reimen  können, 
reimt  ruhig  keU§ :  erw^Ü  Lieders.  85,  13  und  für  gev^te  und  h^rte  ^ 
stehn  uns  bei  den  dichtem  die  für  ^  inappellabel  beweisenden 
reime  zu  n^rte^  erw§rte^  verz^te  usw.  in  fülle  zu  geböte,  so  bei 
Hartm.,  Ulr.  vZatzikh.  Fleier,  Mai  usw.  bis  auf  Ottokar,  Seifr. 
Helbling,  Suchenwirt  und  Teichner.  auch  k^rge,  §rge :  sch^ge^  v^ge 
finden  sich  des  üftern  (s.  zb.  MHelmbr.  1647)^. 

Gegenwärtig  unterscheiden  sich  etyrool.  ä  und  etymol«  e  ihrem 
klang  nach  aufser  auf  dem  gebiet  des  bair.-österr.  auch  in  den 
schwäbischen  und  in  einem  teile  der  hoch-  und  niederalemannischen 
mdaa.  Heusler  vertritt  Germ.  34,  127  f  die  ansieht,  dass  die  beiden 
laute  in  mhd.  zeit  im  gemein-alemannischen  noch  getrennt  waren 

'  6.  auch  Schmeller-Frommaon  ii  1000,  nur  an  der  Obef-Isar  heifst  es 
wdrm^  comparat.,  warm  subst.,  wdrma  verb. 

^  in  Österreich  sagt  man  auch  /urtn  *bärle',  hirf^  ^härter',  die  schmiede 
hirin  den  stahl  (Waidhofen  a.  d.  Ybbs),  s.  auch  Schmeller-Frommann  1 1 167. 
mit  d  vor  rt  kenn  ich  in  Wien  nur  ^drtn  *gerte,  virga',  s.  auch  FSHugel 
Der  Wiener  dialekt,  Wien  1873,  8.65»  Schmelier-Frommann  i940.  der  plur.von 
bort  hat  bei  Ottok.  und  Enikel  schon  ä,  bei  Heinr.vMeik  noch  ^  (Erinn.  221). 

'  auch  heute  heirst  es  in  der  mda.  irg9m,  irg9r  'irgern,  ärger'  mit 
t  <mhd.  ^  in  Wien  oder  örgar,  örgora  im  tirolischen  zu  Imst  (Schatz  s.  42); 
also  nirgends  d  <,  mhd.  ä  vor  rg,  s.  auch  Schmelier-Frommann  1 141.  merk- 
würdigerweise setzen  Ottokar  und  einige  andre  das  e  der  reimsilbe  von 
h^berge  als  umlauts-«  an,  uzw.  constant,  wodurch  die  annähme  unreinen 
reims  ausgeschlossen  wird,  hier  ist  wol  das  tieftonige  e  vor  r  -(-  muta  von 
dem  hochtonigen  ^  vor  r-j-muta,  das  vorangeht,  mitgerissen  worden.  — 
[s,  ferner  österr.  i*ml  <  ^rmel,  mi^kn  <C  m^ken,  Hi*k*  <C  starker  bei 
Gärtner  Zs.  f.  hd.  mdaa.  1,  143.  145  udglm.] 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  299 

aod  erst  durch  jüngere  sonderentwickluDg  io  der  mehrzahl  der 
alemano.  sonderdialekte  zusammenfielen,  mir  scheint  Heusier 
seine  ansieht  aao.  woi  begründet  zu  haben  und  ich  glaube,  dass 
sie  der  Wahrheit  sehr  nahe  kommen  wird;  ob  nicht  in  solchen 
niederalemann.  gegenden,  die  auch  sonst  in  ihrem  dialekt  merk- 
male  frdnk.  sprachfärbung  zeigen,  dh.  mit  den  benachbarten  süd- 
uod  rbeinfränk.  dialekten  gewisse  Spracheigentümlichkeiten  teilen, 
d  und  e  seit  alters  nicht  geschieden  waren,  lass  ich  dahingeslellt. 
sicher  ist,  dass  gegenwärtig  in  allen  fränk.^  thüring.  und  ostmd. 
gegenden  ä  und  e  durchweg  gleich  lauten,  s.  vBahder- Grundlagen 
des  mhd.  lautsystems  s.  110.  sowie  in  Hitteldeutschland  der  umlaut 
des  langen  d  bis  zum  klang  eines  ^  vordrang,  der  sich  in  vielen 
gegenden  aber  von  dem  geschlosseneren  laut  des  altern  ^<;at  noch 
unterschied,  nicht  einem  gelängten  ^,  aber  einem  gelängten  e  gleich 
stand  (s.  oben  s.  2800«  so  drang  hier  auch  der  secundäre  umlaut 
des  kurzen  a  nicht  nur  bis  zum  oberd.  überofTnen  d  vor,  sondern 
bis  zum  offnen  e,  welches  sich  vom  geschlossnen  ersten  umlauts-^ 
zwar  noch  deutlich  unterschied,  mit  dem  offnen  e  aber  im  klang 
zusammenfiel,  schon  vBahder  vertrat  die  ansieht,  dass  der  zusammen- 
fall von  d  und  ^'  schon  in  ältester  zeit  gemein-md.  war:  diese  an- 
nähme wird  durch  die  reime  der  alten  gedichte  voll  bestätigt. 

Bei  einer  die  einschlägigen  Verhältnisse  aus  den  reimen  mhd. 
dichter  betrachtenden  Untersuchung  handelt  es  sich  hauptsächlich 
um  die  bindungen  von  gesldhte,  mdhte^  dhte^  gebrdhie,  von  phdrt^ 
dme  und  allenfalls  wHde.  besonders  die  absenz  der  bindung  von 
phdrt  (einem  wort,  das  in  keinem  epos  fehlt)  zu  wirt  adj.,  danwert^ 
kinwirt,  gewert^  girt  usw.  ist  wichtig  i.  dass  jihdrt  nie  zu  v^^ 
verz^,  em^rt,  erw^rt  reimt,  ist  selbstverständlich,  das  fehlen 
von  bindungen  des  worts  gesldhte  ßiUt  immer  auf  (;r^Are,  knihle, 
vihte)  und  macht  es  wahrscheinlich^  dass  der  betreffende  dichter 
d  und  e  geschieden  hat.  Sicherheit  bringen  dann  jene  dichter, 
die  zu  mac  das  prät.  in  a  bilden,  hier  beweist  erstens  die  absenz 
eines  mdhteirihtt^  knihte  usw.  die  für  die  dichter  vorliegende 
Unmöglichkeit  sich  des  bequemen  reims  zum  auxiliar  zu  be- 
dieuen  auf  das  deutlichste,  und  zweitens  ist  dann  in  gleicher 
richlung  beweisend  die  allenfalls  erkennbare  trennung  der  bindung 
mdhte :  gesldhte :  dhte  von  der  bindung  rihte :  knfhte  :  vShte. 

*  für  manche  dichter  braucht  freilich  die  aus  phärfrit,  phärit  ge- 
kürzte reiffiform  des  Wortes  noch  nicht  die  geläufigste  gewesen  sein. 


300  ZWlEßZINA 

Schon  Heusler  hob  aao.  «.  130  hervor,  dass  ilie  reime  von 
'ähte.'ihU  bei  deo  äitera  AieoiiiDueD  weites  sind  und  das«  die 
weoigeD,  die  sich  fiodcD,  kaum  genau  aein  dUrHen. 

Hartmanu  «literscheidet  ganz  genau,  phdrt  reinst  bei  ihm 
nicht,  dme  kommt  nicht  vor,  aber  im  Er.  und  fireg.»  wo  er  mdue, 
eonj.  mähte  neben  ntoA/e,  coja^mtfA/e  bildet,  reimt  er  «ein  mähte  nur 
auf  gedähte  Er.  4522.  Greg.  1107.  1325  und  trennt  diese  bindung 
strengstens  von  der  von  knehte :  rihte :  dihte  adv.  £r.  350.  365. 
1064.  1502.  1602.  1614.  1790.  2070,  2384  usf.  (29mal  ailesn 
im  £r.I).  der  ty^nis  -ehte  hätte  für  gedähte  uod  mälue  bedoitend 
mehr  reimmOglichkeiten  geboten  als  der  typus  -dGtoe,  und  •dennodh 
reimen  geslähte  und  rndhie  nur  in  sich,  ja  geslähte^  fttr  das  im 
Iw.  das  reimwort  fehlt,  reimt  dart  gamJcht  mehr,  da  4ie  hindung 
mit  rehte  und  knehte  für  Hartm^s.  dialekt  unmöglich  ist. 

Genau  so  wie  Harim.  trennt  auch  Flectk  4  und  €.  auch  er 
bildet  das  prät.  makie-mähte  (s.  Sommer  zu  Flore  382)  und  auch 
er  reimt  den  conj.  mälUe  nur  zu  geslähte  (Flore  667.  1683,  3831. 
7067.  7123),  nie  mAte  oder  geslähte  zu  räUe,  knäkU,  die  natür- 
lich auch  bei  ihm  untereinander  sehr  hfiufig  reimen. 

Auch  bei  Ulrich  vZatzikhoven  heilst  das  prät.  von  mac 
im  iud.  meist  mahU^  s.  Lanz.  1861. 2023. 2145. 3817. 6547. 6583. 
6615.  6693.  7739.  7749.  8899  S  viel  sekner  mohte  159.  4165. 
4509.  8167.  8879.  der  conj.  aber  reimt  nie  als  mihte^  sondern 
nur  als  möhte  (resp.  mohte):  5861.  6793.  8711.  9035.  9413. 
warum?  ich  denke,  weil  der  dichter^  der  »ur  faiUme  (2359.  3331. 
5095.  5249.  9243)  und  daht^  dahte  (4105.  4123.  4813.  5381. 
5821.  8523  nö«)  reimt,  das  wort  gedähte  zu  seltea  (a.  aber  im 
innem  5749)  anwendet,  als  dass  er  damit  zu  mähte  tkk  bequemes 
reimwort  zur  Verfügung  gehabt  hätte,  dann  hat  er  aber  rähte, 
hiA/e,  vihte(n)  mit  andeitn  e-laut  gesprochen  als  »({A/e.  in  dem 
wehten  des  Verses  1774  ^  (der  gefiingene  sagt  So  wä  ick  gemer 
vehten  Dann  ich  langer  müexB  wehten  In  dbre  vinstemme)  können 
wir  also  kein  wähten  (zu  wakte)^  sondern  nur  ein  wehten  vor  uns 
haben,  an  ein  solches  st.  verbum  wihten  hat  wol  auch  Hab« 
(s.  anm.  zur  stelle)  gedacht,  wenn  er  auf  Pass.  H.  99,  54  (di.  66** 

'  Ulr.  kennt,  sowie  Hartm.  in  bestimmten  partien  seiner  werke  (s. 
Kraus  Abhandlungen  z.  gerro.  phii.  s.  1500  neben  mähte  auch  ein  wir 
m^fftn  3283.  6638.  7025,  ir  m^et  347,  das  Fleck  und  Golfr.  fehlt. 

*  8.  Heusler  aao.  s.  130. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  301 

der  Im.)  verwies  Und  vo»  dabi  tac  und»  näht  Da  man  mit  argen 

Usiem    umkt,   Wü  man  in  gevtenge   Und  an  ein  kriuze   hienge. 

wihie,   wehten,  waht  Uefse  *sich  abmüben'.     dieselbe  bedeutung 

hal  e»  auch  aa  der  drilten  stelle,  wo  es  Torkommt,  in  Welzels 

Marg.  794.     dort  bittet  die  heiF^e  Gott  um  bilfe  gegen  des  teufeis 

imgminde^   Bm  mit  in  selben  vehtent   Und  zaüen  zitem   wehtent 

Widm  dinm  huMen.    auch  Wetzel  kennt  sonst  keine  bindung 

V4»  ä:€^    ist  wehten  ein  an  vihien  angeglichenes  wehen?   wider 

»ehe»  DrsL  123,  54,  s.  ubarwehenGnä  i  701,  subst  widxrwehe 

Mhd.  wb.  Hl  6&0',  faner  Neidh.  54,  t9^  La. 

mähte  (ürst.  116,  75.  117,  59.  121,  75,  124,  26)  neben 
mähte  (Uinunelf.  95,  ürst.  119,  6-  125,  65),  mühte  (Urst.  117,  1) 
ist  auch  Konr.  vHeimesfurt  geläufig^,  und  dea  couj.  mähte 
reimt  auch  er  nicht  »uf  rdite  odier  ÄrneA^e,  sondern  iu  oberd.  weise 
auf  mit  überbrähte  Drst.  121,  67. 

Bei  Ulr.  vTürheim  reimt  dasselbe  mähte^  zu  gesldhte 
Rennew.  Zs.  f.  d  ph.  13,  130%  27  und  nie  mähte  oder  gesldhte  zu 
kmehte  usw.  aycb  Ulr.  vTünb.  hält  also  ä  und  e  auseinander  ^ 
und  ebenso  bindet  Hud.  vEms  nirgend  diese  beiden  laute. 

Bei  den  spätem  AI enrannen  tritt  verwicrung  ein«  ä  und  e 
zeigen  auf  aiemaon.  beden  offenbar  schon  früh  neiguag  sieb 
eioaocier  zu  nähern,  sowie  sie  heute  hier  gröstenteils  zusammen- 
gefallen sisdi.     die  bindung  äme: gerne  in  der  gFrau  381  aber 

^  ebenso  wir  megen  ÜTSt.  1^4^  59.  115,  4d.  122,  75,.  ir  meget  116,  57, 
«onj.  mege  Himmel/.  S71,  Urst.  110,^50,  megen  Himmelf.  653  neben  miige 
Crst.  103,7.  115,7. 

^  über  mahle,  mege  bei  Ulr.  s.  Kraus  aao.  s.  152.  füge  aus  dem 
Renoew.  hinzu  mähte  Germ.  16,1,13.  Lohm.  798,  mähte  Zs.  f.  d.  phil. 
13,  130«,  27,  m^gen  Pf.  Üb.  46,  409.  50,  803.  Z».  f.  d.  phil.  13,  130«,  55, 
mägen  2sk  38,  61.  Alem.  17,  184.  279* 

3  merkwürdig  bliebe  dann  värten,  prät  von  värwen,  :  lerten  Rennew. 
Pf.  Üb.  47,518.  denn  v^rten  etwa  nacfh  dem  s.  296  gesagten  dürfen  wir 
nicht  ansetzen,  da  Ulr.  in  ostschwab.  art  e,  nich  ^,  zu  ^  bindet  (s.  oben 
s.  293).  aber  ich  glaube,  dass  an  der  betreffenden  stelle  die  la.  der  von 
Pfeiffer  gedruckten  Beidiiberger  hs*  DU  zäher  ir  ougen  värten»  Zwei  dinc 
düx  leii  lerlen  :  Ir  triuwe  unds  WiUehalm  Gäben  ir  des  leides  galm  Und 
künden  sie  an  freuden  letzen  zu  ändern  ist  in  Die  zäher  ir  ougen  värten. 
Zwei  dinc  sie  freuden  lisrten  usw.,  s.  Parz.  503, 1.  der  reim  värten: ItBrten 
könnte  dann  so  wenig  auffallen  wie  Ulr.s  parte  :h6rißy  wort  .-gehört,  wert 
hekert,  ».  obeo  s.  11,  und  bewiese  nur  die  überaus  offne  qaalität  von  Ulr.s 
ä,     die  andern  bss.  dea  Rennew.  werden  hier  wol   ecst  Sicherheit  bringen. 


302  ZWIERZINA 

schreib  ich  noch  den  zahlreichen  Tränk,  merkmalen  der  nieder- 
alemann,  spräche  dieses  gedichts  bei,  von  denen  \^ir  noch  hören 
werden  (here,  sint,  geltch^  aZy  seltenes  gueit  usw.). 

In  Hugo  vLangensteins  Martina  reimt  nur  geslähte.'-ehte 
191,  51.  207,  61,  die  andern  -ähte  reimen  nur  unter  sich  oder 
zu  geslähte.  vielleicht  nahm  in  seinem  dialekt  gesldhte  dieselbe 
doppelstellung  ein,  wie  wir  sie  für  dieses  wort  bei  den  spätem 
Österreichern  zu  constatieren  haben  werden,  s.  30,  14  gebrähte 
(sie)  : gesldhte,  47,  75  erphdhten  (sie,  s.  52,  1.  81,  12.  268,  50. 
279,  31)  :  spähten  (zu  späht,  vgl.  auch  spähten :  brdhten  Heinzelin 
103,  83),  56,  7  phdhte  (sie;  dat.  von  phaht,  s.  47,  75.  52,  1)  .ge- 
slähte, 77,  19  ähte  numeral  iphähte.  dagegen  find  ich  den  reim- 
typus  -ehte  29  mal  in  sich  verwendet. 

In  Konrads  vStoffeln  Gauriel  reimt  zwar  3915  ähte 
numeral  :  gebrähte,  aber  auch  686  gebräht :  kneht. 

Walth.  vRheinau  macht  zwischen  ä  und  e  keinen  unter- 
schied mehr,  er  bindet  geslähte :  rßhte  17,  23.  132,  38,  mähte  conj. 
zwar  148,19  zu  gebrähte,  aber  180,41  zu  rehte,  gemähte  suhsl  :rehte 
115,  28.  zu  seinen  bindungen  von  ä:e  gehören  auch  die  reime 
von  {en)gegen :  phlegen  143,37,  :d^gen  207,1.  271,19,  :  sägen 
227,  43,  : wegen  72,  47,  :gewegen  276,  30,  .gelegen  177,  52  und 
gegen  subst.  .gelegen  5,  25.  etymol.  ä:ä  reimt  in  engegen : kUgen 
(aus  klagen  später  umgelautet)  144,  31.  nie  reimt  {en)gegen  (oder 
klegen)  i-^gen,  sonst  aber  trennt  Walth.  e  und  ^  vor  ^  durchaus: 
er  reimt  legen  nur  auf  wegen  210,  25,  megm  37,  6  und  siegen 
79,  72  und  siegen  sonst  nur  auf  regen  verb  163,  17. 

Auf  dieses  mhd.  gägen  <  gagani ,  das  neben  gfgen<gegini 
und  gagen<gagan  steht,  hat  man  bisher  kaum  geachtet,  dort 
wo  ä  und  e  nicht  gebunden  werden,  ist  es  ja  fürs  mhd.  schwer 
nachzuweisen,  bes.  wenn  der  dichter  daneben  etwa  auch  noch 
gegen  gebraucht,  bei  solchen  dichtem  aber,  die  ä  mit  e  binden, 
während  ^  von  e  getrennt  bleibt,  hebt  es  sich  deuthch  aus  den 
reimen  heraus,  so  bei  Lampr.  vRegensburg,  dessen  deutsch  nicht 
das  Regensburger  deutsch  ist :  dar  gegen  :  regen  subst.  Sion  21 84^ 
sonst  nur  gegene :  engegene  Fr.  2764.  4869.  in  Ludw.  Krzf.  reimt 
gegen  zu  phlegen  1846,  zu  erwegen  1494  und  begegent :  ges^geni 

^  soDSt  trennt  Lampr.,  hier  wie  so  oft  im  gegensatz  zum  bair.  ge- 
brauch, ^  und  e  vor  mnta  ganz  consequent,  s.  Sion  530.  1035.  1749.  2322. 
2831.  4259,  Fr.  2368. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  303 

6720  9  aber  A^gen  nur  zu  r^gen  verb  7398,  bei  Ebern.  vErf. 
reimt  €mkegm:degen  383,  .gelegen  1763.  1933,  aber  gelegen  nur 
XU  geregen  2669,  A^(n) ;  entsebe{n)  4169.  3785,  verhebet :  entsebet 
4647,  reda :  verphedet  4399. 

Was  die  heuügeo  mdaa.  anlaogt,  so  verweis  ich  fürs  ale- 
manDische  Waltbers  etwa  auf  Blaltoer  Ober  die  mdaa.  des  cau- 
tons  Aargao  s.  51 ,  wo  mhd.  gegen  mit  dem  sonst  e  und  ä  ent- 
sprechenden laut  nachgewiesen  wird,  fürs  fränkische  etwa  auf  die 
mda.  TOD  Handschuhsheim,  das  keJ9  spricht,  nicht  keij9  (s.  Lenz 
Vergl.  wb.  s.  26  s.  v.) ,  während  in  der  mda.  e  dem  gedehnten 
ä  und  e,  gedehntem  ^  aber  et  entspricht,  s.  oben  s.  283. 

Sowie  ftlr  Wallh.  vRheinau  gilt  auch  für  Bon  er  ä  und  e 
schon  als  identisch.  10^  15  reimt  bei  Boner  zwar  gesWUeige- 
krdkie,  aber  7,23.  95,7  gebräht :  r'eht ,  12,21.  49,83.  71,25 
geddhi:reht,  76,39  bräJuireht. 

Am  frühesten  ist  natürlich  bei  den  Elsässern,  die  den 
Md.  zunächst  stehn,  ä  und  ^  zusammengeworfen  worden. 

Dass  Gottfrid  makte  mähte  neben  mohte  i7i(7A(e  setzt,  ist  be- 
kannt, aber  er  reimt  sein  mähte,  das  einzige  mal,  wo  er  es  in 
den  versschluss  stellt,  noch  auf  ^es/dAre  1487,  und  auch  dieses 
gedähte  reimt  er  nur  hier,  niemals  reimt  er  die  beiden  zu  rehte, 
kmdUe  oder  zu  diu  vehte,  einem  seiner  lieblingsworte  ^  aber 
Trist.  3731  reimt  Gotfr.  phärt:gert.  er  behandelt  also  das  ä  in 
diesem  worte  anders  als  das  ä  vor  ht. 

Spätere  Elsässer,  wie  derStauffenberger  {s. phärt : beg'ert 
181,  :  swert  195,  :  wert  adj.  449.  773;  gesläht :  reht  653)  oder  der 
Rappoltsteiner  Parz.  (s.  |)Ad(r/;u)erf  130,26  usf.),  reimen  ä 
aod  e  natürlich  ganz  unterschiedslos,  das  müssen  ja  alle  jene 
AlemanneD  tun,  die  sich  auch  darin  md.  gebrauch  anschliefsen,  dass 
sie  neben  S:^  die  bindung  tB:e  stellen,  s.  oben  s.  293. 

Der  Bob  ei  er  möge  uns  von  den  Alemannen  zu  den  Mittel- 
deutschen hinüberleiten,  er  reimt  a'.e  in  mähte  dat. : rehte  Diocl. 
9079,  gebrdhte :  knehte  Diocl.  1269,  geslähte :  knehte  Diocl.  5615, 
Kgst.3  3213,   trähen:  beschauen  Diocl  1980.  2775.  4753,  Kgst. 

^  16977  ist  mit  Bechstein  slefUe  als  das  von  Gotfr.  selbst  gebildete, 
im  Tergleich  zu  «A'A/«  jaoge  femininabstract  zu  sieht  (8.2570!)  zu  nehmen, 
oicht  mit  Grimm  Gramm,  i^  140  als  stähle,  den  dat.  zu  manslaht  bildet 
Gotfr.  sogar  ganz  ohne  umlaat,  manslahte :  ahle  10397. 

'  Ton  der  Königstochter  hab  ich  auch  hier  nur  v.  2000 — 4000  ein- 
bezogen. 


304  ZWIERZINA 

3504,  '.gesehen  Diocl.  2283.  2923,  Kgst.  3049,  phärt:wert  Diocl. 
2059,  iswert  Kgst.  2816.  davor  tritt  die  etymol.  reioe  bioduDg 
von  ä:ä  gaoz  zurück,  s.  nur  mähte  gen.  igeslähte  Diocl.  4037, 
mähte^  conj.  prät.  voo  machen,  :  gesläkte  4053. 

Bei  west-  und  ostmd.  dichtem  ist  aber  nun  die  bindung  von 
ä:e  ganz  allgemein,  und  ihr  verhalten  lehrt  uns  erst  die  absenz 
der  einschlügigen  reime  bei  den  altern  Alemannen  und  bei  den 
Baiern-Österreichern  richtig  würdigen. 

Bei  Her  bort  reimt  ^esMAfe :  rebe  Trojkr.  677. 2639. 4083. 
5939.  6213.  6607.  8391.  8523.  9159.  9185.  10081.  11141. 
11515. 11975. 13803. 15133. 17480,  :knehie  1579.  6067,  :vehie 
1617.  3079.  7929.  14364,  ferner  phäft :  wert  adv.  7687.  9025. 
12985. 16066,  ;  wert  adj.  8157.  8489,  ;  swert  4745.  7595.  7815. 
8699.  8731.  9043.  11309.  11569.  13161,  phdrde  :  durch  unwerde 
13215,  phärden  :  üf  der  erdm  9170. 12663.  12699. 14763,  femer 
wäldt :  ze  gelde  S257. 

In  Ottes  Eraclius  reimt  gesldlUe : rehte,  unrehte  660. 1431. 
4673,  phärt:gert  1547,  :  gewert  2863. 

Im  Mor.  vCrau  0  gemähte^  conj.  prät.  von  machen:rehte  1743, 
daneben  gemähte  :  geslähte  1137. 

In  MHimmeir.  Zs.  5  geelälUe : knehte  77,  :rehte  462.  in 
Erlös,  und  Eiisab.  phärt.wert  adj.  Elis.  229,  :Wert  adv.  ErlOs. 
3386,   Elis.  549.  3621,  daneben  geslähte :  gehrOhie  Erlös.  2755. 

Auch  im  Ernst  D,  der  sich  zwar  einige  q:e  gestattet,  die 
beiden  laute  aber  in  der  regel  noch  auseinanderhält  (s.  s.282),  reimt 
ä:e  ohne  zwang,  s.  geslähte : rehte  3797,  phärt:wert  adj.  1123. 
1851,  fhärden : werden  5254,  und  ebenso  bei  Ulr.  vEschenb., 
der,  wie  gesagt,  mit  Ernst  D  einerlei  spräche  reimt,  geslähte :  ge-: 
rehte  Alexand.  1079  uö.,  :knehte  2809  uö.,  :rehie  3059.  3731. 
5513  uö.;  phärt.wert  adj.  1658.  1697.  2929.  6080  uö.,  :iwert 
3425  uö.,  phärde :  werde  subst  1221  uö. 

Auch  Lamprecbt  vRegensb.,  der,  wie  schon  Rosenhagen 
bemerkte,  fränk.  and  nicht  bair.  reimt,  bindet  ähte  nameral ;  rehie 
Fr.  1076,  gehrähte:  rehte  Sion  4241. 

Reiches  material  bietet  wider  Hugo  vTrimbergs  Renner,  hier 
reimt,  wahrend  ^  und  e  streng  geschieden  bleiben,  geirähte :  rSkte 
920.  4109.13196.  14488,  geslähte  ihahte  1412,  :{%n)r&Ue  1700. 
1706.  5111.  15588.  17608.  23290,  äJue  numeral ;  rf *le  7482, 
gebrälue:rthte  2252.  3809.  15876,  iknihie  5535.  8118.  14110, 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  305 

Wäkien  Inf.  :vehien  6825.  13990.  14106,  mdhte(n\  codj.   prät. 

TOD  maehen.rehte  2785.  24320,  :knehte(n)  7523.  18928;  ferner 

phärtsswert  2442.  24004, ;  u^err  adj.  8885.  12654.  15196,  phdrde 

:  werde  Terb  7039,  phärden :  erden  1094. 1315.  2528.  3743. 13758. 

16407.   18138.  19516;  feroer  wälde{n) :  vglde(n)  17604.   19617. 

22704,  :m€lden  22730^  und  endlich  särken  'einsargen'  (junges 

deDominativ  Ton  sare) :  wirken  18092  ^.  dagegen  steht  ä :  ä  (oder  (b) 

nur  in  ähie.nälUe  7497,  gebrähte :  mähte  9480.    19553,  mähten 

igedwkien  9670.  24214,  geträhte :  bedashte  22328,  phärt :  bewcert 

14428. 

Von  kleineren  md.  Sachen  citier  ich  noch  Adam  und  Eva 
(Gesamtab.  1)  geslähte  :  rehte  222,  :  kn'ehte  403;  Rittertreue 
(Gesamtab.  6)  phärt.w'ert  185.  499.  735.  859,  :swert  199.  206; 
Trist,  als  mOnch  (ed.  Paul)  phärt :  wert  di9j  :beg'ert  445;  Sieben 
schläfer  (ed.  Karajan)  nähten  adv.  ;  r'ihten  350,  äffen :  treffen  488. 
endlich  verweis  ich  für  den  KOn.  vOdenw.  auf  die  beispiele,  die 
vBahder  Germ.  23, 196  für  die  bindung  von  umlauts-e  und  altem 
e  zusaoimeustellt.  soweit  sie  geltung  haben,  ist  hier  das  um- 
lauts-e immer  ein  secundäres,  gebrähte :  knihte^  phärt:w'eH^  äme 
:  gime,  äffen  :  triffen. 

Ganz  ohne  scheu  und  einschränkung  bindet  auch  Konr. 
vWOrzb.  sein  ä  und  ^,  s.  Gramm,  i'  131.  139f,  Haupt  zu  Engelh. 
1611,  Weinhold  AI.  gramm.  §  15.  er  reimt  wälde:mlde^  -äht 
:äu  (fQge  zu  den  beispielen  bei  Grimm  und  Haupt  noch  hinzu 
gdnräkte :  knihte  Silv.  4843,  geslähte :  rehte  gSchm.  45),  phärt :  -trt 
(Troj.  23019),  Jäger : leger  usf.,  sprach  also  sein  i  und  ä  nach 
md.  weise  aus,  wie  maus  in  seiner  heimat  sprach. 

Von  Ostmitteldeutschen  reimt  zb.  Heinr.  vPreiberg  in 
zahlreichen  fallen  phärt :  -ert^  resp.  phärde{n) :  -ärde{n),  uzw.  Trist. 
1527.  2179.  2195.  3613.  3655.  4191.  4497.  4553.  5009.  5547. 
aber  Ludw.  Krzf.  s.  oben  s.  302,  dazu  noch  geslähte :  knehte  1106, 
phärt: wert  5614;  ebenda  über  Ebern.  vErf.,  dazu  noch  einnähte 
:knAte  411,  gedähte:  knihte  Hb,  gebrüht :  kniht  2323.  in  Hein- 
richs vKrol.  Vaterunser  reimt  mähte  :  rihte  502.  3895,  geslähte 
:  rehte  733,  gebräht :  kniht  2531,  ungehäbe  adj.  :vergibe  3293. 

Den  contrast  zu  den  mitteldeutschen  bilden  nun  die  bair.- 
Osterr.  dichter,   deren  mda.  heute  noch  ä  und  i  ganz   scharf 

'  Die  h^ldSy  s^lde :  velde,  melde,  wälde. 
'  aber  merken  oatürlich  nur  za  starken  gereimt 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXH.  21 


306  ZWIERZINA 

UQterscheidet.  ich  behaupte,  dass  in  Baiern  und  Osterreich  ä  und 
e  niemals  gereimt  werden  konnten,  und  dass  die  wenigen  reime,  die 
dem  zu  widersprechen  scheinen,  andrer  auffassung  unterliegen,  was 
aus  der  litteratur  des  13  jhs.  hier  angeführt  werden  konnte,  ist  bald 
aufgezählt,  ich  kenne  nur  mähte,  conj.  prät.  zu  megen^  :knihie 
Bit.  3981  und  phärt.wirt  Tandar.  8994,  Gar.  16778.  also  man 
merke  :  ianerhalb  der  ganzen  Osterr.  voikspoesie,  ferner  Koor. 
vFussesbr.,  MHelmbr.,  Heinr.  und  Ulr.  vTürl.,  Pleier,  Mai,  Neidhart, 
Warnung,  Reinbot,  Ulr.  vLichtenst.,  Herrand  vWildon,  Serv.  Zs.  5  ^ 
Lohengr.  11^  usw.,  in  mehr  als  200000  versen  nur  diese  drei 
beispielel  wie  oft  hätte  in  den  riltergedichten  phärt:wert  und 
swert  reimen  können,  und  wie  oft  reimen  es  da  Herbort  und 
Otte!  aber  der  Österreicher  kann  es,  wenn  er  seiner  mda.  folgte 
nur  zu  värt<vdrwet  reimen,  wie  Ulr.  vTUrh.  Wh.  253,  4  dies  tut', 
die  spräche .  eines  dichters,  der  sich  durch  diesen  reim  allein 
schon  so  deutlich  als  solchen  manifestiert,  der  ä :  e  nicht  binden 
kann  und  für  sein  phärt  den  reim  weitab  vom  gemeinen  wege  tu 
suchen  gezwungen  ist,  wird  man  wol  nicht  als  ^wesentlich  md/ 
bezeichnen  dürfen .  denn  eines  der  ersten  und  untrüglichsten 
kennzeichen  md.  sprachcharakters  ist  der  lautliche  zusammenMt 
von  d  (a)  und  i  :  die  reime  von  phärt  auf  -er(,  von  ge$l(fhtt, 
ähte,  gebrühte  auf  -ihte  fehlen  bei  keinem  Hitteldeutschen. 

Wie  der  6ine  reim  im  Bit.  zu  erklären  ist,   kann  ich  ni<At 

^  im  Serv.  Zs.  5  reimt  cooj.  wähle  (za  megen)  :  ähte  nomeral  209, 
.'dumähte  S97,  :  getlähte  1139,  nähte :  ähte  numeral  3035  und  mit  Ver- 
letzung der  quantität,  aber  nicht  der  qualitat  mähte :  bedahte  53.  dagegen 
rehte :  Humbrehte  2165  und  trehten  'dominus'  ;  veA^en  3375,  wodurch,  wie 
schon  durch  Hartm.s  bindung  trehten  :  vehten  Iw.  4773.  5013  bewiesen 
wird,  dass  die  bei  unsern  herausgebern  beliebte  Schreibung  trähten  nnd 
trähtin  nicht  für  alle  dichter  giltig  ist.  —  ind.  mähte  im  Serv.  118.  680» 
863.  2774,  mohle(n)  499.  3385;  aber  nur  müge  219,  kein  m^e(n), 

'  in  den  67  atrophen  des  md.  Lohengr.  i  findet  sich  schon  ein  phäri 
:  wert  21 ,  201 ;  in  den  700  Strophen  seiner  bair.  fortsetzung  kein  einziges 
und  auch  die  -ähte  {-ahte)  reimen  nur  in  sich,  nie  zu  -ehte.  —  ich  macbe 
etwa  noch  darauf  aufmerksam,  dass  die  bindungen  von  ä:e,  die  sich  In 
allen  Reinhartfragment  finden,  gebrähte : knehte ,  überbräht : reht  in  der 
bearbeilung  1845.  1871  fortgeschafft  wurden,  was  darauf  hinweist,  das» 
vBahder  Beitr.  16, 53  den  obd.  bearbeiter  des  gedichts  in  Baiern  richtig  lo* 
calisiert  hat. 

3  phärt  ist  heute  in  den  bair.-österr.  mdaa.  fremdwort  und  lautet  mit 
dem  hd.  e,  nur  in  der  Oberpfals  gilt  a,  s.  Schmellet^  i  441. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  307  . 

mit  bestimmtbeit  sagen,  ich  möchte  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  auCser  an  der  genannlen  stelle  im  ganzen  gedieht  keine  a- 
form  TOD  migen  reimt. 

Die  bindung  phdrt:wgrt  hat  PI  ei  er  an  den  zwei  stellen,  an 
deäeo  er  sie  überhaupt  anwendet,  samt  den  dazu  gehörigen  versen 
aus  dem  Parz.  herübergenommen,  er  reimt  Er  huop  die  küneginne 
wert  Sunder  sehamel  (so  ist  natürlich  mit  der  besten  hs.,  der 
bs.  h,  zu  lesen,*  nicht  Sunder  schänden,  wie  Khull  im  Tand,  in 
den  lext  seUt,  s.  Steinmeyer  GGA.  1S87,793)  i^f  ir  phärt  Tandar. 
8994  ^  Gar.  16778,  weil  er  hier  den  Parz.  plündert,  wo  es 
89,  3  heifst  5t  huop  Kaylet,  der  degen  wert.  Sunder  schamel  äf 
ir  phärt.  ich  habe  schon  im  Anz.  xxii  363  darauf  hingewiesen, 
dass  der  Pleier  dann  seiner  mdn.  widersprechende  reime  zulässt, 
wenn  er  die  ganze  stelle  samt  dem  reim  entlehnt.  Wolfr.  setzt 
fhärt  (:'irt)  in  den  ca.  24000  versen  seines  Parz.  15  mal  in  den 
reim,  der  Pleier  in  den  ca.  53000  versen,  die  er  uns  hinterliefs, 
nur  an  diesen  beiden  aus  dem  Parz.  entlehnten  stellen,  beweis 
genug,  dass  auch  seine  mda.  das  im  versinnern  so  häufige  wort 
nicht  reimen  konnte^. 

Aber  so  genau  auch  die  bair.-österr.  dichter  der  altern  zeit 
d  und  e  zu  scheiden  wissen,  die  Jüngern  und  jüngsten  der  mhd. 
autoren  dieser  mda.  tun  es  ihnen  darin  noch  immer  gleich,  nur 
muss  man  die  fingerzeige,  die  der  gegenwärtige  dialekt  uns  an 
die  band  gibt,  bei  der  beurteilung  ihrer  reime  mit  in  betracht 
zieheo. 

Der  frage,  wann  der  Übergang  von  ä  in  hohes  d  auf  bair- 
österr.  gebiete  eingetreten  sei  oder  ob  nicht  doch  ä  hier  seit  je- 
her mit  dem  hohen  d  gesprochen  wurde,  tret  ich  zunächst  nicht 
Qäber.  letzteres  scheint  mir  jedoch  nicht  unwahrscheinlich  2. 
jedestalls  sprachen  Ottokar  und  der  Teich n er  d  und  w  bereits 
als  d,  was  uns  die  bindung  von  ä  (und  cb)  :ou  vor  labial,  die 
sich  bei  diesen  dichtem  findet,   beweist,   s.  stdb  :  urloub,  geäfft 

*  übrigens  haben  sich  die  altern  formen  phärfrit,  phärft,  phäril  ge- 
rade in  Baiern-Österreich  sehr  lange  gehalten,  s.  Schmeller'  i  441;  MHelmbr. 
reimt  phärlt :  sit  457. 

^  bindungen  zu  mhd.  a  können  natürlich  nicht  erwartet  werden,  denn 
a  war  immer,  auch  vor  seiner  yerdumpfung,  als  reines  a  verschieden  von 
dem  hohen  d,  das  (nach  Heiligs  definition  Mda.  des  Taubergrunds  §  25  anm.) 
mit  zurücktretenden  mundwinkeln  und  stark  genäherten  zahnen  gesprochen 
wird. 

21* 


308  ZWIERZINA 

:kouft  bei  Seemüller  OUokar  s.  cxii,  äffen  :  roufen  Teichner, 
Karajan  s.  17,  äfft :  verkauft  Lieders.  223,  31.  mhd.  ou  ist  heute 
ja  in  der  mda.  vor  labial  ebenso  durch  d  vertreten  als  mhd.  ä 
und  ce,  da  ist  es  nun  begreiflich,  dass  Otlokar  und  Teichner  und  die 
andern  jungem  Österreicher  ä  oder  (b  mit  e  oder  gar  f  nie  und 
nimmer  reimen  konnten.  Ottokars  verhalten  kenn  ich  durch  Srngers 
gute,  für  den  Teichner  orientierte  ich  mich  aus  den  im  Liedersaal, 
in  PfeifTers  Übungsbuch  und  bei  Karajan  gedruckten  stücken,  beide 
reimen  sie  ä  nur  in  sich,  zu  CB  oder,  vor  labial,  zu  ou.  nur 
6ine  ausnähme  herscht  bei  ihnen,  das  ä  von  geslähte  gebrauchen 
sie  anceps  :  es  gilt  ihnen  bald  als  ofTenes  e  und  reimt  dann  zu 
e,  bald  als  d  und  reimt  dann  zu  ä.  mähte  (so  ist  statt  möhte 
und  mohte  der  ausgaben  im  reim  auf  -ähte  oder  'Cehte  immer  zu 
schreiben),  gehrähte,  geträhte,  ähte  reimen  bei  Ottokar  nie  zu 
-eA/e,  sondern  nur  in  sich  oder  zu  -(sfUe;  geslähte  aber  reimt 
zu  'ähte  und  -cehte  nicht  öfter  als  zu  -ehte.  ebenso  kennt  der 
Teichner. nur  bindungen  von  ä  (ce)  in  sich,  aber  gesläht  reimt 
er  mit  e  so  gut  wie  mit  df,  s.  zb.  gesläht  :kneht  Pf.  Üb.  161,  132. 
in  Lutwins  Adam  reimt  361  gesläht  :rehty  obwol  auch  diese 
dichtung  sonst  ä  und  e  auseinanderhält,  und  in  Vintlers  Blumen 
der  tugend  reimt  zwar  mähte  nur  auf  geslähte  9510  und  phärt 
auf  gebcBrd  5560  und  bewcert  5808  (dass  danach  pherde :  erden 
litterarische  bindung  sein  müsse,  ist  oben  s.  276  ausgeführt), 
aber  gesläht  reimt  meist  zu  reht  und  kneht,  s.  6186.  6994. 
8118.  9593. 

Diese  verschiedene  bebandlung  des  -ähte  in  geslähte  und  des- 
selben 'ähte  in  andern  Worten,  wie  sie  die  reime  der  spätem 
bair.-Osterr.  dichter  erkennen  lassen,  hängt  nun  zusammen  mit 
der  gleichen  Unterscheidung,  die  heute  der  dialekt  macht.  WHorn 
hat  in  seinen  Beiträgen  zur  deutschen  lautlehre,  Leipzig  1898, 
s.  9ff  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  in  mdaa.^  die  sonst  ä 
und  e  im  laut  zu  trennen  pflegen,  doch  immer  einige  worte  vor- 
handen sind,  in  denen  die  mda.  statt  ä  den  laut  spricht,  der 
§onst  mhd.  e  zukommt,  unter  diesen  worten  steht  im  bair.- 
österr.  gslext  (mit  offenem  e  statt  d)  obenan  und  ist  so  ziemlich 
das  einzige  von  ihnen,  das  für  den  reim  stärker  in  betracbt 
kommen  kann,  denn  mähtic,  prähtic  können  ja  doch  wider  nur 
auf  'ähtic  reimen,  wie  sie  auch  ausgesprochen  würden,  dieses 
gslext  statt  gsldxt  aber  scheint  in  den  verschiedensten  bair.  mdaa. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  309 

heiroisch   zu   sein.     Hörn  verweist    für  WestbObmeu  auf  Gradi 
Bayerns  mdaa.  i  §  27.    auch  in  Imst  sagt  mao  zwar  sldxtig  und 
kildxt  adj.  *tod  einer  gestalt'  s.  Schatz  §  37  s.  43,  aber  subst. 
kilex^^  plur.  kslexter,  welches  wort  Schatz  in  der  reihe  seiner  e 
für  ä<:ä  s.  46  vergessen  hat,  das  er  aber  s.  140  uö.  mit  e  an- 
setzt.     Hörn  statuiert  für  dieses  e  eine  dritte,  mittlere  umlauts- 
periode,  Schatz  erklärt  das  e  durch  fremden  einfluss,  für  einen 
teil  der  worte  auch  durch  neuerlichen  umlaut  des  schon  umge- 
lauteten  vocals.    ich  lasse  das  dahingestellt.    Horns  ansieht  scheint 
mir  deshalb  unwahrscheinlich,  weil  sich  bei  allen  mhd.  dichtem, 
die  dieses  geslehte  statt  geslähte  reimen,  daneben  auch  das  bei  den 
altern  alleingültige,  also  wol  auch  ältere  geslähte  nachweisen  lässt. 
zu  den  worten,  die  e  statt  d  als  zweiten  umlaut  ausweisen,  ge- 
hört auch  ksefKgeschäffede.    für  dieses  will  auch  Hörn  die  er- 
klärung  zulassen,  dass  es  iu  der  mda.  lehnwort  sei.     Schatz  hat 
dieses  kseft  in  Imst,   Maurer  in  Baiern   an  der  Hz  (s.  s.  8.  19) 
nachgewiesen,    ich  mache  darauf  aufmerksam,  dass  auch  in  diesem 
wort  für  unsre  Österreicher  die   alte  qualität  des  d   (neben   der 
neuen?)  feststeht,  s.  zb.  geschäß : geäft  Teichner  Lieders.  85,  203. 
Viele  der  jungem   Österreicher   kennen    auch  geslehte   gar 
nicht,     so  reimt  Suchenwirt  nur  geslähte :  mähte  (conj.  prät.  zu 
megen)  6,33.  141.  20,2  streng  geschieden  von  knihte  :  slihte 
:vihte:rehte  (s.  zb.  30,  261.  35,  106.  38,  66  usf.),    vgl.  femer 
mdhtic  :  einträhtic  33,  1,  :  ühertiähtic  39,  223,  gehäzzie  :  mwzte 
19,  51,;  Jäger :  trcBger  26,  59.     auch  Suchenw.  gehört  also  noch 
zu  den  Österreichern,  die  ä  und  i  scheiden,    ebenso  reimt  Seifr. 
Helbl.  etwa  gebrdhte  nur  zum  conj.  mähte  2,  828,  dagegen  knehte 
:rehte:v€hte  blofs  untereinander,  uzw.  einige  dutzend  male,    über 
d  und  (B  vor  l  bei  Seifr.  s.  oben  s.  270.     noch  der  ganz  junge 
SOswald,   den  Ettmüller  herausgegeben   hat  und  dessen  heimat 
zweifellos  Österreich  ist,  reimi  gebrdhte :  mähte  31.55.363.723, 
:  brcphte  M  840"  ziemlich  consequent  geschieden  von  knihte :  (ge)- 
rehte   17.   90.    107.   147.   839.  1425.    1467.  1835.  2141.  2193 
und  tehten  :rihte  1945.  1993.    nur  einmal  (453)  tritt  vermengung 
ein  in  gebrdhten :  knihten. 

Den  unterschied  zwischen  md.  und  bair.-Osterr. 
dichtem  kann  ich  in  bezug  auf  den  gebrauch  der  e-laute 
im  reim  auf  grund  der  voranstehnden  Untersuchung  wol  so  formu- 


310  ZVVIERZINA 

lieren:  die  md.  dichter  behandeln  §  und  6  gleichmäfsig  vor  liquida 
wie  vor  muta,  die  meisten  scheiden  sie  hier  und  dort  noch  genau, 
ä  und  e  aber  i^Ut  ihnen  allen  in  einen  laut  zusammen,  binden  sie 
lange  und  kurze  e-laute,  so  reimen  sie  auf  ^  das  erste  umlauts-^^, 
auf  <B  aber  das  alte  i  und  das  secundäre  umlauts-df.  die  Osterr. 
dichter  scheiden  §  und  i  nur  vor  liquida,  da  aber  bis  in  späteste  zeit 
ganz  genau,  vor  einlacher  muta  aber  fällt  ihnen  schon  sehr  früh, 
schon  in  der  zeit  der  Nib.,  das  ^  und  q  in  eins,  uzw.  nimmt  e 
in  dieser  Stellung  den  geschlossenen  laut  des  ^  ^n;  ä  aber  bleibt 
sowol  von  e  als  auch  von  ^  stets  getrennt,  binden  die  Oster- 
reicher  die  6-laute  ungleicher  Quantität,  so  reimt  nicht  §,  sondern 
das  offene  e  zu  ^,  und  auf  CB  kann  nur  d  reimen. 

Vergleichen  vcir  nun  damit  die  Übung  zweier  dichter,  deren 
beider  spräche  m.  e.  fälschlich  meist  klipp  und  klar  der  bair.- 
österr.  ma.  zugezählt  wird:  die  des  Strickers  und  die  Wolframs. 

In  bezug  auf  den  Stricker  fass  ich  mich  ganz  kurz:  hier 
hat  ja  schon  Rosenhagens  Untersuchung  die  frage  erfolgreich  an- 
geschnitten, die  6-laute  verschiedener  quantilät  reimt  Stricker 
nie^  wir  können  also  über  die  qualität  seines  ä  nichts  bestimmtes 
ausmachen,  freilich  ist  schon  die  für  ihn  durchaus  geltende 
strenge  Scheidung  der  quantitäten  gerade  kein  bair.-österr.  merk- 
mal,  denn  die  ostdeutschen  dichter  sind  die  ersten  daran,  länge 
mit  kürze  zu  reimen,  aber  ^  und  €  hält  der  Stricker  nun  aus- 
einander vor  muta  so  genau  wie  vor  liquida.  das  tut  kein 
Österreicher  seiner  zeit,  und  schliefslich  reimt  er  auch  ä: e  ohne 
alle  scheu,  s.  zb,  jägere :  legere  Dan.  .3645.  geslähte  :  rehte  Karl 
3387.  11859.  Am.  1271.  Pf.  Ob.  2,  92  usf.;  und  das  tut  wider 
kein  Österreicher  seiner  zeit. 

Auch  Wolfram,  der  sich  zwar  selbst  (politisch?)  zu  den 
Baiern  zählt,  in  dessen  heimat  aber  heute  fränkisch  gesprochen 
wird,  nicht  bairisch,  scheidet  ^  vor  6,  d,  g  so  gut  wie  vor  r  und 
Z,  ohne  sich  auch  nur  6ine  ausnähme  zu  gestatten,  dass  er  daneben 
st^te  zweimal  auf  bSte  reimt,  gehört  auf  ein  andres  gebiet,  da,  wie 
s.  255  uO.  gesagt  wurde,  die  vermengung  von  i  und  ^  vor  t  viel 
verbreiteter  war  als  vor  andern  muten  und  auch  bei  einigen 
Franken  und  Alemannen,  die  sonst  genau  sind,  vorkommt,  aber 
diese  Scheidung  der  ('  und  ß  vor  b,  d,  g  ist  noch  nicht  ausschlag- 
gebend, denn  grade  in  denkmälern  des  engern,  nordwestlichen 
Baierns  (Alphart  und  Lohengrin)  fanden  wir  ja  die  gleiche  Scheidung 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  311 

im  gegeosatz  zu  dem  Ostlichen  gebrauch,  schoo  viel  wichtiger 
aber  scheioen  mir  Wolfr.s  reime  von  e* :  ^.  nach  ältrer  art  (s. 
obeD  &292f)  fioden  sie  sich  nicht  vor  einfachem  r,  sondern  nur 
▼or  r  +  eons.,  weil  nur  hier  die  kürze  bereits  auf  dem  wege  zur 
länge  war.  nun  reimt  aber  Wolfr.  immer  §  auf  e\  nie  e,  wie  ich 
schon  Beobachtungen  s.  476  notiert  habe,  die  reime  sind  in 
Schule  register  s.  53  verzeichnet,  es  sind  erte:w^te  Parz.  212,  7, 
kirte:n^e  Pari.  603,  11,  ;w^/e,  Wh.  82,  11  ISrte.h^rte  Parz. 
261,  11,  :vpie  Tit.  143,  3.  Wolfr.  sprach  also  sein  i§  nicht, 
wie  aUe  Baiern  und  Österreicher  inclusive  der  Oslschwaben,  oflfen, 
soodern  geschlossen,  wie  die  Franken  und  Alemannen. 

Dem  schiene  die  bindung  lShn:zehn  numeral  Wh.  372,  7 
zu  widersprechen,    aber  sie  schiene  auch  nur.     Wolfr.  hätte  zu 
lehn  Dicht  sehn^  gesch€hn  binden  können,  wie  etwa  Neidhart  (s.  18^ 
27.  76,  21);  zehen  aber  hatte   in  seiner  mda.    geschlossenes  e. 
dieses  geschlossene  e  ist  in  sehs  nach  s§hse<,z€hsi  ja  durch  die 
beatigen  mdaa.  bekannt,     es  findet  sich  auf  oberd.  und  fränk. 
boden,  natürlich  immer  so,  dass  in  einzelnen  mdaa.  des  gebietes  ^, 
in  andern  aber  e  gilt,  ebenso  steht  nun  aber  auch  z^hm  nach  z§hene 
<i  zehini  einzelner  mdaa.  neben  dem  zäien  in  andern,  uzw.  wider 
auf  oberd.  und  auf  fränk.  boden.    für  Baiern  (an  der  Hz)  verweis 
ich  auf  Maurer  s.  8;  dort  steift  ds4h9<  zehen  mit  geschlossenem 
e  gegen  kse9  <  geschähen,  sid  <  sihen  mit  offenem  e.    für  Ale- 
mannien  verweis  ich  auf  Slickelberger  Schaffhauser  mda.  s.  21, 
wo  mhd.  ^  in  offner  silbe  in  ts^a  <  seAen  ^ausnahmsweise' als  mit 
geschlossenem  e  gesprochen  angeführt  wird.    s.  ferner  Haag  Mdaa. 
des  obern  Neckar-  und  Donaulands  s.  24.    fürs  fränkische  verweis 
ich  auf  Handschuhsheim,  wo  nach  Lenz  Worterverzeichn.  s.  50  die 
zahl  ^zehn'  tsei  (flect.  tseim)  heifst,  mit  dem  et,  das  in  der  mda. 
nur  e  oder  gelängtem  §,  nie  €  entspricht,     neben  tsein9  <  z§hene 
steht  hier  leim  <  Hhenen  j  dagegen    (s.   Lenz  Vergl.  wb.  s.  v.) 
kse9<: geschähen,  se9< sähen,    ebenso  weist  der  von  Heeger  be- 
schriebene dialekt  der  Südostpfalz  mhd.  z^hen  aus,  nicht  mhd. 
sehen,  s.  Heeger  §  7  s.  8.     Wolfr.  reimt  daher  auch  zehen  nie 
tu  jähen,  sähen ,  geschähen  (man  sollte  die  absenz  dieser  bindung 
in  umfangreicheren  denkmälern  auch  sonst  wol  beachten  i),    er 
kann  das  wort,  wenn  er  es  überhaupt  reimen  will,  nur  mit  der 

^  etwas  anders  Isis  naturlich,  wenn  zb.  der  Stricker  diu  zehende  auf 
sehende  udgl.  reimt,  Karl  5971.  9560. 


312  ZWIERZINA 

reimfreiheit ,  die  Wb.  372,  7  sich  gestattet,  zu  langem  -ehen 
reimen,  denn  e  war  ihm  geschlossen  —  nur  den  Baiern  und 
Österreichern  war  ^  offen. 

Und  schliefslich  finden  sich  bei  Wolfr.  die  vollkommen  un- 
bairischen  bindungen  von  df  zu  e  in  massen,  wie  bei  so  alten 
dichtem  aufserhalb  Mitteldeutschlands  niemals,  wir  werden  jetzig 
wo  die  fabel,  dass  Wolfr.  in  bezug  auf  die  bindung  ungleicher 
qualitäten  des  e  zu  den  nachlässigen  dichtem  gehörte,  hoffentlich 
zerstört  ist,  diesen  bindungen  ihre  volle  beweiskraft  zuschreiben 
müssen:  seine  e-lante  wenigstens  hat  Wolfr.  nach  fränkischer 
art  ausgesprochen,  er  reimt  also  ähte  numeral,  geslähu,  gebrühte 
mit  rehie,  knehte  Parz.  233,  25.  253,  27.  422,  7.  455,  15.  483, 
17.  585,  11.  680,  1.  790,  29.  818,  29.  827,  15.  Wh.  13,  29. 
16,  27.  43,  3.  64,  19.  73,  21.  150,  29.  173,  11.  192,  29.  217, 
29.  283,  17.  291,  27.  331,  11.  347,  19.  415,  3.  Tit.  53  s. 
Schulz  s.  49;  ferner  frävel:nebel  Parz.  302,  13.  Wh.  253,  29. 
auch  den  reim  phdrt.'-ert  kennt  Wolfr.  und  wendet  ihn  im  Parz. 
sehr  oft  an:  63,  13.  89,  3.  126,  19.  256,  29.  274,  1.  512,  23. 
513,  21.  514,  11.  515,  23.  521,  9.  615,  17.  624,  13,666,  17. 
784,  21;  phärden:  die  werden  718,  13.  später  gibt  er  es  wider 
auf,  das  wort  in  dieser  weise  zu  binden,  sowie  schon  von  buch  ix 
an  in  seinen  reimen  keines  seinei'  md.  sdn,  kein  cluoc  usw.  mehr 
erscheint,  im  Wh.  steht  phärt^  das  im  Parz.  15 mal  reimt,  kein 
einziges  mal  mehr  am  versschluss.  umgekehrt  erscheint  seine  bin- 
dung von  'ähte'.'ihte  erst  von  buch  v  des  Parz.  ab  und  ist  im  kürzern 
Wh.  häufiger  als  im  längern  Parz.  (Wh.  14,  Parz.  10),  sowie  Wolfr. 
sein  sider  erst  von  buch  in  ab  wagt  gegen  Hartmanns  sU  (Beobach- 
tungen s.  478)  und  sein  -uont^  -uondej  -üende:  -unt,  -unde^  -ünde 
nach  Behaghels  vollkommen  zutreffender  beobachtung  (Germ.  34, 
487  f,  s.  auch  Nolte  Anz.  xxv  299)  erst  von  buch  iv  (180,7),  sein 
-uort,  'Uorte:-urt,  -urte  sogar  erst  von  buch  ix  (444, 13)  an  und 
häufiger  erst  im  Wh.  (dort  auch  erst  gewuohs  :  fuhs  61 ,  7). 
beides  geht  eben  in  der  entwicklung  der  technik  des  mhd.  dichters 
band  in  band:  gröfseres  selbstbewustsein  und  vertrauen  in  seine 
form  (vgl.  die  c:ch,  hast  erst  im  Iw.I)  und  gröfsere  kunst  in 
der  Vermeidung  dessen,  was  ihm  trotz  allem  zu  dialektisch,  veraltet, 
traditionell,  mit  einem  wort  verwerflich  schien^. 

^  zu  den  reimen  von  ä:e  gehört  vielleicht  auch  die  bindung  von  Schemen 
:  nemen  (erstes  beispiel  Parz.  ^67, 23),  scheme :  deme :  neme,  die  bei  Wolfr.,  im 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  313 

Walther  von   der  Vogelweide   reimt   in    den    beiden 

sprachen    gegen  Gerhard   Atze  phärt:wert  und   gewert  82,  19. 

104,   7.     das  stimmte  schlecht  zu  seiner  österr.  heimat.     aber  das 

ohr  desseo,  den  ez  bestdt,  war  ein  thüringisches,  sowie  dag  ge- 

¥Uit  <c  gdclaget  25,  23  für  ein  österreichisches  ohr  bestimmt  war, 

an  das  sich  wol  alle  Sprüche  dieses  tones   wendeten.     §ge:€ge 

reimt  Walth.  nicht,  ^ge  in  sich  aber  auch  nur  in  l^get :  r§get  54, 

11,  also  Yor  -^ef,  s.  darüben  oben  s.  266.     der  ?iei  besprochene 

reim  f?enDarren :  pharren  'parrochiae'  34,  18  beweist  aber  nichts. 

erstens  scheint  mir  ein  so  grober  dialekticismus,  wie  mhd.  ar :  or, 

fOr  Waltb.   überhaupt  unmöglich,  der  doch  wort  .'-art^  den  ersten 

reim  von  ar:ar  den  sich   höGscbe  Österreicher  gestatten,   nicht 

kennt,      zweitens   hat  doch  schon  Weinhold  Mhd.  gramm.'  §  60 

s.  60  dieselbe  bindung  veru^arren.'j^^arren  (hier  aber  ^stiere',  also 

Dicht    nachahmung   Walthers  I)   in   Hugos  Martina   nachgewiesen 

(223,  64).     drittens  steht  neben  diesem  part.  verworren  der  conj. 

prät.  verwüere  {:  gefüere)  in  Strickers  Dan.  4311.    es  scheint  mir 

daher  wahrscheinlich,  dass  sich  mit  analogie  zum  schwachen  ver- 

werten^  das  zb.  in  derUrst.  erscheint (s.Lexeriii 305 s.v.) Sein  starkes 

urwerren^  verwuor,  verworren  (s.  h^ben,  sw§m)  herausgebildet  hat. 

Orto.  und  Wolfd. A.,  bei  Konr.  yWurzb.,  im  Reoner  häufig  ist.  die  bindungen  von 

tekemen  :  nemen  aber,  die  sich  beim  Pleier,  im  SOsw.,  bei  Seifr.  Helbl.  und 

andern  Österreichern  finden,  mästen  dann  auf  schämen  mit  allem  umlauts-f 

znräckweiseD ,   wobei  vor  nasalis  ^  und  e  schon  in  der  weise  des  heutigen 

Dialekts  ausgeglichen  wurden,  von  welcher  ausgleichung  aber  ä  und  a  im 

bair.  nicht  betrofien  werden,     danach   hätte  es  also  im  österr.  neben  dem 

schämen  (heute  schämen  in  ^ien,  ferner  von  Schatz  für  Imst  nachgewiesen, 

s.  s.  44),  das  nicht  rein  reimen  kann,  in  einigen  einzelmdaa.  auch  ein  schämen 

gegeben,  sowie  neben  fdrbm  <,  färwen  auch  ein  firbm  <,  färben  sieht.  — 

im  Ernst  B  reimt  ä:e  recht  häufig,  s.  mähte :rekte  765,  gebrähte :  knehte 

2827,  :vehten  5171.     aber  ober  die  spräche  dieses  gedichts  ist  noch  gar 

Dicbts  ausgemacht,     rein-bairisch  ist  sie  auf  keinen  fall,    die  ä:e  könnten 

allerdings  aus  der  niederfränk.  quelle  stammen,  wie  die  u:gewu,  schöne 

.'grüene  usw. 

^  w^rrent  Mart  128,58,  nicht  werrent,  wie  Lexer  in  793  ansetzt; 
denn  es  reimt  auf  sp^rrent  und  die  Mart.  kennt  keinerlei  ^ ;  e,  nicht  einmal 
fUUz-ete.  (auch  gebreste,  nest  haben  ihr  e  fest  und  reimen  nicht  zu 
feste,  beste,  gesie,  weste;  swester,  gesier  aber  haben  natürlich,  sowie  weste, 
anch  hier  f,  nicht  e).  das  schwache  wqrren  der  Mart.  ist  aber  gleich  w^m 
mit  der  für  Hogo  charakteristischen  alemann,  ausdehnung  des  consonant- 
omlaots  (s.  verharren  Verheeren',  verzerren  'verzehren',  wollen  'wählen', 
Immen  lähmen'  udglm.). 


314  ZWIERZINA 

e  vor  nasal.  —  noch  niemand  hat  untersucht,  ob  die  heute 
in  den  meisten  hd.  dialekten  sich  bemerkbar  machende  einwürkung 
der  folgenden  nasalis  auf  die  qualität  der  e-iaute  auch  schon  im 
mhd.  hervortritt,  wir  wissen  ja,  dass  sowoi  in  fränk.,  als  in 
alemann.,  als  in  bair.-Osterr.  mdaa.  ^  und  €  vor  nasal,  sei  es  nur 
vor  gedecktem,  sei  es  vor  einfachem  wie  vor  gedecktem,  in  Einern 
laut  zusammenfallen,  entweder  im  geschlossenen  laut,  wie  zb.  in 
den  fränk.  (s.  etwa  Heilig  aao.  §  208  ff)  und  niederalemann.- 
schwäb.  (s.  Kaufifmann  Gesch.  der  schwäb.  mda.  §§  67.  70),  oder 
im  offenen  laut,  wie  zb.  in  den  hochalemann.  dialekten  (s.  bes. 
Heusler  Germ.  34,  116ff)t  oder  endlich  in  einem  mittleren  e,  wie 
auf  bair.-Osterr.  gebiet  (s.  bes.  Luick  Beitr.  11,  499fif.  14, 131  f). 
auch  ich  kann  hier  nur  einige  andeutungen  geben,  die  vielleicht 
eine  Specialuntersuchung  anregen;  aber  ich  verfüge  nicht  über 
ausreichende  Sammlungen,  um  der  frage  energischer  auf  den 
leib  zu  rücken. 

Das  material,  das  die  reime  der  einzelnen  dichter  geben, 
kann  immer  nur  sehr  gering  sein,  und  den  schluss  aus  der  absenz 
einer  bindung  von  ^  zu  ^  vor  nasal  verbietet  zumeist  die  geringe 
reimmöglichkeit  auf  der  einen  oder  der  andern  seite.  vor  n  -4-  cods. 
gibt  es  auf  bd.  gebiet  natürlich  nur  f  und  kein  €.  ob  eine  bindung 
von  firmamint^  prfyint^  driint  zu  gekürztem  ^nd,  s^nd  oder  ge^t 
<  geendet  udglm.  von  vornherein  als  sichre  bindung  von  € :  c 
aufgefasst  werden  darf,  ist  fraglich,  unter  den  worten  mit  e  vor 
einfachem  n  überwiegen  die  mit  §  (s^nenj  d^nen,  j^er^  w^nen) 
an  zahl  und  häufigkeit  des  gebrauchs  bei  weitem  wider  die  mit 
i,  von  denen  nur  ISnen  ernstlicher  in  betracht  kommen  kann,  nur 
vor  einfachem  m  stehn  sich  n€menj  zemen  ^ziemen',  hreme,  dem 
und,  mit  gewissen  einschränkungen  s.  s.  312  anm.  1,  Schemen, 
schäme  auf  der  einen  und  etwa  Ifmen,  l^me,  z^men  ^zähmeu\  ergr^en 
auf  der  andern  seite  einigermafsen  gleichberechtigt  gegenüber. 

Wir  können  nun  constatieren,  dass  Wolfram  ^  und  e  vor  n 
und  m  noch  scheidet;  denn  er  reimt  erl^mt  nur  auf  gez^ 
'gezähmt'  Par.  95,  17.  441,  27  und  nie  -^e(n),  -c^net  auf  die 
so  häuGgen  breme,  scheme{n),  dime,  gezSmen^  {ver)nime{n)^  nhnt, 
schimt  (s.  Schulz  s.  45  fl).  ebenso  reimt  er  lint  nur  zu  Trevresfint 
Parz.  251,  15.  268,  29,  Unte :  Nourünte  790,15  und  ebenso 
biasch€nt,  Gent^  Nouriint,  pris€nt,  firmamint  usw.  nur  unter- 
einander (Parz.  77,  5.  313,  3.  658,  27.  786,  27  uö.)  und  trennt 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  315 

sein  läHi(e)  und  das  fremde  'int{e)  von  den  nicht  seltenen  bin- 
duogen  der  (ge)s^nt :  (ent)w^  :  {un)gew^nt :  gemfnt ,  s^nte :  m§nte 
zm^nte  (s.  Schulz  s.  40.  46)^.  da  Wolfr.  seine  e-laute  nach  md. 
w^e  aussprach  (s.  s.  312)^  so  hätte  sich  die  würkung  des  nasals 
auf  den  vorangehnden  e-laut  in  seiner  spräche  wol  auch  m  der 
frlnk.  ari  gezeigt,  dh.  §  und  S  und  ä  wären  hier  im  geschlossenen 
€  zusammeDgefallen.  wenn  er  nun  das  fremde  -ini  nur  auf  Unt^ 
Bicht  auf  9f!tiU  usw.  reimt,  so  hat  er  sein  6  also  auch  noch  vor 
nasalis  +  cons.,  nicht  nur  vor  einfacher  nasalis  offen  ausge- 
sprochen, €  und  ^  also  vor  allen  nasalen  noch  unterschieden. 

Und  sogar  Hugo  vTrimberg  scheidet  ^  von  i  wenigstens 
noch  sicher  vor  einfachem  m.  das  beweist  schon  der  umstand,  dass 
er  auf  fremdes  -^(/enisa/^)  nur  7^me,  dagegen  auf  widerzmm  und 
nam  sein  dSm  reimt,  wie  ich  oben  s.  286  ausführte,  auch  sonst 
sind  die  bindungen  von  lernen :  z^en  ^zähmen',  l§mt :  z^mt  ^zähmt* 
bei  ihm  häufig,  s.  zb.  Renn.  20589.  22004.  22307  uö.,  bleiben 
aber  vollkommen  geschieden  von  den  bindungen  von  schime{n\ 
iieaien,  gezimm  usw. 

Wenn  Ulr.  vEschenb.  nur  vlSn  <vKhen  zum  alten  -^n  von 
$t^  und  gen  reimt,  das  lange  e  aber,  das  durch  contraction  von 
tiken,  geschähen  usw.  entstand,  nur  zu  -cen  in  vemcBtKvemwjen 
oder  zu  dSn  und  w€n,  so  hat  er  vor  einfachem  n  offenen  und 
geschlossenen  e-laut  noch  unterschieden,  s.  s.  288.  290. 

Dagegen  kann  man  sonst  fOr  spätre  dichter  den  zusammenfall 
von  €  und  ^  vor  nasal  meist  schon  nachweisen,  der  Boheler 
treoDt  zb.  f  und  ^  noch  streng,  aber  §€nde< gebende  reimt  ihm 
Diocl.  6265  auf  h§nde  und  wane  auf  z§ne  s.  oben  s.  291.  ebenso 
»<en:-^A  in  Ludw.  Krzf.  s.  oben  s.  294. 

Bei  den  Mitteldeutschen  und  jenen  Alemannen,  denen 
heute  d  und  €  ebenfalls  in  eins  fällt,  tritt  vor  nasal  (resp.  nasal -4- cons.) 
aosgleichung  aller  e-laute  ein,  nicht  nur  des  §,  S  und  ^,  sondern 
auch  des  ä  und  a.  bei  jenen  wenigen  Alemannen  aber,  die 
heute  noch  den  überoffnen  laut  für  ä  reservieren  (s.  Heusler 
Genn.  34,  117),  sowie  bei  den  Baiern  und  Österreichern  bleibt  dem 
ä  (und  w)  auch  vor  nasal  seine  Sonderstellung  bewahrt,  ein  reim 
von  wwnen  auf  '§nen  ist  hier  auch   später  nicht  möglich,   nur 

^  Wh.  276,  5  sente :  pigmente  ergäbe  tente  als  prät.  zu  s^nen  gefasst 
baren  unsino.  wie  die  überlieferoDg  zu  fassen  oder  zu  bessern  ist,  weifs 
ick  nicht,  8.  Lachmanns  Vorschlag  in  der  ia.  zur  steile. 


316      ZWIERZINA  MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN 

e,  e  und  e  fallen   hier  vor  nasal   (resp.   nasal  -+-  cons.)  in   eins, 
s.  auch  oben  s.  312  anm. 

Am  frühsten  trat  wol  auf  bair.-Osterr.  boden  dieser  zu- 
sammenfall  des  §  und  €  im  mittlem  e  ein..  Heinr.  vTUrl.,  der  f 
und  e  vor  liquida  so  streng  auseinander  hält,  wie  nur  irgend 
einer,  reimt  l^e :  neme  Krone  14058.  23350,  8§ne:den  11123. 
ebenso  reimt  auch  Ulr.  vTttrl.  schon  s^n  :  den  Wh.  26,  9.  80,  15. 
133,  11,  wen:  den  209,  23.  269,  1,  s.  auch  firmament  :  ^nd 
225,  12.  der  dichter  des  Mai  reimt  erlernen inemm  68,  5,  des 
jTit.  erlernende  :  nemende  3420,  von  den  jungem,  wie  etwa 
Seifr.  Helbl.  (s.  sich  gremt:  vememt  2,  1245,  scneiden  1,  1297. 
7,  433,  en  *ahne'  :  dn  8,  507,  pre*sent  :  sw^nd  1,  982),  ganz 
abgesehen,  obvvol  sie  alle,  wie  gesagt,  ^  und  e  vor  liquida  genau 
unterscheiden. 
Freiburg  i.  d.  Schw.,  dec.  1899.  KONRAD  ZWIERZINA. 

Nachtrag  zu  s.  9  der  Zs.  :  es  ist  mir  entgangen,  dass  das 
d,  welches  Kochersberg  und  Zorntal  für  mhd.  ä  spricht,  ein  offenes 
ist  und  also  auch  dort  von  dem  geschlossenen,  ti- ähnlichen 
ö<n\M.d  geschieden  bleibt.  K.  Z. 

ZUM  ERSTEN  BEKANNTWERDEN  OTFRIDS. 


Es  ist  allbekannt,  dass  die  erste  ausgäbe  von  Otfrids  Evan- 
gelienbucbe,  durch  Flacius  vermittelt,  im  j.  1571  erschien  und 
zwar  auf  grund  des  Palatinus.  nicht  beachtet  aber  ist,  dass  we- 
nigstens din  dazu  gehöriges  stück  bereits  einen  älteren  abdruck 
erlebt  hat :  der  brief  Otfrids  an  den  erzbischof  Liutbert  von  Mainz 
wurde  1562  (noch  nicht  1556)  in  dem  Catalogus  testium  veritatis 
p.  158—160  von  Flacius  zum  ersten  male  mitgeteilt,  der  von 
ihm  gegebene  text  zeigt  (unter  verzieht  auf  Orthographie  und  ein 
paar  druckfehler)  folgende  abweicbungen  von  der  1882  veröffent- 
lichten ausgäbe  Pipers  :  s.  6  z.  9  (Piper)  ut  partem  evang.  11  de- 
lerem  für  deleret  13  iungebant  quertmoniam  s.  7  z.  14  Vergilius 
16  Nostrae  tarn  f.  etiam  21  pigere  f.  pigrescere  24  francisce 
27  Denique  f.  Deique  32  item  f.  pene  34  Et  quamms  f.  quam- 
vis  {hoc  —  edidi  ist  vorhanden)  40  —  41  quibusnam  f.  quibus- 
dam     et  suam  doclrinam  praeclaram  mundo  notam  fedt  f.  doctrina 


DOMMLER  zum  ersten  bekanntwerden  OTPRIDS     317 

—  titftolictlr     s.  8  z.  45  SB  a  f.  sese  a     59  scriptum  f.  scripta 
61   m   vor  tono  fehlt      63  videtur  f.  videhatur      64  Graeciae  f. 
Ei  Hiam      65  sese  f.  se     66  jtit  grammatici     s.  9  z.  71  praevi- 
ümu  rationes      75  ^o<i  wertes      77  Aptum      80 — 83  et  hoc  — 
imvenitnus  fehlt      84  Imem  f.  2enam      88  oper/tu«  f.  apertior 
89  m  f7/t5  f.  cum  illo      91  Dtiae  etiam  negativae       s.  10  z.  92 
fmae  in  f.  dum  in     93 — 94  et  quamvis  —  curavi  fehlt     97  ne- 
cissarfa  et  f.  neeessarie       109  Cat^enr  ea'am  aliarum  deform. 
110  sicam  f.  «if ortim       111  m  propria       112  generant     Res  — 
höhere  fehlt       116  cormptae  f.  corrupta  seu      s.  11  z.  117  stt^e 
integrae       laudet  f.  laudent      118  et  f.  ets      119  qaaerit  fehlt 
121   labiorum  in,  servitutem      123  Rabano      124  |)anim  fehlt 
126  part  fehlt    sanctitatis      129  eundem  f.  eac^em     condemnet  f. 
cmaempnet      130  decemendam      133  ac  m  recfa  f.  rectaque. 

Cberblickt  man  diese  laa.,  die  man  keinesfalls  alle  dem  heraus- 
geber,  sondern  zum  allergrösten  teile  sicherlich  seiner  vorläge  wird 
zuschreiben  dürfen,  so  erscheinen  einige  davon  als  Verbesserungen 
uosers  textes,  so  z.  AO  t  quibusnam,  z.  84  lenem,  z.  129  condemnet 
und  z.  130  decemendam,  jedesfalls  und  trotz  der  übersprungenen 
stellen  wird  man  nicht  einfach  von  Verderbnissen  und  Verschlechte- 
rung reden  dürfen,  und  der  gedanke,  dass  eine  der  uns  bekannten 
hss.  hier  zu  gründe  liege,  ist  damit  ausgeschlossen,     dass  dieser 
brief  aber  nicht  etwa  einzeln  überliefert  war,  sondern  einer  hs. 
des  Evangelienbuches  entstammt,  sagt  Flacius  (p.  158)  in  den  ein- 
leitenden  Worten   deutlich  :   'Floruit  hie  vir  (sc.  Otfridus)  circa 
aoDum  Domini  860  ac  plura  quidem  scripsit,   sed   tarnen   inter 
alia  edidit  etiam  vernacula  lingua  v  libros  titulo  Gratia,  quorum 
argumentum  sequens  eins  praefatio  indicat.    Vidi  autem  eos  libros 
et  iingua  adeo  a  praesenti  variat,  ut  a   nemine  Germano  nunc 
quidem    intelligi   queat,  .imo  vix  pauca   verba    possunt  percipi'. 
weshalb  er  aber  an  diesem  ihm  unverständlichen  werke  besondern 
anteil  nahm,  verraten  die  folgenden  äufserungen  :  411ud  autem  ibi 
observandum  est  ante  annos  700  .  .  non  esse  habitum  nefas,  sed 
potius  summam  pietatem  vulgari  lingua  idque  rhythmis  sacras  literas 
wertere,    cum   quidem  Germanica  lingua  tunc  multo  minus  apta 
esset  ad   scriptionem  .  .  Haud   dubie  autem  in  ipso  textu  multa 
dicit  alienissima  a  praesentibus  paparum  erroribus  et  abusibus'. 
späterhin  sei  das  buch,  weil  man  es  wegen  der  Umwandlung  der 
spräche  nicht  mehr  verstand,  in  Vergessenheit  gei'aten. 


318     DÜMMLER  ZUM  ERSTEN  BEKANNTWERDEN  OTFRIDS 

Er  gibt  indessen  doch  noch  eine  andeutUDg  darüber,  wo  die 
voD  ihm  benutzte  hs.  sich  befand,  indem  er  bemerkt :  ^versio  eius 
etiam  Liutberto  episcopo  comprobata  est.  Nam  pene  in  omnibus 
bibliothecis  eius  fragmenta  reperiuntur'.  diese  worte  —  auf  welche 
schon  Piper  Einleit.  s.  242  verweist,  ohne  die  sache  im  zusammen- 
hange zu  erwägen  —  liefern  den  beweis,  dass  in  dem  Mainzer 
Sprengel,  also  vielleicht  in  Frankfurt,  sich  damals  eine  jetzt  ver- 
schollene hs.  (oder  sogar  bruchstücke  mehrerer?)  befunden  haben 
muss.  es  wird  am  nächsten  liegen,  auf  diese  auch  die  ergänzuog 
zu  dem  im  Palatinus  fehlenden  teil  der  widmung  an  könig  Ludwig 
zurückzuführen,  vgl.  Keiles  ausgäbe  des  Otfrid  s.  xx— xxii,  der 
hierbei  an  die  Wiener  hs.  dachte,  in  den  Centurien  (Cent,  ix 
col.  592)  schöpfte  Flacius  seine  künde  von  Otfrid  nur  aus  Trit- 
hemius.  der  text  des  briefes  an  Liutbert  kehrte  in  den  spätem 
ausgaben  des  Catalogus  tesU  unverändert  wider  und  wurde  so 
auch  noch  von  io.  Cordesius  (Hincmari  opuscula  p.631 — 634)  ohne 
angäbe  der  quelle  (I)  und  daraus  von  der  Biblioth.patr.max.  Lugdun. 
XVI  764 — 765  widerholt,  man  wird  hiernach  dem  um  die  ge- 
schichtswissenschaft  hochverdienten  Flacius  wol  den  rühm  zugestehn 
müssen,  dass  er  nach  Beatus  Rhenanus  der  zweite  entdecker  Otfrids 
gewesen  ist^  wie  wir  seiner  mitwürkung  die  erste  ausgäbe  verdanken. 
Berlin,  im  märz  1900.  E.  DÜMMLER. 

u. 

Der  letzte  satz  Dümmlers  wird  einer  einschränkung  bedürfen, 
zwischen  Beatus  Rhenanus  (1531)  und  Matthias  Flacius  (1562) 
schiebt  sich  mindestens  6in  weiterer  kenner  Otfrids  ein  :  Jo- 
hannes Eck,  der  in  der  widmungsschrift  vor  seiner  Bibelober^ 
Setzung  (Bibel.  Alt  vnd  new  Testament,  nach  dem  Text  in  der 
hailigen  kirchen  gebraucht,  durch  doclor  JohaQ  Ecken,  mit  fleiß, 
auf  hohteutsch,  verdolmetscht)  1537  bl.  *ij*^  auch  auf  'das  alt 
Euangelibfich  in  frenckischer  teutscher  zungen  geschribeo'  zu 
sprechen  kommt  :  er  verdankt  seine  bekanntschaft  dem  bischof 
Philipp  von  Freising,  pfalzgraf  bei  Rhein  und  herzog  in  Baiern, 
der  ihm  'der  selben  exemplar  ains  gelihen,  das  Bischoue  Vualdo,  sein 
vorfaren  hat  schreiben  lassen,  wie  der  Schreiber  priester  Sighard 
bezeugt'.  Eck  kannte  mithin  denselben  codex  F,  aus  dem  auch  Beatus 
Rhenanus  sechs  jähre  vorher  seine  mitteilungen  gemacht  hatte. 

Diese  proben  des  Beatus  Rhenanus  waren  die  einzige  quelle  für 
die  Sprüche  aus  Otfrid,  welche  im  j.  1548  den  infanlen Philipp (ii) 


SCHRÖDER  ZUM  ERSTEN  BEKANNTWERDEN  OTFRIDS    319 

▼OD  Spanien  bei  seinem  einzug  in  Gent  von  einem  triumphbogen 
herab  begrOfsten  und  die  jetzt  KVoIl  aus  der  1552  erschienenen 
besdireibang  der  fQrstiicheo  reise  von  Juan  Cristoval  Calvete  de 
Estrella  Qberraschend  ans  licht  gezogen  hat  (Beil.  z.  Münchner 
AUgem.  Zeitung  1900  nr  57).  es  sind  die  Zeilen  i  1,  59  u.  64, 
in  Tier  kurzverse  abgeteilt,  und  da  sie  zweifellos  aus  Beatus  Rhe- 
nanus  (Rer.  Germ,  libri  tres  m  107)  entnommen  wurden,  so  ist 
die  Termutung  Volls  hinfällig,  dass  uns  Calvete  einen  teil  der  in- 
sdirifl  ▼orentbalten  habe  :  denn  weitere  verse,  die  auf  den  triumph- 
bogen   gepasst  hätten,  bot  diese  quelle  nicht. 

Als  fernere  proben   der  *]engua  Franconica  antigua  (que  es 
la  que   us5  Carlo  Magno)'  umrahmten  diese  Otfridverse  zwei  Sätze 
aus  der  bergpredigt  des  ahd.  Tatian  :  22,8  u.  12,  welche  ge- 
schickt die  Sanftmut  und  milde  des  infanten  apostrophierten,    über 
dem   ganzen  stand  :  Thie  Purist  ist  Gotes  Bilidi,  und  diese  zeile 
wurde    dem  berichterstatter  ausgelegt  als  'EI  principe  que  (I)  es 
ymagen   de  Dios';  ich  bin  geneigt,  sie  mit  Voll  (resp.  Paul)  für 
tm   erzeugnis  des  gewährsmanns  zu  halten,    welcher  dem   fest- 
comit6  den  wunderlichen  gelehrten  beitrag  lieferte  :  neben  dem 
doppelten  fehler  in  thie  furist[o]  (form  und  bedeutung)  bestärken 
mich  darin  die  majuskeln,   die  nur  hier  in  moderner  weise  an- 
gewendet sind. 

Aber  wer  war  dieser  niederländische  germanist,  der  nicht 
aur  einem  gelehrten  druckwerke  die  Otfridzeilen  als  einen  lecker- 
bissen  entnahm,  sondern  auch  aus  einer  hs.  des  ungedruckten 
und  unbekannten  Tatian  schöpfte  und  sich  obendrein  mit  einer 
'titfränkischen'  Überschrift  eigener  mache  versuchte?  wir  er- 
innern uns  sofort,  dass  sich  am  ende  des  16  jhs.  eine  jetzt  ver- 
lorene Tatianhs.  (B)  im  besitz  des  Bonaventura  Vulcanius  zu  Lei- 
den befand  (Sievers'  s.  xv),  und  wenn  das  miltidum  des  Calvete 
fiDr  mHiidun  (22,12)  richtig  überliefert  ist,  hätten  wir  hier  wenig- 
stens 6ine  alte  lesart.  die  einzige  persönlichkeit  in  den  Nieder- 
landen aber,  die,  soviel  ich  sehe,  für  jene  frühe  zeit  in  betrachi 
kommt,  ist  der  1518  geborene,  1572  gestorbene  Jobannes 
Goropius  Becanus  (Raumer  s.  89),  der  im  nahen  Antwerpen 
(dem  druckort  der  reisebeschreibung  CalvetesI)  lebte,  er  hat 
von  seinen  germanistischen  Studien  freilich  erst  1569  umfassen- 
dere proben  gegeben,  scheint  aber  diese  liebbabereien  schon 
lange  jähre  hindurch  getrieben  zu  haben.  E.  SCH. 


ZUR  HELIANDHEIMAT. 

War  dos,  thea  thar  ehuscalcos  Uta  voarun,  weros  an  tcahtu, 
^igg^o  gomean,  fehas  aftar  felda,  das  sind  Hei.  387  fT  die  hirten 
auf  dem  felde  in  der  christnacht;  422  beifsen  sie  dann  einfach 
hirdios,  dass  der  dichter  sie  zu  pferdeknechten  macht,  liat  man 
aus  seinem  nationalisierungsbestrehen  erklärte  aber  trotz  dem 
guten  rufe,  in  dem  die  sächsischen  pferde  standen,  hat  doch 
unsers  wissens  die  pferdezucht  die  übrige  Viehhaltung  nicht  der- 
artig zurückgedrängt,  dass  der  dichter  zu  jener  specialisierung 
der  hirten  des  evangeliums  getrieben  worden  wäre,  und  nun  gar 
nächtliche  pferdewärter  draufsen  auf  dem  felde?  sollte  es  mit 
ihnen  nicht  eine  eigne,  locale  bewantnis  haben?  und  wie  mögen 
sie  sich  dann  zu  meiner  heimatsbestimmung  stellen?  eine  an- 
frage deshalb  bei  dem  besten  kenner  des  alten  Friesenfeldes  und 
Hassegaues,  herrn  prof.  dr  HGröfsler  in  Eisleben,  brachte  alsbald 
den  erwünschten  aufschluss,  den  ich  hier  mitteilen  darf. 

Im  kreise  Sangerhausen  und  zwar  in  demjenigen  teile,  der  dem 
ehemaligen  gau  Frieseofeid  angehört,  finden  sich  in  manchen 
fluren  kleine  schlage,  welche  'nachtOeck'^  beifsen;  nach  aussage 
der  ortseingesessenen  führen  sie  diesen  namen  davon,  dass  sie 
früher  als  nächtliche  p ferde weide  gedient  haben  :  in  diesem 
falle  sind  natürlich  knechte^  zur  bewachung  draufsen  geblieben, 
solche  nachtflecke  finden  sich  in  flur  Beyernaumburg,  Bornstedt, 
Sotterhausen,  Ritteburg 3,  Martinsriet,  Katharinenriet  und  wo! 
noch  andre  mehr,  dies  ist  derselbe  bezirk  des  südöstlichen 
Sachsenlandes,  in  dem  auch  die  ältesten  kirchen  liegen  :  Allstedt, 
Osterhausen  und  Riestedt,  alle  drei  Schenkungen  Karls  d.  Gr.  an 
Hersfeld  ^.  auch  sonst  find  ich  bei  Grüfsler  anhaltspuncte  dafür, 
dass  gerade  in  diesen  teilen  des  Unstruttales  die  pferdezucht 
einst  eine  hervorragende  rolle  gespielt  hat^. 

^  Vilmar  Altertümer  37,  Kögel  Gesch.  d.  d.  litt,  i  288a. 

'  vgl.  hierzu  auch  DWb.  vn  8.  vv.  naehtetze  und  nachtweide. 

3  vgl.  Gröfsler  Milteil.  d.  ver.  f.  erdk.  z.  Halle  1892  s.  92.  es  ist  der 
Mocus  Riade',  wo  933  Heinrich  i  gegen  die  Ungarn  sein  lager  aufschlug 
(ib.  91.  96) :  ist  es  blofser  zufall,  dass  in  dem  von  Jostes  richtig  erkannten 
kalender  im  Cod.  Valic.  die  einzige  politische  noliz  gerade  der  von  spätrer 
band  eingetragene  todestag  Heinrichs  i  ist?  Memleben,  des  königs  sterbe- 
ort,  ligt  nur  wenig  die  Unstrut  abwärts,  zu  den  uralten  besitzungen  Hers- 
felds gehörig. 

*  vgl.  zuletzt  Mitt.  d.  insL  f.  öst.  gesch.  20,  364  f;  sonst  Gröfslers 
Hislor.  karte  d.  beid.  Mansfelder  kreise  aao.  1896. 

^  aao.  1892  s.  132  f;  wenig  aufwärts  von  Memleben  ligt  Wendelstein, 
vom  16  bis  ins  19  jh.  ein  renommiertes  gestüt,  weiter  abwärts  Burgschei- 
dungen, die  residenz  Irminfrids,  dessen  silberfarbige  rosse  schon  Gassiod. 
Var.  IV  1  gerühmt  werden. 

Marburg  i.  H.  FERD.  WREDE. 


ÜBER 
DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL. 
I$i  %wivd  herzen  näehgebür,      Daz  muoz  der  $ele  werden  sür. 
Nolte  Der  eiDgang  des  Parzival  s.  2  meinte  der  sinti  des  zweiten 
Terses   kOnne  'nur  der  sein,    das»  »wivel  in   diesem  leben  die 
qualeo    der  faolle   in  jenem  nach  sich  ziehe*,     das  wäre  im  all-^ 
gemeiiien  zuzugeben,  webn  N.  nicht  s.  3  deb  ausdruck  umschriebe 
mit  ^dessen  seele  wird  in  der  hölle  büfsen  müssen',  also  offenbar 
äqualen  der  bölle'   fOr  gleichbedeutend   mit  'quälen  in  der  hölle' 
nähme«    davon  aber,  ob  der  xu>tvel(Bre  seine  quälen  in  der  hölle 
oder  im  fegefeuer  abbofst,   ist  in  dieser  zeile   nichts  gesagt,     es 
inOste  dedn  N.  *hOlle'  in  jenem  umfassendem  sinne  nehmen,  den 
auch    mhd.  helle  meist  hat,    der  die  ganze   unterweit  bezeichnet 
und  vorhoUe,    hölle  und  fegefeuer  begreift    jedesfalls  mein  ich, 
dass  der  zioit?eUBre  die  möglichkeit  hat,  der  eigentlichen  hölle  zu 
entgeha  und  nach  verbtifsang  des  fegefeuers  in  den  himmel  zu 
kommeD.     N.  nimmt  zwivelwre  als  gleichbedeutend   mit  unstcete, 
lässt  also  auch  für  den  unstCBten  diese  möglichkeit  zu.    er  überseUtt 
offen har  unefwte  mit  ^unbeständig',  was  es  nattfrlich  auch  heifsen 
kann,  aber  an  dieser  stelle  sicher  nicht  beifs^t.    denn  es  ist  hier 
gleich  bedeutend  mit  vtUsdi,  was  auch  N.  nicht  in   abrede  stellt, 
und  far  dieses  jene  abgeschwächte  bedeutnng  zu  belegen,  dürfte 
N.   kaaro    gelingen,     den   mischen  in  den   himmel  zu   bringen, 
anter  welchen  umsländen  immer,  konnte  Wolfram,   der  deti  be- 
griff eigentlich  erst  geprägt  hat  (es  ist  ein  tor  ihm,  in  der  prosa 
noch  lange  nach  ihm,    seltenes  fremdwort),    gar  nicht  einfallen, 
so  bleibt  mir  nichts  übrig,  als  bei  meiner  dreiteilüng  zo  bleiben, 
und  sie  ist  auch  gar  nicht  so  unerhört,  wie  N.  glauben  machen 
will.    7^0«  art  not  fcUse  but  Ihou  ort  fiMe  hat  Bürns  gesungen, 
und  das  ist  der  gegensatz^  auf  den  es  hier  ankommt :  beide  be* 
griffe,  unter  ^nander  entgegengesetzt,  sind  jede^  für  sieh  gegen- 
sätze  zu  'treu',  stcete. 

Nach  Wolfram  (oder  dessen  quelle)  kann  der  eis  t  er  fär- 
be ne  noch  in  den  himmel  kommen,  nach  der  strengern  ansieht 
(ich  habe  Festgabe  f.  Heinzel  s.  360  auf  den  Jacobusbricjf  ver-^ 
wiesen)  ist  er  der  holte  verfallen,  am  besten  belegt  uns  diese 
orthodoxe  ansieht  der  IlencIusdeMoifliens,  ein  französischer 
didaktiker  des  12  jhs.  in  seinem  Romans  de  Carito  spricht  er 
cLxxvii  von  Christi  menscbwerdung  :  'damals  wurde  def  bäh  er 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXII.  22 


322  SINGER 

{li  gais)  gerupft,  der  stolze,  der  elslerfarbene  {li  pfelSs)'. 
cxxix  ^der  häher  bedeutet  unsern  Widersacher,  und  seia  buntes 
(vaire)  gefieder  seine  ranke;  satan  ist  bunt  wie  buntes  geßeder'. 
cLxxxi  ^Magdalene  beherbergte  diesen  häher,  aber  später  rupfte  sie 
ihn  und  nahm  grausame  räche'.  cLXxxn 'dieser  stern  der  reuevollen 
war  einige  zeit  ohne  licht;  als  sie  aber  ihrer  eignen  finstemis 
gewahr  wurde,  da  wollte  sie  nicht  mehr  die  Freundin  ^es  schlauen 
häbers  bleiben,  weinend  lief  sie  zur  sonne,  und  der  dunkle  stern^ 
bewegte  die  sonne  zum  mitleid  und  warf  sich  so  lange  weinend 
vor  die  füfse  der  sonne,  bis  er  den  strahl  der  gnade  empfieng'. 
in  dem  zweiten  gedichte  desselben  autors,  dem  Miserere,  be- 
gegnet ein  ähnliches  bild  :  lxviii  '  niemals  wendet  Gott  sein 
antlitz  zum  almosen,  das  mit  blutschuld  gemischt  ist  2.  wehe 
dem  menschen,  der  doppelte  spur  verfolgt,  der  wolle  und  leinen 
mischt 3,  der  sein  leben  elster färben  {pielie)  macht,  aus  gut 
und  böse  gemischt;  er  gleicht  einer  geschälten  rute^.  vernichtet 
sei,  wer  es  tut^  und  wisse,  dass  aliDosen,  Gott  dargebracht  mit 
blutiger  band,  niemals  gnade  erwerben  wird' 2. 

Es  wird  gewöhnlich  angenommen,  dass  die  ganze  einleituog, 
einschliefslich  der  ersten  14  verae,  Wolframs  eigentum  sei  und 
in  seiner  vorläge,  selbst  wenn  man  eine  solche  aufser  Chrestien 
annimmt,  keine  entsprechung  gehabt  habe,  ich  habe  bereits 
Festgabe  für  Heinzel  s.  372  die  meinung  verteidigt,  dass  diese 
einleitenden  verse  ^den  ursprünglichen  grundgedanken  des  ganzen' 
enthalten  haben,  der  allerdings  zu  dem  gegenwärtig  Oberlieferten 
gedieht,  an  dem  in  abweicbung  von  dem  anfänglichen  plane 
manigfache  änderungen  vorgenommen  worden  seien,  durchaus 
nicht  mehr  stimme,  ich  dachte  mir  damals  Wolfram  als  den  Ur- 
heber dieser  änderungen,  da  ihm  ja  jedesfalls  nach  dem,  was  wir 
aus  seinem  verhalten  im  Willehalm  gegenüber  der  quelle  wissen, 
eine    grofse    freiheit   in    der  quellenbenutzung   zuzugestebn    ist. 

*  nichts  andres  ist  sicher  unter  dem  tunkelsteme  MFr.  10, 1  gemeint; 
es  ist  der  durch  das  sonnenlieht  yerdunkelte  stem,  am  tage  sind  alle  sterne 
tunkelsteme,  ^  Isaia  1,13  Ne  offeratis  ultra  sacrificium  firustra;  15  ma- 
nus  enim  vestrae  sanguine  plenae  mnt,  ^  Deul.  22,11  ßfon  indueris 
vettimentOy  quod  ex  lana  linoque  eontextum  est. 

*  Gen.  30 ,  37  Tollens  ergo  Jacob  virgas  , , ,  ex  parte  deeortieavil 
eas  ....  aique  in  httnc  tnodum  eolor  effectus  est  varius,  die  bunten 
schafe,  die  durch  empßngnis  beim  anschauen  der  bunten  Stäbe  erzeugt  wer- 
den, sind  Jacobs  eigen,  während  die  weifsen  und  schwarzen  Laban  gehören. 


ÜBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     323 

ich  bin  aber  jetzt  durch  die  lectüre  von  Wesselofskys  Skasaoija 
o  WawiloDJe,  Skinij  i  sw.  Gralje  (Die  erzählungen  von  Babilon, 
der  Bliflshütte  und  dem  hl.  Gral,  Petersburg  1896)  zu  der  ansieht 
gekommen,  dass  wir  diese  Änderung  Kyot  zuschreiben  müssen, 
oder    vielmehr,    dass    der   mangel    an   einheit    im    ganzen    einer 
mischung   zweier  verschiedener   quellen   bei   Kyot  zuzuschreiben 
sei,    die  wir  wol   als   die  östliche   und   die  westliche  bezeichnen 
können,  obne  dass  wir  deswegen  der  Versicherung  Kyots  von  dem 
arabischen    buche   so   viel   glauben    beizumessen    brauchen,    wie 
Wesselofeky   es  tut.     denn   orientalische    sagenelemente  mochten 
sich  auf  den  verschiedensten  wegen  in  den  westen  verlieren  und 
mochten    gerade  durch  ihre  leicht  erkennbare  art  Kyot   den  an* 
iass  zu  seiner  erfindung  bieten,    einer  solchen  Versicherung  mittel- 
alterlicher dichter  ist   nur  ein  sehr  beschränkter  glauben  beizu- 
messen,   und  ich  widerhole,   dass  es  durchaus  nicht   die  angäbe 
Wolframs  ist,  die  mich  veranlasst,  eine  andre  quelle  als  Chrestien 
anzunehmen,  sondern  innere  gründe,  und  dass  auch  der  name  Kyot 
för  mich   nur  eine  marke  zur  leichtern  bezeichnung  ist  und  nicht 
mehr,    der  held  jener  westlichen  erzählung  war  Parzival,  ihr  in- 
halt  ahnlich  dem  des  gedichts  Chrestiens,   der  held  des  östlichen 
Feirefiz,    der  könig  von  Äthiopien,   der  herr  von  Patelamunt 
s=  mons  patena  (s.  Bartsch  German.  stud.  ii  138),   den  Gral  zu 
erwerben    berufen,   wie   die  könige   von   Äthiopien    in   den   von 
Wesselofsky  besprochenen  quellen  die  Stiftshütte  (bundeslade)  er- 
werben,  und,  wie  diese,   frucht  der  Verbindung   eines  weifsen 
konigs  mit  einer  mohrenkönigin.    hierher  stellt  Wesselofsky  mit 
recht   auch   die   zusammenhänge   mit  der  sage  vom  priester  Jo- 
hannes, auf  die  ich  noch  zu  sprechen  komme. 

Auf  dieselbe  quelle  geht,  wenigstens  mittelbar,  auch  der  ndl. 
Moriaen  zurück,  dessen  held,  der  mohr  dieses  namens,  auszieht, 
um  seinen  vater  Agloval,  Perchevals  bruder,  der  seine  mutter^  eine 
mohrenkönigin,  verführt  hat,  zu  suchen,  in  der  einleitung  erwähnt 
aber  der  dichter  eine  andre  Überlieferung,  wonach  Percheval  selbst 
der  vater  des  mohren  wäre,  die  er  als  der  traditionellen  Jungfräu- 
lichkeit Perchevals  widersprechend  verwirft,  die  aber  nach  te 
Winkels  nachweis  sicher  die  ursprüngliche  ist.  diese  Überlieferung 
wird  wol  auch  die  frühere  sein  gegenüber  der  unseres  Parzival,  in 
dem  das  Verhältnis  mit  der  mohrin  dem  vater  des  titelhelden,  Gah- 
maret,  zugeschrieben  wird,  denn  Parzival  selbst  erscheint  hier  als 

22* 


324  SINGER 

musler,  wenn  auch  nicht  wie  sonst  der  mcluDlicben  Jungfräulich- 
keit, so  doch  der  ehelichen  treue  und  der  entbaltsamkeit  in  der 
€he,  sodass  ein  aufsereheliches  Verhältnis  seinem  sagentypus  durch- 
aus widersprochen  hätte,  mit  recht  hat  Geering  Die  figur  des 
kindes  in  der  mhd.  dichtung  s.  25  darauf  hingewiesen,  dass  die 
persou  seines  valers  in  dieser  richtung  in  bewusten  gegensatz  zu 
der  seinen  gestellt  wird,  die  erklärung,  die  Braune  Beitr.  24, 191  fT 
von  Parz.  139, 15  IT  gibt,  ist  daselbst  ohne  begründung,  aber  sicher 
nicht  ohne  berechtigung  abgelehnt,  man  muss  die  sache  nur  nicht 
einerseits  zu  crass  auffassen  :  denn  diu  buckel  wcere  gehurtet  haz 
heifst  durchaus  nicht  ^Gahmuret  hätte  sie  genotzttchtigt',  sondern 
^er  hätte  es  verstanden,  den  äufsersten  beweis  ihrer  liebesgunst 
zu  erringen';  anderseits  muss  man  nicht  philiströs  sein  und  sich 
vor  äugen  halten,  wie  galante  ritter  solches  alleinsein  mit  damen 
zu  benutzen  verstanden  :  man  denke  an  Gawans  verhalten  gegen 
Antikonie,  an  das  Gasozins  gegen  Ginover  in  der  Krone,  wenn 
€r  das  sagen  wollte,  was  Braune  ihn  sagen  lässt  (*so  würde  er 
sich  ritterlicher,  tactvoller  aufgeführt  haben') ^  so  hätte  er  sehr 
unrecht  getan,  sich  nicht  gegen  die  obscöne  deutung  irgend 
eines  spafsvogels  zu  verwahren,  wie  es  vorsichtiger  weise 
UvdTürlein  tut  218,  20^  da  er  beschreibt,  wie  man  acht  geben 
muste,  dass  die  damen  in  dem  gedränge  nicht  zu  schaden  kämen: 
Daz  sie  von  hurte  iht  underlcegen,  indem  er  hinzusetzt :  Daz  suU 
ir  mir  verkeren  niht  :  Ich  mein,  alse  dick  in  drang  geschiht.  Des 
selben  schaden  vorhte  man  hie.  denn  derartiges  war  ein  allgemein 
gebräuchlicher  euphemismus,  vgl.  UvEschenbacb  Alexander  737 
Dö  wart  nach  der  minne  gir  Behurtet  nf  der  minne  schilt,  6872 
Ja  wart  aldä  üf  dem  de  Uf  der  süezen  minne  schiü  Solicher  tjost 
ulsö  gespilt,  die  citate  aus  den  Fastnachtspielen  DWb.  iz  117  a, 
vielleicht  auch  Rosengarten  D  571  (s.  Holz  anmerkung),  noch 
Shakespeare  Much  ado  v  2  Margaret :  Give  us  the  swords,  we  have 
bueklers  of  our  own,  von  dem  bewustsein  dieses  gegensatzes 
aus  lässt  sich  sehr  wol  die  Übertragung  vom  söhn  auf  den  vater 
auf  irgend  einer  stufe  der  sagenentwicklung  begreifen,  auf  den 
namen  Gomeret  im  ^Cimeti^re  perilleux'  hat  Hertz  Parzival  s.  469 
hingewiesen,  ist  es  zufall,  dass  er  dort  als  genösse  des  Orgeu- 
illeux  fei  erscheint,  der  an  den  Orgeuiüeux  de  Ja  lande  der 
Parzivalsage  erinnert?  ist  es  zufall,  dass  sein  beiname  le  demesure 
so  gut  denselben  Gahmuret  charakterisieren  könnte?    haben  wir 


OBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     325 

hier  nicht  nur  deo  gleiche»  namen,  sondern  auch  die  gleiche 
sageogestalt?  was  von  ihm  und  seinem  genossen  erzählt  wird, 
die  tOtUDg  eines  Gauvain  ungemein  ähnlichen  ritters,  erzählt  die 
Krone  von  Gtgeanee  und  Zedoeeh,  so  wie  auch  die  daran  schliefsende 
klage  der  freunde  Gaweins  Aber  den  vermuteten  tod  desselben. 
aber  die  Krone  hat^  wie  Hertz  aao.  richtig  gesehen  hat,  doch 
auch  den  namen  selbst  an  andrer  stelle  2338  als  Quino^oi$ 
GmnerH  (s.  die  lesarten),  di.  doch  wol  qai  n'ot  quoi,  'qui  non 
habüit  quietum'  (mit  der  Verwendung  von  cot  als  Substantiv  wie 
noch  bei  Lafontaine,  s.  Littr6  s.  v.),  was  noch  trefflicher  auf  un- 
sere Gahmuret  passt.  jedesfalls  ist  seit  Hertz  nachweisen  nicht 
niehr  daran  zu  denken,  dass  Wolfram  den  namen  aus  dem  namen 
des  Jandes  Gomeret  bei  Chrestien  gewonnen  habe. 

Der  Moriaen    beginnt  in  Velthems   compilation  folgender- 
mafsen  :   Ic  toane  die  gene  die  lancelote  maecte  Bat  hem  in  sijn 
dichten    vaeue.    Bat  hi  vergat  ende  achterliet  Van  Moriaene   dai 
icone   bediet,    Franck  vermutet  (Tijdschr.  v.  Ned.  taal-  en  lelterk. 
19,  49)    sehr    einleuchtend,    dass    erst    Velthem    Lancelote   für 
Perchevale  eingesetzt  habe,    erinnert  das  nicht  sehr  an  den  tadel 
eines   andern  Perchevaldichters,  Chrestiens,  durch  Wolfram?     im 
Moriaen   verlässt  Agloval  die  mohrin,  um  den  verlorenen  Lancelot 
zu  suchen;    wir  haben   für  Agloval  Percheval  und,    nach  GParis 
sehr  plausibler  construction  (Hist.  litt,  xxx  252),  statt  der  suche 
nach  Lancelot  die  Gralsuche  als  ursprünglich  anzusetzen,    warum 
verlässt  aber  Gahmuret  Belakane?    sollte  hier  nicht  eine  ähnliche 
annähme  am  platze  sein?     bei  Wolfram  zieht  FeireOz  aus,   man 
weifs   nicht  recht,  aus  welchem  anlass,  kämpft  mit  Parzival  und 
und  besiegt  ihn.    wenn  wir  das  oben  gesagte  bedenken,  so  haben 
wir   einen  in  der  afrz.  epik   ungemein   beliebten   sagentypus  vor 
uns    (Busse  Beitr.  26,  28),    demzufolge  valer  und  söhn  mit  ein- 
ander kämpfen,  der  vater  den  kürzern  zieht,  die  ganze  sache  aber 
mit  erkennung  und  Versöhnung  endet,    im  Moriaen  zieht  der  held 
aus,    um  seinen  vater  zu  zwingen,    zu   seiner  mutter  zurückzu- 
kehren, der  vater  fügt  sich  freiwillig    —    war  ursprünglich  ein 
kämpf   notwendig,    um   ihn    zu    seiner    pflicht    zurückzuführen? 
oder  ist  die   friedliche   lOsung  die  ältere?     Heinzel  hat    (Ob.  d. 
franz.  Gralromane  141)  gezeigt,  dass  der  Gralerwerber  Galaad  durch 
seine  mutter  von  Calafes  Älphasan,    di.   dem   historischen    könig 
von   Abessynien    Caleb   Elesbaas  abstammt,     diese   abessynischen^ 


326  SINGER 

kteige  leileD  sich  aus  der  verbiadung  Salemos  mk  der  königin 
vofi  Saba  her,  uad  Wessela&ky  hat,  darauf  luiigewiesen,  daas  hier 
der  Gral,  das  christUdbe  heiligtam,  nur  an  sldle  euieB  tAyen  jH- 
discheo  getreten  kt  der  älteste  Bämüch  jener  aihkyiDcfaen  lUtaiige 
üeht  zu  seinem  vaier  Sak)OM,  bewegt  ikm^  ihm  die  Imdesiade 
auszuliefern,  und  führt  sie  in  sein  laod  Äthi^fden,  wo  äe  sich 
seitden  hefindeu  im  Moriaen  kawi  Perchevil  den  GiaJ  nacht  er- 
lange, weil  er  seine  muUer,  indem  er  sie  veriefe,  getötet  vftd 
sich  dadurch  des  Grak  unwürdig  gemacht  hat.  war  es  dem 
reinen  sohse  hesiimiiit,  ihn  zu  erweriwn?  w«ib  der  eigentüdie 
Moriaen  auch  diesen  achluss  gehabt  bitte,  wflr4e  ihn  Vdtbem  im 
zusammenhange  seines  Laozelot  haben  ändern  »llsseD.  im  jTiL 
wird  ParziTal  allerdings  Gn^önig,  muss  aber  nadi  jidrea»  weil  er 
schuld  am  tode  seiner  mutter  gewesen  ist,  die  bersdiaft  dem  pnester 
Johann^  dem  söhne  des  Feirefiz,  abtreten«  da»  wir  fir  ifie  schkus- 
pmie  des  jTit  (und  die  frübern  voraosdeutmigen  auf  diesdbe) 
eine  zweite  quelle  neben  Wolfram  annehmen  mfissen,  hat  anch 
Borchling  (D.  jTiU  u.  sein  voiiiltnis  z.  WvE«  105)  zugegeben, 
nur  will  er  den  einfiuss  dieser  zwdten  quelle  auf  die  auffassung 
des  Grals  als  abendmahlsschOssei  beschrinken  und  nimmt  fQr  sie 
kurzen  umfang  und  abfassang  in  lateinischer  spräche  an.  diese 
beschi^nkung  hat  gar  keinen  grund,  die  lateinische  spräche  mag 
man  gelten  lassen,  dass  unter  dem  Indien  des  priesters  Johann 
gerade  in  diesem  zusammenhange  auch  Äthiopien  gemeint  sei, 
darauf  hat  schon  Wesselofsky  hingewiesen. 

Alle  diese  Vermutungen  sind  natürlich  fOr  denjenigen  zieoH 
lieh  hinfällig,  der  mit  G Paris  (aao.  253)  und  and^n  die  Über- 
einstimmung zwischen  Woliram  und  dem  Moriaen  fQr  zufiQlig 
hält  'die  schwarze  färbe  der  mutter  des  helden  drängte  sich  der 
Phantasie  mittelalterlicher  erzähler  auf,  sobald  sie  aus  ihr  eine 
heidin  machten,  und  bemerkenswert  ist  nur  das  zusammentreffen, 
vermöge  dessen  das  nämliche  abenteuer  hier  Parzival,  dort  seinem 
vater  zugeschrieben  wird\  auch  fOr  denjenigen,  der  die  Moriaen- 
sage  nur  aus  einem  misverständnis  des  keltischen  personennamens 
Mwr  herleitet,  wird  ein  Zusammenhang  nur  mOglidi,  aber  nicht 
notwendig  erscheinen  (vgl.  Hertz  Parzival  s.  476).  ich  bemerke 
noch,  dass  auch  in  einem  gascognischen  märchen  der  söhn  dnes 
mofaren  und  einer  weifsen  frau  den  namen  Mourei  fahrt  (RKöhler 
Kl.  Schriften  i  90). 


OBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     327 

Dass  «A  solches  zusammeotreffea  zufällig  ist,  scheint  mir  an 
sich  gar  nicht  ausgeschlosseo.  es  scheint  mir  nur  in  diesem  falle 
uDwahrscheiDlich  :  1)  weil  Wolfram  nicht  nur  die  Torgeschichte, 
sooderD  auch  die  nachgeschichte  seines  Parzival  mit  andern 
lassojigeii  der  Gralsage  gemein  hat,  während  beide  Chrestien 
feklen.  wenn  ich  heides  zugleich  ins  äuge  fasse,  so  scheint  mir 
liier  aRerdiags  annähme  eines  zufalls  über  das  erlaubte  mafe 
lünausasgehn.  2)  weil  sich  die  Vorgeschichte  nicht  nur  in  dem 
Gra^oraao  von  Moriaen  widerindet,  sondern  a)  in  entfernterer 
äkolichkeit  im  Grand  SGral,  wo  der  Gralsucher  Galaad  der  söhn 
einer  äthiopischen  prinzessin  und  eines  Europäers  ist,  b)  in  der 
▼erwanten  sage  von  der  erwerbung  der  bundeslade  durch  einen 
abessyoischen  kOnig,  den  söhn  eines  weifsen  (Salomo)  und  einer 
mohrin  (der  königin  von  Saba),  c)  in  besonders  naher  ähnlichkeit 
iB  eioer  der  fassungen  der  verwanten  sage  vom  babylonischen 
reich,    auf  die  beiden  puncte  müssen  wir  nun  näher  eingehn. 

1)  die   Übereinstimmung  in   der   Verknüpfung    der  ^nachge- 
schicfate%  der  Schwanrittersage,  mit  der  Gralsage  bei  Wolfram  und 
Gerben  bat  zuleUt  BlOte  Zs.  42,  50  ff  für  zufällig  erklärt,    dagegen 
ist  an  sich  nichts  einzuwenden,  wenn  man  wie  BlOte  die  Vorge- 
schichte aufser  acht  lässt.     aber  wir  haben  es  gar  nicht  notwendig, 
darauf  zu  recurrieren,  da  die  Verbindung  mit  der  Schwanrittersage 
oech  in  einem  dritten  von  Gerbert  wie  von  Wolfram  unabhängigen 
Gralroman  vorkommt,     es  ist  der  von  MGoldschmidt  1899  in  der 
BibL  d.  litt  Vereins  216  herausgegebene  roman  Sone  de  Nausay. 
auf  einzelnes  hat  schon  Goldschmidt  s.  556  aufmerksam  gemacht, 
ich  gebe  eine  detailliertere  inhaltsangabe  der  für   unsern   zweck 
in  betracht  kommenden  stellen :  Sone  kommt  an  den  hof  Alains,  des 
kAnigs  von  Norwegen,    der  kOnig  führt  ihn  einmal  an  den  meeres- 
Strand,  dort  bläst  er  in  ein  hörn,  zwei  mönche  kommen  in  einem 
boot  und  führen  sie  auf  eine  insel,  auf  der  ein  herliches  schloss  steht, 
das  Ton  den  mOnchen  bewohnt  wird,     dort  übernachten  sie.    am 
nächsten  tage  erzählt  der  abt  die  geschichte  des  klosters,  wie  sie 
der  bL  Joseph  von  Abarimatie,  der  grttnder  desselben,  an  seinem 
letzten  tage  aufzuschreiben  befohlen   hat.     er  hatte   dem  Pylates 
7  jähre  gedient  und  verlangt  zum  lohne  dafür  den  leichnam  Christi, 
er  begräbt  denselben,  wird  aber  deswegen  angeklagt  und  in  einen 
kerker  geworfen,  der  von  gewürm  und  schlangen  erfüllt  ist.    da 
sucht  ihn  Christus  selbst  auf  und  gibt  ihm  ein   gef^fs   {vaissiel). 


328  SINGER 

solchen  glänz  verbreitet  das  wahre  blut  ({t  vrais  sans)  wie  die 
sonqe;  als  er  es  aq  den  mund  hält,  ist  er  so  gesättigt  davon, 
als  ob  er  eben  gegessen  hätte.  40  jähre  bleibt  er  dort.  Vaspa- 
sianus  war  miielsücbtig,  er  wird  durch  Verone  geheilt,  aus  dank- 
barkeit  gegen  Christus  sieht  er  gegen  Jerusalem,  in  der  Stadt 
ist  solche  not,  dass  die  mutter  ihr  kind  isst.  sie  wird  erobert 
und  man  gibt  30  Juden  um  einen  pfennig.  Joseph  wird  aus 
dem  gef)ingnis  befreit,  alle  kommen,  das  gei^fs  zu  küssen;  ist 
es  ein  kranker,  so  wird  er  dadurch  geheilt.  Joseph  hat  einen 
söhn  Josapbus,  der  der  erste  biscbof  war.  er  nimmt  noch  das 
hl,  ei^en,  mit  dem  liongins  gottes  seite  durchbohrt  hat^  unter  einer 
mauer  hervor,  unter  der  es  vergraben  war,  und  verlässt  auf  den 
befehl  Gottes  das  land,  bei  Escalone  findet  er  ein  schiff  ohne 
mast  und  segel,  das  fuhrt  ihn  nach  Gayete.  dort  lässt  er  sich 
ritterliche  rüstung  reichen  und  verübt  nun  durch  viele  länder 
ziehend  grofse  taten  zur  erhOhung  des  glaubens,  bis  er  endlich 
nach  Noruweghe  kommt  und  die  Sarrasins  aus  diesem  lande 
vertreibt,  er  tötet  den  kOnig  des  landes  und  heiratet  dessen 
schöne  tochter,  die  er  sehr  liebt,  sie  aber  glaubt  nicht  an  Christus 
und  hasst  in  ihm  seibat  den  mörder  ihres  vaters.  zur  strafe 
für  seine  liebe  lässt  ihn  gott  au  den  lenden  und  unterhalb  der- 
selben erkranken  {Es  rains  et  desous  Vafola).  Joseph  lässt  sich 
zum  könig  krOnen,  seine  frau  gebiert  ihm  einen  söhn  und  wird 
ebenfalls  gekrönt,  der  könig  kann  kein  glied  rühren  und  muss 
immer  liegen,  er  lässt  nun  dieses  mächtige  und  schöne  schloss 
bauen,  rings  herum  sind  viele  fische,  und  das  einzige  vergnügen 
des  königs  ist,  mit  einem  schiffmann  hinauszufahren  und  fische 
zu  fangen,  woher  er  den  namen  rois  pesehieres  bekommt,  das 
dauert  so  lange,  bis  ein  ritter  ihn  heilt,  dann  wird  er  wider 
mächtig  in  den  waffen  und  besiegt  die  ungläubigen,  sein  sobn 
starb  jung,  er  aber  wurde  sehr  alt.  so  lange  er  krank  war,  hatte 
das  land  den  namen  Lorgres,  denn  Lorgres  ist  ein  name  der 
trauer  (Lorgres  est  uns  nons  de  dolour).  damals  säte  man  nicht  im 
lande,  kein  kind  kam  auf  die  weit,  kein  mädchen  heiratete,  kein 
bäum  trug  laub,  keine  wiese  ergrünte,  kein  vogel  und  kein  tier 
brachte  ein  junges,  solange  der  könig  krank  (mehagnies)  und 
sündhaft  war.  denn  Christus  kränkte  es  sehr,  dass  er  mit  der 
ungläubigen  lebte,  so  weit  erzählt  der  abt  die  geschiohte,  dann 
verspricht  er  Sone  das  gefäfs  zu  zeigen  Qui  jadis  fu  grealz  nommes. 


OBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     329 

Sncor  e$i  ü  nommis  gr%al%,    er  holt  quo  ein  kreuz,  in  dem  ein 
grofser  teil  desjenigen  sich  befindet,  an  dem  Christus  gekreuzigt 
wurde,  dann  nimmt  er  den  greal  aus  einem  elfenbeinernen  käst- 
cheo,  legt  ihn  neben  das  kreuz  auf  den  altar^  dann  holt  er  die 
hL  lanze,  ao  welcher  ein  blutstropfen  hängt,     von  dem  grtal  wird 
das  ganze  land  erleuchtet,     der  abt  zeigt  ihnen   die   gräber  von 
Joseph  und  seinem  zweiten  söhn  Adans,  sein  erster  war  Josaphus 
gewesen,  der  erste  bisohof.    darauf  fahren  sie  von  der  insel  zurück 
zuai  hafen  Saint  Joseph,  der  so  heifst,  weil  Joseph  dort  gelandet 
ist.    Sone  erschlägt  einen  feindlichen  kämpen,  den  Sachsen  Aligos^ 
mit  deoi  schwort  des  hl.  Joseph,  das  ihm  der  abt  geliehen   hat. 
als  er  Norwegen  verlässt,  soll  er  das  schwert  zurückgeben,  was 
ihm  grofsen  schmerz  verursacht;  Odee,  die  tochter  des  kOnigs,  die 
ihn  liebt,  gibt  ihm  das  schwert  heimlich  mit.    er  reist  ab.    nach 
maoDigfachen   abenteuern   am  hofe  des   kOnigs    von   Frankreich 
angelangt,   wird    er    dort    durch    eine    botschaft    der    Odee    er- 
reichtn,  die  durch  das  schöne  'spilwlp'  Papegais  und  die  hässliche 
gräfio  Orvalle  ihre  ansprüche  auf  ihn  geltend  macht.     Orvalle  ist 
von  fabelhafter  hässlichkeit :  vorn  und  hinten  hat  sie  einen  mund^ 
ihr  gesiebt  ist  schwärzer  als  tinte,  sie  hat  einen  grofsen  hart  und 
2  fioger  lange  zahne,  ihre  äugen  sind  grofs  wie  pferdeaugen,  ihre 
augenbrauen  3  finger  breit,  ihre  arme  lang  und  dick,  ihre  fauste 
grofa.     Sone  fragt  sie  nach  dem  befinden  seiner  geliebten,    sie  sei 
sehr  traurig,  antwortet  sie ,   ^wenn  ihr  mich  nicht  so  wohl   em* 
pfangen  hättet,  so  würde  ich  euch  so  schelten,  dass  jeder   euch 
verachten    müste;   aber  dazu  kann  es  noch   kommen,   wenn   ihr 
nicht  meinen  willen  tut',     darauf  singt  Papegais  einen  May',  den 
Odee  gedichtet  hat,  in  dem  sie  ihre  ganze  liebesgeschichte  erzählt, 
aber  ohne  namen  zu  nennen,     nachdem  sie  gesungeu  hat,   ver- 
langt Papegais  das  urteil  vom  kOnig,  ob  die  dame,  um  die  es  sich 
handle,  nicht  doit  avoh  $on  ami.    der  kOnig  entscheidet,  nachdem 
er  seine  barone  angehört  hat,  zu  ihren  gunsten,  und  Sone,  sowie 
die  gräöu  von  Champagne,  die  sich  selbst  hoffnung  auf  ihn   ge* 
QUichl  hatte,  fügen  sich  der  entscheidung.   er  zieht  nach  Norwegen, 
wo   unterdessen   der   könig  Alain   gestorben    ist.     er    soll   Odee 
beiraten  und  könig  werden,     vor  der  kröuung  muss  er  das  geseti 
beschwören,  das  der  hl.  Joseph  vom  hl.  Petrus  (Satn^Pterre)  empfing, 
oach  einsegnung  der  ehe  wird  der  greal  gebracht,  dann  die  hl.  lanze, 
dann  das  kreuz,  in  dem  ein  teil  des  kreuzes  Christi  ist,  dann  ein 


330  SI.NGCR 

goidaer  ieuchter  mit  5  kerzea,  dereo  oütliere  mmmtr  breiiDL  diese 
i^  eine  voo  den  dreies,  die  die  enge!  bei  Ckräli  gebort  vom 
hinunel  bracbien,  die  iwei  asderen  süid  im  tem^l  MabaauDeU.  sie 
ziebeo  oud  in  processioo,  foraus  der  kscktcv,  d»mm  das  kreuz, 
daDD  die  lanie,  zum  schluss  der  kömg  Mit  den  frcdL  der  leicbnam 
der  heidoischeB  gemablin  des  Josepb  wird  durch  etneo  blitz  aus 
dem  grab  gerisseo.  Sone  ziebt  deia  pauste  gegen  die  Sarazeoeo 
20  bilfe.  io  einem  briefe  erklärt  der  SaraMneakönig  Bladoc^  die 
berschaft  der  christeo  beruhe  auf  uerecht,  desA  sie  führe  sieb 
auf  Julius  Caesar  zurück,  der  seioe  regiemog  mit  verrat  ao 
Pompeius  begODoeo  habe,  nachdem  er  gesiegt  hat,  kehrt  Sooe 
Dach  Norv^egeu  zurück,  sein  soho  Heori  zieht  ins  hL  land  und 
heiratet  dort  die  erbin  von  Danich  (di.  Beiml).  sein  ältester 
soho  Houdiaot  heiratet  die  bOse  Matabrooe  von  Boeme  [hier  endet 
das  gedieht;  das  folgende  nach  der  prosaeioleitong].  ihr  söhn 
Oriaot  heiratet  Eloose,  die  ihm  drei  söhne  mit  goldketten  um  den 
hals  gebiert«  die  böse  Schwiegermutter  Matabrooe  nimmt  aus 
hass  gegen  Elouse  dem  einen  kinde  eine  goldkette  weg,  wodurch 
es  in  einen  schwan  verwandelt  wird  und  nach  Galoches  fliegt,  wo 
<ler  Gral  bewahrt  wird,  das  ist  der  schwao,  der  später  seinen 
broder  Elias  zor  befreioog  der  Biaotris  führt  er  tötet  den 
Sachsen  Animaye,  verlässt  aber  seine  frau,  die  ihm  eine  tochter 
Yde  geboren  bat^  als  sie  ihn  nach  seiner  herkuoft  fragt,  aof  den 
ruf  eines  bornes  erscheint  der  schwan  und  führt  ihn  nach  Baruch, 
wo  er,  selbst  ein  urenkel  des  Sone,  eine  enkelin  desselben  namens 
Fane  heiratet  und  mit  ihr  drei  söhne  hat  aus  einer  Schlacht  mit 
den  beiden  wird  er  durch  seinen  bruder  den  schwan  sterbend 
nach  Baruch  heimgeführt,  seine  frau  hat  diese  ganze  gescbicble 
durch  ihren  schreiben  Branque  aufschreiben  lassen. 

Ich  brauche  dieser  inhallsangabe  nichts  hinzuzufügen,  die 
ähnlichkeiten  mit  Wolfram,  auch  wo  er  nicht  mit  Chrestien  stimmt, 
springen  in  die  äugen:  die  krankheit  des  Gralkönigs  als  strafe 
für  liebe  zu  einer  heidin,  die  hässliche  botin  aus  dem  lande  des 
Grals  (Chrestien  sagt  nicht  woher?),  ihre  botschafl  vermischt  mit 
botschafl  und  gcricht  der  Vorgeschichte,  in  der  eine  Gralpriniessin 
und  eine  französische  fürstin  um  den  beiden  sich  bewerben,  endlich 
ansüliluss  der  Schwanrittersage.  nur  ein  voreingenommener  kann 
noch  behaupten,  dass  Wolfram  Chrestien  benutzt  habe. 

2)  Die  gescbichte  des  Apollonius  von  Tyrus,  wie  sie 


OBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     331 

HTNeiLftIa dt  erzählt,  eathält  ebeafalls  das  liebesverhältois  des 
h^den  mit  einer  mohrin.  es  l^sst  sich  zeigen,  dass  dieser  zag  nichts 
wie  mao  ftuslier  meinte,  aus  Wolframs  Parzival  entlehnt,  wenn  auch 
iD  der  ausfahrung  von  ihm  beeinOusst  ist,  dass  er  vielmehr  einen 
orsprODglichen  beslandteii  der  einen  der  beiden  quellen  Heinrichs 
bildet,  diese  beiden  quellen  waren  beide  romane,  die  das  leben 
des  Apoltonius  lojn  Tyrus  behandelten ;  während  der  eine  derselben 
aber  sick  genau  an  den  bekannten  lateinischea  roman  anschloss, 
schmflckte  ihn.  der  andere  mit  allerhand  phantastischen  erfindungen 
aus^  nahm  vor  allem  die  sage  vom  babylonischen  reich  in  sich 
auf,  uzw.  in  einer  form^  die  bereits  mit  der  sage  von  der  gründung 
der  abessynischen  dyaastie  verschmolzen  war.  in  dieser  form  hat 
die  sage  vom  babylonischen  reich  ^e  ^östliche'  fassung  der  Gral- 
sage beeinflusst,  die  naeh  Wesselofsky  durch  Kyot  mit  der  wesi* 
lidieo  fassung  derselben  verschmolzen  wurde,  eine  analyse  des 
gedicbts  von  HvNeustadt  in  den  hier  in  betracht  kommenden 
panien  soll  all  das  näher  ausfuhren. 

a)  Das  gedieht  beginnt  mit  dem  träume  Nabuchodonosors. 
das  geschieht  in  sehr  verwirrter  weise:  die  beiden  träume  (Daniel 
cap.  2  uad  cap.  5)  werden  vermischt,     der  träum  wird  abweichend 
voD  der  gewöhnlichen  deutung,  wonach  er  die  4  Weitmonarchien 
anzeigt,  auf  die  4  lebensaller  des  menschen  gedeutet,     dann  fährt 
er  fort:  Nu  ist  der  träum  pescheiden.    Ir  soU  iu  niht  län  leidm, 
Dax   idi  daz  zwispü  hän  gitän^    E%  ist  ein  Mhm  glös  daran. 
der  dichter  entschuldigt  sich  also,  dass  er  den  träum  zwiefach  aus* 
gelegt  hat;  denn  ein  Substantiv  zwisfil,  das  'gleicbnis'  bedeutet, 
wie  Lexer  und  StrobI  meinen,  gibt  es  nicht,  vielmehr  nur  ein  adverb, 
das  ^zwifach'  heifst.     er  meint  also,  er  habe  den  träum  doppelt 
ausgelegt,  einmal  nach  dem  eigentlichen  sinn  (die  4  wcltmonar-^ 
chieen),  das  zweite  mal  nach  der  glds,  nach  einem  commenlar, 
der   die   entferntere  bedeutung  angibt,    er  hätte  sich  aber  gar 
nicht  zu  entschuldigen  brauchen,  denn  er  hat  überhaupt  nur  die 
zweite  deutung  gegeben,     und  nach  diesem  musterstück  von  Ver- 
wirrung findet  er  einen  höchst  gezwungnen  Übergang  zu  seinem 
ihema :  Ez  lit  ein  höhiu  glös  dar  an^  Diu  gä  ouf  aller  werlde  kint^ 
Die  nü  und  fürbaz  lebende  sint.    Sie  gSt  auch  gar  auf  einen  man 
Von  dem  ich  muot  ze  sagen  hän.    man  sollte  meinen,  das  wäre 
der  held  des  gedichtes,  aber  durchaus  nicht:   es  ist  Antiochus, 
der  überhaupt  nur  im  ersten  teil  eine  rolle  spielt,     wenn  eine 


332  SINGER 

eiuleitUDg  für  ein  gedieht,  vor  dem  sie  steht,  u i  c b  t  geschrieben 
war,  so  ist  es  diese,  sie  gehört  offenbar  vor  den  zweiten  teil, 
der  die  Zerstörung  des  babylonischen  reiches  behandelt,  aus  dem 
allerhand,  wie  wir  sehen  werden,  schon  in  diesen  ersten  teil 
aufgenommen  wird. 

b)  Es  folgt  die  geschichte  der  blutschande  des  Antiochus  mit 
seiner  tochter.  über  den  namen  der  amme  Pinelle,  der  sonst 
nirgends  vorkommt,  weifs  ich  nichts  zu  sagen,  hervorzuheben  ist 
das  orientalische  märchen  in  der  scheltrede  an  die  minne,  das  sieb 
am  übereinstimmendsten  imTuti-Nameh  (nach  der  türk.  bearbeitung 
übers,  von  GRosen  ii  71  ff,  20.  abend,  geschichte  von  Gülfischän) 
findet,  da  dort  sowol  der  rösenlachende  man  als  der  tanzende 
krüppel  erscheinen,  andere  fassungen  s.  Heinzel  WSB.  97  (1888)^ 
91;  Strauch  zu  Enikel  25177;  Hist.  litt,  xxx  66.  eine  eigentüm- 
liche Variante,  geistlich  ausgedeutet  in  ^S.alomonis  hüs'  bei  Adrian^ 
Mitteil,  aus  hss.  s.  419.  über  die  folgende  heraldische  Variante 
weifs  ich  nichts  sicheres  beizubringen. 

c)  Apoilonius  zieht  in  Antiochia  ein  in  begleitung  eines 
mohren  Falech  und  eines  zwerges  Galiander.  beide  spielen  keine 
weitere  rolle  im  gedieht,  kommen  auch  in  keinem  andern  Apol- 
louiusroman  vor.  doch  gehört  der  erstere  jedesfalls  in  die  Vor- 
geschichte des  babylonischen  reiches,  denn  er  ist  der  Phaleg 
(var.  Faleg,  Falech)  der  Vulgata  Gen.  x  25.  xi  16.  18,  der  so 
genannt  ist  eo  quod  in  diehus  eins  divisa  sit  terra,  der  FälSk  de» 
iithiopischen  Buches  der  Jubiläen  (Kautzsch  Die  apokryphen  und 
pseudoepigraphen  d.  alt.  testaments  ii  55),  der  tochtersobn  des 
Nebrod,  des  gründers  von  Babylon,  als  titel  der  beiden,  die  in 
Antiochus  dienste  stehn,  werden  aufser  dem  mir  unklaren  tanelier 
und  den  bekannten  admiral  und  satrape*  noch  die  nur  bei 
HvNeustadt  vorkommenden  alfaki  und  mutkali  genannt,  wie  mir 
prof.  Marti  nachweist,  gleich  dem  arab.  elfakih  (oder  elfakih),  der 
rechtsgelehrte,  und  muttakil  (oder  mutawakkil),  der  präfect. 

d)  Als  Ap.  sich  Antiochia  naht,  reitet  ihm  ein  ritter  ent- 
gegen: Er  flouc  dort  her  durch  den  wint^  Als  er  waer  des  tiufels 
chint  .  .  .  Er  fuort  ein  trackenhoubet  Ouf  dem  heim  gepunden. 
Oben  unde  unden  Was  sin  decke  alliu  swarz.  Recht  als  ein  ge- 
prantez  harz.  Sin  schilt  was  von  golde  Geslagen,  als  er  stholde: 
Daz  swarze  trackenhoupt  daran,  es  ist  Taliarcus,  der  roarschall 
des  Antiochus.     Ap.  hingegen  führt  die  sirene  im   wappen.     er 


pBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL      333 

sucht  deo  gegner  beim  zweiten  wafTengang  vom  pferde.    dass  Ap. 
die  Sirene  im  wappen  führt^  ist  ein  vorausgreifen  der  erzählung; 
deon  erst  im  zweiten  teile  der  geschichte  wird  ihm  von  der  sirene^ 
die  er  tod  dem  angriffe  eines  Centauren    befreit  hat,   das   recht 
verliehen,  ihr  bild  im  wappen  zu  führen  (Strobl  s.  24).    dass  als 
gegoer  des  beiden  hier  Taliarcus  erscheint,  ist  vom  dichter  gilt 
ausgedacht,  um  die  spätere  feindschaft  der  beiden   zu   erklären. 
im  französischen  prosaroman  der  Wiener  hofbibliothek  (s.  meine 
inbaltsangabe^  Beibl.  d.  Anglia  x  1080   ist  es  ein   ungenannter 
^kevidier  ardant.    dort  kommt  Ap.   auf  dem  wege  zu  Antiochus 
nach  Gresse,  dessen  kOnig  Alexander  ihn  gegen  den   feindlichen 
ritier  schickt,  der  auf  einer  insel  regnoit  par  Vart  du  deable,    er 
lührt    einen    feuerspeienden   drachen  im  Schilde.     Ap.  gelingt  es 
den   drachen  selbst  zu  verwunden,  da  wendet  sich  dieser  gegen 
feinen  eigenen  herrn  und  verbrennt  ihn.    Ap.  bringt  seinen  mit 
kostbaren   steinen   geschmückten   heim  als   beute    zurück,     man 
«ieht  wol,  wie  HvNeustadt  im   bestreben   seinen  Taliarcus   noch 
weiter  ira  gedichte  zu   verwenden,   dgßu  gekommen  ist,   diesen 
charakteristischen  zug  zu   verwischen,     wir  sehen  aber  zugleich, 
dass  dieser  scheinbar  bedeutungslose  waffengang  vor  dem  zusammen- 
irefifen  mit  Antiochus  aus  der  erzählung  vom  babylonischen  reich 
stanunen  muss,  wie  sie  nach  russischen  quellen  Wesselofsky  aao. 
s.22  mitteilt:  'Nabuchodonosor  liefs  um  Babylon  herum  einen  grofsen 
drachen  machen,  im  köpfe  dieses  dracheu  ist  der  eingang  in  die 
Stadt,  er  befiehlt  drachenbilder  zu  machen  auf  alle  gerate,  auf  die 
paläste,  auf  alle  türen  und   auf  das  vieh;   für  sieli   selbst  aber 
macht   er  das  schwert  ^Selbsthau,  aspis-drache'.    als   er   stirbt, 
befiehlt  er  das  schwert  in  die  Stadtmauer  einzumauern  und   ver- 
bietet es  herauszunehmen  bis  zum  ende  der  weit,  da  aber  einstmals 
QbermäcUtige  feinde   gegen   die  Stadt  heranziehen,   bewegen   die 
Babylonier  seinen  söhn  Wassili  (Basilius)  gegen  sein  verbot   das 
schwert  aus  der  mauer  zu   nehmen,     'da   fuhr  Selbsthau  aspis- 
drache  aus  der  scheide  und  schlug  des  kaisers  Wassili  haupt  ab, 
erschlug  aber  auch  alle  die  feindlichen  kOnige  mit  ihren  grofsen 
beeren,     aber  alles  an  der  armee  der  babylonischen  krieger,  was 
an  ihnen  von  abzeichen  an   kleidern,   waffen,  pferden,  zäumen, 
Sätteln  und  rüstzeug  von  drachen   war,  alle  diese  begannen  zu 
leben  und  frafsen  das  ganze   beer,     und  was  in   der  Stadt  von 
drachen bildern  war,  die  frafsen  die  frauen  und  kinder  und  alles 


334  SINGER 

vieh;  und  auch  der  grofse  drache  um  die  Stadt  herum  wurde 
lebendig  und  zischte  und  brOllte'.  später  schickt  der  griechische 
kaiser  Leo  boten  in  das  verödete  Babylon,  sie  müssen  dabei  über 
die  grofse  schlänge  steigen  und  bringen  aufser  anderem  kostbare 
steine  zurück,  in  unserm  prosaroman  erscheint  statt  des  kaisers 
Leo  dessen  mitregent  Alexander,  aus  dem  die  russische  erzählung 
eine  kaiserin  Alexandra  gemacht  hat  (Wesselofsky  Arch.  f.  slaw.  phil. 
2,  331).  Wess.  hat  (Skasanija)  auf  verschiedene  ähnliche  nordische 
sagen  verwiesen,  ich  will  noch  zwei  weitere  anführen,  die  ihm 
entgangen  zu  sein  scheinen,  in  der  saga  von  Eirik  hinn  vidfbrli 
kommt  der  held  an  die  grenze  von  'Odäinsakr'.  um  dieses  land 
ligt  ein  drache  herum,  er  springt  ihm  in  den  rächen  und  ge- 
langt durch  denselben  in  jenes  land.  er  gelangt  dann  in  einen 
in  der  luft  aufgehängten  türm,  der  an  den  babylonischen  türm 
einerseits,  an  den  in  der  luft  hängenden  tisch  der  Konradssaga 
anderseits  erinnert,  von  dort  nach  hause  zurück.  kOnig  von  diesem 
lande  ist  anderwärts  Güdmund  af  GlaesisvOllum.  bei  Saxo  (ed. 
Holder  s.  290  f)  führt  dieatr  seine  gaste  in  eine  hohle,  wo  kost- 
barkeiten  liegen,  als  sie  sich  dieselben  aber  zueignen  wollen,  ver- 
wandeln sie  sich :  Armilla  siquidem  anguem  induens  uenenato  deneium 
acumine  eum,  a  quo  gerebatur,  appedit,  Cornu  in  draeonem 
extractum  sui  spiritum  latoris  eripuit.  Os  ensem  fabricans  aeiem 
precordiis  gestantis  immersit.  diese  parallelen  lassen  uns  eine 
symbolische  bedeutung  der  sage  von  der  Stadt  Babylon  ahnen, 
wie  sie  uns  der  unten  zu  erwähnende  hymnus  in  der  vita  von 
Cyricus  und  Julitta  offenbart. 

c)  Ap.  nennt  als  seinen  vater  Chalidem  (Chaliden),  di.  doch 
wol  patrem  Chaldeum,  was  wider  auf  die  sage  vom  babylonischen 
reich  weist  im  genannten  ft*anz.  prosaroman  ist  der  vater  kOnig 
von  Antiochia,  Tarsus,  Äthiopien  und  Arabien,  die  beiden  ersten 
stammen  aus  dem  lateinischen  Apolloniusroman ,  die  beiden 
letzten  aus  der  tradition  vom  babylonischen  reiche  nach  welches 
Nabuchodonosor  der  söhn  der  kOnigin  von  Saba  ist. 

Es  folgt  rätsellOsung,  Verfolgung  durch  Antiocbus,  flucht  nach 
Tarsus  gemäfs  dem  lateinischen  roman.  nur  die  breit  ausgeführte 
beschreibung  dieser  Stadt  ist  ihm  fremd,  folgt  reise  nach  Pentapolis, 
Schiffbruch,  Vermählung  mit  Lucina,  abreise,  Scheintod  der  Lucioay 
erweckung  durch  Cerimonius.  über  dessen  schüler  Phiiominus 
s.  meinen  Apoilonius  von  Tyrus  s.  51  f  und  meine  recension  von 


OBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     335^ 

Klebs   BeibL  z.  Anglia  x.237f.     die   berührung  mit   slavischeth 
{assuDgen  ist  mllefieht  beaehtenswert. 

f)  Ap.  übergibt  das  Deugeborene  kind  dem  Strangwilio  ii> 
Tarsus  und  nimmt  darauf  abschied:  Urloup  nam  er  sä  %e  Kant 
Und  woü  fHtrmi  gen  Egiptenlant.  Daz  ich  sage  daz  ist  war,  B& 
»of  er  mne  mame  j4r.  Wes  er  da  pegunde  Und  pflcBge  ze  aUer 
simmie.  Des  ist  ze  sagen  min  gedanc.  so  geschrieben  im  aoschinss 
an  deo  lateiDiscben  roman.  was  aber  folgt,  stimmt  durcharas 
nicht  dtzUy  dettn  Ap.  geht  Oberhaupt  nicht  nach  Ägypten,  sondern 
ronSchst  nach  Barcelona^  dann  nach  Galacien,  Armenien,  Romfania,. 
Indien  usw.  der  bs.  A,  die  Oberhaupt  bessert,  ist  dieser  wider- 
sprach  auch  aufgefallen:  der  Schreiber  schrieb  zuerst  ürlaup- 
nam  er  sa  ze  hant^  strich  dann  aber  diese  zeile  und  Irefs  die 
folgende  aus,  so  dass  von  Ägypten  liberhafupt  nicht  mehr  die- 
rede  ist;  die  übernächste  ändert  er  in  Sy  pliben  da  manig  jar,. 
so  dass  sie  sich  auf  Tarsus  bezieht;  in  der  nächsten  hatte  er 
zuerst  ebenfalls  da  pegunde  geschrieben,  radierte  es  dann  und 
schrieb  auf  der  rasur  dar  nach  pegunde.  ob  schon  der  arche- 
t3^u8  ändernd  in  der  zweiten  zeile  woU  er  varen  statt  vuor  ein- 
gesetzt bat,  will  ich  dabin  gestellt  sein  lassen,  hier  verlässt  der 
aotor  seine  erste  quelle  für  längere  zeit  und  wendet  sich  der 
zweiten  zu.  die  bruchsteile  ist  deutlich,  diese  zweite  quelle  war 
ebenfalls  bereits  ein  Apolloniusroman ,  die  Übertragung  auf  den- 
beiden  ist  nicht  erst  durch  HvNeustadt  vorgenommen  woi*den: 
das  beweist  vor  allem  die  Übereinstimmung  in  den  anfangscapiteln^ 
mit  dem  französischen  prosaroman.  auch  dieser  füllt  die  14jährige 
abwesenfaeit  des  beiden  mit  allerlei  abenteuern  aus,  die  aber  mit 
denen  bei  HvNeustadt  gar  keine  ähnlichkeit  mehr  haben:  diese 
zweite  quelle  war  ganz  nach  dem  muster  eines  französischen 
Karlsromans  resp.  kreuzzugsromans  umgestaltet  worden  und  bewahrt- 
nur  noch  im  anfang  spuren  der  erzählung  vom  babylonischen 
reich. 

g)  Ap.  2ieht  nun  zunächst  nach  Barcelona  dem  köoig  Baldin 
zu  hilfe  gegen  die  Völker  Gog,  Hagog  und  Rolch.  die  zeit,  in 
der  das  geschieht,  gilt  als  die  des  griechischen  kaisers  Julian, 
derselbe  tritt  hier  gar  nicht  hervor,  wenn  man  aber  seine  Stellung 
gegen  den  christlichen  glauben  bedenkt,  die  ihn  wol  als  den 
Antichrist  erscheinen  lassen  konnte,  zu  dessen  Zeiten  diese  völkär 
hervorbrechen  sollten,  wenn  man   erwägt,  dass  sein   nachfolger 


336  SINGER 

in  dem  von  Nüldeke  Zs.  d.  d.  morg.  gesellscb.  28,  268 ff  be- 
sprocheoen  roman,  iDdem  er  seine  kröne  auf  das  kreuz  nieder- 
legt, die  bekannte  rolle  des  letzten  kaisers  spielt,  wenn  man 
sieht,  wie  in  der  gestalt  des  Jovinian  der  Gesta  Romanoruro,  in 
dem  Julian  und  sein  nacbfolger  verschmohen  sind,  die  ge-^ 
stalten  von  Nabuchodonosor  einerseits,  Salomo  anderseits  auf- 
zuleben scheinen,  so  wird  man  diese  Zeitbestimmung  vielleicht  nicht 
für  zufällig  hallen,  dass  Apollonius  als  besieger  von  Gog  und 
Magog  auftritt,  ist  von  zwei  gesichtspuncten  aus  zu  verstehn. 
wir  finden  ihn  später  (im  franz.  prosaroman  gleich  von  anfang 
an)  als  herscher  von  Äthiopien:  von  dortber  aber  soll  nach 
Pseudo-Methodius  und  andern  der  genannte  letzte  kaiser  kommen, 
der  seine  kröne  auf  dem  kreuz  niederlegt,  vor  allem  verweise  ich 
auf  den  genannten  Cahb-Elesbaas  (s.  Sackur  Sibyllin.  texte  und 
forscbgn.  s.  166),  den  wir  in  dem  Gralkönig  Calofhe-AlfaMon 
widergefundeu  haben,  anderseits  aber  ist  schon  nach  dem  Psetido- 
Kallisthenes  der  besieger  von  Gog  und  Magog  Alexander  d.  Gr., 
zugleich  nach  verschiedenen  sagen  söhn  und  gemahl  einer  äthio- 
pischen kOoigin  (Sackur  aao.  27  ff),  über  die  merkwürdigen  be^ 
Ziehungen  der  Gralsage,  auch  speciell  in  Wolframs  fassung,  zum 
Alexanderroman  hat  Gaster  Folklore  ii  198  ff  gehandelt  (vgl.  auch 
Wesselofsky  Skasanija  50 fi).  über  das  local  der  handlung  wie 
auch  über  das  volk  'Kolcb*  s.  Festgabe  f.  Heinzel  427. 

h)  Es  folgt  nach  verschiedenen  abenteuern,  die  unserem 
gegenstände  fern  liegen,  die  Sendung  des  beiden  in  das  wüMe 
Babylon,  die  überraschende  Übereinstimmung  dieser  episode  mit 
der  byzantinisch-russischen  geschichte  vom  babylonischen  reich 
hat  Wesselofsky  Arch.  f.  slav.  pbil.  2,  326—331.  Skasanija  ss.  15. 
17.  25  aufgezeigt,  anlässlich  des  Gentauren  Piramort  will  ich 
nur  auf  den  Centauren  Piritous  hinweisen,  den  Moses  vChorene 
{Wesselofsky  Arcb.  2,  315)  mit  dem  drachenkönig  Dhochäk  der 
iranischen  sage  indentificiert,  der  dem  grofsen  drachen  in  der  ge- 
schiebte vom  babyl.  reich  entspricht,  wie  auch  auf  die  Onocentaureu 
und  Hippocentauren ,  die  der  hl.  Cyricus  in  dem  hymnus  der 
syrischen  legende  von  Cyricus  und  Julitta  (Dillmann  SB.  d. 
Berliner  Ak.  1887)  vor  Babylon  antrifft,  diesen  in  der  bekannten 
lateinischen  Vita  der  Acta  Sanctorum  fehlenden  hymnus  hat  nun 
Zwierzina  doch  in  einer  lateinischen  Pariser  hs.  aufgefunden,  die 
in  dem  öden  Babylon  schachspielenden  (Kentauren  erinnern  einer-^ 


ÜBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     837 

Seite  aa  dM  sebacbspiel  Percevals  mit  dem  unsiohtbareD  gegner  in 
dem  cinnmeD  scfalo»  bei  Gautier  uod  im  Petit  SGral,  anderseits 
an  dhs  spiel  der  adilangen  der  Kosradssaga  mit  dem  grüaeii  stein, 
der  hier  diHrch  die  kestharen  schachsteine  vertreten  wird,  die 
onl  Pirasort  zusamnes  schachspielende  Centanrin  PUaits  habe 
ick  Festgabe  aao.  als  Atodo  gedeutet,  vidteicht  ist  aber  statt 
dcssea  oder  dasebsD  (da  solche  doppelbeiiehungen  für  unier 
godicht  charakterisüscb  sind)  an  das  stembild  der  Pleiadm  lu 
«rioocnL  dies  drängt  nch  auf,  wenn  wir  an  den  folgenden  kämpf 
des  ApolloBivs  mit  Serpanta  und  Ydrogant  dettken,  welch  letatrer 
mit  einem  kruge  ausgerottet  ist^  durch  dessen  zerschlagen  er  uih 
gewitter  erregt  (?gl.  Schweiz,  arcb.  f.  Volkskunde  1,  208  anm.  5). 
ligt  es  hier  nicht  nahe,  die  Sternbilder  Serpens  und  Ht^a,  die  die 
bfirim,  den  wasserkrug  auf  dem  rOcken  trflgt,  zur  erklirung  beizu* 
ziehen  ?  wir  werden  unten  einen  sichern  faiil  finden,  in  dem  Apollo* 
mos  an  die  stelle  des  gottea  Apollo  getreten  ist.  erklärt  uns  dies  die 
Abtragung  aller  dieser  abenteuer  oder  eines  teiles  derselben  auf 
ApoUonios?  haben  wir  hier  einen  astronomischen  mythus  vor  uns? 
aocb  die  kämpfe  mit  den  Centauren,  die  beziehungen  zu  dem 
einhorn  oam.  liefsen  sich  so  deuten.  Sacknr  aao.  150  ff  hat 
geieigt,  dass  als  der  letzte  kaiser  der  Weissagung  der  tiburtioischen 
Sibylle  ursprünglich  der  Sonnengott  Apollo  gemeint  ist 

i)  Ap.  kommt  nach  ttberwindong  verschiedener  schwierig* 
keiten  nach  Indien  und  heiratet  die  tochter  des  dortigen  kOnigs. 
Indien  ist  sonst  das  land  des  priesters  Johann,     mit  dessen  b^ 
Schreibung  stimmen  aufser  verschiedenen  geographischen  notizen 
vor  allem   einige  unter  den  daselbst  berichteten  wundern:  der 
JQBgbrunnen^  die  wundertatigen  steine  usw.     wir  erinnern   uns, 
dass  das  land  des  priesters  Joliann  sich  auch   über  Rabylon  er- 
streckt (Wesselofsky  Arcb.  2,  322X  dass  nach  der  einen  russischen 
erzäblung  vom  babylonischen  reich  Nemrod  eigentlich  'Joannes'  ge* 
beüsen  haben  soll  (ib.  311),  wir  erinnern  uns  aber  anderseits 
daran,  dass  er  bei  Wolfram  söhn   des  Feirefiz  und  im  jTiturel 
Gralkönig  ist.     von  Feirefiz  erzählt  Wolfram  Parz.  328,  14  Man 
bett  ihm  an  (de  einen  got,  von  dessen  vater  Gahmuret  ib.  107,  19 
Em  hetent  heiden  sunder  spat  An  in  ah  an  ir  werden  goi.    ist  es 
da  Zufall,    wenn    in  der   sonstigen   Überlieferung  vom  priester 
Johannes  dessen  vater  den  namen  Quasideus  fahrt?    er  regiert 
Ober  72  vOlker  und  baut  auf  befehl  gottes  einen  palast,  dessen 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXII.  23 


338  SINGER 

decke  aus  saphiren  zusammengesetzt  ist,  in  welche  da  und  dort 
leuchtende  topase  eingesetzt  sind,  wodurch  der  himmel  mit  seinen 
Sternen  nachgeahmt  werden  soll,  dadurch  erweist  sich  dieser 
vater  des  Johannes  als  eine  ins  gute  gewendete  contrafactur  der 
bösen  heidenkOnige  Nimrod  (Nibelot,  Tmelot),  Nabuchodonosor 
und  Chosroes  (s.  Wesselofsky  Arch.  2, 311).  ich  fOge  noch  den 
Sigelot  des  Rolandsliedes  hinzu,  then  ane  peteten  thie  heithenen 
vur  einen  got  (ed.  Bartsch  5592.  Grimm  198,21).  Gahmurets 
gegner  sind  die  nelTen  des  Nabuchodonosor,  von  dem  hervorge* 
hoben  wird  Parz.  102,4,  dass  er  an  trügelichen  buochen  las,  Er 
solle  selbe  sin  ein  got,  die  söhne  des  Ninus,  des  gründers  von 
iVtnntW ;ApoIlonius  ist  ein  nelTe  des  sultans  von  NinnivS.  einer 
dieser  gegner  Gahmurets  ist  Pompeius :  Wolfram  lehnt  ausdrücklich, 
wol  aus  besserer  geschichtskenntnis  heraus  gegen  seine  quelle 
polemisierend,  die  identification  desselben  mit  dem  Römer  des 
namens  ab,  aber  im  Willehalm  338,  26  lässt  er  den  heidenkOnig 
Terramer  seine  abstammung  eben  auf  diesen  Römer  zurückführen, 
vielleicht  wie  so  oft  den  Willehalm  aus  dem  Parzival  ergänzend: 
ihm  gebühre  als  dem  erben  des  Pompeius  das  römische  reich, 
die  herschafl  der  Christenkaiser,  die  sich  auf  Caesar  zurückführe, 
basiere  auf  unrecht;  vgl.  die  oben  aus  Sone  de  Nausay  ausge- 
hobene stelle,  die  vierte  erzählung  der  deutschen  Gesta  (ed.  Keller 
s.  7)  beginnt  Pompeyus  in  der  stat  zu  Babylon  waz  gewaltig;  die 
entsprechende  geschichte  von  den  3  Jaulen  in  den  lateinischen 
Gesta  Romanorum  (ed.  WDick  cap.  22,  s.  19)  nennt  den  namen 
Pollemius,  in  der  ersten  erzählung  der  von  Dick  herausgegebeoen 
Gesta  wird  die  tochter  des  Pompeins,  der  regnauit  diues  super 
omnes  ac  potens  (wol  in  Rom?  es  wird  nichts  darüber  gesagt), 
von  einem  könig  von  Babylonia  verführt. 

Chosroes  versieht  seinen  künstlichen  himmel  mit  röhren,  ui 
quasi  deus  pluviam  desuper  videatur  infundere  (MafsmeoD 
Eraclius  503).  er  wird  von  den  beiden  als  gott  angebetet,  damit 
aber  auch  die  Christen  dasselbe  zu  tun  scheinen,  lässt  er  das  kreuz 
neben  sich  aufrichten  (id.  499).  ebenso  wird  der  tote  Gahmurel 
von  den  beiden  als  gott  angebetet,  auf  seinem  grabe  aber  steht 
ein  kreuz,  vor  dem  sich  nun  wol  auch  die  Christen  neigen,  auf 
dem  kreuze  ist  seiu  heim  befestigt,  wie  die  kröne,  die  der  letzte 
kaiser  abgelegt  hat,  auf  dem  kreuze  hängt* 

Die   indische  prinzessin,  die  Ap.   heiratet,  heifst  Diomena^ 


ÜBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAMS  PARZIVAL     339 

ibre  matter  Palmena  (an  späterer  stelle  freilich  Ekä),  ihre  tochter 
AÜmenm,  ihr  söhn  Plolemcßvs,  der  astronom.  da  dieser  aber  auch 
sonst  mit  dem  diadochen  verwechselt  wird  (s.  Wuttke  Ob.  erd- 
konde  und  erdkarten  d.  ma.s  s.  22)^  denk  ich  an  letztern,  der 
soost  als  nalQj  'puer*  Alexanders  d.  Gr.  bezeichnet  wird,  was 
Mieaei^  bedeutet,  aber  wol  fölschlich  als  *sohn^  genommen  werden 
konnte  (Sackur  aao.  31  ß)*  ^^  franz.  prosaroman  ist  Antiochus, 
ein  anderer  der  diadochen,  eigentlich  vasall  des  Apollonius  und 
bat  nur  die  berschaft  in  Antiochia  usurpiert. 

k)  Ap.  kommt  nach  Äthiopien,  heiratet  die  kOnigin  des  landes 
Palmina,  die  tochter  des  Änphytimon  {Anfimon)^  sie  gebiert  ihm 
zwei  kinder,  eine  tochter  und  einen  söhn,  das  ist  eine  Variante 
der  vorbergehnden  geschichte.  über  Äthiopien-Indien  s.  o.,  den 
oamen  der  frau  des  Ap.  führt  dort  deren  mutter.  wir  kommen 
zu  einer  genealogie  Ätnphytimon  (di.  Amphytrion)  —  Palmena  — 
Diomena  —  AUmena  (di.  Alemena);  man  beachte  die  gleichheit 
der  zweiten  compositionsteile.  Amphiiryon  ist  hier  der  urgrofs- 
vater  der  Alkmene,  in  der  griechischen  sage  ihr  gatte  und  oheim. 
es  ligt  nahe,  eine  ?ei4chiebung  von  enkelin  und  nichte  (neptis) 
anzunehmen,  was  aber  hier  die  Heraklessage  zu  tun  bat,  wüst 
ich  nicht  zu  sagen,  auch  als  Ap.  einstmals  durch  windstille  auf 
dem  meere  festgehalten  ist,  kommt  ihm  unter  andern  helfenden 
gottbeiten  merkwürdiger  weise  frou  AUcmena  zu  hilfe. 

Als  kinder  werden  Ap.  und  seiner  frau^   der  mohrin,   hier 
ein  knabe  Garamant  und  eine  tochter  Marmatora  beigelegt,    ich 
habe  bereits  Festgabe  aao.  darauf  hingewiesen,  dass  hier  Apollonius 
an  die  stelle  von  Apollo  getreten  ist^  der  in  der  antiken  mythe 
als  vater  des  Garamas  (s.  Servius  ad  Vergil.  Aen.  iv  198.  Isidor 
Origin.  IX  2),  des  Stammvaters  des  grofsen  Volkes  der  Garamantes 
im  innern  Africa,  erscheint,    ich  habe  gezeigt,  dass  hier  HvNeu- 
stadt  durch  Wolfram  beeioflusst  ist,  indem   er   den   knaben   ge- 
fleckt  und   das   mädchen   ganz   schwarz  sein   lässt,  während  in 
seiner  vorläge  offenbar  die  elsterfarbe  nicht  dem  söhn  sondern 
der  tochter  Marmorata  zukam,    ich  glaube  aber  keinem  Wider- 
spruche zu  begegnen,  wenn  ich  behaupte,  dass  gerade  dieser  Sach- 
verhalt darauf  weist,  dass  für  die  ganze  episode  unmöglich  Wolfram 
die  quelle  gewesen  sein  kann,  dass  bereits  die  vorläge  Heinrichs 
unabhängig  von   Wolfram   die  Verbindung  des  weifsen  mit    der 
mohrin  und  die  figur  des  daraus  hervorgehnden   elsterfarbenen 

23* 


340  SINGER 

raen&cheikkiodes  gehabt  haben  muss.  iiienn  wir  dhq  in  Garamamt 
den  staoimvaler  der  Gar§ma»te9  sehen,  eiaeii  älhiopischen  k&aig, 
der  wie  Nabijcbodonosor  in  der  suge,  die  reiefae  tob  Äthiopien 
und  Mesopotamia  in  seiner  band  vereiDigt,  so  werden  wir  nicht 
anstehn^  in  ManMrüla  die  stavrnimutter  der  MarmaridoB,  der  be- 
wohner  der  benaclibarlen  MaQptaQinii^  der  marmmica  regio  zu  er- 
kennen, eine  falsche  elymologie  des  naoiens  als  die  ^marmorierten' 
laig  nahe,  baUen  doch  schon  die  alten  die  bekanktschaft  mit  dem 
partiellen  albinismus  der  neger  gemacht,  wie  die  erwdbnung  des 
öiXQw^Qg  äv'^Qtüitag  bei  Lukian,  auf  die  Hertz  Parzival  s.  476 
bioweist,  zeigt;  ein  gaa^sKS  voik  dieses  Schlages  aozuaebmen,  war 
nftlürlkh  unberechtigt,  aber  nicht  unbereehtigler  als  die  aus- 
debnuDg  der  beobachtung  des  totalen  aUnnismus  anf  einen  ganzen 
volksstamm,  die  Letüctethiopes  (Plin.  Hist.  nat.  n  8,  1),  die  weifsen 
neger;  dass  in  Guinea  ganze  länder  mit  solchem  Albinos  ange- 
füllt seien,  behauptete  noan  noch  im  vorigen  jb.  (s.  Zedlers  uni- 
vcrsallexikon  sv.  Albinos),  aucb  die  rndDung,  dass  diese  ^elster- 
neger'  aus  der  Verbindung  einer  wei£sen  mit  einer  mobrio  hervor- 
gtengen,  war  noch  bis  ins  vorige  Jahrhundert  verbreitet:  'Les 
n  dividus  qui  la  pr6sentent  (ranomaüe  de  Talbinisme  partiel  cbez 
les  n^gres)  sont  les  £uneux  hommes  ou  enfants  pies,  qui  ont  tant 
excit^  la  curiosit^  au  si^cle  dernier.  On  les  a  consid^r^  pendant 
long  temps  comme  n^s  d^une  n^gresse  qui  aorait  eu  commerce 
avee  un  blanc:  on  sait  mainteoani  querien  n'autorise  une  pareille 
supposition'  (Grande  Encyclop^die  i  1178). 

'Ob  man  Astagout  mit  den  äthiopischen  Azachai  Solin  30t  4 
znsammettbringeu  darf?  für  Zttzamam  boten  sieb  dann  freilich 
nur  die  Garmn(mt$s,  die  böclistens  vermittelst  einer  bedenklichen 
annähme  von  textverderbnissen  mit  jenem  namen  in  nähere  ttber- 
einstimmung  gebracht  werden  könnten'  (Martin  Zur  Gralsage  s.  6). 
das  zusammentreffen  dieser  hypothese  Martins  mit  dem  wttrklicben 
verbalten  im  ApoUonius  des  HvN.  ist  sicher  kein  lufiüliges«  z 
fUr  g,  %  für  r,  c  für  t  sind  jedes  für  sich  paläographiscb  leicht 
erklärlich  :  wenn  ich  die  last  auf  Kyot  und  Wolfram  gleicbmäfsig 
verteile,  scheint  sie  mir  nicht  zm  schwer  zu  sein,  freilich  meint 
Marlin,  dass  W.  den  Soiio  direct  benutzt  habe,  aber  das  scheint 
mir  ebenso  wenig  bewiesen,  wie  dass  er  das  Marbodsche  lapidar 
benutzt  hat.  Martin  slülzl  sich  (s^  41)  auf  die  namen  Agaiyrsjmte, 
NemjmUt,  N^maifitUe^n,  Trog0djeMtesiny  Atr^fagente,  Orastegem- 


OlER  Dl£  QUELLE  VOJN  WOLFRAMS  PARZIVAL     alt 


/Min,  iuM  kmmmt  nodi  Satardy9tUe  für  SMcrtl^efUe  avs  Satarehw 
gemiu  (aaou  5).  Maitia  Aeiai  iiud^  'i^  oder  das  gMdibedeuteiid« 
j  vreiBt  auf  Jatenische  grandfonn;  a«s  französiscber  torbge  wttrde 
sctoU  ^osieo  sein,  wie  aus  658,  27  ernchtlieh  ist\  das«  j  onil 
§  gkicUicAntend  nod,  ist  aber  DkiK  ricliiig;  y  tritt  aUerdio^ 
orlhognpiuacb  Tor  t  fir  /  ein,  selten  yot  €y  wie  etwa  »cr^eAan 
Pifz.  286, 20,  der  ongekelHte  Wechsel  kommt  JcaiuB  vor.  imter 
d&k  obigen  8  fidko  zeigen  6  s\  nur  2  p,  vo«  wekbea  einer  so- 
fort sa  eÜBunierea  ist,  da  sein  g  auf  ^f  zurückgeht  (iin/Aropo- 
|)A«^'  fOi^M))  «^  andern  mag  ein  gelehrter  Schreiber,  dem  das 
lateinische  gen^  einfid,  auf  den  gewissen  haben,  was  tatlbb 
einen  Deutschen  Tennocht,  in  der  meiHrzahl  der  flille  lateioiscbee 
g  durch  j  vä  ersetzen  ?  französisches  g  vor  e  gab  er  freilich  durch 
seh  wider,  Iranaasisches  /  aber  durch  j.  und  für  den  Franzosen 
Jag  wol  eifl  gruod  vor,  hier  ^  in  /  zu  wandeln,  und  iVamcah' 
gaU9s  sauste,  wenn  es  nach  aaalogie  französischer  worte  hehan- 
deil  wurde,  sein  intervocalisches  g  in  j  verwandeln  (s.  Schwa« 
Afrz.  graflMD.  §  201).  dabei  ist  freilkh  das  beibehalten  der  ia- 
ieifiischen  endung  auffaiiend. 

Dann  amss  man  aüerdiogs  die  meinong  aufgeben,  als  hätte 
WoJfiram  die  aamen  Azagmc  und  Zazamanc  aus  dem  Nibelungen* 
lied  bezogen  (vgl.  Braune  Beitr.  2&,  86£r)*  gerade  wenn  man  mit 
Bravne  die  ströme  417a  für  ursprüngKch  hält,  verliert  die  an- 
nähme des  umgekehrten  Vorgangs  sehr  an  Schwierigkeit,  ein  oo 
weit  Terbreitetes  gedieht  wie  der  Parzival  konnte  doch  wd  de« 
dichter  des  Nibelungenliedes  wie  dem  bearbeiter  von  C  bekannt 
sein  und  von  jedem  besonders  benutzt  werden,  dass  man  daraus, 
dass  man  keine  sichern  beziehungen  zwischen  zwei  gedichten  auf- 
weisen kann,  nicht  schliefsen  darf,  der  dichter  des  einen  habe 
das  andre  gedieht  nicht  gekannt  und  deswegen  nicht  mistrauisch 
sein  darf  gegen  annähme  von  beeinflussung  im  einzelnen  falle, 
hab  ich  Festgabe  f.  Heinzel  s.  377  ff  zu  zeigen  versucht,  mich 
hat  freilich  die  hübsche  deutung  von  Nib.  720  durch  Martin  Zs. 
32,  384 f  oberzeugt,  doch  erkenn  ich  wohl,  dass  sie  nicht  für 
jeden  ttherseugend  sein  muss.  hingegen  ist  die  Strophe  von  C 
80  ungeschickt,  dass  sie  mir  kaum  anders  erklärlich  ist,  als  durch 
läppische  benutzung  des  geistreichen  Wolfiramschen  einfalls. 

1)  Ap.  koflunt  zum  paradies  :  wie  Alexander,  danach  wendet 
sich  der  dichter  wider  der  ersten  quelle  zu  :  es  wird  die  ge* 


342    SINGER  ÜBER  DIE  QUELLE  VON  WOLFRAHS  PARZIVAL 

schiebte  der  Tbarsia  erzählt,  ihr  zusammentreffen  mit  ihrem  vater^ 
fahrt  nach  Ephesus  und  erkennung  der  Lucina.  darauf  eine  reihe 
von  festen  und  turnieren,  die  dem  lateinischen  roman  natürlich 
fremd  sind.  Ap.  gründet  die  tafeirunde  :  ich  erinnere  bei  dieser 
gelegenheit  daran,  dass  in  der  Thidrekssaga  Apollonius  der  söhn 
des  Artus  ist.  Patrochel  von  Mirmidon  und  Archilan  von  Yakitron 
(Slrobl  s.  115)  widersagen  der  tafeirunde,  es  sind  wol  Patroclus 
und  Achilles,  worauf  bei  dem  ersten  der  beiname  weist,  bei  dem 
zweiten  der  umstand,  dass  früher  (s.  59)  ein  Achilles  von  Barcilon 
vorgekommen  ist.  über  Verwechslung  der  namen  Achilles  und 
Archehus  s.  Heinzel  WSB.  126  (1892),  65.  Apollonius  selbst  ist 
der  neffe  des  königs  Priamus  von  Troya  (Strobl  s.  120),  was  die 
gegnerschaft  wol  erklärt,  ich  verweise  darauf,  dass  Beldkäne,  die 
mutter  des  Feirefiz,  die  cousine  der  Eckuba  von  Janfüse  ist, 
deren  beinamen  ich  freilich  nicht  erklären  kann,  wenn  Bartsch 
German.  stud.  ii  154  recht  hätte  mit  der  deutung  de  gente  fusa, 
so  würde  das  für  die  vertriebenen  Trojaner  scbliefslich  passen, 
charakteristisch  ist  aber  ihr  zweckloses  hin-  und  herreisen  :  das 
local  ist  wol  ursprünglich  Afrika  gewesen ,  und  sie  hatte  nicht 
Parzival,  sondern  Feirefiz  vor  der  Gralsuche  zu  ermutigen,  ich 
verweise  zum  schluss  noch  darauf,  dass  Priamus  und  Hecuba 
(Sackur  aao.  177)  die  eitern  der  tiburtinischen  Sibylle  sind,  mit 
der  die  königin  von  Saba  leicht  vermischt  wurde,  ist  Belakäne 
etwa  aus  Balkis,  dem  arabischen  namen  der  königin  von  Saba 
entstellt? 

Ich  glaube  gezeigt  zu  haben,  dass  die  Übereinstimmung  des 
Apollonius  des  Heinrich  vNeustadt  mit  der  Vorgeschichte  des  Par- 
zival nicht  auf  entlehnung,  sondern  auf  urverwantschaft  beruht 
und  deren  bedeutung  innerhalb  der  geschiebte  der  bildung  der 
Gralsage  zu  erbellen  geeignet  ist.  S.  SINGER. 

WEITERE  VERBESSERUNGEN 
ZUR  ALTSÄCHSISCHEN  GENESIS. 

Dass  in  der  partie  von  Kains  Verfluchung  das  metrum  von 
V.  51  an  recht  auffallend  ist,  wird  wol  von  manchem  bemerkt 
worden  sein,  vermutlich  hat  man  sich  das  aus  eingestreuten 
schwell versen  erklärt,  die  an  sich  in  dieser  scene  ja  nicht  un- 
angebracht wären,    in  ihrer  unregelmäfsigen   Stellung  muss  ich 


FRANCK  VERBESSERUNGEN  ZUR  AS.  GENESIS       343 

sie  trotzdem  bezweifeln,  und  es  kommen  andre  momente  hinzu, 
^e  zur  Jcrilik  herausfordern.     1)   die  allitteration  auf  dem  ein- 
führenden fiMuf  V.  56^    man  könnte  sich  auf  245^  quddhe  gemo 
bemfeo.     immerhin   ist  hier  dadurch,  dass   der  abhängige  satz 
nicht  mit  ihai  eingeleitet  ist,  also  eine  kleine  pause  hinter  guad 
erfordert  wird,  das  verbum  etwas  gehoben,  und  jedesfalls  ist  in 
der  regel  ein  solches  quad  tonlos  (auch  98^),  und  auch  in  dem 
mit    UDserm   verse   gleichlautenden   Hei.  2968    quadun   that   sie 
uuissiH  garo  allitleriert  uuissin  und  nicht  quadun.    im  folgenden 
halbverse  soll  das  von  dem  zugehörigen  bidemid  weit  getrennte 
unerdan  ganz  in  die  Senkung  fallen,     der  vers   scheint  mir  ge- 
radezu unerträglich,  wenn  mau  nicht  eine,  m.  a.  nach  unerlaubte, 
dreifache  aHitteration  annehmen  will.     2)  der  dat.  von  uualdand 
lautet  sonst  stets  uualdande^  nicht  wie  in  57  uualdand^  und  es 
kommt   auch   sonst  im  as.  keine  entsprechende  form  vor  (Holt- 
faausen  As.  elementarb.  §  320  Q.  mit  Braune  den  acc.  anzunehmen, 
(Glossar  s.  v),  geht  nicht  an,  denn  {bi)demian  regiert  den  dat. 
der  person.    3)  sehr  mit  recht  hat  Jellinek  DLZ  1898,  92  v.  66^ 
beaustandet  :  hugi  wäre  unerklärlich,  tfiuua  kommt  niemals  als 
subst.  fem.  vor,   nur  treuua^  und  er  nimmt  darum  das  adj.  an. 
allein   die  fügung  nu  ik  ni  uuelda  minan  triuuan  haldan  \  hugi 
dürfte  beispiellos  sein.    4)  während  in  der  wörtlich  entsprechen- 
den   antwort  70^ — 71*  hier  den  höchsten  verston  hat,  soll   das 
wort  67''  ganz  in   der  Senkung  verschwinden,     diese  Schwierig- 
keiten sind  durch  eine  andre  einteilung  der  verse  zu  lösen,  die 
dann  freilich  noch  einige  weitere  notwendige  änderungen  im  ge- 
folge  hat.    56*  ist  der  rest  eines  langverses,  der  sich  schwerlich 
mit  genügender  Sicherheit  wider  herstellen  lässt.    an  sich  möglich 
wäre  wol  einfach 

Kain  aftar  them  uuordun     aftar  them  quidiun  drohtinas. 
eine  andre  möglichkeit  wäre,   dass  ein  adj.  vor  oder  hinter  qui- 
diun —  etwa  craftigunl  —  ausgelassen  wäre,    die  beiden  folgen- 
den langverse  ergeben  sich  sehr  einfach: 

quad  that  hi  uuisse  garo      that  is  uuerdan  ni  mahti 

uualdanda  uuiht      an  uueroldstundu 
an  der  zweiten  stelle  ist  die  Verwirrung  etwas  stärker,   was  sich 
aber  auch  schon  darin  erweist,  dass  der  Schreiber  ja  tatsächlich 
das  subst.  triuua  statt  des  adj.  eingesetzt  hat.    ich  schreibe 


344   FßAKCK  VERBESSERUNGEN  ZUR  AS.  GENESIS 

nu  ik  triuuan  m  uuMi 
{haUan  mmtm  hngi  eber)  m.  hugi  haUan     unid  tkem  thinum 

Uuinm  mmeda; 
nu  UH€t  äc  thai  ik  hier  ni  mag  tmga  hmla  IMian, 
mau  kODiile  gegen  diese  coDJecturen  eioweeden,  dass  4adurcb 
kurz  hiüCereinander  zweimal  langverse  oiit  gleicher  allitteratioD 
gescbafTeD  werdeo.  dass  das  gern  vermieden  wird  (Zs»40, 217f)t 
ist  uotweilethafl.  aber  es  kommt  doch  ?or;  ia  den  fragmenieD 
noch  zweimal,  in  Hei.  1—1000  6mal  (155 f.  234f.  291  f.  307f. 
673  f.  718  f),  und  die  Utsacbe  kaoa  ja  gerade  mit  schuld  sein  an 
der  Verwirrung,  wenn  die  ergänzung  im  folgenden  halbverae,  wie 
ich  froher  aauabm,  notwendig,  und  licbt  etwa  absichtlich  $o  hmai 
statt  80  huwr  gesetzt  ist,  um  die  gr<)6te  allgemeiabeit  zu  be- 
zeichnen —  die  quelle  und^  wie  es  scbetot,  auch  die  commeutare 
geben  keinen  anlass  dazu  — ,  so  ist  vielleicht  die  Stellung  kuand  mi 
uuer0  mUnoirkit  vorzuziehen.  90  hntU  kannte  sowol  zum  1  wie 
zum  2  halbvers  gezogen  werden,  für  71*  siud  die  erwaguageo 
von  Ries  Zs.  39,  302  voUig  überzeugend;  doch  ist  der  vers  wol 
noch,  trotz  20*  und  verwantem^  durch  eiosetiutig  von  huü  auf 
ein  beschf^nkteres  mafs  zu  bringen  in  genauem  anschluss  an 
HeL  (C)  5S02  Uf  Imgenm  kuä.  ~  v.  77  hab  ich  schM  frflber 
in  zwei  langverse  zerlegt  auch  78*  wird  man  in  der  Umgebung 
noch  far  einen  scbwellvers  ansehen,  die  notweudigkeit  Usst  sieb 
leicht  umgeho,  indem  man  Mnon  uuordon  schreibt  steh  aualogie 
von  v.  228.  übrigens  ist  vielleicht  an  beiden  stellen  mtd  zu 
streichen  und  wie  im  Hei.  der  einfache  iostrum.  zu  setzen,  sa 
bleiben  in  der  ganzen  partie  nur  v.  51  und  52  als  solche  übrige 
bei  denen  die  Wahrscheinlichkeit  für  schwellverse  ist. 

Wie  wir  bei  den  zahlreichen  fehlem  der  hs.  manchen  an- 
dern kleinen  bedenken  gegenüber  kühner  sein  dürften,  so  brauchet» 
wir  uns  auch  bei  der  Schwierigkeit,  die  bifallan  v.  185  bereitet, 
nicht  aufzuhalten;  es  ist  bifellan  zu  lesen. 

V.  277^  ist  zu  schreiben  im  an  is  selbes  duom.     wir  haben 
es  mit  dem  adverbiellen  ausdruck  an  is  selbes  duöm  (neben  duoma) 
^nach  eigener  Verfügung,  freiwillig'  zu  tun,  der  parallel  dem  ad* 
verbialen  an  is  uuilleon  ist. 
Bonn,  februar  1900.  J.  FRANCS. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN. 

9.  MflD.  £1  <  BGB,  AGB,  BDE,  MHD.  /<  IGE,  IBE. 

HFischer  bat  in  seiner  bekannten,  aber  noch  inuner  nicht 
genug  berQcksichtigten  schrift  Zur  geschichte  des  mhd.,  Tübinger 
uoiv.-progr.  1889,  die  dichter,  welche  das  neue,  aus  contraction 
Ober  g  entstandene  -eid,  -eit,  -eist  im  reime  mit  altem  -etd,  -ctY» 
-eisi  binden,  in  drei  gruppen  geschieden,  er  kennt  eine  gruppe 
aasschliefslicb  mitteldeutscher  (s.  aao.  s.  61)  dichter,  die  -eü  <C 
'fgei,  -eisK^^gest  nur  in  ireit  <^  traget  (resp.  treisi)  und  fett  < 
l^gei  (resp.  leist,  leite,  geUit),  ferner,  füg  ich  hinzu,  in  meide  <C 
mfgede,  getreide  <C  getr§gede  zulassen,  nicht  aber  in  seit  <^*s§get, 
mhd.  saget  (resp.  seist,  seite,  geseit).  er  stellt  diese  dichter  in 
seiner  tabelle  als  nr  37 — 47  zusammen,  wir  werden  sehen,  dass 
auch  noch  eine  reihe  der  von  ihm  wegen  der  reimform  geine  <C 
gfgene  (subst.  oder  adv.J  gesondert  aufgeführten  md.  autoren  (tab. 
or  141  bis  schluss)  hierher  gehören  i.  eine  zweite  gruppe  meist 
(doch  nicht  durchaus)  alemannischer  und  frankischer  dichter  (tab. 
nr  48 — 98)  stellt  neben  treit  und  leit  auch  das  seit  \  welches  auf 
ein  älteres  *s^git,  *s§gist  (neben  dem  allgemeinen  sagSt,  sagest)  zu- 
rückgeht, reimt  aber  sonst  kein  -eit  <C  gleichsam  mhd.  -aget.  die 
dritte  gruppe  endlich  kennt  neben  treit,  kit,  seit,  meide  auch  ein 
verseil  <  verzaget,  verdeit  <  verdaget,  gekleit  <1  geklaget,  meit  <; 
wmget  asw.  Fischer  stellt  die  bierhergehOrigen,  meist  bair.-Osterr. 
dichter  in  seiner  tabelle  als  nr  99 — 140  zusammen.  Fischer  hat 
ferner  schon  bemerkt,  dass  bei  den  alemannischen  dichtem  in 
treit  und  leit  die  contraction  schon  mhd.  obligatorisch  ist  und 
sich  neben  den  et^formen  in  der  2.  3  sing,  prfls.  ind.  von  tragen 
und  l^gen,  im  prat.  und  part  prät.  von  l^gen  keine  j^-formen 
finden,  dass  aber  die  2  plur.  hier  natürlich  nur  ir  traget,  ir  l^get, 
sowie  fr  saget  heifst,  da  -etY  nur  aus  ahd.  '§gitp  nicht  aus  ahd. 
-agai,  -aget,  '§get  <^ -agjat  entsteht  heute  sind  in  vielen  ale- 
mannischen dialekten  auch  die  ^-formen  von  sßget  sagest  gesaget 

^  ich  bemerke  gleich  hier,  dass  ich  auf  diese  vierte  von  Fischers 
giuppen  mhd.  dichter,  die  ei<,ege:ei  reimen,  nicht  naber  eingeh. 

'  ich  schreibe  hier  und  im  folgenden  nach  Fischers  Vorgang  zur  ver- 
ciiifMihvDg  oft  ireiiy  leit,  seit,  wo  die  andern  einschlUgigen  formen :  treist, 
iButj  kiU,  gekU^  9eiU^  weUe^  geseit  mitverstanden  sind. 


346  ZWIERZINA 

ausgestorben  und  herschen  auch  bei  diesem  verb  allein  die  con- 
Iractionsformen.  in  mhd.  zeit  reimen  alle  alem.  dichter  ohne  eine 
einzige  ausnähme  neben  seit  seist  geseit  auch  die  anders  gebildeten, 
nicht  auf  *sfgist  *s^git  *gis§git  zurückzuführenden  saget  sagest  ge- 
saget,  und  es  ist  kein  anlass  vorhanden  zur  annähme,  dass  diese 
^-formen  nicht  auch  dem  würklichen  dialekt  der  damaligen  Ale- 
mannen entsprochen  hätten  und  etwa  aus  einer  aufseralemanni- 
sehen  Schriftsprache  geholt  wären,  dagegen  spricht  die  einmütig- 
keit  aller  autoren,  die  gleichzeitigen  Schreibungen  alem.  hss.  und 
der  umstand,  dass  ja  bei  tragen  und  l^gen,  wo  die  altern  formen 
in  "^git  eben  keine  anders  gebildeten  formen  in  ahd.  -aget  neben 
sich  hatten,  auch  tatsächlich  in  den  reimen  der  Alemannen  treit 
und  leit  allein  gilt,  die  dichter  also  von  ihrer  mda.  hier  zu  gunsten 
der  p-form  nicht  abgewichen  sind,  alle  bair.-Osterr.  und  die 
meisten  fränk.  und  md.  dichter  zeigen  dagegen  neben  den  be- 
quemer zu  reimenden  et/- formen  auch  immer  ^-formen,  uzw.  so- 
wol  saget,  beziehungsweise  klaget  daget  maget  usw.,  als  (dies  geht 
vor  allem  die  Franken  an)  leget  und  treget.  dabei  ist  zu  be- 
merken, dass  die  dichter  der  dritten  gruppe  zwischen  den  ver- 
schiedenen -aget  unterscheiden,  der  eine  etwa  neben  geseit  auch 
ein  g^eit  und  gekleit,  aber  kein  meit  und  zb.  verzeit  setzt,  der 
andre  etwa  neben  geseit  gerade  nur  noch  meit  und  verzeit  reimt, 
und  dass  nur  seit  für  saget,  geseit  für  gesaget  allen  gemeinsam 
ist.  dadurch  wurde  Fischer  mit  bewogen,  alle  contractionsformen 
der  Baiern  und  Österreicher  für  Zugeständnisse  an  die  dichter- 
spräche  und  misverständnisse  der  alem.  et-formen  zu  halten  :  man 
hätte  sich  nach  analogie  zum  alem.  er  seit  und  geseit  ein  unalem., 
schriftsprachliches  schiboleth  ir  seit  und  gekleit  usf.,  nach  ana- 
logie von  der  meide  ein  diu  meit  gebildet  und  so,  weil  man  bei 
den  alem.  Vorbildern  ein  geseit  für  eigenes  gesaget  fand,  auch  dort 
ein  -et/  für  -aget  gereimt,  wo  es  historisch  ganz  unberechtigt  war. 
nach  dieser  auffassung  begriffe  Fischers  dritte  gruppe  durchaus 
dichter,  die  eigentlich  ihrem  dialekt  nach  weder,  wie  einige 
mitteldeutsche,  treit  leit  meide  getreide  noch  auch,  wie  die  Ale- 
mannen, aufser  diesen  noch  seit  hätten  reimen  können,  dies  sei 
hier  schon  vorausgenommen,  ich  werde  Fischers  auffassung  unten 
noch  kritisch  zu  beleuchten  haben. 

Im  folgenden  werden  nun  zu  jeder  der  drei  gruppen  Fischers, 
der  mitteldeutschen,    alemannischen   und  bair.- österreichischen. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  347 

der  reihe  aach  nachtrage  beigebracht  werden,  nachtrage  nicht 
nur  2um  material,  sondern  auch  und  vor  allem  zur  beurteilung  des 
materials. 

Die  mitteldeutsche  gruppe.  —  nicht  alle  md.  dichter 
gehören  hierher :  viele  ostmd.  und  auch  einige  ostfränk.  dichter^ 
zb.  Wirot,  geboren  in  die  bair.  -  Osterr.  gruppe  und  die  haupt- 
masse  der  Süd-  und  Rheinfranken  steht  zu  den  Alemannen,  aber 
alle  dichter  der  gruppe  sind  Mitteldeutsche,  wenn  wir  einmal  die 
Ostfranken  auch  zu  den  Mitteldeutschen  rechnen. 

Die  dichtungen  des  12  jbs.  zeigen,  eioschliefslich  der  Vorauer 

bOcher  Hosis  (tab.  nr  4),  Wiener  Gen.  und  Exod.  (nr  14),  Kaiser- 

chroD.  (nr  22),  Rother  (nr  24),  GrRudolf  (nr  27),  Credo  (nr  30), 

der  alten  fragmente  von  HErost  (nr  25),  von  Eilharts  Trist,  (nr  25) 

und  einschliefslich  Heinrichs  Eneit  (nr  28),  meist  gar  keine  treu,  hü 

oder  seit,    auch  dort,  wo  diese  formen  in  dichtungen  des  12  jhs. 

vorkommen,  sind  sie  fast  immer  nur  vereinzelt,     oft  wird  es  da 

wol  Dur  Zufall  sein,  wenn  im  gedieht  gerade  nur  6in  hit  belegt 

ist  oder,  nur  6in  treit,  wie  etwa  im  Rolandslied  (nr  40)  und  nicht 

ein  oder  zwei  seit,  wie  etwa   im  alten  fragm.  des  Reinb.  Fuchs 

{nr  55)  uaa.     aber  es  wird,  wie   schon  Fischer  bemerkte,   kein 

zafaU    sein,   dass  fast   alle   altern  mitteldeutschen   gedichte    des 

12  jbs.,  wenn  sie  vereinzeltes  ei<^ege  überhaupt  belegen,  dieses 

ei  in  treit  und  leit,  nicht  in  seit  belegen,   so   besonders  Pilatus 

(nr  39),    Alexander  (ur  41),  Athis  (nr  44).     denn  wie  unter  den 

et  <C  ^9^   immer    nur   sporadisch    aufweisenden    gedichten    des 

12  jbs.,  sind  es  auch  unter  den  spätem,  zu  deren  zeit  die  con- 

tractions-ei   bereits  weiter  um   sich  gegriffen  hatten,    eben   nur 

aiitteldeutsche  werke,  die  neben  treit,  leit  kein  seit  kennen,    dazu 

gebort  aufser  den  von  Fischer  nr  46  und  47  verzeichneten  Oswald 

Zs.  2    und  Eraclius  auch  Herborts  Trojanerkrieg,  den  die 

tabelle  wegen   seiner  geine  ^ regio',  engeine   und  engein  in   eine 

letzte,  ebenfalls  hauptsächlich. md.  gruppe  (nr  142)  einreiht,    aber 

ancb  Herb,   weist  in  ca.  18500  versen  zwar  40  geleit,  4  leite, 

3  treit  und  sogar  ein  beweit  auf,  jedoch  kein  seit  und  seite  und 

nur  ein  einziges  geseit.    und  dieses  eine  geseit  steht  ganz  zu  an- 

(aug  des  gedichts,  v.  216,  und  steht  in  einer  fest  geprägten  und 

fertig  aus  der  traditioo  entnommenen  formel :  Als  ich  iu  dd  vor 

hdn  geseit.     diesem  geseit  in  v.  216  folgen   noch  alle  40  geleit. 


348  ZWIERZINA 

ab€r  kein  geseü  mehr,  sondern  nur  t9  gesagü  (:maget,  verzaget^ 
usw.  589.  1161.  1213.  1695.  1717.  2007.  3271.  4363.  4731. 
9516.  10633.  12489.  13593.  13762.  14386.  15832,  16428. 
16831.  16904),  ferner  er  saget  545,  sagete  1188.  1295.  10946. 
13545.  deutlicher  kann  skh  ein  liUerarischer  rein  als  solcher 
schon  nicht  mehr  präsentieren. 

In  uesre  gruppe  gehören  ferner  drei  fränkische  dichtwerke, 
die  Yon  Fischer  bei  seinen  zusammeostelhingen  nicht  berücksich- 
tigt wurden  :  Hugos  Renner,  der  Mor.  \Craun   und  die  Heidin. 

Zwar  weist  der  Renner  auch,  sowie  Herborts  Trojkr.,  eiD 
vereinzeltes  geseü :  unbarmherzikeit  9104  auf.  aber  dieses  eine 
geseü  steht  in  den  ca.  25000  versen  des  Renner  neben  den  67 
geUit  (51.  242.  268.  771.  842.  870  1512.  203S.  2354. 2454.  2888. 
3465  usf. . . .  24370),  17  er  leit  (1938.  2088.  2727.  3178.  4969. 
6345.  7627.  8075.  8294.  8730.  8811. 10098. 10681.16310. 16525. 
16785.  22528)  und  57  treu  (313.  401.  468.  805.  1148.  1868. 
2954.  3009.  3438.  3453.  3485.  3730  usf.  ...  21410)^  so  Ter- 
einzeit  da,  Hugo  reimt  sonst  immer  so  consequent  nur  gesaget 
:maget  1640.  4687.  24096,  :  gedagH  20517  ubL,  er  saget :  unver- 
zaget  7003.  22548,  :behagH  18074,  sa§ete: behagete  5851.  5877^ 
dass  wol  kein  zweifei  beslehn  kann,  dase  wir  es  in  dem  änen 
geseit  mit  einer  litterarischen  reimform  zu  tun  haben,  die  Hugo» 
dialekt  nicht  zukam,  aufserdem  finden  wir  bei  Hugo  häufiges 
meide,  meiden  für  m^ede{n){i21.  317.  3779.  8995. 11833.  11910. 
11938.  12082.  12478.  12528.  12582.  19546)  und  getreide  far  ge- 
tr^ede  (7700.  8148.  13555).  das  unflectierte  maget  reimi  immer 
aar  auf -aget  (1624.  11944.  12328.  13050.22298.23078;  11936. 
12630;  8198;  397;  13054;  1640.4687.24096). 

Im  Mor.  vCraun  reimt  geleit  auf  altes  -wT  781.  1689,  tre^ 
:gelät  1117,  aber  nie  setY,  ges^t^  sondern  st^t:  taget  1601  und 
gemget:maget  485.1363.  ebenso  in  der  Heidin  (Gesamtab.  nr  18) 
geleit  auf  aites  -eü  267.  477.  692.  1616,  treU  auf  altes  -eit  1719, 
aber  nie  seit,  geseit»  sondern  gesaget :  gt^aget  snbst  720,  ;  oerso^e^ 

'  dazB  ftoch  4ie  «euiraiee  ireil :  vertreti  8099  and  geleit :  vertrmt 
19168. 

^  dass  die  bs.,  welche  in  der  Bamberger  ausg.  abged/uckt  wird,  für 
alle  -agel  conseqaent  -eit  oder  -ail  schreibt  (nur  in  den  prat.  5851.  5877, 
ferner  6365.  8198.  18106.  18226  steht  die  ^-form),  tat  natarlich  nichts  zur 
saehe.  Hogo  reimt  maget,  klaget,  gefdaget,  verzaget,  behaget,  gefaget, 
bejüget  sehr  oft  (in  27  reimpaareo),  aber  immer  nur  in  sieh,  nie  cn  -eit. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  349 

1565,  ;«ia^  1611t  :v€rdaget  1617;  sa^te :  verzagete  15, :  wägete 
1105.  1663;  tageiut :  hihahiU^i  1421* 

Die  reime  des  EracliiiB  hat  Fiacher  nur  dem  gana  uiige- 
•OgeBden  reimveraeicbiiis'.  MafsmanDs  eDtDommen  und  Terxeichnel 
^angemafs  filr  daa  gedieht  Uofa  6  Int  und  1  trnt  neböD  dem  gSaa- 
lichen  loangei  tob  mt.  diese  absenz  gewiont  aber  erst  ihre 
^eUe  beweiakraft,  weon  wir  die  nchtigeo,  viel  höheren  zahlen 
iTM  imt  luid  trnt  keimeo.  er  trmt  reimt  oicht  eiomai,  sondern 
zweiiiial  auf  altes  -eär  ;2019.  3948  (ich  citiere  nach  Graef),  ferner 
Selmt  12mal:315.  1310.  1799.  2517,  3819.  3895.  4167.  4397. 
4510.  4713.  4941.  4983  und  l§üe  2mal:299,  5293.  zweimal 
reimeD  ferner  treu  und  geUit  (resp.  leit)  untereinander :  2049. 
5303.  nebeD  gehit  findet  sich  einmal  getaki  2975,  eine  form, 
die  auch  in  MBimmelf.  Zs.  5,  Elisah.  und  ErlOs.  widerkehrt 
<s.  unten)  und  die  Herb.,  wie  ich  glaube,  nur  aus  rücksieht  aufs 
hochdeutsche  meidet,  dagegen  reimt  nun  seit  oder  geseit  im 
CracL  nie  zu  einem  der  124  reimenden  alten  -eit  oder  einem 
der  18  treit  und  gekit,  sondern  nur  zu  maget  {813.  1869.  2287. 
2363)t  nnverzagel  (1189,  wo  Graef  also  ganz  falsch  geHtt.'un- 
4fer%eü  schreibt),  genau  so  wie  maget  und  verzaget  aufserdem 
eor  zu  fagH  3  sing.  (3141)  und  bdutget  (3299)  reimen,  auch 
mfie(n)  reimt  nie  zu  hite  <<.  legte  oder  einem  der  20  im  gedichte 
reimenden  alten  -eitern),  sondern  nur  zu  hekagte  4619  und  tagte 
4739. 

Den  sogen.  Wiener  Oswald  hat  schon  Fischers  tabelle  in 

unsere  gruppe  eingereiht,     ich  will  auch  ftlr  dieses   gedieht  die 

belege  einzeln  vorfahren,  weil  die  tatsächlichen,  nicht  auf  zufall 

beruhenden  Verhältnisse  mehr  als  durch  die  nackten  zahlen  Fischers 

durch  die  citate  und  gegenproben  anschaulich  werden  und   weil 

wir  gerade  in  diesem  gedicjit  ein  Zeugnis  haben,  dass  auch  md. 

Tutoren  spätester  zeit  sich  noch  der  reget  unsrer  gruppe  fügen. 

auch  hat  man  ja  gerade  diesen  Osw.  als  alemannisch  in  anspruch 

«efamen  wollen  (s.  Rodiger  Anz.  ii  24511):  dem  widerspricht  sein 

ferhalten  inbezug  auf  die  reime  von  leit  und  saget   durchaus. 

freilich  bedflrfte  es  dieses  neuerlichen  Zeugnisses  fOr  md.  abkunft 

dieaes   einheitlich   gereimten   gedichtes  m.  e.'  nicht  mehr:    man 

kann  ja  vielleicht  jede  der  md.  merkmale  seiner  spräche  als  einzel- 

erschein ung  durch  einen  paragraph  unsrer  alem.  gramm.  belegen 

—  welches  denkmal  konnte  man  auf  diese  weise  nicht  als  ale- 


350  ZWIERZINA 

maDoiscli  erweisen?  —  aber  man  wird  kein  sicher  alemannisches 
denkmal  finden,  in  dem  sich  eine  gleiche  anzahl  md.  eigentüm- 
lichkeiten  zusammenfand,  wie  in  unserm  gedieht  ^ 

Der  Wiener  Osw.  reimt  b\so  geleit : -eii  339.  1110,  leite  :-eit 
1160,  treic-eit  369.  543,  aber  gesaget  nur  zu  tnaget  105.  640, 
sagete :  frdgete  51.212.  1282.  1297,  saget§:maget  1084,  sowie 
auch  sonst  maget  nur  zu  unverzaget  163.  409.  524.  877  und  keiD 
-aget  .'-eü.  vergleichen  wir  damit  etwa  das  einschlägige  verhalten 
in  dem  ungefähr  gleichaltrigen  österr.  Oswald,  den  EltmOlIer  nach 
der  schlechtesten  hs.  herausgegeben  hat.  gdeit.'-eit  nur  3270, 
leü§:'eit  584.  1625;  aber  geseit : -eit  271,  1041.  1169.  1345. 
1410.  1612.  1769.  1997,  seit:-eit  1555.  2077.  2306.  2454.  3382 
und  gar  kein  (ge)saget : -aget.  der  contrast  ist  deutlich  und  be- 
weist, dass  das  fehlen  von  geseit  neben  gesaget  und  leit  und  treit 
im  Wiener  Osw.  trotz  dem  geringen  umfang  des  gedicbts  nicht 
auf  Zufall  beruhen  wird. 

Dazu  kommen  nun  eine  reihe  md.  denkmale,  in  denen  die 
hindung  von  seit :  -eit  zwar  relativ  häufiger  ist  als  im  Trojaoerkr. 
oder  im  Renner  2,  in  denen  aber  die  seit  vor  den  leit  und  treit 
einerseits  und  den  immerhin  schwerer  zu  reimenden  saget  ander- 
seits so  auffällig  zurücktreten,  dass  wir  berechtigt  sind,  in  deo 
seit  der  betreffenden  denkmale  litterarische,  oder  vorsichtiger  aus- 
gedrückt, der  reinen  mda.  des  autors  nicht  genehme  reimformen 
zu  vermuten,     es  ist  dabei  in  betracht  zu  ziehen,  dass  bei  den 

'  sal,  waneriy  -iiere : -iire  401,  tragen :gdn  381,  mir: zier  uaa.  286. 
153.  993,  spil: gefiel  260,  kiele: He  792,  helfenbeinerij  verzUn  223,  gewi 
1031,  tuon:nu  169,  karte  851,  twer  <^  sweher  1216.  \lh%  sehen :  den  1262, 
getreten  1009,  conj.  prat.  scbw.  verba  vom  ind.  getrennt,  -er.*-a>,  e:ä 
(s.  oben  s.  304),  gienc  liez,  kein  gie  He  (s.  nnten  nr  10)  usf. 

'  einfach  falsch  ist  Kinzela  angäbe  (Zs.  f.  d.  ph.  8,  390),  dass  sich  in 
der  zu  Troppau  in  Schlesien  verfassteo  Krenxf.  Ludwigs  *fflr  »aget  nie  eeiC 
fände,  'wie  auch  bei  Wolfr.'  .•  geeeit  {verseii)  reimt  la  altem  -eit  109. 197. 
3372.  4094.  5422,  er  seit  5527,  eeite  3656.  4070.  4762.  5810.  7135.  7776 
und  seil  ist  im  gedieht  häufiger  als  sagH.  anlserdem  gel&U  311.  545.  407« 
666.  1142.  1344.  4626.  6082.  6228.  6480.  6898.  7055.  7476.  7068,  er  treit 
7631,  endlich  geleit  :ge»0it  6  .  daneben  kein  tegH  tregei^  aber  auch  kein 
-eitK^-aget.  dieser  Scbletier  gel  t i  ir  'alemannlKh-frinkitehen  grappe*. 
ebenso  Ebernand  vErftirt.  i  fm   U<§em^gH  8108  ndien  Crmf  Uit 

seit  (vgl.  Herborts  bew^      a  Hdnr«  vEialewiti  kennt  nur  ireii 

leit  seit,  aber  bei  il  i.  oben  Im  tot  s.  860  n.  851)  m^ 

seltner  » (ßMÜ). 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  351 

dichtero  der  alem.  gruppe,  der  seit  ebenso  gut  wie  leit  und  treu 
eignet«  seit  an  häufigkeit  des  Vorkommens  erstens  den  leit  und 
treii  die  wage  halt  und  zweitens  die  daneben  üblichen  saget  (;  -aget) 
stets  abertrifft,  ich  will  zunächst,  um  die  gegebenen  Verhältnisse 
ein  für  alle  male  klar  zu  legen,  für  einen  fränkischen  dichter, 
der  die  et-formen  von  sagen  noch  relativ  häufig  reimt,  durch  vergleich 
seiner  Qbung  mit  der  Übung  ungefähr  gleichzeitiger  Alemannen,  die 
seit  in  der  eigenen  mda.  vorfanden,  die  Sachlage  anschaulich 
machen  und  den  contrast  zwischen  alemannischer  und  mittel- 
deutscher Qbung  beleuchten,  ich  wähle  als  beispiel  den  Stricker, 
den  ich  mit  Rosenhagen  in  Franken,  jedoch  in  Südfranken,  nicht 
in  Ostfranken  localisiere,  ungefähr  in  der  gegend,  wo  auch  der 
dichter  des  Hör.  vCraun  zu  hause  war.  der  epigone,  der  sich 
an  verschiedene  classische  muster  anschloss,  an  Wolfram  wie  an 
Hartmann,  der  mancherlei  publicum  zu  lust  und  gefallen  zu 
dichten  hatte,  der  weit  herumgekommen  ist  und  für  den  zb.  ein 
anfenthalt  in  der  österreichischen  fremde  feststeht,  lässt  mehr  als 
ein  andrer  litterarische ,  seiner  alten  heimat  nicht  entsprechende 
reimformen  seine  technik  beeinflussen,  während  er  das  viele  po- 
sitiv dialektische,  das  sich  in  seinem  erstlingswerk  (das  bleibt 
m.  e.  der  Daniel)  noch  findet,  immer  mehr  aus  seinen  reimen 
zorOckdrängt. 

Der  Stricker  reimt  nun  neben  31  gekit  (Dan.  1571.  2059. 

2613.  4269.  4873.  5195.  5299.  5333.  5863.  8367,  Karl  3801. 

4063.  7835.  10725.  10753.  10899.  11129,  Frauenehre  203.  611. 

971-   1505,  Am.  427.  1459.  2201,  Bloch  407,  Gesamtab.  60,  67. 

46»  4.  25,  Pf.  Ob.  3,  21,  Hahn  m  7.  iv  335),  1  hit  (Dan.  7523) 

mid  5  treit  (Karl  3767.  10595,  Frauenehre  280.  655,  Pf.  Üb. 

3,62)  nur  Iroal  treit: leit  (resp.  traget :l§get)  Hahn  xii  463  und 

Imal  das  nnaiemannische  gel^i     :ger^get  Dan.  4137,   ferner  ge- 

kfU^r^gU  Dan.  7487,  dem  na  ;h  md.  art  kein  leite  zur  seite  steht  ^ 

dats  diem  Stricker  sowie  dieses  leite  auch  das  seite  fehlt,  während 

liiirflg  >t   (Dan.  1051.  5309,   Karl  33,   Frauenehre  489. 

5.    0  591,   Am.  1485,  Bloch  628,    Zs.  7,16,23),  könnte 

nicht  weiter  aurfalkn  and  wenn  wir  nun  hören,  dass  er  seit  und 

gueit  in  des  Slrickers  gedruckten  werken  zusammen  25  mal  im 

reim  belegt  &ind  («r  sett  Karl  2183,  Frauenehre  D  361,  GesamUb. 

m^  1,  Zs.  7,  16,  35,  HGerm.  8,  298,  157;  geseit  Dan.  123.  463. 

'  s.  dtrSber  anteo.! 


352  ZWIERZINA 

2987.  3105.  4277.  5759.  7435,  Karl  239.  8245.  9075.  12175, 
Frauenehre  95.  697.  783,  D  622,  5,  Am.  169,  Broch  345.  617, 
Hahn  iv  307.  m  615),  so  wären  wir  leicht  geneigt,  den  dichter 
mit  andern  Franken  in  die  zweite,  vorwiegend  alemannische  groppe 
einzureihen,  von  der  Osterr.  gruppe  kann  die  rede  nicht  sein 
bei  einem  dichter,  der  aofser  in  seü  kein  -€t^  •<  Higet  reimt,  ver- 
gleichen wir  aber  nun  das  verhalten  der  hauptreprSsenlanten  der 
alemann,  gruppe,  so  werden  uns  die  25  8e&  and  geseit  des 
Stricker  nicht  mehr  imponieren,  sie  siehn  in  ca.  28000  versen. 
Hartm.  reimt  in  ca.  25000  versen  seit  und  gefeit  91  mal,  Gotfr. 
in  ca.  19500  versen  54 mal,  Rudolf  (gGerh.  und  Bari.)  in  ca. 
23000  versen  ISOnul,  Dir.  vZaUikb.  in  nur  9444  versen  46mal 
usf.  ferner  ist  beim  Stricker  saget  und  geeaget  im  reim  viel  häu- 
figer Bu  belegen  als  seit  und  geseit^  wahrend  die  absolute  reim- 
mögiichkeit  für  seit  doch  15  mal  grüfser  ist  als  fQr  saget,  denn 
sehen  wir  von  seit  und  saget  ab,  so  verhält  sieh  die  zahl  der 
reimverse  in  -aget  zu  der  der  reimverse  in  -etlr  beim  Stricker 
etwa  wie  1 :  15.  er  saget  reimt  aber  Dan.  6385,  Karl  7373. 
10135.  11795,  Frauenehre  377,  Am.  1577,  Doc.  Mise,  n  224. 
225,  HGerm.  8,  291, 101,  Germ.  6,  465,  51,  Aktd.  wäld.  in  228,19, 
Hahn  vii  85.  xi  129.  xu  393;  dA  sagest  Gesamtab.  45,  41.  46, 91  ^ 
52,  249;  gesaget  Dan.  805.  3427.  5357.  6369.  6647.  7419.  7761. 
8041,  Karl  215.  247.  945.  2839.  4039.  11279.  11377.  11387, 
Frauenehre  743,  D  559,  Am.  197.  1255.  2311.  2455,  Bloch  115, 
Pf.  Ob.  5,  198,  Grimm  ReinhF.  s.  324,  Doc.  Mise,  ii  222,  Hahn 
m  139.  XI  5.  41.  bei  Stricker  ist  also  das  Verhältnis  von  se&:  saget 
wie  25  :  43 ,  bei  Hartm.  wie  91  :  52,  bei  Gotfr.  wie  53  :  25,  bei 
Ulr.  wie  46:19,  bei  Rud.  gar  wie  180:13.  dabei  sind  seist 
sagest,  seite  sagte,  wo  Stricker  gar  keine  belege  der  contrahierten 
form  ergibt,  noch  gar  nicht  mit  gezählt,  sonst  stünden  bei  Stricker 
25  :  55  gegenüber  100 :  63  bei  Hartm.,  70  :  33  bei  Gotfr.,  49 :  34 
bei  Ulr.,  192: 18  bei  Rudolf:  also  bei  Stricker  seit  31  ^o«  ^aget 
&9^jo,  bei  Hartm.  umgekehrt  seit  61  Vo»  saget  39<^/o,  bei  Gotfr. 
Hit  68<>/o,  saget  32o/o,  bei  Ulr.  seit  67<)/o,  saget  dd%  bei  Rud. 
seü  91^lo,  saget  9^/o  der  beiden  in  betracht  kommenden  formen, 
die  Alemannen  ergeben  also  ganz  andere  Verhältnisse  als  der 
Stricker,     dieser  sprach  seit  und  geseit,    wenn  er  sie  auch  oft 

'  du  tragest  macht  natürlich  gar  keine  Schwierigkeiten. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  353 

fenag  reimt,  jedesfalls  ?iel  seltener  als  saget  und  gesagst,  ja  viel- 
leicht waren  seiner  mda.  diese  formen  ohne  g  ganz  fremd. 

Da  wir  nun  fOr  die  hier  in  betracht  kommenden  zahlen  den 
richtigen  blick  gewönnen  haben  werden,  kann  ich  mich  für  die 
Doch  za  besprechenden  md.-fränk.  dichtwerke  der  gruppe  viel 
kOrzer  fassen. 

Ich  nenne  zunächst  die  Siebenschläferlegende  (ed. 
Karajan)  :  gdeit  reimt  77.  226.  504,  geseit  nur  787,  dagegen 
gat^  206,  sagte  783. 

S.  61  anro.  bemerkt  Fischer  selbst  die  Seltenheit  von  seit 
und  geseü  neben  häufigem  treu,  kit  und  geleit  in  M Himmelfahrt 
Zs.  5  und  in  der  Erlösung,  in  dem  erstgenannten  gedieht 
findet  sich  treit  691.  864.  1120.  1249.  1820.  1834,  geleit  1171, 
^esetir  3  mal.  alle  diese  drei  geseit  stehn  knapp  hintereinander 
und  fast  in  der  gleichen  phrase  :  731.  767.  805. 

Zur  Erlösung  tritt  noch  die  von  Fischer  nicht  in  den  kreis^ 
seiner  beobachtungen  gezogene  Elisabeth,  diese  vermeidet  eine 
grofse  anzahl  litterarischer,  di.  oberdeutscher  reime,  deren  sich 
der  Verfasser  in  seinem  altern  werke,  der  Erlös.,  noch  bedient 
(bena.  vor  allem  das  häufige  gän  stän,  gät  ^ät  der  Erlös.,  das 
aas  der  Elisab.  bis  auf  wenige  reste  verschwindet  :  nur  die  ^- 
formen  waren  des  dichters  formen,  s.  unten  nr  10  s.v.  vän  vdhen), 
wahrend  sie  anderseits  in  gröfserem  Selbstvertrauen  reime  des 
eignen  dialekts  zulässt.  geseit  findet  sich  nun  in  der  Erlös,  noch 
6aial  gereimt  :  1189.  1331.  1768.  2930.  4376.  5852,  neben 
19  maligem  ^efeiY:  114.  219.  478.  553.  790.  1029.  1189.  1331. 
1768.  1906.  2219.  3539.  4660.  4761.  5254.  5700.  6319.  6354. 
6443;  in  der  Elisab.  aber,  die  fast  doppelt  so  viel  verse  zählt 
als  die  Erlös.,  finden  wir  neben  28  gehit  (52.  869.  982.  2015. 
2137.  2225.  2304.  2335.  2775.  2795.  2831.  3001.  3289.  3335. 
3575.  4023.  4119.  5333.  5659.  6053.  8610.9411.9491.9511. 
9531.  9545.  9561.  10239)  gar  nur  4  geseit,  davon  zwei  ganz  zu 
anfang  und  eins  ganz  zum  schluss  des  gedichtes  (87.  302;  10495), 
in  welchen  partien  der  dichter  auch  sonst  litterarischem  reim  zu- 
gänglicher ist,  ferner  6053.  dazu  kommt,  dass  auch  in  der  Elisab. 
dieses  geseit  im  reim  nur  in  6iner  phrase  vorkommt,  und  wider, 
wie  bei  Herb.,  in  dem  formelhaft  tlbernommenen  ah  iu  ist  geseit 
(so  87.  6053.  10495,  und  ähnlich  auch  302).  sonst  herscht  ge- 
saget  :magei  usw.  natürlich  gilt  nur  maget,  kein  meit  für  den 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXU.  24 


354  ZWIERZINA 

dichter,  dagegen  kann  meide  Erlös.  5646,  meiden  Elis.  2431 
DebeD  megede :  missehegede  Elis.  4097  hier  ebeo  so  wenig  aufTalleD 
als  etwa  oben  bei  Hugo  vTrimberg  ^ 

Ich  habe  oben  s.  280  im  anscbluss  an  die  behandlung  der 
e-laute  in  den  reimen  des  gedichts  hervorgehoben,  dass  Ortnit 
und  Wolfdietrich  A  unmöglich  in  Österreich  oder  in  Baiero  ge- 
dichtet sein  können,  sondern  sicher  in  ostfränk.  gegend  localisiert 
werden  müssen,  damit  stimmt  es  überein,  dass  der  Ortn.  (nicht  aber 
der  Wolfd.  A,  wenn  für  ihn  auch  nur  str.  1 — 505  in  betrachi 
kommt,  s.  geseit  17,  1.  328,  1.  456,  1)  noch  deutlich  dieselben 
Verhältnisse  von  leit  zu  seit,  von  seit  zu  saget  erkennen  lässt,  wie 
der  Renner  und  die  andern  oben  erwähnten  md.  denkmale.  im 
Ortn.  reimt  treit:-eit  13,4.  84,1.  117,3,  geleit.'-eit  350,3. 
422,4,  niemals  legt  und  (regt;  dagegen  reimt  hier  widersaget 
:maget  276,  31,  :  verzaget  264,  3,  gesaget :  geklaget  17, 1.  281,  3, 
:maget  393,  1,  niemals  seit  oder  geseit :  ^eit.  ebensowenig  andre 
ei<age,  sondern  maget:  verzaget  193, 2.  383,  3,  :  geklaget  475, 3* 
nur  ^in  reim  widerspricht,  verzeit  <  verzaget  :kleit  ^vestimentum*^ 
95,  2.  können  wir  aber  für  den  dialekt  unsers  dichters  ein  ver- 
zeit zugeben,  der  doch  sicher  nicht  zugleich  geseit  gesprochen 
und  nur  gesaget  gereimt  hat?  verzeit  ist  also  litterarischer  reim 
und  ist  geholt  aus  den  gedichten  der  heldensage  :  Nib.,  Gudr.,  Alph» 
und  den  andern,  für  diese  gedichte  ist  ei<:age  charakteristiscb 
und,  wie  wir  hören  werden,  das  fehlen  von  gdeit  die  regel.  der 
Ortn.  verhält  sich  also  gerade  umgekehrt  wie  sie.  im  Wolfd. 
prävaliert  wenigstens  geleit  (zb.  145,  2.  216,  3.  292,  3)  im  verein 
mit  gesagt  (87, 1.  273, 1)  Ober  geseit :  man  wird  kein  österr.  volks- 
epos  finden,  worin  dies  der  fall  ist  2. 

'  ein  er  leit  belegen  Erlös,  and  Elia,  nicht;  nur  in  der  Erlös,  findet 
sieb  geleget  neben  geleit  (sicher  im  reim  in  neget  1802,  wol  anch  n  treget 
6572),  er  ireit  nur  Elis.  8617.  8705.  das  dialektische  geiaht  (a.  oben  ober 
Eracl.  und  Herb.  s.  349)  ist,  in  ubereinstimmang  mit  der  besprochenen  Wand- 
lung in  der  teebnik  des  dichtera,  in  der  Eliaab.  binfiger  ala  in  der  Eriöa.» 
es  sieht  Erlös.  2014.  2735.  4405.  5543,  aber  Eliaab.  1883. 3423.  5775.  6663. 
7721.  8307.  8605.  9239.  9475  und  hier  aocb  lükiU  (ebenao  MHinmdf.  Zt. 
5, 1057)  91.  1385.  1468.  3538.  9097,  coq.  laAla»  1608,  die  in  der  £ri6a. 
fehlen,    über  legete^  leite  a.  onten  i.  857  f. 

'  vielleicht  gehört  anch  die  nicdcraleDuiiliche  yFra«  in  diese  md. 
grnppe  troU  der  drei  genU:wifhkM  (Immer  n«r  n  wärhetii  1086.  3093. 
2999  in  an  Hartm.  anklhiocMleo  (iw.  601,  Ir.  IT64)  Yenea.  gemgef  reimt 
viel  öfter :  119.  1253.  20M.  »Ol«  781.  000.  OSO.   gekU  leimt  OBL  lOOS. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  355 

Wir  werden  quo  begreifen,  warum  Wolfram»  der  nur  saget 
trtgei  legii  sprach  i,  unter  seinen  litterarischen  ei<ege   (s.  Be- 

1809.  2507,  leite  813.  955.  1545.  2725  (dagegen  nur  tagte  535),  er  leit 
:  er  treu  1553.  legen  bildet  auch  -egei-formeiky  was  auch  mit  der  rein- 
alemannischeo  Übung  (s.  s.  346)  in  widersprach  steht,  bei  Mitteldeotschen 
ond  Balern  aber  häufig  ist :  part.  umbelegt :  erwegt  2409.  ich  bin  geneigt, 
die  gFran  in  ein  grenzgebiet  Atemanniens  und  Frankens  zu  verweisen,  denn 
die  sehen,  die  ons  Behaghel  vor  den  einst  von  dichtern  so  reich  bevölkerten 
'grenzgebieten'  eingejagt,  brauchen  wir  wol  nicht  so  weit  zu  treiben,  dass 
wir  non  keinen  dichter  mehr  in  solchem  gebiete  suchen  wollen.  —  endlich 
erwähn  ich  noch  den  md.  Segremors,  wo  die  wenigen  erhaltenen  verse  frei- 
lich keinen  sichern  schluss  gestatten,  es  steht  da  geleit  Zs.  11,495,  115 
neben  geltet  Aitd.  bll.  n  152,  5,  Zs.  11,  498,  221,  aber  kein  geteit  neben 
versaget  Germ.  5,  462,  95.  ahnlich  in  Rittertreu  (Gesamtab.  5;  ostfränk.) 
oar  ireU  7,  geleit  205;  dagegen  gesaget :  magel  19  uam. 

'  ich  möchte  hier  einen  kleinen  nachtrag  zu  meinen  Wolfr.  betreffenden 
aosföhniDgen,  Beob.  s.  472f,  vorbringen,  es  ist  mir  entgangen,  dass  vor 
mir  schon  Wrede  Anz.  xvi  287  bemerkt  hatte,  dass  Fischers  angäbe,  Wolfr. 
kenoe  kein  sichres  l^ei  und  tr^et  (also  l^get^  resp.  traget :  m^get  ^  be- 
w^et,  r^et\  durch  einen  mangel  des  Schulzschen  reimverzeichnisses  her- 
vorgemfen  ist  und  durchaus  nicht  den  tatsachen  entspricht.  Wrede  selbst 
war  so  liebenswördig ,  mich  darauf  aufmerksam  zu  machen,  wenn  Wrede 
at>er  im  Anz.  aao.  behauptet,  die  hs.-liche  Überlieferung  beweise,  dass  in 
den  fallen,  wo  Wolfr.  treget  und  leget  untereinander  reimt,  die  reime  als 
trnt :  leit  anzusetzen  seien,  so  ist  er  im  Irrtum,  dass  die  hss. ,  worauf  er 
sich  beroft,  nirgend  ffir  ein  saget  gesaget  sagete  Wolfr.s  eine  et-form  be- 
legen, die  indifferenten  reime  von  tregt  (resp.  treit)  anf  legt  (resp.  leit) 
aber  alle  mit  ei  schreiben,  beweist  gar  nichts,  denn  gerade  durch  Fischer 
wissea  wir  ja,  dass  es  für  den,  der  leit  und  treit  sprach,  meist  keine 
oebeofonn  mit  g  gab,  er  also,  wenn  er  seine  Orthographie  einführte,  immer 
ei  abreiben  moste,  dagegen  kannte  auch  der,  welcher  seit,  geseit  und  seile 
in  aeioer  mda.  hatte,  daneben  immer  auch  die  formen  saget,  gesaget  und 
sügeie.  die  Schreiber  hatten  also  gar  keine  veranlassung,  dieses  überlieferte 
sag€i  Wolfr.8,  das  aoch  sie  ja  neben  seit  sprachen,  zu  ändern  und  schrieben 
CS»  da  CS  hier  noch  dazo  aof  wenigstens  för  alemannisch-fränkisches  sprach- 
ftbiet  sichres  ^aget  reimte,  naiüHich  als  saget ^  wie  sie  es  in  der  vorläge 
ftodf  n^  «b,  anders  aber  bei  leget  und  treget,  die  s*  iber,  die  offenbar  der 
«nip|ie  von  Piachera  tab.  nr  48— 9S  hlen       d,  i        en  kein  l^et  und 

tregeL    w^  ^hf^  dt^r  reim  äle  niclil  b,        leot       n       ,  schrieben  sie 

ulilrlkh   i*it  und  treit;  ja  sie  %i       Den   l  nie  und  da  anch 


^oft,  wo  sm  m%  sicherm  'f*gH  gel  en         .                     ibnagen,  die  er 

erwähnt^   hatten  Wfede  daror  be^  aoi                    mr.  nach  antorität 

(he»er  bsa.    15  liehre  ^Ht  <  egei  \r%       166,  23  gibt  D  geleit 

ireÜ  »tmU  geilet  :rtget,  Z%'i,  5  G  leU:n      t{       *      t),  103,  21  G  treit 

^weigei  {far  Hf^et)^  mn^b  Gg  in  reit  (kur  i          ;   nb.  38,  21  K  leüen 

i  meßUm  pr  vtegeien}^   168,  29  Ki  i        337,  17  liin  treÜ:erwe(t  (für  er* 

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356  ZWIERZINA 

obachtungeD  s.  472)  wol  wenige  treit,  geleit  und  leite,  aber  kein 
seit,  geseit  und  seite  zulässt  :  denn  nur  jenes,  nicht  dieses  hörte 
er  aus  dem  munde  seiner  fränk.  nachbarschaft.  berOhrungen  von 
Wolframs  spräche  mit  der  spräche  fränk.,  ost-  und  sOdfränkischer, 
bei  leibe  aber  nicht  thüringischer  gedichte,  werden  wir  in  der 
folgenden  nr  auf  schritt  und  tritt  begegnen  und  sind  wir  schon 
oben  s.  310  f  in  einem  für  die  Scheidung  von  bair.  und  frSnk. 
grundlegenden  Sprachmerkmal  begegnet. 

Wirnt  schliefst  sich  auch  hier,  sowie  in  der  behandlung  der 
e-laute,  s.  oben  s.  276,  obwohl  seine  heimat  der  bair.  grenze  we- 
niger nahe  ligt  als  die  Wolfr.s,  doch  im  gegensatz  zu  diesem 
jenen  ostfränk.  dichtem  an,  die  mit  den  Baiern  zusammenslehn. 
der  Wigal.  weist  32  geleit  <  geleget  ^  auf  und  12  treit  <  treget. 
einmal  reimt  treit  aufserdem  noch  zu  geleit  (3858).  das  gedieht 
unterscheidet  richtig  zwischen  er  treit  und  ir  traget  (2823),  kennt 
kein  er  legt,  er  tregt  oder  gelegt  und  anderseits  kein  ir  leit.  aber 
auch  er  seit  findet  sich  im  Wigal.  (145.  153.  199.  7917.  8810. 
9842.  10439.  10529)  und  einige  dreifsig  geseit.  jedoch  neben 
organischem  er  seit  auch  das  nach  Fischers  auffassung  unorga- 
nische ir  seit  (136.  1776.  4910)  der  Baiern  und  der  imperativ 
seit  (3161.6033.8566).  neben  geseit  finden  sich  bei  Wirnt  auch 
die  part.  erjeit  2883.  3833  und  bejeit  7831,  denen  vielleicht 
gar  kein  bejaget  gegenübersteht,  da  bejaget : gesaget  3091  ebenso 
gut  bejeit :  geseit  vorstellen  kann,  es  ist  bekannt,  Aass  jagen  in 
manchen  dialekten  in  bezug  auf  den  gebrauch  der  contractions- 

weget).  die  formeD  weii<^weget,  reit  KU  reget,  die  bei  Wolfr.  sowie  bei 
allen  andern  hd.  dichtem  —  Fischer  belegt  nar  ^inen  beweisenden  reinn 
nzw.  aus  Herbort  —  niemals  auf  -eit  reimen,  werde  auch  ich,  sowie  Wrede, 
nicht  für  Wolfr.  in  ansprach  nehmen,  wir  sehen  dann  aber,  dass  gerade  die 
liaupthss.  des  Parz.  und  Wh.  lieber  zu  weit  and  reit  als  zu  legt  and  tregf 
greifen,  was  beweisen  da  ihre  leit  und  treit  in  den  nentraien  reimen  der 
beiden  worle?  es  scheint  also  doch  bei  Wolfr.  flberall,  wo  der  reim  aicbt 
entgegensteht,  tregl  und  legt,  tregst  Dod  legti  und  oiemals  die  el-form  lo 
schreiben  zu  sein,  nur  die  ^ioe  möglichkeit  stände  noch  offen,  doe  n5g^ 
lichkeit,  die  ich  auch  durchaus  oieht  ganz  von  der  band  weiten  wollte: 
dass  nämlich  Wolfr.  den  diphti  in  eii  nnd  IM  andeft  •!•  altflt  #1  ge* 
sprochen  hätte,  etwa  ähnlich  üem  r  aus  f  enl^Undenen  ej%  sowie  dir 

Österreicher  ihr  leit  und  ge  nen,  wie  wir  utilen  üehea  werden. 

>  nach  Fischer  wären  i  tl.  ich  zlhle  :  794,  1375.  n3j.  234§. 
2382.  2763.  2895.  3423.  34«!.  Ol  74,  ^619.  3601.  4Q33.   4 (32.  4409. 

7227.  7370.  7387.  761  47.  9377.  SS50,  8905.   &91L  9740 

9954.  10393.  10556. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  357 

farmen  beute  mit  sagen  und  legen  zusammengeht  uod  nicht  mit 

klagen,   verzagen  uaa.     so  sagt  zb.   die  bair.- tirolische  mda.  von 

hnst  nach  Schatz  neben  söist,  söit  und  ksöit  auch  jöist,  jöit  und 

gjöii.     ebenso  wie  bei  Wirnt  scheint  jeü  im  Willehalm  Ulrichs 

vTarleiQ  nur  contractionsformen  zu  bilden,  und  wir  werden  unten 

bei  besprechung  der  bair.-Osterr.  gruppe  sehen,  dass  es  auch  in 

andrer  beziehung  bei  diesem  dichter  mit  dem  immer  contrahierten 

leit  zusammensteht,  näher  als  mit  seit,  neben  dem  saget  vorkommt. 

aus  Fischers  tabelle  nr  119  lernen  wir,   dass  in  dem  genannten 

gedieht  neben  12  fetV,  2  treit,  38  seit  nur  4  meit  <  maget  ^  stehn, 

kein  kleit,  verzeit  usf.,  aber  13  jeit.     ebenso  steht  im  ostfränk. 

Wolfd.  A  (s.  oben  s,  354)  nur  ein  jeit  3  sing.  91,  1  neben  der 

bekannten  dreiheit  von  leit,  treit  und  seit,  im  ostfränk.  Ernst  D 

2  jeit^   neben   6  leit,    1  treit,    3  seit  und   einem    (von   Fischer 

lab.  110  übersehenen)  meide  2794:  aber  kein  meit,  verzeit  neben 

äofserst    häufigem  maget,  verzaget,  und  endlich  reimt  in  Ronr. 

fWQrzb.s  Engeih.  (tab.  nr  118)  ein  jeit  (1244)  neben  sonst  allein 

geltenden  leit  treit  seit. 

Aufser  diesem  durchgehnden  jeit  nun  findet  sich  bei  Wirnt 
nach  bair.-Osterr.  art  gekkit  <  geklaget  (Wig.  4966)  nur  ein  ver- 
einzeltes mal  in  einem  dreireim  und  ebenso  ^in  verzeit  <  verzaget 
(8411)  neben  regelmäfsigem  geklaget  938.  2159,  klaget  2051. 
2601.  2778.  7913  und  verzaget  2778.  4372.  10801.  dem  ent- 
sprechend sagt  Wirnt  auch  zwar  daz  gefeit  (584),  ob  analogisch 
zu  gejeide,  bleibt  mir  zweifelhaft,  aber  nicht  meit  analogisch  zu 
meide  ^  :  maget  reimt  nur  zu  -aget  (saget,  gesaget,  klaget,  geklaget, 
verzaget)^  uzw.  27mal  ohne  Störung,  sodass  es  sicher  ist,  dass 
ein  *meit  bei  Wirnt  unerhört  ^     e. 

Zeigt  sich  Wirnt  auf  der  ei  te  gegen    die  bairisch- 

Osterreichische  -eiK^aget  nicht  durc  s  ablehnend,  so  steht  er  in 
«tner  andern  beschränkung  des  geh  :hs  von  contractionsformen 
nit  einer  reihe  von  westmd.  i  zusammen,     trotz  seiner 

Z%  gtleii  und  ca,  40  seit  bell  it  kein  leiten)  oder  seitein). 

ebenso  zeigt  der  Renner  nf  n  61  geteit,  17  leit,  1  geseit  kein 
leite  oder  seile,  s.  s.  348,  der  Stricker  neben  32  geleit  und  leit, 

^  dniti  kommt  noch  ein  ged  <.ged      i:  bereit  188,  17. 

*  di  Wtrtit  auch  melde  tiie  ,  hat  er  wol  mägede  ge- 

«pr^chrQ*  mBidt  etttspricbt  eiueir  le^  \  ist  sehwSbisch,  rheinisch- 
»1>iiiitmtsch  und  rfänkiich. 


358  ZWIERZINA 

25  geseit  uod  seit  kein  leite  oder  seite,  sondern  nur  1  legte  und 
9  sagte,  s.  s.  351f.  auch  die  rheinfränk.  Elisabeth  und  Er- 
lösung kennen  neben  zahlreichen  geleit  und  vereinzelten  geseit 
(s.  s.  3530  l^ein  leite  und  kein  seite.  sagete,  conj.  segete,  ist  häufig, 
daneben  legete  Elisab.  508.  622.  4459.  4945,  lohte  91.  1385. 
1468.  3538.  9097,  conj.  lehte  1608.  dass  leite  und  seite  auch 
hier  fehlen,  ist  um  so  auffälliger,  als  die  reimmOglichkeit  dieser 
formen  hier  eine  ungeheuer  grofse  ist;  denn  der  Verfasser  liebt 
die  flectierten  formen  der  subst.  in  -heit  und  lässt  aufserdem  noch 
-ei/e  und  -eide  zusammenfallen,  auch  HHimmel fahrt  Zs.  5 
bildet  das  part.  von  legen  als  geleit  1171,  das  prät  aber  heifst  nur 
Iahte  \^hl.  dazu  stimmt  ferner  noch  das  verhalten  von  Albert s 
Ulrich,  einem  südfränk.  gedieht,  das  nach  Fischers  tabelle  nr  58 
2  leit,  1  treit  und  5  seit,  aber  nur  sagete  und  nur  (s.  v  694)  legete 
kennt,  und  leite  fehlt  neben  leü,  geleit  und  treit  auch  in  Moriz 
vCraun  und  in  der  Heidin  (s.  oben  s.  348).  der  Eracl.  (s. 
s.  349)  und  Herbort  (s.  s.  347j  kennen  leite  neben  geUit,  legete 
und  Iahte  sind  ihnen  fremd. 

Ich  habe  ursprünglich  gedacht,  dass  diese  Unterscheidung 
zwischen  dem  gebrauch  von  leite  und  von  {se)Uit  ihre  erklärung 
vielleicht  darin  fände,  dass  die  ausspräche  des  neuen,  durch  cou- 
traction  entstandenen  ei  sich  in  offner  silbe  von  der  ausspräche 
des  alten  ei  stärker  unterschied  als  in  geschlossner.  dem  wider- 
spricht aber,  dass  Renner,  Elisab.  und  Erlös.,  gedichte  also,  die 
kein  leite  reimen,  dennoch  meide  und  getreide  im  reim  nicht 
scheuen  (s.  s.  348.  354).  der  grund  der  Unterscheidung  muss  wol 
darin  zu  suchen  sein,  dass  neben  älteres  md.  Iahte  erst  später 
analogisches  legete  trat  oder  Iahte  durch  dieses  tegete  ersetzt 
wurde,  während  güegit,  aus  dem  geleit  entstand,  natOrlich  schon 
von  allem  anfang  an  neben  gilaht  geltung  hatte. 

Die  alemannische  gruppe.  —  diese  gruppe  (tab. 
nr  48 — ^98)  steht  in  Fischers  abhandlung  mit  recht  im  Vorder- 
grund des  Interesses,  meine  nachtrüge  beschränken  sich  hier  auf 
wenige  eiozelheiten. 

Zunächst  ist  mehr  als  Fischer  dies  tut  zu  betonen,  dass 
Dicht  wenige  bairiscbe  and  Osterreichische  autoren,  von  frühester 
bis  in  späteste  zeit,  von  Konrad  vFufsesbrunnen  bis  Jans  Enikel, 
gerade    so    gut  wie   Alemannen    und   Franken    nur  et  <  e^. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  359 

Dicht  et  <  age,  nur  treu  leit  seit,  nicht  meü  verzeü  gekleit 
usw.  reimen,  blofs  dass  sie  dann  immer  im  gegensatz  zu  den 
AlemaDuen  und  in  Übereinstimmung  mit  den  meisten  Franken 
auch  die  uncontrahierten  formen  von  tragen  und  legen,  also  auch 
gelegt  (ireget)  neben  geleit  (treit)^  nicht  nur  geeaget  neben  geseü 
belegen  lassen  :  s.  zb.  leget: reget  Walth.  54,  13,  legest : megest 
Kindb«  1771.  auch  der  Oberpfälzer  Reinbot  gehört  in  unsre 
gruppe,  nicht  in  die,  der  Fischers  tabelle  nr  120  ihn  zuzählt, 
denn  die  part.  verüeit  3047  und  gekleit  3539  sind  falsche  le- 
sungen  des  vdHagenschen  resp.  Vetterschen  textes,  s.  Kraus  Anz. 
XXV  55 f.  natürlich  fehlt  aber  auch  bei  Reinbot  neben  leit  und 
g^ü  nicht  er  leget  (:  reget  Geo.  1025)  und  geleget  (:weget  1215. 
2061).  und  ebenso  reimt  der  Verfasser  des  Wigamur  :  blofs  treit 
leit  seit,  kein  eit<aget,  kein  meü  verzeit  trotz  sehr  zahlreicher 
wuMgei  verzaget,  jedoch  wider  das  unalemannische  gelegete  1007 
neben  Uite,  leit,  geleit.  die  heimatsfrage  scheint  mir  für  den  Wi- 
gamur noch  nicht  sicher  beantwortet  zu  sein,  nur  dass  das  ge- 
dieht nicht  nach  Alemannien  gehört,  ist  zweifellos  i.  die  frage 
ist,  wie  ich  schon  s.  274  hervorhob,  nicht  au&  den  reimen  der 
bei  vdHagen  gedruckten  Überarbeitung,  sondern. nur  aus  den 
rdmed  der  den  Originaltext  überliefernden  fragmente  Germ.  27 
und  Zs*  23  zu  beantworten,  diese  fragmente  lehren  uns  doch 
wol  auch,  dass  der  Wigamur  etwa  um  ein  halbes  jh.  alter  ist, 
als  man  ihn  bislang  anzusetzen  pflegt 

Der  gegensatz  zwischen  lautgesetzlicbeiti  meide  <  m§gede  < 
m^gidi  und  lautgesetzlichem  maget<magad  gilt  hauptsächlich  nur 
fttr  die  Franken,  sowie  für  diese  nur  noch  für  wenige  rheinische 
Alemannen  und  ein  oder  den  andern  Schwaben,  keineswegs  aber 
für  die  ganze  alemann,  gruppe,  wie  dies  aus  Fischers  darstellung 
benrnraügeha  achiene.  die  frankischen  m^d$  und  meiden  des 
Renner  (s.  s.  348),  der  fidOs.  und  Elisab.  (s.  s.  354),  des  Ernst  D 
(2794),  des  Bonus  (97),  neben  denen  kein  meiKmagei  vorkommt, 
stellen  sieb  zu  den,  nach  Fischer  ebenfalls  hauptsachlich  fran- 
kiacben  und  md.  ^etite  <  gegene  (Herb. ,  Elisab. ,  Erlös« ,  s.  tab. 
nr  14211)«  wir  beben  oben  s.  302  gehört,  dass  uns  die  reime 
akttiann.  ctiebtar  und  die  lautung  heutiger  dialekte  lehl*en ,  dass 
wir  in  alemanil« ^ej^^ne  vielfach  zweiten,  nicht  ersten  umlaut  zu 


gilt  Too  Erast  B,  der  nach  tat),  nr  57  ebenfalls  in  nosre 
pappe  fdiMt  a.  aach  oben  s.  313  anm. 


360  ZWlERZliNA 

coDstatiereu  habeu»  also  gägene  <  gagani ,  uicht  g^gene^.  im 
frSink.2  muss  das  t  der  dritteo  silbe  sich  schon  früh  das  a  der 
vorletzten  silbe  assimiiiert  haben,  sodass  die  stammsiibe  noch  pri- 
mären Umlaut  erhielt,  so  in  gegene  wie  in  megede,  denn  nur  ^ge, 
nicht  äge  wird  bei  Franken  und  Alemannen  (wie  wir  sehn  wer- 
den, im  gegensatz  zu  den  Baiern)  zu  et.  das  alemannische  ge- 
gene hat  aber  oft,  das  alemannische  megede  fast  immer  secundären 
umlaut,  sodass  auf  alemannischem  Sprachgebiet  aus  gägene  und 
mägede  natürlich  nicht  geine  und  meide  werden  konnte,  während 
meide  <cmi'gede  hier  sogar  so  obligatorisch  hätte  werden  müssen, 
wie  leite  <I^'gete, 

Dazu  stimmt  das  alemannische  reimmaterial  vollkommen,  wir 
finden  bei  so  gut  wie  keinem  altern  Alemannen  ein  die  contraction 
beweisendes  meide  oder  meiden  im  reim,  und  der  reim  wäre  so 
leicht,  bequem  und  geßlllig  gewesen  und  hätte  den  mhd.  dichtem 
gelegen  wie  kaum  ein  zweiter,  wie  ja  schon  das  verhalten  etwa 
Hugos  zeigt  (s.  oben  s.  348),  der  eben  meide{n)  sagt,  es  dann 
aber  auch  oft  genug  reimt,  bedenken  wir  doch  die  reimmöglich- 
keitenl  meiden : scheiden ,  meide : augenweide ,  meide: leide,  meide 
:  beide,  meide :heid$  usw.!  aber  weder  Hartm.,  noch  Gotfr.,  noch 
Rud.,  noch  Ulr.  vZatzikh.  oder  Ulr.  vTürh.,  noch  Fleck  ^  reimt 
meide{n).  ja  auch  die  Franken^  die  nicht  auch  zugleich  geine  zu- 
lassen, kennen  es  nicht,  zb.  nicht  Wirnt  und  nicht  Stricker«  und 
schliefslich  auch  Wolfr.  nicht,  auch  Reinbot  nicht,  auch  der  Wi- 
gamur  nicht,  natürlich  handelt  es  sich  uns  nur  um  jene  autoren, 
die  nicht  zu  gleicher  zeit  mit  meide  auch  im  nom.  acc.  sing,  meit 
sagen,  denn  die  hypothese,  dass  hier  meit  analogisch  zu  meide 
gebildet  wäre,  könnte  nur  für  jene  Sprachgebiete  geltung  haben, 

>  neben  gagani  ">  gägene  hat  es  im  adv.  aoch  ein  gegini^-g^ene 
gegeben,  das  ib.  in  Baiern -Österreich  allein  gilt,  aber  nicht  in  allen  oberd. 
gegenden  als  ahd.  entsprechung  des  mhd.  gegene  angesetst  werden  darf. 

'  ich  meine  nalflrllch  nicht :  Im  gesamten  Pranken,  sondern  :  anf  frin- 
liischem  gebiet,  denn  nicht  alle  frink.  litteraturwerlce  kennen  das  geine 
und  meide. 

*  Fleck  gehört  in  nnsre  alemsDD.  gmppe,  nicht  in  die  bair.-österr.,  in 
die  Fischers  tabelle  nrllT  ihn  setst  denn  klaiten  <.  kiageten  :  gekaiiem 
<:gelUibeUH  Flore  3216  Ist  orthognphie  des  hertosgebers,  die  hss.  schreiben 
klageUn  :gehmbHm  and  diese  leichte  nngenanigkelt  des  reims  können  wir 
Fleck  Tlel  eher  sntraoeni  als  ein  Ms^lait  und  geheiien^  welche  hier  Ja  ge- 
rade so  TcreiDielt  stflndcn,  wie  die  bindnng  von  g:h  im  3aUbigen  reim 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  361 

io  denen  ein  meide  neben  maget  stände,  also  allenfalls  für  die 
spräche  des  Renner  und  der  Erlös.,  aber  nicht  für  das  gros  der 
alemano.  dialekte.  wenn  zb.  Walth.  vRbeinau  sehr  oft  metir  4,21. 
20,  47.  23,  3  usf.  neben  maget  5,24.  9,  20.  10,  20  usf.  sagt, 
ohne  je  aufser  den  alemann.  treu  leit  seit  sich  sonst  ein  ei<age 
zu  gefttalten,  so  hat  er  dieses  meit  sicherlich  nicht  der  analogie 
zo  *Meide,  sondern  der  spräche  bair.  -  österr.  geistlicher  poesie 
entnainmen  und  es  allein  von  allen  andern  bair.-Osterr.  ei<age 
zugelassen,  weil  gerade  die  bequemere  reimform  dieses  wortes 
ihm  in  folge  des  behandelten  Stoffes  so  sehr  gelegen  kam,  sowie 
etwa  ein  und  der  andre  unter  den  spätem  Alemannen  sich  auch 
gelegentlich  ein  degen  unverzeit  aus  der  österr.  heldenpoesie  aus- 
leibt :  ich  nenne  beispielshalber  etwa  Ronrad  vStoffeln.  wer  aber 
kann  sagen,  dass  die  halr.-ösierv.  meit  <  maget  analogiebildungen 
lu  meide <mägede  seieuj  wo  doch  meide  hier  nie  ohne  begleitung 
Yon  meü  erscheint  und  überhaupt  alle  im  «ahd.  vorkommenden 
-^gei  auch  als  -eit  gereimt  werden?  warum  sollen  wir  für  meit 
<  magei  gerade  diese,  für  gekkit  <  geklaget,  verxeit  <  verzaget 
wider  jene  analogiewürkung  annehmen?  wir  werden  bei  be- 
sprechung  der  dritten  gruppe  Fischers  sehen,  dass  die  österr. 
-eü<,aget  organisch  entwickelte  formen  sein  müssen  und  nicht 
auf  analogie  zu  '^'t<eget  zurttckgehn  können. 

Auch  Konr.  vWürzburg  gehört  zu  jenen  dichtem,  die,  sowie 
kein  meit,  auch  kein  meide  reimen  i.  er  ist  uns  besonders 
interessant,  weil  die  flectierten  formen  von  maget  bei  ihm  ziem- 
lich häufig  im  versschluss  stehn,  dort  aber  immer  nur  zu  ^e- 
Urej/ede,  gAlegede,  gefegede  gebunden  werden  (s.  zb.  Lied  32,  241, 
Engelh.  2139.  2221,  Troj.  14309)  und  nie  zu  altem  -eide. 

Aufser   dem   Schwaben  Gotfr.  vNeifen,    der   nach    Fischer 

*  Koor.  TWfirzb.  gehört  ebenfalls  (wie  Reinbot  und  Fleck,  s.  obeo  8.359 
B.  SM  MUH. 3)  nicht  in  die  bair.-österr.  gruppe,  In  die  Fischer  ihn  tab.  nr  tl8 
•etst,  wegen  tüntB  f^eit^g^agei  Engelh.  1244.  Fischer  bat  nur  den  Engelh. 
hcnogesafco,  Koor.8  Terhaiten  in  den  Qbrigen  werken  lehrt  uns  aber,  dass 
mhtr  fHt-^  ja^et  kein  ei<.age  bei  ihm  belegbar  ist.  denn  Troj.  13313 
wttAeü  wir  wo]  mit  den  bss*  and  dem  beransgeber  verleget :  leget  schreiben 
Qitd  aicht  verseü.-hii  cofrigieren.  Konr.  gehört  daher,  mit  röcksicht  auf 
da«  oben  8.  357  gesagte»  •oeb  dann  zu  den  dichtem,  die  nur  ei  <  ^e,  nicht 
#j<a^e  conirfthiereOf  wenn  die  coiyectur  Haupts  an  der  genannten  Engel- 
hanlsUlle  richiig  ht  freilieh  reimt  auch  hier  gejeit:geleit<,  geleget,  es 
lioQAtr  q]$ci  ebenftUs  chi  g^'^ei  mit  analogischem  umlaut  gemeint  sein. 


360 


ZWIERZINA 


coDstaliertfi]  hab^Pr  also  gägme  <  §a§am ^  DJclit  §^§me^,  ioi 
fräok.2  musäi  das  i  der  drille»  silbe  sich  schon  früh  das  a  der 
vorletzte D  silbe  assimiliert  habeii^  sodass  ilie  Stammsilbe  noch  pri- 
mUveü  umlaui  erhielt,  $q  in  gegifts  wie  lo  megede^  deao  uur  f^e» 
nicht  äge  wird  hei  Franken  und  AtemaDnen  (wie  wir  sehn  wer- 
den,  im  gegensaiz  zu  den  ßaieru)  zu  ei.  das  alemannische  ge^ 
gene  hat  aber  olt^  das  alemannische  megede  fast  immer  gecuDdäreo 
umlaut«  sodass  auf  alemannischem  Sprachgebiet  aus  gägene  und 
mägede  Datürlich  nicht  geine  und  mHäe  werden  konnte,  während 
meide  <m^gede  hier  sogar  so  obligatorisch  hätte  werden  müssen, 
wie  UiU<Llcgete~ 

Dazu  stimmt  das  alemannische  reimmaterial  vollkommen,  wir 
Üoden  bei  so  gut  wie  keinem  altern  Alemannen  ein  die  contracltou 
heweisefides  meide  oder  meidai  im  reim,  und  der  reim  wäre  so 
leicht,  bequem  und  gefällig  gewesen  und  hätte  den  mhd.  dicht^ro 
gelegen  wie  kaum  ein  zweiler,  wie  ja  schon  das  verhalten  etwa 
Hugos  zeigt  (s.  oben  s.  348),  der  eben  meide{n)  sagt,  es  dann 
aber  auch  oft  genug  reimL  bedenken  wir  doch  die  reimmüglich- 
keiten  I  meiden :  scheiden ,  meide :  ouginweide ,  meide :  leide »  meide 
:  beide f  meide  :heide  uswj  aber  weder  Ha rtm*,  noch  Goifr*,  noch 
Rud.,  noch  CIr.  vZatzikb.  oder  Ulr,  vTUrh,,  noch  Fleck  ^  reimt 
meidei^*  ja  auch  die  Frauken^  die  nicht  auch  zugleich  geine  zu- 
Ussen,  kenneii  es  nicht,  zb.  nicht  Wirnt  und  nicht  Stricker,  uad 
scbliefslich  auch  Wolfr.  nicht,  auch  Reinbot  nicht,  auch  der  Wi- 
gamur  nicht,  natürUch  handelt  es  sich  uns  nur  um  jene  autoreu, 
die  nicht  zu  gleicher  zeit  mit  meide  auch  im  nom,  acc.  sing,  mtii 
sagen«  denn  die  hypoihese,  dass  hier  meii  analogisch  zu  meide 
gebildet  wäre,  könnte  nur  für  jene  Sprachgebiete  geltuug  haben. 


^  neben  gagam  ^  gäg^tm  hat  es  im  adv,  auch  ein  g^ini^g^g^ne 
gegeben}  dis  zb.  Id  Baierji>Osterreicb  sUein  gill^  aber  nicht  in  allen  ot^rd. 
fegenden  sli  ahd.  entspr^chung  des  mhd.  gegene  angeseUt  wercfen  darf. 

^  Ich  meine  natürlich  nicht :  Im  gesamten  Franken,  sondera  :  auf  frln- 
kf  seh  ein  (gebiet,  denn  nicht  ftlie  frank,  littera  tu  r  werke  kennen  das  geine 
und  meiäe^ 

^  Fleck  gebort  in  onsre  alemann«  gruppe,  nicht  in  die  bair,-§iterr,,  i» 
die  Fischers  lab  eile  nr  1 17  ihn  setxt,  denn  kimien  <  kt&geien  :  gehmien 
<:gehaöeUn  Flore  321S  ist  Orthographie  des  herausgebera^  die  hss.  Ächreit»en 
klage ten : gehabeten  und  diese  leichte  ungenauigkeit  des  reima  können  «rir 
Fleck  TJel  eher  lutranen,  als  ein  khHm  und  geheiten^  welche  hier  ji  ge- 
rade 10  vereinzelt  stünden,  wie   die  bindung  von  g:b  im  IsUbigen  reiro 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  361 

in  denen  ein  meide  neben  maget  stünde,  also  allenfalls  für  die 
spräche  des  Renner  und  der  Erlös.,  aber  nicht  für  das  gros  der 
alemann.  dialekte.  wenn  zb.  Walth.  vRheinau  sehr  oft  meit  4,21. 
20,  47.  2a,  3  usf.  neben  maget  5,24.  9,  20.  10,  20  usf.  sagt, 
ohne  je  aufser  den  alemann,  treit  kü  seit  sich  sonst  ein  ei<age 
zu  gestatten,  so  hat  er  dieses  meit  sicherlich  nicht  der  analogie 
zu  *meide,  sondern  der  spräche  bair.  -  Osterr.  geistlicher  poesie 
entnommen  und  es  allein  von  allen  andern  bair.-Osterr.  ei<age 
zugelassen,  weil  gerade  die  bequemere  reimform  dieses  wertes 
ihm  in  folge  des  behandelten  Stoffes  so  sehr  gelegen  kam,  sowie 
etwa  ein  und  der  andre  unter  den  spätem  Alemannen  sich  auch 
gelegentlich  ein  degen  unverzeit  aus  der  Osterr.  heldenpoesie  aus- 
leiht :  ich  nenne  beispielshalber  etwa  Konrad  vStofTeln.  wer  aber 
kann  sagen,  dass  die  bair.-Osterr.  meit<maget  analogiebildungen 
zu  meide <magede  seien,  wo  doch  meide  hier  nie  ohne  begleitung 
von  meit  erscheint  und  überhaupt  alle  im  mhd.  vorkommenden 
'Oget  auch  als  -eit  gereimt  werden?  warum  sollen  wir  für  meit 
<  maget  gerade  diese,  für  gekkit  <  geklaget,  verzeit  <  verzaget 
wider  jene  analogiewürkung  annehmen?  wir  werden  bei  be- 
sprechung  der  dritten  gruppe  Fischers  sehen,  dass  die  Osterr. 
'eit<aget  organisch  entwickelte  formen  sein  müssen  und  nicht 
auf  analogie  zu  'eit<eget  zurückgehn  können. 

Auch  Konr.  vWürzburg  gehört  zu  jenen  dichtem,  die,  sowie 
kein  meit,  auch  kein  meide  reimen^,  er  ist  uns  besonders 
interessant,  weil  die  flectierten  formen  von  maget  bei  ihm  ziem- 
lich häufig  im  versschluss  stehn^  dort  aber  immer  nur  zu  ge- 
tregede,  geklegede,  gejegede  gebunden  werden  (s.  zb.  Lied  32,  241, 
Engelh.  2139.  2221,  Troj.  14309)  und  nie  zu  altem  -eide. 

Aufser   dem    Schwaben   Gotfr.   vNeifen,    der    nach    Fischer 

>  Konr.  vWürzb.  gehört  ebenfalls  (wie  Reinbot  und  Fleck,  s.  oben  8.359 
u.  360  anni.3)  nicht  in  die  bair.-österr.  gruppe,  in  die  Fischer  ihn  tab.  nr  118 
setzt,  wegen  €\aes  gejeit<:g^ejaget  Engelh.  1244.  Fischer  hat  nur  den  Engelh. 
herangezogen,  Konr.s  verhalten  in  den  übrigen  werken  lehrt  uns  aber,  dass 
Buiser  jeit<Z  jaget  kein  ei<iage  bei  ihm  belegbar  ist.  denn  Troj.  13313 
werden  wir  wol  mit  den  hss.  und  dem  herausgeber  verzeget :  leget  schreiben 
und  nicht  verzeit :  leit  corrigieren.  Konr.  gehört  daher,  mit  röcksicht  auf 
das  oben  s.  357  gesagte,  auch  dann  zu  den  dichtem,  die  nur  ei  <  ^0,  nicht 
ei<Zage  contrahieren,  wenn  die  conjectur  Haupts  an  der  genannten  Engel- 
hardstelie  richtig  ist.  freilich  reimt  auch  hier  gejeit:geleit<. geleget ,  es 
könnte  also  ebenfalls  ein  gej^get  mit  analogischem  umlaut  gemeint  sein. 


364  ZWIERZINA 

tiger,  weDD  wir  bedenken,  dass  Hartm.  mit  diesen  bindungen  von 
ei<egi:ei  keiner  feststehenden  tradition  folgt,  denn  wer  hat  vor 
ihm  diese  reime  so  durchgreifend  zur  anwendung  gebracht?  weder 
die  uns  erhaltenen  geistlichen  noch  die  Spielmannsdichtungen  des 
12  Jhs.,  noch  Eilhart,  noch  der  Veldeker.  wenn  er  also  diese  reime 
in  die  litteratur  als  4itterarische'  erst  einführt,  dh.  sie  erst  durch 
ihn  zum  festen  erbgut  mhd.  dichtung  werden,  dann  sollten  wir 
freilich  erwarten,  dass  sie  auch  für  Hartmanns  idiom  in  dem 
hohen  grade,  den  er  sonst  für  die  reinheit  der  reime  forderte, 
rein  gewesen  seien. 

Es  scheint  nun  nach  Fischer,  als  ob  kein  einziger  alemanni- 
scher dichter,  auch  unter  den  Schwaben  keiner,  einen  anhalts- 
punct  dafür  gäbe,  dass  altes  und  neues  ei  verschieden  lauteten, 
denn  wenn  in  ein  paar  Strophen  eines  oder  des  andern  schwä- 
bischen lyrikers  sich  gerade  zuPallig  keine  oder  nur  ^ine  solche  bin- 
dung  findet,  darf  man  das  würklicb  nicht  mit  Kaufmann  pressen« 

Ich  habe  nun  doch  ^in  dichtwerk  herausgefunden,  in  dem 
altes  und  neues  ei  streng  geschieden  bleibt,  obwol  ei<ege  darin 
feststeht  ^.  es  ist  dies  der  sicher  oberdeutsche  Servatius  Zs.  5.  er 
reimt  geseit  nur  auf  geleit,  di.  geleget  1825.  2297,  seile  nur  auf 
leite,  di.  legete  1927.  2469  und  widerseit  nur  auf  vertreit,  di.  ver- 
treget  1517;  diese  reime  beweisen  ei<ege.  ich  stelle  ferner  noch 
hierher  geleit  <  geleget :  treit<  treget  521.  aget  wird  im  gedieht 
nie  zu  eit,  es  wird  nur  maget :  gesaget  337.  2817,  jagten :  klagten 
2635  und  unrein  verzagten  :  toägten  637  gebunden,  bedenken 
wir,  wie  sehr  die  auf  altes  -eit  endenden  verse  in  allen  mhd. 
dichtwerken  die  verse  an  zahl  notwendigerweise  nbertrefTen«  die 
auf  ein  wort  in  'eit<eget  ausgehn,  so  werden  wir  hier  von  zu* 
fall  nicht  sprechen  wollen,  muss  aber  deshalb  der  Servatiu» 
schon  schwäbisch  sein?  dafür  spräche  so  manches  :  vor  allem 
etwa  die  zahlreichen  reime  der  schwachen  verba  in  -o/e,  -of,  wo- 
rin das  0  immer  kurz  ist,  geradeso  wie  etwa  in  Hugos  Martina, 

oder  das  lied  ist  unecht,  wie  manche  andre  In  B  Dod  G  onter  Hartm.» 
namen  äberlieferte  lieder,  ein  drittes  gibt  es  nicht  angesichts  des  unttands, 
dass  Hartm.  in  25000  versen  a  mit  ä  nicht  ein  einziges  mal  bindet. 

^  [wie  ich  nun  bemerke,  ist  in  dem  ältesten  alem.  (also  wol  nieder* 
alem.)  denkmal,  das  die  contractions*«^  dorchginglg  belegt»  im  Schoph  vim 
dem  lone  Zs.  40,  neues  und  altes  ei  im  reim  ebenfalls  geschieden,  es  rdmt 
altes  -eit  in  sich  u«  17.  n^  30;  aber  ireit:seii  n«  1,  virtBÜ  s  ktü  <  kMi 
<hat'  in«  52.  m«  24,  treit :  heit  <  hebii  m^  U.] 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  367 

.-retV   prat.  18779,  :behendekeü  7A6ß;  reit^  <  redete  :jeü^  14560, 
:  eUhrperheit  11787;  Warnung  gereit  <  geredet  3529. 

Sonst  kennl,  abgesehen  von  Hartm.s  ganz  unsicherm  gereit, 
wofür  Bech  wol  richtiger  geseit  list,  im  reim  auf  arbeit  Er.  7049^ 
keins  der  altern  von  mir  untersuchten  gedichte  des  13  jhs. 
reii  oder  reäe  für  redet,  redetet  die  gFrau  (1549),  Konr.vWür^b. 
(s.  Woirr  zur  Halben  bim  337),  Konr.  vStofiTeln  (Gaur.  193),  Hugo 
TLangenst.  (Mart.  77,23.  103,43.  110,59.  138,10.  141,11 
usf.,  p9rt.  gerett:$tet§  33,41),  der  Büheler  (Diocl.  1209.  1451. 
1879  usf.)  reimen  rette:  bette,  wette,  allenfalls  stete  bei  denen, 
die  t  :  tt  binden,  wie  Hugo  2. 

Die  bairisch-öslerreichische  g  r  u  p  p  e.  —  diese 
gruppe  (tab.  nr  99 — 140)  ist  bei  Fischer  am  schlechtesten  fort- 
gekommeo.  hier  kann  ich  im  nachtrag  zu  Fischers  ausführungen 
beobacbtuogen  mitteilen,  die  mir  die  an  meine  materialsammlungen 
gewendete  mühe  reichlich  löhnten. 

Zunächst  muss  ein  irrtum  Fischers  berichtigt  werden,  der 
schon  weite  kreise  gezogen  hat.  Fischer  behauptet,  dass  auf 
bair.-Osterr.  boden  die  mhd.  ei<ege  und  ei<age  heute  nirgend 
in  den  bekannten  verbalformen  gesprochen  werden  und  gründet 
darauf  seine  hypothese,  dass  diese  bair.-österr.  gekUit  <  geklaget, 
verzeit  <c  verzaget  msv.  nach  dem  muster  des  alemannisch-schrift- 
deutscben  geseit,  neben  dem  das  bair.-Osterr.  gesaget  stand,  von 
den  mhd.  dichtem  zu  reimzwecken  gebildet  worden  seien,  s.  oben 
s.  346.  er  schiebt  dabei  eine  bemerkung  SchmQllers  (Bayerns 
mdaa.,  s.  Fischer  aao.),  wonach  die  ai  {a»)  für  age  in  den  auf  t  aus- 
lautenden formen  der  verba  sagen  tragen  usw.  mehr  in  den  gegen- 
den  längs  der  Alpen  als  an  der  Donau  gehört  würden,  durch  den 
hinweis   bei  seite,   dass  hier  wol   von   den   westlechischen ,   den 

*■  s.  aber  schon  Erion.  435  und   die  Vorauer  hg.  der  jJud.  153,  20^ 
155,  12.  160,  2.  166, 16.  '  die  existenz  der  form  schdte  und  Idte  für 

MekadttCj  ladete,  die  neben  schatte,  latte  steht  wie  reite  neben  rette,  sollte 
doer  petitio  priacipii  zu  liebe  nicht  angezweifelt  werden ;  s.  vBabder  Zs.  f. 
d.  ph.  12,486,  Paul  Mhd.  gramm/  §86  anm.  2).  dieses  lange  -dt<iadet 
steht  durch  den  reim  Büchl.  1765  für  Hartm.  fett,  ferner  für  Ulr.  vTörh. 
durch  den  reim  tchdten  .*0r^<£^0n  Ren new.  Alem.  17,182,205  und  für  Heinr. 
TTori.  durch  den  reim  Idten :  tdten  Ktont  481,  denn  schatten  oder  tchaten 
(resp.  latten  oder  taten)  :  -dten  wäre  ein  bei  diesen  dichtem  unerhörter  reim, 
weniger  beweisend  ist  Idt  <i  ladet :  hdt  in  Ulr.  YTärleins  Wh.  xcv  2,  denn 
dieser  reimt  im  stumpfen  reim  auch  at :  dt,  s.  Singer  s.  iiv. 


366  ZWIERZINA 

gegend,  aus  der  Rud.  stammen  mag,  heute  ei<ege  und  ahd.  ei 
geschieden  sind,  weifs  ich  nicht,  daher  ist  das  gleiche  verhalten 
eines  Schwaben,  des  Türheimers,  noch  interessanter,  dieser  reimt 
treu  zu  altem  -eit  Trist.  500,4.  570,11,  geleü  ebenso  Trist. 
542,39.  585,23,  Reunew.  Pf.  Oh.  46,342.  51,818,  Lohm. 
765.  820,  seit  Trist.  543,25.  576,31,  Rennew.  Zs.  f.  d.  ph. 
13,  120',  7,  geseü  Trist.  524,  19.  534,  21.  536,  37.  549,  10. 
5S7,  39,  Rennew.  Roth  325,  129,  Lohm.  542.  ferner  bildet  Ulr. 
auch  ^eiKedet  {reit)  und  'eit<ebet  (heit,  s.  oben  s.  113),  auch 
diese  gehören  natürlich  unter  den  gleichen  gesichtspunct.  es 
reimt  heit<hebet  zu  altem  ^eit  Trist.  498,  5.  500,  39,  Rennew. 
Heidelb.  hs.  183'.  246**  i.  nur  Trist.  569,  25  reimt  geseit :  treit, 
508,  15  gereit  <  geredet :  ungeseit,  568,  11  und  Rennew.  Heidelb. 
hs.  181*  heit  <  hebet :  geseit.  auch  das  nach  Ulrichs  art  apoko- 
pierte  prät.  reimt  zu  altem  -eit,  so  leit§:  bereit  adj.  Rennew.  Pf. 
Ob.  46,411,  mt^:reit,  prät.  von  riten.  Trist  526,35,  heit^<hebete 
:kleit  Rennew.  Heidelb.  hs.263*.  aber  die  vollen  präterita  in  -eit$<z 
-egete,  edete,  -ebete  reimen  nur  in  sich  {reite <.redete : seite  Trist. 
557,17,  ;  ÄeiYe  <  A«6e/c  575, 27,  A«/«<Ae66re;»«7c  Trist.555,  25. 
583,  27)  und,  wenigstens  soweit  ich  Ulrichs  gedichte  kenne,  nie- 
mals zu  altem  -eite,  obwohl  es  an  reimgelegenheit  nicht  gefehlt  hätte. 
heit{e)  für  hebet(e)  kann  ich  aufser  beim  Türheimer  bei  keinem 
der  von  mir  untersuchten  dichter  nachweisen  ^.  denn  dass  geh$item 
Flore  3255  falsche  Orthographie  des  herausgebers  ist,  wurde  schon 
oben  s.  360  anm.  3  hervorgehoben,  reit  und  reife  reimen  auch  gerade 
nicht  viele.  Freidank  80,15;  Konr.  vHeimesf.  gereist <:gerede$t:  du 
seiet  Urst.  109,  40.  120, 55;  ^eretY  <  geredst :  gdeit<gdeget  UrsL 
108,  16.  114,  77;  Konr.  vFussesbr.  reist < rsdsst :  du  seist  883; 
gereit  <  geredet :  leit  adj.  1591,  :  geseit  2363.  2693;  Wolfd.  A 
gereit < geredet :  geseit  17,  1;  Reinbot  er  reit < redst :  gdsgmiheif 
3355;  Heinr.  vTürlein  er  reit :  gewonheit  Krone  922,  cireU  5. 
4343,  :gdeit  3203,  :jeit  6058;   gereit  <geredsi  :hersii  A6T  4^ 

*  die  beispiele  aas  dem  ReDnew.  Heidelb.  iw.  entnehm  ich  Lachmanns 
au8w.  s.  IX  BDRi.  — i  Kl.  sehr,  i  362.  RMMeyer  hatte  die  grolke  gflte,  mir 
Lachmanns  citate  nach  der  an  der  kg),  bibliotbek  iD  BcrHo  ittfiadlicbeB  •!>- 
Schrift  seines  codex  zn  versificieren. 

'  [aus  dem  12  jh.  stellen  sich  zn  den  1. 114  genannten  beitplflco  an» 
der  Millst.  hs.  der  Hochzeit  noch  die  oben  s.  364  anm.  Tendchneten  idme 
des  Schoph  von  dem  Idne,  ans  spitrer  zeit  etwa  die  ksU  und  k&iSe  bd 
Heinr.  vBeringen,  s.  Zimmennanna  ansg.  s.  402.] 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  367 

.-retif  prat.  18779,  :behendekeii  7A6&;  rett§<redeie  :jeü§  14560, 
:dihrperhmt  11787;  Warnung  gereii  <  geredet  3529. 

SoDsl  kennt,  abgesehen  von  Hartm.s  ganz  unsicherm  gereii, 
wofür  Bech  wol  richtiger  geeeit  list,  im  reim  auf  arbeit  Er.  7049^ 
keins  der  altern  von  mir  untersuchten  gedichte  des  13  jhs. 
reü  oder  reite  für  redet,  redete  K  die  gFrau  (1549),  Konr.vWürsb. 
(s.  WolfT  zur  Halben  bim  337),  Konr.  vStofiTeln  (Gaur.  193),  Hugo 
vLangenst.  (Mart.  77,23.  103,43.  110,59.  138,10.  141,11 
usf.,  p9rt.  gerett:$tst§  33,41),  der  Büheler  (DiocI.  1209.  1451. 
1879  usf.)  reimen  rette:  bette,  wette,  allenfalls  stete  bei  denen, 
die  t:tt  binden,  wie  Hugo  2. 

Die  bairisch-Osterreichische  g  r  u  p  p  e.  —  diese 
gmppe  (tab.  nr  99 — 140)  ist  bei  Fischer  am  schlechtesten  fort- 
gekommen, hier  kann  ich  im  nachtrag  zu  Fischers  ausführungen 
beobacbtungen  mitteilen,  die  mir  die  an  meine  materialsammlungen 
gewendete  mühe  reichlich  löhnten. 

Zunächst  muss  ein  Irrtum  Fischers  berichtigt  werden,  der 
schon  weite  kreise  gezogen  hat.  Fischer  behauptet,  dass  auf 
bair.-Osterr.  boden  die  mhd.  ei<ege  und  ei<age  heute  nirgend 
in  den  bekannten  verbalformen  gesprochen  werden  und  gründet 
darauf  seine  hypothese,  dass  diese  bair.-Osterr.  gekleit  <  geklagit, 
verzeii  <iverzaget  us\v.  nach  dem  muster  des  alemannisch-scbrift- 
deutschen  ^^esetlr,  neben  dem  das  bair.-Osterr.  gesaget  stand,  von 
den  mhd.  dichtem  zu  reimzwecken  gebildet  worden  seien,  s.  oben 
S.346.  er  schiebt  dabei  eine  bemerkung  Schm^llers  (Bayerns 
aidaa.,  a.  Fiacher  aao.),  wonach  die  ai  (oa)  für  age  in  den  auf  t  aus- 
hatenden  formen  der  verba  sagen  tragen  u  jw.  mehr  in  den  gegen- 
den  Uinga  der  Alpen  ala  an  der  Donau  gehört  würden,  durch  den 
liinweia  bei  seite,  dass  hier  wol  von  den  westlechischen ,  den 

1  8.  aber  scbon  Erian.  435  ond  die  Voraiier  bt.  der  jJnd.  153,  2(1 
155, 12.  160, 2.  106, 16.  '  die  ejdsleos  der  form  s^Me  and  Utte  fOr 

imibU,  die  neben  MAafC»,  hUe  steht  wie  f0«9  neben  nH»,  tollte 

tr  fietitio  principii  xu  Itebe  riichl  aiigezweifHl  werden;  ».  vBabder  2s.  L 
dL  ph*  l^t^!^tj,  Paul  Mhd,  ({rAEnm/  §  8G  aum.  2).  dieses  jaDge  *dt<aM 
•lebt  durch  dea  reim  HüchL  176^  Hu  Harim.  fest,  ferner  für  Ulr.  vTüflu 
ioic))  den  reim  tcftdtm  tt^rMiert  Bennew.  AI«m.  17,182^205  und  für  Heior* 
vTörL  durch  den  reJni  idifimidUn  Krone  48U  deon  Mchaiten  oder  »thai$m 
I  tK^p.  /olfen  oder  laien)  :  -dUm  war«  ein  bei  diesen  dich  lern  uii  erhörter  reiB. 
I  Vfiif^er  beweisend  \%X  IdKtad^tihdi  in  Uk.  vTarle^ns  Wh.  t^s  2, 
I      HeMt  reimi  im  »lumpfen  feim  lucti  at  .* äi^  %*  Singer  s.  xn. 


36S  ZWIERZINA 

schwäbischen  mdaa.  Baierns  und  nicht  vom  bairischen  die  rede 
wäre,  aber  wenn  ich  auch  davon  absehe,  dass  diese  auffassuo^ 
nach  Zusammenhang  und  ausdrucksweise  Schmellers  hier  unmög- 
lich scheint,  so  lässt  sich  das  vorkommen  der  contractionsformen 
von  mhd.  saget,  traget  (das  ist  die  bair.-österr.  form,  nicht  traget) 
und  nach  analogie  zu  saget  von  mhd.  fraget  in  österr.  mdaa. 
direct  nachweisen,  uzw.  wird  hier  gsoat  troat  froat^  mit  genau 
demselben  laut  gesprochen,  der  auch  altes  mhd.  ei,  bair.-österr. 
ai  widergibt,  die  bair.-österr.  reime  von  mhd.  geseit,  treit  zu 
allem  -eit  können  uns  also  nicht  wander  nehmen ''.  WNagl  gibt 
(Blätter  d.  ver.  f.  landesk.  von  Niederösterr.  25  [1891],  111)  in 
seinen  aufsätzen  über  *das  hohe  a'  an,  dass  froad  soad  troad 
'fragt  sagt  tragt'  in  verlassenen  gegenden,  bei  ungebildeten  und 
abgeschlossenen  menschen  in  Oberösterreich,  Salzburg  und  Baiern 
gehört  werde,  das  klingt  ja  etwas  sonderbar;  aber,  lassen  wirs 
auch  auf  sich  beruhen,  wie  es  mit  verkehr  und  'bildung'  dieser 
leute  vom  lande  steht,  von  denen  Nagl  seine  froad,  soad  und 
troad  gehört  hat,  gehört  hat  er  sie  in  Oberösterreich,  Salzburg 
und  Baiern,  das  muss  wol  feststehen,  und  nun  find  ich  tatsäch- 
lich in  den  mundartlichen  gedichten  von  Franz  Stelzhamer,  einem 
Oberösterreicher  aus  dem  Innviertel,  der  nicht  nur  für  einen  der 
besten,  sondern  auch  für  einen  der  sprachlich  zuverlässigsten  unter 
den  österr.  dialektdichtern  gelten  darf,  stets  gsait  (mit  ai  gibt 
Stelzhamer  das  mhd.  ei,  bair.  oa  wider),  saist,  sait,  gfrait  für 
nhd.  gesagt,  sagst,  sagt,  gefragt  geschrieben,  mir  steht  zu  citat- 
zwecken  augenblicklich  nur  der  text  von  den  proben  Stelzhamerscher 
poesien  zur  Verfügung,  die  in  KBienensteins  Dialektdichtung  der 
deutsch- Osterreichischen  Alpen,  Wien  o.  j.  s.  910*  aufgenommen 
sind,  aber  es  handelt  sich  ja  vor  allem  um  die  einfache  consta- 
tierung  der  fraglichen  formen  im  oberösterr.  dialekt  und  dafür 
werden  auch  diese  citate  genügen,  wir  finden  also  in  'Hein 
Mfledar  s.  91  str.  3  Und  hat  ^sait,  str.  4  Mein  Vada  hat  g'sait, 

*  ich  sehreibe  immer  oa  fflr  die  mundartliche  entsprecbaog  des  mhd. 
ei  in  Baiem-Österreich,  ond  lasse  die  oaaDcen  der  verschiedenen  lautschriften, 
die  fflr  nns  hier  nicht  in  betracht  kommen,  aufser  acht. 

'  darnach  leg  ich  zanichst  keinen  wert  aof  die  tröU  ksöit  glö'ii  osw., 
die  Schats  aoa  der  mda.  Ton  Imst  §•  103  belegt,  diese  öi  für  altes  0i<iege 
bleiben  itreng  geschieden  Ton  der  Imster  entsprechung  {oa)  des  ahd.  ei,  ai. 
wibicnd  ein  ilterei  ei<.agi  in  mhd.  wieUter  ond  getreide  als  moaüor 
«Dd  it9ad  anch  hier  dem  alten  ahd.  af,  ai  gleich  ist,  s.  Schats  s.  60. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  369 

«tr.  6   Und  hoi  g'sait,  d.  92  sir.  8  Wos  t  g'sait  han,  s.  93  str.  22 

A  MoM  Auf's  g'sait,  in  *D0  sehen  Kellnarin'  s.  95  str.  2  Han  i  Hunga, 

md&i  :  i9s,   in  'Droi  Wiegngsangr  s.  98  3  str.  1  Du  saist  not  na, 

dig  Htwr  not  jfo,  im  'FrOehlingsgsangr  s.  100  Da  Amuxel  frait  Wo 

ri^  IM  han  und  gern.  Und  da  Gießvogel  mit  Daß 's  hol  rögnat 

mird  wem.    alle  diese  beispiele  in  wenigen  kunsen  gedichten  auf 

s.  91 — 105  der  genannten  anthologie.    daneben  steht  hier  kein 

^eagi  oder  taget,    aber  SteUhamer  schreibt  nur  gflögt  fOr  nhd. 

felegi  (s.  ab*  Bienenstein  s.  98  str.  1),   nie  g'lait,  was  wir  uns 

<laraufbiii  merken  wollen,  dass  gesaget  und  gekget  hier  in  Osterr. 

gegend  gesonderte  wege  gehn.    jedoch  nicht  nur  bei  StelEhamer, 

sondern  auch  bei  andern  österr.  dialektdichtern  lassen  sich  diese 

geait  (^eai)  usw.  nachweisen,    so  steht  in  derselben   Sammlung 

Bienensteins  s.  134  bei  Ludwig  Luber,  der  ebenfalls  im  Inn viertel 

zu   bause  war :  sait  da  KofSteß,  s.  164  bei  Johann   Kirchmeyer 

A$ö  hat  tamaeht  ißt  Ahnt  gseat  im  reim  auf  Ham's  Kind  draf  gsundö 

eina  ghat  (hier  also  auch  gtlait  neben  gesait)  und   s.  192  im 

^Saliburgabua'  Frant  Scheierls  Den's  nit  Plutterhirn  troat  (di.  trdgt, 

oder  vielmehr  Osterr.  tragt)  im   reim  auf  %'  hreat  di.  zu  breit. 

frenn  ich  noch  hinzufoge^  dass  SSinger  mich  auf  du  seast  ua. 

im  rein^biirischen  Tirol  zb.  bei  DOrler  Sagen  aus  Innsbrucks  um* 

geboBg  s.  42  hinweist  [s.  jetzt  Singer  Die  mhd.  Schriftsprache 

Zürich  1900,  8.  22  anm.  56],  so  werden  wir  wol  behaupten  dürfen, 

dem  diese  in  Verhandlung  stehnden  Terbalformen  unserm  dialekt 

4iidit  fihr  heute  und  far  alle  Zeiten  abgesprochen  werden  können. 

Damit  ist  natürlich  nicht  geleugnet«  dass  die  balr.-Dsterr. 

geoat  und  troat  auf  weiten  gebieten  der  mda.  heute  nicht  mehr 

▼erttommen  werden;  da  aber  territoriale  reste  des  geltungsgebiets 

«Ott  boin-osterr.  gsoat  und  troat  in  verschiedenen  gegenden  nach^ 

weisbar  sind,  so  werden  wir  den  contrast  zwischen  den  so  häufigen 

feeeit,  geUeit  usw.  im  reim  der  Osterr.-bain  dichter  des  13  und 

14  jbi*  iiiMi  dem  Überwiegenden  gebrauch  des  heutigen  dialekts 

wol  enden  zu  fessen  haben  als  Fischer  dies  tut. 

Ich  meine  aho,  dass  die  formen  mhd.  gessit^  treu,  ferner 
fiicfeil,  eerzeit  osw.  bei  bain^sterr.  dichtem  in  ihrer  mda.  wol 
begrOadet  waren,  nur  die  moglichkeit  geh  ich  zu,  dass  die  dichter 
dieie  femett  ihrer  becjoemen  reimgestalt  halber  sich  vielleicht 
aoagiebiger  tonotie  gemacht  haben ,  als  es  die  Verhältnisse  der 
feinen  mde«  eigentlieh  gestattet  hatten,  denn  dass  neben  ^eit  <  aget 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXU.  25 


368  ZWIERZINA 

schwäbischen  mdaa.  Baierns  uod  nicht  vom  bairischen  die  rede 
wäre,  aber  wenn  ich  auch  davon  absehe,  dass  diese  auffassung 
nach  Zusammenhang  und  ausdrucksweise  Schmellers  hier  unmög- 
lich scheint,  so  lässt  sich  das  vorkommen  der  contractionsformen 
von  mhd.  saget,  traget  (das  ist  die  bair.-österr.  form,  nicht  traget) 
und  nach  analogie  zu  saget  von  mhd.  fraget  in  (Ssterr.  mdaa. 
direct  nachweisen,  uzw.  wird  hier  gsoat  troat  froat^  mit  genau 
demselben  laut  gesprochen,  der  auch  altes  mhd.  ei,  bair.-österr. 
ai  widergibt,  die  bair.-österr.  reime  von  mhd.  geseü,  treit  zu 
altem  -etY  können  uns  also  nicht  wander  nehmen  2.  WNagl  gibt 
(Blätter  d.  ver.  f.  landesk.  von  Niederösterr.  25  [1891],  111)  in 
seinen  aufsätzen  über  ^das  hohe  a'  an,  dass  froad  soad  troad 
*fragt  sagt  tragt'  in  verlassenen  gegenden,  bei  ungebildeten  und 
abgeschlossenen  menschen  in  Oberösterreich,  Salzburg  und  Baiern 
gehört  werde,  das  klingt  ja  etwas  sonderbar;  aber,  lassen  wirs 
auch  auf  sich  beruhen,  wie  es  mit  verkehr  und  'bildung'  dieser 
leute  vom  lande  steht,  von  denen  Nagl  seine  froad,  soad  und 
troad  gehört  hat,  gehört  hat  er  sie  in  Oberösterreich,  Salzburg 
und  Baiern,  das  muss  wol  feststehen,  und  nun  find  ich  tatsäch- 
lich in  den  mundartlichen  gedichten  von  Franz  Stelzhamer,  einem 
Oberösterreicher  aus  dem  Innviertel,  der  nicht  nur  für  einen  der 
besten,  sondern  auch  für  einen  der  sprachlich  zuverlässigsten  unter 
den  österr.  dialektdichtern  gelten  darf,  stets  gsait  (mit  ai  gibt 
Stelzhamer  das  mhd.  ei,  bair.  oa  wider),  saist,  sait,  gfrait  für 
nhd.  gesagt,  sagst,  sagt,  gefragt  geschrieben,  mir  steht  zu  citat- 
zwecken  augenblicklich  nur  der  text  von  den  proben  Stelzhamerscher 
poesien  zur  Verfügung,  ^ie  in  KBienensteins  Dialektdichtung  der 
deutsch- österreichischen  Alpen,  Wien  0.  j.  s.  91  ff  aufgenommen 
sind,  aber  es  handelt  sich  ja  vor  allem  um  die  einfache  consta- 
tierung  der  fraglichen  formen  im  oberösterr.  dialekt  und  dafür 
werden  auch  diese  citate  genügen,  wir  finden  also  in  'Mein 
Müedal'  s.  91  str.  3  Und  hat  g*sait,  str.  4  Mein  Vada  hat  g'sait, 

'  ich  schreibe  immer  oa  für  die  mundartliche  entsprechung  des  mhd. 
ei  in  Baiern-Osterreich,  und  lasse  die  nuancen  der  verschiedenen  lautschriften, 
die  für  uns  hier  nicht  in  betracht  kommen,  aufser  acht. 

'  darnach  leg  ich  zunächst  keinen  wert  auf  die  tröit  ktöit  glöit  usw., 
die  Schatz  aus  der  mda.  von  Imst  s.  103  belegt,  diese  öi  für  altes  ei<i^e 
bleiben  streng  geschieden  von  der  Imster  entsprechung  {oa)  des  ahd.  ei,  ai, 
während  ein  älteres  et  <  agi  in  mhd.  meitter  und  getreide  als  tnoaitor 
und  troad  auch  hier  dem  alten  ahd.  et,  ai  gleich  ist,  s.  Schatz  8.  60. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  369 

^r.  6   Üni  ha  g'saü,  ».  92  str.  8  Was  t  g'sait  han,  s.  93  dir.  22 

A  moM  hut$  g'iäit,  in  *D<)  scheu  Kellnarib'  8. 95  str.  2  Han  t  Hunga, 

mdm  :  te,  in  'Droi  WiegogsangF  s.  98  3  str.  1  Du  im$t  not  na, 

«in  soür  not  ja,  im  'Frtlehiingsgs&Dgr  s.  100  Da  Amuxel  frait  Wo 

tit^  Heb  han  ¥nd  gern,  Und  da  Gießvogel  Mit  Daß 's  bal  rögnat 

mb^  ir^ni.    all«  diese  beispiele  in  wenigen  kurzen  gedichten  auf 

s.  91^^105  der  genannten  anthoiogie.    daneben  steht  hier  kein 

^^iUfi  oder  tagst,    aber  Stelzhamer  schreibt  nur  glögt  für  nhd. 

gdegi  (s*  tb.  Bienenstein  s.  98  str.  1),    nie  sff^it,  was  wir  uns 

daraulbifi  merken  wollen,  dass  gesaget  und  geleget  hier  in  Osterr. 

gegend  gesonderte  wege  gehn.    jedoch  nicht  nur  bei  Stelthamer, 

soödern  auch  bei  andern  österr.  dialektdichtem  lassen  sich  diese 

gmiii  (gsotU)  usw.  nachweisen,    so  steht  in  derselben   Sammlung 

Bieoensteins  s.  134  bei  Ludwig  Luber,  der  ebenralls  im  Innviertel 

zu    liause  war :  sait  da  Blo/Sieß,  s.  164  bei  Johann   Kirchmeyer 

A$ö  h4Bt  eomaeht  ifÄhnl  gioat  im  reim  auf  Ham's  Kind  draf  gmndö 

etfia   ghat  (hier  also  auch  gelait  neben  geeait)  und  s.  192  im 

^Sftltburgaboa'  Frant  Scheierls  Den's  nit  Plntt$rbirn  troat  (di.  trägt, 

oder  vielmehr  Osterr.  tragt)  im   reim  auf  s'  brsat  di.  zu  breit, 

weoo  ich  noch  hinzufüge^  dass  SSinger  mich  auf  du  sMst  ua. 

im  reiO'-bairischen  Tirol  zh.  bei  Dorler  Sagen  aus  Innsbrucks  um* 

gebuBg  s.  42  hinweist  [s.  jetzt  Singer  Die  mhd.  schriflsprache 

Zürich  1900,  s.  22  anm.  56],  so  werden  wir  wol  behaupten  dürfen^ 

daw  diese  in  rerhandlung  stehnden  verbalformen  unserm  dialekt 

4iicht  für  heute  und  für  alle  zeiten  abgesprochen  werden  können. 

Damit  ist  natürlich  nicht  geleugnet ,  dass  die  bair.^sterr. 

f$oai  und  troai  auf  weiten  gebieten  der  mda»  heute  nicht  mehr 

▼emommea  werden;  da  aber  territoriale  resie  des  geltungsgebiets 

von  bain-'österr.  gmat  und  troat  in  verschiedenen  gegenden  nach*- 

weisbar  sind,  so  werden  wir  den  contrast  zwischen  den  so  häufigen 

^isffl,  gMeü  usw.  im  reim  der  österr.-bair»  dichter  des  13  und 

14  jhs«  und  dem  überwiegenden  gebrauch  des  heutigen  dialekts 

wol  anders  zu  fassen  haben  als  Fischer  dies  tut. 

Ich  meine  also,  dais  die  formen  mhd.  geeeit^  treu,  ferner 
gekkit,  verzeit  usw.  bei  bair.^osterr.  dichtem  in  ihrer  mda.  wol 
begründet  waren,  nur  die  mogliclikeit  geh  ich  zu,  dass  die  dichter 
diese  formen  ihrer  bequemen  reimgestatt  halber  sich  vielleicht 
ausgiebiger  zunutze  gemacht  haben  ^  als  es  die  Verhältnisse  der 
reinen  mda.  eigentlich  gestattet  hatten»  denn  dass  neben  ^eit<aget 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXII.  25 


370  ZWIERZINA 

immer  auch  das  unveränderte  -aget  stand,  ist  stark  zu  betonen, 
und  darin  ligt  der  grund,  warum  die  et-formen  durch  die  ^-formen 
in  den  meisten  einzelmdaa.  des  bair.-österr.  gebiets  verdrängt 
worden  sind,  wir  müssen  doch  bedenken,  dass  hier  der  system- 
zwang, die  analogie  zu  den  formen,  in  welchen  denselben  verbis 
nur  g  zukam  :  dem  inf.  sagen  klagen  verzagen  usw.,  der  1  sing. 
sage  klage  verzage  usw.,  dem  plural  wir  sagen,  si  sagent  usw., 
und  nicht  zuletzt  auch  die  analogie  zu  vom  selben  stamm  gebildeten 
nominibus,  wie  diu  klage,  klagebcere,  der  zage,  zagehaft  usw.  not- 
wendig einwürken  musten.  auch  die  erscheinung  kann  nicht 
aufTallen,  dass  fast  allen  mhd.  dichtem  aus  Baiern  und  Österreich 
geseit  neben  gesaget,  aber  nicht  allen  zugleich  mit  geseit  auch  alle 
andern  -eit  <  aget,  sondern  einmal  etwa  neben  geseit  nur  nocb 
gekleit  und  gejeit,  aber  nicht  auch  verzeit,  hdieit,  heteit  und  die 
andern  eigen  sind  (s.  oben  s.  346),  wenn  wir  auch,  das  gesammte 
Sprachgebiet  ins  äuge  fassend,  sagen  können,  dass  für  jedes  mhd. 
-aget  bei  einem  oder  dem  andern  bair.-österr.  autor  auch  das 
zugehörige  -eit  belegbar  ist.  in  dem  häufigsten  worte,  dessen 
aus  dem  system  herausfallende  form  am  häufigsten  im  munde  war, 
hat  sich  die  dem  schema  widersprechende  gestalt  eben  auch  am 
intensivsten  durchgesetzt  und  war  am  wenigsten  der  beeinflussung 
durch  die  analogie  der  andern,  der  ^formen  ausgesetzt,  deshalb 
steht  ja  auch  den  leit  und  treit  in  Alemannien  kein  heweiK.he-- 
weget  und  reit<.reget  gegenüber,  dem  lit  ke\abewit<:bewigetus^.^ 
wie  schon  JGrimm  Gramm,  i  862  neudruck  richtig  erkannt  hat. 

Aber  auch  die  frage  können  wir  beantworten,  warum  in 
Alemannien  sich  die  et-formen  im  dialekt  allgemeiner  hielten  als 
in  Österreich,  obgleich  dich  auch  dort  'gut  mundartliche  neu- 
bildungen'  wie  lekt  gUkt  nach  l^g  l^g9  statt  lait  glait  hie  und  da 
constatieren  lassen,  wie  in  Basel-Stadt,  s.  Heusler  s.  68.  das  hängt 
klärlich  damit  zusammen,  dass  es  hier  früher  neben  geleit  leit  leüe 
und  treit  kein  geleget  leget  legete  und  treget  gegeben  hat,  wodurch  die 
«i-formen  von  leit  treit  und  auch  von  seit,  das  im  alem.  umge- 
kehrt saget  vielfach  verdrängte,  eine  stütze  bekamen,  die  ihnen 
in  Baiern-Österreich  fehlte,  wo,  insofern  es  überhaupt  ein  ei<:ege 
gab,  dieses  erstens,  wie  ich  schon  mehrfach  betont  habe  (s.  s.  346  uO.)« 
nicht  obligatorisch  war  und  .sweitens  sich  von  den  ei<age  in 
vielen  gegendeD,  wie  wir  sehen  werden,  lautlich  unterschied. 

In  den  einielnen  nominibus,  bei  denen  die  würkung  des 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  371 

systemzwangs  nirgend  einsetzen  konnte,  wie  meister,  getreide  ua. 
hat  sich  nun  auch  im  bair.-Osterr.  dialekt  die  contractionsform 
allenthalben  bis  heute  erhalten,  auch  das  spricht  wol  dafür,  dass  wir 
es  in  den  mh6.  ei<:ege,  a^e  der  Österreicher  nicht  mit  Alemannen 
nachäffenden  analogien  der  dichtersprache  zu  tun  haben. 

JSchatz  bat(Imster  mda.  s.  60  f  und  103)  darauf  aufmerksam 
gemacht«  dass  im  Imster  bairisch  die  mhd.  meister  und  getreide 
als  moastn  und  troGd  mit  dem  dipbthong  gesprochen  werden,  wie 
mhd.  et,  dagegen  der  dipbthong  in  söist  ksöit  gjöit  glöit  tröit  sich 
davon  wesentlich  unterscheidet,  und  Schatz  erklärt  sich  dies  daraus, 
dass  in  meister  und  getreide  das  ursprüngliche  agi  frühe  zu  et,  ai 
geworden  sei,  dass  g  hier  wahrscheinlich  schon  palatalisiert  und  ge- 
schwunden sei,  ehe  a  umgelautet  war.  darnach  entspräche  in 
dieser  mda.  bair.  at<  mhd.  et  dem  alten  agi,  dem  aus  §gi  contra- 
hierten  dipbthong  aber  ein  anderer  t-haltiger  laut,  der  Imster  dialekt 
steht  dabei  nur  insoweit  zu  den  alemann,  dialekten,  dass  hier  die 
contractionsformen  von  sagen  (übrigens  auchja^en  s.  oben  s.  357) 
auf  ^^-formen  zurUckgehn,  nicht  wie  in  den  bair.-österr.  mdaa., 
den  meisten  wenigstens,  auf  a^e-formen. 

Wollen  wir  Scbatzens  erklärung  auf  die  bair.-österr.  -et7  (resp. 
'ait)<:aget  der  alten  dichter  übertragen,  also  auf  meit<:maget, 
geseit  <  gesaget,  verzeit<  verzaget  im  reim  zu  altem  -eit,  so  müssen 
wir,  da  t-quahtätfür  den  dem  später  palatalisierten  guttural  folgenden 
unbetonten  vocal  wol  durchaus  notwendig  ist,  annehmen,  dass 
flui^e^  gesaget  verzaget  usw.  nach  analogie  von  mägidi  einerseits 
und  den  schwachen  participien  der  ersten  conj.  anderseits  ein 
magit  gesagit  verzagit  als  nebenform  entwickelt  haben  ^  diese 
formen  traten  neben  die  alten,  als  die  erste  umlautsperiode  bereits 
abgeschlossen  war,  und  erhielten  daher  zweiten  umlaut,  worauf 
-ägü  lautgesetzlich  auf  bair.-Osterr.  boden  zu  -eit,  -ait^  -oat  wurde. 
dieser  neue  dipbthong  fiel  mit  dem  alten  et,  ai,  oa  zusammen,  die 
alten  auf  -agad,  -agit  usw.  zurückgehnden  formen  bestanden 
aatflriicb  daneben  weiter;  in  der  mda.  einzelner  districte  oder 
anch  einzelner  menschen,  in  gewissen,  vor  allem  den  weniger 
baoflgen  Worten  blieben  sie  eventuell  sogar  allein  gültig. 

Wir  können  nun  auch  Scbatzens  erklärung  der  Imster  moastdr 
und  traad  dahin  modiflcieren,  dass  auch  hier  vielleicht  g  palatali- 

*  wie  Ja  aacb  bei  maocheD  aufserbair.  mhd.  dichtem,  zb.  Konr.  vWurzb., 
9erM€g&n  adgl.  neben  vertagen  steht,  s.  zb.  oben  s.  361  anm. 

25* 


l 


372  ZWIERZINA 

biert  wurde  und  schwand,  nicht  als  das  a  noch  unverändert  a 
war^  sondern  als  das  a  auf  seinem  wege  zu  geschlossenem  e  sich 
erst  auf  der  stufe  ä  befand,  wir  können  dann  im  bair.-österr. 
mehrere  stufen  der  contraction  über  g  unterscheiden,  uzw.  wurde 
zuerst  in  einigen  bestimmten  Worten,  in  Imst  zb.  in  magister  und 
gitragidi^y  g  palatalisiert  und  die  uns  interessiernde  lautgruppe 
contrahiert,  als  a  noch  nicht  zn  e  umgelautet  war,  sondern  auf 
meinem  wege  zu  e  erst  bei  offenem  ä  hielt,  in  andern  Worten, 
in  denen  systemzwang  oder  Seltenheit  des  gebrauchs  die  contraction 
zuerst  vereitelte,  wurde  altes  agi  erst  dann  zusammengezogen,  als 
a  schon  zu  geschlossenem  e  umgelautet  war,  also  sagen  wir  etwa 
altes  gilagit  bereits  zu  gilegit  geworden  war.  der  aus  egi  ent- 
stehude  laut  unterschied  sich  von  dem  aus  df^' contrahierten:  nur 
dieser,  nicht  jeuer.  fiel  mit  allem  ei  zusammen,  noch  später  aber 
waren  nun  infolge  analogischer  Verdrängung  alter  endangs-  und 
ableilungssilben  in  -ad,  -St,  -öt  usw.  durch  ^id  und  -fY  neben 
«ine  reihe  alter  -agad,  -ag^t,  ^agöt  jüngere  -agit  und  mit  secuu- 
darem  umlaut  'ägit  getreten,  welche  ^ägit  nun,  wo  systemzwang 
sich  nicht  durchsetzte,  wider  zu  'tu,  -ait  mit  dem  alten  «t-laut 
werden  konnten,  wie  die  früheren  ahd.  -Äji-,  "ägid-  zn  -«-,  -«rf- 
geworden  waren  ^.  diese  entwicklung  von  -ägi-  zu  -ei-  ist  etwas 
speciell  bair.- österreichisches 3,  weder  auf  alem.  noch  auf  fränkischem 
gebiet  (von  den  ostmd.  dialekten  moss  ich  hier  absehen)  wird  aufser 
■e^t  auch  ägi  contrahiert  (s.  oben  s.  345).  in  dieser  selben  mda. 
war  ja  auoh  die  ausspräche  des  ä,  des  secundSren  umlauts,  eine 
ganz  aparte,  wie  seine  entwicklung  zu  dem  bekannten  hohen 
-heilen  d  uns  zeigt. 

Für  diese  aulTassung  der  Verhältnisse  finden  sich  nun  sowol 
in  den  heutigen  ^bair.-österr.  mdaa.  als  besonders  in  dem  reim- 
•material,  da»  uns  die  bair.-^Osterr.  dichter  des  13   und   14  jhs. 

^  för  dies  wort  allein  brauchten  wir  keine  ältere  contractionsperiode 
ägi<.ei  anzunehmen,  denn  es  muss  neben  gitregidi  auch  ein  gitragadi 
gegeben  haben,  worauf  die  alero.  geträgde :  mägde  weisen,  s.  oben  s.  359  f. 
^tfogttdi  ergibe  gtirägede^  -das  -dann  in  Batern  zusammen  mit  mägede, 
*mägit.  In  teinen  -reinBilben  -«/d«,  -«rifo,  -ond  ergeben  hfitte. 

'  den  Hinweis,  d«88  das  österr.  contraetions-et  nicht  auf  'Oget^  sondern, 
wollen  wir  bei  der  formulierung  des  lautvorgangs  bleiben,  die  Heualer  Alem. 
contooaDtlimiis  von  Baselstadt  s.  69  gibr,  nur  aus  -ägit^  -äget  erklärt  wer- 
4lcfi*dcrf,  vtriUdk  kh  MHieliinek.  '  wenn  nicht  auch  teite  Schwabens 

und  NlederaleiuMieiM -daran  teil  hatten? 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  373: 

bieten,  feste.  aaJAdlt^p.ujictQ.  ich  bespreche  zunächst  das  heule 
orkenoübare^  mundartliche  material,  hierauf  ausführhcher  den  reim- 
gebraucb  der  äUern  zeit. 

Kagl  Qiacbt  in  seiner  schrifL  über  das  hohe  a  ((i),aao.24^133- — 

seinen  mbd,  h^rreniiialekt  glaub  ich  ihm  nalUrlich  ebensowenig  wie 

seine  bf  potb^e  voa  der  beeioflussung  der  altern  Osterr.  mda.  durch) 

den  Nürnberger-  und  Bambergerdialekt  —  darauf  au rmar.ksa«;,.daaj» 

in  gewissen  wocteoi  in  österr.  mdaa^  ftlr  mbd.  et  helles  d  und  ä  gilt, 

obwobl  sonst  iodieseoi  selben  mdaa»  mhd.  ei  durch  oa  widergegeben 

wird,    er  nennt  als  solcbe  worte.  aufsei  nd  *nein'  ujid  dlf  ^elf  — 

deren  sondersteliiHig  sich  anderweitig  vollauf  erklärt  und  in  vielen 

nidaa.  ähnlich  hervortriu  ^—  nur  ddn  ^egge'  und  ddtJcsl  ^eidechse'. 

ädn  geilt  auf  §ged0  zurüick,  ddaksl  ist  deminutiv  zu  abd.  tgidehsa. 

dem  ei<ieg9  eBtspri4:bt  also  hier  das  bair.-österr.  hohe  d,  dem  ei  < 

a^»  dgi  aber  eoispricbi^  da  ja  Nagl  sonst  auch  ein  trdd  und  ev. 

ancb   ein  mdster  zu  verzeichnao  gehabt  hätte,,  in,  diesen  selben 

bäuerlicben  dialekten  ^  das  oa  <  ai<  mhd.  en    ia  egede  und  eged^se 

wäre  also  die  palatalisierung  des  g  erst  eingetreten,  als  a  zu  e 

umgelaulet  war,  in  troad  schon  frUiier,   in  den  gsoat  und  troat 

(Mrdgi*)  des  iQMviertels  erst  später,    wenn  ich  nnn  nach  Schmellers. 

angäbe,  atiC  die  Nagl  hinweist,  in  bair.  dialekten  neben,  ddn  auch 

oadn  (Scbmi^er :  a^dln)  Gndet„  so  ist  a;uch  dieses   nebeneinander 

mit   meio^r  a^ilbssung  durchaus   im    einklaug.     denn    dass  die 

subjecttvitilt  der  eiozeboen  srda.  spielcaufn  halte,  abd.  agida,  ägida 

allenralls  auich  schon  lu  gleicher  zeit  mit  gitragidi,.  giträgidi  zu, 

coatrdbieren.,.  mttssen  wir  ja  schon  deshalb  zu^eben^  weil  ini  der 

ddn»   aber  troad  sprechenden,  mda.   dasselbe  -^gid-  in  zwei  ver- 

scbiedeoiBn   wjorten    in    bezyg    auf    eintritt    der    palatalisierung 

verscbi^den  bebandelt  wiffd«    iHid  njun  können  wir  uns  über  das 

j^4l  'g«]^t',  das  wiü  oben  s.  369)  bei   einem  modernen  Salz^ 

btirger  djatektdkbtef  Qonßtßljierei^  müssten^  nicht  melir  wundern, 

deiMi  eiWBiiieU:  kilsnDte  ia  einer  einzelmda.,.  ia  welcher  der  druck 

der  anaiogie  zu  dien  andiii«B>,  den  ^<^fprmen  des  verbums  nicht 

sU«k  genug  gefühlt  wurd^,  alleres  *gHagil  schon   auf  der  stufe 

^gßiji  zu  gd€A,  g(üaii  werden,  nicht  erst  auf  der  slufie  giUgiU 

AuG9«rdeiB  wnrde.  sehon  widerholt  darauf  hingewiesen,,  zuletzt 

^onBreoner  Beiii?.  19^.482^  ddss  die  Megin-  uud  Regin-  in  namen 

*  and^Brs  ist  Betörlieh  das  spätre  d  fQr  altes  et  in  Nagls  'sladtdialekten' 
anfzulttseD^  das  ich  mit  Bcenaer  Beitc  19,  4S0  für  aas  oa  entwickelt  halte. 


i 


374  ZWIERZINA 

in  der  conlraction  auf  österr.  boden  mit  einer  andern  vocalisation 
erscheinen,  als  der  entsprechung  des  alten  ei  in  den  betreffenden 
dialekten.  nicht  als  Moan-,  Roan-,  sondern  entweder  mit  dem 
hellen  d,  das  auch  in  ddn<:egede  sich  zeigt,  oder  mit  einem 
diphthong,  der  sonst  in  den  mdaa.  die  Fortsetzung  des  mhd.  langen 
i  ist.  die  alten,  hs.Iichen  Schreibungen  Mangos  <  Megingoz,  die 
Mdnhart  (noch  heute  in  dieser  Schreibung  ein  verbreiteter  familien- 
name  in  Österreich)  <Meginhart,  die  RänoU  <  ReginoU  hat 
Nagl  aao.  24,  148.  152  selbst  namhaft  gemacht,  in  Osterr.  hss. 
bedeutet  die  Schreibung  ä,  ä,  cb  natQrlich  stets  das  helle,  ge- 
schlossene d,  denn  mit  diesem  d  wird  der  zweite  umlaut  des 
kurzen  und  der  umlaut  des  langen  a  gesprochen,  mit  ä,  ä^  ce 
aber  geschrieben,  so  heifst  heute  der  Mdnhartsherg  (Mannhardts- 
berg)  in  Niederösterreich  so  und  nicht  Moanhartsberg  resp.  Main- 
hartsberg,  und  Nagl  hätte  seine  bekannte  Übersetzung  des  Reineke 
daher  gewis  Rdnad^  nicht  Roanad  zu  betiteln  gehabt,  hätt  er  den 
namen  aus  dem  mund  österr.  bauern   noch   vernehmen   können. 

Nagl  hat  aao.  24, 153  und  Beitr.  19,  342  zur  stütze  seiner 
hypothese,  dass  d  die  aus  Bamberg  geholte  herrensprache  des 
österr.  ai,  oa  sei,  darauf  verwiesen,  dass  die  Schreibung  a  und  d 
für  ei,  ai  in  herrenausdrücken ,  'amtlichen  ausdrücken  und  amt- 
lichen ortsschreibungen'  vorkomme,  diese  'amtlichen  ortsschrei- 
bungen'  treffen  vielfach  die  mit  Megin-,  Regin-,  Egin-  usw.  oder 
die  mit  -heim  (bair.  unbetont  'haifn>'heim>'hdm,  s.  Brenner 
Beilr.  19, 482  und  unten  s.  375)  componierten  namen.  die 
hauptsächlichsten  'amtlichen  ausdrücke'  sind  tädingen,  pantäding, 
gejät,  also  älteres  tegedingen,  bantegedinc,  gejegede. 

Weinhold  verzeichnet  Bair.  gramm.  §  42,  s.  54  eine  reihe 
solcher  (ß  (also  d)  für  mhd.  ei<ege  aus  alten  bair.  Urkunden, 
ich  setze  blofs  die  worte  hieher  und  spare  mir  die  ziffernmäfsigen 
belege:  Manhart,  RcenoU,  tading,  l(Bt< legete,  lalesK  legetest, 
l€dten< legeten,  gelat < geleget,  trtßt <treget,  tr(jest<tregest.  hier 
finden  wir  neben  den  Mamhart  und  tading  auch  die  verbalformen 
in  '(jet<eget,  die  wol  nicht  gut  auch  zu  den  herrenausdrücken 
zählen  können,  aber  nur  '(Bt<eget  wird  von  Weinhold  belegt, 
kein  'Oft  <  aget,  kein  geklcet,  gescet^  verzcet,  verdat  usw.  sehr 
interessant  ist  riBt<reit<redet.  dieses  -(Bt<edet  schliefst  sich 
den  '(Bt  <  eget  an  (wir  werden  unten  durch  den  reimgebrauch 
mhd.  dichter  den  paralellismus  noch  einmal  bezeugt  finden);  es 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  375 

^eht  dem  -eit  (-ait)  <  adet,  *ädet  gegeoüber,  wie  -cdt  <  eget  dem  -eit 

{-aÜ)  <:  aget,  *äget.  nur  ia  Baieroösterreich (und  teilen  Schwabens?) 

reimt  ja  bei  den  dicbtern  nicht  nur  reü<redet,  wie  in  Alemannien, 

fioodem    auch  gebeit  <  gebadet,  ich  citiere  nach  Weinhold  Bair. 

gramm.  §  77,  8.  80  das  Buch  der  rügen  Zs.  2,  1139.    Thomasins 

Jargon  treibt  mit  den  beit<  badet,  stAeit  <  schadet  unfug.    er  wird 

sie  wol  in  Österreich  gehört  haben;  es  gibt  aber  kein  österr.  ge- 

dicht,  das  diese  formen  in  gleichem  mafse  zur  anwendung  brächte. 

Wenn  hie  und  da  für  diese  ä,  m  (das  sind  d)  <  ege  auch  e  geschrie- 

beo  wird  (teding,  gefet,  auch  gelet  >  geleget,  tret  <  treget,  s.  Weinhold 

Bair.   gramm.  §  49,  s.  60,  und  vgl.,  mit  beziehung  auf  das  weiter 

unten  zur  ausführung  kommende,  die  gestlich  heiig  usw.  in  §  45, 

s.  57),  80  ist  das  nur  Orthographie,     für  den  secundären  umlaut 

des  a  und  den  umlaut  des  ä  spricht  der  Österreicher  helles  d, 

er  schreibt  ä  oder  m,  daneben  aber,  da  er  von  der  Übung  andrer 

Schreiber  lernt,   in  deren  dialekt  a^='e  ist   und  e  geschrieben 

wird,  bald  auch  e.     so  wird  ihm  e  ausnahmsweise  auch  zeichen 

(Qr  d,  wo  dieses  d  nicht  den  umlaut  bedeutet. 

Brenner  hat  nun  ferner  aao.  dargelegt,  dass  mhd.et,  bair.  äi{oa) 
in  unbetonter  silbe  durch  bair.  et  (di.  dt,  der  laut  des  aus  mhd. 
i  entstandenen  neuen  diphthongs)  zu  d  wurde,  so  im  artikel  d<ein 
<  ain  (im  gegensatz  zu  betontem  oan9r),  in  kd<kein<katn  (im 
gegensatz  zu  betontem  koan9r),  in  -h'^t<'hdt<'heit<'hait  und 
-Ä*m  <  'hdm  <  -heim  <  -haim  ('Lochham'  usw.).  dass  die  entwick- 
lung  d<.ei<:ai  (also  lautschrifilich  d<dt<oa  oder  ä»)  war, 
beweist  die  Schreibung  ein  für  den  artikel,  die  auch  dort  in  bair. 
bss.  eintritt,  wo  sonst  ai  für  altes  mhd.  et  und  et  nur  für  mhd. 
I  geschrieben  wird,  ferner  der  umstand,  dass  auch  diphthon- 
giertes mhd.  I  auf  bair.-österr.  boden  in  unbetonter  silbe  zu  d 
wurde :  bd  mir  <  bei  mir  <  bi  mir,  mrtd  <  wirtein  <  toirtin,  nämld 
<C  ndmUid^< nämlich  usw.  wir  sehen  also,  dass  unbetontes  ai 
und  unbetontes  et  zu  d  wurden,  ai  (oa)  aber  nicht  ohne  durch 
die  lautung  ei  (=  mhd.  I)  hindurchgegangen  zu  sein. 

Ich  meine  nun,  dass  auch  die  aus  e^e  entstandenen  Osterr. 
d  durch  ei  (heute  gesprochen  di  mit  hellem  d  im  ersten  teil  =» 
diphtongiertes  i,  nicht  oa  «=  mhd.  et)  hindurchgegangen  sind,  dh. 
aus  einem  laut,  der  dem  aus  I  entstandenen  bair.  üsterr.  di- 
phthong  gleich  war  oder  nahe  stand,  vielleicht  nur  ^nahe  stand', 
denn  ei<i  wurde  nur  in  gewissen  Stellungen  (hie  und  da  auch 


376  ZWIERZINA 

wo  es  den  ton  trägt,  so  öfter  vor  l  s,  Nagl  Hohes  a  24«  152) 
zu  ä,  der  aus  ege  entstandene  diphthopg  aber,  wie  es  scheint,  in 
allen,  dass  auch  hier  et  (nicht  at,  sondern  wider  der  der  bair.-österr, 
entsprechung  von  mhd.  I  ähnliche  laut)  das  ältere  ist,  worauf 
d  (d)  erst  zurückgeht,  werden  die  reime  der  mhd.  epiker  be- 
weisen, möglich  dass  dieser  Übergang  des  Osterr.  et  (nicht  ai) 
<  ege  zu  ä  auf  gewisse  gegenden  beschränkt  war,  in  andern  dies 
et  (nicht  ai)<ege  erhalten  blieb,  worauf  das  nebeneinander  von 
Mein-  (nicht  Main-)^  Rem-  (nicht  Rain-)  <  Megin-,  JRepm-  und 
Mdn^,  Rdn-  in  den  namen  hinwiese,  möglich  auch  (um  nicht 
zu  sagen  wahrscheinlich),  dass  dieses  ei<ege  nur  deshalb  .in 
diesen  gegenden  andre  wege  gieng,  als  das  et<l,  weil  die  he- 
wegung  des  neuen  bair.-österr.  et  <e^e  den  laut  ergriff,  als  mhd. 
I  seinen  weg  zu  et  noch  nicht  vollständig  zurückgelegt  hatte, 
dass  diese  bewegung  des  ei  <  ege  zu  ä  auf  gewisse  gegenden  be- 
schränkt blieb,  müsten  wir  dann  stark  betonen,  sonst  köanteo 
wir  die  für  uns  so  wichtigen  reime  von  geUit :  -it  bei  den  mhd. 
dichtem,  von  denen  wir  gleich  hören  werden,  nicht  richtig  einstellen. 
In  dieser  beziehung  ist  es  interessant  zu  constatieren ,  dass 
auch  die  diphthonge  in  geist  fleisch  heilig,  die  heute  im  dialekl  nicht 
mit  dem  zu  erwartenden  oa,  sondern  mit  dem  neuen,  aus  mhd.  I 
entstandenen  diphthong  gesprochen  werden,  mit  dem  et  <e9e  die- 
selben wege  wandeln,  sowol  inbezug  auf  den  mhd.  reimgebraucb 
bei  den  Österreichern  als  inbezug  auf  die  bewegung  des  et  zu  (f. 
wir  finden  die  drei  worte  nämhch  in  alten  hsa.  sehr  häufig  als 
gä$t  fläsch  hälig  (resp.  häUumb)  geschrieben,  ich  verweise  auf 
Nagl  Hohes  a  24,  153  und  bemerke  noch,  dass  mehr  als  die 
hälfte  der  beispiele,  die  Weinhold  Bair.  gramm.  §  44,  s.  55  für 
alte  Schreibung  CB  statt  ahd.  mhd,  ei,  ai  anführt^  die  worte  hältumb 
gmstleich  flmichpenche  flcesdUor  flcBichhwehel  flcmh  (dazu  bem.  noch 
vertädigen  cedt  gerechtikhwdt  und  die  namen  mit  iiettiotcitt  an 
der  spitze  2)  betrifft,  der  stammvocal  in  gnst  fleiich  heilig,  für  die 
aber  neben  dem  et  {di)  in  mhd.  zeit  auch  auf  österr«  gebiet  immer 
das  ai  (äi)  gegolten  zu  haben  scheint,  ist  heute  mit  dem  aus  f 
entstandenen  diphthong  m.w.  immer  lautlich  gleich,  und  im  übrigen 
sind  die  Schreibungen  mit  cb  und  ä  im  vergleich  zu  denen  mit 
et  und  ai  relativ  so  selten,  dasa  wir  wol  annehmen  dürfen,  dag» 

'  VCD  den  oberpßlxischea  belspielen  auf  8.  56  mössen  wir  selbstyer* 
stiodllch  absehen.         '  freilich  aoeh  vereiozeltes  Brmtineioh,  Wmdihofen. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  377 

di«   ^niwickluog  (iiesQs  #t  xu  ä  db.  d  auch  hi^r  territori»!  be^ 
scbfttiiki  bli^b. 

Die  $m  ^ag^,  -(^gi"  contrabierten  at  aber,  mhd.^bair.  gtsßüp 

gAUiü,  tm%aiU  matt  uaw.,  wareo  überall  io  Baiern  uod  Österreich 

Toa  den  au»  -eg€*  contrabierleQ  «t  veracbiedeo.    beide  diphtbonge 

wareo  sicher  hodeoaUlodig,  der  erstgeoanoie  lautete,  sowie  beute 

ia  ileo  reeten«  die  der  diaiekt  uos  hier  und  dort  erhalten  hat 

(§mmd  tnai  fraad)^  gleich  dem  allen  ät  (oa)  <  mhd.  ei,  der  andre 

laolet  beqte  bald  4  mit  dem  dem  bair.-Oaterr,  eigenen  hellen  klang, 

bald  m  (40  <  mhd,  I.   wie  dieser  letztgenannte  entwickelt  sich  auch 

das  alte  mhd.  <i  in  geüt  fl$i$€k  heilig  rein  usw.  geeagei  geht  auf 

bain  Oaterr.  boden«  sowie  auf  fränk.,  mit  den  -aget  (-d^O-formen, 

nicht,  wie  auf  alemann^  luit  den  -«j^e^-forman.    dabei  bieten  die 

bair.-Oaierr.  dichter  die  directe  umkebrung   des  gebrauohs,  den 

wir  oben  s.  347  ff  für  eine  reihe  fränkischer  dichter  constatieren 

konnten,     bei  jenen  fallt  -eir<-a^  im  verein  mit  gesagt  mit 

altem  *€iit  zusammen,  -eget  geht  seinen  besonderen  weg,  bei  diesen 

fällt  «#t/  <  -eget  mit  altem  -^eit  zusammen,  ^aget  im  verein  mit  g^ 

9agei  wird  entweder  gar  nicht  contrahiert  oder  der  aus  der  con- 

traction  resultierende  di|>hthong  unterschied  sich  so  stark  von  dem 

alt^n  et  und  ei<ege,  dass  es  unmöglich  war,  beide  im  reim  zu 

binden,     aber  vielleicht  ist  dieser  contrast  zwischen  Baiarn  und 

Franken  nur  scheinbar,    bedenken  wir^  dass  §ge  auf  bair.-Osterr. 

bodeo  b^ute  vielfach  als  a  erscheint,  alte  Schreibungen  und,  wie  wir 

sehen  werden,  auch  einige  alte  reime  es  ebenfalls  als  ä  (neben  et,  di. 

ät<:l)  erscheinen  lassen  und  dass  auf  den  in  betracht  kommenden 

o6t^  und  sOdfrank.  gebieten  altes  mhd.  et  heute  in  vielen  gegenden 

(s.  Ober  den  'o-gttrter  Wrede  Anz,  %x  98)  auch  als  ein  solches  ä 

oder  wenigstens  nicht  verdumpftes  ä  gesprochen  wird  ^  und  dort,  wo 

es  dipbtboBg  bleibt,  ein  di,  dt  ist  mit  hellem  ersten  componenten« 

kein  ot.    wenn  also  im  frflnk.  n<ege  mit  dem  salben  &  (^7) 

oder  dt    (nicht  at)   gesprochen  wurde,   als  welches  es  im  bair.- 

osterr.  eich  gelegentlich  präsentiert,  so  konnte  dieser  laut  mit 

dem  mbd.  frSnk.  dt<et  eventuell  zusammenfallen,  weil  sich  dieses 

>  8.  Nsgl  Btitr.  19,  342  f :  am  Obermsio,  an  der  Pesais  uod  Resat,  um 
Näroberg  wie  um  Bamberg.  |.  etwa  auch  Taqbergruud  :  Heilig  a.  43  &  96, 
Naubeiiii  :  UidoU  s.  24,  Haodschulisbeim  :  etwa  Leus  Vergleich,  wb.  a.  v. 
brmi^  sUin  usw.  dass  es  ein  'irenudoex'  au  frank.  ?<m  sei  und  aua 
diefem  entsUoden,  wie  Nagl  wiU,  wiid  wol  kaum  seine  ricbtigkeit  haben. 


378  ZWIERZINA 

di<ei  in  fränk.  teilgebieten  ähnlich  zu  ä,  ä  hin  entwickelte; 
nicht  so  im  bair.-Osterr.,  weil  hier  sich  mhd.  bair.  ai<  ei  zu  äi. 
Od,  oa  entwickelte,  in  der  verschiedenen  lautung  des  alten  et  hier 
und  dort,  nicht  in  der  lautung  des  aus  altem  ege  contra- 
hierten  diphthongs  wäre  dann  also  der  unterschied  zwischen  bair. 
und  fränk.  inbezug  auf  den  verhandelten  gegenständ  gelegen. 

Was  nun  die  mhd.  dichter  Baierns  und  Österreichs  anlangt, 
so  zeigt  schon  die  einfache  beobachtang,  dass  bei  ihnen  geseit, 
gekleit  usf.  einerseits,  gekit  eide  {treit)  anderseits  im  reim  ver- 
schieden behandelt  werden,  deutlich,  dass  wir  es  hier  in  keinem  fall 
mit  analogiebildungen  zu  fremdem  alemann,  geseit  und  mit  aus  der 
alemann,  litteratur  geholten  reimformen  zu  tun  haben  können, 
denn  die  Alemannen  scheiden  geseit  nicht  von  geleit  und  treit 
und  reimen  beides  gleich  oft  nnd  beides  ihrer  mda.  (wenn  wir 
vom  Schwab,  absehen)  gemäfs  mit  altem  et. 

Nur  beiläufig  will  ich  erwähnen,  dass  das  analogisch  zu  Osterr. 
soad  gebildete  froad,  das  wir  oben  s.  368  f  aus  Osterr.  mdaa.  be- 
legen konnten  y  sich  neben  sait,  verzait  usw.  auch  bei  Osterr. 
dichtem  der  mhd.  zeit,  so  zb.  bei  Ottokar  und  beim  Teichner,  auf 
altes  -eit  (di.  Osterr.  -äit)  gereimt  findet,  und  wende  mich  nun  der 
detaillierten  besprechung  der  einschlägigen  Verhältnisse  zu,  wie 
sie  uns  sonst  in  den  reimen  der  bair.-Osterr.  dichter  des  13  und 
14  jhs.  entgegentreten. 

Zunächst  ist  festzustellen,  dass  ein  grofser  teil  der  Osterr. 
volksepen,  für  weiche  die  häufigkeit  des  ei<age  im  reim  geradezu 
charakteristisch  ist  (s.  Fischer  s.  63),  uzw.  gerade  die  ältesten 
und  bedeutendsten  unter  ihnen,  kein  ei  <  ege  im  reime  aufweisen  K 
so  find  ich  in  Nibelungen  A  66  geseit  < gesaget  {resp.  verseit, 
unverseit,  mderseit)^  51  meit<maget,  6  verdeit<verdaget,  5  ge- 
kleit <  geklaget,  1  ir  kleit<ir  klaget  (934,1),  aber  kein  einziges 
geleit < geleget  und  auch  kein  treit <treget^.    der  Biter olf  weist 

'  auch  meit  geht  auf  maget  EurQck  nnd  meide  anf  mägede,  nicht  auf  m^- 
gede,  *  auch  Nib.  B  kennt  kein  geleit  <  geleget,  nnd  es  ist  ein  vollkommener 
beweis  der  unursprQnglichkeit  iron  Nib.  G,  dass  diese  redaction  ein  verein- 
zeltes geleit  (1755,  5  -»  B  1817,  5)  in  den  tcxt  schmuggelt.  —  Nib.  AB  zeigt 
aufserdem  nur  wenige  neutrale  reime,  die  alle  wol  besser,  meist  mit  den 
hss.,  als  -etY- reime  zu  fassen  sind,  als  als  'Oget^rtime.  es  sind  maget  .'ge- 
saget 68,  1.  71,  1.  416,  1,  :verdaget  501,  l;  geeaget: verzaget  2078,3, 
:verdaget  1583,3,  versaget :  verzaget  2097,  1.  in  den  unechten  str.  1 — 12 
steht  noch  gesaget :  unverzaget  8,  3.     dieses  attributive  unverzaget  {Die 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  379 

55  sichre  ge8eii<  gesaget  auf,  eins  im  reim  auf  treit^  2  sichre  er 
mii,  6  metir,  4  meide  K  4  verdeit,  1  tr  verdeit^  2  ^efcfet^  aber  keio 
einziges  leit  leite  geleit,  die  Rabeaschlach  t  26  sichre  geseit, 
3  «etir,  4  fliet^  1  oietde,  5  unverzeit^  1  unverzeite,  aber  kein  eio- 
zig^  ietlr  /eöe  j^efeiY  und  auch  kein  treit.  und  ebenso  liegen  die 
▼erhällDisse  io  der  Gudrun,  und  ebenso  im  Rosengarten  A. 
dazu  kämen  von  kleineren  Sachen  etwa  Dietrich  und  Wenezian 
<nacb  Fischers  lab.  nr75  4  seity  kein  kit),  Walther  und  Hilde- 
gODde  (tab.  nr  1012  meit,  kein  fetV),  und  aus  Baiern  Albers 
Ton  dal  as  (4  seit,  kein  kit). 

Wie  nun  neben  den  md.  dichtem,  die  gar  kein  seit  geseit 

zulassen,  sondern  nur  leit  geleit  reimen,  andre  stehn,  bei  denen 

seü  geseü  zwar  vorkommt,  aber  an  häufigkeit  auffällig  weit  hinter 

leii  geleit  zurücktritt,  so  kann  man  beobachten,   dass  bei   allen 

sicher    Osterr.  dichtem  —  Konr.  vFussesbr.  ausgenommen,  der 

sich  hier  ganz  zu  den  Alemannen  stellt,  s.  s.  279  —  hit  geleit 

im  reim  auf  altes  -etY  immer  viel  seltener  ist  als  seit  geseit  oder  die 

andern,  ich  brauche  da  nur  ganz  im  allgemeinen  auf  Fischers  tabelle 

zu  verweisen,  im  besondern  etwa  auf  die  nrr  114  und  115,  wo  bei 

HeinrichvTürlein  in  v.  1 — 10000  der  Krone  nur  9  fetY  neben 

38  eeii  und  bei  Pleier  im  Tandareis  nur  10  hit  neben  45  seit 

vermerkt  werden 2.    auch  das  verhalten  der  Klage  sei  noch  eigens 

legten  recken  .  ,  , ,  in  allen  siriten  unverzaget),  das  in  sp&tern  epen  so 
t>eliebt  aod  hiofig  ist,  steht  im  Nib.  hier  ganz  yereiozelt  da,  ebenso  ver- 
eiBzelt  und  ohne  parallele  wie  die  andern  oben  s.  77  f  berührten  Wortver- 
bindungen des  unechten  eingangs. 

*  bei  Fischer  nur  8  meit  meide  (statt  10)  in  der  tabelle.  meit  1703. 
1772.  1814.  6875.  12496.  12636,  meide  1681.  3259.  4472.  12783.  dagegen 
sihlt  Fischer  58,  ich  nur  57  sichre  teit;  leicht  möglich,  dass  ich  eins  über- 
sehen habe,  ebenso  möglich  aber,  dass  Fischer  das  unsichre  seit :  treit  (saget 
:  traget,  im  österr.  fehlt  der  umlaut  sehr  häufig)  mitgezählt  hat.  es  gilt  in 
diesem  abschnitt  uberbanpt,  dass  meine  Zählungen,  wo  ich  mich  nicht  aus- 
drücklich auf  Fischer  berufe,  immer  auf  eigne  Sammlungen  zurQckgehn. 
meine  und  Fischers  zahlen  variieren  des  öftern,  fast  stets  ohne  dass  dadurch 
die  auffassung  der  im  denkmal  vorliegenden  Verhältnisse  irgendwie  alteriert 
wurde,  wo  meine  zahlen  gröfser  sind  als  die  Fischers,  verdienen  die  meinen 
größeres  vertrauen,  da  ich  sie  dann  eben  der  discrepanz  zu  Fischers  an- 
gaben wegen  eigens  verificiert  habe,  wo  meine  zahlen  kleiner  sind,  als  die 
'Fischers,  war  die  verification  natürlich  nicht  möglich  ohne  aufwand  von 
mühe,  der  in  keinem  Verhältnis  zum  gegenstände  gewesen  wäre. 

*  in  Fleiers  Meleranz  find  ich  17  geleit  und  1  leite  (824)  neben  62 
seit  (13  er  seil,  35  geseil,  12  seile,  2  ir  seit),    daneben  noch  1  treil  (10347), 


380  ZWIERZINA 

hervorgehoben,  dort  lasi^n  sich  (text  A)  Dur  2  gehit  (1208.  2024) 
im  reim  belegen,  dagegen  10  g^eit,  1  nit,  5  gdileüy  5  niiit  (1145. 
1406.  1409.  2124.  2142)  und  1  meide  (1094),  wenn  wir  damit 
das  conträre  verhalten  der  fr^nk.  epiker  und  die  art  vergleichen, 
wie  sich  bei  den  alemann,  dichtem  die  leit  und  ait  stets  die  wage 
hallen ,  sich  dort  nioht  einmal  wie  1:2  je  gegenüberslehn  S 
werden  wir  mit  dem  ^zufair  als  bequemer  erkUrung  dieser  er» 
scheinqng  nicht  rechnen  wollen,  dass  es  sich  hier  um  eine 
verschiedene  behandlung  der  contraclion  aus  §ge  und  der  aus 
age  (resp.  äge)  handelt,  werden  uns  die  reime  der  spätem  und 
spätesten  Baiern  und  Österreicher  lehren. 

Vorher  mOcht  ich  noch  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
trßit  zwischen  IHt  und  saiY  in  der  mitte  steht,  in  Nib.,  Rabenscbl., 
Ros^ng.  A,  Klage  finden  wir  kein  treu,  hier  geht  treit  <  treget 
mit  kiKUgei  band  in  band.  Gudr.  67,  3  und  Bit.  391.  4526 
Qndeu  wir  aber  treit  9su  altem  -eit  gereimt,  obwohl  die  gedichte 
sicher  kein  leii  geleit  reimen  konnten,  hier  steht  dieses  Osterr. 
tmt  mit  seit  <  saget,  nicht  mit  hit  <  leget  zusammen,  dh.  es  gehl 
auf  trßget  zurück,  nicht  auf  treget.  die  unumgelautete  form,  die 
zh.  auch  Bit.  4872  Überliefert  ist,  entspricht  ja  vielfach  Oster^ 
reichischer  mda.,  damals  so  gut  wie  beutet,  ttholicbes  werden 
wir  mit  rücksicht  auf  das  s.  357  gesagte  auch  für  die  ctMormen 
von  jagen  anzunehmen  haben. 

Die  richtige  Würdigung  und  beurteiluog  dieses  gegen  die 
bindung  -eit<eget  i-eit  sich  mehr  oder  weniger  ablehnend  ver- 
haltenden reimgebrauchs  der  österr.  dichter  des  13  jhs.  ermög- 
licht uns  die  sichtung  des  reimmaterials  jener  bair.-Osterr.  autoren« 
die  es  zuerst  wagen,  I  mit  ei  zu  reimen,  'i  mit  ei  zu  reimen'« 
so  pflegt  man  ja  wol  zu  sagen,  in  Wahrheit  aber  kann,  wenn  er 
dialektisch  rein  reimt,  kein   bair.  oder  österr.  autor  altes  I  mit 

1  gßklßit  (11589),  2  jeit,  1  gej'eii  subgt  (7170),  3  meii  und  nicht  weniger 
als  19  unver*eiL  der  misbrauqh  dieses  unveneit  ist  fQr  den  Pleier  fibcrbaupt 
cbfrakteristisch.  bedürfte  es  noch  eines  beweises,  dasa  Mai  iiad  Beaflor 
nicht  vom  Pleier  ist,  so  br&cbte  ihn  die  beobachtang,  dass  dieses  tinuara«t'# 
IQ)  Mai  durchaus  fehlt. 

1  8.  zb.  Hartm.  86  leit  (di.  leit  leit9  UUt  geleit)  :  100  «eil  (du  »eit 
uitfi  mtt  geseit),  Gotfr.  129  Uit :  70  äeit,  Bud.  108  leii  :  192  eeii.  dagegen 
ist  das  Verhältnis  von  leit :  $eU  bei  den  Ösierreicbern ,  die  leU  noch  am 
öftesten  reimen,  höchstens  wie  1 : 4  oder  1 : 5. 

^  so  könnte  also  Bit.  391  auch  gesaget  .*  traget  gemeint  sein. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  381 

•Item  et  bindeD.    er  kann  seinem  dialekt  nach  diese  beiden  auch 
fOr  ibo  graedverschiedeneo  laute  ebensowenig  ^usamnieDkoppeln, 
eto  eio  beliebiger  Franke  oder  Schwabe  oder  auch  Schweizer,  und 
eiDmal  mit  dem  Vorurteil  endgiltig  gebrochen  werden^ 
die  binduDg  ?on  mhd.  I  mit  altem  et  auf  bair.-Osterr.  her* 
kiiDfl  ihres  autors  weise,    was  berechtigt  uns  denn  anzunehmen, 
du8  ein  laut,  der  in  ahd.  und  frah-mhd.  teit  I,  später  et  ge-^ 
«chriebeo  und  heute  4$,  da  gesprochen  wird,  mit  einem  laut,  der 
iD  spflt-^afad.  und  früh«- mhd.  zeit  ei,  später  ai  geschrieben  und 
heule  09,  oa  gesprochen  wird,  jemals  auf  irgend  einer  stufe  zu- 
sammengefallen sei?     doch  nicht  der  umstand,   dass  die  beiden 
«  io   uftsrer  gemeinsprache  von  einem  guten  teil  der  Deutschen 
heute  gleich  gesprochen  werden?     dass  die  beiden  laute  jemals 
im  dialekt  ganz  zusammengefallen  seien,  das  ist  ja  schon  ihrer 
«oDderentwicklung   halber   ausgeschlossen;    aber   auch    dass   sie 
'nahesu'  gleich  gewesen  wären,  berechtigt  uns  gar  nichts  anzu- 
n^men.    x  und  y  ist  heut  nicht  verschiedener  als  bair.  dt  und 
bair.  oa. 

Den  Sachverhalt  hat  ua.  schon,  worauf  MHJellinek  mich  auf* 
merksam  macht,  HROckert  nahezu  richtig  erkannt,  wedn  er 
LoheDgria  s.  272  auf  die  Seltenheit  dieser  l:«t'^ reime  bei  den 
Öslerreicbern  und  Baiern  aufmerksam  macht  und  darauf  hinweist, 
dass  diese  bindungen  im  13/14  jh.  in  Österreich- Batern  reime 
▼OD  et  auf  at  waren,  nicht  reine,  und  dass  sie  au^h  heute  in 
keinem  deutschen  lebendigen  volksdialekt  reine  reime  wären;  s. 
frraer  auch  Wilmanns  Gramm,  i^  277,  Behaghel  Grundr.  i*  703) 
ofid  neulich  ist  zb.  wider  KGusinde  (Neidhart  mit  dem  veilchen 
s.  57)  der  ganz  verkehrten  auffassung  dieser  reime  durch  Michels 
(QF.  77,  170  entgegengetreten,  derselben  auffassung,  die  zb.  auch 
Socin  (Schriftsprache  und  dialekte  s.  137)  vertrat,  und  hat  auf 
die  Verschiedenheit  der  lautung  von  mhd.  I  und  mhd.  et  in  den 
das  I  diphthongierenden  mdaa.  hingewiesen,  auch  die  Stellung 
^or  dental'  oder  4m  ausbut'«  womit  Michels  jetzt  im  Mhd.  ele*- 
mentarbuch  §  145  operiert,  bat  mit  einem  auf  bair.-Oslern  boden 
nirgend  vorhandenen  zusammetifall  von  mhd.  I  und  mhd.  et  nicht 
das  geringste  zu  tun. 

Dass  die  werte  geisi,  heilig,  fleisch,  rein,  beide  (s.  zuletzt 
Singer  Mhd.  Schriftsprache  anm.  27  s.  16)  heute  auf  bair.-Osterr. 
gebiet  mit  dem  sonst  altem  I  in  der  mda.  entsprechenden  diphthong 


382  ZWIERZINA 

gesprochen  werden,  ist  bekannt,  aber  das  steht,  wie  man  es 
auch  erklären  will,  nicht  mit  der  bair. - Osterr.  diphthongierung 
des  alten  t,  sondern  mit  der  bair.-Osterr.  modificiening  des  alten 
et  in  Zusammenhang,  wurde  ja  hier  nicht  mhd.  I  zu  äi  («a  altes 
^0,  sondern  mhd.  ei  («:  Osterr.  äi)  zu  österr.  ei,  di  («»  altes  I). 
auch  ist  das  nichts  speciell  bair.  -  österr. ,  da  auch  in  vielen  an- 
dern dialekten,  in  denen  das  alte  mhd.  ei  einer  stärkern  lautver- 
änderung  unterlag,  eins  oder  das  andre  eben  dieser  selben  worte 
seinen  et -laut  unverändert  bewahrte,  so  auf  fränk.  gebiet^  als 
auch  auf  aleman.^ 

Ähnlicher  beurteilung  unterligt  der  für  ältere  zeit  zu  er- 
schliefsende  ei-  (nicht  di-)  laut  für  mhd.  ei  in  unbetonter  silbe 
(s*  oben  s.  375).  auch  hier  wird  mhd.  ei  (Osterr.  äi)  zu  Osterr. 
ei,  di  (mhd.  i),  nicht  mhd.  I  zu  äi  (■=  mhd.  ei),  was  aber  die 
-eie  für  -le  in  der  fremden,  aus  dem  latein.  stammenden  ablei- 
tung,  die  Paveie,  abbeteie,  vogeteie,  probsteie,  tegneie,  salbeie  ahd. 
und  mhd.  texte  anlangt,  so  bewürkt  hier  nicht  die  biatusstellung 
frühe,  schon  ahd.  diphthongierung,  wie  noch  Brenner  Beitr. 
19,  485  und  Wrede  Zs.  39,  295  f  annahm  (s.  auch  ESchrOder 
Anz.  XXIV  30),  sondern  wir  haben  es  wol,  wie  Kluge  Zs.  f.  d.  ph. 
31,  499  f  ausführt,  mit  wucherbildungen,  analogien  usw.  zu  tun. 
die  ältesten  belege  für  dieses  -ete  stammen  auch  durchaus  nicht 
vorwiegend  aus  bair.  quellen  und  die  meisten  reimbelege  bieten 
durchaus  nicht  vorwiegend  die  bair.  dichter;  so  reimt  zb.  Hugo 
vTrimberg  vogeteie :  drier  Uie  Renn.  4443,  ;ete8879,  ;fete9198^ 
abbeteie  :  reie{n)  10826,  s.  ferner  abbeteie :  probsteie  831.  9012, 
dagegen  ketzerien :  schrien  11089,  symonien :  schrien  835.  7630  uO., 
und  nie  ketzereie  :  abbeteie  oder  gar  altes  -eie  udgl.  jedesfalls 
haben  diese  -eie  für  -le  nichts  mit  unsrer  in  Baiern  -  Österreich 
einsetzenden  diphthongierung  des  alten  I  zu  tun. 

Wie  steht  es  aber  nun  mit  den  reimbeispielen  für  den  zu- 
sammenfall von  I  und  et  in  Osterr.  und  bair.  dichtwerken  des 
13  und  14  jhs.,  die  meist  als  untrüglichstes  kennzeichen  dieser 

^  s.  zb.  Leoz  Handschuhsheimer  dialekt  i  s.  15  s.  v.  hailic^  VergletckK 
wb.  s.  26  8.  V.  geUt  {rein  und  beide  fehlen  dem  Wortschatz  der  mda.,  waa 
bezeichnend  ist!),  Heilig  Mda.  des  Taubergninds  §97,  Leidolf  Naaheimer 
mda.  s.  25,  Breunig  Mda.  von  Buchen  8.  22,  ai  2  üsw. 

*  8.  zb.  Stickelberger  Schaffhauser  mda.  8.  39  {15  (hier  aach  retn), 
Bohnen  berger  Zur  geach.  d.  Schwab,  mda.  8. 105.  HO  (hier  auch  beide)^  Haag 
Mdaa.  des  obern  Neckar  und  Donaulandea  8.  27  {beide  oaa.)  usw. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  383 

ihrer  proTeoienz  von  grammatik  zu  grammatik  geschleppt  wer- 
den? den  zusamipenfall  beweisen  diese  reime  nicht ,  die  auf 
iMerr.  bpden  im  13  jh.  vollzogene  diphthongierung  des  I  aber 
beweisen  sie  allerdings. 

Wir  müssen  uns,  da  die  reime  von  i:ei  ja  erst  bei  den 
spätem  hanfig  werden,  hier,  wie  in  der  vorhergehnden  nr,  auch 
der  besprechnng  jQngrer  denkmäler  zuwenden,  die  in  den  übrigen 
nrr  dieser  Studien  zu  gunsten  der  altern  und  formvollendetem 
werke  des  13  jhs.  zunächst  vernachlässigt  blieben  K 

Betrachten  wir  zunächst  die  reime  des  Vintlers.    mhd.  I  und 
mhd.  et  bleiben  zumeist  getrennt,  ja  vor  n  und  ch  reimt  sogar  des 
Oftern  i:i  (s.  zb.  118.  642  uO.,  684  uO.}.  wie  diese  reime  aufzu- 
fassen  sind,  ob  als  litterarische,  oh  sie  auf  im  dialekt  gegründete, 
alemannisierende  nebenformen  weisen,  weiss  ich  nicht,   im  grossen 
and  ganzen  war  die  diphthongierung  des  alten  I  zu  et  in    der 
spräche  des  Vintlers  bereits  vollzogen,    das  beweist  die  bindung 
von  retn  und  unrem  mit  altem  -in,  rein  gehört,  wie  gesagt,  zu 
den  werten,  die  der  dialekt  verloren  und  dann   wider  entlehnt 
hat,  und  deren  ei  nun  sowol  mit  dem   laut  gesprochen  wurde, 
der  mhd.  et  im  dialekt  entspricht,  als  mit  einem   andern,  litte- 
rariscben  et,   das  im  laut   mit   dem    neuen    aus  I  entstandenen 
dipbthong  zusammenfiel  und  heute  zusammenfallt,  so  reimt  es  auch 
Vintler  teils  auf  altes  -ein,  resp.  -ain^  uzw.  485.  879.  1058.  1342. 
1508.  2318.  2894.  2929.  3282.  3357.  4067.  4716.  5136.  5202. 
5329.  5716.  5942.  6144.  6194.  6728.  7538.8104.8172.9066, 
teils    auf  stn   und  wtn,    uzw.   813.  4950.  6455.  6664.  7298. 
7952.  8810.     wenn  also  Michels  QF.  77, 18  fin  für  rein  {:sin) 
4950  vermutet,  so  tappt  er  im  dunkeln,    sowie  bei  Vintler  ist 
in  dem  aao.  behandelten  gr.  Neidhartspiel  unrein :  sin  Keller  449, 14 
gebunden  und  hier  der  einzige  reim  von  l;et  (s.  Gusinde  Neid- 

1  zusammeDstellongen  solcher  reime  bringen  Weinhold  Bair.  gramm. 
§  78  8.  8t ,  Mbd.  gramm.*  §  106  s.  101  nnd  Behaghel  Schriftsprache  und 
DHia.  8.  15  anm.  4.  die  reime  aas  dem  Wigamar  bedärfen  der  beglaabigong, 
auch  scheint  mir  die  heimat  des  gedichts  durchaus  nicht  festgelegt,  das 
gedieht  'Frauenlisl'  Roloczaer  codex  s.  97  £f,  aus  dem  Weinhold  Bair.  gramm. 
aao.  ein  bewUte  :  geUiate  107,384  (übrigens  unechter  zusatz  der  hs.)  bei- 
briogt,  ist  seinen  sonstigen  reimen  nach  klärlich  fränkisch,  nicht  bairisch, 
u  oben  s.  273.  290.  meine. ausfflhrungen  beruhen  im  folgenden,  wie  auch 
sonst,  auf  eignen  Sammlungen  und  berichtigen  Weinholds  angaben  hie  und  da 
ohne  ausdrücklichen  vermerk. 


384  2WIERZINA 

hart  mit  dem  veilcheo  s.  57  f)^  er  UDterligt  Datttriich  derselben 
autTassuDg,  wie  die  bindUDgen  des  Vidtlers.  außerdem  finden 
wir  beim  Vintler  unbetOAteB  eim :  drin  441 '  und  itttieheii :  lU  688S. 
wir  haben  oben  gehört,  dass  die  ei  in  diesen  unbetonten  Silben 
im  dialekt  Ober  diphthong  1^  später  zu  d  wurden,  und  auch  dieses 
d  (di.  hohes,  helles  a,  der  laut  des  zweiten  umlnuts  von  a  und 
des  Umlauts  von  d  im  Osterr.  dialekt)  für  diphthong  Kmhd.  et 
finden  wir  beim  Vintler  belegt.  8426  reimt  der  plural  von  rdt, 
also  apokopiertes  rat,  di.  Osterr.  rät  mit  hohem  d,  zu  irhierchaitj 
und  nun  werden  wir  uns  auch  Ober  die  bindung  geist :  neBst  >  naihest 
*proxime',  wie  sie  7634  klSlrlich  Oberliefert  ist,  nicht  mehr  wundem 
können,  haben  wir  doch  oben  s.  376  gehört,  dass  in  ^en  hss. 
das  entlehnte  alte  H  in  gtiü  keiUg  fledeh  usw.,  das  heute  dem 
diphthong  I  gleichlautet,  sehr  häufig  a^  4  oder  t  geschrieben  wird, 
also  früher  hier  und  da  auch,  sowie  das  unbetonte  et  und  unbe*- 
tonter  diphthong  I,  als  ä  (oder  ä*  ?)  gesprochen  worden  sein  muss. 
dass  sonst  beim  Vintler  geist  zu  völMst  und  aUtrmeitt  reimt  (34. 
229.  2012.  5364.  7806),  kann  nicht  auffallen,  einmal  hab  ich 
schon  des  öftern  betont,  dass  die  et  dieser  entlehnten  g$i»i  heiUg 
fliitch  usw.  bei  allen  Osterr.  dichtem  und  Schreibern  früherer 
zeit  gewis  sowol  mit  diphthong  I  (resp.  als  ^%  als  auch  mit 
der  entsprechung  des  alten,  heimischen  et  im  dialekt  gelautet 
haben  mQssen,  und  zu  zweit  könnten  in  diesen  </e^ ;  otlfets^  und 
:  allermeist  sich  auch  die  allüberkommenen  formein  fortsetzen. 

Das  et  der  unbetonten  "heil  erscheint  heute  in  der  mda., 
soweit  die  Worte  nicht  direct  der  Schriftsprache  entnommen  werden, 
als  irrationaler  vocal,  es  lautet  -k^,  -ht  uS.  und  schlierslich 
Iflsst  sich  auch  schon  diese  entwicklungsstufe  in  den  reimen  des 
Vintlers  erkennen,  der  Vintler  reimt  nämlich  des  öftera  sokhe 
irrationale  ^^^t  und  -it  accentuiert  und  stumpf,  so  reimt  er  4932 
ndch  volget  auf  unbetontes  het,  auxiliar  udgim.  wenn  wir  daher 
3463  falschait  zu  verheirdt,  di.  fSlsekH :  f^hdir^tt,  gereimt  finden 

'  ithalmeien :  reivn  413»  9  flllt  nnter  den  s.  382  aafgestellten  gcaichta- 
puDct,  ist  dicht  ein  reim  von  diphthong  t:  ai,  sondern  ts  ligt  ia  HkattMimi 
das  in  der  fremden  ableitnng  ie(H)  mit  altem  T  (resp.  diphthong  f)  seit  äl- 
tester seit  Ticariierende  et  vor. 

^  die  Überlieferung  ist  aber  aicbt  gani  sicher,  a.  die  laa. 

^  so  beieichen  ich  hier  und  Im  folgenden  der  Vereinfachung  wegen  den 
im  dialekt  aus  mhd.  f  entstandenen  neuen  diphthong« 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  385 

437  (nach  ausweis  der  klarlich  besseren  Überlieferung)  belästiget 
zAtndiaU  und  393  sncedichait  zu  unbetontem  Aal  auxiliar,  so  ver- 
laogt  die  richtige  beurteilung  dieser  bindungeh,  hier  die  ableitung 
mhd.-Jketir  als  verkorztes  -hX  -Aar  (-Aatir  > -AetY  >  Ad/ > -A'O  anzu- 
.setxen.  dass  -heit  beim  Vintler  trotzdem  am  häufigsten  zu  mhd. 
-etir  reimt^  darf  uns  wider  nicht  beirren,  erstens  wird  es  auch 
in  der  mda.  lange  zeit  volles  -hau  neben  -heit,  -hat  und  -hf^t  ge- 
geben haben,  schon  weil  dreisilbige  worte  wie  frümekheit,  swlecheit, 
in  denen  die  schlusssilbe  starken  nebenton  trug,  neben  werten 
wie  wisheit,  wärheit  standen,  und  dann  sind  die  meisten  bilduogen 
in  'keä  keine  dialektworte,  sondern  litteraturworte  und  von  den 
dicblern  mit  ihren  litteraturreimen  zu  -eit  übernommen  worden. 
diese  beiden  erwagungen  erklären  es  uns  zur  genüge,  dass  die 
binduDg  -A«t/;mhd.  -et(  bei  allen  Österreichern  und  Baiern  ohne 
«cbeo  zur  anwendung  kommt  ^. 

seit  <: saget,  geeeit  <  gesaget ,  meit<maget  usw.,  auch  treit 

<  treget  (971  uO.),  ret^<  reder  (649?  s.  laa.)  und  {ge)leit<ige)kget 

(1252.  2492.  2734.  2750.  4838)  reimt  der  Vintler  stets  auf  altes 

-eir.     damit  ist  noch  nicht  ausgemacht,  dass  in  seiner  spräche 

-€tir  <:a^el  und  'eit<eget  ganz  gleich  standen,    .wir  werden  sehen, 

dass  bei  einer  grofsen  anzahl  mhd.  dichter,  die  sehr  häufig  ^eletY 

c^eü  reimten,  'eit<aget  und  -e«r  <  e^er.doch  sicher  besondere 

we^  gegangen  waren,    sowie  ja  auch  das  et  in  geist  sicher  schon 

firflh  seine  besonderen  wege  gieng  und  doch  von  allen  dichtem 

aach  auf  das  et  von  alkrmeist  und  voüeist  gereimt  wurde,    übrigens 

isl  auch  beim  Vintler  leit  und  ^efet^  nach   Osterr.  art  (s.  s.  379) 

4inverfaältnismäfsig  viel  seltner  als  seit  und  geseit. 

Wir  wissen,  dass  der  Teichner,  trotzdem  er.  der  reinen  mda. 

1  sonst  reimt  in  Zingerles  text  des  Vintlers  noch  1866  gemeii:%Ü, 
«der  reim  vertrüge  ja  dieselbe  erklarong,  wie  sie  oben  die  bindangen  von 
rmn :  -In  gefonden  haben,  denn  gemeit^  das  den  heutigen  mdaa.  fehlt,  wird 
woi  auch  damals  schon,  wie  überhaupt  im  13  jh.,  b\ots  archaistische  litte- 
ntorvocabel  gewesen  sein,  die  der  Österreicher,  so  wie  geitt  etwa,  eben  so 
gut  mit  neuem  ei  als  mit  altem  ai  sprechen  konnte,  auch  die  beim  dichter 
soDSt  geltende  bindung  gemeit : -eit  (s.  965.  660.  971.  4697.  4725.  6992. 
7tS6. 7666.  8251)  stünde  nicht  dagegen,  aber  an  der  genannten  stelle  bietet 
^eses  gemeü  nur  die  ^ine  hs.  F,  die,  nach  Ztngerles  eigner  aufÜBssung  der 
Überlieferung,  gegen  den  consens  aller  übrigen  hss.  und  des  drucks  unmög- 
lich allein  das  echte  bewahrt  haben  kann,  dieser  consens  (WSGD)  bietet 
^ber  iti  für  gemeü  (:  %tt)  und  damit  auch  die  weit  prägnantere  lesart. 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.    N.  F.  XXXII.  26 


386  ZWIERZINA 

gelegeDtlich  weiten  Spielraum  eioräumt,  sowie  etwa  auch  Ottokar, 
Ulr.  vLichtenst.,  Herraod  vWildonie  und  andre  spätere  Österreichep^ 
sogut  wie  niemals  mhd.  I  und  mbd.  ei  bindet,  s.  Weinhold  Mhd. 
gramm.*  s.  102  ^  aus  den  wenigen  bemerkungen  Karajans  (s.  17) 
über  die  spräche  des  Teichners  geht  nicht  hervor,  wie  er  es  in 
bezug  auf  die  reime  zu  "tit Klaget  und  -etY < ej/e^  hält,  ich  habe 
die  gedichte  des  Teichners  und  die  proben  solcher  durchgesehen, 
die  in  Lassbergs  Liedersal  (bd  m)  und  in  den  anmm.  bei  Karajan 
gedruckt  sind,  ich  flnde,  dass  er  {j3e)mt  stets  tu  altem  -tit  reimt, 
belege  sind  nicht  nötig,  denn  so  reimen  alle  Österreicher,  diesem 
(ge)seit  schliefst  sich  beim  Teichner  schon  das  oben  s.  368.  378 
besprochene  spät-Osterr.  (ge) freit  <:{ge) fraget  (zb.  Ls.  212,  9.  29. 
43;  Kar.  168)  an,  tetner  meit<niiaget:be9ekeid^  Ls.  230,195  nö. 
ebenso  können  seine  reime  von  getreid^  subst.  zu  ^altern  -^t  (Ls. 
144,  65.  155,  59)  nicht  auflallen,  da  getreide,  heute  troad,  auf 
Osterr.  boden  sich  allgemein  zu  den  eit'<aget  stellt,  nicht  zu  den 
^t'<:egetf  fr^lkh  nicht  infolge  jüngrer,  sondern  uralter,  auf  die 
zeit  vor  eintritt  des  Umlauts  zurückweisender  contraction,  worüber 
oben  s.  371  f  zu  vergleichen  ist.  auch  in  er  treit :  üppekeit  Ls. 
150,  55  :heü2i2,  57  :rektikeit  231,  219.  252, 11  können  wir  es 
mit  'eit<nget  zu  tun  haben,  s.  oben  s.  381.  aber  der  Teichner 
bindetauch  leitK.kget : geseitf  Ls.  144,59,  gdeit^< gelegete :hreii 
145, 25,  :(eretY  34;  Kar.  170.  175.  daneben  aber  reimt  derselbe 
Teichner  'eit<eget  (nicht  -eit  <,  aget)  auch  zu  mhd.  -at^,  di. 
österr.  -ät  (mit  hohem  d).  so  bindet  er  innerhalb  der  von  mir 
untersuchten  stücke  Ls.  145, 17  keet^  conj.  prät.  zu  geleite  und 
171,5  gesät  part.  von  eeejen,  209,23  tcet^  conj.,  230,  35  heete 
conj. :  zu  gereit,  part.  ?on  reden;  ferner  Kar.  89  et(Bt  (sie),  125 
blcet  3  sing,  von  blc^'en  :  zu  reit^  <  redete  und  Ls.  63,  9  taten 
conj.  zu  widerreiten  <widerredeten.  dass  die  letztgenannten  bin- 
düngen  so,  und  nicht  als  geecBt  (tost)  : ger^t  als  bindungen  von 
(b:§  aufzufassen  sind,  wie  Weinhold  Bair.  granun.  §  43  s.  55 
dies  tut,  ist  mir  zweifellos,  memals  reimt  der  Teichner  m  und  ä 
anders  als,  uzw.  in  hunderten  von  Men,  in  sich  oder  vor  labial 
auf  mhd.  ou  (österr.  i),  sprach  also  gewis  hohes  d  für  w,  ä  und 
(vor   labialis)  ou;    wie  könnte  er   da  ein  gesast,  tmt,  hmt  mit 

^  auf  die  einzige  bindmig  der  art,  die  Wehihold  namhaft  machen  kann : 
fdreii  (sie!)  : iptt  (Karsjan  anm.  285)  wird  unten  noch  licht  fiUen. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  387 

eioem  ger^,  uzw.  allemal  gerade  mit  ger§tt,  biDden  i?  aufeerdem 
ist  gereü  <  geredet  bei  vielen  Österreichern  erwiesen  (s.  oben 
s.  366  f  die  belege  aus  Konr.  vFussesbr.,  Warnung  und  Heinr. 
▼Tllrl.)  und  ist  die  Schreibung  rcdt,  rastt  Für  redet,  resp.  reit, 
io  allen  bair.  hss.  neben  den  bet  für  UiKleget  nachzuweisen. 
ich  habe  oben  s.  374  im  anschkiss  an  Weinbolds  Bair.  gramm.  §42 
aaf  sie  aufmerksam  gemacht. 

Diese  gekit  und  gereit  im  reim  auf  hast  und  getmt  stelkn 
sich  also  zu  den  id»  (nicht  oadn!),  ädaksl  (nicht  oadaksl)  heutiger 
mdaa.  (s.  s.  373)  und  beweisen,  dass  beim  Teichner  ei<c§ge,  §de 
and  ei<iage,  äge  yerschiedene  wege  gegangen  sind,     wie  dann 
die   (übrigens  wider  sehr  seltenen)  reime  von  geUü  zu  mhd.  -eU 
aufzufassen  sind,  ist  eine  frage  für  sich,     ich  verweise  dafür  auf 
das,  was  oben  schon  mit  bezug  auf  den  Vintler  gesagt  wurde,  und 
komme  auf  sie  noch  kurz  zurück,  sobald  ich  die  einschlägigen  Ver- 
hältnisse bei  den  andern  Baiern  und  Österreichern  dargelegt  habe  2. 
Ich   mochte  nun  noch  einmal  an    die    Wechselbeziehungen 
erinnerD,  die  zwischen  österr.  diphthong  I  an  stelle  einiger  mhd. 
et  ond   österr.  6  an  stelle  dieser  selben  mhd.  et  bestehn,  wie 
ich  sie  oben  im  anschluss  an  Brenner  darzulegen  versucht  habe 
(ft.  375),  und  geh  nun  zur  besprechung  des  einschlägigen  reim- 
gebraocbs  von  Laurin,  Walberan,  Lohengrin,  dem  sogenannten  Sei- 
frid  Helbling  und  SChristophorus  Zs.  17  über,     nicht  weil  diese 
werke  sich  etwa  innerhalb  der  bair.-Osterr.  litteratur  nach  zeit  und 
ort  näher  berührten,  stell  ich  sie  zunächst  zusammen,  sondern  weil 
sich  in  den  reimen  gerade  dieser  werke  die  uns  interessierenden 
spracbverbältnisse  am  reinsten  ausprägen. 

Laurin  und  Walberan  besprech  ich  unter  6inem.  sie  sind 
ja  gewis  nicht  vom  gleichen  Verfasser,  aber  sie  zeigen  in  bezug 

*  dem  '^  in  gerqtt  ist  beim  Österreicher  laatlich  gleich  nicht  aar  st^t^ 
sondern  auch  hei^  tet,  brei  nsf.  (oben  nr  8);  warum  also  nie  tof,  gesät 
ZQ  bet,  st^t  usw.?  dagegen  ist  wider  ein  gerodet :  -et  oder  -eit  beim 
Teichner  nicht  belegt! 

*  für  die  Mndong  von  altem  ei  zu  altem  «  (nicht  nmlant!)  auf  bair.- 
österr.  boden,  also  von  oa:p,  gibt  Wdnhold  Mhd.  gramm.'  §  123  s.  117 
ein  einziges  beispiel,  ozw.  ans  dem  Teichner,  entweich  :  sprach  Lieders. 
53,  23.  aber  sprach  ist  dort  nnsinn,  für  sprach  ist  sicher  streich  (resp. 
straich)  zn  lesen,  eine  conjectnr,  in  bezog  auf  die  mir  nicht  bang  ist,  dass 
sie  anch  hs.lich  bestätigt  wird,  volltoniges  altes  ei  («t,  oa)  reimt  bei  Öster- 
reichern nie  und  nimmer  auf  altes  ä  (^). 

26* 


388  ZWIERZINA 

auf  die  biodung  voo  mhd.  I ;  mhd.  et  und  im  Zusammenhang  damit 
auch  in  bezug  auf  die  Verwendung  von  leit<kg€t  im  reim  ganz 
identische  technik.  im  Laurin  reimt  i:ei  dreimal,  alle  drei 
beispiele  hat  Müllenhoff  zwar  entgegen  der  vollkommen  gesicherten 
Überlieferung  aus  dem  text  entfernt,  Holz  aber  hat  heute  (siehe 
darüber  auch  seinen  Laurin  s.  xii)  dieser  Überlieferung  in  seinem 
text  mit  gutem  gründe  wider  zu  ihrem  recht  verholfen  und  ist 
dafür  der  Zustimmung  der  fachgenossen  sicher,  s.  zb.  Lambel 
Anz.  XXV  286.  die  drei  reime,  um  die  es  sich  handelt,  sind  zU 
:geleit<  geleget  131.  317,  8trU:leü§<  legete  1319.  der  Walberan 
zeigt  zwei  solche  bindungen  von  i:ei,  uzw.  (ich  citiere  auch  hier 
nach  Holz)  {widerjstrit :  leit§<:leget§  103.  799.  immer  also,  sowol 
im  Laur.  als  im  Walb.,  ist  das  mit  I  gebundene  ei  ein  durch 
contraction  aus  §ge  entstandenes,  sehen  wir  aber  naher  zu,  so 
wird  uns  diese  beobachtung  bald  noch  auffallender  und  ausschlag- 
gebend erscheinen,  geleit < gekget,  leit§<legete  reimen  nämlich 
in  beiden  gedichten  nur  an  den  genannten  stellen,  also  nie  mit 
altem  ei,  sondern  immer,  so  oft  sie  vorkommen,  mit  altem  i,  dh. 
für  den  dialekt  des  Laur.  und  Walb.  diphthong  I.  und  ferner 
reimt  nur  -eit  <  eget  so,  dagegen  reimt  -eit  <  ag^  sehr  häufig 
und  immer  gebunden  mit  altem -etY,  nie  mit -Ü,  s.  geseit  < gesaget 
:-eit  Laur.  45.  119.  311.  455.  773.  831.  871.  1063,  9eü^:-eit 
Walb.  275.  451.  695,  unverzeit <unverzaget  .--eit  Laur.  709.  995, 
;-etp  571,  meit<maget  i-eit  Laur.  743.  779.  1101.  von  zufall 
kann  da  natürlich  die  rede  nicht  sein,  im  Laurin  D  (des  Helden- 
buchs) zb.y  dessen  text  aufserhalb  Österreichs  gereimt  wurde, 
finden  wir  alsbald  mehrere  ^efeiY ;  et(  (1723.  2061).  wenn  Lambel 
aber  (Anz.  aao.)  nach  analogie  der  geleit  :-U  auch  ein  widerseit 
:'it  in  den  text  hineinconjicieren  will,  müssen  wir  ihm  nun  ein  quod 
non  zurufen,  nur  -eit  <  eget  reimt  in  Laur.  und  Walb.  auf  -1/  und 
reimt  immer  auf  -it,  -eit  <  aget  aber  kann  nur  auf  altes  -eit  reimen. 
Der  text  desLohengrin  (ed.  Rückert)  rührt  von  zwei  Ver- 
fassern her,  wie  schon  Lacbmann  (Kl*  sehr,  i  149  f)  erkannt  hat. 
der  kleinere  erste  teil  (str.  1 — 67),  dessen  erzählung  dem  Wiener 
Lorengel  parallel  läuft,  bat  einen  Thüringer,  der  grOfsere  zweite 
teil  (str.  67 — 767)  einen  Baiern  zum  Verfasser,  darüber  kann 
nach  Elsters  aufsatz  im  10  bde  der  Beiträge  (s.  bes.  s.  Ulf. 
115  f.  169  und  vgl.  auch  Panzer  Lobengrinstudien  s.  540*,  Elster 
Philol.  Studien  s.  252  ff)  kein  zweifei  mehr  statt  haben.     Elster 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  389 

fahrt  nun  (nach  vorgaog  voo  Rückert  s.  272)  aao.  die  drei  reime 

iron  l;ei  auf,  die  sich  in  der  bair.  fortsetzuog  des  ersten   teils 

finden,     da  steht  zuerst  733,  7324  apti.zwei.    es  ist  natürlich 

apiei:zwei  zu  lesen;  aptei,  resp.  abbeteie,  und  t;o^ret  gelten  nicht 

nur   in  Baiern,  sondern  auch  in  andern  gegenden  und   ihr  et 

(bair.  äi)  fOr  I  hangt  mit  der  spätem,  bairischen  allgemeinen 

diphtboDgierung  der  I  nicht  unmittelbar  zusammen,  s.  oben  s.  382. 

einen  sichern  reimbeleg  für  abbette  kenn   ich  überhaupt  nicht. 

die  beiden  andern  bindungen   von  f;et  in  Lohengr.  ii  sind   86, 

859  wU  :behit<bekget  und   92,915  zU :  geleit  <  geleget,    wider 

also  beide  male  ei<.ege:i,  kein  andres  ei,  kein   altes   und   kein 

ei<.age.    und  wider  sind  die  beiden  auf-K  gereimten  leit<  leget 

die    einzigen  leit<leget  im  gedieht,  so  dass  hier  et <e^e  stets  auf 

I   und  nie  auf  et  reimt,  wogegen  Mt^  und  «etV^<«a^e((e)  98,974. 

157,   1551.  181,  1809.  198,  1979   usw.,  im   ganzen   zehnmal, 

geseü  <:  gesaget  131,  1305.  233,  2329.  260,  2595.  278, 2771  usw., 

im  ganzen  12  mal,  jeit  und  jeit§<jaget{e)  255,  2541.  311,  3109. 

359,  3585.  415,  4141,  gefeit  <  g^'aget  588,  5872,  jeide  subst. 

<zjagede   157,   1566,  unverzeit  <unverzaget  265,  2649.  270, 

2699.  295,  2944  und  ebenso  oft  auch  meit<maget  stets  mit 

altem    -eit,  -eide  gebunden  werden,     ein  geleit  .'-eit  kommt  im 

bair.  teil   des  gedichts  nicht  vor,   während   schon   die   wenigen 

Strophen  des  kurzem  ersten,  des  md.  teils  charakteristischerweise 

ihr  geleit :  -eit  19, 192  belegen  K    wir  dürfen  also  wol  annehmen, 

dass  der  bair.  Verfasser  von   Lohengr.  67  fr  ei<ege  mit  einem 

laut  gesprochen  hat,  der  es  ihm  ermöglichte   diesen   diphthong 

auf  diphthong  t,   nicht  aber,   ihn   auf  altes   et  zu   reimen,     etil 

'allein' ;  sin,  wie  Elster  aao.  s.  1 14  anm.  in  str.  600, 5995  conjicieren 

will,  ist  daher  ganz  und  gar  nicht  'für  unsern  Verfasser  durchaus 

passend',  denn  unser  verf.  reimt  nur  ei<ege  auf  i,  nicht  altes  et. 

Ebenso   klare  Verhältnisse  und    noch    dazu    mehr    material 

bietet    uns  Seifrid  Hei  hing,     hier  reimt  geseü  <.  gesaget  und 

seiY<  saget  immer  auf  altes  -eit  :  1,  363.  511.  590.  1140.  2,  391. 

415.  785.  923.  1041.  1434.  15,825.  8,228.  358.  1153.1229. 

10,  39.  7,  40.  107.  143.  185.  241.  291.  309.  995,  ebenso  ir  kUit 

<  tr  klaget  :daz  lant  ist  ungdieit  2,  1247,  gekleit  <  geklaget  i-eit 

1  aurserdem  nur  geaeit  40,  395.  57,  569;  aber  natürlich  kein  meit  un- 
verseit  nsf*,  wie  im  2  teil,  sondern  nur  mag  et :  saget  51,501,  :  getaget 
21,  204.  25,  241. 


390  ZWIERZUVA 

9,  38,  er  jeit<er  jaget  {nicht  <j§get  im  Seifr.,  s.  7,  647);-eiV 
7,  1164.  1170,  daz  jeiKdaz  jaget ^  .'bereit  4,401  uod  dat.  ge- 
jetde  <  gejägede :  eide  ^iuramenta'  4,111.  auch  er  treit  kaoo,  wie 
gesagt,  io  einem  Osterr.  denkmal  ebensogut  einem  traget  als  einem 
treget  entsprechen,  im  Seifr.  ist  treit  <  traget ,  denn  es  reimt 
stets  zu  altem  -eit  ;2,  61.  15,  207.  8,  185.  7,  269.  903.  aber 
leit<l^get,  lei8t<  legest,  geleit<gelfget  reimt  Seifr.  auf  altes  -it 
und  'ist  und  eide<egede  ^egge'  auf -Itfe.  die  beispiele  sind  zahl- 
reich. leit<kgei:8trit  1,844,  :  zU  1,  1258,  :vergU  7,  1025, 
geleist  <  gelegest  cstsl  2,  189,  geleit  <  geleget  :strit  3, 173,  :sat 
15,  505,  eiden<eg€den:liden  8,  321.  dieses  eidetisUden  ist  uns 
besonders  interessant,  hier  finden  wir  ja  bei  Helbling  den  ab- 
weichenden stammvocal  (et  für  ai)  wider,  den  wir  oben  im  selben 
wort  fOr  heutige  mdaa.  {adn  für  oadn)  nach  angaben  Nagls  zu 
constatieren  hatten,  wovon  unsere  ganze  betrachtueg  ausgegangen 
ist  (s.  s.  373).  während  neben  den  24  seit,  geseii  :  -eit  kein  seit, 
geseU :  -it  (resp. ;  geleit)  steht,  stehn  neben  den  6  leä,  leist,  geleit 
:  -U,  'ist  nur  vier  geleit,  die^  ich  sage  scheinbar,  zu  -eit  gereimt 
werden,  dass  aber  1,  1030  für  kitiBin  sckäzzel  tief  unde  hreü, 
wie  Seemüller  nach  der  einzigen  und  vielfach  verderbten  hs.  list, 
zu  ändern  ist  in  fUr  leit :  Ein  scküxzd  tief  unde  wit,  halt  ich  für 
im  höchsten  grade  wahrscheinlich,  denn  warum  sollte  der  dichter 
hier  von  der  ihm  sonst  geläufigen  Übung  abgewichen  sein,  wo 
das,  was  ihr  conform  war,  so  greifbar  nahe  lag?  in  den  drei 
übrigen  fällen,  wo  geleit  mit  -eit  gebunden  scheint,  ist  die  zweite 
reimsilbe  allemal  durch  das  unbetonte  -heit  gebildet  {:pfafheit 
2,  989,  iwärheit  2, 1477,  :  unbescheidmAeit  4,  711)  und  dass  das 
et  dieser  silbe  schon  damals  sowol  als  altes  et  als  auch  als  diphthong 
I  gesprochen  werden  konnte,  steht  doch  wol  fest  (s.  s.  375.  384). 
jedesfalls  ist  leit < leget  die  ausnähme,  leit<leget  ;-U  die  regel. 
Seifr.  kennt  nun,  wie  die  meisten  Österreicher  (aber  zumeist  nur 
diese)  neben  dem  starken  fhUgen  auch  ein  schwaches  phl§gen 
(s.  ich  phlege  1,  124)  und  bildet  daher  gepMeit  aus  gephl§get  wie 
^etY  aus  gel^get.  dieses  gephkit  reimt  2,  637  (nur  hier  ist  es 
belegt)  nach  dej-  hs.  und  SeemUllers  texl  auf  Daz  uns  von  dir 

^  da  bei  den  Österreichern  jedes  -aget  au  -eit  werden  kann,  so  kann 
natürlich  jaget  unmittelbar  zu  jeit  werden,  so  gut  wie  geklaget  zu  gekleit 
wird  und  braucht  nicht  erst  analogiebildung  zu  gen.  dat.  j^ede  zu  sein. 
übrigeiM  heiPst  ts  jägede  und  mägede,  mchi  J^ede  und  m^ede  und  äge 
«ieht  in  der  conUraction  age  gleich,  nicht  ^ge^  s.  oben  s.  372. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  391 

tsT  für  gesiU.  aber  man  sagt  nicht  nur  sagen,  sondern  vür 
bg^n  UQd  der  knecht  9$it  nicht,  sondern  er  hit  vür^  wie  auch 
in  derselben  nr  926.  1252  uO.  (s.  aach  15,  609.  7,  1025)  richtig, 
mit  den  gleichen  beziehungen  auf  die  darlegungen  des  knechts 
wie  637,  Überliefert  ist  ich  halte  daher  die  conjeetur  vür  geleit 
für  vikr  gaeit  für  so  sicher,  als  eine  conjeetur  nur  sein  kann« 
dann  aber  wird  die  beobachtung,  dass  -eü<9get  einen  von  -iü 
<  agei  und  altep  --Ht  verschiednen  klang  bei  Seifr.  hatte,  auch 
um  das  gepUeit<g$phl€get  erweitert,  denn  hier  reimt -eiY  <  e^er 
dann  cbarakteristischerweise  in  sich. 

Nun  aber  weiter.  I;ei  reimt  bei  Seifr.  aufser  an  den  ge* 
nannten  stellen,  an  denen  i:ei<eg9  reimt,  sonst  nur  in  folgenden 
drei»  ganx  charakteristischen  ß&llen^  :sl  ;lat.  diu  gen.  von  'deus' 
7,  397,  61 :  lat.  met  gen.  von  *meus'  9»  153  ^  und  endlieh  sUt :  geist 
(s.  &  38  If)  10,  49  3.     das  spricht  für  sich  selbst. 

Endlich  sind  im  Christop horus  Zs.  17  xU:lmt<kget 
S65.  1003.  1389,  widerstrit :  vertat  <verkget  935  neben  epist^ 
igeUt  1394.  1481  die  einzigen  beispiele  fUr  bindung  von  t:ei^ 
and  die  vier  ersten  zugleich  die  einzigen  belege  für  leü<kget. 
dieses  Mt  reimt  also  auch  hier  immer  auf  -it,  dagegen  meit<maget 
(1519),  seit<saget  (15.  63-  75  usf.)  immer  nur  auf  -eit,  sowie 
auch  altes  -^  nie  auf  -l(  reimt,  über  die  Sonderstellung  von 
^etsr  8,  oben  s.  376  f.  381  uO. 

So  steht  also  fest:  Laur.,  Walb.,  Lohengr.  ii,  Seifr.  Hehl., 
Chriatopb.  hatten  I  bereits  diphthongiert,  der  diphthong  war  ver- 

*  4,  433  kann  umbetweife  ebenso  gut  zu  Greifo  als  za  Grffo  reimen. 
der  Dame  brancht  so  wenig  imperativisch  za  sein  als  die  andern  mit  ihm 
Terbaodenen  Erge  usw.  es  aind.  und  als  ein  abstract  za  grtfen  konnte  der 
dichter  ein  Greife  so  gut  bilden  als  ein  Gr^e, 

'  da  Seifr.  sicher  schon  ei  für  t  sprach,  ist  an  «f,  ht:  det,  mef  nicht 
zo  denken,  was  wäre  es  auch  för  ein  zufall,  dass  beide  male,  wo  bei  dem 
diditer  -f,  das  er  -ei  sprach,  zum  bt.  genetiv  reimt,  dieser  gen.  dei  und 
IM  ist,  der  die  aqffassung  'ei:dei,mei  gestattet?  aichl  Christi,  domini, 
nd^  noUri,  vettri  usw,,  und  auch  nicht  tibi,  mihi,  Hhi,  earitßU,  hq/minii, 
awtavi  usw.,  denn  auch  sonst  reimt  kein  lat.  t  zn  deutachem  t  (da»  vocal- 
spiel  Doterligt  andrer  beurteilong),  sowie  Seifr.  auch  von  allen  ?oc9len  kurze 
ood  länge  mit  einander  bindet,  nur  t  niemals  auf  i  und  ^,  iu  niemals  auf 
»,  ü.     Seemüllers  diesbezAgltebe  angaben  s.  lxxi  sind  hier  zu  berichtigen. 

*  daneben  natürlich  auch  (s.  s.  376  f.  384)  gei$t:  aUermeui  1, 1001. 

^  denn  1104  ist  waiehen  wol  gleich  mbd.  weichen  *weich  werden', 
nicht  gleich  mhd.  wichen,  wie  dies  ja  auch  das  ai  der  hs.  A  erweist. 


392  ZWlERZilNA 

schieden  von  altem  ei  {ai),  sowie  heute  auch,  das  aus  ^ge  con- 
trahierte  et'  aber  war  hier  identisch  oder  wenigstens  ähnlich  dem 
aus  f  entstandenen  neuen  diphthong,  während  et  <a9e  mit  alten> 
et  {ai)  zusammenfiel. 

Sehen  wir  uns  nun  die  ältesten  beispiele  für  bindung  de» 
I  mit  et  im  13  jh.  an,  die  sich  bei  Heinr.  vTOrl.,  im  Mantel, 
bei  Ulr.  vTürl.,  im  Mai  und  Beaflor  und  beim  Pleier  finden,  so 
tritt  uns  ganz  die  gleiche  erscheinung  entgegen,  entweder  wir 
haben  es  mit  dem  -(ete  statt  -tie  der  fremden  endung  zu  tun, 
oder  das  et  steht  in  einem,  sei  es  aus  der  Schriftsprache  {geist, 
rein)  sei  es  aus  dem  latein.  {dei,  mei)  oder  dem  roman.  entlehnten 
wort,  —  oder  et  ist  gleich  e^el 

Bei  Heinr.  vdTtirlein  reimt  8840  erzenei : enzwei,  sowie 
oben  im  Lohengr.  ii  apiei :  zwei,  es  ist  wol  drzetei  zuschreiben 
und  ein  ardtteie  steht  auch  tatsächlich  in  der  md.  hs.  des  13  jhs. 
der  Hohenfurter  Benedictinerregel,  die  Scherer  Zs.  16  herausgab, 
xxvifi  7  (s.  Lexer  Nachtrag  s.  34) ,  welche  hs.  kein  et  für  I  schreibt* 
ebenso  geben  die  predigten  der  Leipziger  hs.,  die  SchOnbach  im 
ersten  band  seiner  Sammlung  ediert,  fast  durchweg  arcteie,  arcteige, 
sonst  aber  kein  et  <l;  s.  Scbönbachs  glossar  s.  460  s.  v.  sonst 
reimt  bei  Heinr.  nur  samü  zu  geleit  <  geleget  2831  und  zU  wider 
zu  geleit  <  geleget  25566.  nie  reimt  -U  zu  altem  -et^  auch  nie 
zu  'eit<aget,  die  in  der  Krone  doch  so  häufig  und  mannigfaltig 
im  gebrauch  stehn. 

Sehn  wir  nun  den  Mantel  (s.  Warnatsch  s.  94)1  wider 
nur  1  zit:  geleit  <  geleget  110.216,«!^;  geleit  <  ^efe^eT  7161  wider 
kein  -it  im  reim  zu  altem  -eit,  kein  -it.geseit,  verzeit,  welch 
letztere  zu  altem  -eit  sehr  häufig  reimen. 

Und  genau  so  verhält  sich  ferner  Ulr.  vdTürl  eins  Willehalm, 
die  bindungen  von  I ;  et  zählt  Singer  s.  xv  und  lxiv  seiner  ausg. 
vollständig  auf.     davon  ist  (worauf  Singer  selbst  mich  aufmerksam 

>  Warnatsch  führt  noch  an  enzU :  bett  (prät  von  bilen)  405.  aber 
das  isl  coivjectur,  und  wie  wir  woi  heute  schon  urteilen  dürfen,  sicher  falsche 
conjeetur  des  herausgebers.  die  hs.  hat  pite :  unzeite,  was  allerdings  keineo 
sinn  gibt,  es  ist  vielleicht  zu  lesen  y4rt(U  enwolt  niht  vor  gezzen^  Unz 
er  dventiure  hite  (so  die  hs.,  heit  Warnatsch).  In  dühie  es  itocA  unsite 
{unzeite  hs.,  enz(t  Warnatsch)  Daz  er  dannoeh  wze,  darauf  fährte  vielleicht 
auch  die  von  Warnatsch  beigedruckte  parallele  in  dem  der  quelle  nahe- 
stehnden  fahl.  Met  au  rot  Artus  n^ert  pas  hei  Que  ü  menjast  ne  ite  beiUt. 
vgl.  auch  Mantel  447,  Wigal.  247. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  393 

machte)  68,  7  xeigen :  nigen  zu  streichen ,  denn  es  ligt  neigen, 
das  schwache  verb,  nicht  nigen  vor.  dann  bleiben  git :  w%derleit§ 
<  widerlegte  9,  15,  ztt :  leü§  <  legete  13,  20,  etrtt :  git  ruf  gekit 
<c  ikf  gdeget  168,  29,  gU:üf  geleit<üf  geleget  217,  12,  endlich 
f^  :  tr€ü<.  traget  314,  13,  %e  hider  sit :  umhe  jeit§  <j§gete  45,  3. 
das«,  wenn  auch  die  Österreicher  des  öfteren  (retV</ra^6r  bilden, 
dennoch  eine  auf  traget  zurückgebnde  form  bei  einem  oder  dem 
andern  von  ihnen  sicher  möglich  wäre  ^  bedarf  keines  be weises. 
daas  aber  die  et- formen  von  jagen  auch  in  andrer  beziebung 
häufig  mit  ^t<:eget,  nicht  mit  den  'eit<aget  zusammenstebn, 
darauf  bah  ich  oben  schon  im  allgemeinen  und  für  unsern  Ulrich 
im  besondern  hingewiesen  (s.  s.  357).  wider  reimt  also  nur 
-eü  -<:  eget  auf  -it,  nie  altes  -eit,  auch  nicht  das  bei  Ulr.  so  un- 
gemein häufige  ge$eit<  gesaget  ^. 

Dazu  kommt  bei  Ulr.  nun  noch  die  bindung  pHs;  Arabeis  210, 
20.  aber  wir  wissen  ja  schon,  dass  die  et  fremder  worte,  geist 
uod  rein  sogut  wie  dei  mei  und  das  roman.  -eis,  bei  den  Osterr. 
dichtem  vielfach  anceps  gebraucht  werden,  sowol  mit  altem  ai  <  et 
als  mit  neuem  et<l  gesprochen  und  gereimt  werden  konnten. 
Im  Mai  und  Beaflor  finden  wir  nur  dieses  französische 
et  auf  I  gereimt,  curteis :  pris  196,  25,  und  ebenso  bindet  auch 
der  Pleier  curteis: amU  Meier.  7773.  Tand.  2903,  :prU  Tand. 
249.  16765.  16786,  ;  wie  Gar.  12067,  ;jF/oHeGar.  4837.  5391. 
9874,  :Klaris  20789,  ;it;enle  7359,  .in^enle  12687.  15240. 
beim    Pleier  finden   wir  aber  auch   wider   unser  -it.'-eit^eget, 

uzw.    u>it  und  zit  :(ge)leit<.(ge)leget  Gar.  8778.   10260.  Tand. 

4347.  10582  und  andre  l:et  als  diese  finden  sich  auch  beim 

Pleier  nicht  3. 

^  darauf  weist  ja  auch  das  fehlen  von  treit  mit  leit  in  Nib.,  RabeDschl., 

RoseDg.  A,  Klage,  s.  oben  s.  380. 

3  neben  den  Meit  <,  leget : -tt  stehn  mea<l^et:'eit,  ozw.  118,7. 

125,  14.  173,  9.  215,  13.   216, 15.  257,  1.  284,  23.  292,  17.  298,  9.  305,  23. 

308,7.  325,  11.     also  erst  gegen  den  schinss  hin  werden  diese  häufiger. 

die  ersten   beiden   leit  <  l^et  reimen  aaf  -fSf,   ferner  stehn  bis  216  incl. 

4  ieiii'Ü  gegen  5  leit:-eit,  yon  257  an  folgen  dann  noch  7  leit.'-eit  und 

kein  einziges  leit:-tt.    in  sich  reimt  geleit:  treit  189,  21,  die  ^-form  reimt 

zn  bew^et  249,  27.    Fischers  zahlen,  die  ich  oben  s.  357  citierte,  sind  nach 

Singers  ansg.  also  erheblich  zu  berichtigen;  jedoch  alterlert  dies  den  oben 

ans  den  nicht  ganz  correcten  zahlen  gezogenen  schlnss  in  keiner  weise, 
s  dass  l^den:  scheiden  Tand.  3798  (di.  3809  Kholl),  welches  Weinhold 

Mhd.  gramm.'  s.  101  EHMeyers  aufsatz  entnimmt,  zu  streichen  ist,  hab  ich 


394  ZWIERZINA 

Alle  diese  dichter  reimen  Freilich,  hier  im  gegeosatz  zu  den 
zuerst  vorgefuhrlen  denkmälerot  zu  Lauria,  Walberan,  Lohengrin, 
Seifrid  Helbling  uud  Christophoinis  Zs.  17,  letit  uud  geleit  auch 
des  öftern  (jedoch  nicht  allzuhflufig,  s.  s.  379)  auf  altes  -«t(. 

Ebenso  verhalten  sich  noch  manche  der  jQngern  Österreicher, 
die  beiden  einzigen  bindungen  von  I  und  ei  beim  Suchen- 
wirt  sind  widerum  gezuHt  ^mit  zweigen'  :erkit<erkget  24,  136, 
hier  ist  et  also  ei<ege,  und  Sameü  'Samogidi'  ihöchzU  4,  257, 
hier  ist  et  fremdes  et,  wenn  würklich  Sameit  und  nicht  iSoml^  an* 
zusetzen  isL  ebenso  ist  in  dem  einzigen  f ;  et,  das  Weinhold  aus 
Teichner  nachweisen  kann  (s.  oben  s.  386  anm.)«  spUsf^hreis 
Karajan  anm.  285  et  fremdes,  romanisches  et.  im  fastnachtspiel 
vom  Berner  und  Wunderer  find  ich  550,31  %U  :  geleit  < 
geleget. 

Auch  Jans  Enikel  lässt  noch  die  alten  verhUltnisse  deut- 
lich durchblicken,  vers  1 — 3500  der  Weltchron.  reimt  geseit  zu 
altem  -eit  18  mal,  er  setY  6  mal,  ir  seit  1  mal,  er  treit  2  mal,  altes 
-et(  in  sich  27  mal  diesen  54  reimpaaren  steht  hier  nur  ein 
reimpaar  mit  geleit  <  geleget : -eit  (1111)  gegenüber,  daher  kann 
es  nicht  zufall  sein,  wenn  unter  den  32  bindungen  von  f ;  et, 
die  die  Weltchron.  aufweist  ^  23  bindungen  von  'U:{ge)leit 
<{9e)leget  sind,  uzw.  (ge)leit :  wU  2577.  15793.  22069.  23239. 
27026.  28495,  :zU  3241.  3649.  4679.  4985.  11199.  11751. 
11881.  17041.  18163.  20565.  20675.  24567.  26289.  27145. 
28823,  :samit  15977.  23667.  da  {ge)leit  bis  v.  4000  der  Welt- 
chron. nur  einmal  zu  altem  -etV  und  viermal  zu  -U  reimt,  werden 
wir  wol  annnehmen  dürfen,  dass  eiK.ege.'i  die  Enikel  geläufigere 
Verbindung  war.   sonst  wird  -U  in  der  Weltchron.  noch  sechsmal 

schon  Änz.  xxii  363  notiert.  —  Gar.  3510  moss  es  im  reim  aaf  bereit  statt 
Uf  dem  grüenen  anger  wtl  heifseo  Uf  d,  g.  anger  breü.  die  genau 
stimmende  parallelstelle  Meier.  5007  gibt  heide  breit,  Uf  den  grüenen  anger 
breit  steht  zb.  auch  Meier.  1528  aö.  anger  breit  und  anger  w^  wechseln 
beim  Fleier  fortwährend,  sodass  die  Unsicherheit  des  Schreibers  hier  eben  so 
erklärlich  ist  wie  bei  der  selzung  von  Mit  rehte  mantScher  tofr  oder  ger, 
die,  wie  wir  oben  s.  267  anm.  1  sahen,  öfter  den  platz  tauschen,  da  die 
jungern  hss.  b  für  t&,  w  für  b  schreiben  und  t  als  diphthong,  ist  ein  breit 
der  vorläge  leicht  als  weit  (di.  beit)  verlesen,  der  gleiche  fehler  in  der 
hs.  des  Helbling,  s.  oben  s.  390. 

^  SSinger  hatte  die  freundlichkeit,  mir  diese  belege  aus  seinen  samm- 
langen beizusteuern. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  395 

XU  altem  -^  gebuDden^  die  beiden  u>äkrheü:nU  797  nnd  9trit 
8119,  die  darunter  sind,  dürfen  wir  da  nicht  mit  Singer  Mhd. 
schiillBpr.  «nnu  10  &  15  pressen,  denn  dass  unter  6  anf  -l( 
reimeoden  -mt  zwei  dieser  -et/  durch  das  so  häufige  -Mr  re- 
priseotieil  werden,  kann  doch  nicht  auffallen,  aufserdem  notierte 
Singer  aus  der  Weltcbron.  noch  ifetn ;  din  16143,  zeiehm :  strtehm 
86179  wUi  ein  :wUn  21585.  sollte  sich  nicht  in  diesen  bindungen 
schon  die  'städtische',  wienerische  ausspräche  des  alten  ei  (a,  nicht 
«o,  wie  auf  dem  land)  kund  tun?  s.  auch  Singer  aao.  anm.  17 
&  16,  der  freilieb  die  sache  etwas  anders  fasst. 

Aber  es  gibt  in  spatmbd.  zeit  auf  bair.-Osterr.   gebiet  auch 
aofser  Enikel  noch  dichter,   die  I  mit  et  über  die  vorhin  um- 
schriebenen grenzen  hinaus  zu  reimen  wagen,    viele  sinds  ihrer 
nicbt,  ich  kenne  nur  Hadamar  vLaber  undOswald  vWolken-- 
stein  2.     auch  im  dialekt  dieser  autoren  war  I  gewis  nicht  gleich 
ei,  also  et  nicht  gleich  ai,  aber  der  Sprachgebrauch  fremder  gegen- 
den    hatte  bei  ihnen   Verwirrung  angerichtet,    und  von   Oswald 
wissen  wir  ja,  wie  sehr  er  auf  fremdsprachliches  horchte  und  es 
oachabmte.    er  horte  das  ei,  das  er  für  mhd.  I  sprach^  von  firemden 
mdaa.  io  Worten  gesprochen,  die  er  mit  ai  sprach,  und  dies  riditete 
die  Verwirrung  an.    am  deutlichsten    ist  das  ja  beim  Bruder 
Philipp,     dieser  Mittelfranke  reimt  I; et  häufiger,  als  alle  Baiern 
und  Österreicher  zusammengenommen,  s.  Rackerts  anm.  zu  v.  1716 
und  doch  fiel  kein  I  und  et  je,  weder  im  Moselfränk.  noch  im  Ripuan, 
zusammen,  und  ebensowenig  in  Steiermark^  wo  Philipps  publicum 
zuhause  war.    aber  die  rOcksicht  auf  den   wildfremden  dialekt 
hatte  des  dichters  Sprachsicherheit  erschüttert  und  unsinniges  zu 
tage  gefördert. 

Es  ist  dieselbe  Verwirrung  und  sprachmengung,  aus  der  das 
identische  et  fOr  mhd.  et  und  I  in  unsrer  nhd.  gemeinsprache 
hervorgegangen  ist 

Fassen  wir  nun  zusammen.  ei<age  (dazu  gehört  in  Baiern- 
Österreich  stets  auch  set^  und  des  öftern  auch  treit)  wird  von 

1  fdt:wdrknt  797,  :eit  9097;  HrÜ:wdrheit  8119,  zÜ:  breit  18199, 
samü:g^emeit  16025,  :kleit  26783.  —  aus  dem  Fürstenb.  citiert  Weiahold 
Mhd.  gramm.'  s.  101  3  {ge)leit  <  {ge)leget :  -CK,  sonst  nur  eia  gntein 
zvingerUn. 

*  die  beispiele  für  i:  ei  and  iu  (eu),  die  Bartsch  Germ.  8, 134  aas  der 
Oswaldlegende  ed.  Ettmfiller  beibringt,  zerflaltern  alle  bei  nSherm  zusehen. 


396  ZWIERZINA 

allen  ÖsterreicberD  und  Baiern  mit  einem  dem  alten  ei  identischen 
laut  gesprochen  und  von  allen  dichtem  mit  altem  et  und  nur  mit 
altem  et  im  reim  gebunden.  ei<ege  (dazu  gehört  an  verbalformeD 
aufser  lett  des  öflern  auch  treit  und  jeit)  wurde  mit  einem  an- 
dern laut  gesprochen  als  et  <  age  und  altes  et.  es  wird  daher 
in  einigen  der  ältesten  bair.-Osterr.  dichtwerke  gar  nie  gereimt 
(so  Nib.,  Gudr.,  Bit.,  Roseng.  A,  Rabenschl.,  Tundalus),  obwohl  diese 
werke  ei<:age  sehr  häufig  reimen  ^^  von  manchen  andern  wider 
nur  auf  I  oder  in  sich  gereimt  (so  Laur.,  Walb.,  Lohengr.  ii,  Seifr. 
Helbl. ,  Christoph.),  von  noch  anderen  bald  auf  I,  bald  auf  et  (so 
Heinr.  vTürl.,  Mantel,  Ulr.  vTürl.,  Pleier,  Suchenw.,  Enikel),  von 
einigen  wenigen  aber  auch  auf  helles  d  (as,  d,  so  Teichner),  bei 
allen  bair.-österr.  autoren  aber,  die  ei<ege  überhaupt  mit  altem 
et  oder  ei<age  binden ,  ist  doch  diese  bindung  verhältnismäfsig 
selten  und  tritt  vor  der  bindung  von  et  <  age  :  et  in  bezug  auf 
häufigkeit  des  gebrauchs  weit  zurück. 

Eins  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  ei  <  age  in  Baiern 
und  Österreich  heimatsberechtigt  ist  und  nicht  aus  alem.  litteratur- 
denkmälern  nur  von  den  dichtem  herausanalogisiert  wurde,  be- 
weisen die  aufgeführten  reimverhältnisse  allein  bis  zur  evidenz. 
nicht  dasselbe  kann  man  mit  gleicher  bestimmtheit  für  et  <  ege 
behaupten,  wenn  das  et.  von  leit<kget  oder  von  eide<egede 
bald  auf  ei,  bald  auf  diphthong  I  gereimt  wird,  hat  das  als  ana- 
logie  zur  seite  die  art,  wie  fremdes  ei,  das  et  in  geist  und  retti, 
das  et  in  curteis,  Arabeis,  dei  und  mei  in  den  selben  österr.  ge- 
dichten  bald  auf  et,  bald  auf  diphthong  f  gereimt  wird;  und  der 
schluss  läge  nahe  :  folglich  war  auch  ei  <  ege  in  Österreich  ein 
fremdes  ei,  da  es  ja  ganz  gleich  behandelt  wird,  wie  andre  ent- 
lehnte et*,  aber  darf  man  so  schliefsen?  wir  müsten  an  eine  gul 
mundartliche  eutlehnung  denken,  wie  eine  solche  ja  auch  wahr- 
scheinlich in  geist,  heilig,  rein  usw.  vorligt,  nicht  an  eine  litte- 
rarische, denn  eide<egede,  eideh8e<egedehse,  Mdnhart(sberg)  < 
Meginhart  wurden  nicht  durch  Vermittlung  der  litteratur  und  des 

^  zu  deren  zeit  war  also  i  noch  nicht  völlig  zu  diphthong  geworden, 
der  mit  ei  <  ege  und  ei  <;  ede  zusammenfallen  konnte,  ich  notiere  auch 
das  fehlen  von  ei  <  ede,  bes.  mit  röcksicht  aofs  Nib.  denn  hier  moss  die 
absenz  der  reime  auf  das  österr.  (s.  s.  386  0  gtfreii  <;  geredet  entschieden 
auffallen,  weil  reite  für  redete  im  Innern  durch  die  besten  hss.  widerholt  be- 
zeugt ist,  8.  Bartschs  wb.  s.  247  s.v.,  und  bes.  1154,3.  1159,1. 1191,4  usw. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  397 

reims  entlebDt.  UDd  eioe  solche,  wie  wir  sahen,  die  weitesten 
strecken  bair.-Osterr.  gebiets  begreifende  entleboung  scheint  mir 
für  verbalformen^  wie  die  leü,  leiste  geleit,  gejeit,  gereit  {<  ge^ 
redet)  es  sind^  doch  wider  ganz  unmöglich  zu  sein. 

Ad  den*  schluss  dieses  abschnitts  stell  ich  noch  die  zahlen 
Air  die  sogen,  reime  von  I  auf  et  bei  den  oben  behandelten  dich- 
lern  zosamroen.  von  -ete  ststt  -le  der  fremden  endung  seh  ich 
ab,  ebenso  von  den  reimen  Hadamars,  Oswalds  utid  Philipps. 
dann  find  ich  in  Vintler^  grNeidhartssp.,  Laur.,  Walb.,  Lohengr., 
Seifr.  Helbl,  SChristoph.  Zs.  17,  Krone,  Mantel,  Ulr.  Wh.,  Mai, 
Pleier,  Suchenw.,  Teichner,  spiel  vom  Berner,  Enikel  zusammen  98 
solcher  reime,  davon  entfallen  58  auf  reime  von  i:ei<ege  (leit, 
treü,jeü^  eide)  uzw.Laur.  3,  Walb.  2,  Lohengr.  2,  Seifr.  7  (oder  8?), 
Christoph.  4,  Krone  2,  Mantel  3,  Ulr.  Wh.  6,  Pleier  4,  Suchenw.  1, 
spiel  vom  Berner  1,  Enikel  Weltchron.  23.  ferner  29  auf  reime 
von  I  zu  fremdem  ei,  uzw.  Vintler  7  rein,  grNeidhartssp.  1  rein, 
Seifr.  1  geist,  2  dei  (met),  Christoph.  2  geisty  Ulr.  Wh.  1  Arabeis, 
Mai  1  curieis,  Pleier  12  curieie,  Suchen wirt  1  Sameit,  Teichner 
1  föreis.  weiterhin  -U  : -heit  9  föUe  (Vintler  1,  Enikel  2),  -in: 
unbetontes  ein  1  fall  beim  Vintler  und  schliefslich  aufserdem  noch 
7  unerklärte  f :  ei,  alle  in  Enikels  Weltchronik  i. 

lii  <C  liget,  —  Beobachtungen  s.  470  hab  ich  auf  den 
parallelisiDus  aufmerksam  gemacht,  in  dem  bei  Hartm.  und  Wolfr. 
der  gebrauch  und  das  fehlen  des  aus  altem  igi  contrahierten  I 
aod  des  aus  altem  agi,  ^ge  contrahierten  et  stehn.  so  wie  Hartm. 
nur  die  formen  er  leit,  er  treu  und  das  part.  gefeilt  kennt,  so  ge- 
braucht er  auch  ausschliefslich  er  Itt,  und  so  wie  ihm  ein  *ir 
leä  für  tr  kget  oder  *ir  seit  für  ir  saget  fremd  ist,  so  fremd  ist 
ihm  auch  ein  *ir  lit  für  tr  liget :  er  reimt  stets  er  lU,  aber  nur 
ir  liget  :  gesiget  Er.  9340.  Wolfr.  aber,  der  nur  sporadische  treit 
und  leit  aufweist,  stellt  auch  nur  ein  einziges  er  lU  neben  zwölf 
er  liget  in  den  reim. 

>  «lg  mein  mannscript  schon  im  weseotlichen  abgeschlossen  vorlag, 
erfahr  ich  tod  MHJellinek,  dass  auch  er  schon  selbständig  die  beobachtang 
gemacht  hat,  dass  in  den  ältesten  bair.-österr.  bindongen  von  i:ei  das  ei 
meist  cootracti6ns-9i  ist.  nur  dass  die  ei<Cege  und  die  ei<.agej  äge  in 
den  reimen  der  Österreicher  and  Baiern  hierin  getrennt  behandelt  werden, 
dass  contractions-et  in  der  bindang  f.* et  nie  ei<iagey  sondern  immer  0t< 
«^e  ist,  war  JelUneks  beobachtang  bis  dahin  entgangen. 


l 


398  ZWIERZINA 

Ich  führe  dud  zunächst  noch  einige  dichter  vor,  die,  so  wie 
Hartm.,  ihrem  allein  gültigen  er  lU  das  ebenso  allein  gültige  tr 
liget  gegenüberstellen. 

So  reimt  ülr.  vTürh.  nur  er  lU  Trist.  499,26.  520,  17. 
524,  19.  539,  19.  571,  9,  Rennew.  Germ.  16,  1,  81,  Zs.f.  d.ph. 
13,  119^  43.  130*,  45,  Roth  323,  83.  341,  69.  378,  13,  Lohm. 
289.  777.  über  er  lU  :  er  pMU  Trist.  508,31  s.  unten,  aber 
Rennew.  Roth  341,71  reimt  ir  liget :  wiget  und  nirgend  steht 
ein  ir  lU. 

Der  Lanz.  reimt  er  lU  1777.  2645.  4333.  4735.  8785.  8973, 
aber  tr  liget :  er  pMiget  839.  phllt  erscheint  im  Lanz.  niemals 
für  phliget,  das  1741.  6645.  7959  nur  auf  geeiget  reimt,  vgl. 
noch  unhöhe  wiget :  an  gesiget  2513.  also  niemals  er  liget,  nie- 
mals ir  IUI 

Ebenso  reimt  Wirnt,  hier  in  directem  gegensatz  zu  seinem 
nachbar  Wolfram,  er  Ut  Wig.  294.  2684.  2876.  3759.  5065. 
5694.  8490.  9531.  9849.  dass  ihm  diese  form  organisch  zukam, 
zeigt  auch  bei  ihm  der  richtige  contrast  von  ausschliefslichem 
er  Ut  und  ausschlierslichem  ir  liget,  das  Wig.  7238  zu  genget 
reimt. 

Im  Ortn.  and  Wolfd.  A  reimt  er  Itt  Ortn.  22, 4.  32, 4.  58, 2. 
94,  3.  103,  4.  309,  3.  345,  2.  354,  3.  361,  2.  369,2.  414,  4, 
Wolfd.  417,  1.  472,  4,  du  list  486,  1.  er  ligH  fehlt  wider,  wol 
aber  heifst  es  nur  ir  liget  :  gesiget  Ortn.  466,  1. 

Noch  in  Konrads  vStoffeln  Gauriel  steht  sich  er  Ut  2697. 
3101  (daneben  kein  er  liget)  und  ir  liget :  an  gesiga  1102  (da- 
neben kein  ir  lit)  gesetzmäfsig  gegenüber. 

Rei  vielen  dichtem  ist  natürlich  tr  liget  im  reim  nicht  be- 
legt, bei  denen  dennoch  filr  die  3  sing,  nur  Itt  gilt,  die  formen 
der  2  plur.  reimen  ja  überhaupt  selten,  noch  dazu  bietet  tr  liget 
keine  sehr  bequeme  reimform,  als  solche  dichter  mit  ausschliefs- 
lichen  er  Rf  wären  etwa  zu  nennen  :  Rud.  vEms,  Konr.  vHeimesf., 
Freidank,  gFrau,  Wetzel,  Serv.  Zs.  5,  ferner  Nib.,  Klage,  Rabenscbl. 
die  Alemannen  unter  ihnen  sagen  auch  ausschlieTslich  nur  treä 
leit  (aber  natürlich  tr  legt  Urst  116,57.  117,  86)  und  nie  tregt 
legt,  freilich  steht  es  nur  von  den  umfangreichern  der  eben  ge- 
nannten, so  zb.  von  Rud.  vEms,  vollkommen  fest^  dass  ein  er  Uget 
bei  ihnen  unmögliche  form  isL 

ir  lU  kenn  ich  nur  aus  zwei  md.  dichtem,   es  reimt  bei 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  399 

Herb.  6946.  12464  und  in  Heinrichs  Vaterunser  4188.  bei  Herb, 
scheint  auch  er  lU  obligatorisch  zu  sein  :  247. 1233. 1343. 8596. 
8975.  10823.  10861.  14418.  14785.  16274.  18064,  du  Us  14070, 
tt:pUU  1^461.  «r  Ut  ist  eine  analogieform,  die  sich  erklärt  wie 
das  lim  oBd  ligen  der  hess.  Elisabeth  und  der  rheinischen  (sie!) 
Tirginal,   von  denen  unten  noch  die  rede  ist. 

er  Ug^  neben  er  Ut  belegen  Gt>tfr.  vStrafsb.  (er  liget  855. 
6103.  6807),  Reinbot  (er  liget  851.  4487),  Walth.  (er  liget  42, 24. 
64,  35),  Konr.  vPossesbr.  (er  liget  2033),  Otte  (er  liget  2555. 
4771),  Hugo  TTrimb.  (er  liget  5534. 10110. 11325. 11795.  15868), 
Mai  (er  ligei  29,  25.  112,  1),  Pleier  (er  liget  Mel.  5564  uO.), 
Dietr.  Fl.  (er  liget  10105)  ua.,  ferner  Hugo  vLangenst.,  Walth. 
vRbeinau  ua.  von  Alemannen  aufserhalb  des  Elsass,  dem  auch 
das  md.  phttt  nicht  fremd  bleibt,  sind  nur  spätere  autoren  unter 
dieser  kategorie  vertr^en.  die  meisten  (auch  Hugo  vLangenst.  und 
Walther  vRhetnau)  stellen  auch  legt  neben  leit,  s.  Reinbot  1025. 
1215.  2061,  Walth.  54,  11,  Kindh.  Jesu  1771,  Mart.  56,111. 
Qor  bei  Gotfr.  und  Hugo  vTrimb.  fehlt  legt  und  tregt  im  reim, 
jedo<^  ist  zuüall  nicht  ausgeschlossen. 

Ebenso  zeigt  nun  auch   der  Stricker  er  liget  neben  er  ttt. 

er  reimt  dieses  liget  zu  ^e^'^e^  Dan.  1831.  Karl.  4761.  Frauen- 

cAire   495.  Hahn  xi  125.  Altd.  wald.  iii  229,  31,  zu  phliget  (pUU 

fehlt  bei  ihm)  Frauenehre  1011.  Pf.  Ob.  1,  82.  Doc.  Mise,  n  52. 

Hahn   xu  255.  441.  675;    lU  dagegen   nur  Karl  3559.    7071. 

Frauenefare  35.  Am.  1387.  Gesamtab.  60,41.    es  stehn  bei  ihm 

also    11  liget  gegen  nur  5  lU,   welches  Verhältnis  dadurch   noch 

mehr  zu  guaslen  von  liget  verschoben  wird,  dass  reime  des  typus 

^igeH  ja  Oberhaupt  viel  seltener  sind,  als  solche  des  typus  -it  (s. 

Beobachtungen  s.  470),  fOr  Ut  also  viel  mehr  reimmOglichkeiten 

gegeben  waren,  als  für  -igetK    dies  bezeugt  auch   deutlich  das 

Verhältnis  von  Ut :  Uget  bei  den  andern  dichtem,  die  beide  formen 

reimen ,  es  ist  far  Gotfr.   wie  18  : 3,  für  Reinb.  wie  10:2,  fttr 

Walth.  wie  11 : 2.  für  Konr.  vFussesbr.  wie  3. 1,  f&r  Otte  wie 

3 : 2,  für  Hugo  vTrimb.  wie  17 : 5,  für  Dietr.  fl.  wie  6 : 1  usf., 

nur  für  Stricker  umgekehrt  wie  5: 11.    Strickers  form  war  also 

1  es  reimt  aarserdcm  \Aoh  phliget : ginget  Dan.  975,  Gesamtab.  87,61 
Gem.  %  462,  55,  Pf.  Üb.  1,  30,  :iDig€t  Karl  9223,  flahD  xni  65,  wigetcge- 
nget  I^Qcnebre  287,  Doc  Mise,  ii  216. 


400  ZWIERZINA 

jedesfalls  liget   und   die  fünf  reime  auf  lU  sind    vielleicht    nur 
litterarische  reime,  sowie  der  eioe  auf  lU  bei  Wolfr. 

Bekanntlich  ist  gU<gibet  bei  Wolfr.  ein  sehr  hfluGges  reim- 
wort,  so  vereinzelt  auch  lU  <  liget  bleibt,  s.  Beobachtungen  s.  431. 
auch  der  Stricker  gebraucht  git  offenbar  ohne  jeden  anstand,  denn 
den  5  lit  stehn  bei  ihm  16  oder  17  git  gegenüber:  Karl  345. 
1103.  1139.  4629.  5213.  Frauenehre  745.  953.  Am.  2377.  Ge- 
samtab.  69,  51  (?).  Grimm  Reinh.  s.  344.  Doc.  Mise,  ii  216. 
217.  218.  HGerm.  8,  297,  77.  300,  241.  265.  Hahn  x  47.  bei 
Hartm.  haben  wir  23  lU,  3  list  und  14  git,  3  gitt,  im  Renner 
11  lit  und  7  git  und  gleiche  Verhältnisse  bei  allen  andern  dichtem, 
denen  lit  und  git  gleich  gilt. 

In  dieser  Übereinstimmung  des  gebrauchs  von  liget,  aber  git 
beim  Stricker  und  Wolfram  dürfen  wir  aber  kein  zeichen  bairischer 
oder  bairisch-Osterreichischer  herkunft  des  Strickers  sehn.  /(/ 
fehlt  bei  keinem  Österreicher^  und  Wolfr.s  differenzierung  von 
liget  und  git  ist  wol  eines  der  vielen  fränkischen  und  nicht  ein 
bairisches  merkmal  seiner  spräche,  das  zeigt  uns  das  gleiche 
verhalten  von  Alberts  Ulrich,  wie  wir  noch  des  Oflern  zu  be- 
merken gelegenheit  haben  werden,  ist  der  dialekt  dieses  gedicbtes 
Süd-  oder  ostfränkisch,  nicht  augsburgisch 2.  dass  er  mit  dem 
dialekt,  den  Wolfr.  reimt,  die  mannigfachsten  berührungspuncte 
zeigt,  hat  schon  CKraus  Abhandlungen  zur  germ.  philologie  s.  125 
anm.   notiert 3.     genau  so   wie   Wolfr.   verhält    sich    nun   Albert 

^  nur  im  Bit.  ist  lit  merkwördig  selten,  es  steht  blofs  12611  ganz 
gegen  schlass  des  gedichts  und  reimt  dort  zuf  g^i<,gibet,  auch  dieses^ 
ist  sonst  nur  6908  und  6960  im  gedieht  belegt.  ^:gü  könnte  auch  einen 
unreinen  reim  Hget  :gibet  bedeuten  (s.  tage :  habe  Bit.  8567,  Bergen :  toerben 
1629).  auch  in  der  Gudr.  steht  lÜ  nur  718,  2,  gfl  fehlt,  ebenso  iiget.  der 
wenig  umfangreiche  MHelmbr.  ergibt  nur  zufallig  kein  beispiel  fQr  iü  oder 
liget;  git  1447. 

*  ESchröder  bemerkt  hierzu,  dass  auch  andre  anzeichen,  vor  allem  das 
Verhältnis  zu  den  localnamen  der  quelle,  ihn  längst  dazu  geführt  haben,  die 
heimat  des  autors  aufserhalb  Schwabens  zu  suchen. 

3  dass  dieses  denkmal  'nahezu  in  allen  puncten  Wolframs  dialekt  (nur 
in  etwas  jQngrer  gestalt)  spiegle',  ist  vielleicht  doch  etwas  zu  viel  gesagt 
es  sind  auch  die  unterschiede  zwischen  Alberts  und  Wolframs  spräche  ziem- 
lich bedeutend.  Alb.  reimt  oft  und  ungescheut  quam  und  qudmen^  Wolfr. 
sprach  nur  kom  und  körnen,  bei  Alb.  a<U.  -Kch,  adv.  -liehen,  bei  Wolfr. 
•4ioh,  'liehe,  auch  Alberts  nach  söd-  und  rheinfrankischer  art  (s.  unten  nr  10) 
-durchwegs  verkürzten  himelrieh  (258),    Uodelrieh   (267.  806.  1058.  1185. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  401 

aoch  darin,  dass  er  zwar  gtt  zu  sit  und  zit  reimt:  23.  752.  1573, 
aber  ebenso  consequent  er  liget  zu  phliget  139  und  gesigit  203, 
Diemals  er  ttt. 

Anders  geartet  ist  die  Unterscheidung,  die  zwischen  der  be- 
handlang  von  ligä  und  gihet  zwei  weitere  mü.  dichter  machen. 
der  Verfasser  von  Erlös,  und  Elisab.  gebraucht  er  lit  sehr  hflu&g 
im  reim:  ErlOs.  713.  861.  1008.  1145.  1530.  2115.  2523.  6044. 
6099.  Elisab.  855.  1094.  1335.  1367.  1872.  2615.  2673.  2995. 
3509.  4567.  9283.  9735.  9952.  10079.  er  liget  findet  sich  daneben, 
wie  bei  den  meisten  Franken;  jedoch  nur  Erlöst  2727.  6476 
im  reim  auf  phliget  (ein  sicheres  phlit  fehlt). 

1363.  1527),  gelich  (735),  sogar  lieh  «corpus'  (305. 1508)  laafen  Wolfr.  direct 

zuwider  und  sind  kaum  jOagre  entwicklang  seines  dialekts.     ferner  Alb. 

wesie  1397,  Wolfr.  nar  toeste,  Alb.  st  ptoaom.  1191,  Wolfr.  nur  sie  (s.  aber 

Gregrtfrü .' hie  Dir.  1293),  Alb.  stdn  (342.  1424.  1429)  neben  ttSn,  Wolfr.s 

form  ist  sten,  AJb.  trehUa,  ein  wort,  das  Wolfr.s  Wortschatz  fehlt,  Alb.  be^ 

gan  37.  558.  578.  684.  1464,    began  ist  bei  Wolfr.   vereinzelt  and   blofs 

litterarischer  reim,  Alb.  hdte  prät.  367.  683  neben  het^  nie  Wolfr.    dass  Alb. 

die  adj.  auf  -iam  liebt,  so  wie  der  Stricker,  Erlös.,  Elisab.,  Herb,  und  andre 

Franken,  Wolfr.  diese  adj.  nicht  kennt,  ist  vielleicht  nur  ein  onterschied  der 

rdcDiechnik  und  nicht  der  spräche,  ebenso  die  zahlreiehen  tet  Alberts  (984. 

ton.  1050.  1359  uö.),  die  Wolfr.  fehlen,    sehr  aufßllig  aber  ist  die  binduug 

giene  cdinc  1238,  die  bei  Wolfr.  unerhört  ist,  s.  darAber  noch  unten  nr  10. 

^  dasselbe  Verhältnis  bei  geleget^  das  neben  geiaht  und  geleit  nur  die 

Erlös.,  nicht  die  Elisab.  kennt,    dagegen  reint  die  Elisab.  ein  im  gedieht 

ohne   parallele  dastehndes   (denn  beget  <  begltbet  t  gebit  Elisab.  8509  hat 

karzes  e  and  ein  lein  <  legen  fehlt)  Itn  für  ligen  935.  278.  7125  und  beide 

gedichte  reimen  die  volle  form  des  inf.  nur  mit  Unge,  sagen  also  Itjgen 

{:$^en  Elisab.  2639.  3513,  :Ludew(gen  4561.  4589,   .verewigen  Erlös. 

2739.  2896).     niemals  reimt  Hgen  etwa  auf  geeigen ^   das  part  verewigen 

usw.;  sondere  diese  worte  reimea  nur  nntereiaander,  zb.  ewigen  plar.  prit. 

.'verwtgen,  EriÖs.  Gem..  3,  471,  geeigen :  gewigen  Elisab.  8377  usf.    nur  ge^ 

ewige  sing.  cooj.  prftt  rLudewtge  CUsab.  5566  sehiene  zu  widersprechen, 

aber  die  anbetonte  reimsllbe  dee  namens  mag  hier  (wie  aoch  in  Ludwigs 

kreazf.)   als  aneeps  gegelten  hatten,  Dietrich  neben  Dietrich  udgl.  ist  zu 

vergleichen,    sonst  fallt  gedehnte  kürze,  seis  in  offner,  seis  in  geschlossatr 

Silbe,  weder  in  Eriös.  noch  in  Elisab.  mit  der  alten  länge  zasamaiea.    über 

Hehdme,  lobeeäme,  brUdegdme  usw.,  bei  welchen^  obligat  ist,  s.  unten 

nr  10.     aafserdem  adv.  v6n  neben  von  (gewon  nur  kurz),  wie  in  der  hess. 

Evangeliennbers.  von  SPaul  [deren  autor  aber  in  Alemannlen  schrieb,  wie 

Schröder  beweisen  zu  können  glaubt]  adv.  dn,  s.  Sehönbach  s.  13,  und  SierUt 

(s.  Rieger  s.  25).     ligen  hat  sein  langes  i  und  Un  als  nebenibrm  erhalten 

durch  analogie  zu  lil-Uget,    ein  solches  lin  finden  wir  auch  in  der  Virginal 

461,  9.  499,  2  neben  lit.    daneben  steht  kein  'dn<:,agen^  kein  tin<.eigen^ 

Z.  F.  D.  A.  XLUL     N.  F.  XXXI.  27 


402  ZWIERZINA 

git  nun  reimt  nur  einmal  in  der  Erlös.  1530  zu  lU<:liget. 
sonst  bildet  der  dichter,  sowie  einmal  aus  begibfit  eine  form  beget 
{: gebit  Elisab.  8509,  i:e  oder  §  reimt  nirgend!},  so  aus  gibet 
eine  form  g%  die  er  Erlös.  2020  zu  dtW  reimt  und  Elisab.  8717 
zu  niet  (di.  nihU  welches  oft  mit  diet,  sehtet  usw.  gebunden  wird, 
s.  Erlös.  1734.  3448.  6290,  öfter  noch  in  der  Elisab.  3047.  3437. 
4405.  3805.  3067.  3085.  3097.  6069.  6627.  6751.  6977.  9179). 
mhd.  ie  reimt  in  beiden  gedichten ,  wie  ja  fast  in  allen  md. 
denkmälern,  die  ie  zu  einem  i-laut  monophthongieren,  nor  wider 
zu  mhd.  ie  oder,  in  einsilbigem  wort  vor  einfacher  consonanz, 
zu  kurzem  t,  dem  es  qualitativ  gleich  stand,  nicht  zu  langem  i, 
das  später  zt.  diphthongiert  wurde  ^  wir  finden  blofs  grien:  hin 
Erlös.  925,  kieliml  Erlös.  919,  fiel:  ml  Erlös.  6360,  Uet.'credidü 
Erlös.  2058.  4344,  beschiet :  tremuit  Erlös.  5194  und  unsere  git 
:  diet  und  niet\  git  ist  also  kurz  wie  begit;  dass  es  nie  rein 
auf  -it,  sondern  beidemale  auf  -iet  reimt,  hat  nicht  die  bedeutung, 
wie  die  tatsache,  dass  es  beide  male  nicht  auf  -ff  (u)U,  zit,  sit, 

genin  <,  genigen  in  diesen  gedichten,  denn  lit  war  die  Vorbedingung  für 
Kn,  ebenso  bildet  sich  bei  Ulr.  TEschenb.  and  Heinr.  vFreib.  aus  slahen 
'slän  ein  constantes  slähen  heraus,  wobei  hier  freilich  auch  die  analogie 
vdhen-vdn  eingespielt  haben  mag,  s.  WToischer  gymn.  progr.  Prag- Neustadt 
1888  8.  7,  Bechstein  zu  Heinr.  Trist  4687.  merkwürdig  ist  auch  das  ver- 
halten Hugos  vTrimberg,  der  aufser  dem  weit  verbreiteten  h6  (zb.  Renner  1242) 
keine  contraction  Ober  h  im  reim  belegen  lässt,  niemals  t.-te  bindet  und 
auch  nur  selten  zweisilbig  klingend  auf  zweisilbig  stumpf  reimt,  und  dennoch 
tmahen,  drwhen^  nahen  usw.  :  sehen ,  spehen,  geschehen  (di.  stnan  usw. 
:  tän  usw.)  310.  679.  8667.  9594.  9600.  10660.  11784.  14122.  14520,  naher 
:heher  13214,  gdhen,  hdhen,  vdhen :  slahen  {6\.  gdn  usw.  :sldn)  288. 
6801.  6823.  7009.  12808.  19439  und  ziehe{n)  :  vihe  (di.  sie :  vie)  ^871. 
9700.  9927.  11490.  15966.  22706  ganz  anstandslos,  aber  niemals  gdn  < 
gdhen  usw.  oder  sldn<. slahen  zu  -dn  und  nie  zie<,snehen  oder  vie<.vihe 
zu  altem  -ie  reimt,  hat  Hugo  contrahiert  und  fielen  die  producte  dieser 
contraction  von  ahe  und  ehe,  dhe  und  ahe,  iehe  und  ihe  zwar  unter  sich, 
aber  nicht  mit  altem  0,  d,  ie  zusammen?  wenn  dies  der  fall,  unterliegen 
die  formen  vieler  md.  dichter,  die  kein  vdn  <.  vdhen  usw.  kennen,  vielleicht 
ganz  neuer  beurteilung.  aber  vielleicht  spielt  auch  bei  Hugo  absichtliche 
beschrankung  des  mundartlichen  und  teilweises  misverstandnis  ein. 

^  i<,te  aber  fallt  dann  mit  gelangtem  Y  zusammen  und  macht  die 
diphthongierung  nicht  mit. 

'  daneben  nur  noch  wirde :  zierde  Elisab.  9889  und  ein  geniesen.-flUen 
Elisab.  2270,  in  dem  kürzung  des  i  vor  spirans  anzusetzen  ist,  s.  Salzmann 
Hersfelder  mda.  s.  21. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  403 

rK,  Urii^    Dax       1)  denn  in  streng  einsilbiges  -1/  endet  kein 

reimwort,    als    die  lateinische       Jung,  welche  in  der  Elisab.  nicht 

vorkommt  ^.       auf  diese  kurzen  git  und  (s.  Rieger  einl.  s.  26)  get 

weist    auch      die    heutige  mda.    hin,    s.  zb.  Salzmann   Hersfelder 

mda.  s.   8     [und    als  beispiel   für  rheinfränk.   gebiete    Lenz    Die 

tleiion   des   verbums  im  Handschuhsheimer  dialekt  Zs.  f.  hd.  mda. 

1,21  s-v."),  und  sie  haben  in  der  spräche  des  dichters  ihr  analogon 

m  den   praiteritalformen  von  hahm.     das  prät.   von  hdn  ist  hdte 

(resp.  hdde)   für  den  ind.,  hmte  (resp.  hcßde,  aber  nicht  hede,  denn 

der  dichter  trennt  ce  und  4  in  den  reimen)  für  den  conj.,  dessen 

form  aber  auch  in  den  indic.  dringt,    hmte  im  ind.  ist  überhaupt 

eine  mebr  md.  und  rheinische  f<        und  nicht  eine  wesentlich  ober- 

deutscbe,  als  welche  sie  Elster  1      r.  10,  111  fälschlich  bezeichnet 

(s.  aucb  oben  s.  294).    das  p        von  haben,  jedoch  auch  für  das 

auxiliar  in  Verwendung,  ist  /    fe   (Erlös.  435.  769.  3436.  4537. 

Elisab.  805.  6945)  für  den  in  ic.  und  hette  für  den  conj.,  dessen 

form  in  der  Elisab.  aber  wider  auch  in  den  indic.  dringt  (Erlös. 

2736.  2888.  3469.  Elisab.  8  5.  1573.  1638.  1856.  2415.  3399. 

3551.  5055.6609.  7109.  7389.  8147.  8215.  8279.  8883.  9419). 

das  doppel-/  im  iunern  entspricht  dem  einfachen  t  im  auslaut. 

Das  kurze  gtt  in  Elisab.  und  Erlös,  nun  findet  bei  einem  andern 
Hessen,  bei  Herbort,  willkommene  bestatigung,  hier  hat  es  schon  Salz- 
mann  Hersfelder  mda.  s.8  constatiert.  auch  Herb,  reimt  lit  sehr  häufig, 
uzw.  nicht  nur  er  lit,  sondern  auch  ir  lU,  s.  oben  s.  399,  daneben 
kein  liget.     der  inf.  heifst  bei  Herb,  immer  ligen  mit  kurzem  t. 

>  der  dichter  kennt  nur  mide  und  nicht,  wie  Herb.,  auch  mit.  die 
latein.  endung  -it  sehen  wir  daher  ja  auch  stets  auf  -iet  reimen,  auf  -Cif 
reimt  diese  endung  so  wenig  wie  die  endung  -it  auf  -u,  s.  zb.  temporis 
.-^et^ti  Erlös.  5990.  —  es  wird  vielleicht  aufgefallen  sein,  dass  die  ie:i  nur 
in  der  Erlös,  häufige  sind,  das  stimmt  dazu,  dass  auch  sun:tuon  in  der 
Erlös,  ungemein  oft  reimt  (741.  1215.  2641  usw.,  im  ganzen  15  mal),  in  der 
fast  doppelt  so  umfangreichen  Elisab.  der  dichter  sieb  dieser  bindang  aber 
ganz  enthält,  er  gestattet  sich  hier  zu  anfang  des  gedichts  sun  3  mal  zur 
abieitangssilbe  'tuom  zu  reimen  (123.  311.  2189;  später  nur  -tuom:ru<nn 
6335.  6711.  6749.  7087.  9357.  10247.  10303,  so  auch  schon  1669).  auch 
Abaguc  (nicht  Abagüe\) :  genuoc  nur  Erlös.  1170,  küme(n) :  bluomen,  luome 
Erlös.  2002.  1355.  nu  und  du  (nicht  nü  und  dül)  auf  xuo,  iezuOy  fruo, 
schuo  ZQ  reimen,  nimmt  der  verf.  aber  keinen  anstofs  :  die  Erlös,  weist  26, 
die  Elisab.  47  solcher  reimpaare  auf.  dagegen  trennt  er  die  lautgruppen 
-imf  und  'Uont^  -unde  {-ünde)  und  -iiende,  'ine  und  -lenc,  -inge  und  -ienge 
im  gegensatz  zu  Herb,  durchaus,    s.  darüber  noch  unten  nr  10  sub  uf, 

27* 


404  ZWIERZINA 

im  ganzen  Trojkr.  reimen  i  und  I  nur  einmal,  uiw.  vor  n,  wo 
ja  diese  bindung  auch  bei  den  die  quantiläten  rein  scheidenden 
Alemannen  vorkommt  (s.  8.  11):  min  :  bi»  8347.  er  git  nun 
reimt  nie  zu  langem  -lA  auch  nie  zu  lit  oder  phlU,  sondern  nur 
zu  'it,  das,  wenn  Herb,  auch  mit  neben  mite  sprach  (s.  mit :  samit 
Herb.  2611.  8721,  8901,  iberfrit  10193.  104671,  ;«ifitr  2987. 
14665,  8.  auch  oben  s.  51.98),  doch  der  im  vergleich  zu  -Ir  Tiel 
seltenere  uful  unbequemere  reimiypus  war.  so  kann  es  auch  nicht 
auffallen,  dass  git  nur  Einmal,  10903,  reimt;  dass  es  dieses  eine 
mal  kurz  zu  mü  reimt,  ist  entscheidend,  und  auch  bei  Herb, 
entspricht  dem  kurzen  gtt  ein  kurzes  gehai  für  gehabt,  als  parti* 
cipium  von  haben^  weder  gehdt  noch  die  volle  form  gehabet  ist 
belegbar,  gehat  aber  reimt  häufig  genug,  immer  auf  kürze  6003. 
8287.  8585.  12435.  14771.  16380.  16557.  das  prÄt.  von  fcafteii 
lautet  auch  bei  Herb.  haUe,  plur.  haiten,  conj.  heite,  sowie  in  der 
Elisab.,  nur  dass  bei  Herb,  indic.  und  conj.  streng  getrennt  bleiben 
und  hatte  stets  nur  das  prät.  des  vollworts  ist,  während  das  auxiliar 
nur  h(Bte  (resp.,  da  Herb,  im  gegensatz  zur  Elisab.  zwar  inter- 
vocalisches  t  und  d,  aber  nicht  CB  und  e'  auseinanderhält  :hite, 
welches  aber  mhd.  hwte,  nicht  mhd.  hete  entspricht)  für  indic.  und 
conj.  ist,  s.  zb.  hatten <habeten  .'bestatten  prät.  Trojkr.  15368  usw., 
cou}.  behetten<m^.behebeten:  beretten  Vetteten'  5098  usw.  2 

^  samit  und  berfrit  sind  in  der  reimsilbe  anceps  (s.  zb.  berfrfl  16075), 
wie  die  vocale  in  der  geschlossenen  endsilbe  fremder  vorte  toq  Herb,  stets 
aoceps  gebraucht  werden,  in  offner  silbe  nur  lang  {berfrft  neben  berfrit, 
aber  nur  berfride^  ham(de  usw.,  s.  zb.  14142).  ebenso  wie  -it  behandelt 
er  auch  die  fremde  endung  -in,  -it: -12  mäste  durch  reime  von  mtf,  tnii,  smit 
zu  den  häufigen  zity  wU,  nU,  slrit,  Üt,  phlft  erwiesen  werden,  da  mit  aber 
aufser  auf  smit  (und  git)  nur  auf  das  -it  in  fremd woKen  reimt,  sind  alle 
diese  reime  als  rein  anzusehen. 

>  vielleicht  kennt  Herb,  auch  ein  karzes  du  has  {:was  S603.  11883) 
neben  langem  hds  {:du  Id*  12119  uö.,  di  13947  uö.).  a:d  reimt  bei  ihm 
äufserst  selten,  nur  vor  r,  ht  und  nd  fallen  die  beiden  quantitäten  des  vocals 
sprachlich  zusammen  und  auch  vor  einfachem  n  finden  sich,  aber  ganz  spora- 
disch, unreine  bindungen,  ea  sind  hin  dan:gdn  14597,  m(m:kdn  8383,  an:sdn 
4501,  'sam:ttän  281.  vor  t  werden  beide  quantitäten  in  handerten  von 
reimen  streng  geschieden,  sodass  die  im  text  oben  mitgeteilten,  widerholten 
und  ausnahmslosen  biodoDgen  von  gekät :  -ät  kurzes  gehät  ansrelcbend  be- 
weisen, über  gehät  (neben  hdteJ)  bei  Albr.  vHalberst  8.  Bartsch  s.ccxxzv, 
bei  Eilhart  s.  LichtensUin  s.  lxxx,  vgl.  anch  Weinhold  Mhd.  gramm.*  §  394 
6.  42e,  ferner  Salzmann  Hersfelder  Boda.  a.  14,  der  darauf  aufmerksam  macht, 
dass  io  seiner  mda.  sämtliche  formen  von  mbd.  kdn  kurzen  vocal  haben. 


MITTELHOCHDEUTSCHE  STUDIEN  405 

phliKphlig it.  ^^die  3  siDg.  iod.  wigit  erscheint  nie  contra- 
hiert.  schon  JGnmoi  hat  Gramm,  i  862  (neudruck)  die  ferschiedene 
beh*ndlung  dieser  ond  abDlicher  gleicher  lautcoroplexe  :  Uget  wiget, 
er  gibit  und  die  conjunctive  rr  trih%t  Mibil,  geleget  erweget  ge- 
reget usw.,  auf  die  gröfsere  oder  geringere  hänfigkeit  des  ein- 
lelnen  wertes  zurOckgeführt.  s.  darüber  auch  oben  s.  370. 

Anders  als  die  2  und  3  sing,  von  ligen  wird  auch  die  2  und 
3  siDg.  foo  fkkge%  von  den  mtisten  mhd.  dichtem  behandelt. 
ich  vermag  w&  Westdeutschland  nur  wenige  md.  oder  hd.  dichter 
Danhaft  zu  machen,  die  neben  lUt  lit  auch  fhllst  phlit  sagen. 

Vor  allem  ist  da  Herbort  vFritziar  zu  nennen,  bei  diesem 
reimt  fklit  zu  allem  -U  Trojkr.  989.  2737.  4134.  7333.  7663. 
8121.  9217.  11355.  12805. 13357  und  einmal  zu  lit<liget  15461. 
ein  sichres  phUget  ist  bei  ihm  im  reim  sowenig  belegt  als  liget. 
auch  Lampr.  vftegensb.,  der  ein  fränkisches  und  kein  bairisches 
idiom  reimt,  können  wir  hier  anschliefsen,  s.  zb.  phlit  Sion 
747.  2023.  3825  uO.,  ferner  aus  dem  Elsass  Gotfr.  vStrafsburg. 
dieser  reimt  Trist.  3505. 5723  phlit :  zit,  Trist.  18105  phliget :  bewiget 
da  er  auch  liget  neben  lit  reimt  (s.  s.  399),  so  behandelt  auch 
seioe  spräche  phliget  nicht  anders  als  liget,  wir  dürfen  in  dem 
phlit  wol  eines  der  momente  rheinischen  einschlags  in  dem  nieder- 
alemannischen dialekt  Gotfrids  constaliereu.  nach  Franken  weist 
anch  das  pMit  in  der  Wiener  meerfahrt  195. 

In  bezug  auf  die  bindung  du  phlist  :  du  list  in  Hartm.s 
Büchi.  695.  kann  man  schwanken,  ob  man  hier  lieber  die  einzige 
coDtractionsform  von  phlegen  oder  die  einzige  ^'form  für  die  2 
(3)  sing.  ind.  von  ligen  ansetzen  wolle,  dass  Hartm.  neben  du 
(ist  auch  du  ligeet  sagte,  nicht  aber  er  liget  neben  er  lit  (s.  oben 
8.  397),  wäre  nicht  unmöglich,  wir  könnten  darauf  hinweisen, 
dass  bei  Hartm.  du  varst  Greg.  91,  aber  nur  er  vert  Büchl.  1133. 
Er.  10092.  Iw.  19.  2773.  5497  reimt,  setzen  mr  diher  du  phlist 
an  unsrer  stelle  an  und  betonen  wir,  dass  nur  Hartm.s  ältestes 
werk  diese  contractionsform  reimt,  so  ist  zu  bemerken,  dass  dieses 
phlist  durch  kein  phligest  oder  phliget  aus  des  dichters  übrigen 
werken  desavouiert  würde,  denn  nicht  nur  er  phlit  und  bis  auf 
das  eine  beispiel  du  phlist  fehlt  bei  Hartm.  im  reim,  sondern  auch 
er  phliget  und  du  phligest,  für  welche  formen  der  dichter  den  reim 
doch  ebensogut  hätte  finden  können,  wie  er  es  zustande  brachte, 
sein  ir  liget  mit  einem  gesiget  zu  binden  (s.  oben  s.  397).     war 


406  ZWIERZINA 

die  coDtrahierle  form  Hartm.s  form,  so  halte  er  zweifellos  kennt- 
DJs  voD  der  geringen  Verbreitung,  dem  dialektischen  beigescbmack 
dieser  seiner  contrahierten  form  und  vermied  es  sie  zu  reimen, 
verschmäht  es  dann  seiner  technik  gemäfs  aber  auch,  etwa  das 
fremde  phliget  zu  acceptieren  K 

Dem  gleichen  dilemma  wie  bei  Hartm.  stehn  wir  auch  bei 
Ulr.  vTürh.  gegenüber,  der  TUrheimer  reimt  nur  er  lit  (s.  oben 
8.  398)  und  reimt  nur  er  phliget  (Trist.  540,  27.  Rennew.  Zs. 
26,  1%  17.  35.  Zs.  38,  65.  Roth  321,23.  340,51,  pUigest  Rennew. 
Zs.  f.  d.  ph.  13,  129%  47).  aber  Trist.  508,  31  reimt  in  er  phlU 
:  er  Ut,  wie  die  hss.  überliefern ,  das  einzige  phUt  oder  in  er 
phliget: er  liget,  das  einzige  er  liget,  das  noch  ungedruckte  ma- 
terial  hilft  uns  vielleicht  einmal  aus  diesem  dilemma  hinaus. 

Sicher  belegt  sind  phlist  und  phlit  also  nur  bei  wenigen 
dichtem,  wenigen  Westmitteldeutschen  und  Elsässern.  in  Rhein- 
franken fehlen  sie  zb.  im  Eracl.,  Erlös.,  Elisab.,  Himmelf.  Zs.5.  aufser- 
dem  steht  kein  phlit,  sondern  nur  phliget  neben  belegtem  lit  und 
git  bei  Ulr.  vZatzikh.,  Fleck,  Ffeidank,  Walth.,  Konr;  vFussesbr., 
Konr.  vHeimesf.,  Wirnt,  Pleier,  Heinr.  vTürl.  Ulr.  vTürl.  Mai, 
Wetzel,  Rod.  vEms,  Wernh.  d.  Gärtn.,  Serv.  Zs.  5,  Reinb.,  gFrau, 
Hugo  vLangenst.,  Walth.  vRheinau,  Mor.  vCraun,  Nib.,  Gudr., 
ßiterolf,  Klage,  Ortn.  und  Wolfd.  A,  Dietr.  Fl.  und  Rabenschi., 
Wigamur,  Hugo  vTrimberg.  dass  phlit  auch  bei  Wolfr.,  Stricker 
und  in  Alberts  Ulrich  fehlt,  versteht  sich  fast  von  selbst. 

Dagegen  ist  die  contrahierte  form  bei  den  oslmd.  autoren 
zu  hause,  beispiele  aus  Albr.  vHalberst.  und  Passional  bringt 
Lexer  s.  v.,  s.  ferner  Ludw.  Kreuzf.  1499,  Heinr.  vKrolw.  4330. 
4370,  Ebern.  vErf.  377.  1921.  1985.  2435.  14812  ua. 

*  den  ausweg,  durch  eine  biodung  phKt :  l(i  die  form  in  der  schwebe 
XU  lassen,  konnte  Hartm.  nicht  betreten,  denn  nicht  nur  för  ihn,  sondern 
auch  für  die  meisten  gleichzeitigen  Alemannen  gab  es  eben  nur  ein  er  lU, 
kein  er  liget, 

^  unentschieden  bleibt  bei  diesem  phlü  :  lU  4671,  phliget :  liget  3445. 
4697,  denn  er  reimt  auch  er  liget :  gesiget  2391.  quft  <,  qutdet  ^  das  in 
diesen  ostmd.  gedichten  ebenfalls  hlufig  ist,  sich  aber  zb.  auch  in  Erlös, 
und  Elisab.  findet,  verlangt  gesonderte  Sammlungen. 

Freiburg  i.  d.  Scbw.,  dec.  1899.  KONRAD  ZWIERZINA. 


DIE  SAGE  VOM  SCHWANRITTER 
IN  DER  BROGNER  CHRONIK  VON  CA.  1211. 

Nach  eiDem  chronikartigen  bericht,  welchen  ein  geistlicher 
des  klosters  Brogne  (oder  SG6rard^  südlich  von  Namur)  um  1211 
ferfasste  und  den  Le  Paige  in  seinem  merkwürdigen  buche  Histoire 
de  rOrdre  h6r6ditaire  du  Cigne,  ßäle  1780,  teilweise  heraus- 
gegeben hat,  war  Manasses,  herr  von  Hirgia,  dh.  Hierges  zwischen 
Givet  und  Fümay,  ein  nachkomme  des  Schwanritters,  denn  er 
stammte  —  nach  eben  diesem  bericht  —  durch  seine  mutter, 
eiue  Schwester  Gottfrieds  vBouillon,  von  jenem  berühmtesten  vor- 
fahren ,  cui  Cygnus  in  Rheno  nauclerus  exstitü  ^  Manasses  zog, 
wie  dann  ferner  erzählt  wird,  1141  nach  dem  hl.  iand,  beson- 
ders auf  die  widerholte  bitte  seiner  base,  der  königin-witwe  von 
Jerusalem,  gelangte  daselbst  am  hofe  zu  hohen  ehren,  kehrte 
dann  wider  in  die  heimat  zurück  und  schenkte  dem  kloster  Brogne 
kurz  vor  seinem  tode  ein  stück  des  hl.  kreuzes,  welches  er  aus 
Jerusalem  mitgebracht  hattet. 

Es  ist  für  eine  Untersuchung,  die  sich  mit  der  sage  vom 
Schwanritter  beschäftigt,  nicht  ohne  bedeutung,  den  bericht  auf 
seinen  wert  als  quelle  zu  prüfen,  zunächst  ist  festzustellen,  ob 
in  den  herren  von  Hierges,  die  übrigens  schon  anfangs  des 
13  jbs.  erloschen^,  würklich  ein  geschlecht  mit  Schwanritter- 
ursprung fortlebte,  sodann,  ob  die  von  dem  Chronisten  gegebene 
form   der  tradition  ^  eine  eigentümliche  Version  bietet,  in  welcher 

*  Reiffenberg  Chevalier  au  Cygne,  Broxelles  1846,  8. 147.  —  Le  Paiges 
werk  hab  ich  bis  jetzt  nicht  zu  gesiebt  bekommen  können. 

^  Eug.  de!  Marmol  in  Annales  de  la  Soci^t^  Archeologique  de  Namur 
i.  V  p.  261.  . 

3  AMiraeus  Op.  dipl.  i'  s.  683. 

*  * Lotharingiorum  matrona  . . .  quam,  velut  alier  Golias, 

nee  corpore  inferior,  princeps  impudicus  Saxonum  propellere  et  proterU 
bere  nitebatur^  et  quia  nullum  tibi  corporeis  viribtu  parem  judieabai, 
oblata  coram  Caesare  monomaehia,  diUonem  et  provinciam  tuam  muUeri 
conlradicebal;  sed  divina  pietas,  miieria  illius,  miracula  anHqua  reno- 
varu,  miniHrum  duelli  per  Cygnum^  fune  argenteo  limbum  traheniem, 
viduae  procuravit,  cujus  armorum  strenuitate  iUe  superbus  dejectus  egt, 
ei  viciori  suo  viduae  filia  matrimonio  consociata  est;  de  cujus  germine 
God^fridum,  Bullonis  ducem,  ei  Balduinum  regem  et  Eustachium  comi- 
lern,  felices  ei  sirenuos  in  armis  fraires  ei  Sarracenorum  expugnatores, 


408  BLÖTE 

allerdings  einiges  nicht  vorkommt,  was  sonst  in  der  sage  vom 
Schwanritter  begegnet,  und  einiges  anders,  aber  welche  eben  da- 
durch unverfälschter  und  daher  besonders  bedeutend  sein  dürfte. 

Stammte  Manasses  würklich  von  einem  Schwanritter? 

Die  angaben  des  Chronisten  sind  nämlich  im  Widerspruch 
mit  sich  selbst,  die  mutter  des  Mauasses,  heifst  es,  sei  eine 
Schwester  der  boulognischen  brüder  gewesen,  eine  Schwester  also 
Balduins  i  (könig  von  Jerusalem  1100  —  1118).  aber  auch  zugleich 
eine  Schwester  des  vaters  der  königin-witwe  v.  j.  1141,  dh.  des 
Balduin  II  (1118 — 1131)  aus  dem  hause  Rethel  (diöcese  Rheims), 
und  dieser  war  mit  dem  ersten  Balduin  nur  in  sehr  entferntem 
grade  verwant.  der  chronist  fasste  also  die  beiden  Balduin  als 
6ine  persönlichkeit  auf.  da  Gottfried  vBouillpn  und  seine  brüder 
keine  Schwester  hatten  ^  und  Balduin  i  keine  tochter  —  seine 
drei  eben  blieben  kinderlos  — ,  so  folgt  aus  dem  bericht  unsers 
Chronisten,  dass  Manasses  der  neffe  Balduins  ii  war  und  mit  den 
boulognischen  brüdern  in  keiner  engern  verwantschaftsbeziehung 
stand,  aber  dies  bringt  sofort  d^n  wichtigen  schluss  mit  sich, 
dass  Manasses  von  Hierges,  trotz  der  ausdrücklichen  angäbe  der 
Brogner  aussage,  nicht  von  einem  Schwanritter  stammte,  wir 
müssen  uns  also  zu  andern  quellen  wenden,  die  unabhängig  von 
unserm  Chronisten  uns  über  Manasses  aufklären,  um  zu  sehen, 
ob  wir  durch  sie  zu  ähnlichem  resultat  gelangen. 

Aus  einer  Urkunde  vom  februar  1140^  erfahren  wir,  dass 
Manasses  nohilis  vir  de  Hirge  beschlossen  hatte,  nach  Jerusalem 
zu  gehn,  und  deshalb  dem  kloster  Brogne  einige  eigengflter  für 
den  kaufpreis  von  80  mark  überliefs  mit  dem  rechte  der  spätem 

effuderunt,  quorum  gesta  Robertus,  abbas  (er  meint  monaehus)  Rhefnensis, 
stilo  TuUiano  describens,  rutilo  sermone  conchuit,  Horum  ergo  »ororit 
filius  Manasses  exstiiit  .  .  .  .'  Reiffenberg  aao. 

^  entscheidend  dafür  sind  die  Urkunden  t.  j.  1094  und  t096  (Miraeus 
1. 1  p.  76  Of  eine  ca.  1095  verfasste  genealogie  (ebd.  p.  363)  und  die  ca.  1125 
entaUndene  Vita  B.  idae  (Migne  Patrol.  lat.  t.  155,  439).  es  ist  ein  irrtam, 
wenn  Order.  Vitali8(t  kurz  nach  1143)  dem  Gottfried  vBouillon  eine  Schwester 
gibt,  welche  kaiser  Heinrich  iv  geheiratet  haben,  und  eine  andre,  die  die  ge- 
mahlin  von  Gono  TMontaigu  gewesen  sein  soll  (ed.  Le  Prevost  n  175.  m  605; 
ed.  Duchesne  s.  509  und  755,  nach  der  concordance  Le  Prevosts).  Gottfried 
vBouillon  hatte  auch  keine  andern  brQder  als  Balduin  und  Custach,  wie  aus 
dem  gleichen  material  hervorgeht,  obgleich  Wilhelm  TTyrus  ix  5  und  nach 
ihm  andre  von  einem  brüder  Wilhelm  sprechen. 

*  Miraeus  aao.  s.  689  f. 


DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  RROGNER  CHRONIK    409 

widereiolOgUDg  gegen  40  mark,  er  wird  im  sommer  des  Jahres 
abgereist  sein,  da  er  114n  —  tag  und  monat  sind  nicht  an- 
gegeben —  noch  als  zeuge  für  den  bischof  Albero  von  Lattich 
(1136—1146)  erscheint  2. 

Im  hl.  lande  —  so  berichtet  Wilhelm  vTyrus  xvii  13.  14  — 
hatte  die  kOnigin-witwe  Melisendis,  die  tochter  Balduins  ii,  die 
nach  dem  tode  ihres  gemahls  Fulco  vAnjou  (f  1142),  während 
der  minderjährigkeit  ihres  ältesten  sohnes,  des  nachherigen  Bai- 
duin  ni,  die  regierung  'mit  mehr  als  weiblicher  kraft'  führte,  unter 
deD  männern,  deren  rat  und  tat  sie  in  anspruch  nahm,  familiä- 
rem admodum  quendam  nobilem  virum,  ejus  coniohrinum,  Ma- 
na»stn  videlicet.  diesem  vertraute  sie,  sobald  sie  die  herschaft 
antrat,  die  aufsieht  über  ihre  ritterschaft  an  und  machte  ihn  zum 
coDn^table  des  reiches,  da  Manasses  aufserdem  zu  bedeutendem 
reichtum  und  grofsem  besitz  gelangte  durch  seine  Vermählung 
mit  einer  angesehenen  witwe,  so  ward  er,  'wie  man  sagt',  an- 
mafsend  und  erregte  infolgedessen  den  Unwillen  der  edeln  des 
landes.  unter  denen,  die  den  Manasses  mit  ihrem  hasse  verfolgten, 
stand  voran  der  junge  könig  Balduin  m,  der  zuletzt  den  vertrauten 
ratgeber  seiner  mutter  zwang,  das  königreich  und  das  ganze  land 
umher  abzuschwören.  —  dass  der  tyrische  bischof  mit  diesem 
Haoasses  denselben  meinte  wie  den  Manasses  von  Hirge  der  Ur- 
kunden und  den  Manasses  von  Hirgia  des  Chronisten,  folgt  aus 
III  1.  als  Balduin  von  Bourg,  heifst  es  da,  der  nacbherige  Bal- 
duio  II  und  vater  der  Melisendis,  1096  die  heiroat  unter  Gottfried 
vBouillon  verliefs  —  fuit  natione  Francus  de  episcopatu  Remensi, 
filius  domini  Hugonis  comitis  de  Retest  — ,  »blieben  seine  vier 
Jüngern  geschwister  zurück.  Hodierna  nun,  eine  der  beiden 
Schwestern,  ward  die  gemahlin  des  dominus  Heribrandus  de  Herges, 
vir  nobilis  et  potens;  ex  qua  natus  est  Manasses  de  Herges, 
quem  nos  postmodum  tempore  dominae  Melisendis  rt^ 
ginae,  regium  vidimus  constabularium. 

Da  nun  derselbe  Wilhelm  vTyrus  nur  bei  Gottfried  vBouillon 
und  dessen  brüdern  die  schwanensage  erwähnt  (ix  6),  und  die 
weise  des  erwähnens  ausschliefst,  dass  Balduin  ii  und  seine  nach- 
kommen von  gleicher  herkunft  geachtet  wurden;  da  ferner  das 
haus  Rethel,  aus  welchem  Balduin  ii  hervorgieng,  nicht  von  Ida 

<  das  jähr  fieng  zu  ostern  an. 
^  ebda  Nova  Collectio  iv  s.  372. 


410  BLÖTE 

vBoulogne  oder  von  ihrem  vater  stammte,  obgleich  Wilhelm  vTyrus 
den  Balduin  ii  eineo  consanguiDeus  Gottfrieds  vB.  neoDt  (ii  1. 
XII  1);  da  überhaupt  vod  keinem  autor  und  keinem  dichter  Bal- 
duin II  und  seinen  nachkommen  ein  Schwanritterursprung  zuge- 
schrieben wird;  da  es  sogar  gegen  die  meinung  des  Brogner 
Chronisten  ist,  dass  Manasses  auf  eine  andre  weise  als  durch  eine 
Schwester  Gottfrieds  vB.  zu  seiner  abstammung  gekommen  wäre: 
so  beruht  die  dem  Manasses  von  Hierges  zugeschriebene  herkunft 
von  einem  Schwanritter  auf  einem  irrtum.  dieser  irrtum  ist  aber 
sehr  begreiflich,  er  entstand,  sobald  für  den  Chronisten  oder 
dessen  Umgebung  Balduin  i  (f  1118)  und  Balduin  n  (f  1131),  nach- 
einander könige  von  Jerusalem,  eine  und  dieselbe  person  wurden, 
vermutlich  trug  weiter  zu  diesem  irrtum  bei,  dass  der  chronist 
sich  die  herren  von  Hierges,  die  das  amt  eines  burggrafen 
von  Bo^uillon  in ne  hatten  ^  durch  diese  würde  in  engerer  be- 
ziehung  zu  Gottfried  vBouillon  dachte. 

*  als  burggraf  von  Bouillon  wird  1127  Manasses  von  Hierges  genannt 
(Miraeus  i  682).  Miraeas  hält  ihn  für  unsern  Manasses.  dieser  war  aber 
1131  noch  ^adolescens'  and  1140  noch  anverheiratet,  obgleich  seine  eitern 
im  letzten  jähre  schon  gestorben  waren,  wie  aus  den  Urkunden  bei  Miraeas 
I  94.  689  hervorgeht.  —  was  Le  Paige  fabelt,  Manasses  wäre  der  söhn  ge- 
wesen des  Guy,  grafen  von  Bar-sur-Seine  und  der  Elisabeth  oder  Petronille  von 
Hierges,  diese  widerum  eine  tochter  der  Ida  vBoulogne,  einer  Schwester 
Gottfrieds  vBonillon,  lohnt  sich  kaum  der  Widerlegung.  Gottfried  vB.  hatte 
keine  Schwestern,  und  schon  durch  diese  tatsache  fallt  die  ganze  genealogie 
Le  Paiges.  aber  auch  ohne  das  lässt  sich  mit  dem  Guy  von  Bar-sur-Seine, 
seiner  frau  und  seinem  söhn  Manasses  für  den  Manasses  von  Hierges  nichts 
anfangen,  allerdings  hatte  Guy  von  Bar-sur-Seine  (graf  von  frühestens  1125 
bis  ca.  1146)  eine  Elisabeth  oder  Petronille  zur  frau  und  unter  mehreren 
söhnen  auch  einen  Manasses,  wie  beides  aas  einer  Urkunde  von  1139  hervor- 
geht, diese  Petronille  aber  war  die  tochter  des  Anserich  von  Chacenai  und 
stammte  also  nicht  aus  Hierges.  Manasses  von  Bar-sur>Seine  ist  von  1139 
an  verfolgbar,  er  war  seiner  zeit  eine  wichtige  persönlichkeit,  er  ward  1152 
nach  dem  tode  seines  bruders  Milon  graf  von  Bar-sur-Seine,  trat  sodann  in 
den  geistlichen  stand,  wurde  ca.  1166  decan  von  Langres,  1179  bisehof, 
zeichnete  noch  1190,  machte  mit  Philipp  August  den  kreuzzug  mit  (1190), 
starb  nach  seiner  rQckkehr  4  april  1193  und  ward  in  Clairvaux  beerdigt. — 
von  den  eitern  des  Manasses  von  Hierges  heifst  es  in  der  Urkunde  von  1140 
pro  Salute  suorum  inihi  quiescentium,  der  vater  des  Manasses  von  Bar- 
sur-Seine  dahingegen  wird  noch  1145  in  einer  Urkunde  des  bischofs  von 
Langres  als  ein  lebender  genannt,  und  seine  mutter  gründete  als  witwe  1158 
ein  frauenkloster  zu  Fromenteau  sw.  v.  Troyes.  —  der  Manasses  der  Brogner 
Chronik  und  sein  ältester  söhn  Heribrtnd  starben  schon  1176,  wie  die  chro- 


DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  BROGNER  CHRONIK    411 

Wir  haben  somit  auf  andre  weise  bestätigt  gefunden,  was 
schon  aus  den  angaben  des  Chronisten  von  Brogne  selbst  folgte: 
Manasses  von  Hierges,  den  wir  von  1131  an  verfolgen  können 
und  der  1176  starb,  stammte  nicht  von  einem  Schwanritter. 

Und  nun  ergeht  es  diesem  uns  dem  namen  nach  unbekannten 
Brogner  Chronisten,  wie  ein  Jahrzehnt  vor  ihm  dem  Lambert  von 
Ardres,  als  dieser  seinen  Adolf  von  Guines  aus  dem  anfang  des 
11  jhs.  von  den  boulognischen  grafen  stammen  lässt,  quorum 
tmcior  Cicni  non  phantastici,  sed  veri  et  divini,  ducatu  celitus  advec- 
tus  1  ihnen  den  göttlichen  Ursprung  gab.  indem  er  auf  dem  irrtum 
weiterbaut,  dient  ihm  die  abstammung  vom  Schwanritter  mit  zur  er- 
klärung  der  tugenden  und  der  vortrefflichkeit  seines  beiden,  in 
der  alternden  weit,  in  einem  entlegenen  winkel  (in  finibus  mundi), 
sagt  der  Chronist,  liefs  die  Jungfrau  Maria  (flos  Mariae)  einen 
mann  von  dem  adel  des  Manasses  aufwachsen,  ausgestattet  mit 
allen  tugenden.  kein  wunder,  denn  er  kam  väterlicherseits  von 
dem  stamm  des  königs  Marcus  (eines  angeblichen  königs  von 
Cambrai),  von  der  seite  der  mutter  aber  lebte  in  ihm  die  vor- 
irefTlichkeit  der  vorfahren,  besonders  des  berühmtesten,  dem  ein 
schwan  auf  dem  Rhein  zum  schiffspatron  ward,  und  nun  folgt 
eine  reihe  von  zügen,  und  nur  von  solchen,  die  die  vorzOglich- 
keii  dieses  vorfahren  des  Manasses  bezeugen,  hart  bedrängt  war 
die  höchste  fürstin  des  landes,  die  mairona  Lotharingiorum,  aber 
dieser  vorfahr  des  Manasses  stellte  durch  seine  beredsamkeit, 
seine  waffenkunst,  seinen  eifer  die  edle  fürstin  mit  ihrer  tochter 
wider  in  ihrem  rechte  her.  der  bedränger  war  der  unverschämte 
fürst  der  Sachsen,  der  wie  ein  zweiter  Goliath,  nicht  geringer 
an  wuchs,  glaubte,  dass  niemand  seiner  körperlichen  kraft  im 
Zweikampf  gewachsen  sei,  und  nun  das  gebiet  der  fürstin  für 
sich  forderte  und  danach  strebte,  sie  und  ihre  tochter  zu  ver- 
treiben und  zu  Sichten,  da  aber  schritt  die  göttliche  Vorsehung 
ein,  hatte  erbarmen  mit  ihr,   und  alte   wunder  erneuernd,   ge- 

nik  angibt  und  bestätigt  wird  durch  eine  randbemerknng  des  Brogner  mar- 
tyrologs  ans  dem  13  jh.  wäre  also  der  Manasses  von  Bar- sar- Seine  ein 
DachkoDDine  einer  Schwester  Gottfrieds  vBoaillon  —  was  er  nicht  ist  und 
aoch  nicht  sein  kann  — ,  so  hätte  das  für  die  abstammung  des  Manasses  von 
Hierges  keine  bedeulung.  vgl.  über  Bar-sur-Seine  Art  de  v^rifier  les  dates 
8^  t  XI  292  f,  Gallia  Christ,  xii,  preuves  col.  42.  für  das  Brogner  martyrolog 
vgl.  Eug.  del  Marmol  aao. 

<  ed.  JHeller  in  MG.  SS.  xxiv  570. 


412  BLÖTE 

währte  sie  der  fürstin  einen  kämpfer  durch  einen  scbwan,  welcher 
an  einer  silbernen  kette  ein  boot  zog.  durch  die  kraft  von  dessen 
wafTen  ward  jener  stolze  niedergeworfen,  und  die  tocbter  der  witwe 
ward  die  gattin  des  Siegers,  aus  dessen  samen  sind  die  brUder 
Gottfried,  herzog  von  Bouillon,  kOnig  Balduin  und  graf  Eustach 
von  Boulogne  hervorgegangen,  von  deren  Schwester  war  Manasses 
der  söhn. 

Die  .Schwanritterversion,  die  der  chronist  uns  gibt,  tritt  dem- 
nach in  ein  eigentümliches  licht,  sie  ist  nicht  die  erzählung 
einer  alten  erinnerung,  die  in  dem  hause  Hierges  von  vater  auf 
söhn  aufbewahrt  wurde,  sondern  die  widergabe  irgend  einer  version, 
wie  sie  von  Gottfrieds  vBouillon  vorfahren  dem  Chronisten  be- 
kannt war.  und  zweck  des  erzählers  war  widerum  nicht  eine 
möglichst  treue  widergabe  der  sage :  es  galt  den  Manasses  zu  er- 
höhen, den  woltäter  des  klosters,  den  schenker  einer  teuern 
reliquie. 

Manasses  stammt  von  dem  könig  Marcus,  er  stammt  von 
dem  gottgesanten,  wafTentUchtigen  Schwanritter,  er  stammt  von 
den  alten  herzogen  von  Lothringen,  er  ist  eines  blutes  mit  GottAried 
vBouillon  und  dessen  brUdern  und  mit  dem  königlichen  hause 
Jerusalem,  er  führte  die  regierung  für  Melisendis,  die  das  gute 
gerücht,  das  von  ihm  ausgieng,  vernommen  hatte,  er  hatte  sich 
aber  widerholt  einladen  lassen,  in  seine  bände  legte  man  nun  die 
erziehung  des  jungen  Emmerich  (Amalrich,  könig  von  Jerusalem 
nach  seinem  bruder  Balduin  iii).  kaiser  Konrad  und  könig  Ludwig 
erkannten  seine  hohen  Verdienste,  und  hatte  die  Jungfrau  Maria 
ihn  aus  seinem  winkel  zu  grofsen  taten  hinausgehn  lassen,  so 
griff  nach  seinem  tode  die  göttliche  Vorsehung  ein,  jetzt  allerdings 
als  rächerin  an  des  Manasses  söhn,  als  dieser  sich  weigerte»  die 
reliquien  herauszugeben,  wie  doch  sein  vater  ihm  geboten  hatte. — 
ebenso  wie  in  den  historischen  angaben  des  Chronisten  richtiges 
und  unrichtiges  gemischt  ist  und  alles  einseitig  auf  seinen 
Manasses  gedeutet  wird,  so  wird  auch  seine  version  mit  ihren 
auslassungen  und  ihren  abweichenden  Zügen  nur  in  Übereinstim- 
mung sein  mit  dem  Charakter  des  übrigen  gebotenen,  wenn  der 
Chronist  dabei  die  bedrängte  witwe  fürstin  von  Lotbringen  nannte, 
so  vermittelte  den  Übergang  von  Bouillon  auf  Lothringen  wol 
kaum  die  Ida,  die  mutter  der  drei  brüder,  sondern  die  allmählich 
entstandene  anschauung,  dass  ein  herzog  vBouillon  und  ein  herzog 


DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  RR06NER  CHRONIK    413 

Ton  (Nieder«-)  Lothringen  gleichbedeutend  waren,  wie  denn  Jacob 
TVitry  einige  jähre  nachher  noch  um  eine  stufe  weiter  geht,  in- 
deoa  er  Gottfried  vBouillon  und  seinen  bruder  Balduin  zu  herzogen 
TBrabant^  macht,  dh.  den  namen  Brabant  für  Lothringen  ein* 
setzt,  obgleich  in  den  verschiedenen  französischen  redactionen 
der  sage  sonst  herzog  von  Bouillon^  herzog  von  Lothringen,  herzog 
von  Löwen  oder  Brabant  ganz  verschiedene  personen  sind,  das  verbot 
der  frage,  das  wegziehen  des  ritters  hielt  unser  autor  nicht  der  er- 
wahDUDg  wert,  wol  weil  diese  züge  nichts  erhebendes  an  sich  haben, 
und  ist  es  nicht  sehr  erklärlich,  dass  der  mann,  der  es  mit  dem 
tatsächlichen  nicht  gar  zu  genau  nahm,  wenn  er  nur  seinen 
Manasses  herausstreichen  konnte,  der  die  zwei  Balduine  nicht  zu 
unterscheiden  wüste  und  infolgedessen  des  Manasses  mutter  zu 
einer  Schwester  Gottfrieds  vBouillon,  Manasses  selbst  zu  einem 
nachkommen  des  Schwanritters  machte,  der  seinem  Manasses  und 
seinem  gespreizten  stil  zu  liebe  über  kleinigkeiten  hinwegschreitet, 
—  dass  dieser  mann  das  verwanlschaflsverhältnis  zwischen  dem 
Schwanritter  und  Gottfried  vBouillon  nur  vage  angibt?  denn 
nicht  klar  und  scharf  wie  in  den  französischen  Versionen,  die 
vor  ihm  entstanden,  heifst  es,  dass  Gottfried  und  seine  brüder 
die  enkel  des  Schwanritters  waren,  sondern  mit  rhetorischem 
Schwung  'de  cujus  germine  Godefridum,  Bullonis  ducetn^  et 
Balduinum  regem  et  Eustachium  comitem,  felices  et  strenuos  in 
armis  fralres  et  Sarracenorum  expugnatores,  effuderunt\  gleichsam 
als  läge  der  Schwanritter  in  weiter  ferne. 

An  6inem  besonderen  zuge  aber  lässt  sich,  unabhängig  von 
dem  was  wir  schon  über  unseren  Chronisten  wissen,  zeigen,  dass 
da,  wo  seine  Version  abweicht  von  den  bekannten  Versionen  der 
Schwanrittersage,  wir  bei  ihm  nicht  ursprünglicheres,  nicht  alter- 
tQmlicheres  erwarten  dürfen. 

Als  landungsort  des  Schwanritters  und  als  ort  des  kampfes  ist 
sonst  Nimwegen  bekannt.  Wolfram  vEschenbach  hat  Antwerpen  als 
ort  der  landung  in  der  litteratur  aufgebracht,  der  Brogner  chronist 
hat  für  beide  jedoch  Mainz,  dieses  Mainz  hat  er  in  keiner 
quelle  vorgefunden,  der  zug  rührt  von  ihm  her. 

Allerdings  scheint  auf  den  ersten  blick  seine  angäbe  in  zweierlei 

>  bei  Marlene  et  Durand  Thesaurus  t.  m  (Paris  1717)  eol.  282  :  Gode- 
fridus  de  Ballon  dux  Brabantiae,  bei  dem  tode  von  Balduins  nachfolger 
heifst  es  daselbst,  dass  $emen  ducis  de  Brabaniia  erloschen  sei. 


414  BLÖTE 

weise  gestützt  zu  werden,  in  vier  hss.  der  chanson  du  Chevalier 
au  cygne  wird  in  der  anfangstirade  gesagt,  dass  die  geburt  Gott- 
frieds vBouillon  erzählt  werden  solle,  wie  man  davon  berichte  in 

Mainz^: 

'Signor,  ceste  chansons  est  de  grant  sapience, 
Ensi  come  Testoire  le  raconte  a  Maience, 
Del  bon  duc  Godefroi  vos  dirai  la  naissence'. 
und  in  dem  gedieht  vom  Lohengrin  (ca.  1290)  wird  die  nähe  von 
Mainz  als  kampfesort  für  den  Schwanritter  und  Friedrich  vTelramund 
angegeben,     das  Mainz  des  Brogner  Chronisten  scheint  also  eine 
stütze  zu  finden  in  dem  französischen  passus  und  der  angäbe  im 
Lohengrin.     und   so   nimmt  es   nicht  wunder,   dass   neuerdings 
etwas  vorschnell  aus  diesen  drei  parallelen  geschlossen  worden  ist, 
dass  *diese  (dreifache)  anspielung  auf  Mainz  vielleicht  einen  neuen 
weg  biete  für  die  Untersuchung  nach  dem  Ursprung  der  berühmten 
sage  vom  Schwanritter'  2.     dass  dieser  neue  weg  auch  ein  irrweg 
sein  dürfte^  wird  sieb  aus  dem  folgenden  ergeben. 

Der  passus  in  den  vier  französischen  hss.  geht  natürlich  auf 
6inen  Verfasser  zurück,  setzen  wir  den  fall,  dass  der  Verfasser 
der  französischen  urversion  würklich  seinen  stolT  aus  Mainz  bezog, 
sei  es  dass  er  ihn  dort  selbst  hörte,  sei  es  dass  er  ihn  von  einem 
andern,  der  dort  gewesen  war,  vernahm,  was  hat  er  dann  er- 
fahren? nicht  dass  der  Schwanritter  in  Mainz  landete,  nicht  dass 
der  ritter  in  Mainz  der  herzogin  von  Lothringen .  zu  ihrem  rechte 
verhalf,  sondern  dass  dies  alles  in  Nimwegen  geschah,  wie  aus 
dem  fernem  inhalt  der  Chanson  hervorgeht,  in  Mainz  wüste 
man  also  von  diesen  dingen,  dass  sie  eben  nicht  in  Mainz 
statt  fanden,  legen  wir  also  dem  passus  der  französischen  Versionen 
bedeutung  bei,  so  ist  die  angäbe  des  Brogner  Chronisten  falsch. 
—  aber  auf  das  Mainz  der  französischen  Version  dürfen  wir  uns 
nicht  einmal  gar  zu  sehr  verlassen,  da  'Maience',  ein  ort,  der 
auch  durch  andere  sagen  der  fraQzOsischen  dichterweit  bekannt 
war,  vielleicht  nur  fingiert  ist,  etwa  des  tiradereimes  auf  -ence 
wegen,  wie  in  einer  andern  eingangsstrophe  derselben  sagen- 
gruppe  das  SFagon  für  den  reim  -on^  gewählt  sein  kann,     wie 

1  AGKräger  Romania  23,  448  f. 

'  AGKfflger  aao. 

3  'Jon  TOS  wel  commencier  ane  bone  chanson; 

L'estorie  eo  fat  trovee  el  mostier  S.  FagOD, 

Tot  droit  en  Rainscevals,  si  com  o!  avon, 


DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  BROGNER  CHRONIK    415 

dem  auch  sei,  der  bericht  der  BrogDcr  chrooik  findet  in  den 
französischen  Versionen,  die  die  sage  als  in  Mainz  gehört  vor- 
stelleDy  keine  stotze. 

Aber  wir  haben  mehrere  anzeichen,  die  darauf  weisen,  dass 
Mainz  nicht  der  ort  gewesen  sein  kann,  wo  man  die  sage  be- 
sonders erzählte,  oder  wo  nach  irgend  einer  version  der  Schwan- 
ritter  landete  und  den  kämpf  bestand,  wenn  im  12  jh.  die  sage 
von  der  geburt  des  herzogs  Gottfried  vBouillon,  dh.  die  geschichte 
von  dem  Schwaoritter,  so  besonders  in  Mainz  erzählt  wurde, 
wenn  in  Mainz  der  Schwanritter  gelandet  hiefs,  sollte  da 
Wolfram  vE  s  c  h  e  n  b  a  c  h,  der  zeitlich  zwischen  dem  autor 
der  Version  der  französischen  mss.  und  dem  Brogner  Chronisten 
dichtete,  der  sich  als  wolbewandert  in  den  heimischen  sagen 
erweist,  der  es  ausdrücklich  betonte,  wenn  er  den  Stoff  abweichend 
bot  von  andern,  dieses  ^goldene  Mainz',  von  dem  noch  immer 
der  glänz  der  kaisertage  von  1184  ausgieng^  so  gänzlich  tot  ge- 
schwiegen, und  dafür  einfach  Antwerpen  eingesetzt  haben?  man 
bedenke,  die  sage  wäre  mit  Mainz  in  Westdeutschland  bekannter 
und  verbreiteter  gewesen  als  in  Frankreich,  er  hätte  Stellung 
nehmen  müssen  zu  dieser  Mainzer  tradition.  Wolfram  behauptet, 
dass  er  die  sage  aus  dem  munde  der  Brabanter  vernahm,  jedesfalls 
verfuhr  er  mit  dem  stofif  wie  mit  einem  ganz  fremden  material, 
ohne  jegliche  rOcksicht  die  sage  vom  Schwanritter  seinen  künstle- 
rischen tendenzen  unterordnend i.  —  Konrad  vWürzburg 
steht  in  bezug  auf  den  rahmen  seiner  erzählung  vom  Schwanritter 
von  allen  deutschen  dichtem  den  bekannten  französischen  Versionen 
am  nächsten,  dennoch  hat  er  bedeutende  änderungen,  wie  die 
Verhandlung  vor  gericht,  die  Umsetzung  Gottfrieds  vBouillon  in 
einen  Gottfried  vBrabant,  der  Jerusalem  eroberte;  bei  ihm  ist  der 
Schwanritter  aus  einem  grofsvater  dieses  Gottfried  zu  einem 
Schwiegersohn  desselben  geworden,  und  statt  einer  tochter  erzeugt 
der  ritter  zwei  kinder.  Konrad  führte  ferner  die  grafen  von 
Geldern,  Cleve,  Rinek  als  nachkommen  des  brabantischen  Schwan- 

Par  dedans  une  aamaire  q  les  livres  met  oo; 
La  l'avoit  mise  ans  abes  qai  molt  estoit  preudon; 
Gil  le  prist  a  Nimaie,  si  com  lisant  trueve  on'. 

La  naissance  du  Chevalier  au  Gygoe, 
ed.  HATodd,  Baltimore  1889,  v.  5—10. 
'  8.  Zs,  42, 24  ff. 


416  BLÖTE 

ritters  in  die  Htteratur  ein.  seine  arbeit  ist  auch  inhaltlich  eine 
Verdeutschung,  und  dabei  sind  gerade  die  grafen  von  Rinek 
mchWg.  sollte  Konrad,  der  in  der  nähe  dieser  grafen  seine  Jugend- 
jahre verbrachte,  dem  ihr  haus  in  Worzburg  ein  gewöhnlicher 
anblick  gewesen  sein  könnte,  der  vermutlich  wegen  des  Schwanes 
in  ihrem  wappen  sie  mit  dem  Schwanritter  in  beziehung  bringen 
zu  müssen  meinte  ^,  der  keine  änderungen  scheute,  sollte  Konrad 
nur  so  ganz  allein  Nimwegen  berücksichtigt  haben,  falls  Mainz 
besonders  mit  der  sage  verbunden  gewesen  wäre,  und  so  unge- 
recht geworden  sein  gegen  die  aus  den  alten  Stadtgrafen  von 
Mainz  hervorgegangenen  grafen  von  Rinek,  die  das  ganze  12  jh. 
hindurch  und  bis  kurz  vor  Konrad  burggrafen  von  Mainz 
waren  2?  —  und  in  diesem  lichte  hat  es  bedeutung,  dass 
der  französische  dichter,  der  den  eingangspassus  mit  Mainz  ver- 
fasste,  doch  alles  wesentliche  in  Nimwegen  geschehen  liefs.  den 
ritter  liefs  er  landen  in  Nimwegen,  kämpfen  in  Nimwegen,  mit 
der  gattin  über  Koblenz  nach  Bouillon  reisen  und  sich  schliefs- 
lich  widerum  nach  Nimwegen  begeben,  von  wo  der  schwan  ihn 
wegführte^,  des  ritters  Schlachtruf  ist  bei  ihm  ^Nimaie  de  par 
le  roi  Oton\  alles  spitzt  sich  auf  Nimwegen  zu.  das  einzige  mal, 
da  für  irgend  ein  unbedeutendes  factum  Mainz  in  betracht  kommt, 
geschieht  es  in  natürlichster  weise,  nicht  etwa  bedingt  durch  den 
reim  4.  der  kaiser  ist  nach  den  ereignissen  in  Nimwegen  südlich 
gezogen,  nach  Köln  und  von  da  nach  Mainz,  der  Schwanritter 
wird  aber  in  Bouillon  schwer  bedrängt  von  den  feinden,  er 
sendet  einen  boten  zum  kaiser,  nicht  nach  Nimwegen,  denn  dort 
kann  der  kaiser  nicht  mehr  sein,  sondern  nach  Köln«  der  kaiser, 
heilst  es  da,  sei  vor  fünf  tagen  nach  Mainz  abgereist,  der  böte 
kommt  in  Mainz  an,  der  kaiser  verspricht  ihm  hilfe,  sammelt  sein 

*■  ebda  s.  3. 

*  Ludwig  II,  graf  von  Rinek,  f  um  1240,  war  der  letzte  barggraf  zu 
Mainz,  s.  Friedrich  Stein  Geschichte  Frankens  1885/1886.  vgl.  zb.  die  tafel 
bd  II  8.  450. 

'  ich  urleile  hier  und  in  dem  folgenden  nach  Hippeaus  ausgäbe  vom 
Chevalier  au  Gygne,  die  aber  in  den  uns  beschäftigenden  zagen  nicht  we- 
sentlich von  dem  inhalt  der  hss.  abweichen  kann.  vgl.  PParis  analyse  in 
der  Bist.  litt.  XXII 395  nnd  HPigeonneaa  Le  cycle  de  la  croisade,  Saint -Glond 
1877,  s.  132. 

^  Hippean  i  231.  der  kaiser  Le  qmnt  jor  de  devant  fu  ä  Maiencke 
4iUs;  der  böte  Enfreii  ä  Maienche  nen  est;  U  mes  fini$ 


DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  BROGNER  CHRONIK   417 

beer  in  Köln  und  entsetzt  Bouillon,  alles  das  mag  zusatz  des 
dichters  sein,  aber  in  anbetrachl  dieses  Mainz:  warum  sollte  dieser 
dichter  ankunft,  kampf^  scheiden  nach  Nimwegen  verlegt  haben, 
falls  er  dies  alles  anfangs  für  Mainz  berichtet  gefunden  hatte? 
denn  besondere  Vorliebe  für  Nimwegen  kann  er  nicht  gehabt 
haben,  trotz  der  beschreibung  des  saales  im  kaiserlichen  palaste 
daselbst  ist  der  ganze  ort  ebenso  nebelhaft  wie  Mainz,  nichts 
weist  darauf,  dass  der  dichter  etwa  da  gewesen  wäre,  seine  geo- 
graphischen kenntnisse  gehn  nicht  über  das  allgemeinste  hinaus: 
von  Nimwegen  über  Koblenz,  wo  der  Moselwein  getrunken  wird, 
nach  Bouillon,  oder  von  Nimwegen  über  Köln  nach  Mainz,  wenn 
er  in  Mainz  die  sage  gehört  haben  will,  so  scheint  dies  eine 
ßote,  um  der  art  seiner  mitteilung,  abgesehen  von  dem  localen, 
das  gepräge  der  Wahrhaftigkeit  zu  geben.  —  und  schliefslich  :  in 
allen  französischen  Versionen  und  etwaigen  Übersetzungen,  mögen 
sie  auch  die  verschiedenste  gestalt  des  ersten  teils,  der  sage  von 
den  Schwanenkindern,  bieten,  ist  Nimwegen  und  kein  andrer  ort 
die  Stätte  der  ankunft  und  des  kämpfest  und  so  glaube  ich 
mich  berechtigt  zu  dem  schluss:  dass  der  Schwanritter  in  Mainz 
landete  und  in  Mainz  den  Zweikampf  bestand,  ist  eine  willkürliche 
behauptung  des  Brogner  Chronisten,  wir  ertappten  ihn  ja  auch 
ioi  historischen  teil  auf  unrichtigen  Vorstellungen,  vielleicht 
schwebte  ihm  das  alte  Mainz  als  wichtige  kaiserstadt  vor,  vielleicht 
lebte  noch  der  nachhall  von  den  grofsen  kaisertagen  von  1184 
in  ihm  nach  und  hielt  er  infolgedessen  Mainz  für  den  richtigen 
ort  für  solche  angelegenheiten.  kannte  er  die  sage  ja  doch  nur 
oberflächlich  und  knüpfte  er  für  seinen  Manasses  am  hebsten  an 
^rofses  an.  — 

Aber  der  Lohengrin  denn?  hat  dieses  gedieht  aus  dem  ende  des 
13  jbs.  nicht  die  nähe  von  Mainz  als  ort  des  kampfes  zwischen  dem 
Schwanritter  und  Friedrich  von  Telramund?  an  diesem  Mainz  lässt 
nicht  rütteln,  ein  Nimwegen  oder  ein  andrer  ort  ist  hier  un- 
möglich, denn  ausführlich  wird  erzählt,  wie  die  brabantische  her- 
zogin  von  Antwerpen,  wo  der  ritter  gelandet  ist,  nach  Mainz  reist, 
haben  wir  damit  nicht  einen  ausdrücklichen  fingerzeig,  dass  wir 
dem  Mainz  des  Brogner  Chronisten   doch  wol   einige   bedeutung 

^  im  Dolopathos,  wo  unsre  sage  überhaupt  keine  namen  aufweist,  wird 
der  ort  der  landung  nicht  angegeben,    gleichfalls  nicht  bei  Herbert. 
Z.  F.  D.  A.  XLIV.     N.  F.  XXXII.  28 


418  BLÖTE 

beilegen  müssen,  dass  es  Versionen  gab,  wenn  auch  nur  wenige 
und  jetzt  verschollene,  in  welchen  seit  ihrem  ersten  auftreten 
Mainz  die  gleiche  bedeutung  hatte  wie  Nimwegen  in  den  andern 
Versionen,  dass  die  französischen  Versionen  die  sage  doch  nicht 
so  erziihlten,  wie  man  sie  in  Mainz  hören  konnte^  und  —  dass 
man  mit  Wolfram^  Konrad  und  allen  andern  ferner  keine  rech- 
nung  zu  halten  hat? 

Die  Strophen  673 — 767  des  Lohengrin  haben  einen  andern 
Verfasser  als  die  vorangehnden  Strophen  ^  letztere  dürfen  un- 
berücksichtigt bleiben,  da  sie  keine  andre  örtlichkeit  für  unsre 
sage  nennen  als  das  allgemeine  ^Brabant^  bei  dem  autor  der 
zweiten  partie  aber  ist  Antwerpen  der  ort  der  ankunft,  der  Ver- 
mählung und  der  Scheidung,  Mainz  der  ort  des  kampfes.  folgte 
nun  dieser  Verfasser  in  seiner  darstellung  für  Antwerpen  dem 
Wolfram,  für  Mainz  einer  andern  tradition,  so  zwei  verschiedene 
angaben  mit  einander  verbindend? 

Bei  dem  autor  der  str.  673 — 767  erfuhr  die  sage  eine  grofse 
und  willkürliche  erweiterung.  in  den  Zeitangaben,  in  der  mitteilung 
der  fahrten  des  ritters  und  seiner  Umgebung,  in  Schilderungen, 
besonders  aber  in  namengebung,  in  einführung  von  personen 
und  in  dem  wecbsel  der  örtlichkeiten  bekundet  der  dichter  eine 
freiheit  der  bewegung  und  der  behandlung  der  sage,  die  gerade 
nicht  dazu  beiträgt,  in  irgend  einem  zuge  ein  ängstliches  festhalten 
an  der  tradition  zu  sehen,  er  ist  sogar  in  bedeutendem  Wider- 
spruch mit  Wolfram,  der  doch  nach  dem  ersten  teil  und  nach 
Str.  230.764  der  erzähler  sein  soll,  die  Version  im  Parzival  kennt 
den  hass  eines  einzigen  ritters  ebensowenig  wie  die  Stellung  eines 
gegners  wie  Friedrich  von  Telramund;  sie  kennt  keine  ein- 
schränkung  auf  zwei  kinder;  laut  verbietet  bei  Wolfram  der 
ritter  seiner  gattin,  je  nach  seiner  herkunit  zu  forschen,  im  Lohen- 
grin geschieht  es  in  der  stille,  abseits  von  der  menge  (str.  227. 
708  0 )  ioQ  Lohengrin  ist  von  dem  segensreichen  walten  des  Schwan- 
ritters in  seinem  lande  keine  spur,  er  reibt  sich  auf  in  fort- 
währender tätigkeit  für  den  kaiser.  kurz,  der  autor  steht  seinem 
stofif  frei  gegenüber,  er  ordnet,  wie  es  ihm  gefällt,  macht  Zusätze^ 
die  ihm  genehm  sind  — ,  denn  auch  in  den  uns  bekannten  fran- 
zösischen Versionen  finden  die  angeführten  züge  ihre  entsprechung 

'  Ernst  Elster  Beiträge  zur  krilik  des  Lohengrin,  Halle  1884. 


DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  BROGNER  CHROiNIK    419 

nicht,  uod  für  eine  grofse  einschiebung  keDoen  wir  seine  deutsche 
quelle,  die  Repgauische  chronik^ 

Und  nameDtiich  liebt  der  autor  die  ortsveränderung.  wir 
werden  ^gauz  vorwiegend  mit  der  geographie  der  Niederlande,  des 
Unter-,  Mittel-  und  Oberrheins,  Süddeutschlands  und  Oberitaliens 
bekannt  gemacht'  (Elster  aao.  s.  14).  für  die  verschiedenen  hand- 
langen wählt  er  gern  verschiedene  orte,  in  Antwerpen  die  lan-* 
düng,  in  Mainz  den  Zweikampf,  in  Antwerpen  das  beilager,  dann 
die  fahrten  des  ritters  gegen  die  feinde  des  reiches  mit  ihren  ver- 
schiedenen orten,  in  Köln  die  aufwieglung  der  clevischen  gräfin 
zur  frage  und  das  übertreten  des  gebots  durch  die  herzogin  von 
Brabant,  in  Antwerpen  widerum  die  Scheidung,  der  autor  hat 
also  aus  gewissen  individuellen  neigungen  den  kämpf  nach  Mainz 
verlegt,  wie  sein  gedieht  ausweist,  ist  er  in  der  deutschen  ge- 
schichte  früherer  zeit  nicht  unbewandert,  in  der  niederung  bei 
Mainz  und  Worms  und  auch  in  Mainz  selbst  vollzog  sich  einst 
so  manche  feierliche  handlung  mit  den  deutschen  kaisern.  das 
Mainz  für  den  kampfplatz  erscheint  uns  darum  ebenso  willkür- 
lich als  das  Köln  für  die  frage,  und  bringen  wir  nun  noch  neben 
dieser  schriftstellerischen  eigentümlichkeit  die  frühere  folgerung 
in  anschlag,  dass  zur  zeit  Wolframs  und  Konrads  unmöglich  etwas 
besondres  vom  Schwanritter  berichtet  worden  sein  kann,  wobei 
Mainz  eine  rolle  spielte,  so  bleibt  uns  kein  zweifei  mehr,  dass 
das  Mainz  im  Lohengrin  eine  erfindung  des  autors  ist  und  nicht 
die  erinnerung  an  eine  für  uns  verschollene  gestalt  der  sage. 

Das  Mainz  der  französischen  Versionen  war  eine  Widerlegung 
der  behauptung  des  Brogner  Chronisten,  dass  landung  und  kämpf 
in  Mainz  stattfanden,  der  Lohengrin  kennt  Mainz  nur  als  kampfes- 
ort,  und  aus  mehrerem  müssen  wir  dieses  Mainz  für  eine  erfin- 
dung des  Verfassers  halten,  alles  andre  ist  gegen  Mainz,  das 
Mainz  der  Brogner  chronik  ist  somit  eine  directe  andeutung,  wie 
unzuverlässig  die  angaben  des  Chronisten  auch  für  die  sage  sind. 

Die  Version  des  Chronisten  von  Brogne  hat  für  die  Unter- 
suchung nach  den  ältesten  zügen  der  sage  vom  Schwanritter  keine 
beweisende  kraft,  ihr  wert  ist  nur  km  allgemein  culturhisto- 
riscber.  sie  ist  mit  eine  probe,  in  wie  hohem  ansehen  um  1200 
die  herkunft  von  einem  Schwanritter  stand,  wie  in  dem  bewust- 

1  über  die  quellen  des  dichters  handelt  Friedrich  Panzer  Lohengrin- 
stodien,  Halle  1894,  8.21  ff. 

28* 


420   DIE  SCHWANRITTERSAGE  IN  DER  BROGNER  CHRONIK 

seJD  der  damaligen  zeit  es  für  maochen  keioen  Schwanrilter  gab 
aufser  als  vorfahren  Gottfrieds  vBouilion,  und  dass  ernste  leute 
den  rilter  als  eine  unzweifelhafte  persönlichkeit  auffassten,  in 
welcher  Gott  seine  wunderkraft  betätigte  i.  für  die  feststellung 
der  ursprünglichen  Version  der  sage  bietet  sie,  wo  sie  abweicht 
von  den  bekannten  redactionen,  nicht  nur  keine  vertrauens- 
würdigen Züge,  sondern  sogar  falsche,  hypothesen  auf  dieser  Ver- 
sion aufzubauen,  ist  demnach  nicht  gestattet. 

Tilburg  in  Holland.  J.  F.  D.  BLÖTE. 

QUELLEN  UND  ALTE  PARALLELEN  ZU 
BONERS  BEISPIELEN. 

Nachdem  ChrWaas  in  seiner  tüchtigen  Giefser  dissertation 
von  1897  (vgl.  Anz.  xxvi  171)  die  quellenforschung  für  Boner 
wider  aufgenommen  und  unter  umsichtiger  Verwertung  neuerer 
publicationen  vielfach  gefördert  hat,  darf  eine  kritische  nachlese, 
zu  der  mich  der  zufall  vor  einiger  zeit  führte,  wol  auf  einiges 
interesse  rechnen. 

Über  den  Zusammenhang,  aus  dem  meine  Studien  stammen, 
ein  andermal,  ihre  wesentlichste  fOrderung  haben  sie  durch 
Thomas  Frederick  Cranes  ausgäbe  der  Exempla  des  Jacques  de 
Viiry  (London  1890)  erfahren,  die  für  unsern  Anzeiger  zu  be- 
sprechen Reinhold  Köhler  durch  den  tod  verhindert  worden  ist,  auf 
die  ich  aber  die  germanisten  bei  dieser  gelegenheit  mit  allem  nach- 
druck  hinweisen  möchte,  wenn  auch  leider  der  text  recht  nach- 
lässig behandelt  und  in  sehr  unsauberer  gestalt  vorgelegt  wird, 
die  anmerkungcn  sind  überaus  nützlich,  und  die  gelehrte  einlei- 
tung  gibt  eine  litteraturgeschichte  der  predigtmärlein  und  exempla, 
die  des  Verfassers  ältere  abhandiung  Hediaeval  sermon-books  and 
stories  (1883;  vgl.  Anz.  x  286)  weit  überholt,  zu  den  vielen 
neuen  funden  und  erkenntnissen,  die  uns  Crane  vermittelt,  ge- 
hört auch  (s.  cvif),  dass  der  (seit  1881)  in  einer  anonymen 
publication  (Biblioteca  Catalana,  Barcelona,  AVerdaguer)  in  zwei 
bänden  vorliegende  catalanische  ^Recull  de  eximplis'  nur  eine 
Übersetzung  des  'Alphabetum  narrationum'  des  Etienne 

^  andrer  meiouag  war  aUerdings  Helioand,  wie  aus  YinceDz  vBeauvais 
Spec.  nat.  ii  127  hervorgeht  :  der  Schwanritter  sei  ein  beweis  darQr,  dass 
eine  frachibare  Verbindung  zwischen  dämon  und  mensch  möglich  ist.  s. 
über  die  Helinandstelle  Zs.  42,  6— S. 


SCHRÖDER  QUELLEN  UND  PARALLELEN  ZU  BONER  421 

de  BesaDC^OD  ist,  dem  widerum  Crane  (s.  Lxxiff)  zuerst  eine 
fördernde  besprechung  gewidmet  hat.  daraufhin  liefs  ich  mir  im 
frühjahr  1898  aus  München  die  von  Crane  bezeichneten  hss. 
clm.  7995  (Raisersbeim  95;  bei  mir  weiterhin  A)  und  clm.  14752 
(Rat.  S.  Emm.  752;  bei  mir  B)^  beides  pergamentcodices  des 
14  jhs.,  kommen,  und  auf  ihnen  fufsen  die  nachfolgenden  mit- 
teilungen.  ich  bemerke,  indem  ich  mit  weiterem  zurückhalte, 
dass  unser  autor  französischer  dominicaner-provincial  war  und 
auf  einer  reise  nach  Italien  am  22  nov.  1294  in  Lucca  gestorben 
ist  :  da  er  in  grofsem  umfang  die  Historia  Lombardica  des  Ja- 
cobus  a  Voragine  benutzt,  so  ist  dies  datum  schon  für  den  noch 
immer  unsichern  publicationstermin  der  tausendfach  ausgeschöpften 
'Goldenen  legende'  nicht  ohne  wert^  Etienne  de  Besan^on  hatte 
vor  dem  Alphabelum  narrationum  bereits  ein  Alphabetum  auctori- 
tatum  verfasst  —  ob  damit  der  Alphabetarius  des  clm.  3232 
(AIsp.  32)  etwas  zu  tun  hat,  wag  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Das  Alphabetum  narrationum  war  unserm  Boner  sicher  bekannt, 
es  trifft  sich  gut,  dass  die  beiden  Müncliener  hss.  von  einander 
unabhängig  sind  :  so  mag  uns  ein  lesefehler  des  dm.  7995  (A) 
deo  weg  weisen,  ich  meine  das  beispiel  nr  76»  die  bekannte  ge- 
schichte  aus  der  Disciplina  clericalis  viii  2— 4  :  ^Zoll  von  den  ge- 
zeichneten' (ed.  VSchmidt  s.  450-  Etienne  de  Besan^on  (=»  Re- 
cull  nr  198,  i  1810t  der  den  Tetrus  Alphunsus'  selbst  als  seine 
quelle  nennt  (hs.  A  bl.  37,  hs.  B  bl.  560i  bat  den  eingang  stark 
abgekürzt  :  lanitor  cuiusdem  civitatis  hoc  donum  Iiabebat  a  rege, 
ut  a  transeunte  per  portam  gibboso,  scabioso,  monoculo,  petiginoso, 
htmioso  haberet  denarium,  für  civitatis  nun  bietet  die  hs.  A  co- 
mitis,  und  mit  diesem  lesefehler,  der  offenbar  bereits  aus  der 
vorläge  stammt,  hat  Boner  die  geschichte  kennen  gelernt  :  Von 
einem  graven  list  man,  daz  Er  wunderlicher  sitten  toas;  in  seiner 
knappen  manier  hat  er  den  augenscheinlichen  Widerspruch  (taitt- 

^  man  hat  überhaupt  bisher  unnötige  scheu  getragen,  über  den  ter- 
minus  ante  quem,  das  todesjahr  des  bischöflichen  autors  (1298),  hinaufzu- 
gehn,  80  zuletzt  noch  Mussafia  Studien  zu  den  mittelalterlichen  Marien- 
legenden iii  33  :  womit  ich  freilich  die  frage,  ob  Gil  de  Zamora,  der  'nach 
t282'  seinen  Liber  Mariae  schrieb,  wurklich  den  Jacobus  a  Voragine  benutzt 
habe,  nicht  entscheiden  will  oder  kann,  nur  eine  chronologische  Schwierig- 
keit scheint  mir  nicht  zu  bestehn,  und  die  alte  Vorstellung,  *dass  im  ma. 
neu  erschienene  Schriften  woi  keine  rasche  Verbreitung  fanden',  dürfte  sich 
doch  schon  lange  als  irrig  herausgestellt  haben. 


422  SCHRÖDER 

tor  comüis  —  a  rege)  wegrasiert,  in  dem  er  aus  dem  torwächter 
und  dem  grafen  ^ioe  person  macht. 

Waas,  dem  zufällig  aus  der  ausgäbe  der  Contes  moralis^s  des 
Nicole  de  Bozoü  von  LTSmilh  und  PMeyer  (Paris  1889)  s.  256 
diese  geschichte  auch  in  der  fassung  Etiennes  (aber  mit  der 
richtigen  la.  civitatisl)  bekannt  war,  hat  versländigerweise  hier 
die  entscheidung  ausgesetzt,  wie  compliciert  die  dinge  oft  liegen, 
wird  sich  gleich  zeigen,  in  der  nächsten  nachbarscbafl  von  nr  76 
treffen  wir  noch  zwei  geschichten  aus  Petrus  Alphonsi  :  nr  71 
('Schlange  gebunden',  Disc.  der.  vu  4—6)  und  nr  74  (Traum- 
brod',  Disc.  der.  xx  1  —  8)  —  und  beide  kehren  sie  auch  bei 
Etienne  de  Besan^on  wider  :  nr  71  (=>  Recull  nr  625)  hs.  A 
hl.  104',  hs.  B  bl.  160';  nr  74  (=  Recull  nr  201)  hs.  A  bK  38, 
hs.  B  bl.  57';  bei  Petrus  stehn  71  und  76,  bei  Etienne  76  und 
74  eng  benachbart,  für  nr  74  ist  eine  entscheidung  unmöglich: 
der  Franzose  folgt  dem  Spanier,  wenn  auch  nicht  im  Wortlaut, 
so  doch  satz  für  satz,  nur  dass  im  eingang  das  ziel  der  pilger- 
schaft von  Etienne  wie  später  von  Boner  fortgelassen  ist;  aber 
hierin  Etienne  als  Boners  führer  anzusehen,  ist  keineswegs  nötig, 
vielmehr  sehen  mir  die  verse  8  f :  WaUmde  tooUen  si  do  gan  Mit 
einander  in  ein  lant  ganz  so  aus,  als  ob  erst  Boner  das  ihm  oder 
seinen  lesern  unbequeme  oder  gleichgiltige  Mecca  fortgelassen 
hatte,  bei  nr  71  aber  setzt  Boners  moralizatio  v.  59  ff  gerade  den 
Schlusssatz  des  Petrus  Alphonsi  voraus,  den  Etienne  de  Besan^on 
fortgelassen  hat  :  Nonne  legisti :  qui  pendulum  solverit,  super  eum 
mina  erit?  so  bleibt  also  eine  directe  benutzung  der  Disciplina 
dericalis  für  nr  71  und  nr  74  wahrscheinlich,  und  ich  würde  in 
nr  76  das  zusammentreffen  des  graven  bei  Boner  mit  dem  ver- 
lesenen comitis  des  dm.  7995  unbedenklich  in  den  bereich  des 
Zufalls  verweisen,  wenn  dies  beispiel  der  einzige  anhält  wäre, 
Etienne  de  Besannen  in  die  reihe  der  quellenautoren  Boners  auf- 
zunehmen und  wenn  sich  nicht  (bei  nr  100)  nochmals  gelegen- 
heit  böte,  auf  lesarten  der  hs.  A  zurückzukommen. 

Nicht  so  ohne  weiteres  gesichert  (wie  Waas  zu  glauben 
scheint)  ist  freilich  der  anspruch  Etiennes  bei  nr  53  ('Asinus 
vulgi').    hier  gilt  es  zunächst  einen  irrtum  PHeyers^,  dem  auch 

'  der  die  bekannte  Sicherheit  mit  der  ebenso  bekannten  fluchtigkeit 
vereinigt,  wenn  er  Nicole  de  Bozon  8.286  schreibt  :  'M.Goedeke  attribue 
cette  r^daction  ä  Jacques  de  Vitri,    hypoth^se  d^nu^e  de  tonte   vraisem- 


QUELLEN  UND  PARALLELEN  ZU  BONER     423 

Waas  gefolgt  ist,  aufzuheben  uud  dem  trefnichen  Goedeke  zu 
seioem  rechte  zu  verhelfen,  der  in  der  bekannten,  man  darf  wol 
sagen  classischen  abhandlung  (Orient  und  occident  i  531  ff)  den 
Jacques  de  Vitry  als  den  ältesten  für  uns  erreichbaren  gewtthrs- 
mann  dieses  unendlich  verbreiteten  predigtmärleins  ermittelt  hatte. 
JohaDnes  Junior^  s.  v.  ^murmur'  (ed.  1480  Fol.  135)  leitet  die 
geschichte  ein  mit  ^Refert  lacobus  de  Yitriaco\  und  denselben 
aulor  meint  Etienne  de  Besannen  (Recull  nr  706;  hs.  A  bl.  112^ 
hs.  B  bl.  173;  vgl  PMeyer  Nicole  de  Bozon  s.285)  mit  'Narrator\ 
diese  quellenbezeichnung  kehrt  im  Alphabetum  narrationum  noch 
fünf  mal  wider :  entspr.  Recull  de  eximplis  nrr  4. [83.]  286. 457. 464, 
und  davon  ist  nr  464  in  der  neuerdings  gedruckten  (aber,  wie 
Crane  selbst  widerholt  betont,  keineswegs  vollständigen)  Sammlung 
der  Exempla  des  Jacques  de  Vitry  als  nr  107  enthalten,  nr  286 
Steht  in  der  Scala  celi  am  Schlüsse  einer  reihe  von  diebsge- 
schichten  (ed.  1480  fol.  1010 1  ^^^  sämtlich  den  Jacobus  a  Vi- 
triaco  als  gewährsmann  angeben,  und  da  auch  für  nr  706  durch 
Johannes  Junior  dieser  autor  bezeugt  ist,  wird  man  die  mit 
'Narrator*  bezeichnete  quelle  unbedenklich  als  eine  Sammlung  von 
exempeln  des  Jacques  de  Vitry  ansehen  dürfen,  ob  Boner  in  nr  52 
den  Etienne  oder  dessen  quelle,  den  *narrator'  Jacques  benutzt 
hat,  ist  natttrlich  nicht  zu  entscheiden,  da  wir  eben  die  version 
Jacques  erst  aus  Etienne  (und  der  entstellenden  kürzung  des 
Johannes  Junior)  kennen. 

Jacques  und  Etienne  treten  des  weitern  in  concurrenz  bei 
nr  82  und  nr  85.  bei  nr  83  ('Pfaffe  singt  wie  der  verstorbene 
esel  der  wittwe',  Recull  nr  99)  steht  der  text  Etiennes,  der  den 
Jacobus  de  Vitriaco  citiert  (hs.  A  bl.  19^  hs.  B  bl.  30),  diesem 
(ed.  Crane  nr  56)  so  nahe,  dass  eine  entscheidung  unmöglich 
ist.  —  bei  nr  85  (^Laienbruder  will  nicht  beim  viehhandel  be- 
trügen', Recull  nr595),  wo  widerum  auf  Jacobus  de  Vitriaco 
(Crane  nr  53)  verwiesen  wird  (hs.  A  bl.  99f,  hs.  B  bl.  153),  finden 
sich  immerhin  ein  paar  kleinigkeiten,  die  für  Etienne  als  quelle 
Boners  sprechen,    es  fSillt  jedesfalls  auf,  dass  die  bilderreiche  mo- 

blaoce'  —  und  dabei  hat  Goedeke  seinen  excars  über  Jacques  de  Vitry  ge- 
radezu an  das  *refert  Jacobus  de  Fitriaco*  angeknöpft! 

^  dessen  bedeatung  Goedeke  freilig  stark  überschätzt  hat :  seine  weit- 
gehnde  abhangigkeii  von  Etienne  de  Besan9on  werd  ich  anderwärts  dartun; 
für  nnsre  geschichte  kommt  sie  nicht  in  betracht. 


424  SCHRÖDER 

ralisation  des  Jacques  de  Vitry  bei  Boner  nicht  benutzt  ist;  bd 
der  Züchtigung  des  laienbruders  beteiligen  sich  bei  Jacques  ^abbas 
et  monachi',  Boner  nennt  wie  Etienne  nur  den  abt;  schliefslich 
sehen  die  verse  37  fr  Da  von  si  dicke  vallent  nider  So  zien  wirs 
bi  dem  sweife  wider  Uf;  des  haut  si  verlorn  daz  har  fast  wie 
wörtliche  Übersetzung  Etiennes  aus  :  quia  frequenter  cadunt  sub 
onere,  et  sublevamus  eas  per  caudas,  et  ita  depilantur,  während 
die  construction  des  Jacques  de  Vitry  abweicht :  et  ideo,  dum  per 
caudas  eo$  sublevamus,  depilantur  caude  eorum. 

Wenn  bei  nr  52  und  nr  82  nichts  im  wege  steht,  Etienne 
de  Besanc^on  als  quelle  Boners  einzustellen  und  bei  nr  85  sogar 
einiges  für  ihn  und  gegen  Jacques  de  Vitry  zu  sprechen  scheint, 
f^IIt  die  concurrenz  Etiennes  fort  bei  nr  48  CFieber  und  floh'), 
wo  die  nr  59  in  Cranes  ausgäbe  des  Jacques  de  Vitry  einstweilen 
als  quelle  Boners  zu  gelten  hat  —  mit  vorbehält :  denn  bei  we- 
nigen beispielen  Boners  hat  man  so  lebhaft  den  eindruck,  das» 
mündliche  weiterverbreilung  und  lebensvolle  ausschmUckung  des 
Stoffes  in  volkstümlicher  predigt  dem  poeten  zu  gute  gekommen  ist. 

Boners  nr  92  ist  die  bekannte  geschichte  'Nachtigall,  drei 
lehren'  aus  dem  roman  von  Barlaam  und  Josaphat,  der  als 
'Barlaam'  auch  bei  Etienne  citiert  wird  (Recull  nr  162;  hs.  A 
hl.  30,  hs.  B  bl.  46).  die  fassung  des  Petrus  Alphonsi  (xxiii  1 — 6) 
weicht  so  ab,  dass  an  ihn  als  quelle  Boners  nicht  zu  denken  ist. 
gegen  Jacques  de  Vitry  (Crane  nr  28)  sprechen  die  eingangs- 
verse  :  Ein  weidman  vieng  ein  vogellin  Daz  was  klein  stolz 
unde  vin.  Ein  naht  egal  was  ez  genant;  diese  umständliche 
einleitung  stammt  aus  dem  original  :  —  unam  de  minutissi^ 
mis  aviculis  quam  philomenam  vocant;  sie  ist  von  Jacques 
fortgelassen,  von  Etienne  aber  treu  bewahrt  worden,  und  da  für 
eine  directe  benutzung  des  Barlaamromans  durch  Boner  sonst 
kein  Zeugnis  vorligt,  wohl  aber  die  kenntnis  Etiennes  uns  wahr- 
scheinlich geworden  ist,  dürfen  wir  diese  geschichte  wol  gleich- 
falls auf  sein  conto  schreiben. 

Bei  nr  87  ('Edelstein  auf  der  wage')  glaubt  Waas  s.  59  ff 
den  'Liber  de  abundantia  exemplorum'  (pars  v,  cap.  *De  memoria 
mortis',  gegen  schluss)  als  quelle  (eben  nur  dieses  einen  gedicbts) 
ermittelt  zu  haben  :  nichts  hindert,  auch  dafür  das  Alphabetum 
narrationum  einzustellen  (Recull  nr452,  hs.A  bl.78,  hs.  B  bl.  120), 
wo  die  geschichte  'ex  gestis  Alexandri'  erzählt  wird,    wenn  Boner 


QUELLEN  UND  PARALLELEN  ZU  BONER     425 

für  seine  knappe  darsteilung,  welche  den  namen  des  Alexander 
fortlässt,  überhaupt  eine  schriftliche  vorläge  benutzte,  so  steht 
ihm  entschieden  die  version  des  Elienne  näher,  der  kostbare  und 
schwerwiegende  edelstein,  der  ein  bild  des  mächtigen  herschers 
ist,  verliert  durch  aufstreuung  von  staub  sein  gewicht,  ebenso 
der  kaiser  :  *'Als  hold  din  houbet  wird  bedacht  Mit  erde, 
so  zergat  din  macht*  «a  Et.  de  Bes.  posito  super  vos  pul- 
vere  in  morte  mtnu5  eritis  quam  aliquid  mündig  der  Lib.  de  ab. 
ex.  sagt  dafür  positus  in  pulvere. 

Ober  den  ^Liber  de  abundantia  exemplorum'^  der 
somit  aus  der  reihe  der  quellen  Boners  wider  ausscheidet,  lohnt 
es  aber  doch  hier  einige  worte  einzuschalten,  zahlreiche  hss.  des 
Werkes  hat  Haur^au  Histoire  litt^raire  de  la  France  xxix  546  ff 
nachgewiesen,  auf  die  incunabel  s.  1.  et  a.  et  i.  (Ulm,  JZainer?) 
machte  Crane  in  der  Academy  vom  20  febr.  1886  aufmerksam, 
leider  gibt  dieser  einzige  druck  (ich  benutzte  das  exemplar  der 
Strafsburger  universiläts-  und  landesbibliothek),  in  welchem  das 
werk  (wie  in  einer  der  hss.  Haur^aus)  recht  verkehrt  dem  Al- 
bertus Magnus  zugeschrieben  wird,  den  lext  mit  unzählichen  ent- 
Stellungen,  zt.  der  schlimmsten  art.  so  berichtet  die  geschiebte, 
welche  das  (12)  capilel  Mtem  de  beata  virgine'  der  pars  vii  ein- 
leitet, von  drei  brüdern,  die,  a  quodam  castello  'murensf  [dies  ad- 
jectivum  muss  man  sich  aber  erst  aus  dem  nonsens  der  vorher- 
gebnden  zeile  herausholen  IJ  verstofsen,  ein  räuberleben  führen,  und 
versetzt  das  ereignis  ins  jähr  1325.  aber  nach  der  quelle,  Etienne 
de  Bourbon  ed.  Lecoy  de  ia  Marche  nr  121,  ist  die  geschichte 
in  comitatu  nivernensi  und  zwar  1225  passiert  I  das  buch  stellt 
nämlich  eine  nachahmung  und  gründliche  ausschüpfung  von  Etienne 
de  Bourbons  Xiber  de  Septem  donis  spiritus  sancti'  dar,  dem  auch 
die  mehrzahl  der  geschichten  entnommen  ist;  der  verf.  scheint 
aber  nicht  über  das  erste  buch  hinausgekommen  zu  sein,  sodass 
sein  werk  mit  mehr  recht  als  ^Liber  de  dono  timoris'  citiert  wer- 
den könnte,  wie  gewöhnlich  sein  vorbild.  dass  dieser  torso  im 
westlichen  Frankreich  und  gegen  ende  des  13  jhs.  zu  stände  kam, 
glaub  ich  mit  Haur^au,  ob  Crane  gut  tat,  eine  ältere  hypothese 
aufzuwärmen,  welche  ihn  dem  Humbertus  de  Romanis  (f  1277) 
zuweist,  scheint  mir  zweifelhaft;  eine  genauere  Untersuchung  muss 
unterbleiben,  bis  wir  eine  vollständige  ausgäbe  des  Elienne  de 
Bourbon  besitzen. 


426  SCHRÖDER 

Für  nr  95  CRichter  bestocheD  mit  ochs  und  kuh*)  haben 
wir  wider  als  älteste ,  von  Waas  s.  65  nicht  gekannte  quellen 
Etieune  (Recull  nr  83,  hs.  A  bl.  17,  hs.  R  bl.  26)  und  dessen 
gewährsmaon,  den  ^Narrator',  di.  höchst  wahrscheinlich  Jacques 
de  Vitry  zu  verzeichnen.  Johannes  Junior  und  weiterhin  Herolt 
schreiben  unsern  Etienne  aus. 

Rei  nr  100  (in  allem  bedenke  das  ende T)  ligl  die  quellen- 
frage besonders  schwierig  und  ist  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  Roner 
zwei  verschiedene  darstellungen  (vielleicht  die  eine  schriftlich,  die 
andere  mündlich)  vorlagen,  nicht  abzuleugnen,  zwar  dass  der 
kOnig  nicht  mehr  selbst  zu  markte  geht,  und  dass  aus  dem  ehr- 
würdigen greis,  der  im  geheimnisvoll  leeren  gemach  die  Weisheit 
feil  bietet,  ein  ^hoher  pfafife'  geworden  ist,  das  entspräche  durchaus 
der  nüchternen,  allem  märchenhaften  abholden  anschauungsweise 
des  Rerner  dominicaners,  hierfür  bedürfte  es  keines  directen 
quellenanhalts.  auffälliger  ist  die  Verwischung  eines  wesentlichen 
zuges,  den  alle  altern  fassungen  (Thomas  Cantipratanus,  Etienne 
de  Rourbon,  Etienne  de  Resan^on  |is.  R)  bewahren:  wenn  der 
bOsewicht,  der  im  letzten  moment  von  seinem  mordgedanken  zurück- 
bebt, gerade  ein  barbier  ist,  so  muss  er  den  warnenden  spruch 
eben  auf  dem  rasiergerät,  dem  handtuch  lesen:  in  manutergio 
(Thomas  Cant.,  Gesta  Rom.),  in  mappula  (Etienne  de  Rourbon),  in 
tuallia  (Etienne  de  Resan^on  hs.  R).  diesen  zug  aber  konnte  Roner 
schon  verwischt  finden  in  der  hs.  A  des  Etienne  de  Resan^^on:  wo  es 
heifst:  —  sed  hoc  scribe  in  domo  tua,  in  ostiis,  fenesiris  et  muris 
et  ubique.  quod  et  ille  fedt,  etiam  in  Ulis  quibtis  solebcU  radi 
(so  A  für  R:  etiam  in  tuallia  cum  qua  solebat  radt),  ohne  dass 
nachher  darauf  zurückgekommen  wird;  Roner  mochte  das  immer- 
bin auffassen:  ^auch  in  seinem  toilettenzimmer'.  die  fassung  des 
Dialogus  creaturarum,  welche  nach  Waas  s.  73  unserm  Roner 
am  nächsten  kommen  soll  (der  Dialogus  selbst  kommt  als  quelle 
nicht  in  betracht),  hat  dann  die  sache  noch  weiter  vereinfacht 
und  lässt  den  spruch  nur  noch  ^tit  ostio  palatif  und  zwar  Hitteris 
aureis'  anschreiben,  es  ist  richtig,  dass  das  genau  zu  Roner 
V.  47  f  stimmt:  alleiü  mit  der  beseitigung  der  inscbrift  auf  dem 
handtuch  ergab  sich  die  beschränkung  auf  das  portal  —  und 
damit  doch  wol  auch  die  goldnen  buchstaben  fast  von  selbst,  dass 
der  Dialogus  creaturarum  seinerseits  aus  Etienne  de  Resan^^on 
und  zwar  wol  aus  jener  Jüngern  fassung  schöpft,  die  uns  die  hs.  A 


QUELLEN  UND  PARALLELEN  ZU  BONER     429 

el  lihro  vii,  capüulo  iii,  cuenta  que  Demöstenes  filösofo  elc. ,  für 
nr97  CPapirius')  bei  Gayangos  nr  338  :  Dice  Macrobio  en  el  lihro 
del  suenno  de  Scipion,  VYaas  hal  für  nr  72  den  Valerius  Maximus 
direct,  für  nr97  den  Jacobus  de  Cessoles,  dem  übrigens  hierauch 
der  Spanier  resp.  seine  vorläge  worl  für  wort  folgt  i,  als  quelle 
angesetzt,  beide  werke  eben  wider  nur  für  je  eine  geschichte. 

Es  wird  sich  empfehlen,  dem  gegenüber  den  Libro  de  los 
exemplos  im  äuge  zu  behalten,  aber  natürlich  kann  nicht  das 
spanische  werk  des  14  oder  gar  15  jhs.  die  quelle  Boners  ge- 
wesen sein,  sondern  nur  dessen  vorläge,  trotz  der  ausdrücklichen 
Versicherung  des  demente  Sanchez  (archidiaconus  von  Valderas 
in  Leou)^  der  sich  in  der  Pariser  hs.  nennt  und  (zwischen  1400 
und  1421?)  dies  alphabetarische  exempelbuch  compiliert  und  dem- 
nächst in  die  landessprache  übersetzt  haben  will,  hat  Morel  Fatio 
das  ganze  in  ähnlicher  weise  als  Übertragung  aus  einem  latei- 
nischen Alphabetarius  exemplorum  angesprochen,  wie  das  für  den 
catalanischen  RecuU  inzwischen  durch  Crane  erwiesen  ist.  Crane 
s.  civf,  der  ihm  darin  zuzustimmen  scheint,  hat  bereits  eine  über- 
sieht über  die  wichtigsten  quellen  gegeben,  bemerkenswert  für 
die  datierung  scheint  immerhin ^  dass  zwar  die  ^Coronica  Mar- 
fioiana'  widerholt  (Rom.  vii  nr  33,  Gayangos  nr  29.  73)  citierl 
wird,  die  Legenda  aurea  (die  für  Etienne  de  Besan^on  eine  haupt- 
quelle bildete)  wenigstens  gelegentlich  (nr  23.  197)  benutzt  er- 
scheint und  Jacobus  de  Cessolps  zweifellos  in  nrr  177  ('Rosmilda*). 
187  (^Camillus*).  329  ('Mundus  und  Paulina').  338  ('Papirius') 
abgeschrieben  wird,  litteraturwerke  des  14  jhs.  aber  fehlen,  von 
den  39  stücken,  die  sich  nach  meiner  Zählung  im  gegenständ 
mit  den  Gesta  Romanorum  decken  —  die  zahl  erscheint  auf- 
fallend grofs  — ,  ist  bei  den  allermeisten  nummern  doch  jeder 
direcle  Zusammenhang  ausgeschlossen,  so  stehn  diejenigen,  welche 
-  ^  ^  ri=cip1ina  clericalis  stammen,  fast  durchweg  dieser  quelle 
febr  nahe  :  zb.  Gay.  nrr  7.  13.  27.  53.  90.  91.  92.  234; 
Rom.  18.  19?  eine  ausnähme  macht  nur  Gay.  nr  334  ('Oll^sser'), 
wo  der  Spanier  eine  starke  kürzung  bietet,  ich  habe  mir  über- 
haupt nur  6  nummern  notiert,  wo  ein  näherer  Zusammenhang 
mit  deu  Gesta  Homanorum  erwogen  werden  könnte:  Gay.  nr  103. 
155*.  174.  183.  374  —  lauter  sehr  verbreitete  exempla,  und 
daoi)  üf  118  ^Zweierlei  tuch',  wofür  wenigstens  bei  österley  (zu 
nr  ^6)  k^iiie  parallelen  erscheinen  :  aber  die  darstellung  im  Libro 
weist  hier  originelle  und  zweifellos  echte  züge  auf,  und  da  ist 
ümiü  für  die  so  unendlich  seh  ^rige  frage  nach  den  quellen  und 
vorslufen  der  Gesta  Romanoru  quellencitat  des  Spaniers  von 

Rtarkem  iiüeresse  :  Una  hestona  es  tal  que  se  lei  de  los  Romanos. 
aus   dem  gleichen  gründe  er«    hn  ich   zu  Gesla  Rom.  nr  87  aus 

t  iydj  da§  angenaue  citat  au^  Macrobius   (denn  die  geschichte  steht 
laicht  im  Sommum  Scipionis,  sondern  Sat.  i  6)  stammt  von  dorther. 


428  SCHRÖDER 

s.  39fr.  74 Ol  haben  wir  für  11  eine  entsprechuDg  im  Alpbabe- 
tum  narratioDum  des  Etienne  de  Besan^^on  gefunden  :  nrr  52.71. 
74.  76.  82.  85.  87.  92.  94.  95.  100.  unter  diesen  durften  wir 
die  Versionen  für  87  und  92  unbedenklich  als  quellen  Boners 
aussprechen  und  beseitigten  damit  zugleich  die  ansetzung  zweier 
quellenschriften,  welche  ihm  (nach  Waas)  nur  je  eine  geschichte 
dargeboten  haben  sollten,  für  nrr  52.  82.  85.  95  stand  uns  die 
wähl  frei  zwischen  Etienne  de  Besan^^on  und  Jacques  de  Vitry 
(resp.  'Narrator')  :  entscheiden  wir  uns  für  den  ersten,  so  f^llt 
auch  Jacques  de  Vitry  aus  der  quellenliste  fort,  da  dieser  für 
nr  48  allein  wenigstens  nicht  als  litterarische  vorläge  angesetzt 
zu  werden  braucht,  mit  diesen  6  nummern  dürfte  aber  der  be- 
stand des  aus  Etienne  de  Besan^^on  direct  entlehnten  erschöpft 
sein,  für  nr  100  schien  allerdings  eine  beziehung  zur  fassung  A 
des  Alphabetum  narrationum  nicht  abzuweisen,  aber  es  könnte 
immerhin  auch  eine  indirecte  sein,  und  was  nr  76  angeht,  so  wäre 
freilich  der  zufall  sehr  sonderbar,  der  bei  Boner  den  graven,  in  der 
hs.  A  des  Alphab.  narr,  den  comes  eingeschmuggelt  hatte,  ander- 
seits aber  darf  die  geschichte  schwerlich  aus  dem  Zusammenhang 
mit  den  nahestehnden  nrr  71  und  74  gelöst  werden,  die  wie  76 
der  Disciplina  clericalis  entstammen  und  für  sich  eine  Vermitt- 
lung durch  Etienne  de  Besan^^on  kaum  zulassen;  es  wird  also 
hier  eine  contamination  aus  Petrus  Alphonsi  und  Etienne  de  Be- 
san^on  anzunehmen  sein,  für  nr  94  schliefslich  werden  wir  über 
Etienne  de  Besan^^on  hinaus  auf  seine  quelle  Etienne  de  Bourbon 
zurückgehn  müssen. 

Aufser  dem  catalanischen  'RecuU  de  eximpli8^  der  ihm  den 
Etienne  de  Besan^^on  recht  wohl  ersetzen  konnte,  hat  Waas 
nicht  berücksichtigt  den  spanischen  ^Libro  de  los  exemplos' 
oder  ^enxemplos'  (ed.  Gayangos  in  Rivadeneyras  Biblioteca  de  auto- 
res  espanoles  51,  443 — 542;  dazu  die  ergänzung  einer  lücke  aus 
einer  Pariser  hs.  durch  Morel  Fatio  :  Romania  7,481  —  526). 
hauptquelle,  wo  nicht  einzige  grundlage  des  ganzen  war  ein  la- 
teinisches exempelalphabet,  dessen  entstehung  nach  Italien  und 
in  das  ende  des  13  jhs.  fallen  muss  (s.  u.).  in  dieser  vorläge  des 
Libro  de  los  exemplos  konnte  Boner  die  genau  entsprechende 
quelle  für  zwei  seiner  geschichten  finden  :  für  nr  72  (^Wittwe 
soll  beiden   das  ganze  zahlen')  bei  Gayangos  nr  6  :  Valerius  en 


QUELLEN  UND  PARALLELEN  ZU  BONER     429 

el  libro  vii,  capitulo  iii,  cuenta  que  Demöstenes  filösofo  etc.,  für 
nr  97  CPapirius')  bei  Gayangos  nr  338  :  Dice  Macrobio  en  el  libro 
dd  suenno  de  Scipion.  Waas  hat  für  nr  72  den  Valerius  Maximus 
direct,  für  nr  97  den  Jacobus  de  Cessoles,  dem  übrigens  hier  auch 
der  Spanier  resp.  seine  vorläge  wort  für  wort  folgte,  als  quelle 
angeseUt,  beide  werke  eben  wider  nur  für  je  eine  geschichte. 

Es  wird  sich  empfehlen,  dem  gegenüber  den  Libro  de  los 
exemplos  im  äuge  zu  behalten,  aber  natürlich  kann  nicht  das 
spanische  werk  des  14  oder  gar  15  jhs.  die  quelle  Boners  ge- 
wesen sein,  sondern  nur  dessen  vorläge,  trotz  der  ausdrücklichen 
Versicherung  des  demente  Sanchez  (archidiaconus  von  Valderas 
in  Leon),  der  sich  in  der  Pariser  hs.  nennt  und  (zwischen  1400 
und  1421?)  dies  alphabetarische  exempelbuch  compiliert  und  dem- 
nächst in  die  landessprache  übersetzt  haben  will,  hat  Morel  Fatio 
das  ganze  in  ähnlicher  weise  als  Übertragung  aus  einem  latei- 
nischen Alphabetarius  exemplorum  angesprochen,  wie  das  für  den 
catalanischen  RecuU  inzwischen  durch  Crane  erwiesen  ist.  Crane 
s.  civf,  der  ihm  darin  zuzustimmen  scheint,  hat  bereits  eine  Über- 
sicht (iber  die  wichtigsten  quellen  gegeben,  bemerkenswert  für 
die  datierung  scheint  immerhin,  dass  zwar  die  'Coronica  Mar- 
tioiana'  widerholt  (Rom.  vii  nr  33,  Gayangos  nr  29.  73)  citiert 
wird,  die  Legenda  aurea  (die  für  Etienne  de  Besan^^on  eine  haupt- 
quelle  bildete)  wenigstens  gelegentlich  (nr  23.  197)  benutzt  er- 
scheint und  Jacobus  de  Cessobs  zweifellos  in  nrr  177  ('Rosmilda'). 
187  CCamillus').  329  ('Mundus  und  Paulina').  338  (*Papirius') 
abgeschrieben  wird,  litteraturwerke  des  14  jhs.  aber  fehlen,  von 
den  39  slücken,  die  sich  nach  meiner  Zählung  im  gegenständ 
mit  den  Gesta  Romanorum  decken  —  die  zahl  erscheint  auf- 
fallend grofs  — ,  ist  bei  den  allermeisten  nummern  doch  jeder 
directe  Zusammenhang  ausgeschlossen,  so  stehn  diejenigen,  welche 
aus  der  Disciplina  clericalis  stammen,  fast  durchweg  dieser  quelle 
sehr  nahe  :  zb.  Gay.  nrr  7.  13.  27.  53.  90.  91.  92.  234; 
Rom.  18.  19;  eine  ausnähme  macht  nur  Gay.  nr  334  CÖlf^sser*), 
wo  der  Spanier  eine  starke  kürzung  bietet,  ich  habe  mir  über- 
haupt nur  6  nummern  notiert,  wo  ein  näherer  Zusammenhang 
mit  den  Gesta  Romanorum  erwogen  werden  konnte  :  Gay.  nr  103. 
155*.  174.  183.  374  —  lauter  sehr  verbreitete  exempla,  und 
dann  nr  118  'Zweierlei  tuch',  wofür  wenigstens  bei  österley  (zu 
nr  26)  keine  parallelen  erscheinen  :  aber  die  darstellung  im  Libro 
weist  hier  originelle  und  zweifellos  echte  züge  auf,  und  da  ist 
denn  für  die  so  uoendlich  schwierige  frage  nach  den  quellen  und 
Vorstufen  der  Gesta  Romanorum  das  quellencitat  des  Spaniers  von 
starkem  interesse  :  Una  hestoria  es  tal  que  se  lex  de  los  Bomanos. 
aus   dem  gleichen  gründe  erwähn  ich   zu  Gesta  Rom.  nr  87  aus 

^  auch  das  ungenaue  citat  aui  Macrobius   (denn  die  geschichte  steht 
nicht  im  Somnium  Scipiouis,  sondern  Sat.  i  6)  stammt  von  dorther. 


430  SCHRÖDER  QUELLEN  UND  PARALLELEN  ZU  RONER 

dem  Libro  ed.  Gayangos  nr  253  Leise  en  el  libro  de  las  trufas  de 
los  pleitos  de  Julio  Cisar.  dass  das  ein  werkchen  italischen  Ur- 
sprungs war,  ist  mir  nicht  zweifelhaft  (vgl.  Graf  Roma  nella  me- 
moria e  nelle  immaginazioni  del  medio  e?o  i  253).  Oberhaupt 
weist  der  Charakter  des  quellenmaterials  und  weisen  zahlreiche 
einzelzüge  darauf  hin,  dass  die  compilierte  vorläge  in  Ober-  oder 
Mittelitalien  entstanden  ist.  gerade  diejenigen  geschichten,  für 
welche  eine  quelle  nicht  genannt  und  auch  nicht  ohne  weiteres 
zu  ermitteln  ist,  spielen  grofsenteils  in  Italien  —  und  hier  hat 
sich  der  Spanier  mit  den  lateinischen  bezeichnungen  seiner  vor- 
läge öfters  nicht  abzufinden  gewust  :  so  wenn  er  Gay.  nr  10 
schreibt  la  cibdat  de  Reatina  (latein.  civitas  Reatina  di.  Reate)  oder 
Gay.  nr  330  en  el  lugar  de  Tudertina  (latein.  in  urbe  [civiiate] 
Tudertina  di.  Todi).  während  eine  grofse  auzahl  von  geschichteo 
in  der  Lombardei  und  Sardinien  (das  bald  Sardania  bald  Cerdena 
heifst),  in  Rom,  Romagnola,  Florenz,  Siena,Viterbo,  Cremona,  Bologna 
spielt,  entfallen  auf  französische  Schauplätze  nur  etwa  10  exempla, 
meist  aus  bekannten  quellen,  nr  138  nimmt  partei  für  die  Lom- 
barden gegen  die  Franzosen,  in  Spanien  ist  unter  den  467 
(Gayangos  395  •+-  Morel  Fatio  71  -}-  1)  geschichten  nur  eine  ein- 
zige localisiert :  nr  203,  ein  Marienwunder,  das  sich  en  la  cibdad  de 
Leon,  de  sobre  el  Ruedana  im  j.  1100  zugetragen  haben  soll  und 
das  der  spanische  bearbeiter  immerhin  unter  die  grofse  zahl  ähn- 
licher stücke  (nrr  192 — 213)  eingeschaltet  haben  mag.  an  der 
tatsache,  dass  zum  mindesten  der  grundstock  des  Libro  de  los 
exemplos  ein  lateinischer  alphabetarius  exemplorum  italienischer 
herkunft,  wahrscheinlich  aus  der  zeit  zwischen  1280  und  1300 
war,  ändert  dies  spanische  mirakel  nichts. 

Marburg  i.  H.  EDWARD  SCHRÖDER. 

EIN  TAPELDRUCK 
DES  MÜNCHENER  PATERNOSTERS. 

(zu  Zs.  44,  187). 

Der  umsieht  und  freundlichkeit  Eulings  verdank  ich  einen 
wertvollen  hin  weis,  der  mich  veranlasst^  alsbald  noch  einmal  auf  das 
Münchener  Paternoster  zurück  zu  kommen,  auf  dem  15  blatt  der 
durch  [leitz  publicierten 'Neujahrswünsche  desl5  jhs/(Strafsb.l899) 
befindet  sich  die  photographische  nachbildung  eines  holzschnittes 
aus  dem  Münchener  kupferstichcabinett,  der  wol  die  'figur'  dar- 
stellen könnte,  über  die  der  Münchener  barfüfser  1481  gepredigt 
hat.  das  bei  Heitz  etwa  auf  die  halbe  grüfse  reducierte  blatt  ^ 
stellt  Gott  vater  dar,  wie  er  an  einer  lieb  beschriebenen  herunter- 
hängenden schnür  sieben  farbige  Scheiben  mit  den  bitten  des  Vater- 
unsers eine  unter  der  andern  hält;   das  Spruchband  vor  seinem 

^  Schreiber,  Manael  de  Tamateur  de  la  gravure  sar  bois  aa  15  si^Ie 
n  240,  gibt  die  mafse  *400  (?) :  275  (?)'  an.  der  text  des  Mattes  ist  auch  bei 
ihm,  doch  nicht  ganz  fehlerlos,  abgedruckt. 


ROETHE  MÜNCHENER  PATERNOSTER  431 

mund«  sagt:  Äbo  soll  ihr  peten:  links  von  den  Scheiben  steht  die 
deutung  ihrer  färben,  dieser  text  genau  wie  oben  s.  190,  rechts 
ebenso  die  triaden,  aber  nicht  die  der  dritten  reihe,  sondern  nur 
die  der  vierten:  einzig  die  beiden  tria<)en  des  holzschnitts,  die 
211  den  Worten  Vater  vnser  und  Der  du  pist  In  den  himelen  ge- 
hOreD,  finden  eine  sehr  freie  entsprechung  in  der  dritten  reihe. 
im  Obrigen  ist  die  Übereinstimmung  zwischen  dem  drucke  und 
der  bandschrifllichen  tabeile  für  jene  drei  rubriken  (t.  2.  4)  so 
genau,  dass  das  blatt  —  es  trägt  das  datum  1479,  ist  also  älter 
als  der  codex  ^  —  sehr  wohl  die  directe  quelle  der  handschriftlichen 
aufzeichnung  sein  konnte ^  trotz  gleichgiltigen  orthographischen 
und  sprachlichen  difTerenzen.  für  dies  nahe  Verhältnis  spricht 
vielleicht  das  druck  und  hs.  gemeinsame  merkwürdige  einfür  in 
der  6  bitte,  der  druck  belehrt  mich  nun  auch,  dass  das  ver- 
stümmelte anp  (4  bitte)  und  lupkeit  (6  bitte)  des  Schreibers 
za  dankp  und  luspkeit  (dankper,  lusperkeit)  ergänzt  werden  muss^; 
beides  verdient  auch  inhaltlich  vor  meinen  vorschlagen  den  Vorzug. 
Aber  der  Zusammenhang  zwischen  jenem  tafeldruck  und  der 
hs.  reicht  noch  weiter,  der  holzschnitt  ist  am  oberen  und  am 
rechten  rande  beschnitten ;  oben  list  man  noch  über  den  triaden 
die  Worte  So  erhöret  in  got  gnediglich.  das  ist  die  scblufszeiie 
der  reimeinleitung  (oben  s.  189).  auch  diese  also  hat  ursprüng- 
lich auf  der  tafei  gestanden,  und  zwar  unmittelbar  vor  dem 
Paternoster,  meine  annähme,  dass  die  todsünden  und  blutver- 
giefsen  (s.  189)  erst  interpoliert  seien,  bestätigt  sich  also,  wozu 
nun  war  das  blatt  bestimmt?  von  Heitz  wird  es  als  neujahrs- 
wuDSch  publiciert,  und  es  enthält  unten  links  würklich  die  worte 

Ein  Seligs  News  Jaer.  dass  diese  zeile  aber  erst  nachträglich 
in  der  tafel  angebracht  ist,  darauf  deuten  wol  schon  die  buch- 
slabenformen:  das  spitzwinklige  E,  das  einstöckige  a,  auf  das 
Wilb.  Meyer  besondern  wert  legt,  auch  die  Schreibung  ae  für  ä. 
wer  Heitz  Sammlung  durchläuft,  sieht  alsbald,  wie  isoliert  unser 
blatt  neben  den  üblichen  christkindchen  steht,  und  zumal  die 
reimeinleitung  schliefst  die  ursprünglichkeit  des  neujahrswunsches 
aus:  sie  muste  weggeschnitten  werden,  um  diese  Verwendung 
möglich  zu  machen  3. 

So  bleibt  ein  druck  zu  rein  katechetischen  zwecken,  ein 
hsl.    paternoster  ^mit  dryerley  vslegung\  die   im   kerne   zu    den 

^  auf  der  Photographie  bei  Heitz  kann  ich  nur  1470  lesen;  doch  ergibt 
die  beschreibang  von  WSchmidt  Interessante  formschnitte  des  15  jhs.  s.  15, 
dass  ioa  original  1479  erkennbar  ist. 

^  angesichts  des  druckes  will  ich  auch  gerügsam  in  den  triaden  der 
2  bitte  Dicht  mehr  anlasten  :  es  muss  eine,  mir  sonst  unbekannte,  conta- 
mination  von  geruowic  und  geruotoesam  sein,  gern  heb  ich  hervor,  dass 
dr  Rück  mir  schon  früher  in  ähnlichem  sinne  von  der  änderung  des  Wortes 
abgeraten   hat.  ^  auch   die  auffällig  ungeschickt  unten  angeklemmte 

Jahreszahl  könnte  als  spätere  zutat  verdächtigt  werden :  jedesfalls  ist  aber  der 
druck  nicht  jünger  als  1479,  und  das  allein  interessiert  uns  hier. 


432  ROETHE  MÜNCHENER  PATERNOSTER 

triaden  des  druckes  stimmt,  aber  ohne  die  färben  und  ohne  die 
einleitiing,  sowie  ein  gleichartiges  avemaria  weist  mir  Euliog 
Alem.  12^  167  aus  der  zeit  um  1500  nach,  gedruckte  blätter 
mit  den  zehn  geboten,  dem  glauben,  dem  benedicite,  auch 
beichltafeln ,  nach  GefTcken  *zum  ankleben  an  die  wände  be- 
stimmt', sind  erhallen  ^  aber  gerade  wenn  wir  an  diese  stücke 
denken,  macht  sich  das  misverhältnis  fühlbar,  das  in  unserm 
paternosterdruck  zwischen  der  breiten  reimeinleitung  und  der 
wortkargen  kurzen  tabelle,  der  hauptsache  besteht,  es  fiel  fort, 
wenn  ich  jene  für  die  einleitung  der  predigt,  diese  für  ihre 
disposition  hielt,  wie  das  die  schlufsnotiz  der  handschrift  (oben 
s.  194)  nahe  legte,  für  den  (Nürnberger?)  druck  aber  ist  nicht 
bezeugt,  dass  er  als  grundlage  einer  predigt  gemeint  war,  und 
der  Münchener  mOnch,  der  ihn  so  benutzte,  hat  das  erst  nach 
zwei  Jahren  oder  noch  später  getan. 

Fand  der  prediger  den  gereimten  eingang  bereits  gedruckt  vor 
der  figur  vor,  die  er  erklärte,  so  bleibt  ja  die  möglichkeit,  dass 
er  ihn  mitsamt  seinen  reimen  adoptierte  und  auch  weiter  reime 
gab,  wo  sie  sich  boten:  aber  mehr  als  möglichkeit  ist  das  nicht 
mehr,  vielleicht  findet  sie  eine  gewisse  stütze  in  einer  bewusten 
abweichung,  die  der  hsl.,  auf  die  predigt  von  1481  bezügliche 
text  gegenüber  dem  drucke  zeigt  ich  meine  die  einfügung  der 
gereimten  triaden  der  3  reihe,  welche  die  nur  gelegentlich  reimen- 
den der  vorläge  anfangs  wol  ersetzen  sollten:  erst  nachträghch 
wurden  auch  diese  noch  angehängt,  freilich,  die  reime  der  neuen 
triaden  sind  billich ;  so  stellen  sie  sich  in  solchen  parallel  gebauten 
dreiheiten  wol  auch  ungesucht  ein.  dass  zufall  hier  aber  abzu- 
weisen ist,  das  erhärtet  die  art,  wie  in  der  hs.  die  beiden  triaden 
behandelt  sind,  die  im  druck  den  eingang  des  paternoster  begleiten, 
sie  werden  benutzt:  da  die  glossierung  von  Der  du  pist  In  den 
himelen  in  allen  drei  Zeilen  auf  -eü  ausgeht,  blieb  der  prediger  ihr 
leidlich  treu,  dagegen  die  auslegung  von  Vater  vnser,  die  im 
druck  nicht  reimt  (Hoch  in  der  Schöpfung.  Reiche  in  dem  erhe. 
Süße  in  der  liehe)  arbeitet  er  so  um,  dass  er  das  erste  schluss- 
wort  schoppfung  beibehält  und  zwei  andere  Zeilen  auf  -ung  anreiht, 
das  ist  absieht^,  und  diese  absieht  des  Münchener  predigers 
verrät  immer  noch  eine  freude  am  reimschmuck,  die  meine  ur- 
sprüngliche auffassung  begünstigt,  trotzdem  würd  ich  heute  das 
wort  *reimpredigt'  nicht  mehr  so  apodiktisch  in  die  Überschrift 
zu  setzen  wagen.  ROETHE. 

1  Tgl.  Geffcken  Bilderkatecb.41  beii.119.203,  Schreiber  nr  1844-1855. 
2756  f.  '  an  eine  zweite  triadenquelle  zu  denken,  die,  sonst  ohne  jede 

berührang  mit  den  dreiheiten  des  drucks,  gerade  in  den  beiden  anfangsstäcken 
mit  ihnen  zusammen  getroffen  sein  sollte,  etwa  aus  gemeinsamer  quelle,  das 
ligt  doch  gar  zu  fern. 


Druck  von  J.  B.  Hirschfeld  in  Leipzig. 


ANZEIGER 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTUM 


UND 


DEUTSCHE  LITTERATÜR 


HERAUSGEGEBEN 


EDWARD  SCHROEDER  und  GUSTAV  ROETHE 


SECHSUNDZWANZIGSTER  BAND 


BERLIN 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG 
1900. 


INHALT. 

Seite 
Ambales  (Aiulöda)  saga,  s.  Gollancz 

AmmanD,   Volksschauspiele  aus  dem  Böhmerwalde  ii,  von  Werner    .  263 

Baechtold,  Kleine  Schriften  hrsg.  von  Vetter,  von  Roethe      ....  185 

Behmer,   Laur.  Sterne  und  GMWieland,  von  Ridderhoff 261 

Berlit,  s.  Hildebrand 

Bilfinger,  Untersuchungen  über  die  Zeitrechnung  der  alten  Germanen  i, 

von  FJönsson 270 

Borinski,  Lessing,  von  RMMeyer 333 

Consenlius,  *Freygeister,  Naturalisten,  Atheisten',  —  ein  aufsatz  Lessings 

im  'Wahrsager',  von  Muncker 319 

Gossmann,  Shakespeares  Hamlet  in  der  Übersetzung  von  Schlegel  und 

Tieck,  von  Walzel 174 

Gynewulfs  Elene,  s.  Zupitza 

Detter,  Die  lausavisur  der  Egilssaga,  von  FJönsson 36 

Dürrwächter,  Die  Gesta  Garoli  Magni  d.  Regensburger  Schottenlegende, 

von  Schröder 256 

Ebrard,  Allitlerierende  Wortverbindungen  bei  Goethe  i,  von  RMMeyer  263 

EUinger,  Joannes  Nicolai  Secundus  *Basia',  von  Schröder 332 

Fath,  Wegweiser  zur  deutschen  litleraturgeschichte  i,   von  SeemuUer  79 

Franck  en  Verdam,  JvMaerlants  Strophische  gedichten,  von  Martin  83 

Friedmann,  La  lingua  gotica,  von  Wrede 80 

Fürst,  Die  Vorläufer  der  modernen  novelle  im  18  jh.,  von  Honig  .     .  64 

Gesta  Caroli,  s.  Dürrwächter 

Gi'slasoD,  Forelaesninger  og  videnskabelige  afhandlinger  («=  Efterladte 

skrifter  ii),  von  Detter 168 

Goethevorträge,  Strafsburger,  von  Pniower 86 

Gollancz,    Hamlet  in  Iceland,    being  the  romantic  Ambales  saga   etc., 

von  Detter 274 

Hartmann,  Uhlands  (agbuch  1810—20,  von  Minde-Pouet 167 

Heinzel,  Beschreibung  des  geistlichen  Schauspiels  im  deutschen  mittel- 

alter,   von  Ammann 223 

RHildebrand  Über  W^alther  vd  Vogel  weide,  hrsg.  von  Berlit,  von  Roethe  258 

Hirt,  Der  indogermanische  ablaut,  von  Kretschmer 265 


fV  I5HALT 

Seite 
ThHockf  ScUfftut^  Blainerifeld,  s.  Koch 
if^nn  Mga,  %.  Koibiog 

Jflcobf»,  (t^rnlenher^n  Ugolioo,  tod  RMWerner 229 

Ja hr«^hf  rieht  der  männer  Fom  Morgenstern  i,  Ton  EBMeyer  ....  8S 
.larit%eri,  GotiHche  Sprachdenkmäler  mit  grammatik  asw.,  von  Wrede  Sl 
Jfilirif k ,    Rin   capitel   ans    der   beschichte  der  dentschen    (rraromatik, 

von  Wilmanns 253 

Kaeding,  Häufigkeitswörterbuch  der  deutschen  spräche,  von  Heyne  78 

Kerner  und  Muller,  Juslinus  Kerners  brief Wechsel,  von  Minde-Pouet  163 

Koch,  ThHocks  Schoenes  Blumenfeld,  von  Köster 286 

Kftlbing,  Ivens  saga,  von  Ranisch 81 

Könnecke,   Bilderatlas   zur  geschichte   der  deutschen  nationallitteratur 

2  auf!.,  von  Koethe 1 

KrauN,  Das  sog.  ii  büchlein  und  Hartmanns  werke,  von  Ehrismann  38 

-  — ,  Heinrich  vVcldeke  und    die  mhd.  dichtersprache,   von  Franck     104 
Kretschmer,  Einleitung  in  die  geschichte  der  griechischen  spräche,  von 

Meringer 189 

Krüger,  Der  junge  Eichendorff,  von  Poilak 161 

Lour,  s.  Zingeler 

Lessing,  s.  Consenlius 

Lieder  und  Sprüche,  Geschichtliche  Württembergs,  s.  Steiff 

MaerlantH  Strophische  gedichten,  s.  Franck  en  Verdam 

Meifsner  und  Wille,  Novalis  sämtliche  werke,   von  Walzel    ....    237 

Menne,  Der  einfluss  der  deutschen  litteratur  auf  die  niederländische  i, 

von  Kossmann 85 

Morris,  (ioethestudien  ii,  von  Alt 233 

Much,  Der  germanische  himmelsgott,  von  Heusler 92 

EMüller,   s.  Kerner 

Muiko,   Deutsche  einflüsse  auf  die  anfange  der  böhmischen  romantik, 

von  Vondräk 70 

Murner«  Ciäuchmatt,  s.  Uhl;  An  den  deutschen  adel,  s.  Voss 

Nortlen«  Die  antike  kunstprosa  vom  6  jh.  v.  Chr.   bis  sar  renaissioce, 

von  Thiele 251 

Novalis  sämtliche  werke,  s.  Meifsner  and  Wille 

Ott,  Ober  Murners  Verhältnis  lu  Geiler,  von  Michels 56 

Pachülv.  Die  Variation  im  Beliaod  und  io  der  as.  Genesis,  toq  Ries    .     277 

Pfeitfer«  Thei^logia  deutsch  4  aufl.,  tod  Schröder 331 

Popp,  Die  metrik  und  rhythmik  Mamers,  tod  Micbeis 59 

Pi)^&^,  HandschnftencoDserTieraiif«  too  Steiooieyer 32S 

Roethe«  Die  reiniTortedeii  des  Sacksenspiefelss  tob  Freack    .    .    .    .     117 

RottsU»,  Lemu  H  soo  temps,  toq  PoUiIl 323 

Saftiea,  Die  scliwell^jinnefi  des  Terstypos  A  ia  der  k.  lafct>dklif»|L^ 

vö«  Heusler        199 


INHALT  V 

Seile 
Schill,  Anlciton;  znr  erhaltnng  und  ansbesserang  von  hss.  mit  lapon- 

impragnierang,  Ton  Steinmeyer 328 

LSchmidt,  Beitrige  zur  gescliichte  der  wissenscliaftliclien  Stadien  in 

sächsischen  klöstern  i  Altzelle,  von  Hernnann .    259 

ASchneider,  Spaniens  anteii  an  der  deutschen  litteratar  des  16  und 

17  jhs.,  von  Beer 134 

Schönbach,  Die  anfange  des  deutschen  minnesangs,  von  RMMeyer  .  130 
,  Beitrage  zur  erklärung  altdeutscher  dichterwerke  i.  Die 

altem'  minnesinger,  Ton  dems 133 

,  Miscellen  aus  Grazer  handschriften  i— in,  von  Strauch    .    212 

,  Mitteilungen  aus  altdeutschen  handschriften  vi,  von  dems.    210 

,    Studien   zur    erzahlungslitteratur    des  mittelalters   i.   ii, 


von  dems 217 

Scholz,  Geschichte  d.  deutschen  Schriftsprache  in  Augsburg  bis  1374, 

von  Scheel 124 

Schulleros,  Michael  Albert,  von  PoUak 73 

JSecnndus  ^Basia',  s.  Ellinger 
Shakespeares  Hamlet,  s.  Cossmann 

Simons,  Gynewulfs  Wortschatz,  von  Schröder *    225 

Sprachdenkmale,  s.  Wadstein 

Steiff,  Geschichtliche  lieder  und  spräche  Württembergs  i,  von  HMeyer    282 

SUehler,  Das  Ifflandische  rührstuck,  von  Eloesser 173 

SUlgebauer,  Geschichte  des  minnesangs,  von  RMMeyer 172 

Theologia  deutsch,  s.  Pfeiffer 

Tille,  Tule  and  christmas,  von  Singer 96 

Tümpel,  Niederdeutsche  Studien,  von  Holthausen 29 

Uhl,  Murners  *Gäuchmatl'  (1519),  von  Michels .      50 

Uhlands  tagbuch,  s.  Hartmann 

Usener,  Sintflutsagen,  von  RMMeyer 76 

Yeelderhande  geneuchlycke  dichten,  tafelspeien  ende  refereynen,  von 

Martin 329 

Verdam,  s.  Franck 

Vetter,  s.  Baechtold 

Volksschauspiele,  s.  Ammann 

Voss,  Mumers  'An  den  adel  deutscher  nation'  (1520),  von  Michels  55 

Vossler,  Das  deutsche  madrigal,  von  Keiper 85 

Waas,  Die  quellen  der  beispiele  Boners,  von  Schönbach 171 

Wadstein,  Kleinere  altsächsische  Sprachdenkmäler,  von  Steinmeyer    .    199 
Wille,  s.  Meifsner 

Zeitschrift  för  hochdeutsche  mundarten  1 1,  von  Hoffmann-Krayer  .    .      89 
Zingeler  und  Laur,  Bau-  und  kunstdenkmäler  in  den  hohenzollerschen 

landen,  von  Heyne 77 

Zapitza,  Gynewulfs  Elene  4  aufl.,  von  Schröder 170 


VI  INHALT 

Seit« 
Zwierzina,  Beobachtangen  zum  reüngebranch  Harünanos  o.  Wolframs, 

TOD  Ehrismann 41 

Hermann  Kurz  und  Franz  Pfeiffer,  von  HFischer 179 

Personalnotizen 88.  184.  264.  344 

Schriften  der  königlichen  Vlamischen  akademie,  von  Martin  ....  176 
Berichte  über  GWenkers  Sprachatlas  des  deutschen  reiches,  von  Wrede 

XTUI  gefallen,  heute 336 

Register 345 


ANZEIGER 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTUM  UND  DEUmHE  LIHERATÜR 

XXVI,  1  febraar  1900 


Bilderatlas  zur  geschichte  der  deutschen  natioaallitterator.  eine  ergänzung 
za  jeder  denlschen  litteraturgescbichte.  nach  den  qoelUn  bearbeitet 
▼ou  dr  Gustav  Köhnegke.  zweite  verbesserte  und  vermehrte  aufläge. 
Marburg,  NGElwert,  1895.  —  22  m. 

KöDDeckes  vorlrefTiicher   Bilderatlas   ist   seit    12  jähren   in 
«losern    haoden;   für  philologische  arbeit   und  wisseDSchaftlichen 
Unterricht  hat  er  sich  als  wertvolles  hilfsmittel  erwiesen;  er  hat 
nicht  nur  die  sinnliche  anschauung  befördert,  die  jeder  geschicht- 
lichen  disciplin  dringend  not  tut;    er   hat  auch  wesentlich   dazu 
beigetragen,  dass  paläographische   und  ikonographische  gesichts- 
puncte  nicht  mehr  ausschliefslich  die  domäne  weniger  begünstigten 
sind;    er  hat  unmerklich   und   sicher  unsre  arbeitsmethoden  be- 
reichert,    als  er  erschien,    hatte  K.  für  die  verwttrklichung  des 
wissenschaftlichen  gedankens,  dem  sein  buch  dient,  wenig  brauch- 
bare vorarbeiten  :  der  *  authentische  bilderschmuck'   half  ja  wol 
gelegentlich   dieser  und  jener   nichtsnutzigen  litteraturgescbichte 
als  verspann  :  im  gründe  muste  K.  jungfräuliches  terrain  bauen, 
seitdem  ist  manches  anders  geworden  :  für  unsre  ältesten  litteratur- 
perioden    besitzen   wir    in    den    publicationen    von    Enneccerus, 
Piper,  Gall^  handschriftennacbbildungen ,  die  auf  ihrem  engen 
gebiete  au  reicbhalligkeit  und  auch  an  gute  K.s  entsprechende 
Partien    natürlich    übertreffen;    der    zuweilen    unwahrscheinliche 
farbenglanz,  mit  dem  die  nachbildungen  ahd.  und  mhd.  bilderhss. 
in  Vogts  populärer  litteraturgescbichte  prangen,  macht  immerhin 
eine  schwäche  mancher  K.schen  reproductionen  fühlbar;  und  mit 
den  vortrefflichen  bildern,  die  das  schöne  Historische  porträtwerk 
von  Seidlitz  schmücken,  kann  sich  in  der  technischen  ausführung 
nur  diese  und  jene  der  K.schen   beilagen  messen,     aber  an  Zu- 
verlässigkeit  des  materials   steht  der  Bilderatlas    hinter    keinem 
dieser  werke   zurück;   an   umsichtiger  Vielseitigkeit  übertrifft  er 
sie  alle;    und  nur  die  weise  beschränkung,   die  IL  sich  in  aus* 
wähl   und  technik  auferlegt  hat,    gab   ihm .  die  mögiichkeit,    ein 
buch  zu  schaffen,  das  nach  umfang  und  preis  zu  weiter  Verbrei- 
tung geeignet  war.     der  erfolg  hat  K.s   mühen  gelohnt     diese 
zweite  aufläge,  die  überall  von   der  sammelnden  und  sichtenden 
tatigkeit  des  Verfassers  erneutes  Zeugnis  ablegt,  bietet  mir  den  er- 
wüaschten  anlass,  der  tüchtigen  arbeit  auch  an  dieser  stelle  ein 

spätes  wort  der  Würdigung  zu  widmen.  

A.  F.  D.  Ä.  XXVI.  1 


2  KÖNNECKE   B1LDEBATLA8 

Den  text,  der  die  2200  abbildungen  begleitet,  hat  K.  mit 
recht  in  der  anspruchslosen  form  kurzer  einzelbemerkungen  ge- 
halten :  knappste  biographische  und  bibliographische,  vereinzelt 
auch  iitterarhistorische  notizen;  buchstäbliche  Umschrift  der  mittel- 
alterlichen handschriftenproben,  dazu  Übersetzung  des  ganzen  oder 
erklärung  einzelner  worte;  nützliche  winke  zur  druck-  und  iheater- 
gescliichte;  die  nötigen  angaben  über  herkunft  und  autor  der  auf- 
genommenen bilder.  dieser  lext  ist,  obgleich  er  in  der  zweiten 
aufläge  gegenüber  der  ersten  beträchtlich  gewonnen  hat,  noch 
immer  die  schwächste  seile  des  werkes.  gleich  in  der  ersten  an- 
merkung  (zu  Tac.  Germ.  2)  stört  die  längst  veraltete  conjectur 
Tuisconem.  die  Umschrift  der  mitgeteilten  Beowulfseite  zeigt  drei 
lese-  oder  druckfehler.  im  Hildebrandslied  conjiciert  K.  befremd- 
lich cunosles  st.  cnuosles  (soll  das  zu  cunnt  gehören  ?) ;  zu  sumaro 
enti  mntro  sehstic  hat  er  die  seltsame  paraphrase  'sechzig  sommer 
und  sechzig  winter  ■»  dreifsig  jähre'  usw.  diese  fehler  schleppen 
sich  aus  der  ersten  aufläge  fort;  es  wäre  schon  besser,  K.  liefse 
sich  in  derartigen  fragen  der  texlkritik  und  -erklärung  durch 
irgend  einen  germanisten  unterstützen;  solche  versehen,  unnötige, 
leicht  zu  tilgende  und  doch  ärgerliche  flecken  köDDen  den  un- 
kundigen benutzer  verdriefslich  irre  führen,  mancher  besserung 
bedürfen  auch  die  biographisch -litterarischen  Sätze  :  es  erfDilte 
mich  doch  mit  wehmut,  als  ich  zb.  s.  113.  115  schnell  hinter- 
einander gleich  zweimal  (bei  Ringoilingen  und.MvStein)  irrtümer 
wider  traf,  die  ich  an  der  bequemst  zugänglichen  stelle,  in  der  ADB, 
hoffte  abgewehrt  zu  haben,  indessen,  es  widerstrebt  mir,  auf 
dieses  angreifbare  neben  werk  pedantisch  rote  tinte  zu  verspritzen, 
lieber  heb  ich  hervor«  dass  die  notizen  über  Grimroelshausens  leben 
in  der  zweiten  aufläge  viel  wertvoll  neues  enthalten, das  den  lebhaften 
wünsch  erweckt,  K.  möchte  bald  noch  mitteilsamer  werden. 

Nur  über  die  partien  ties  textes  noch  einige  worte,  die  sich 
unmittelbar  auf  den  kern  des  werkes,  auf  die  illustratiooen  selbst 
beziehen.  mnSchst  ein  allgemeines  bedauern  :  K.  bat  laut  vorrede 
dieser  zweiten  ausgäbe,  Soweit  es  sich  nicht  um  ältere  handschnflen 
handelt  1,  die  orte,  wo  sich  die  gebrauchten  originale  befinden, 
nicht  mehr  hinzugesetzt'  :  er  hofft  dadurch  lu  veriuudcru,  dass 
man  ihn  ausplündere,  ohne  ihn  lu  nennen,  wie  sollte  ich  die 
grollende  aufwallung  berechtigteu  unmuts  nicht  verslebul  aber 
der  Unmut  soll  doch  nicht  leiten«  wo  wissensclttfllicbe  dinge  in 
Orage  kommen,  ich  fUrcbte,  die  plagialoren  wird  K.  docb  nicht 
bindern,  ernsthaften  benutzem  aber  macbt  er  das  leben  unnlHig 
schwer,  und  vielleicbt  sieb  selbst :  es  wlre  nur  eine  waUrcrdienle 
strafe«  wenn  er  mit  fragen  nbcr  fragen  drangsaliert  wtrie.  lat- 
sftcbbcli  ist  den  fundort  lu  kennen  wicblig.  selbst  «u  es  sieb 
UM  gani   verbreitele  drucke    des  vorigen 


KÖNNECKE    BILDEEATLAS  3 

me  onsicker  sidü  wir  vielfach  über  die  gleich  datierteo,  gleich 
aesgestatteten  doppel-  und  nachdrucke,  die  doch  differieren!  ich 
habe  sofort  einen  scrupel :  s.  246  bringt  (nur  in  der  2  ausgäbe) 
*drei  kupfer  (von  Crusius)  zu  Wielands  Musarion,  aus  der  aus- 
gäbe TOD  1769'.  von  Crusius?  mein  exemplar  der  Musarion  von 
1769  zeigt  bei  zweien  die  deutliche,  in  K.s  reproduction  fehlende 
uoterschrift :  ^StO(k  fec' i,  und  genaues  zusehen  überzeugt  mich, 
dass  die  platten  des  Biideratlas  und  meiner  Musarion  nicht  identisch 
sein  können,  wer  von  uns  ist  nun  dem  copisten  oder  gar  dem^schleich- 
(faracker*zum  opfer  gefallen  (Büchner, Wieland  und  die  Weidmannsche 
bucfaliandlang  s.  32)?  ich  glaube  zunächst,  die  zarlere  ausführung 
und  die  Unterschrift  der  biider  spricht  für  mein  büchiein  :  die 
weitere  nachprüfung  hindert  K.s  schweigen  über  seine  quelle. 

Im    einzelnen    dann   noch    folgendes    zu    dem   engeren    be- 
gleitlext  der  biider  :  s.  59,  bei  den  hss.  von  Wolframs  Parzival, 
hat  K.  Lachmanns  chiffern  D  und  G  verwechselt.  —  s.  120  heifst 
es  von  den  bildern  des  JNarrenschiffs,  dass  sie  'wahrscheinlich  von 
AJbrecbt  Dürer   ...    nach  Brants   angaben'  gezeichnet  wurden. 
K.  tritt  also  der  bekannten,  meist  mit  Zustimmung  aufgenommenen 
hypothese  DBurckhardts  bei.    ist  es  nun  absieht,  dass  er  s.  115 
bei   dem  'Spiegel  der  tugend'  Furterschen  druckes  die  gleiche  an- 
nähme Burckhardts  unerwähnt  lässt?    die  ähnlichkeit  mit  Dürers 
Terenzillustrationen  ist  hier  mindestens  so  einleuchtend  wie  beim 
Narrenscbiff.    ich  selbst  bin  vorläufig  in  beiden  fällen  nicht  über- 
zeugt. —  s.  131  zeigt  sich  K.  geneigt,  Murner  an  der  illustra- 
tion    seiner  werke  einen   anteil   zuzuweisen;   er   nimmt  speciell 
einen  mitgeteilten  holzschnitt  aus  dem   Lutherischen   narren   für 
ihn  mit  bestimmtheit  in  anspruch;  wie  denn  auch  Martin  (Jahrb. 
f.  gescb.,   spräche  ü.  litt.  Eisass- Lothringens  9,  107)  die  Zeich- 
nungen zur  Badenfahrt,  zur  Mühle   von  Schwindelsheim   ua.   in 
gleicher  richtung  vorsichtig  erwogen  hat.     beide  gehn  dabei  aus 
von  den  flotten  illustrationen,  mit  denen  Murner  selbst  seine  nur 
hsl.  erhaltene  Übersetzung  der  Weltgeschichte  des  Sabellicus  ge- 
ziert zu  haben  scheint,    proben  dieser  handzeichnungen  des  dich- 
ter»  liegen  jetzt  aus  der  Karlsruher  hs.   in   der  dankenswerten 
pablication     des    Strafsburger    photographen    Mathias    Gerschel 
(Strafsb.  1892)  vor,  neben  dessen  acht  hübschen  blättern  mir  noch 
Je  ein  bild  bei  Martin  aao.  und  bei  KOnnecke  bekannt  ist.    soweit 
ich   nach  diesem   beschränkten   material   urteilen   darf,   halt  ich 
Mnrners    illustrative    tätigkeit    bei    Badenfahrt   und   Mühle    von 
Sehwindelsheim   für  ganz  unwahrscheinlich;   bei  der  satire  ^Von 
dem  grofsen  lutherischen  narren'  verkenn  ich  nicht,  dass  zb.  die 

^  ^fec*  meint  meines  Wissens  in  der  regel  das  zeichnen  und  stechen, 
seHoer  das  stechen  allein,  dass  Stock  indessen  nicht  ganz  freischaffend  ge- 
arbeitet bat,  beweist  schon  sein  bildchen  zum  zweiten  buche,  das  in  der 
baoptsache  eine  umzeichnung  des  titelbildes  von  1768  ist  (K.  s.  245).  es 
steht  ihm  in  nuancen  naher  als  der  von  K.  mitgeteilte  (Grosiussche?)  stich; 
auch  das  erhärtet  den  vorsprong  Stocks,  wie  das  verhSItnis  sonst  auch  liegcf. 


4  GERSCHEL  MURNERS  UANDZBICHNDNGEN 

Stellung  des  neunten  bundesgenossen  (Luth.  narr  I  3*)  an  die 
des  hirten  auf  Gerschels  1  blatt  erinnert,  dass  die  Haltung  von 
Schwert  und  lanze  des  bundeshauptoianns  (Luth.  narr  0  3*)  ent- 
fernt an  den  mörder  Lucretias  bei  Gerschel  hl.  3  anklingt,  dass 
hie  und  da  in  der  gestalt  der  bauwerke,  des  türbeschlags  (Lutb.n. 
a  4^  Gersch.7),  der  knültel  (Luth.  n.  L  1'  4*  ö.,  Gersch.  1.  7)  und 
sonst  ähnlichkeiten  auftreten,  der  gesamtcharakter  aber  der  sicher 
Murnerschen  Zeichnungen  scheint  mir  entscheidend  zu  differieren: 
Murner  liebt  kurze,  rundlich  gekritzelte  linien  im  baumschlag, 
der  oft  geradezu  wollig  aussieht,  und  in  den  wellen  (?gl.  Gersch.  5 
mit  Schwind.  A4''  D  2*  3*  El*'),  im  fallenwurf  der  kleider,  in 
der  Zeichnung  nackter  körper;  auch  seine  gestalten  sind  rundlich 
kurz;  selbst  seine *tore  ((.ersch.  2.  4.  6)  heben  sich  durch  breite 
und  niedrige  rundung  von  den  höhern  und  schmälern  toren  im 
Luth.  narren  (L  4*  N  3**)  deutlich  ab;  eben  so  fehlen  diesem  die 
runden  kuppeln  der  türme  (Gersch.  2.  4),  das  geringelte  haar 
(vgl.  Daniel  und  seine  lüwen  Gersch.  6,  den  richter  bei  K.,  deo 
könig  Gersch.  6  gegenüber  Luth.  narr  F  2^),  gewisse  hutformen 
Murners;  umgekehrt  zeigt  der  Luth.  narr  stets  gewundne,  die 
Sabellicusbilder  stets  gerade  parierstange  (Gersch.  2.  3.  KOnn. ; 
Luth.  n.  G  2*  I  3*?  0  3*  4"  P  1**  X  1»);  in  der  archileclur  der 
zehn  Murnerbilder  fand  ich  kein  fachwerk  mit  schrägbalken  an- 
gedeutet wie  öfter  in  der  Mühle  und  im  Luth.  n.  usw.;  schon 
die  abweichung  des  formais,  in  den  drucken  mehr  hoch  als  breit, 
in  den  hss.  ziemlich  quadratisch  oder  in  kreisrunder  medaillon- 
form, ist  charakteristisch  für  den  zuschnitt  der  bilder.  liegen  den 
genannten  drucken  Murnersche  entwürfe  in  der  art  der  Sabellicus- 
illustrationen  zu  gründe,  nun,  dann  hat  der  holzschneider  so 
scharf  und  selbständig  eingegriffen,  dass  Murners  anteil  kaum  viel 
gröfser  sein  würde,  als  Mulher,  Dehio  uaa.  ihn  bei  SebBrants 
illustrierten  werken  dem  autor  zuweisen,  ich  muss  darauf  gefasst 
sein,  dass  die  übrigen  mir  unbekannten  Murnerschen  Zeichnungen 
mein  resultat  alterieren;  jedesfalls  spricht  mir  K.  viel  zu  be- 
stimmt. —  s.  160  stellt  der  links  stehnde  kupferstich  Sichems  nicht 
'Faust  und  Auerhahn',  sondern  natürlich  Christoph  Wagner  mit 
seinem  geiste  Auerhahn  dar,  wie  das  auf  dem  bilde  richtig  zu 
lesen  ist;  es  hat  würklich  als  titelbild  des  Wagnerbuches  gedient. — 
das  titelbild  des  Finkenritters  s.  162  ist  aus  Wickrams  Lofsbuch 
(bl.  D  4^  der  ausgäbe  Mühlhausen  1564)  entnommen,  wohin  es 
denn  auch  besser  passt.  vgl.  noch  Luth.  narren  N  3^  —  die 
allegorie,  die  den  freiherrn  von  Canitz  an  der  seite  seiner  muse 
darstellt,  s.  204,  entnahm  K.  Königs  ausgäbe  der  Canitzschen 
gedichle  von  1750;  als  autor  nennt  sich  SPokke,  Amsterdam 
1746.  er  gibt  aber  anscheinend  keine  originale  leistung,  sondern 
zeichnet  nur  das  ältere  blatt  der  Dresdener  künstlerin  AMWernerin 
um,  das,  von  Wolffgang  in  Berlin  1726  gestochen,  schon  der  ersten 
ROnigschen  ausgäbe  von  1727  beigegeben  ist;    die  Wernerin  ist 


KONNECKE   BILDERATLAS  5 

auch  sonst  wohl  bekannt,  hat  zb.  für  Breitkopf  gottschedische 
werke  künstlerisch  versorgt  und  von  dem  dankbaren  dichter  die 
aoerkennung  geerntet :  'wir  würden  nichts  von  dem  Apelles  lesen, 
War  eine  Wemerinn  in  Griechenland  gewesen',  —  CAKlotzens  por« 
trat  ^.  233  beruht  nach  einem  exemplar  des  Slockschen  Stiches, 
das  sich  auf  der  Göttinger  univ.-hihl.  in  Conradis  Sammlung 
*Acadeinia  Georgia  Augusta  Iconihus  lllustrata'  befindet,  auf  einem 
gemälde  von  Rosenberg  in  Halle.  —  s.  268  heifst  es,  der  original- 
druck  der  *  Poetischen  gedanken  über  die  hOllenfahrt  Christi'  iu 
den  Frankfurter  'Sichtbaren'  sei  verschollen,  das  ist  unrichtig: 
das  Goethearchiv  besitzt  ein  exemplar  aus  Goethes  nachlass,  und 
ein  facsimile  des  Stückes  wäre  jedesfalls  angebrachter  gewesen  als 
die  Dachbildung  des  schwerlich  goethischen  ehrengedichts  auf 
Corona  Schröter.  —  nach  s.  291  will  Paläophron  die  Neoterpe 
ausbuDgern  'und  hat  zu  dem  zwecke  sie  eingemauert',  nein,  so 
grausam  ist  Paläophron  nicht :  K.  interpretiert  das  niedrige  mäuerchen 
des  bildes  falsch,  das  nach  Goethes  ausdrücklicher  angäbe  lediglich 
ein  asyl  bezeichnet,  also  Neoterpe  symbolisch  schützt,  nicht  gefangen 
halt.  —  für  das  wenig  sympathische  bild  Graffs  s.  347,  das  nach  K. 
Corona  Schröter  darstellen  soll,  darf  diese  deutung  in  keiner  weise 
als  gesichert  gelten  (Vogel,  GrafT  s.  54) :  künftig  wird  besser  das 
liebliche  selbstporträt  oder  allenfalls  auch  Kraus  gemälde  von  1785 
an  seine  stelle  treten;  Thons  bild  kenn  ich  nicht.  — 

Nun  aber  zur  hauptsache.  das  Schwergewicht  des  werkes 
ligt  mir  in  der  vielsagenden  geschichte  der  bücherausstattung 
and  -illustration,  die  sich  ohne  worte  aus  der  folge  gut  ge- 
wählter beispiele  heraus  uns  ergibt :  besonders  deutlich  seit  den 
anfangen  des  druckes.  sehr  mit  recht  hat  K.  wenigstens  bis  auf 
unsre  classiker  hin  die  gleichzeitigen  illustrierten  ausgaben  be- 
rücksichtigt :  auffassung  und  geschmack  der  zeit,  die  würkung 
des  dichters  aof  die  anschauung,  die  besondern  neigungen  des 
publicums  werden  durch  die  zeichnerische  ausführung  der  motive, 
durch  die  wähl  der  dargestellten  scenen  oft  schlagender  erhellt 
als  durch  manch  gesprochenes  zeitgenössische  urteil ;  schon  reich- 
tum  oder  dürftigkeit,  anmut  oder  strenge  der  äufsern  ausstattung 
lassen  auf  exclusive  oder  allgemeine  beliebtheit,  auf  die  beteiligung 
höherer  und  niederer  kreise  schliefsen.  man  halte  nur  den  bilder- 
schmuck vieler  deutscher  dichtungen  des  16  jhs.,  die  feierliche 
eleganz  der  deutschen  renaissancepoeten  des  17  jhs.  neben  die 
sparsame  schmucklose  gestalt  der  meisten  gleichzeitigen  lateiner: 
vor  der  reformation  existierte  dieser  unterschied  nicht,  oder  man 
vergleiche  die  prachtrüstung  der  sog.  Volksbücher  im  15  und  be- 
ginnenden 16  jh.  mit  ihren  nachfolgern  im  17  und  18.  wer  die 
salonfähige  Zierlichkeit  Amsterdamer  drucke  von  Opitz  und  Zesen, 
den  monumentalen  pomp  etwa  des  Heraus  neben  die  Grefflinger, 
Schoch,  Schwieger  uä.  hält,  sieht  alsbald  den  unterschied  der 
leser;   wie  man   im  17  jh.   trotz  einigen  ausnahmen  den  prosa- 


6  KÖNNECKE    BILDERATLAS 

romao  tief  uoter  die  dichtung  stellte,  springt  alsbald  in  die  augeo, 
wenn  man  das  äufsere  der  bücber  an  einander  misst.  und  schon 
das  format  erzählt  gescbicbte.  zur  psychologie  des  publicums  — 
und  sie  bildet  einen  wichtigen  teil  der  litteraturgescbichte  —  gibt 
es  kaum  einen  bessern  leitfaden  als  die  bücherausstattung  :  der 
buchhandel  bat  von  jeber  schnell  die  Fühlung  dafür  gehabt,  was 
gefüllt  und  lohnt.  K.  hätte  den  gesichtspunct  bei  seiner  auswahl 
vielleicht  noch  schärfer  im  äuge  behalten  sollen  :  namentlich  von 
den  schlecht  ausgestatteten  büchern  hat  er  aus  begreiflichen  grün- 
den zu  wenig  proben  gegeben  :  das  fruchtbare  momeot  wird  sich 
auch  so  jedem  aufmerksamen  benutzer  des  Bilderatlas  aufdrängen. 

Auch  für  das  mittelalter  war  es  klarer  herausgetreten,  wenn 
K.  seine  handschriftenproben  nicht  in  gar  so  kleinen  fetzen 
uns  zuteilte,  aus  seinen  facsimiles  bekommt  zb.  kein  unbefangener 
leser  einen  eindruck  davon,  welche  rolle  in  mbd.  zeit  die  grofs- 
lormatigen  zwei-  und  dreispaltigen  hss.  spielen,  gibt  doch  K. 
die  spaltenzahl  nicht  einmal  regelmäfsig  anl  viel  besser  eine  voll- 
Seite  der  Vorauer,  der  Ambraser  hs.,  der  grofsen  Heidelberger 
liederhs.  usw.  als  das  halbe  oder  ganze  dutzend  vereinzelter 
Strophen,  deren  buchstabenzeichen  ohne  andeutung  ihres  perga- 
ment-  oder  papiergrundes  randlos  zwischen  andres  geklemmt 
werden,  diese  randlosigkeit  vieler  abbildungen  stört  mich  übrigens 
auch  bei  den  drucken.  K.  liebt  es  sehr,  auch  vignettenlose  titel 
abzubilden,  ist  mit  ihnen  zumal  im  18  jh.  für  meinen  geschmack 
viel  zu  freigebig  (so  bei  Herder  und  Schiller)  :  mindestens  muste 
dafür  gesorgt  sein,  dass  das  format  deutlich  zu  tage  trete,  wozu 
soll  zb.  das  facsimile  des  titeis  der  ersten  Klopstockschen  oden- 
ausgabe  (s.  226)  nutzen?  im  original  würkt  das  stattliche  quari- 
format  mit  seinem  vielen  freien  weifs,  bei  K.s  randloser  repro- 
duction  bleibt  auch  nicht  ein  schatten  von  anschauung  übrig, 
ich  verkenne  gewis  nicht,  dass  hier  die  raumausnutzung,  von  K. 
mit  entsagungsvoller  Virtuosität  geübt,  oft  das  entscheidende  wort 
gesprochen  hat.  aber  ich  würde  eine  Verminderung  der  proben 
gern  in  den  kauf  nehmen,  wenn  ich  dafür  mehr  ganze  selten  er- 
hielte, auch  von  den  hss.  die  einrichtung  zumal  eines  compli- 
cierteren  Werkes  wie  der  Williramschen  parapbrase,  lässt  sich  nun 
einmal  aus  einem  einzelnen  spaltenstück  (s.  19)  in  keiner  weise 
erkennen. 

Den  paläographischen  interessen  kommt  K.s  buch  so  aus- 
gibig entgegen,  wie  der  beschränkte  räum  und  der  Charakter 
des  Werkes  das  gestattete,  gleich  die  gotische  schrift  ist  reich- 
lich vertreten  :  höchstens  dass  von  einem  der  Ambrosiani  eine 
bessere  und  gröfsere  probe  wünschenswert  wäre,  als  Castigliones 
durchzeichnung  sie  gewährt :  man  hat  in  Mailand  ein  paar  blätter 
so  weit  von  der  lat.  Überschrift  gereinigt,  dass  sie  ein  unmittel- 
bar deutliches  bild  des  gotischen  untertextes  hergeben,  die  wich- 
tigsten ahd.  denkmäler  und  schrifttypen  sind,  allerdings  in  etwas 


u 


KÖNNECEE   BILDBRATLAS  7 

ungleicher  ausführung  ^  vorhaDden  :  es  hätte  litterarhistorischeo 
wert,  weao  beim  Muspilli  die  gaoze  seile  der  hs.,  oicht  our  die 
deutsche  randschrift  iDilgeteiit  wäre;  ich  vermisse  ferner  eiae  probe 
voa  ahd.  interliaearglossen  aad  ein  oeumierles  stück,  Petnisiied, 
Raodperls  gesaog  oder  wenigstens  Melker  Marienlied  :  wie  ich  denn 
aych  weiterhin  notenproben  aus  der  Jenaer  liederhs.,  aus  dem 
%Ticbtigen  Kolmarer  meistersingerbuche  entbehre,  die  lateinischeD 
deokmaler,  die  yom  10  bis  ins  13  jh.  eine  lücke  der  deutschen 
liiieralur  Tüllen,  sind  nicht  vergessen  :  nur  mOcht  ich  für  eine 
probe  der  Cambridger  iieder  ein  gutes  wort  einlegen  und  sähe 
deo  Karlsroher  Waltliarius  gerne  durch  den  Brüsseler  ersetzt.  — 
hei  dem  wert,  den  K.  auf  die  originalschrift  der  dichter  legt, 
wuodert  es  mich,  dass  er  den  berühmten  autograph  verschmäht 
hat,  der  zugleich  Notkers  des  Deutschen  und  Eckehards  i?  band 
ueben  einander  zeigt  (facsimile  M.  SS.  ii,  taf.  zu  s.  101).  —  für 
die  zeit  vom  11  bis  ins  13  jh.  hinein  hätt  ich  manche  wünsche. 
aber  die  paläographie  der  deutschen  hss.  dieser  zeit  verdiente  ein- 
mal eine  sonderpublication  :  es  kann  nicht  aufgäbe  des  Bilderatlas 
sein ,  das  klaffende  vacuum  in  unsern  paläographischen  hilfs- 
mittein  zu  füllen.  K.  hat  die  Vorauer,  die  Millstädter,  die  Gör- 
liizer  Ava-lis.,  das  Heidelberger  Rolandslied,  den  Casseler  Reinhard 
ua.  berücksichtigt  :  immerhin  sei  ihm  dies  und  jenes  einzelne 
stock  der  Übergangszeit,  etwa  der  Strafsburger  Ezzo  oder  Noker, 
der  Merigarto,  der  Arnsteiner  leich,  das  mittelfränk.  legendär,  der 
graf  Rudolf  noch  zur  erwägung  empfohlen. 

Mit  besondrer  Vorliebe  verweilt  der  Bilderatlas  bei  der  eigent- 
lichen mhd.  blütezeit;  es  fehlt  da  nicht  einmal  an  unbekannten 
stücken,  der  wonne  des  Sammlers,  ein  sehr  glücklicher  gedauke 
war  es,  bei  einem  so  vielgelesnen  gedieht  wie  dem  Nibelungenlied 
einmal  proben  aller  hss.  zu  geben  :  ich  hätte  nur  auch  sie  wider 
grofser  gewünscht  und  dafür  auf  die  facsimiles  derselben  hss.  bei 
der  Klage  gern  verzichtet,  die  möglichst  genau  abschätzenden 
datirungen  des  umsichtigen  haudschriftenkenners  geben  jenen 
proben  noch  einen  weitern  wert :  nicht  alles  freilich  leuchtet  mir 
ein  :  dass  zb.  das  Linzer  Nibelungenfragment  H  erst  aus  dem 
2  drittel  des  14  jhs.  stammen  soll,  will  mir  gar  nicht  in  den 
sinn,  auch  den  führenden  kunstepikern,  den  wichtigsten  minne- 
liedersammlungen  geschieht  ihr  recht  :  höchstens  wünscht  ich  eine 
probe  aus  der  Würzburger  hs.,  dem  berühmten  hausbuch  Michaels 
de  Leone^  das  durch  das  Stückchen  aus  Michaels  Rennerhs.  (s.  75) 
nicht  befriedigend  ersetzt  wird,  diese  grofsen  haus-  und  sammel- 
hOcher,  anthologien  des  lesenswertesten,  sind  für  das  ausgdinde 
mittelalter  so  charakteristisch,  dass  das  eine  oder  andre  K.s  auf- 

^  die  deckende  falte  auf  der  2  seite  des  Hildebrandsliedes  stört  am 
so  mehr,  als  K.  in  der  2  ausgäbe  WGrimms  facsimile  der  unleserlichen  worte 
fortgelassen  hat :  bei  Enneccerus  ist  es  gelungnen ,  die  falte  in  der  nachbil- 
dang  fast  unschädlich  zu  machen. 


8  KÖNNECKE   BILDERATLAS 

merksamkeit  verdient  hitUe  :  ich  erinnere  nur  an  Dovellen-  ud(I 
legendensammluDgen  wie  die  Kalocsaer  und  ihre  verwanten,  an 
die  hss.  Teichnerscher  und  andrer  lehrgedichte,  noch  an  die  Holl- 
sche  bs.  :  grade  diese  dickleibigen  wälzer  machen  die  gesteigerte 
leselust  höchst  anschaulich,  die  seit  dem  14  jb.  in  mode  kommt 
und  sich  weiter  ausprägt  in  den  immer  billigeren,  schlecht  ge- 
schriebnen  und  schlecht  gemalten  papierhss.,  vor  denen  das  sorg- 
fdltig  behandelte  teure  pergament  schnell  zurückweicht,  wenig  hat 
K.  die  geistliche  prosa  (meister  Eckart),  gar  nicht  die  mnd.  litteratur 
herangezogen;  auch  eine  probe  der  deutschordensdichtung  wäre 
willkommen  gewesen,  es  ist  merklich,  dass  K.  sich  für  die  aus- 
läüfer  der  mhd.  dichtung  im  späten  13  und  im  14  jh.  sehr  viel 
minder  interessiert  als  für  ihre  höhe. 

Mir  trat  das  auch  in  der  auswahl  der  handschritt  Illu- 
strationen entgegen,  für  die  frühzeit  und  die  guten  tage  mhd. 
dichtung  ist  widerum  wohl  gesorgt :  dass  die  schon  mehrfach  repro- 
ducierten  bilder  der  Wiener  Otfridhs.  fehlen,  ist  kein  unglOck; 
es  fällt  mir  immerhin  auf,  dass  K.  sich  den  schönen  Berliner 
Wernher  hat  entgehn  lassen,  von  dessen  maiereien  jetzt  Vogt  eine 
probe  mitteilt,  stärker  schon  empfiud  ich  die  lücke,  wenn  K. 
sich  für  die  viel  gelesnen  und  illustrierten  ritterromane  der  epi- 
gonen  mit  den  Runkelsteiner  fresken  und  einem  farbig  nach- 
gebildeten flandrischen  teppich  begnügt :  bilder  aus  dem  Leidner 
Wigalois  zb.,  dessen  pracht  mir  Edw.  Schröder  jüngst  noch  ge- 
rühmt hat,  aus  dem  Casseler  Wilhelm  vOrlens,  dem  hannoverschen 
Wilhelm  vWenden  wären  mir  daneben  lieb  gewesen,  weil  sie 
directere  Zeugnisse  litterarischen  lebens  sind,  und  ein  mangel 
gradezu  ist  es,  dass  K.  die  illustrierten  weltchroniken  bei  seite 
lässt  :  es  ist  schlechthin  üblich  gewesen,  die  weltchronik  in  bilder- 
schmuck zu  kleiden  :  noch  über  die  zahlreichen  erhaltnen  bilder- 
chroniken  hinaus  zeugen  für  den  geschmack  des  publicums  die 
in  bildlosen  hss.  für  bilder  frei  gelassnen  stellen  (schon  in  hss. 
der  Kaiserchronik,  der  Steir.  reimchronik  usw.) :  Murner  folgte 
in  seinen  Sabellicusbildern  geprägter  tradition.  für  das  geschichts- 
werk  Rudolfs  vEms  konnte  etwa  Cassel,  für  die  Sächsische  welt- 
chronik Berlin  geeignete  bilderproben  hergeben,  auch  bei  Boner 
und  namentlich  bei  Mandeville,  dem  vertreten  der  gleichfalls 
häufigst  illustrierten  reisebeschreibungen ,  hätt  ich  heber  hand- 
schriftliche bilder  als  holzschnitte  gehabt :  ich  verweise  zb.  auf  den 
Basler  Boner,  auf  den  Stuttgarter  cod.  poet.  fol.  N  4,  der  neben 
einem  deutschen  Mandeville  auch  Wissenheres  gedieht  von  Heinrich 
dem  Löwen  illustriert  enthält,  von  den  in  rechtshss.  üblichen  bildern 
gibt  K.  karge  beispiele.  ständige  illustrationsserien  pflegen  ferner 
die  Schachgedichte  zu  bringen,  auch  der  totentanz  hätte  eine  probe 
verdient  :  hübsche  federzeichnungen  sah  ich  in  der  Münchner 
hs.  Clm.  3941,  die  einen  in  verschiedner  hinsieht  interessanten 
deutschen  totentanz  birgt,  über  den  ich  bald  einmal  zu  handeln 


KÖMNECKE   BILDERATLAS  9 

hoffe,  der  überquellende  bilderreichtum ,  der  sofort  mit  dem 
drucke  zu  tage  Iritt  uod  da  auch  bei  K.  uns  veranschaulichl  wird, 
bat  schon  die  bss.  des  15  jbs.  in  ähnlicher  weise  belebt :  auch 
eigeotlicbe  bildergedichte,  wie  sie  der  druck  des  16  jbs.  so  liebt, 
sind  dem  mittelalter  keineswegs  mehr  fremd  gewesen,  der  bolz- 
schnitt  trat  unmittelbar  das  reiche  erbe  der  fabrikmäfsigen  colo- 
Herten  handschriftenbilder  an  und  trägt  die  nachwürkungen  der 
herkunfl  noch  eine  ganze  weile  zur  schau  in  der  neigung  zu 
naGhträglichem  austuschen  (so  in  frühen  bibeldrucken,  im  Theuer- 
dank  usw.).  ich  sähe  diese  wichtige ,  spätmittelalterliche  band- 
scbriftenillustration  bei  K.  gern  etwas  reicher,  am  besten  auch 
Id   ein  paar  farbigen  proben  uns  vorgeführt. 

Den  glanzpunct  des  Bilderatlas  bilden  die  drucke  des  aus- 
gehndeo    15   und    16  jbs. :  romane  und  Volksbücher  hohem  und 
tiefern  ranges,   fliegende  blätter,  bilderbogen  und  bildergedichte, 
flugscbriften,  Zeitungen,  historische  und  andre  neue  lieder.  Geiler, 
Brant  und  Murner,  Luther,  Hans  Sachs,  Wickram,  Fischart,  alles 
reich    und   gut  vertreten.    Muthers   stofTreiches   werk    hatte  hier 
freilich    die  wege   bereitet,     aber  K.  weifs   auch   eigne   pfade  zu 
findeiu     alle   billigen   wünsche   werden    befriedigt,     in   der  reihe 
der   ▼olksbücher  sähe  ich  gern  noch  den  'Bruder  Rausch',    neben 
dem    gedruckten  Theuerdank,  dessen  holzschnitte  auch  den  spätem 
ausgaben  des  romans  von  Pontus  und  Sidonia  (so  1548)  zu  gute 
kamen,  durften  die  für  die  entstehungsgeschichte  so  entscheidenden 
Wiener   bss.  berücksichtigt  werden  :  handelt  es  sich  da  doch  um 
ein    wichtiges  stilistisches   und   metrisches   phänomen.     vielleicht 
fände  sich  ferner  noch  platz  für  eine  Manuelsche  Zeichnung,  etwa 
zu    dem   spiele   von  papsts    und   Christi   gegensatz.     auch    sonst 
boten  —  und   damit   stofs  ich   auf  eine   fühlbare  schwäche  der 
K.scben  auswahl  —  die  massen  der  reformationsstreitschriflen,  die 
K.  kaum  berücksichtigt,  das  schönste  material  an  charakteristischen 
darstelluDgen.   ich  denke  etwa,  um  rein  beim  poetischen  zu  bleiben, 
an    Mychael   Styfels  vEsslingen   gedieht   'Von    der   christfOrmigen 
leer  Luthers' :  darin  ein  Lutherbild  mit  heiligeuschein  und  nieder 
schwebender  taube,     im  contrast  dazu  vielleicht  die  carricatur  in 
Emsers  versen   *Der  Bock  tritt  frey  auff  disen  Plan'  (1525),    wo 
Luther   als  schnauzbärtiger  roher  kriegsmann  figuriert,   dem  ein 
geflügeltes   teufelchen   ins  ohr  flüstert :  Emser   sollte   so   wie  so 
nicht   ganz   fehlen,     oder  Hans  Heinrich  Freiermuts  ^Triumphus 
Veritatis',   der  im   hauptbild  den  üblichen  renaissancetriumphzug 
darstellt  :  Salvator  auf  dem  prunkwagen,  den  Carlstat  kutschiert, 
Luther   palmenschwingend   begleitet;   während   auf  dem  titelblatt 
Gott  den  papst  in  den  abgrund  stürzt,     der  holzschnitt  bildet  da 
Oberall   eine   kräftige  stütze  der  polemik,   das  sinnlich  geschaute 
hilft   den  sinnlichen  menschen  des  16  jbs.  überzeugen,     so  ver- 
stärken teufelsfratzen  denn  auch  gerne  die  grotesken  mahnungeu 
der   teufellitteratur,   die   bei   K.   nicht   begegnet,     auch   aus   der 


10  KÖ?INECKE    BILDER  ATLAS 

Wappen-,  pritschmeisler-  und  heroldsdichlung  fand  ich  bei  ihm 
gerne  diesen  und  jenen  beleg  :  die  verbreitele  gattuag  wurzelt 
übrigens  mit  ihren  bildern  ebenfalls  schon  in  der  mittelalter- 
lichen handschriftenillustratioo.  die  neulaleiner,  die  zahllosen 
gesanghücher  und  deutschen  psalter  zeigen,  dürftig  ausgestattet, 
selten  etwas  typographisch  oder  illustrativ  bemerkenswertes:  immer- 
hin kamen  illustrierte  Encomia  urbium,  kam  der  psalter  des  Me- 
lissus,  die  hohen  schmalen  gesangbuchformate  des  17  jhs.,  die 
eleganten  mystischen  stiebe  der  Sudermannschen  ^Hohen  geist- 
reichen lehren'  (Frankf.  1622)  uä.  in  betracht. 

Vom  17  jh.  an  gewinnen,  bei  K.  die  porträts  ein  wachsendes 
übergewicht  über  die  druck-  und  illustrationsproben.  die  emble- 
matisch  und  allegorisch  reich  stilisierten  titelbilder  des  17  jhs. 
bringt  der  Bilderatlas  in  fülle;  gewünscht  hätt  ich  etwa  eine 
probe  aus  Harsdörffers  Frauenzimmergesprächspielen,  von  des  He- 
raus monumentaler  würde  und  dies  und  das  aus  den  zt  recht 
apart  ausgestatteten  Zesenschen  büchern  :  namentlich  vermiss  ich 
ganz  die  eleganten  Amsterdamer  drucke,  für  die  wichtige  emble- 
matische  poesie  durfte  etwa  Zinkgref-GrefTlingers  werk  eintreten, 
der  westphälische  friede  hat  allerlei  festgedichte  gezeitigt,  die 
durch  Clais  Irene  mit  ihren  prunkenden  festbiidero  repräsentiert 
werden  mochten,  für  das  epos  sei  Hohenbergs  illustrierter  Ottobert 
;;enannt.  die  minder  vornehme  unterhaltungslitteratur  in  versen 
(zb.  die  Geharnischte  venus,  der  Unhöfliche  monsieur  Klotz,  der 
Deutschfranzos  mit  seinen  scberzbildern,  die  gesellschaftslieder)  und 
roman  (aventuriergeschichten,  robinsonaden,  schwankbücher)  sollte 
stärker  zur  geltung  kommen  i.  aber  dem  vorhersehenden  orna- 
mentalen und  architektonischen  kupferstich  niederländischen  ge- 
schmacks  wird  K.s  aus  wähl  unzweifelhaft  trefflich  gerecht,  und 
sie  greift  immerhin  weiter. 

Mit  dem  18  jh.  fangen  die  titel  mehr  und  mehr  an,  ihren 
prachtvoll  umrahmenden  decorativ-malerischen  bildschmuck  zu  ver- 
lieren ;  mehr  und  mehr  gehts  auf  eine  rococovignette  zurück  oder 
selbst  die  fehlt,  so  hätt  ich  viele  der  von  K.  mitgeteilten  titel- 
blätter  gern  entbehrt :  die  armut  braucht  nicht  massenhafte  belege, 
doch  verdiente  das  Vorbild  des  Wandsbecker  boten  mit  seiner  be- 
ziehung  auf  Werthers  leiden  wol  die  aufnähme.  —  was  die  innen- 
illustration  betrifft,  so  zeigt  K.  eine  liebenswürdige,  aber  ailzu- 
einseilige  verliebe  für  Chodowiecki :  Geliert,  Gleim,  Lessing,  Nicolai, 
Jung-Stilling,  Rousseau,  Bürger,  Voss,  Miller,  Iffland,  Pestalozzi, 
Weifse,  Hermes,  Hippel,  Blumauer,  selbst  Goethe  und  Schiller 
wird  uns  durch  Chodowiecki  illustriert,  der  doch  mindestens  bei 
Hermann  und  Dorothea  schon  wie  ein  grober  anachronismus 
würkt,  während  er  allerdings  der  rechte  mann  war  für  den  Auf- 
kläreralmanach,  für  die  populär  berlinische  auffassung  Friedrichs 

^  auch  aus  Christ.  Reuters  dramen  La  maladie  et  la  mort  und  nament- 
lich  Graf  Ehren fried  liersen  sich  geeignete  bilder  gröberen  Schnitts  gewinnen. 


KÖNNECKE    BILDERATLAS  11 

des    Grofeen,   Für  Schmidt -WeroeucbeDS  rOlirendes  behagen   im 
engeo,  für  die  Musen  und  grazieo  in  der  Hark  :  grade  diese  tyfyen 
Chodowieckischen  geistes  durften  stärker  hervortreten,     sonst  aber 
ward  ich  mehr  Wechsel  empfehlen,    die  erste  aufläge  brachte  bei 
Geliert  noch  JHMeils  Grünen  esel :  in  der  zweiten  ist  auch  er  dem 
alleioberscher  gewichen,   und  Gellerts  dritter  illustrator,  der  glück- 
liche zeichDer  und  radierer  BRode,  ist,  so  viel  ich  sah,  im  Bilder- 
atlas Dur  bei  Bamler  vertreten,  wo  er  denn  freilich  in  dem  bilde 
RaiDlers  mit  der  muse  ein  reizendes  Stückchen  blutiger,  wenn  auch 
oogewollter  carricatur  geliefert  hat.     Bolt  und  Lips  tauchen  auf, 
verfaaltoismäfsig  selten,     und   zu  Wieland  gehörte  Oeser,   in  der 
widergabe  seines  Schwiegersohns  und  hauptstechers  Geyser,  ganz  un- 
umgänglich,   zwar  mit  Oesers  Zeichnungen  zum  Neuen  Amadis  war 
der  dichter,  so  hübsch  sie  sind,  nicht  zufriedeu.   um  so  einiger  war 
alle  weit  darin,  dass  die  'grazien,  wie  Wieland  sie  schreibt  undOeser 
sie  zeichnet',  in  liebreizender  harmonie  zusammenstimmten,   und  das 
litelblatt  der  Grazien  von  1770  empfahl  sich  für  den  Bilderatias 
iinn   so  dringender,  als  es  vielleicht  das  älteste  publicierte  porträt 
Wielaods  enthält  ^.    wessen  medaillon  wenigstens  sollte  die  hintere 
^razie  sonst  hocbhalien?  die  dargestellte  scene  (s.  75  0  gibt  keinen 
aohalt,    und   es  ist  um  so  wahrscheinlicher,   dass  Oeser  da  dem 
vater  der  Musarion  ein  zierliches  compliment  erwies,  als  sich  die 
beiden  eben  juni  1770  in  Leipzig  kennen  gelernt  hatten,    eben- 
dort   liefs  sich  Wieland  in  miniatur  malen  (Ausgew.  briefe  u  379), 
vielleicht  von  Oesers  schüler  Füger;   mir  scheint  die  ähnlichkeit 
des  Oeserschen  medaillons  mit  dem  erst  1773  publicierten  porträt 
FOgers  (Würtembg.  vierteljahrshefte  f.  landesgesch.  2,  4)  frappant, 
sowie  man  sich  die  perrUcke  fortdenkt,  die  in  dem  antikisierenden 
medaillon  nicht  angieng.  —  und  Füger  wünschte  ich  noch  einmal 
im  Bilderatlas  zu  haben  :  wurden  Rambergs  Zeichnungen  zu  den 
Abderiten  aufgenommen,  so   sollte  eins  der  schönen  Fttgerschen 
Messiasbilder  aus  der  parallelen  GOschenschen  Prachtausgabe  Klop- 
Stocks  nicht  fehlen,     die  Matthissonillustration  pflegt  dem  poeten 
iostnictiv  gemäfs  zu  sein,    auch  die  bilder  der  uuendlich  gelesenen 
ritter-,  rauher  -und  geistergeschichten  und  -dramen  sollten  noch  das 
eine  oder  andre  abschreckende  beispiel  liefern  :  die  einzige  probe  aus 
Spiefs  (K.  s.  328)  ist  ja  in  ihrer  art  grell  genug  und  der  Sternen- 
himmel, der  nahe  kirchhof,  das  gerippe  recht  stilvoll :  aber  doch, 
ohne  ritter  in  costüm,  ohne  wollüstigen  pfaflen,  grade  noch  gerettete 
Jungfrauen,  einen  echten  geist  ists  nicht  das  wahre  :  ich  empfehle 
etwa  die  Vignette  zum  zweiten  bände  des  Uasper  a  Spada  :  kerker, 
zwei  gepanzerte,  ein  wahnsinniges  weib  auf  stroh,  ein  gerippe  im 
hinter^runde,  und  dazu  die  Unterschrift :  Das  ist  meine  Mutter! 
und  das  ihr  Schänder!    wem  läuft  es  da  nicht  kalt  über  den  rücken  ? 
Mit  dem   19  jh.   nehmen   porträts    und   namenzüge    bei  K. 

'  es  ist  natürlich   druck-  oder  Schreibfehler,  dass  K.  s.  272   Goethes 
zeichuoog  voa  Wielaod  auf  1762  datiert :  richtig  war  1776. 


12  KONNECKE   BILDERATLAS 

der  Illustration  jeden  räum,  auch  m  titelbilde  sind,  abgesehen 
von  Goethe  und  Schiller,  nur  noch  die  Kinder-  und  hausmärcben 
vertreten;  selbst  des  knaben  wunderhorn  bekommen  wir  nicht 
leibhaflig  zu  sehen,  schade,  bitter  schade  schon  für  Brentano,  der 
sinn  hatte  für  hübsche  und  drastisch  würksame  titelblätter,  dem 
obendrein  an  Steinle  ein  congenialer  illustrator  zur  seile  trat,  wie 
vortrefflich  kennzeichnen  ferner  etwa  FrTiecks  Zeichnungen  zu 
vdHagens  Heldenliedern  jene  romantische  aufTassung  des  roittel- 
alters,  wie  sie  Fouque  gewis  für  eine  wissenschaftliche  errungen- 
schaft  hielt,  grade  das  19  jh.  hat  zunächst  seine  besten  in  den 
dienst  der  dichterillustration  gestellt :  wer  hat  sich  nicht  am  Faust 
versucht  von  Carstens  und  Cornelius  an;  für  die  Düsseldorfer  war 
die  gleichzeitige  dichtung  lange  die  fundgrube  ihrer  besten  Stoffe; 
sie  haben  den  würkungen  der  poesie  redlich  geholfen,  es  wäre 
hübsch,  wenn  davon  auch  bei  K.  etwas  durchschimmerte  :  da  be- 
stehn  geistige  zusammenhänge,  die  für  uns  nachlebende  zu  er- 
kenntnisquellen werden,  allermindestens  aber  wird  künftig  im 
Bilderatlas  zu  tage  treten  müssen,  wie  Ramberg  höchst  unwürdig 
Chodowieckis  erbe  antrat,  schonungslos  und  geistlos  alles  ver- 
illustrierend  und  doch  die  lust  seines  publicums  :  auch  VHSchnorr 
von  Carolsfeld,  Opitz,  der  illustrator  der  Bezauberten  rose  gehören 
in  diese  Sphäre,  und  die  süfsen,  allzusüfsen  frauenköpfchen  der 
Vergissmeinnichte,  Rosen  und  wie  die  almanache  alle  heifsen, 
braucht  es  notwendig,  um  ganz  zu  erkennen,  was  dem  leser  der 
zwanziger  und  dreifsiger  jähre  wol  gefiel,  'leser,  wie  gefällst  du 
mir?'  ich  widerhol  es,  die  gleichzeitige  dichterillustration  ist  ein  un- 
schätzbares hilfsmittel  zur  historischen  erkenntnis  des  publicums, 
und  es  verdient  vollen  dank,  dass  K.  das  thema  wenigstens  an- 
gebrochen hat :  hoffentlich  erleben  wir  einmal  eine  geschichte  der 
bücherillustration,  die,  nicht  auf  die  technisch-bibliographische 
erörterung  einer  kurzen  periode  beschränkt,  den  litterarhistorischen 
ertrag  des  ihemas  in  vollen  garben  einzuheimsen  versteht  i. 

Auch  die  ideale  maske,  die  der  dichter  gern  einmal  an- 
zulegen liebt,  wechselnd  mit  zeit  und  geschmack,  lugt  in  den 
titelbildern  oft  hervor  :  dem  neuen  prunk  des  gekrönten  poeten 
tritt  zu  ende  des  15  jhs.  der  narr  und  schelm  gegenüber;  der 
harfende  Judenkönig  schmückt  gern  die  modernen  geistlichen 
psalter  des  16  und  17  saeculums  und  hat  bekanntlich  auch  unter 
den  meistersingerischen  emblemen  einen  ehrenplatz  gefunden;  im 
17  kommen  weiter  gott  Pan  mit  seiner  flöte  und  die  schäfer,  dann 
die  Satyrn  an  die  reihe;  hier  und  da  folgt  Anakreon  und  Tyrtäus, 
aber  auch  die  ungezählten  amoretten,  die  seit  der  anakreontik  zu- 
mal auf  den  titeln  herumflattern,  fügen  sich  in  diesen  Zusammen- 
hang; ein  leuchtendes  beispiel  endlich  sind  die  barden.    auch  diese 

^  die  flüchtigen  bemerkungen  Wilkowskis  (Zs.  f.  bücherfreunde  l,401fl) 
können  naturlich  auch  uicht  als  der  bescheidenste  ansatz  zur  lösung  der 
aufgäbe  gelten,  die  mir  vorschwebt. 


K0?(N£GKE    BILDERATLAS  13 

wandlungeD  yeraaschaulicht  K.  meist,    aber  der  'christliche  ritter' 
(zb.  vor  RiDgwalts  Teutscher  Wahrheit)  gehört  auch  io  dies  ca- 
pitel,  und  ich  yermisse  entschieden  den  wunderlichen,   aber  für 
die    deutschtümelei    der  Nürnberger  bezeichnenden    altdeutschen 
'Witdod',  der,  von  UarsdörfTerschen  versen  erklärt,  vor  Clais  Lob- 
rede  der  teutschen  poeterey  abgebildet  ist.     ich  moniere  ferner 
Heils   kupfer  zu  Gleims  Grenadierliedern;    nicht  nur  der  barde 
Ossian,  auch  der  barde  Kretschmaun-Rhingulph  (Lpz.  1769)  war 
UDS  yorzustellen ;  das  titelbild  zu  den  'Romanzen  der  Deutschen' 
(Lpz.  1774)  lehrt  drastischer  als  worte,  wie  sich  Gleim  und  con- 
sorteo,  auch  wol  noch  Bürger,  den  echten  volkstümlichen  romanzen- 
Sänger  dachten  (vgl.  auch  Klenze  Kom.  romanzen  s.  11);  aus  dem 
Rafaelkopf  der  Wackenroderschen  Herzensergiefsungen  sprechen 
die   idealen    träume   des  kunstliebenden   klosterbruders    mit    der 
schwärmerischen  inbrunst  ihres  autors.    das  realistische  bild  einer 
meistersingersitzung,   das  K.  s.  152  aus  einer  Hagerschen  (nicht 
^Hagert'schen)  hs.  bringt,  wird  prächtig  ergänzt  durch  die  beiden 
jetzt    verlorenen   idealgemälde    aus    dem  besitz   der    Strafsburger 
siogschule,   von  denen  uns  Lobstein  zum  glück  abbildungen  er- 
halten hat  (Martin  Die  meistersänger  von  Strafsburg,  Strafsb.  1882) : 
das    eine   zeigt  uns   die  12  alten  meister  im  kreise,    zumeist  in 
bürgerlicher  tracht  (in  ritterlichem  waffenschmuck  nur  Walther), 
io  ihrer  mitte  die  biblischen  dichter  David  und  Salomo,  über  ihnen 
die  accompagnierenden  himmlischen  heerschaaren ;  das  andre  führt 
uns   in  das  rund  der  würklichen  Strafsburger  Sänger,  im  hinter- 
gruode  ihre  Stadt,  unverkennbar  dank  dem  münster  :  aber  auch 
roitteo    in  diesem  realeren  mittelstück  zwei   schwane  im  weiher, 
Sinnbilder  des  gesangs,  und  drüber  wider  der  himmel  offen,  den 
hier   ein  orchesier  harfender  könige  im  purpur  bevölkert,  unten 
der    tiere   bezähmende  Orpheus ^     ich   rühre  die  saite   nur  an: 
gerade  beim  künstler  sind  derartig  idealisierende  bilder  vielleicht 
lehrreicher  als  bare  würklichkeit. 

Im  gründe  gehören  auch  die  bilder  der  minne- 
liederbss.  in  diesen  kreis  oder  in  den  kreis  der  gedicht- 
iilüstration.  porträts  sucht  da  niemand;  hie  und  da  sind  scenen 
aus  den  liedern  dargestellt,  sehr  selten  aus  der  realen,  geschicht- 
lich bezeugten  biographie  der  dichter  :  im  ganzen  tritt  uns  ein 
verschöntes  und  stilisiertes  idealbild  ritterlichen  und  gesellschaft- 
lichen lebens  entgegen,  wie  es  sich  dem  maier  aus  der  poesie 
ergab,  aus  epos  und  lyrik  :  gewis  ebenso  gut  dichtung  als  wahr- 
heil  (vgl.  nur  Jac.  vWarte,  Kraus  nr  20);  ein  Jahrhundert  hatte  ge- 
nügt, um  die  hohe  biüte  ritterlicher  kunst  in  die  befreiende  ideale 
ferne  zu  rücken,  immerhin  hatte  der  maier  mit  der  technik 
dieser    dichtung    noch   fühlung  genug,    um   uns   über  manches 

^  Tgl.  auch  dea  ätiDlich  symbolisiereDden  Iglauer  postenbriefJoh. Waid- 
hofers,  den  schon  vWolfskroD  im  7  bde  d.  Schriften  der  bist.  slat.  sect.  d.  mähr. 
geseUsch.  (Brunn  1854)  publicierte  and  jetzt  auch  Nagl-Zeidler  s.  520  f  mitteilen«« 


14  KÖ?(^ECKE    BlLDEaATLAS 

nufsere  ao  der  poetischen  praxis  der  minDesinger  aufzukläreD. 
K.  hat  die  hilder  aus  C,  die  er  teils  io  grofsen  schönen  farben- 
biättern  ^ ,  teils ,  und  das  meist ,  nach  stark  verkleinerten  Photo- 
graphien bietet,  anscheinend  nach  dem  berühmten  namen  aus- 
gewählt :  aber  reich  genug,  um  auch  so  gewisse  Stadien  der  ent- 
dtebuogsgeschichte  eines  gedichts  zu  veranschaulichen,  so  dictiert 
Reinmar  vZweter  (K.  s.  66)  ins  concept,  dh.  auf  die  zusammen- 
klappbare wachstafel,  in  der  fehler  noch  durch  auslöschen  be- 
hebig zu  beseitigen  waren;  Gottfried  vStrafsburg  (K.  s.  57)  list 
aus  dem  diptychon  vor,  Heinrich  vMorungen  (K.  s.  55;  vgl.  auch 
B  Pfeiffer  s.  89)  Uberlifl  in  ihm  wol  das  fertige  stUck  (ebenso 
Gliers  Kraus  nr  28).  die  Übertragung  von  der  wachstafel  in  die 
reinschrift,  auf  das  teure  pergament  mag  Reinmars  vZweter 
schreiberin  neben  dem  Schreiber  andeuten;  ein  dictat  direct  auf 
pergament  scheint  Bligger  vSteinach  zu  zeigen  (Kraus  nr  58,  fehlt 
bei  K.).  dass  man  auf  den  langen  pergamentstreifen  der  länge  nach, 
nicht  quer  schrieb,  erhellt,  deutlicher  als  hier  und  als  Kr.  nr  123, 
aus  dem  bilde  Eberhards  vSax  in  C  (Kraus  nr  21),  das  K.  künftig  auf- 
nehmen sollte,  diese  langen  streifen  sind  in  C  und  noch  fester  in  B 
die  typischen  begleiter  der  dichtenden,  nachdenkenden,  vorlesenden, 
huldigenden  Sänger  (vgl.  im  Bilderatlas  Reinmar  den  alten  s.  29^ 
Neifen  s.  67) ;  gleich  kaiser  Heinrich  ist  in  BC  so  als  dichter 
gekennzeichnet;  Hausen  führt  solchen  streifen  in  B  auf  der  kreuz- 
fahrt  bei  sich  (K.  s.  30),  Walther  in  C  auf  seinem  steine  usw.; 
Veldeke  handhabt  ihn  in  B  unter  dem  vOgel durchflatterten  bäume 
(K.  s.  53).  dies  letzte  bild  ist  auch  darum  so  interessant,  weil 
es  zu  beweisen  scheint,  dass  der  streifen  an  einem  stab  befestigt 
wurde,  wol  um  ihn  herum  zu  rollen,  solche  Stäbe  sind  in  C 
nirgend  deutlich;  in  B  aber  auch  bei  Bligger  (Pfeiffer  s.  31)  und 
namentlich  bei  Dietmar  von  Aisi  (Pf.  s.  33),  der  obendrein  einen 
umrollten  slab  in  der  andern  band  trägt  und  mit  einem  kOrbchen 
voll  solcher  zusammengewickelten  schriftrollen  durchs  land  zieht^ 
ein  wichtiges  abbild  des  fahrenden,  der  ein  kleines  repertoir  mit 
sich  führt  :  K.  s.  28  bringt  Dietmars  bild  leider  aus  C,  wo,  bei 
unzweifelhafter  grundverwantschaft,  das  in  B  rein  erhaltene  Ur- 
bild misverstanden  und  Dietmar  zu  einem  krämer  gemacht  wird: 
das  korbchen  mit  den  schriftrollen  ist  aber  auch  da  gerade  noch 
erkennbar  geblieben,  die  geringe  höhe  der  streifen  bei  unge- 
heurer breite  wird  auf  den  bildern  stark  übertrieben  sein,  eine 
art  parallele  gewährt  immerhin  das  briefformat  der  zeit :  was  ich 
von  ältesten  deutschen  briefen  in  den  originalen  aus  dem  Düssel- 

^  das  bild  Neidharts  steht  technisch  kaum  zurück  hinter  der  ent- 
sprechenden farbentafel,  die  Schönbach  im  1  bände  der  'Geschichte  der 
Stadt  Wien*  (Wien  1897)  publiciert  hat.  ich  mache  aber  auf  das  schöne 
werk  um  so  mehr  aufmerksam,  als  es,  dem  germanisten  zunächst  fernliegend, 
noch  weitere  prächtige  farbenreproductionen  bietet :  Reinmar  den  Alten  und 
Waltber  aus  B,  Ulrich  vLicbtenstein  und  den  Tanobäoser  ans  C  farbige 
nachbildongen  aus  C  bringt  auch  vOechclhäuser  Miniaturen  d«  Heidelb.  bibL  n. 


KÜN^iECKE   BILDEBATLAS  15 

dorfer  archiv   gesehen  habe   (vgl.  SteinbauseD  Privatbriefe  i  2  fl), 

erwies    mir  das    Übergewicht  der   breite   über  die    höhe    gutes- 

teils  greller  als   die  briefprobe  bei  K.  s.  81    und  steht  zt.  kaum 

mefcr  ab  tod  den  gemäfsigtereo  proportioDen,  die  in  den  streiten 

Kilchbergs  (Kraus  nr  12),  Wiotersteitens  (Kraus  nr  36),  Obero- 

burgs   (Kraus  nr  116)  zu  tage   treten,     der  brief,    den  Hadlaub 

(K.  s.  79)  seiner  dame  ans  kleid  heftet,  wird  ein  gefaltetes  perga- 

meotblatt  meinen;  briefe  ähnlichen  kleineren  formats  kommen,  zt. 

^esie^elt  (Kraus  nr  51.  101.  123),  noch  oft  in  C  vor  (Kraus  nr  38. 

52.   66.  88,  an  pfeilen  befestigt  nr  54.  84);  die  Uitigkeit  Rudolfs 

des  Schreibers  (Kr.  nr  123)  zeigt  die  Verwandlung  des  laugen  perga- 

meots  io  den  brief  mit  alier  wünschenswerten  evideuz.     endhch 

fehle  in   den  C-bildern  auch  die  buchform  nicht  ganz,  die  gewis 

nicht   für  das   einzelne   lied,    sondern   höchstens  für  die  lieder- 

sammlüog  in  betracht  kam  :  jenem  entspricht  der  streifen,  dieser 

et^t  das  buch,    doch  Konrad  vWUrzburg  dictiert  (K.  s.  71)  direct 

in  ein  buch,   vielleicht  ein  symbol  des  epikers;   auch  bei  Alram 

vGrefteo  (Kraus  nr  104)  erscheint  die  uns  geläufige  buchform  in 

deo    hünden  eines  liebespaares ,   das  etwa  einen  liebesroman  list; 

der   Schulmeister  von  Esslingen  dociert  natürlich  aus  einem  würk- 

licheo  Schulbuch,  und  Bucheim  (Kr.  nr  91)  führt  das  buch  nur  im 

redenden  wappen.    möglich  also  immerhin,  dass  alle  diese  bücher 

^Di    dem  niinnesang  nichts  zu  tun  haben.  — 

Auf  keinem  gebiete  der  litteraturgeschicbte  ist  die  kenntnis 
des     üufseren,    zuständlichen   wichtiger   und    fruchtbarer   als   für 
drama  und  theater  :  die  bühnenverhältnisse  würken  bei  gesunder 
beziehuDg  des  dicbters  zur  bühne  unmittelbar  auf  die  dramatische 
tecbnik    und   umgekehrt.     K.   hat   mit    recht  namentlich   in  der 
zweiien  aufläge  wertvolles  material  zur  entwicklung  von  bühne  und 
Schauspielkunst  zusammengebracht,    auch  dies  gröstenteils  wider 
aus    der   bucbilJustration,  aber   doch   erheblich   darüber  binaus- 
greifend.    so  verwertet  er  gleich  die  bekannte  Xantener  plastische 
scene  von  der  Verhöhnung  Christi  als  nachwürkung  eines  bttbnen* 
bildes  des  15  jhs.    gewis  mit  recht  I  aber  noch  aufklärender  für 
den    engen   zusammenbang  zwischen  bildender  kunst  und  bühne 
waren  mir  doch  lalelbilder,  wie  sie  Froning  (DNL  14,  338)  uns  aus 
dem  städtischen  museum  zu  Frankfurt  commeniireud  mitteilt,   von 
cosUlnen  und  scenenbildern  des  16  jhs.  geben  einen  guten  be- 
griff die  zahlreichen  bolzscbnitte,  resp«  federzeich nungen,  die  K. 
ans  Gengenbacbs  Goucbmat  (1516),  vor  allem  aber  ans  Rueffscben 
dramen  (1535—45)  aufgeuommen  hat.    dass  hier  mindestens  teil- 
weise abbilder  der   würklichkeit  vorliegen,  wird  für  Rueffs  hsl. 
illostrierten  Weingarten  gestützt  durch  K.s  hübsche  beobachtung,  dass 
(he  frauen  der  Zeichnungen  deutliche  männergesichter  haben,  ent- 
sprechend dem  brauch,  frauenrollen  an  männer  zu  geben,  übrigens 
hai  auch  Rueffs  Schaffhauser  landsmann,  der  bekannte  maier  To- 
hias  Stimmer,  die  liguren  seines  kleinen  ehelustspiels  (1580)  in 


16  KÖIHNECKE    BILDEBATLAS 

die  hs.  IiineingezeichDet,  und  Bächtold  Gesch.  d.  Schweiz.  litt, 
aom.  102  erwähnt  eine  illustrierte  hs.  von  Christ.  Murers  'Ec- 
clesia  Edessaena'.  diese  dramenillustration  geht  indes  nicht  etwa 
von  der  Schweizer  Volksbühne  aus.  sie  scheint  gelehrten  her- 
kommens;  stecken  doch  die  ältesten  in  Deutschland  auftauchen- 
den beispiele  solcher  scenenbilder,  wie  K.  wohl  weifs  (s.  91),  in 
Terenzdrucken ;  dazu  dann,  hauptsächlich  aus  Grüningers  Terenz- 
ausgäbe  (Strafsb.  1496)  bilder  entlehnend,  die  gleichfalls  bei 
Grüninger  gedruckte  'Tragoedia  de  Turcis  et  Soldano'  Lochers  von 
1497.  aus  dem  Ulmer  Terenz  nimmt  K.  ein  bild  auf,  nicht  aus 
dem  Strafsburger  oder  aus  Locher,  offenbar  weil  deren  illustra- 
tionen  ihm  durch  ihre  mittelbare  oder  unmittelbare  franz.  her- 
kunft  verdächtig  waren,  mir  ist  der  nach  K.  benutzte  Lyoner 
Terenz  von  1486  nicht  zugänglich,  indessen  die  humanistische 
schulcomoedie  hat  nun  einmal  etwas  internationales,  das  merk- 
würdige, ein  thealrum  darstellende  titelbild  des  Terenz  von  1496 
(zwei  ränge  mit  Zuschauern  Über  der  bühne)  ist  unter  allen  um- 
ständen kennenswert,  und,  wenn  der  Übersetzer  des  Strafsburger 
Terenz  noch  1499  kaum  an  die  bühne  dachte  (Mitteilungen  f. 
erziehungsgesch.  3,  20),  Lochers  Tragoedia  wurde  im  jähre  ihres 
druckes  würklich  zu  Freiburg  aufgeführt,  das  gibt  ihren  zu- 
sammengestöppelten scenenbildern  doch  ein  gewisses  interesse, 
zumal  da  sie,  aus  schmalen  holzstöcken  combiniert,  eine  cou- 
lissenartige  andeutung  der  scenerie  enthalten  :  so  etwas  konnte 
vorbildlich  würken.  und  in  die  gleiche  humanistisch -gelehrte 
Sphäre  weist  weiter  die  'Comedia  welche  jn  dem  Königklichem 
Säle  tzü  Pareifse  ....  gespylt  worden'  (1524),  der  tendenziöse 
bericht  über  ein  angeblich  vor  dem  französischen  hofe  aufge- 
führtes reformationsspiei ;  es  zeigt  im  druck  die  kleinen  holz- 
schnitte  der  dramatis  personae  Reuchlins  (mit  langem  bartl), 
Erasmi,  Hultens,  Luthers,  des  papstes;  mag  es  mit  der  aufführung 
stehn  wie  es  will,  die  ügürchen  entspringen  doch  der  flction  einer 
scenischen  darstellung,  natürlich  durch  gelehrte  leute^ 

Von  der  meistersingerbühne  haben  wir  leider  nichts  bildliches, 
von  den  englischen  comödianten  sehr  wenig  :  erst  in  der  2  hälfte 
des  17  jhs.  treten  wider  reichere  bühnenbilder  auf  (K.  s.  198. 
200 f).  ich  verweise  K.  noch  auf  das  anschauliche  bildchen  vor 
Claufs  prosaischer  Cidübertragung  (Strafsb.  1655).  von  ChrWeises 
bühne  gibt  der  titei  der  'Liebesalliance',  den  Fulda  (DNL39,xxiv) 
abdruckt,  allerdings  ebenso  wenig  einen  sichern  begriff,  wie  etwa 
die  allegorische  scenerie  in  Menantes  'Theatralischein  gelehrten 
und  geistlichen  gedicblen'  (Hamb.  1706)  von  der  damaligen  Ham- 
burger theatereinrichtung.  dagegen  konnte  K.  für  die  unglaub- 
4iche  Üppigkeit,  die  schrankenlose  scenische  pbantastik  und  die 
gewaltigen  technischen  ansprüche   und  effecte  der  oper  auch  in 

^  noch  Harsdörffers  'VernuDftknnst'  (Frauenzimmergesprächspiele  bd  ▼) 
-fuhrt  die  handelnden  personen  über  den  einzelnen  scenen  als  initialbildchen  vor. 


KÖ^INECKE   filLDERATLAS  17 

Deutschland    manch  überraschendes    und    leidlich    authentisches 
bahnenbild  gewinnen  aus  den  von  Math.  Küsel  gestocbnen  biidern 
Burnacinis  fltr  die  Wiener  oper.    neben  reizvoll  verwegenen  extra- 
▼aganzen    der  tollsten   barockarchitectur   ein  aufgebot  aller  ele- 
mente  :  ein  brennendes  zelllager;  ein  flammenmeer,  das  sich  über 
eine  statuenwimmelnde  prachtstadt  mit  Semiramisgärten   auf  den 
weiten  sflulenterrassen  heranwälzt;  ein  höUenrachen,  aus  dem  lo- 
dernde städle  und  seen  hervorglühn;  die  unterirdische  höhle  des 
Aeolus;  der  ganze  Olymp  in  den  lüften;  prächtige  wolkenschlösser 
und  wolkensäle;  PhObus,  sein  sonnengespann  über  den  himmel 
lenkend;  ebenso  Mercur,  Amor  fliegend;  erscheinungen  in  flammen 
und   auf  wölken;    Pegasus,    der    durch    seinen  hufschlag  einen 
Wasserfall  erweckt;  löwengezogene  wagen,  delphinbespannte  schiffe; 
ein  gartenprospect,   dessen   wände  lauter  Springbrunnen  bilden; 
einstürzende  paläste;  seesturm  :  kurz,  keine  moderne  ausstattungs- 
oper  überbietet  das,    und  was  von   dem  aufwand  zb.   der  Ham- 
burger oper  berichtet   wird,   erscheint  nach  diesen  biidern  nur 
wahrscheinlich,     ich   selbst  kenne  solche   stiebe   nach  Burnacini 
ua.    aus  einer  stattlichen   Sammlung   von   franz.,   ilal.,   holländ., 
deutschen  bübnenprospecten,  die,  von  dem  vielseitigen  liebhaber 
JFvUlTenbach  angelegt,  jetzt   der  Göttinger  bibliothek   (bibl.  UQ'. 
10  fol.)  angehört;  von  dem  blendenden  glänz  der  höfischen  bühne 
des   17  und  beginnenden  18  jhs.  gibt  sie  ein  verblüffendes  bild; 
übrigens   fehlt   da  auch    nicht  eine  klägliche  decoralion  mit  der 
unterschrill  ^princeps  invenü*,    gezeichnet    natürlich   von    einem 
andern,    jener  selbe  Uffenbach  schrieb  für  Wolfenbüttel  ein,  an- 
scheinend nicht  aufgeführtes,  siugspiel  'Pharasmanes'   (Göttingen 
ms.  Ufif.  18),    1720   nach  einer  episode  der  'Römischen  Octavia' 
für  die  nachkommen  des  fürstlichen  autors  gedichtet;  er  stattete 
die  hs.  mit  prachtvollen  bunten  scenenbildern  aus,  die  ebenso  durch 
ihre  architeklonik  wie  durch  ballet  und  aufzüge  K.s  aufmerksamkeit 
verdienen,     was  K.  s.  201  gibt,   gewährt  von  der  theatralischen 
pracht,  die  in  oper  und  ballet  entfaltet  wurde,  nur  ein  ärmliches  bild, 
und  es  braucht  da  der  anschauung :  wir  wissen  ja,  wie  das  gesprochene 
drama  unter  dieser  pracht  beim  publicum  gehtten  hat.    die  für  das 
katholische  Deutschland  wichtige  Jesuiienbühne  sollte  nicht  ganz  ver- 
gessen sein  :  die  textlich  so  elende  Nagl-Zeidlersche  Deutsch-öster- 
reichische litteraturgeschichte  liefert  jetzt  dafür,  wie  sonst,  schätz- 
bares bildermaterial. —  auch  der  bühnenvorhang  hat  bedeutung.  am 
eingang  von  Harsdörffers  Geistlichem  waldgedicht  tritt  die  prälu- 
dierende musica  (Frauenzimmergesprächsp.  iv  40)  aus  einem  in  der 
mitte  sich  teilendeu  teppich  hervor,  also  ein  Vorhang  in  Bayreuther 
art  (ähnlich  vielleicht  in  Uffeubachs  Sammlung  nr  17);  aber  auch  der 
aufrollende  Vorhang  scheint  bei  Uffenbach   nr  96  (vielleicht  auch 
or  129)  bezeugt,  er  war  offenbar  schon  damals  die  regeP,  wenigstens 

^  doch  hab  ich  mir  aus  Picanders  Säuffer  (Berl.  1725)  den  schluss  no- 
iiert  :  ^so  werd  ich  ....  die  guardinen  zu  ziehen  lassen*. 

A.  F.  D.  A.  XXVI.  2 


IS 


EÖNNECEE   B1LDEBATLA8 


als  hauplTorhang  :  80  spricht  zb.  König  im  Drefsdner  frauenscir 
drian  (1742)  s.  22  vom  fallen  und  aufziehen  der  'decke',  die  bei 
auch  grofse  lOcher  zum  durchgucken  zeigt  wie  in  »pälern  ti 

In    ganz  anderm  sinne   gewähren  iheatergeschicbtlicheii 
die    Vignetten   aus   dem   *  Theater   der  Deutschen'    (Berl.  u. 
176611);   sie  geben  lediglich  von   der  typischen  haltung  un 
bärdeosprache  der  Schauspieler  Gottsched- Weifsischen  slils  ei 
deutung.   das  ist  nun  freilich  genug,   ligt  doch  eben  darin  d 
der  vielen   an  sich    sehr   schlechten  Stiche,    die  K.  8.34 
aus  dem  Gothaer  theatercalender  aufgenommen  hat.    für 
schichte  der  Schauspielkunst  ist  ein  elendes  scenen-  und 
bild  des  Schauspielers  tausendmal  wichtiger  als  das  best» 
sonst,     so  hält  ich   bei  IfTland   das  Klotzscbe  portrflt  g' 
opfert  für  das  berühmte  gemälde  der  Sanssoucigallerie, 
GrafT  seinen  vielumstrittnen  Pygmalion  erfasst  hat;  es  ist  ^ 
reich    und    vergewissert   uns   der  Zuverlässigkeit  Graffs, 
haltung  des  Rousseauschen  beiden   in  Ifflands  verkOrpe* 
einen  der  Franz-Moor-bilder  Catels  (K.  345)  gar  so  Ü 
raten  ist  :  diese  bewegung  hat  IfTland  offenbar  geliebt. 
sierenden    rollenbilder,   zh.   der  Unzelmann   und  Ludw;  ^ 

die  K.s  umsieht  bringt,  sind  unschätzbar :  wflre  die  Nii  ,, 

der  Uozelmaim ,   Devrients  Richard  m  in  ein^r  motf^TT 
spielerphotogfAphie  irgend  denkbar?    der  stilistiscbt:  v 
geßlen    drängt   sieh   vor   diesen    guten  büderii    in  grel' 
auf,  und  man  bedauert  nur,  dass  K»  ei  Den  verglekb  h 
ihm    gaiiK  vernachlässigten   füddeut&chen   Schauspiel k«n 
der  Wiener  b (ihnen,  nicht  gestattet  —  fin  material  fvh 
lieh   nicht  — ,    dass  er  mit  Devrienl  seine  srhaii*pt*i''- 
reils  beendet  hat.    freilich,  die  moderne  phatiu' 
auf   diesem    j^ebiele    nicht    hergeben,    was    jriih 
meinetwegen  selbst  cafficulnren^    aus  i\vT  gatiieii 
iteit  geboren,  eindruckssicher  noch  für  uns  fest^fh  ; 

Die   mißderwertigkeil   der   photographir    um  ' 
inetneß,  jedem  benutier  im  ßilderatlas  faM  bt  '< 
lieh,  wetin  er  an  K,ii  sictiref  tioiid  tue  nandbi 
kunst  ^kh  Vf-r^rgeimArligt.     k.  hat  luf  die  ^^ 
l m ( s  t*i n t*  r bv u Hl  kitf ^*" *•  ^*^  ^* " ^iiifli&«urg f ^ i 
ivo  ich  anfa&gs  «»»*  *  ^   V»r, 

bekehrt,     m  f^''  «'^ 


kbi fiter,   61»  jf*^ 
hevciritLP'  •* 
ler 
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ler  0.. 

bt   ^ 


E0MN£GKE  bildbbatlas  19 

Ölbild :  vor  alYem  auch  weil  gerade  io  der  eigen tQmlicben  wechsein«*- 
den  art  dieser  billigen  vervielßlltiguDgeu   ein  gutes  teil  yoni  in-^ 
timen  bauche  der  zeit  lebt,    ist  es  nicht,  als  wäre  der  derbe  holz*^ 
schnitt   den    groben   kraftnaturen   des   humanismus  und   der  re- 
fomiatioDSzeit  wie  auf  den  leib  geschnitten?    und  wie  vortrefiHicb 
passt  dann  die  feine  ^  gravitätische,   auch  wol   antik  stilisiereade 
manier  des   kupferstichs   von  Sandrart  und   den  Kilians   bis  auf 
die  Beroigroths  für  die  würde  des  hollandisierenden  und  franzO* 
gierenden  classicismus  I    die  Silhouette  und  die  stark  unter  ihrem 
eiofluss  leidenden   stiebe   und   radierungen  aus  der  2  hälfle  des 
18  jhs.  entsprechen  ganz  den  regungen,   die  sich  schliefslich  in 
Lavaters  Pbysiognomischen  fragnaenten  offenbaren,   und  wem  webte 
nicht  aus  den  lithographien   unsrer  grofseltem  ein  vormärzlicber 
hauch   entgegen?     dann    eine    sehr   ausdrucksvolle    radierkunst; 
schiierslicb  aber  doch   herschend  die  fatale,   demokratische,   ni- 
vellierende Photographie,  aus  der  so  wenig  zu  gewinnen  ist,   die 
unbarmherzig  geist  und  leben  und  Persönlichkeit  tötet,    man  sehe 
nur  einmal  auf  s.413  Riehl  und  Treitschke,  zwei  herliche,  geistes- 
kräftige, originelle  menschen  :  welch  leere  nichtssagende  gesiebter^ 
so   leer  und  nichtssagend,   wie  sie  der  ganze  Bilderatlas  bis  ums 
jähr  1850  nicht  bringt,    oder  s.  416  Detlev  vLiliencron  I.   auch  das 
schlussbild  :  ich  glaube  nun  und  nimmer,  dass  Sudermann  dieser 
^^schOne'  mann,  diese  fade  graf-Trast-carricatur  ist.    ich  bin  nicht 
immer  so  skeptisch :  Wildenbruch  denk  ich  mir  ungefähr  so,  wie  ihn 
s.  415  zeigt,  und  auch  Hauptmann  trau  ich  wol  dieses  asketenge- 
sicht  herber  unreife  zu,  sehnend,  durstig,  ringend  nach  einer  schön- 
heil  und  Wahrheit,   die  zu  erobern  ihm  doch  an  der  schaffenden 
urkraft  ein  schlimmes  etwas  immer  fehlen  wird,   aber  das  sind  aus- 
nahmen,   die  Photographie  bietet  dem,  der  einen  menschen  kennt, 
erwünschten  anhält,  die  association  täuscht  dann  wol  auch  über  den 
unwert  des  hilfsmittels.     von  dem   unbekannten   wird   das  licht- 
bild  im  guten  falle  sehr  wenig,  viel  öfter  grundfalsches  aussagen, 
für  hss.  reicht  die  Photographie  aus,   nicht  für  menschen,     erst 
menschenauge,  menschenhand,  menschengeist  vermittelt  der  nach- 
weil das  bild   des  bedeutenden   menschen,     wie   sehnt  man  sich 
aus  diesen  photographienseiten  zurück  zu  den  schönen  Kriehuber- 
schen  lithographien,   die  K.  reichlich   mitteilt!     und  welche  be- 
lebende anschauung  tritt  uns  entgegen  aus  Hensels  entzückenden 
bildern  ETAHofTmanns,  Fouqu6s,  WMüllers,  die,   unter  einander 
grundverschieden,  jedes  in  seiner  weise  gleich  ein  ganzes  stück 
geistesgeschichte  ausstrahlen;   aber  auch  zb.  aus  LGrimms  Bren- 
tano,  aas  Steinles  Görres,   aus  Storcks  Herwegh,   den    K.schen 
lithographien  Dingelstedts,   Sallets  usw.     ich   glaube   zu   spüren, 
dass  K.  ähnlich  denkt,  und  ich  kann  ihn  nur  bitten,   den  räum 
der  Photographie  so  sehr  zu  beschränken  wie  möglich  :  also  zb. 
Gotifr.  Keller  in  Stauffers  prächtigem  bildchen  zu  geben,    schlimm 
genug,  dass  der  moderne  porträtmaler  es  so  oft  nicht  verschmäht, 

2* 


20  KÖNNECKB   BILDERATLAS 

die  Photographie  im  interesse  einer  äufsern  ähnlichkeit  zu  hilfe 
KU  nehmen,  der  dann  doch  von  der  künstlerischen  Wahrheit  und 
Ireiheit  allzuleicht  mehr  zum  opfer  f^llt,  als  jene  bequemlichkeit 
irgend  verlohnte. 

Die  Silhouette  hat  ihrer  zeit  einen  ähnlich  ungünstigen 
einfluss  geübt,  man  vergleiche  nur  bei  K.  das  Zahlenverhältnis 
der  profilbilder  zu  den  bildern  en  face  im  18  und  im  19  jh. 
immerhin ,  der  schade  des  Schattenrisses  war  geringer  :  scheint 
doch  die  Photographie  mehr  zu  geben  als  das  im  wenigen  um  so 
präcisere  Schattenbild,  und  eben  dadurch  bindet  sie  den  kUnstler. 
K.  hat  hie  und  da  dafür  gesorgt,  dass  das  Verhältnis  von  bild 
und  schatten riss  recht  deutlich  hervortrete  :  so  besonders  schlagend 
bei  Hölty  (s.  258),  wo  K.  in  der  Silhouette  ^  die  grundlage  des 
medaillons  sieht,  auf  dem  dann  weiter  Chodowieckis  kupfer  ruhte  ^. 
er  mag  vvol  recht  haben,  ich  will  immerhin  die  frage  aufwerfen, 
ob  bei  einem  zusammenhange  zwischen  schattenriss  und  stich 
oder  Zeichnung  nicht  auch  das  umgekehrte  Verhältnis  denkbar  ist. 
die  Güttinger  univ.-bibliothek  besitzt  ein  inhaltreiches  Stammbuch 
gezeichneter  und  schwarz  getuschter  Silhouetten,  wahrscheinlich 
zusammengebracht  von  dem  stud.  Carl  Schubert  (angelegt  22  juni 
1779).  darin  findet  sich  ein  riss  Basedows,  ohne  perrücke  und 
sehr  viel  stürm-  und  drangmäfsiger  als  Chodowieckis  profii  (K. 
s.  255),  der  ofi'enbar  aufs  engste  stimmt  zu  einer  flotten  Zeich- 
nung Schmolls,  die  das  Goethemuseum  des  Frankfurter  Hochstifts 
in  seinen  schauschränken  aufbewahrt  und  die  garnicht  den  ein- 
druck  einer  silhouettencopie  macht;  man  vergleiche  den  auf 
Schmoll  beruhenden  stich  Physiogn.  fragm.  iv  272 ,  wo  die  Über- 
einstimmung mit  der  Silhouette  schon  in  dem  abschluss  des  haises 
zu  tage  tritt,  ähnlich  deckt  sich  Schuberts  (anscheinend  ge- 
druckter) schattenriss  Ramlcrs  mit  einer  rOtelzeichnung,  eine 
(nachträglich  eingeklebte,  ausgeschnittene)  Silhouette  Kästners 
ganz  zwingend  mit  einem  medaillon»  die  beide  Lavater  in  den 
Physiogn.  fragm.  (iii  210.  iv  375)  mitteilt,  warum  sollte  der 
silhouettenlustige  nicht  aus  einem  bilde  in  scharfem  profii  seinen 
riss  herstellen,  durchzeichnen,  ausschneiden?  es  war  das  immer 
noch  weit  leichter  als  etwa  eine  nachzeichnung  der  ganzen  vor- 
läge^, und  man  war  gewöhnt,  Silhouetten  auch  nach  andern 
Silhouetten   anzufertigen  :  Schattenrisse   berühmter  männer  sind 

^  die  quelle  gibt  K.  eigensinnig  auch  hier  nicht  an,  ich  vermute,  dass 
er  die  Silhouette  den  ^Schattenrissen  edler  Teutschen'  ii  1  (Halle  1784)  ent- 
nommen hat.  da  Höltys  biographie  dort  von  einem  freunde  des  verstorbenen 
geschrieben  ist,  so  erhöht  das  den  wert  des  bildes,  trotz  der  späten  pubii- 
cation.  aber  ich  sehe  nicht  ein,  warum  diese  Silhouette  älter  sein  sollte  als 
die  Schattenrisse  Höltys  bei  Ayrer,  Schubert,  im  Hochstift. 

'  aus  welcher  quelle  schöpft  das  Baumannsche  profiibild  in  Hennings 
Deutschem  ehrentempel  bd  vi  (Gotha  1824)? 

^  auch  Zarncke  Originalaufnahmen  von  Goethes  bildnis  8.  62  sieht  für 
zwei  Goethesilhouetten  Schmolls  Zeichnung  (Phys.  fragm.  m  222)  als  grund- 
lage an. 


kOnnecke  bildbratlas  21 

roassenbaft  verbreitet  und  dabei  unwillkürlicb  auch  verändert 
worden;  man  wird  sich  sehr  zu  hüten  haben,  überall  originalrisse 
zu  suchen. 

Grade  das  Schubertsche  stanambuch  gibt  zu  solcher 
betrachtung  anlass.  es  beginnt  mit  Göttinger  professoren;  dann 
folgen  Schattenrisse  von  Studenten,  die  im  gro(sen  und  ganzen 
originalaufnahmen  sein  werden,  es  schliefst  mit  allerlei  Göttinger 
bürgern  und  damen,  für  die  das  gleiche  gilt :  in  der  mitte,  hinter 
den  Studenten,  steht  eine  sehr  reiche  collection  von  Silhouetten 
namentlich  litterarischer  berühmtheiten ,  unter  denen  sich  recht 
btibsches  flndet.  so  würd  ich  zb.  Schuberts  ausdrucksvolles 
Lessingbild  der  K.schen  Silhouette  s.  232  vorziehen;  ebenso  würd 
ich  K.  das  profll  Bürgers  zur  aufnähme  empfehlen,  das  sehr  viel 
glaubwürdiger  ist  als  die  Silhouetten  der  Ayrerschen  Sammlung, 
und  das  Fiorillos  (nicht  Tiorellis')  banales  Ölbild  glücklich  ergänzt; 
ferner  fesselt  alsbald  der  vornehm  sinnliche  schattenriss  ThUm- 
mels;  auch  von  Hölty,  Lenz,  Campe,  Klinger,  Gleim,  Wieland ^ 
der  Karschin  und  vielen  andern  ^  hat  Schubert  interessante  porlräls 
zusammengebracht,  ob  aber  in  dieser  ganzen  grofsen  celebritäten- 
gruppe  auch  nur  6in  originalschnitt  ist,  sei  dahingestellt,  jedes- 
falls  sinds  nicht  alle,  ein  flüchtiger  blick  zeigte  mir,  dass  selbst 
von  den  Göitinger  professoren  Claproth,  Heyne,  Koppe,  Feder, 
Ebeling,  (Eyring?),  von  den  Schriftstellern  Campe,  Miller,  viel- 
leicht auch  Claudius  zusammenfallen  mit  den  ^Schattenrissen  edler 
Teutschen'  (Halle  1783),  alle  (aufser  Feder)  mit  umgedrehtem 
profil  :  darin  steht  natürlich  Schuberts  nachzeichnung  den  ori- 
ginalen näher  als  der  druck,  es  stellte  sich  weiter  heraus,  dass 
mindestens  Leisewitz,  Basedow,  die  Stolberge  schlechthin  die- 
selben profile  sind,  die  auch  in  der  schönen  Ayrerschen  Sammlung 
(Leipzig  1S99)  vorkommen  :  die  zahl  der  identitäten  ist  wol  noch 
grOfser  :  auch  bei  Hölty,  Claudius,  Rabener,  Ebert  möcht  ich  das 
glauben,  zu  Lavaters  physiognomik  stimmen  bei  Schubert  Klop- 
siock,  Mendelssohn,  Fritz  Jacobi,  Claudius,  die  Stolberge  ua.,  wol 
auch  Goethe,  jedesfalls  der  Eimbecker  mordgeselle  Rüthgerod^ 
den  Schubert,  wie  das  ebenso  seine  rückenbemerkung  als  das 
verkehrte  profil  zeigt,  schwerlich  aus  Lavater  nahm,  auf  allerlei 
Übereinstimmungen  zwischen  Ayrer  und  Lavater  hat  Ayrers  Him- 
sichtiger  herausgeber  Kroker  s.  29  seiner  einleitung  bereits 
aufmerksam  gemacht,  und  als  ich  an  Goethes  feiertage  vor  den 
schränken  des  Hochstifls  stand,  da  fiel  mein  blick  alsbald  wider 
auf  eine  reihe  von  Silhouetten^  die  ich  sicher  war  bei  Schubert, 

^  die  Wielandsilhouelte  Schuberts  stimmt  aufs  nächste  zu  der  von 
Weizsäcker  (Wörtemb.  vierleljahrsh.  n.  f.  2  s.  39)  mitgeteilten. 

'  ich  hebe  noch  heraus  :  Teller,  Spaldingr,  Mauvillori,  GHSchmid,  Geliert, 
Semler,  Kaiser,  Gluck,  Zachariä,  JGJacobi,  Hermes,  Rabener,  Zimmermann, 
Uz,  Herder,  Jerusalem,  Moser,  Bahrdt,  Götter,  GForster,  Schubart,  Bode, 
Overbeck,  Miller,  Eberl,  Göckingk  usw. 


22  KONNECKE   BILDERATLAS 

Ayrer,  Lavater  gesehen  zu  haben,  wenn  ich  sie  auch  aus  dem 
gedächtnis  nicht  gleich  hier  oder  da  fest  unterbringen  konnte, 
dass  die  Stolberge  an  allen  vier  stellen  übereinstimmen,  bin  ich 
gewis. 

Die  Schubertsche  Sammlung  hat  mich  auf  diese  betrachtungen 
geführt  :  ich  wollte  sie  K.  nicht  rühmen,  ohne  mir  ihren  wert 
khv  gemacht  zu  haben,  dass  Lavaters  berühmtes  werk  beigesteuert 
liat,  ist  mir  wahrscheinlich  genug  :  das  lag  gar  so  nahe,  daneben 
aber,  und  weit  wichtiger  als  das,  ein  lebhaftester  austausch,  ein 
eifriges  copieren,  wobei  manche  Verwechslung  vorgekommen  sein 
wird  :  Rroker  überschätzt  trotz  seinen  sehr  verständigen  ein- 
schränkungen  s.  28  ff  noch  die  zahl  der  Silhouetten ,  die  Ayrer 
nach  den  viel  besuchten  berühmtheiten  selbst  schnitt  ^  man  liefs 
sich  im  vorigen  jh.  von  den  reisenden  jungen  leuten,  die  die 
weit  und  ihre  capaciläten  kennen  lernen  wollten,  ja  viel  gefallen, 
ihre  grenzen  hatte  die  geduld  doch  auch  damals,  auch  Silhouetten 
haben  das  günstige  Vorurteil,  nach  der  natur  geschnitten  zu  sein, 
nicht  ohne  weiteres  für  sich;  auch  sie  verlangen  eine  ikono- 
graphische  quellenuntersuchung.  und  sie  wird  den  quellenwert 
des  Schubertschen  Stammbuchs  grade  in  seinen  interessantesten 
Partien  wahrscheinlich  noch  weit  mehr  in  frage  stellen,  als  mich 
die  schnelle  Orientierung  das  lehrte. 

K.  hat  die  Silhouette  nur  sehr  sparsam  aufgenommen,  wesent- 
iich  zur  ergänzung  des  reichen  bildmaterials  für  unsre  classiker 
(so  7  Silhouetten  Goethes,  3  Schillers)  und  für  nebenOguren: 
natürlich  war  es  nicht  schwer  gewesen,  für  Clodius,  Knigge, 
Blumauer  auch  ausgibigere  bilder  zu  finden,  von  Pichte  und 
Schelling  nicht  zu  reden,  aber  ihren  bescheidenen  räum  im 
Bilderatlas  will  ich  der  Silhouette  gewis  nicht  bemängeln,  dagegen 
bin  ich  garnichl  einverstanden  mit  einer  andern  art  technik, 
die  K.  auffallender  weise  duldet :  ich  meine  die  rohen  holzschnitte 
AMeumanns,  die  für  HnrKurz  gut  sein  mochten,  die  aber  in  K.s 
Bilderatlas  unangenehm  abstechen,  am  anstOfsigsten  ist  mir  die 
yerhunzung  von  Angelikas  Winckelmann  (s.  230);  aber  auch  Fran- 
ziska vHohenheim  (s.  302)  und  der  gereifte  Herwegh  (s.  390)  ver- 
dienen ein  besseres  Schicksal,  und  den  ganz  misglückten  Bopp 
<s.  xxiu)  würd  ich  lieber  missen,  als  in  dieser  gestalt  sehen,  sollte 
sich  nicht  auch  für  Hebbel  eine  würdigere  darstellung  finden 
lassen  als  der  plumpe  holzschnitt  s.  383?  von  dem  bekannten 
Rahischen  bilde  bin  ich  freilich  auch  nicht  eben  entzückt,  der 
sonderbare  holzschnitt  s.  xxi,  auf  dem  Frdr.  Hnr.  vdHagen  wie 
ein  rococomarquis  aussieht,  ist  wol  nur  faute  de  mieux  genommen; 
ich  kenne  kein  bild  des  fleifsigen  mannes. 

Ein   zweites  technisches   bedenken!    K.  gibt   die  bilder  und 

^  so  scheint  Kroker  gerade  die  obeo  besprochene  Silhouette  Basedows 
<Ayrer  xxxvi)  für  original  zu  hallen,  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  von 
Schmoll* La valer  entnommen  ist. 


kOn?ikckb  bildbratlas  23 

Stiche  sebr  oft  nur  im  ausschnitt,  dabei  geht  manche  charakte- 
ristische Umrahmung,  manche  eindrucksvolle  zutat  verloren,  die 
dem  bilde  grade  besondern  reiz  gab  :  K.  weist  bei  Zimmermann 
s.  239  selbst  auf  solche  zutaten  hin,  und  dem  Boltschen  Stiche 
IfiTlands  (nach  Schröder),  den  das  Historische  porträtwerk  bringt, 
gereichen  die  mit  zartem  stift  auf  den  rand  bingeworfnen  rollen* 
bildchen  zu  eigentümlicher  zier,  ich  war  nun  höchst  erstaunt,  in 
eben  diesem  porträtwerk  den  Kininger-Pfeifferschen  Job.  vMüIler  zu 
üaden  mit  einem  bei  K.  unkenntlich  gemachten  bilde  der  drei  Teilen 
ina  hintergrunde.  warum  dies  symbol  der  MUlierschen  geschichts- 
Schreibung,  und  kein  übles  symbol  für  seine  wenig  kritische  locaN 
historische  ader,  beseitigen?  —  nach  Justi  u' 269  liefs  Winckel- 
inann  in  bewuster  huldigung  auf  seinem  bilde  von  Angelikas  band 
ein  relief  der  grazien  anbringen  :  in  Neumanns  nachzeichnung 
fehlt  es  natürlich,  und  ein  dritter,  ähnlicher,  aber  noch  stärkerer 
fall  kommt  vor.  bei  Vogt-Koch  s.  510  üel  mir  auf  dem  Wielandschen 
familienbilde  der  Weimarer  bibliothek  die  andeutung  zweier  Wand- 
bilder auf,  von  denen  K.s  weit  grOfsere  reproduction  s.  244 
Dicht  die  geringste  spur  zeigt.  Weizsäckers  aufsatz  über  die  bild- 
oisse  Wielands  (Würtemb.vierteljahrshefle  n.  f.  2,  6)  belehrte  mich 
wenigstens  für  das  eine,  dass  es  die  wähl  des  Hercules  darstelle; 
und  Schüddekopf  war  so  freundlich,  mir  aus  augenschein  zu 
bestätigen,  das  grofse  viereckige  Wandbild  bebandle  würklich  diesen 
l^egenstand  K  nun,  ein  vortrefflicheres,  ja  drastischeres  symbol  für 
Wielands  dichtung  ist  garnicht  zu  denken,  zumal  da  Sokrates  und 
die  grazien  auch  bei  K.  aufserdem  im  zimmer  stehn.  die  ^wahl 
des  Hercules'  ist  gradezu  das  leitmotiv  Wielandischer  poesie :  von 
den  Klosterberger  schulaufsäizen  an  hat  es  ihn  nicht  losgelassen, 
und  was  Seuffert  Euph.  1,  531  aus  anlass  des  lyrischen  dramas 
von  der  ^wahl  des  Hercules'  darüber  zusammenstellt,  deutet  die 
ausdehnung  dieses  motivs  nur  eben  an.  selbst  Hermanns  des 
Cheruskers  ahn  hat  auf  dem  Scheideweg  gestanden;  Lady  Johanna 
Gray  weifs,  von  NRowe  sich  emancipierend,  dem  toten  vater  nichts 
bessers   nachzurühmen,   als   dass   er  gleich  Hercules  den  steilen 

^  Schöddekopf  teilt  mir  aufserdem  aber  mit,  dass  links  und  rechts  von 
diesem  groCsen  gemälde  zwei  ovale  pendants  hängen,  von  denen  das  linke 
also  auch  bei  Vogt-Koch  abhanden  gekommen  ist  :  dies  linke,  durch  nach- 
duoklung  ganz  undeutlich,  stelle  vielleicht  einen  nackten  knieenden  Jüngling 
4lar,  auf  seinen  schultern  einen  amor  oder  genius  mit  flügeln;  das  rechte 
eine  sitzende,  athletische  gestalt  (älterer  mann  mit  Vollbart?),  unbekleidet 
bis  auf  einen  über  das  linke  knie  geschlagenen  mantel;  der  rechte  arm  ist 
aufgestützt,  die  band  fasst  einen  stab;  der  linke,  auf  dem  knie  ausgestreckt, 
hält  den  mantel;  im  ganzen  trauernde,  gedrückte  Stellung;  Schüddekopf 
denkt  an  den  Phanias  der  Musarion.  soweit  ich  nach  seinen  eignen  angaben 
ohne  autopsie  urteilen  kann,  würd  ich  eher  zwei  typen  als  bestimmte  gestalten 
hier  suchen  :  den  Jüngling  in  Amors  macht  (in  der  art  etwa  des  Dafnis  der 
Grazien)  und  den  resignierten  gereiften  philosophen,  wie  ihn  Wieland  so  oft 
geschaffen  (etwa  Diogenes  vSinope;  das  buch  war  zur  zeit  des  Krausschen 
biides  eben  erschienen). 


24  KÖNiNECKE   BILDERATLAS 

pfad  der  lugend  der  wollust  schnöden  süfsigkeiten  Yorgezo^er> 
habe;  der  Pbanias  der  Musarion  wird  sarkastisch  zun»  neuen  Her- 
cules gestempelt,  als  er  keine  wähl  mehr  hat;  und  im  neuei> 
Amadis  figuriert  der  schwankende  held  Xenophon-Shaftesburysauch 
schon  auf  einem  Wandgemälde  :  ausgesprochen  und  unausgesproche» 
klingt  das  thema  immer  wider  bei  Wieland  an,  so  wenig  herculisch 
sich  seine  beiden  zu  behaben  pflegen,  so  ist  jenes  wandbild  bei 
Kraus  mit  weiser  absieht  gewählt,  wahrscheinlicher  von  Wieland 
selbst  veranlasst  worden,  der  in  diesem  symbol  ein  verschämtes 
bekenntnis  ablegte,  nein,  dieser  zug  durAe  einer  nachbildung 
des  Krausschen  bildes  am  wenigsten  abgehn. 

Weizsäcker  in  der  eben  erwähnten  Studie  lässt,  während  er 
eine  fülle  von  Wielandporträts  nachbildet,  doch  einen  anonymen 
stich  aus  der  Jugend,  ca.  1754/5,  unberücksichtigt,  da  er  seiner 
Hreue'  nicht  traut,  ich  bedaure  das  doch  :  ein  bild  von  1770 
ist  für  den  frühreifen  Wieland  etwas  spät;  kommt  er  doch  5  jähre 
drauf  den  Stürmern  und  drängern  eigentlich  schon  wie  ein  über- 
lebter greis  vor,  dessen  *allen  tagen'  (er  war  42  jähr  alt)  Goethe 
gerne  etwas  freundliches  bereiten  will,  und.würklich,  man  möchte 
wol  den  seraphischen  Jüngling  oder  mindestens  doch  den  dichter 
des  Araspes,  des  Silvio  vor  äugen  sehn  :  vielleicht  entschliefst  sich 
K.  später  einmal  die  lücke  bei  Weizsäcker  zu  füllen,  mich  bringt 
das  aber  auf  eine  allgemeinere  frage,  der  dichter,  hat  er  nicht 
die  seltene  gäbe  steter  Selbstverjüngung,  wie  sie  Goethes  begnadeter 
natur  verliehen  war,  wird  eine  dycini]  haben,  die  braucht  keines- 
wegs in  der  Jugend  zu  liegen  :  bei  Fontane  fiel  sie  bekanntlich  ins 
ende  der  sechziger,  der  litlerarhistoriker  wird  aber  wünschen  müssen, 
den  poeten  grade  in  der  blute  seines  Schaffens  vor  sich  zu  sehen» 
K.  ist  dieser  gesichtspunct  natürlich  nicht  fremd  (vgl.  zb.  s.  372), 
er  ist  ihm  aber  nicht  so  treu  geblieben,  wie  es  doch  wol  möglich 
gewesen  wäre,  ich  greife  beliebig  herein,  was  sollen  mir  von 
Spielhagen  und  Heyse  Photographien  aus  dem  jähre  1885?  der 
dichter  der  Problematischen  naturen,  der  Jüngling  dem  l'Arrah- 
biata  gelang  interessiert  mich,  nicht  die  würdigen  herren,  die 
auf  eine  rühmliche  Vergangenheit  zurückblicken,  gibt  es  wttrklich 
kein  bild  des  jungen  Bauernfeld?  dann  lieber  gar  keins  als  ein 
hässliches  greisenbild,  das  beträchtlich  mehr  als  ein  menschen- 
alter über  B.s  schaffen  hinausligt.  und  was  soll  mir  ein  holz- 
schnilt  Mor.  Hartmanns  von  1872,  aus  einer  zeit,  wo  keine  seele  mehr 
von  seinem  dichten  wüste?  nein, der  schöne  interessante  flüchtling 
in  Paris  gehört  in  den  Bilderatlas,  der  diese  nr  freilich  überhaupt 
entbehren  konnte  :  grade  bei  einem  ephemeren  poeten  dHtten  oder 
tiefern  ranges  ligt  alles  daran,  dass  man  ihn  in  der  zeit  fasst^ 
als  er  das  bischen  galt,  was  er  unter  glücklichen  umständen  gelten 
konnte,  auch  Schleiermachers  bild  (s.  324)  sieht  mir  nicht  aus, 
als  ob  es  aus  der  zeit  der  Lucindebriefe,  der  Reden  über  die  religion 
herstamme  :  warum  nicht  der  weit  jugendlichere  Lipssche  stich? 


KÖrVNECKE    BILDEBATLAS  25 

denn  die  HUeraturgeschichte  küaimert  der  ausgezeichnete  theologe 
uod   prediger  erst  in  zweiter  linie.     und  so  wenig  ich  die  köst- 
lichen bilder  maier  Müllers  von  LGrimm  und  Genelli  missen  möchte, 
dem  Bilderatias  ziemte  zunächst  der  dichter  der  Schafschur,  des 
(ersten)  Faust  und  des  Golo,  also  eher  noch  ein  allzujugendliches 
bild,  wie   es  die  Geliebten  schatten  bringen,   als  charakterköpfe^ 
die  durch  40  jähre  von  Müllers  dichterischer  blute  getrennt  sind. 
Ich  habe  auch  sonst  allerlei  bedenken  gegen  die  porträts, 
die  K.,  wo  mehrere  in  betracbt  kamen,  für  seinen  bildersaal  ge- 
wählt hat.     zum  beispiel :  K.  hat  unbedingt  das  rechte  getrofTen, 
wenn  er  für  Kästner  und  Lichtenberg  die  profilbilder  Tischbeins  ^ 
und  Schwenterleys  genommen  hat :  bei  den  beiden  Satirikern  (wie 
bei   Liscow)   ist   das  profil  besonders  frappant :  man  braucht  nur 
desselben  Schwenterley  beide  enfacebilder  und  die  sonstigen   be- 
mühungen  um  Lichtenbergs  offenbar  schwer  zu  fassendes  gesiebt  ^ 
zu    vergleichen,     einen   seltsamen   gegensatz  zu   diesen   scharfen 
Satirikerprofilen  konnte  Rabeners  rundlich  behagliche  bonhomme- 
silhouette  abgeben,  der  barde  Denis  dagegen  macht  in  Caspers  profil- 
bilde (K.  S.241)  ausschliefslich  den  eindruck  des  k.  k.  hofrats  :  ich 
zögere  keinen  augenblick  dem  Kisliugschen  von  vorn  genommenen 
porträl,  das  ich  in  Schleuens  stich  kenne,  den  Vorzug  zu  geben, 
bei  Lavater  wider  plaidier  ich  unbedingt  für  das  spitznäsige  profil, 
in   dem  ihn  alle  weit  kannte,  dank  seiner  eignen  freude  an  der  Sil- 
houette.   Fritzschs  perrückenloser  stich  (nach  vdSmissen)  und  auch 
Graffs   bild   von  Hagedorn  scheint  mir  weit  charakteristischer  als 
der    von  K.   gewählte   stich    nach   Denner.     auch  sonst  hätt  ich 
eio    paarmal  Graffsche  porträts  vorgezogen  :  so   bei   Tiedge,   den 
Graff  höchst  individuell   fasst,   bei  Nicolai,   dessen   geschäftliche 
betriebsamkeit  dem  ausgezeichneten  kUnstler  wundervoll  geglückt 
ist,    bei  Sulzer,  der  bei  K.  eine  befremdende  verbrecherphysiog- 
oomie   zeigt,     und   besonders   wenig   befriedigt  mich  die  gestalt, 
in  der  uns  Haller  bei  K.  (s.  208)  entgegen  tritt :  ein  wolwoUender, 
würdiger  biedermann  ohne  jede  gröfse  und  kraft,     da  war  doch 
ein  gehaltvolleres,  jugendlicheres  bild  zu  finden.  Vogt-Koch  bringen 
einen   geschwollen -weichlichen   stich    von  Lips,  vor   dem   schon 
Lavater  (Phys.  fragm.  iv  252)  dringend  gewarnt  hat;  aber  das  bild^ 
das    er   selbst  empfiehlt,   ist  zu   alt.     indessen  es  ist  sonst  kein 
mangel  an  Hallerbildern;    allein   der   katalog   der  Berner  Haller- 
ausstellung  von  1877  verzeichnet   mehr  als   ein  halbes  hundert» 
Bauses  stich,  den  Seidlitz  gewählt  hat,  ist  würdig  und  ausdrucks- 
voll; Conradis  oben  erwähnte  Sammlung  von  Göttinger  professoren- 

^  zumal  Kästners  profil  muss  drastisch  gewürkt  haben  :  Schubert  hebt 
in  seinem  Stammbuch  die  lebendige  ähnlichkeit  gerade  der  einen  Käslnerschen 
Silhouette  (ganz  ähnlich  Phys.  fragm.  iv  375)  ausdrucklich  hervor  :  ^Kästner 
wie  ihn  Gott  erschaffen'. 

'  Schuberts  Silhouette  bestätigt  durchaus  die  ähnlichkeit  des  Schwenter- 
ieyschen  profils,  dem  wol  ein  schattenriss  zu  gründe  ligt. 


26  KÖniüECKB   BILDEEATLAS 

bildern  zeigt  mehrere  beachtenswerte  Stiche;  die  Georgia  Augusta 
besitzt  auch  ein,  freilich  oicht  allzuvertraueoswerles  Ölbild ;  uod  die 
laoggesichtige  Silhouette  in  Schuberts  Stammbuch  spricht  we- 
nigstens gegen  die  kurze  breite  des  Tardieuschen  Stiches. 

Aber  genug  dieser  zweifei I  es  soll  nicht  scheinen,  als  ob 
ich  über  meinen  wünschen  die  dankbarkeit  vergäfse,  die  ich  K. 
für  soviel  des  wichtigen  und  neuen  auf  schritt  und  tritt  schulde; 
als  üb  ich  den  vorsichtigen  respect  aus  den  augeo  liefse,  den  ich 
einem  so  trefTlichen  kenner  unsrer  porträtkunde  um  so  bereit- 
williger zolle,  je  Öfter  ich  mich  Oberzeugt  habe,  dass  er  jeden 
schritt  mit  bedachtiger  Sachkenntnis  getan  hat.  dass  der  litterar- 
historiker  hier  und  da  anders  denkt,  sieht  und  wählt  als  der  ikooo- 
graph,  das  ist  selbstverständlich. 

Und  so  will  ich  denn  einen  letzten  Wunschzettel  auch  nicht 
in  den  papierkorb  werfen,  er  belriflt  die  wähl  der  darge- 
stellten, ich  darf  hier  zuversichtlicher  sprechen;  denn  hier  ent- 
scheidet, soweit  porträts  überhaupt  vorhanden  sind,  rein  der 
litterarhistorische  gesichtspunct.  meine  desiderien  setzen  gleich 
mit  der  ersten  abteilung,  den  deutschen  Sprachforschern  und 
litterarhistorikern  ein.  Morhof  verdient  da  seinen  ehrenplatz; 
Erdmaon  Neumeister,  der  erstling  modernerer  ästhetischer  kritik, 
war  aufzunehmen;  ob  es  ein  bild  Erd.  Kochs  gibt,  weifs  ich  nicht; 
Julian  Schmidt  aber  gehört  in  das  präludium  eines  litterarbisto- 
rischen  atlas  sicherlich  dringender  als  Bopp  und  gar  der  ganz 
überflüssige  Pfeiffer,  im  mittelalter  vermiss  ich  nichts,  habe  nur 
zu  danken  :  ein  bild  wie  das  mehrfach  reproducierte  Konrads 
vAnimeohaosen  aus  der  Stuttgarter  hs.  hat  natürlich  keinen  porträt- 
wert und  durfte  also  fehlen,  die  neulaleiner  dagegen  sollten 
stärker  auftreten  :  Erasmus  und  Macropedius  darf  keine  deutsche 
litieraturgeschichte  den  nichtigen  grenzpßlhlen  opfern;  Pirck- 
heimer  hat  einen  platz  unter  den  poetae  wol  verdient;  vor  allem 
aber  vermiss  ich  Petr.  Lotichius,  von  dem  Burmanns  grofse  quart- 
ausgabe  einen  schonen  stich  Uoubrekens  enthält,  und  Jacob  Bälde. 
in  andern  tollen  mag  K.  ein  bild  nicht  gekannt  haben  :  es  wird 
mir  freilich  schwer  zu  glauben,  dass  würklich  zb.  von  Thomas 
Naogeorg  und  späterhin  von  Lauremberg  gar  kein  bild  vorhanden 
sein  sollte  :  wie  unweigerlich  hat  man  im  IG.  17  jh.  die  pastoren 
und  Professoren  gemalt,  brustbilder  und  ganze  figur,  bis  in  die 
kleinste  dorfpfarre  herein  :  bei  landedelleuten  wie  Logau,  Ans. 
Ziegler,  ScbOuaich  ist  der  mangel  eines  bildes  viel  weniger  auf- 
fallend, welche  mühe  halte  Tersteegen,  der  aus  princip  ein  con- 
lerfei  dieses  irdischen  Jammerleibes  verschmähte,  dem  aufdring- 
lichen pinsel  zu  entgehn  (es  soll  ihm  nicht  einmal  gelungen  sein^). 

^  nachforscliUDgen,  die  Tschackert  auf  meine  bitle  bei  kundigen  an- 
zustellen die  gute  hatte,  tiaben  jedoch  zu  dem  ergebuis  geführt,  dass  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  die  Tersteegenbilder,  die  nachtraglich  aufgetaucht 
sind,  jeder  verlSsslichkeit  entbehren. 


KONNECKB    BILDERATLAS  27 

iDdesseD   die  suche  versteckter  bilder  ist  sache  der  special*  und 
JocalforscbuDg,    kann   UDmöglich   K.s   aufgäbe  seio.     ich   unter- 
drOcke  also  aUe  bitten,  soweit  ich  nicht  gewis  bin,  dass  sie  erfüllbar 
sind,   dahin  aber  gehört  für  das  16  jh.  der  historiker  Tschudi,  dann 
der  vielseitige  Cyr.  Spangenberg,   Andr.  Musculus,  der  autor  des 
flosenteufels,   auch  der  trefifliche  Martin  Rinckart.     er  führt  auf 
ein    durchgängig  dürftig  versorgtes  gebiet,  auf  das  kirchenlied: 
Selnecker  zb..  Nie.  Herrmann,  Malhesius,  der  spater  so  einflösse 
reiche  Heermann,  der  seltsame  Quirinus  Kuhlmann,  sie  alle  fehlen; 
sogar  Joh.  Arndt,  einer   der  allergelesensten  und  obendrein  ein 
wOrklicb  tüchtiger  Schriftsteller,    man  darf  die  gesunde  abneigung 
gegen   alle   erbauliche   litteratur  —  ich  teile  sie  von  herzen  — 
auch  nicht  übertreiben,     im  17  jh.  verdient  noch  Aug.  Buchner, 
öer    daktyliker,   der  mafsgebende  Wittenberger  professor,   einen 
platz;  dann  die  garnicht  vertretenen  gesellschaftsdichter  wie  GrelT* 
lioger,  Wenzel  Scherffer;  auch  von  Filidor  dem  dorferer  wissen 
wir  jetzt,    dank    Küster,    wie    er    ausgesehen    hat;    Schwiegers 
*Liebesgrillen'  (Hamb.  1654)  zeigen  einen  schreibenden  Jüngling, 
dem  Pallas  dictiert :  das  soll  doch  wol  der  dichter  sein  ?   Stoppes 
selbstgeßilliges  bild  ^einsam   und   vergnügt',    im    Schlafrock    bei 
coCTee   und   loback,    ist   für    gewisse    niedre    Sphären   lustig  be- 
zeichnend,     weiter  erinnre  ich   an   den   politicus   Riemer,    den 
wir  Dicht  nur  von  vorne,  sondern   anscheinend  gar  von   hinten 
kenoen    0 Schatzmeister'   Lpz.   u.   Frkft.    1681);    an    Drollinger, 
Bichey,    an   Günthers  gönner,    den    klugen   Philander   von    der 
Linde;    vor  allem  an   den  ästhetiker  Baumgarten,    dessen    name 
trotz    allem   eine  poesiebefreiende   tat  bedeutet  usw.     für   unsre 
classische  zeit  ist  sehr  reich  gesorgt;  Sprickmann  fand  ich  nicht 
und   unter  den  buchhändlern  PhilErReich,   den  GralT  vortrefflich 
gemalt   hat;    von   der  Bondeli   gibts   wol  kein   bild?    sonst   eine 
fülle,  die  im  interesse  andrer  sogar  hie  und  da  gemindert  werden 
konnte  :  ich  wenigstens  würde  von  den  dutzendphilosophen,   den 
Moses,  Garve,  Abbt,  Engel,  Sturz,  ohne  schmerz  manchen  ent- 
behren  :  solche   leute,    die   man   nur    im   plural   denken   kann, 
brauchen  eben  nur  diesen  oder  jenen  repräsentanten. 

Ernstlicher  weicht  mein  urteil  im  19  jh.  ab  :  auf  die  jüngste 
periode  unsrer  dichtung  geh  ich  geflissentlich  nicht  ein.  aber  wo 
ist  Rahel  ?  ich  liebe  sie  wahrhaftig  nicht :  es  gab  doch  aber  eine 
zeit,  wo  der  salonesprit  herschte,  den  sie  besafs  wie  keine  zweite 
und  den  sie,  wer  dürfte  das  leugnen?,  auch  fruchtbar  zu  machen 
wüste,  von  bedeutenderen  namen  kennt  der  Bilderatlas  nicht  den 
grafen  Loben,  den  humoristen  Weisflog,  die  jungdeulschen  Wien- 
barg, Mundt,  GeoBüchner,  den  fürsten  Pückler,  die  lyriker  Strach- 
witz,  Gilm,  Leuthold,  die  romanschriftsteller  AvSternberg,  Seals- 
^eld.  Spindler,  den  epiker  Scherenberg,  den  satyriker  Glassbrenner; 
zumal  aber  brauchls  die  pbilosophen  Feuerbach  und  Nietzsche, 
die  wahrlich  dringender  in  eine  deutsche  litteraturgeschichte  ge- 


28  RÖNNECKB    BILDERATLAS 

hören,  als  ein  bedeuteDder  gelehrter  yod  so  geringeo  schrift- 
slellerischen  qualilätea  wie  GeoWailz,  aber  auch  als  HerbarU 
Röscher,  Lolze,  AWoltmann,  Lübke  uod  manche  andre  von  den 
aufgenommenen  professoren.  ich  habe  mich  ja  der  starken  be- 
rücksichtigung  der  Wissenschaft  gefreut,  und  so  bedeutende  pro- 
saiker  wie  zb.  Ranke,  Mommsen,  Treitschke,  Vischer,  Lagarde 
haben  den  allerbesten  anspruch  auf  ihren  platz  :  auch  Jacob 
Rurckhardt  wird  künftig  nicht  fehlen  dürfen,  wie  ich  denn  au» 
andern  naheliegenden  gründen  den  mythologen  Creuzer,  den  pby- 
siker  Ritter  und  ähnliche  Vertreter  romantischen  denkens  in  der 
Wissenschaft  zur  erwägung  stelle,  wo  aber  das  verdienst  ganz 
vorwiegend  wissenschaftlich  ist,  da  hat  selbst  der  fruchtbare  mode- 
autor  den  vortritt.  K.  hat  diese  species  unbillich  zurückgeschoben^ 
er  bringt  ja  Langbein,  Clauren,  Vulpius.  aber  das  ist  zu  wenig, 
wo  bleibt  der  göttliche  Lafontaine,  wo  Gramer,  SchiUing,  Lauiu 
die  deutschen  Scotte  vdVelde  und  Tromlitz,  wo  der  Freischütz- 
dichter, wo  eine  so  merkwürdige  erscheinung  wie  Julius  vVoss? 
selbst  Luise  Mühlbach  oder  die  Marlitt  scheinen  mir  dringlicher 
als  Höfer  und  Rodenberg.  auch  bühnenbeherscher  wie  die  Birch« 
Pfeiffer,  der  talentvolle  possendichter  Räder,  der  dichter  des  Nar- 
ziss  gehören  in  ein  solches  buch,  das  nur  vor  den  litterarischen 
und  theatralischen  siegen  der  nackten  impotenz  halt  macheu  darf: 
mehr  talent  als  Mosentbal  hat  die  Birch  -  Pfeiffer  gewis  gehabt, 
und  endlich  :  wie  darf  der  gewaltige  machthaber  der  Dresdner 
abendzeitung,  wie  darf  Theodor  Hell  vergessen  werden?  auch 
Gubitz  und  der  gefürchtete  feind  der  schönen  Henriette,  Rellstab 
durften  etwa  erscheinen,  so  einflussreiche  litterarische  organe 
wie  Abendzeitung  und  Morgenblatt,  auch  manches  der  taschen- 
bücber  für  das  frauenzimmer  beiderlei  geschlechts  scheinen  mir 
sogar  des  facsimiles  nicht  unwürdig,  man  denke  über  die  er- 
spriefslicbkeit  dieser  ästhetischen  Zeitschriften  wie  man  will,  sie 
haben  ihrer  zeit  markt  und  meinung  beherscht,  wie  Gott  sei  dank 
heute  nichts  ihrer  art.  fehlte  es  K.  an  räum,  nun,  ich  wäre  um 
Streichungen  nicht  verlegen,  zumal  von  s.  381  an;  aber  auch  für 
Theodor  Körner  sind  zwei  blatt  des  guten  doch  über  alles  Ver- 
hältnis zu  viel,  und  €\n  exemplar  Auerbach  (s.  377)  hätte  mir 
auch  genügt. 

Nun  aber  genug!  von  dem  reichen  und  freigebigen  wird 
füglich  erst  recht  gefordert,  und  es  ist  nur  billich,  dass  in  wissen- 
schaftlichen dingen  der  dank  auch  wol  die  form  verdoppelter 
wünsche  annimmt,  ich  bin  mir  wohl  bewust,  welch  willkürlichen 
Charakter  meine  bemerkungen  tragen,  wie  zufällig  hier  mein 
wissen  ist;  ich  fühle  nicht  minder,  wie  viele  meiner  ansprüche 
eben  erst  dadurch  rege  werden  konnten,  dass  ich  aus  R.s  schönem 
werke  gelernt  habe,  auf  dinge  zu  achten,  über  die  ich  früher  all- 
zuleicht hinwegsah,  die  grofsen  Vorzüge  der  zweiten  aufläge  vor 
der  ersten  lassen  mich  gleichen  fortschritt  zur  dritten  hin  hoffen. 


kOnnecke  bildebatlas  29 

und  dazu  wollt  ich  helfen,  der  bitte  gemärs,  mit  der  K.  seine 
erste  vorrede  geschlossen  hat,  hab  ich  nicht  gezögert,  so  manches 
TOD  dem  auszuschütten,  was  mir  in  fleifsiger  benutzung  des  Bilder- 
atlas sich  aufgedrängt  hat  der  grund-  und  schlusston  muss  doch 
der  ungebrochne  klang  voller  anerkennung  sein«  wer  unserm 
ao^e  gestalten  und  bücher  vergangener  tage  zu  so  reicher  an- 
schauuug  bringt,  wer  uns  den  wechselnden  kunstgeschmack  in 
bachschmuck,  porträt  und  bühnenwesen  so  sinnfällig  vergegen- 
ivärUgt,  der  verstärkt  in  unsrer  litlerarhistorischen  arbeit  ein  un- 
scbAtzbares  sinnliches  element,  das  über  bücher  und  papier  hin- 
weg scbliefslicb  doch  frische  wege  in  die  nachschaffende  kenntnis 
pulsierenden  lebens  bahnt. 

Gottiogen,  September  1899.  Robthe. 


^niederdeutsche  Studien,  von  dr  H.  Tümpel,  Oberlehrer  am  gymnasium  zu 
Bielefeld.  Bielefeld  und  Leipzi^j^,  Velhagen  &  Kissing,  1898.  xii  und 
151  SS.  8®.  —  3  ro. 

Die  vorliegende  schrift,  deren  erste  30  seilen  schon  1896 
als  heilage  zum  osterprogramm  des  Bielefelder  gymoasiums  er- 
schieDeii  sind,  stellt  eine  weiierführung  der  bekannten  abhand- 
Jung  des  verf.s  in  Paul  und  Braunes  Beitr.  7, 1  ff  dar.  während 
aber  Tümpel  damals  die  ostelbischen  bezirke  sowie  Schleswig- 
Holstein  unberücksichtigt  liefs  und  seine  hauptaufmerksamkeit  auf 
die  mundartlichen  verschiedenheilen  in  der  spräche  des  alten 
niedersächsischen  laodes  richtete,  sind  jetzt  der  ndd.  norden  und 
das  Siedlungsgebiet  auf  ehemaligem  Slavenboden  mit  in  die  Unter- 
suchung gezogen  und  die  frage  nach  einer  mnd.  Schriftsprache 
i»teht  nunmehr  im  Vordergründe,  ein  fernerer  unterschied  zeigt 
sich  in  der  benutzung  des  materials  :  in  dem  artikel  der  Beiträge 
sind  blofs  Urkunden  benutzt^  in  diesem  buche  aber  auch  andre 
quellen,  wie  rechtsdenkmäler ,  briefe,  Chroniken,  daneben  auch 
neuniederdeutsche  schriflen  und  dialektforschungen.  selbst  Wenkers 
Sprachatlas  und  eine  reihe  noch  unveröffentlichter  materialien  aus 
den  Sammlungen  des  genannten  forschers,  die  T.  in  Marburg 
und  durch  briefliche  mitteilungen  Wredes  zugänglich  gemacht 
wurden,  sind  der  Untersuchung  zu  gute  gekommen,  dass  der 
verf.  es  an  müh  und  fleifs  nicht  hat  fehlen  lassen,  ersieht  man 
schon  aus  dem  am  ende  des  buches  gedruckten  queilenverzeicbnis, 
das  15  SS.  (134 — 149)  umfasst;  auch  sonst  zeugt  die  arbeit  über- 
all von  liebevollem  verliefen  in  den  oft  trockenen  und  öden  Stoff, 
der  häufig  erst  —  wie  das  Vorwort  sagt  —  nach  langer  Wanderung 
einen  ausblick  eröffnete,  aber  die  brennende  frage  nach  dem 
Wesen  und  der  entwicklung  einer  mnd.  Schriftsprache  hat  auch 
durch  T.s  bemühungen  eine  bedeutende  förderuug  erfahren,  und 
alle  forscher  auf  diesem  leider  noch  so  wenig  bekannten  gebiete 
sind  ihm  für  seine  Studien  zu  lebhaftem  danke  verpflichtet. 


30  TÜMPEL    NIEDERDEDTSCHE   STUDIEN 

WerfeD  wir  Dunmehr  einen  blicii  auf  den  inhalt  des  buchest 
das  1  capitel,  überschrieben  ^Grundsiitze  der  quellen- 
benutzung',  bespricht  die  frage,  welchen  wert  die  mnd.  denk- 
mäler,  Urkunden  sowol  wie  andre  aufzeichnungen ,  für  die  be- 
stimnaung  der  ortsmundarten  haben.  T.  verteidigt  warm  die  mehr- 
fach verdächtigten  Urkunden,  wenn  mnd.  formen  mit  denjenigen 
der  heutigen  mundart  übereinstimmen,  gehörten  sie  wahrschein* 
lieh  der  würklichen  spräche  an,  wenn  auch  die  mOglichkeit  nicht 
ausgeschlossen  ist,  dass  sie  erst  später  in  die  letztere  einge«- 
drungen  sind;  weichen  aber  die  mnd.  formen  von  den  heutigen 
ab  und  stimmen  diese  widerum  mit  den  altsächsischen  überein, 
so  müssen  jene  formen  der  Schriftsprache  angehört  haben,  be* 
sondre  Verhältnisse  herschten  in  colonisierten  orten,  wo  sich 
Niederdeutsche  verschiedner  herkunft  niederliefsen  und  sich  erst 
allmählich  durch  ausgleichung  einheitliche sprachgruppen  bildeten: 
hier  kann  die  mnd.  litteratur  gar  wol  formen  bewahren,  die  da- 
mals würkhch  gesprochen  wurden,  aber  heute  verschwunden  sind, 
schliefslich  gibt  es  beweise  dafür,  dass  schon  im  16  jh.  sprach- 
lich abgestufte  bevölkerungsschichten  bestanden,  indem  bauern 
und  arbeiter  eine  gröbere,  Städter  und  gebildete  eine  feinere 
mundart  redeten,  dasselbe  mag  bereits  in  früherer  zeit  der  fall 
gewesen  sein,  und  auch  solche  Verschiedenheiten  können  in  den 
quellen  zu  tage  treten,  wenn  es  natürlich  auch  schwer  f^llt,  hier 
eine  entscheidung  zu  tretfen.  in  neuerer  zeit  finden  sich  auch 
dialektmischungen  infolge  des  wechselnden  Wohnorts  der  Verfasser; 
darum  dürfen  denkmäler  der  letzten  Jahrhunderte  nicht  immer 
unbedingt  als  reine  quellen  einer  ortsmundart  angesehen  werden, 
nachdem  T.  so  alle  etwaigen  fehlerquellen  nachgewiesen  hat,  geht 
er  im  2  cap.  zum  vocalismus  über  und  behandelt  in  7  ab- 
schnitten :  1)  van  und  von,  2)  den  Wechsel  von  t  und  e,  3)  die 
formen  für  'oder'  :  efte,  ofte,  edder  und  oder,  4)  den  Übergang 
von  0  zu  a,  5)  den  Wechsel  von  e,  et  und  i,  ie,  6)  den  von  6 
und  \\,  7)  die  präpos.  to,  te.  seine  ansieht  Ober  das  neben- 
einanderbestehn  von  von  und  van^  hat  T.  später  (s.  1321)  unter 
dem  einfluss  der  Jostesschen  aufstellungen  Zs.  40,  129  ff  geändert, 
der  von  bekanntlich  für  sOdostsächsisch  erklärt,  während  T.  darin 
ursprünglich  hochd.  einfiuss  vermutete,  wegen  der  as.  formen 
verweis  ich  jetzt  auf  mein  Altsächs.  elementarbuch  §  127  anm.  1 ; 
ich  halte  fan  für  die  betonte,  fon  für  die  unbetonte  form  (vgl. 
ae.  an  und  on).  —  der  Wechsel  von  e  und  t  findet  sich  ja  auch 
schon  vereinzelt  im  as.  (vgl.  mein  Clementarbuch  §78,  §§82fi' 
und  §  126),  wo  er  allerdings  auf  verschiedenen  gründen  beruht, 
wenn  heutiges  westfäl.  ta  für  as.  t  auf  mnd.  t  zurückgeht,  wie 
ich  jetzt  auch  glaube,  so  setzt  die  gleiche  Vertretung  des  as.  e 
(t-umlaut  von  a),  zb.  in  bi9k9  'bach',  wol  zunächst  einen  allge- 
meinen  westföl.  Übergang   von  ä  zu  t  voraus,     dies   konnte   bei 

^  8. 13  z.  6  ÜB  von  statt  vanl 


TÜMPEL  KIEDEBDEÜTSCHE  STUDIEN  31 

^schwond  sogar  lang  werdfo,   vgl.  Soester  $iui9  'släUe'  b»  stie, 
Uidt^  itkii.    das  s.  17  f  besprochene  gistem  'gestern'  zeigt  offen- 
bar denselben  einfluss  des  g  wie  schon  as.  giian,  gtba  und  gilf 
(Elementarb.  §  83).  —  zu   den  formen   für  'oder'  vgl.  jetzt  As. 
elenentarh.  §§  121.  152  anm.  2.   204   und   208   anm.  und   den 
artikel  von  WHorn   in   den  Beitr.  24,  403 ff.     auch   die  Soester 
mandart  bat  of  in  ausdrücken  me  'n  ttir  of  taind  'gegen  10  uhr' 
(wortlich  :  'ein  uhr  oder  10',  vgl.  nhd.  ein  stück  'er  zehn).  — 
zu  §  4  habe  ich  nur  zu  bemerken ,   dass  schon  das  as.  einzelne 
«  fSr  o  kennt  (Elementarb.  §  86  anm.  1),  zb.  gibaran,  hanig.  — 
der  interessante  §  5  :  Wechsel  von  e,  et  und  i,  ie  erinnerte  mich 
an  eine  ähnliche  erscheinung  in  der  engl.  Orthographie,  wo  bekannt- 
lich te  schon   me«  zur  bezeichnung   des   langen  geschlossenen  e 
dient,  vgl.  ne.  chief,  friend,  shield  uä.^     hier  war  es  der  dialek- 
tische Übergang  von  afrz.  ie'^^,  der  die  'umgekehrte  Schreibung' 
hervorrief;  das  geschriebene  chief,  gesprochen  tief,  war  die  ver- 
anlassung, auch  friend,  shield  für  frend,  shild  zu  schreiben,    vgl. 
hierzu  T.  s.  28,   der   übrigens  auch   noch  nr  4   auf  s.  30  hätte 
heranziehen  sollen,  da  mnd.  seh  auf  spät-as.  stan,  sien  zurückgeht 
(vgl.  Elementarb.  §  83).    bei  nr  5  (s.  31  ff)  wäre  es  vielleicht  gut 
geviesen,  die  fälle,  wo  e  *==  urgerm.  ai  vor  folgendem  t  oder  j 
steht  und  wo  im  heutigen  westf^l.  t-umlaut  vorligt  (vgl.  Soester 
tHii/9  'weizen',  as.  hvoeti,  neben  mü  'ich  weifs'),  von  den  übrigen 
ZQ  sondern.    Schreibungen  wie  die  von  T.  s.  32  angeführten  as. 
kahion^  gihrinid  C  »=»  bethion,  gihrenid   sind   aber  gewis    blofs 
Schreibfehler,  die  in  ihrer  Vereinzelung  nichts  beweisen.  —  einen 
zwingenden  grund,  mit  T.  die  as.  e  -»  germ.  ai  in  zwei  classen, 
eine  speciell  as.  und  eine  gemeindeutsche,  zu  zerlegen,  kann  ich 
nicht  finden;    das  s.  35   unter   5b  aufgeführte  süe  ^seele'  geht 
Qbrigens  auf  spät-as.  siala  (im  Ps.-comm.)  zurück,  und   könnte 
somit  historische  Schreibung  zeigen,   wenn  man   eine  miltelform 
^siele  annimmt,    dagegen  mira  ==:  mera  C  (s.  36  unten)  ist  offen- 
bar Schreibfehler;  das  ebenda  genannte  kierla,  bikiert  der  Prud.- 
gll.  jedoch  zeigt  palatalisierung  des  k  vor  e,  ist  somit  kjerta,  bikjert 
zu    lesen,  vgl.  As.  elementarb.  §  242.     zum  überfluss  sind  diese 
beiden  formen  noch  hd.  im  consonantismusi  —  wie  für  t  =  e 
ist  auch  für  u  B=:  0  (urgerm.  d)  die  mark  Brandenburg  der  mittel- 
pnnct.    T.  mochte  diesen,  in  §  6  ausführlich  erörterten  Übergang 
teilweise  durch  hochdeutsche  bestandteile  der  colonisten-bevölke- 
mn^,    teilweise  durch   den   einfluss   der  hd.  Schriftsprache  aufs 
DQnd.   erklären   (s.  42   unten  f.).     s.  133   setzt  er  sich  darüber 
mit  Jostes  auseinander,   der  as.  uo  für  eine   südostsächs.  eigen- 
ttlmlichkeit  hält  und  darnach  Hei.  C  mit  andern  denkmälern  nach 
Ostfalen  verlegt,     wegen   der  im   as.  weitverbreiteten  Schreibung 
«fo  vgl.  übrigens  mein  Elementarb.  §  94  f.     ich  halte   den  Über- 
gang  von  ö  ]>  tio   für  ebenso  gut  as.  wie  den  von  e  >>  ie  und 
>  Tgl.  Morsbacti  Me.  frammatik  s.  36  miUe. 


32  TÜMPEL  niEDERDBDTSCHE  STDDIBN 

nieine  im  mnd.  u  (ü)  eine  ebenso  historische  Schreibung  erblicken 
zu  dürfen,  wie  in  den  oben  besprochenen  ie  fOr  as.  ie,  ia,  to. 
diese  Schreibung  gewährte  zugleich  die  möglichkeit,  nd.  o  «= 
urgerm.  ö  und  ndd.  ö  =  urgerm.  au  zu  unterscheiden,  add. 
(Soester)  xu9t  *gut',  das  T.  s.  44  bespricht,  muss  hd.  lebnwort 
«ein  und  setzt  zunächst  ein  kurzes  u  voraus,  Soester  xrius  ist 
ebenso  'missingsch',  wie  jiud9  ^jude',  piudl  'pudel'  uaa.  warum 
aber  nicht  auch  *xmt1  —  das  in  §  7  s.  46f  besprochene  tote 
*zu'  findet  sich  as.  schon  im  Ps.-comm.,  der,  wenn  T.s  Sammlung 
alle  mnd.  beispiele  erschöpft,  aus  Münster,  Dortmund  oder  Soest 
stammen  konnte,  da  natürlich  Lübeck,  Riga,  Stendal  und  Branden- 
burg für  jene  zeit  noch  nicht  in  betracht  kommen,  einen  schönen 
beweis  für  die  richtigkeit  von  T.s  ergebnis,  dass  te  vorwiegend 
dem  Westen  angehörte,  bildet  der  name  Altena  gegenüber  Mona 
<8.  48). 

Das  3  cap.  ^Zum  consonantismus'  behandelt  die  Schrei- 
bung th,  dh  für  mnd.  d,  ferner  intervocal.  d^  iol.  d  nach  n,  l,  r 
und  den  abfall  des  t  in  nicht  usw.,  sowie  die  formen  für  'nicht' 
und  'nichts',  die  Schreibung  dh  (s.  49)  findet  sich  schon  —  neben 
dh  —  in  der  as.  Genesis  (vgl.  Elementarb.  §  206  anm.);  die  form 
erder  =  edder  (s.  56)  möcht  ich  nicht  für  einen  druck-  oder 
Schreibfehler  ansehen,  da  ähnliches  auch  sonst  vorkommt,  vgl.  as. 
giwerthiridf  Elementarb.  §  179  anm.;  nnd.  niks  'nichts'  ist  wol 
dissimilation  der  Spiranten,  da  es  zunächst  auf  nichs  zurückgeht, 
also  mit  as.  ekso  =  *egso  (di.  echso)  und  mnd.  ekster  'elster'  «= 
as.  agastria  (mittelform  *echster)  zu  vergleichen,  dieses  -chs^  hatte 
Jedesfalls  eine  schärfere  ausspräche  als  das  alte  -As-,  da  letzteres 
bekanntlich  -ss-^  im  auslaut  -s,  ergibt. 

Im  4  cap.  'Ableitungs-,  flexions-  und  proklitische 
Silben'  werden  der  Wechsel  von  e  und  t  in  den  endungen,  so- 
wie die  präfixe  be-,  ho-,  hu-,  6i-  und  er-,  der-,  dir-  besprochen, 
in  dem  -t-  für  -e-,  dessen  Verbreitung  genauer  nachgewiesen  wird, 
sieht  T.  mitteldeutsche  einflüsse,  ho-,  bu-  ist  besonders  häufig 
Ostlich  der  Elbe,  ebenso  ist  der-,  dir-  aufs  colonistengebiet  be- 
schränkt und  offenbar  hochdeutsch. 

Das  5  cap.  gibt  belege  für  den  im  westen,  in  Lübeck  und 
im  nordosten  häufigen  gen.  der,  des  Stades  ^der  Stadt'. 

Besonders  wichtig  und  interessant  ist  das  den  pronominal- 
formen ik,  ek,  mi,  mik,  di,  dik,  dek,  sik,  sek,  wy,  we,  eme,  ome, 
ime  und  us,  uns,  os,  tisik  gewidmete  6  cap.  in  mnd.  zeit  haben 
Westfalen,  das  nördliche  Hannover  und  die  Altmark  -ik,  während 
sich  das  gebiet  der  die  Elbe  und  Saale  nicht  überschreitenden 
-eft-formeu  wesentlich  mit  dem  heutigen  deckt  (s.  73);  nur  in 
einigen  gegenden  ist  -ik  auf  kosten  des  -ek  vorgedrungen,  um- 
gekehrt kommt  jetzt  -ek  auch  in  Ost-  und  Westpreufsen ,  sowie 
an  der  untern  Ruhr  vor.  -r-  ausführlich  wird  dann  die  mnd.  und 
die  heutige  Verteilung  der  formen  mi,  mik  und  di,  dik,  zt.  auf 


TÜMPEL   NIEDERDEUTSCHE   STUDIEN  33 

gruod  neueD  malerials,  erörtert  und  auch  die  nebeDformen  me, 
de  Dicht  übersehen  (s.  84),  die  in  wi,  u>e  eine  parallele  habeo 
(s.  860)-  letzteres  war  im  mnd.  sehr  verbreitet,  ist  aber  später 
beträchtlich  zurückgegangeo.  —  auch  der  Wechsel  der  vocale  in 
eme,  cme,  ime,  ere  usw.,  ene  usw.  gibt  zu  läugern  ausfUhruageD 
veranlassuDg  (s.  91  ff),  und  T.  kann  auch  hier  eine  wesentliche 
Übereinstimmung  zwischen  mnd.  und  und.  zeigen,  woneben  aber 
auch  wider  gebietseinschränkungen  vorkommen.  —  endlich  er- 
örtert T.  die  formen  uns,  ons,  us,  os,  usik.  da  das  as.  nur  üs 
kennt,  woneben  die  Harzer  formen  ein  nicht  überliefertes  *üsik 
erschliefsen  lassen,  so  kann  man  in  dem  überhandnehmen  der 
form  uns  hier  so  recht  deutlich  den  einfluss  der  Schriftsprache 
erkennen,  der  sich  sogar  in  einzelnen  fällen  urkundlich  nach- 
weisen lässt. 

Das  kurze  7  cap.  behandelt  die  Zahlwörter  twene  und  twö, 
die  im  mnd.  noch  lange  vom  n.  twe  geschieden  bleiben,  bis  sie 
endlich  von  diesem  ganz  verdrängt  werden,  die  verschiedenen 
formen  des  f.  twö,  twUf  tu,  tö  gehu  offenbar  auf  as.  two  zurück; 
ein  dem  as.  twä  entsprechendes  tvä  ist  nur  einmal  in  der  Sachs, 
wellchronik  belegt. 

Im  8  cap.  werden  eine  anzahl  charakteristischer  verbalformen, 
wie  1)  is,  es,  ist,  2)  hevet,  heft,  het,  3)  schal,  sal  usw.,  4)  der 
pL  auf  -et  und  -en,  5)  die  formen  des  pl.  prät.  ind.  der  iv  und 
V  ablautsreihe  besprochen,  von  den  erstgenannten  ist  is  durch- 
aus die  berschende  form,  woneben  nur  selten  es  und  (etwas  häu- 
figer) ist  erscheint,  im  as.  kommt  ja  ist  neben  is  oft  in  C, 
seltner  in  M  vor,  während  von  den  kleinern  denkm.  nur  die 
Werd.  Prud.-gll.  einmal  ist  bieten,  vgl.  mein  As.  elementarbuch 
§  239  anm.  2  und  §  473  anm.  das  heutige  nd.  scheint  nur  is 
zu  kennen.  —  'er  hat'  heifst  as.  in  C  hc^it «»  havid  in  den  EU. 
und  Ess.  gll.  das  ältere  mnd.  hevet  setzt  ein  *heiit  voraus,  vgl. 
die  formen  hebhiu,  hehbiad,  h'ebbie,  hebbian  und  segis  in  C 
{Elementarb.  §  465).  später  tritt  dafür,  aufser  in  Westfalen  und 
den  Oslseeprovinzen ,  in  der  regel  heft  ein,  während  die  heute 
sehr  häufigen  het,  hat  ^  im  mnd.  viel  spärlicher  belegt  sind,  seltne 
nebeuform  ist  hef.  —  schal  hat  in  Westfalen  meist  die  jüngere 
nebenform  sal,  die  auch  im  nordosten  und  in  der  mark  Branden- 
burg häufig  erscheint,  jetzt  ist  überall  die  letztere  form  im. vor- 
dringen oder  herscht  schon,  in  as.  zeit  bietet  nur  die  Gen.  ein- 
mal die  2  pers.  salt,  die  formen  ohne  -ür-,  die  sich  auch  in  engl, 
und  skandin.  mundarten  finden,  sind  wol  die  im  satze  unbetonten 
gewesen,  und  ich  möchte  annehmen,  dass  zunächst  im  hilfszeit- 
worte  unmittelbar  nach  einem  consonanten,  also  in  fällen  wie 
ik  skal  kuman,  wit  skulun  usw.,  diese  erleichlerung  des  anlauts 
durchgeführt  wäre,     im  pl.  kommen  formen  ohne  /,  wie  schun, 

^  die  Soesler  form  ist  öbrigeos  hpaty  nicht  hevt,  wie  T.  8. 109  z.  8  v.o. 
bieieil    ea  ist  'brechang'  von  e, 

A.  F.  D.  A.  XXVI.  3 


34  TÜMPEL    r(IEDERD£UTSCHB   STUDlEIf 

schon,  snn  bis  zur  mitte  des  14  jhs.  nicht  gerade  selten  vor 
(s.  113),  verschwinden  dann  im  15  durch  den  einfluss  der  Schrift- 
sprache, um  im  19  wider  aufzutauchen.  —  die  pluralendung  des 
ind.  ist  jetzt  ein  wichtiges  dialekt^iriterium,  da  die  mundarten  auf 
as.  boden  -r,  in  den  colonistengegenden  —  mit  ausnähme  von 
Ostholstein  und  dem  westl.  Mecklenburg  —  dagegen  -n  zeigen, 
letzteres  herscht  auch  schon  in  der  Altmark  und  bei  Magdeburg 
bis  zum  Harz  hin  (s.  114).  in  mnd.  zeit  ist  anfangs  -et  auf  al- 
tem Sachsenboden  noch  überwiegend,  um  dann  gegen  1500  fasi 
ganz  zu  verschwinden  und  durch  die  aus  dem  hd.  und  dem  nl. 
stammende  endung  -en  ersetzt  zu  werden,  dabei  trugen  wol  auch 
die  präteritopräsentia ,  der  conj.  präs.  und  das  ganze  prät.  mit 
bei.  als  -et  noch  herscht,  nehmen  auch  die  prat-präsentia  häufig 
diese  endung  an.  im  ostelbischen  gebiet  ist  dagegen  schon  in 
mnd.  zeit  -en  die  regel,  -et  die  ausnähme,  doch  ist  die  grenzlinie 
zwischen  beiden  endungen  nicht  dieselbe,  wie  heute,  endlich  ist 
die  endung  -ent  vereinzelt  mnd.  bezeugt  und  findet  sich  auch 
jetzt  noch  in  grenzmundarten;  T.  hätte  dabei  an  die  vereinzelten 
-ent,  -and,  -ond  in  C,  M  und  den  Werd.  gll.  erinnern  können 
(vgl.  mein  Elementarb.  §  405  anm.  4) ,  die  aber  auf  die  2  und 
3  pers.  beschränkt  sind.  —  der  letzte  §  behandelt  den  umlaut 
im  pl.  ind.  prät.  in  weren  'waren\  spreken  'sprachen',  der,  aus 
dem  conjunctiv  eingedrungen,  in  früherer  zeit  noch  öfters  Fehlt, 
wenn  aber  später  wider  ä  auftritt,  ist  dies  wol  hd.  einfluss  der 
Schriftsprache,  heute  ist  der  umlaut  allgemein;  formen  wie  uxBrm 
(s.  123)  neben  weren  erklären  sich  durch  den  einfluss  des  ver- 
bums 'werden',  vgl.  Soester  mda.  §  300  anm. 

In  cap.  9  bespricht  T.  t^inen  lall  von  assimilation,  näm- 
lich den  des  artikels  mit  vorausgehender  präposition.  hier  finden 
sich  sowol  in  älterer  wie  in  späterer  zeit  die  vollen  formen  neben 
den  assimilierten,  zb.  üter  neben  üU  der^  doch  gelangt  T.  zu 
keiner  sichern  entscheidung  darüber,  ob  in  Jüngern  Schriftstücken 
die  letztern  formen  vermieden  werden  oder  nicht,  gewisse 
Schreiber  scheinen  nämlich  unter  dem  einflusse  der  Schriftsprache 
wider  die  unassimilierten  formen  einzuführen  (s.  125). 

Das  10  und  letzte  cap.  fasst  die  'ergebnisse*  zusammen: 
es  gab  im  mittelalter  zwar  noch  keine  durchgeführte,  einheitliche 
mnd.  Schriftsprache,  wol  aber  ausätze  zu  einer  solchen;  die  volle 
entwicklung  wurde  durch  das  eindringen  der  hd.  gemeinspracbe 
im  16 — 17  jh.  unterbrochen  (s.  128). 

Ein  'exe Urs'  bespricht  'die  nd.  mundarten  und  die  heimai 
der  as.  denkniäler'  auf  grund  des  aufsalzes  von  Joste8Zs.40, 1290', 
zu  dem  T.,  auf  seine  eignen  forschungen  gestützt,  nunmehr 
Stellung  nimmt,  was  zuerst  den  Heliand  betriflt,  der  im  acc  (wie 
Gen.  stets)  meist  mi,  thi,  und  nur  vereinzelt  mik,  thik  hat,  so 
hält  T.  die  ersteren  formen  für  die  des  dichters,  die  letztern  für 
copisteneigentümlichkeiten.    dies  würde  als  heimat  des  Verfassers 


TDMPEL    NIEDERDEUTSCHE   STODlIPi  35 

das  sOdOsll.  Westfalen  und  das  gebiet  zwischen  Oberweser  und 
Mittelelbe  ansschliefsen.  der  Harz  (Südostsachsen)  ist  auch  des- 
halb ausznschliefsen,  weil  man  sonst  einen  dat.  acc.  *üsik  im  Hei. 
finden  müste.  die  dichtung  kennt  aber  nur  die  kürzere  form  üs. 
io  den  kl.  denkm.  finden  sich  vereinzelt  die  acc-formen  tnik,  thik 
io  der  Beichte^  dem  Ps.-comm.  und  den  Werd.  Prud.-gll.,  was 
natürlich  auf  beziehungen  zu  den  heutigen  mtÄr-gebieten  deutet, 
wenn  T.  behauptet,  der  acc.  'uns'  käme  im  as.  nicht  vor,  so  wird 
er  sich  aus  der  neuen  ausgäbe  von  Wadstein  überzeugen,  dass 
die  Gregorgll.  dreimal  den  acc.  üs  bieten,  die  formen  ek,  thek^ 
mA  finden  sich  in  echt-as.  quellen  ^  gar  nicht,  während  sie  doch 
im  nnd.  zwischen  Oberweser  und  Mittelelbe  herschen,  im  mnd. 
noch  weiter  gereicht  haben,  also  ostsäcbsisch  sein  müssen,  dies 
widerlegt  genügend  die  annähme  von  Jostes,  dass  die  meisten  as. 
denkmäler  dem  osten  angehörten!  nur  die  östlichen  me,  we 
finden  sich  ganz  vereinzelt  in  M.  T.  meint,  vielleicht  wären  die 
dc^  mek,  thek,  we,  ge  nur  unbetonte  nebenformen  zu  ik  usw.  und 
hätten  in  as.  zeit  noch  keine  dialektische  bedeutung  ge- 
habt, ich  verweise  noch  auf  die  ae.  (anglischen)  doppelformen 
mec,  mic  und  ^e,  gi,  ferner  auf  aisl.  ek  neben  runischem  ek,  ik, 
aisl.  fitt'Är,  pik  neben  anorw.  mek,  pekj  ohne  diese  schwierige  frage 
damit  erledigen  zu  wollen. 

Was  aber  die  heimatsfrage  der  handschriften  des  Heliand 
beirifft,  so  können  allerdings  die  vereinzelten  mik,  thik,  tne 
und  we  auf  den  Südosten  deuten.  T.  ist  jetzt  geneigt,  das 
voD  ihm  vorher  als  schriftsprachliche  (hd.)  form  erklärte  von 
mit  Jostes  für  echt  südostsächsisch  zu  halten,  doch  bleibt  er  in 
beziehung  auf  te  (i)  und  uo  (ü)  bei  seiner  meinung,  dass  sie 
einem  hd.  Schreiber  ihren  Ursprung  verdankten  und  daher  nicht 
echt  sächsisch  seien,  nun  findet  sich  ie  für  S  und  uo  für  6 
auch  häufig  in  andern  as.  denkmälern  (mein  Elementarb.  §§  92 
und  94)  und  es  ist  doch  höchst  unwahrscheinlich,  dass  wir  in 
allen  diesen  fallen  hd.  schrei bereinflüsse  haben  sollten  I  ich  glaube 
vielmehr,  wie  ich  schon  oben  s.  31  f  bemerkt  habe,  dass  auf  einem 
teile  des  as.  Sprachgebietes  S  und  d  würklich,  gleichwie  im  hd., 
diphthongiert  worden  sind,  dass  aber  im  mnd.  diese  diphthonge 
wider  zu  monophthongen  wurden,  der  rückgang  von  ie  zu  S  und 
von  uo  zu  ö  würde  ja  in  dem  unbezweifelbaren  Übergang  von 
ie  BS  eo,  io  (wie  in  mnd.  d^f  «==  as.  thiof)  in  S  und  von  iu  in 
ü  sein  gegenstück  haben!  dann  könnten  mnd. /eY  *liefs'  und  föt 
'fufe'  sowol  auf  as.  let,  föt  wie  auf  as.  liet,  fuot  zurückgehn.  ich 
steh  im  übrigen  nach  wie  vor  allen  localisierungsversuchen,  so 
weit  sie  die  as.  denkmäler  betreffen,  durchaus  ungläubig  gegen- 
über und  warte  auf  bessere  beweise,  als  die  bisher  beigebrachten. 
Gotenburg,  21  november  1899.  F.  Holthauser. 

^  zu  diesen  gehört  das  wanderliche  Taafgelöbnis  gewis  nicht! 


36  DETTER    DIE   LAUSAVISIIR   DER   E6IL8SAGA 

Die  lausavisur  der  Egiissaga.     beitrage  zu  ihrer  erklärung  von  F.  Detter. 
[aus  den  Abhandluugen  zur  germ.  philologie.    festgabe  für  R.Hbinzel.] 
[]]        Halle  a.  S.,  MNiemeyer,  1898.    s.  1—30.    sonderabdruck  1  m. 

lo  dieser  abhandluDg  hat  Detter  einige  der  Strophen  der 
Egiissaga  zum  gegenständ  einer  erneuten  Untersuchung  ge- 
macht :  es  sind  natürlich  vorzugsweise  die  schwersten  und  dun- 
kelsten, kein  wunder,  wenn  es  nicht  gelungen  ist,  alle  behan- 
delten stellen  befriedigend  zu  deuten,  der  vf.  hat  meine  er- 
klärungen  oder  vielmehr  erklärungsversuche  geprüft;  ich  gesteh 
aber,  dass  weder  die  meinigen  noch  die  jetzt  von  ihm  vor- 
getragenen die  Schwierigkeiten  gelöst  haben,  nur  eine,  die  er- 
klärung der  Str.  54  (s.  23 — 24),  scheint  mir  gut  und  besser  als 
die  meinige;  die  der  str.  2  (s.  3)  ist  jedesfalls  sehr  beachtenswert, 
die  übrigen  sind  ziemlich  gezwungen  und,  was  schlimmer  ist, 
nicht  immer  übereinstimmend  mit  der  ausdrucksweise  der  skalden 
oder  der  alten  spräche  überhaupt. 

regn  Haars  pegna  (str.  10)  kann  nicht,  wie  vf.  will,  eine 
Umschreibung  für  'kämpf  sein;  ^der  regen  der  Äsen'  ist  etwas 
ganz  anderes  als  wenn  der  kämpf  Mer  regen  (stürm)  Odins,  Hilds 
oder  der  walküre*  genannt  wird;  Odin^  Hild  oder  die  walkUre 
waren  gerade  kriegsgottheiten ,  aber  nicht  die  Äsen  überhaupt, 
dagegen  ist  'der  regen  der  Äsen'  (regen  »«  trunk)  eine  tadel- 
lose Umschreibung  des  skaldenmets  di.  des  gedichts.  der  ganze 
satz  ist  einer  der  häußgsten  in  der  skaldcndichtung.  warum  soll 
man  nun  eine  correcte  Umschreibung  mit  einer  unrichtigen  ver- 
tauschen?   was  ist  eigentlich  gewonnen? 

In  Str.  19  habe  ich  kndk  (Sagabibl.)  geschrieben,  nicht  weil 
knd  ek  etwas  bedenkliches  an  sich  hätte;  gegen  die  form  ist 
nichts  einzuwenden;  es  waren  vielmehr  die  hsl.  lesarten  auf  -t« 
des  voranstehenden  wertes  (j-meldis,  also  ein  ja-st.),  die  die  form 
kndk  ermöglichten,  übrigens  ist  D.s  Vorschlag  vanga  statt  vinga 
{unga)  nicht  eben  unmöglich,  aber  kaum  nötig. 

Die  Str.  23  und  24,  die  von  Egils  liebe  (zu  Asgerd)  handeln, 
und  worin  Egil  auf  ihren  namen  anspielt,  sind  mir  jetzt  ebenso 
unverständlich  als  früher.  —  bergonundr  kann  nicht  ein  ^riese' 
sein ;  noch  unmöglicher  ist  eine  Umschreibung  wie  ^faldr  (haupt- 
bedeckung  der  frauen)  des  .riesenlandes'  für  Gerfr  (und  GerJir, 
als  eine  asin,  wider  =  As-gerSr).  ich  versteh  gar  nicht,  wie 
eine  solche  kenning  überhaupt  nur  denkbar  wäre,  ein  non 
liquet  ist  doch  gewis  viel  besser,  ähnliches  gilt  auch  von  der 
Str. 24.  schon  eine  kenning  wie  sef-Skuld  'Skuld  iunceti',  di.Frigg, 
genügt,  um  zu  zeigen,  dass  wir  auch  hier  im  gebiete  der  Un- 
möglichkeit uns  befinden,  was  in  aller  weit  konnte  zu  einer 
solchen  Umschreibung  der  höchsten  göttin  berechtigen?  gewis 
nicht  der  umstand,  dass  sie  *herrin  der  Fensalir'  genannt  wird, 
denn  sef  und  Fensalir  haben  nichts  gemein,  ein  borga  ^sich 
hüten'  gibt  es,  wie  vf.  bemerkt,  auch  nicht,     mit  diesem  sonst 


DETTER    DIE   LADSAVISOR    DER   EGILSSAGA  37 

bekannteD  worte  sind  gjdlpa,  ekkja  *schenker  Dicht  parallel,  denn 
diese  ivOrter  sind  sonst  unbelegt,  mit  sauir  *opfer'  könnte 
es  sich  anders  verbalten. 

leider  in  der  folg.  str.  (25)  nimmt  vf.  eine  kenning  an,  die 
sonst  nicht  ihres  gleichen  hat;  ja,  hier  bildet  er  selbst  ein  worl 
pom  ^siccatio';  eine  *siccatio  cerevisiae'  (horna  d  *bier')  soll  *ein 
zug,  iein  schluck'  sein;  'Schluck-Ouund'  wider  b=s  Berg^pnundr, 
weil  herg-  sich  an  bergja  ^kosten ^  geniefsen'  schliefsen  kann  — 
alles  gleich  unwahrscheinlich  und  unannehmbar. 

Schlimm  steht  es  auch  mit  der  erklärung  der  str.  26,  wo 
alles,  was  in  betracht  kommt,  unsicher  ist.  fold  vceringja  würde 
niemand  den  ^holm',  wo  der  Zweikampf  gehalten  wurde,  genannt 
haben,  denn  varingi  bedeutet  sonst  niemals  ein  *krieger'  im  all- 
gemeinen, gegen  die  deutung  D.s  spricht  entschieden  das  impf. 
deildum,  was  er  ganz  übersehen  bat.  er  übersetzt  den  satz  :  *so- 
bald  wir  (ntergis  ver)  die  holmganga  ausge fochten  haben 
werden';  aber  impf,  ist  syntaktisch  ganz  unmöglich  von  etwas, 
was  futurisch  bezeichnet  werden  soll;  es  müste  deilum  oder 
munum  deila  (oder  endlich  munum  deilt  hafa)  heifsen.  damit 
fällt  die  ganze  erklärung. 

Zur  Str.  36  soll  nur  bemerkt  werden,  dass  in  der  zeile 
hnigrat  *hjallf^  sds  holla  die  dreifache  allitleration  ein  unding  ist; 
so  kann  ein  skalde  nicht  gedichtet  haben,  darum  ist  die  con- 
jectur  allr  notwendig;  allr  kann  auch  Uot*  bedeuten.  —  in  der 
Str.  42  kann  es  nicht  richtig  sein,  wenn  D.  eyia  qrmdlgastan 
hriiSur  construiert,  denn  in  einer  solchen  Verbindung  müste  ey^a 
mit  dativ  stehn;  es  heifst  etfia  land^==gera  land  autt  *ein  land 
verwüsten',  aber  zb.  eyia  mann  udgl.  hat  niemand  jemals  gesagt, 
auch  scheint  mir  die  bezeichnung  der  kehle  (I)  als  'der  bruder  des 
backenzahns'  eine  verzweifelte  zu  sein,  jedesfalls  sehr  zweifelhaft 
ist  es  weiter,  ob  man  jemals  hera  meS  mit  dativ  für  bera  mit 
einfachem  dativ  (^=>  überwältigen)  gesagt  hat. 

Zu  der  erklärung  der  str.  52  ist  zu  bemerken,  dass^^M  für  eldi 
(dativ)  kaum  für  so  alte  zeit  angenommen  werden  darf;  meine 
beispiele  aus  der  skaldenpoesie  sprechen  dagegen,  hierzu  kommt, 
dass  Etnblu  eldr  'das  feuer  der  E.'  in  der  bedeutung  'atem'  sicher 
Dicht  das  richtige  getroffen  hat. 

Zu  der  str.  55  bemerk  ich,  obwol  skipa  baria  baugskjoldum 
nicht  sprachwidrig  ist,  passt  eine  solche  Wendung  nicht  gut  in 
den  Zusammenhang;  es  ist  doch  viel  natürlicher,  dass  Einar 
drohend  sagt :  'ich  will  mir  einen  platz  auf  dem  schiffe  des  ring- 
schildtragenden  Sigvaldis  aufsuchen'  als  'ich  will  meinen  ringschild 
auf  dem  schiffe  Sigvaldis  aufhängen'.  —  betreffend  die  str.  58  ge- 
Dflgt  es  zu  bemerken,  dass  hreggja  :  fregnask,  also  hregg-  :  freg-, 
was  D.  als  eine  'ganz  correcte'  adalbending  bezeichnet,  überhaupt 
gar  keine  hending  ist,  denn  g,  resp.  gn,  kann  nicht  mit  gg 
reimen,    die  bei  Kahle  (Die  spr.  der  skalden  s.  100)  angeführten 


38  OETTER    DIB   LAUSAVISUR    DER    E6ILSSAGA 

reime  sind  sämtlich  zu  streichen  :  teils  enthalten  sie  gg:gg%  wenn 
sie  richtig  geschrieben  werden  (nr2,4  —  6),  teils  g:g  (nr  1); 
nr  3  gehört  in  einen  sehr  zweifelhaften  Zusammenhang,  das  von 
D.  eingesetzte  wort  hreggja  kann  also  nicht  das  richtige  sein. 

Es  ist  also  klar,  dass  die  erklärungen  D.s  in  den  meisten 
lallen  nicht  haltbar  sind,  es  ist  überhaupt  eine  misiiche  sache, 
die  skaldenpoesie  so  zu  erklären,  wie  es  D.  getan  hat.  vor  der 
verbreiteten  neigung,  bald  Wörter  mit  einer  sonst  nicht  belegten 
bedeutung  anzunehmen,  bald  Umschreibungen,  die  eine  natürliche 
und  zu  den  alten  regeln  stimmende  auffassung  nicht  zulassen, 
eigenmächtig  zu  bilden,  bald  endlich  unbelegte  Wörter  selbst  zu 
construieren,  muss  ernstlich  gewarnt  werden,  die  skaldenstrophen 
waren  durchaus  nicht  so  geschraubt  oder  so  künstlich,  wie  man 
so  oft  sich  denkt;  es  gab  grenzen,  die  nicht  überschritten  wer- 
den durften  1  aber  leider  sind  sie  oft  in  den  handschriften  so 
verunstaltet,  dass  sie  schwer  verständlich,  ja  geradezu  unverständ- 
lich sind,  und  dann  helfen  in  der  regel  weder  Scharfsinn  noch 
lexika. 

Kopenhagen,  Januar  1900.  Finihur  Jönsson. 


Das  sogenannte  ii  büchlein  und  Hartmanns  werke,  von  G.  Kraus,  [aus  den  Ab- 
handlungen zur  germanischen  philologie,  festgabe  fär  Richard  Hbinzel.] 
Halle  a.S.,  Max  Niemeyer,  1S98.    s.  111  —  172.   souderabdruck  2  m. 

Beobachtungen  zum  reimgebrauch  Hartmanns  und  Wolframs,  von  R.Zwierzina. 
[ebendaher.]   s.  437— 511.    Sonderabdruck  2  m. 

Auf  grund  eingehnder  beobachtung  der  reime  und  des 
Sprachgebrauchs  weist  Kraus  nach,  dass  das  u  büchlein  kein 
werk  Hartmanns  sein  kann,  es  kommen  in  dem  kurzen  räume 
von  nur  826  versen  folgende  von  HvA.  sonst  nicht  gebrauchte 
formen  im  reim  vor  :  couj.  prät.  zerunne  :  sunne  v.  17  f  gegen- 
über seinen  sonstigen  günne,  künne,  gewünne^  entrünne;  —  h^e 
V.822,  das  Hartm.  wie  überhaupt  das  wort  AeV  nie  im  reime  ver- 
wendet; —  daz  ein  v.409  statt  daz  eine;  —  inne  (werden)  v.290 
statt  innen  (werden) ;  —  ze  klagenne  :  ze  tragenne  v.  337  f,  während 
U.  sich  dreisilbige  reimwörter  mit  kurzer  Stammsilbe  und  zwei 
durch  schwaches  e  gebildeten  nebensilben,  die  durch  doppel- 
consonanz  getrennt  sind,  nicht  erlaubt;  —  ferner  swern  v.  654  und 
doln  V.  402  in  Übertragung  auf  seelische  leiden  statt  für  physische 
schmerzen;  —  endlich  die  sonst  bei  ihm  nicht  zu  findende  redensart 
sneller  list  v.  30.  —  begegnen  diese  erscheinungen  sonst  nicht 
in  Hartm.s  werken,  so  enthält  das  h  büchl.  daneben  eine  zweite 
gruppe  für  seine  technik  beachtenswerter  formen,  die  zwar  bei 
HvA.  auch  vorkommen,  der  mehrzahl  nach  aber  nur  in  seinen 
frühem  dichtungen.  da  nun  aber  die  parallelstellen,  die  schon 
Saran  gesammelt  hat  und  die  K.  hier  bedeutend  vermehrt,  dem 
u  büchl.  seinen  platz  unmittelbar  vor  oder  nach  dem  Iwein  an- 
weisen würden,  den  Iw.  als  letztes  der  werke  H.s  vorausgesetzt. 


KRAUS   DAS   SOGENANNTE   II   BfJCfiUEJW  39 

SO  eoUtebt  ein  Widerspruch  in  der  chroQologi8cb«0  r«ihenfolge. 
die  drei  erstea  dieser  zweiten  art  von  formen  rOcken  das  ge- 
dieht in  die  nähe  des  Iw.  :  müge  v.  511  findet  sich  sonst  nur 
ooch  im  Iw.,  mit  1  pers.  sg.  ind.  (ent)stdn  v.  135  und  676  tritt 
es  vor  diesen,  der  nur  sten  hat,  ebenso  mit  da  vorn  v.  735,  da 
ioQ  Iw.  nur  da  von  begegnet;  aber  mit  wmrliche  v.  171  schon 
«^or  den  aHeinr.,  da  in  diesem  und  im  Iw.  nur  noch  -liehen  ge- 
braucht werden,  mit  üervdt  statt  verodhet  v.  572,  das  sonst  nur 
im  I  bQchL  und  im  Er.  vorkommt,  vor  den  Greg.,  mit  fruoi, 
aufderdem  nur  noch  im  i  büchl.,  auch  vor  dieses  älteste  der  reim* 
paargedichte. 

Die  erste  gruppe  allein,  ja  selbst  die  beiden  zusafnmeo* 
genommen,  wurden  m.  e.  nicht  absolut  beweiskräftig  sein,  denn 
diese  H.s  gebrauche  widersprechenden  einzelheiten  wären  in 
einem  erstlingswerke,  aber  auch  nur  in  einem  solchen,  da  er 
sich  noch  keine  bestimmten  grundsätze  über  Sprachrichtigkeit 
ausgebildet  hatte,  etwa  noch  denkbar,  aber  jene  stellen,  welche 
das  n  bUchl.  mit  den  andern  dichtungen  H.s  gemein  hat  und  die 
jedesfalls  erst  aus  diesen  entlehnt  sind,  würden  es  an  das  ende  seiner 
künstlerischen  entwicklung  rücken,  den  endgiltigen  ausschlag  für 
die  unechtheit  des  ii  büchl.s  gibt  also  die  Störung  der  Chrono- 
logie, und  wer  nach  Sarans  darlegungen  noch  zweifelhaft  war, 
i^ird  sich  der  strengen  auf  gesicherte  formale  latsa^hen  gestützten 
beweisführung  von  K.  nicht  mehr  entziehen  können^. 

Auch  für  die  Sonderheiten  der  zweiten  gruppe  kann  nur  das 
^ine  mit  Sicherheit  gefolgert  werden,  dass  sie  in  die  ersttingszeit 
der  dichterischen  tätigkeit  H.s  fallen  müslen ;  K.  aber  nimmt  an, 
dass  die  f^lle,  die  das  ii  büchl.  jeweils  gleich  hat  mit  den  andern 
werken,  auch  ein  und  dieselbe  entstehungszeit  bedingen,  dass 
also  zb.,  weil  aufser  im  ii  büchl.  nur  noch  im  Iw.  müge  vor- 
kommt, es  unmittelbar  vor  oder  nach  diesem  entstanden  sein 
müsse  (s.  150  und  172).  aber  die  reimgelegen  hei  ten  zu  müge 
sind  überhaupt  nicht  häußg,  es  ist  auch  jedesfalls  ein  litterarischer 
reim  (H.s  dialekt  hat  ja  me^e),  und  aufserdem  kommt  noch  hinzu, 
dass  es  erst  Iw.  v.  7985  auftritt,  also  in  jenem  letzten  teile,  der 
nach  Zwierzina  (s.  unten)  mehrfach  technische  freiheiten  enthält, 
so  kann  auch  das  'nur  2  mal  vorkommende  stin  mit  S  im  Iw. 
nicht  für  chronologische  folgerungen  benutzt  werden  :  als  littera- 
rische form  konnte  es  Hartmann  leicht  auch  schon  in  einem  tech- 
nisch noch  unvollkommeneren  jugendwerke  angewendet  haben ;  und 
diese  erwägung  drängt  sich  auch  bei  andern  von  R.  beigezogenen 
formen  auf. 

*  seitdem  hat  Saran  Beitr.  24,  t  ff  gezeigt,  dass  das  ii  büchl^  ein  rhe- 
torisches kunst^tuck,  auch  aus  innern  gründeo  nicht  von  H.  verfasst  sein 
kann.  —  codificiert  ist  diese  art  rhetorischer  minnecasuistik  in  dem  mit 
«cholastischer  dialektik  abgefassten  Tractalus  de  amore  des  capeilans 
Andreas. 


40  EBACS    DAS   SOGCUmiTK   U   KCBLSIH 

Die  reichen  belege  sind  Dicht  nur  den  werken  HartmaDos, 
aoodern  aDch  Wolframs  ond  Gotfrids  entnoiBiiien  ond  behaDdelD 
abschliefsend  einzelne  grammatische  erscbeinoDgea  id  der  spräche 
dieser  dichter,  so  das  eintreten  bezw.  oDterbletben  des  umlauts 
bei  kurzem  u,  die  gdn  $tdn  neben  gen  sten^  väken  neben  vdn  uaa. 
K.  sucht  einzelne  answeichungen  scharfsinnig  zu  erkUlren,  wo) 
zu  subtil;  die  combinationen  im  sprachleben,  die  bei  der  ent- 
stehung  einer  und  der  andern  dieser  analogiebildungen  voraus- 
gesetzt werden,  sind  zu  verwickelt;  sprachliche  erscbeinungen 
müssen  sich  natürlicher,  weniger  gesucht  entfalten,  um  zu  all- 
gemeiner gekung  bei  einer  Sprachgemeinschaft  zu  gelangen,  so 
leitet  K.  die  nicht  umgelauteten  conj.  prat.  vunde,  hetwunge  auf 
beeinflussung  der  conjunctive  der  t-conj.  wie  ich  griffe  zurück, 
weil  die  i-  und  die  u-conj.  die  einzigen  seien,  wo  der  plur.  prät. 
ind.  denselben  stammvocal  habe  wie  das  part.  prät.,  wodurch  jene 
conjunctive  an  den  vocal  der  indicative  und  participien  angeglichen 
worden  seien,  man  kann  statt  dessen  zunächst  an  jenes  unter- 
bleiben des  Umlauts  von  u,  besonders  im  conj.  prät.  der  u-reihe, 
im  schweizerischen  denken,  woneben,  ohne  dass  eine  bestimmte 
regel  erkennbar  ist,  auch  umgelautete  formen  erscheinen,  beruht 
aber  das  unterbleiben  des  umlauts  auf  morphologischer  Ober- 
Iragung,  was  K.  annimmt  (s.  127,  vgl.  auch  RaulTmann  Gesch.  d. 
Schwab,  mda.  §  124o),  so  ist  der  Vorgang  am  ehesten  folgender: 
die  conjunctive  künde  gunde  hatten  als  schwach  gebildete  tiber- 
haupt  keinen  umlaut,  durch  analogie  trat  auch  vunde  für  vünde 
ein  und  die  mit  nd  den  stamm  schliefsenden  verba  zogen  dann 
die  auf  ng  nach  sich  wie  hetwunge,  die  mit  nn  wie  gewünne 
hielten  sich  dagegen  aus  dem  schon  von  K.  angenommenen  gründe, 
nämlich  wegen  künne,  günne.  Wolfram  und  Gotfrid  anderseits 
haben  auch  künde  günde  mit  umlaut  neben  künde  gunde  in  folge 
von  angleichung  an  ihr  vünde  und  wol  hauptsachlich  aus  dea> 
allgemeinen  gründe,  weil  der  umlaut  dem  conjunctiv  prät.  im 
Sprachgefühl  den  modalen  Charakter  verleiht.  —  ob  in  den  reimen 
von  hdn  auf  -an  im  i  büchl.,  Er.  und  Iw.  die  mdartl.  kürze  han 
anzunehmen  ist  (s.  156),  ist  wol  kaum  zu  beweisen,  jedesfalls  ist 
dann  auch  kasi  in  hastes :  gasies  Iw.  2667  f  mit  Henrici  als  kurz 
anzusetzen,  schon  dadurch  ist  es  ausgeschlossen,  dass  hon  seine 
kürtung  der  angleichung  an  kan  gan  verdankt;  es  ist  gewis  nur 
in  folge  von  schwacher  betonung  aus  hdn  gekOret  —  auch  in 
der  entwicklung  der  conjugation  von  län  nimmt  K.  weitgehnde 
analogische  beeinflussung  an,  nümlich  durch  ^n  und  siän  (s.  156)^ 
aber  darauf  ist  höchstens  die  i  pers.  sg.  prSs.  ind.  mit  n  zurück- 
tufflhren,  wobei  übrigens  auch  noch  ick  tuon  mitgewQrkt  haben 
kann.  —  die  sonst  fQr  zusammengezogen  gehaltenen  3  sg.  vdt^ 
inf.  vdn,  fasst  K.  (s.  161)  ebenfalls  als  nachbildongen  von  gdn 
auf,  und  das  hat  bei  der  parallele  prlit  vie:  gie  zunlchst  etwas 
bestechendes^  aber  die  den  gleichen  lautlichen  bedlngnngen  unter- 


KRAUS   DAS   SOGENA^^TE    II    BUCHLEIN  41 

Stehenden  nä  und  hö  können  nicht  als  ausgleichungsergebnisse 
erklärt  werden,  deshall)  führt  K.  nd  auf  *ndtß  zurück,  nebenform 
zu  got.  nehv^  ahd.  näh  nach  Sievers  gesetz,  kann  aber  für  h& 
keine  entsprechende  entwicklung  beibringen,  den  weg  der  ent- 
stebung  von  vät  vän  nä  Äd  zeigen  formen  wie  Notkers  höo  oder 
Ad,  gäes  für  gdhesy  es  ist  also  doch  ausfall  des  haucblautes  und 
dann  contraction  eingetreten  und  ist  ein  echt  alemannischer  Vor- 
gang, zur  stärkern  erhaltung  der  zusammengezogenen  formen 
vät  vdn  kann  dann  allerdings  die  ideenverbindung  mit  gdt  gdn 
beigetragen  haben. 

Die  Untersuchung  von  K.  ist  nicht  nur  wegen  des  unum- 
stofslichen  resultats,  sondern  auch  wegen  der  methodischen  be- 
bandlung,  die  jene  Sicherheit  ermöglichte,  im  höchsten  grade  be- 
achtenswert,   das  gleiche  gilt  von  der  folgenden  arbeit. 

Im  sinne  von  Lacbmann  und  Jänicke  führt  Zwierzina  die 
Untersuchung  über  Hartmanns  und  Wolframs  Sprachgebrauch  weiter 
mit  umfassender  beherschung  des  materials  und  feiner  beobach* 
tUDg  des  details.  die  ergebnisse  sind  dafür  auch  lohnend  genug. 
wir  sehen  deutlicher  als  früher,  mit  welcher  selbstprüfung  diese 
dichter  an  der  sprachlichen  form  ihrer  werke  gearbeitet  haben, 
wie  pedantisch  Hartmann  im  Iwein  seinen  Stil  ausfeilt  und  wie 
selbst  Wolframs  freie  genialiiät  sich  zwang  auferlegt,  um  einem 
ihm  vorschwebenden  sprachideale  nachzukommen.  *wir  sehen  die 
dichter  an  der  arbeit'  und  werden  mit  Z.  übereinstimmen,  dass 
sie  zu  den  grösten  formtalenten  aller  Zeiten  gerechnet  werden 
müssen,  so  bilden  Z.s  Untersuchungen  auch  einen  wertvollen 
beitrag  zur  kenntnis  der  mhd.  litteratursprache.  höüsch  ist  in 
der  tat  im  gründe  nur  der  Iwein,  aber  bei  einem  derartig  sich 
steigernden  streben  nach  einer  idealsprache  von  seiten  einer  ge- 
lehrtennatur  wie  Hartmann  ist  es  für  uns  nun  auch  nicht  mehr 
zu  verwundern,  dass  ein  einziges  werk  den  gipfelpunct  der  hö- 
fischen kunst  bildet,  denn  dieses  werk  ist  eben,  innerhalb  der 
betrefifenden  stilistischen  richtung,  ein  kunstwerk. 

Schon  Lachmann  hat  darauf  hingewiesen,  dass  Hartmann  im 
Iwein  es  vermeidet,  gewisse  formen  in  den  reim  zu  setzen  (Z. 
s.  449).  es  sind  doppelformen,  die  grofsenteils  zugleich  je  nach 
den  mundarten  schwankten  wie  began  begunde,  kam  kom,  hdte 
hete,  sande  sante,  wände  wante,  twellen  tweln,  gesetzet  gesät,  gen. 
dat.  der  fem.  i-decl.  wie  hant  hende,  siecheit  siecheite.  einige  ist 
ihm  gelungen  ganz  zu  unterdrücken,  andre  lässt  er  im  Iw.  we- 
nigstens nur  vereinzelt  zu.  Lachmanns  andeutungen  scheinen  mir 
durch  Z.s  einzelbeobachtungen  zur  gewisheit  erhoben,  gegenüber 
dieser  Statistik  von  tatsachen  ist  blofser  zu  fall  ausgeschlossen.  — 
aber  nicht  der  ganze  Iw.  ist  mit  dieser  tüftelnden  pedanterie  ab- 
gefasst.  im  ersten  tausend  der  verse  hat  Hartmann  die  Säuberung 
nicht  mit  der  vollen  entschiedenheit  durchgeführt^  da  begegnet 
noch  sechs  mal  kam  (s.  502),  das  später  nur  noch  einmal  durch- 


42  ZWIERZINA   REIMGEBRAUCH    HART1IANN6    UND    WOLFRAMS 

dringt,  und  neunmal  das  verbum  dagen  (s.  503),  das  son$t  nie 
mehr  auftritt,  und  am  schluss  fällt  er  wider  aus  der  rolle,  io 
den  letzten  500  versen,  da  er  zum  ende  eilte  (s.  465)  :  hier 
schlüpft  zb.  das  einzige  begunde  (s.  465)  in  den  reim  ein,  das 
einzige  (üher)zaU  (s.  481)  und  gesät  (s.  485).  —  auch  für  Hart- 
manns dialekt  ergeben  sich  einige  feste  puncte  :  er  hat  nur  gi$i 
git  list  lU  statt  gihest  usw.  (s.  470),  kam  kämen  nicht  kom  körnen 
(s.  500  fTj,  nur  treit  leü  nicht  auch  treget  leget  (s.  471),  aber  saget 
und  seit  nebeneinander  [seinem  dialekt  eignet  seit,  hier  bat  er 
also  die  doppelformen  doch  nicht  vermieden]. 

Die  beobachtungen  von  Wortwahl  und  reimgebrauch  sowie 
der  formelhaften  berufungen  auf  die  quelle  oder  auf  vom  dichter 
selbst  früher  erzähltes  (Z.  s.  506 — 510)  ergeben  eine  zieibewuste 
technik,  und  diese  hat,  nach  Z.,  ihre  vollendetste  stufe  erlangt 
im  [w.,  demnach  muss  dieser  H.s  letztes  werk  sein  und  die  von 
Lachmann  und  Haupt  angesetzte  reihenfolge  i  büchl.,  Erec,  Greg.« 
aHeinr.,  Iw.  ist  damit  gesichert,  es  geht  aber  aus  Z.s  beobach- 
tungen mit  Sicherheit  zunächst  nur  hervor,  dass  im  Iw.  die  tech- 
nik vollkommener  ist  als  im  Gregorius,  nicht  auch  als  im  aHeior. 
zwischen  Greg,  einerseits,  aHeinr.  und  Iw.  anderseits  ist  allerdings 
ein  starker  abstand,  kein  nennenswerter  dagegen  zwischen  aHeinr. 
und  Iw.,  denn  den  entgleisungen  des  ersteren  stehn  auch  solche 
im  Iw.  gegenüber,  doppelformen  wie  mege :  müge,  adj.  swdr:9wmre 
(usw.,  8.  Z.  s.  490;  aber  nicht  Adch;Ad,  denn  höih  ist  adj.^  h6 
adv.),  Imal  h(Bte  (bezw.  2 mal,  weil  noch  imal  in  der  scbluss- 
partie),  und  besonders  die  ungenauen  (oder  dialektischen)  reime 
wie  manihdn,  gastes  :  hdstes ,  p flach  :  er sach,  bestreich  :  sweich, 
endlich  auch  die  aufserordentlich  häufigen  typischen  reime  auf 
man^  die  im  aHeinr.  viel  seltner  sind,  die  auf  <d,  die  hier  ganz 
fehlen.  —  da  man  aber  den  aHeinr.  in  der  zeitlichen  folge  nicht 
wird  vom  Greg,  trennen  kOnnen,  so  ergibt  sich,  Z.s  princip  des 
reim-  und  Sprachgebrauchs  vorausgesetzt,  der  Iw.  allerdings  als 
letztes  werk  Hartmanns. 

?]un  aber  hat  neuerdings  Saran  Z.s  entdeckungen  mit  seiner 
eigenen  reihe,  wonach  der  Iw.  vor  den  Gregor,  aHeinr.  fällt, 
mit  sehr  beachtenswerten  gründen  zu  vereinigen  gesucht,  indem 
die  reimtechuik  im  Gregor  in  folge  längerer  arbeitspause,  etwa 
des  kreuzzuges,  gesunken,  die  feinere  technik  im  Iw.  zudem  in 
seiner  höfischen  tendenz  begründet  sei  (Beitr.  24, 64fT).  da  diese 
Voraussetzungen  nicht  zu  bestreiten  sind,  so  scheint  mir  die  alte 
Chronologie  mit  Iw.  am  Schlüsse  noch  nicht  über  alle  zweifei 
hinaus  gerettet.  —  für  seine  eigene  reihenfolge  führt  Saran  die 
entwicklung  in  der  technik  des  rhythmus  ins  feld.  besitzt  nun 
dieses  erkläriingsprincip  absolute  beweiskraft?  zunächst  ist  der 
einwand  Henricis  (Jahresber.  der  germ.  phil.  1891 ,  264),  dass 
die  bss.  für  diese  metrischen  Untersuchungen  nicht  volle  gewähr 
bieten,   indem   sie  oft  die   fehlenden   Senkungen  ausfüllen   (vgl. 


rWIEBZlNA   REfMCEBRAUCH   HARTMANNS   UND   WOLnAMS  43 

BarUi^  Germ.  19,  229),  Dicht  ganz  ungerechifertigt.  vergleicht 
maD  zb.  die  einleitung  des  Gregorius  nach  dem  texte  voo  Paul 
mt  der  herstelluag  von  Z.  (Zs.  37 ,  407  ff) ,  bei  welcher  dieser 
«elfte  neu  geGundeae  hs.  mit  benulzea  konnte,  so  findet  man  hier 
4  fidle  fehleoder  Senkung  mehr  als  bei  Paul,  bei  der  schlechten 
QberlteferuDg  des  aHeinr.  bieten  unsre  ausgaben  noch  weniger 
stcherheit.  und  ferner,  bildet  jene  glättung  der  verse  würkiich 
allmähliche  technische  Fortschritte?  ein  allmähliches,  unbe- 
wüstes  vorwärtsschreiten,  ein  natürliches  ergebnis  zunehmender 
gewaothettf  müste  sich  eigentlich  schon  im  verlauf  der  einzelnen 
dichiungen  zeigen,  sdion  während  des  Erec  oder  wider  im  laufe 
des  Iweic;  bis  zum  Gregor  hätte  U.  schon  ca.  20000  verse  ge- 
dichtet, und  nuo  sollen  erst  mit  diesem  gedichte,  und  zwar  mit 
einem  male  und  nur  aus  dem  gefühl  heraus,  widerum  glättere 
verse  als  im  Iwein  entstanden  sein,  zudem  vielleicht  noch  eine 
längere  arbeitspause,  der  kreuzzug,  vorhergieng,  die  in  der  reim- 
tecbnik  einen  rückgang  verursachte?  und  weshalb  sind  im  Greg., 
aBeior.  nur  diejenigen  einsilbigen  tacte  vermindert,  die  nur  aus 
einem  selbständigen  wort  bestebn?  gewis  waren  diese  auffallen- 
der als  jene,  wo  die  Senkung  innerhalb  desselben  wortes  fehlt, 
aber  ein  ausgleich  wäre  bei  spontaner  entwicklung  doch  auch  bis 
zu  einem  gewissen  grade  durch  ausfüllung  dieser  zweiten  art  von 
Senkungen  zu  erwarten,  und  Hartmann,  der  so  fein,  ja  übertrieben 
peinlich  die  form  der  reime  und  den  Sprachgebrauch  beobachtete, 
sollte  den  rhythmus  seiner  verse  ohne  oontrole  gelassen  haben? 
schon  im  i  büchl.  hat  er  viel  glättere  verse  gebaut  als  in  allen 
seinen  spätem  reimpaargedichten.  diese  geschliffenere  tecbnik 
war  ihm  also  schon  vor  dem  Erec  geläufig,  weshalb  ist  er  im 
Erec  davon  abgegangen?  gewis  mit  bewuster  kenntnis  des  Unter- 
schieds :  er  folgt  hier  dem  überkommenen  epischen  typus  wie 
sein  Vorbild  Heinrich  vVeldeke  in  der  E neide  (Behaghel  s.  cxviif). 
diesen  freiem,  archaistischen  Stil  im  versbau  (Saran  s.  41)  hat  er 
im  Iw.  beibehalten,  wenn  auch,  der  ganzen  sonstigen  haltung 
dieses  gedichts  entsprechend,  bedeutend  gemäfsigt.  die  entwick- 
lung des  Versbaues  ist  also  nicht  unbeeinflusst  von  künstlerischen 
priocipien,  dem  dichter  gleichsam  selbst  unbewust,  vor  sich  ge- 
gangen, dann  aber  verliert  dieses  kriterium  bedeutend  an  beweis- 
kraft,  denn  der  dichter  konnte  zu  jeder  zeit,  je  nach  dem  stoße 
des  gedichtes  (vgl.  i  büchl.  und  Erec),  eine  äuderung  seines  rhyth- 
mischen slilcharaklers  eintreten  lassen.  —  ein  unterschied  der 
rhythmischen  form  besteht  auch  zwischen  Veldekes  Eneide  und 
seinem  Servatius,  bei  welchem  viel  seltener  präpositionen  oder 
besonders  der  artikel  allein  einen  taet  bilden  als  in  der  Eneide 
(den  Servatius  setzt  Kraus  HvVeldeke  und  die  mhd.  dichtersprache 
s.  166  zeitlich  vor  die  Eneide).  und  der  Stricker  hat  in  seinen 
epen  Karl  und  Daniel  die  senkungslosen  füfse  ziemlich  häufig 
(Rosenhagen  Untersuchungen  über  Daniel  s.  31),  während  er  in 


44  ZWIEBZINA   BEIMGEBBACCH   HABTMANNS   OKD    WOLFBAMS 

seinen  beispielen  regelrechten  Wechsel  von  hebung  und  Senkung 
durchzuführen  strebt. 

Demnach  bieten  bis  jetzt  weder  der  reim-  und  sprachgebraucb 
noch  der  rhythmus,  die  formalen  kriterien,  ganz  einwandfreie 
merkmale  für  die  relative  Zeitbestimmung  von  Hartmanns  werken» 
unwillkürlich  prägt  sich  das  bild  ein,  das  SchOnbach  durch  die 
psychologische  betrachtung  seines  geisteslebens  entworfen  hau 
so  stellt  sich  H.  als  abgerundeter  Charakter  dar.  aber  rouste  selbst 
er,  dessen  wolgegliedertes  wesen  uns  freilich  in  der  erfassung 
und  in  der  darstellung  des  Stoffes  klar  zu  tage  tritt,  eine  solche 
unserm  heutigen  empfinden  entsprechende  einheitliche  natur  sein? 
und  konnten  nicht  Stimmungen,  die  uns  jetzt  widerspruchsvoll 
erscheinen,  im  innern  der  menschen  jener  zeit  enge  bei  einander 
wohnen? 

Für  Wolfram  geht  Z.  aus  von  Jänickes  Sammlung  sog.  un- 
hofischer  Wörter.  Jänicke  hatte  nur  ganz  allgemeine  Schlüsse  auf 
die  fortschreitende  kunst  Wolframs  gezogen,  Z.,  die  Untersuchung 
vertiefend,  weist  nach,  dass  mehrere  dieser  wOrter  auf  bestimmte 
weise  in  einzelnen  partien  seiner  werke  verteilt  sind  —  es  sind 
mcere  (b.  i — viii),  gemeit  (b.  i — vi),  urliuge  (b.  i— vii),  wigant  und 
wie  (b.  I — v),  dazu  noch  l(Bre  (b.  i — xi),  laz  (b.  i — xi)  und  last 
(b.  I — viii)  in  Umschreibungen  und  dagen  (Öfter  erst  von  b.  ix 
an)  —  und  zieht  aufserdem  grammatische  formen  bei,  die  nur 
vereinzelt,  besonders  in  Parz.  b.  i — ii.  vii.  ix.  xv  und  i.  ii  des 
Willeb.,  auftreten  und  Wolframs  dialekt  nicht  angehören,  wie  hegan, 
kam,  lie,  gdn  stän,  Ht,  treit  leit,  -lieh  uaa.  gegenüber  seinen  ein- 
heimischen begunde,  kam,  liez,  gen  sten,  liget,  treget  kget,  "lieh 
uaa.  besonders  in  die  äugen  springend  ist  die  Verteilung  von 
sän  (Parz.  b.  i— viii),  und  sit  (b.  i  und  ii)  gegenober  sider  (von 
b.  III  an),  gewisse  reimgewobnheiten  finden  sich  also  nur  Ober 
bestimmte  teile  verbreitet  um  dann  zu  verschwinden,  andre  setzen 
erst  an  spätem  stellen  ein.  aber  der  dichter  ist,  wenn  er  einmal 
einen  reim  aufgegeben  hat,  nicht  ganz  consequent,  die  verpönte 
form  begegnet  wider,  es  finden  sich  ^rücki^Ue'  in  die  frühere 
technik.  diese  rückfälle  kommen  in  bedeutungsvolleren  zahlen 
gerade  in  jenen  büchern  vor,  wo  auch  die  dialektformen  häufiger 
sind,  so  besonders  in  b.  ix,  weniger  in  b.  vii  und  xv,  und  dann 
in  den  beiden  ersten  büchern  des  Willehalm,  die  rOckßllle  sind 
folgen  einer  ^arbeitspause',  der  dichter  hatte  längere  zeit  seine 
tätigkeit  ausgesetzt  und  dadurch  die  Übung  verloren,  derartige 
arbeitspausen  sind  ohne  weiteres  anzunehmen  zwischen  der  ah- 
fassungszeit  zweier  werke,  wie  hier  des  Parzival  und  des  Wille- 
balm,  aber  auch  innerhalb  ein  und  desselben  gedicbts  können 
sie  auftreten,  eine  Unterbrechung  der  arbeit  nach  b.  vi  ist  schon 
längst  festgestellt  dadurch,  dass  Wirnt  nur  die  ersten  sechs  bücher 
bekannt  wurden ,  b.  xv  wurde  nach  Haupt  (Z.  s.  467)  vielleicht 
erst  mehrere  jähre  nach  dem  vorhergehenden  abgefasst.    auf  zu- 


ZWIRBZIMA    REIMGEBRAUCH    HARTMANNS    UND    WOLFRAMS  45 

fall  können  diese  verschiedeoartigeD  uad  doch  an  bestimmten 
puncteo  verstärkt  auftretenden  erscheinungen  nicht  beruhen,  durch 
den  Stoff  sind  sie  nicht  bedingt,  und  so  hat  Z.  wol  die  glück- 
lichste lOsung  gefunden,  indem  er  sie  als  'rückfäUe'  erklärt,  die 
tn  folge  von  ^arbeitspausen'  entstanden  sind. 

Die  grofsen  ergebnisse,  die  einen  bis  jetzt  nicht  erreichten 
«inblick  in  die  art  des  arbeitens  beider  dichter  gewähren,  scheinen 
«ir  durch  diese  mit  der  kraft  zwingender  tatsachen  geführten 
ontersuchungen  gesichert,  es  tut  ihnen  keinen  eintrag,  wenn 
ein  einzelner  fall  sich  einem  andern  anders  darstellt. 

An  die  spitze  seiner  Untersuchungen  stellt  Z.,  gleichsam  al$ 
oiasterbeispiel ,  die  Verwendung  von  sä  und  sän  im  reime  :  sän 
tritt  bis  zu  b.  vin  des  Parz.  86  mal  auf,  von  da  an  nur  ganz  ver- 
einzelt (5 mal,  im  Willeh.  2 mal),  das  gewöhnliche  obd.  sä  aber 
nie.  Z.  erklärt  diese  zunächst  auffallende  erscheinung  so,  dass 
sdn  eine  Wolframs  mda.  eigentümliche  form  gewesen  sei  und 
zwar  die  für  die  pausa,  sä  dagegen  die  im  satzinnern;  er  habe 
später  sän  im  reime  deshalb  aufgegeben,  weil  es  als  dialektisch 
in  andern  gegenden  anstofs  erregen  muste.  aber  eine  solche  Ver- 
teilung der  beiden  formen  sän  und  sä  ist  sonst  nicht  nachzu- 
weisen, zwischen  sär  und  sä  wäre  sie  in  gewissen  fallen  denk- 
bar, sowie  zb.  nebeneinander  dar  (dar)  und  da,  dann  aber  müste 
umgekehrt  eher  sä  die  pausaform  sein ;  zwischen  sän  und  sär  y> 
sd,  die  ja  ursprünglich  verschiedene  bildungen  sind,  lässt  sich  ein 
^und  für  eine  derartige  Scheidung  nicht  ersehen,  auch  ist  es 
überhaupt  nicht  zu  erweisen,  dass  das  nd.  md.  sän  jemals  in 
Wolframs  heimat  gesprochen  wurde  (vgl.  Pfeitfer  Germ.  6,  242 
und  Freie  forschung  106  ff),  zur  ahd.  zeit  galt  in  Baiern  und 
Ostfranken  sär  wie  in  Alemannien,  Williram  hat  nur  sä,  auch 
noch  in  den  ältesten  gedichten  des  bair.-Osterreich.  Sprachgebiets 
sind  sär  (säre)  und  sä  die  einzigen  formen;  in  den  reimgedichten 
iroo  MSD.  erscheint  nie  sän,  auch  sä  nur  4man  im  Laudate  do- 
«ninum;  in  den  von  Kraus  herausgegebenen  gedichten  des  12  jhs. 
nur  2  sän  :  in  dem  md.  SPaulus;  der  dichter  der  Kaisercbronik 
4ind  des  Rolandsliedes  hat  nur  sä  (Schröder  Kaiserchron.  s.  53); 
nie  sdn  bei  HvMelk  (1  sä),  nie  in  Wernhers  Marienliedern  (4  sä). 
erst  gegen  ausgang  des  12  jhs.  findet  sich  sän  auch  im  bair.- 
österr.  :  in  Albers  Tundalus  2  sän  neben  2  sä;  im  Anegenge  ebenso 
2  sän  neben  2  sä;  m  hErnst  ß  dagegen  13  sän  gegen  5  sä  und 
diese  bair.-österr.  Überarbeitung  eines  mittelfränk.  priginals  ist 
gleichsam  der  weiser  für  den  weg,  auf  welchem  das  md.  sän  ins 
obd.  gekommen  ist,  nämlich  durch  die  md.  dichtung,  was  schon 
Pfeiffer  aao.  ausgesprochen  hat.    sän  ist  also  ein  litterar.  wort  im 

^  bei  den  folgenden  Zählungen,  die  bei  rascher  durchsieht  der  betr. 
werke  gemacht  sind,  sind  gewis  fehler  untergelaufen,  aber  die  relativen  ver- 
JtaltDisse,  auf  die  es  ankommt,  werden  darum  nicht  wesentlich  geändert 
•werden. 


46  ZWICRZIMA    REIMGEBRAUCH    HARTltANNS   UND    WOLFRAMS 

bair.-österr.,  es  wurde  daon  daselbst,  besonders  durch  Wolfram» 
einfluss,  im  13  jh.  als  gute  reimgelegenheit  öfter  gebraucht,  wenig 
aber  im  alem.  auch  das  hat  seioe  parallele  in  den  litterarischen 
Strömungen  :  die  Yolkstümliche  rheinische  dichtung,  aus  der  jene 
sän  zunächst  stammen,  wurde  fürs  erste  in  Baiern  aufgenommen, 
erst  später  und  spärlicher  in  Alemannien.  so  hat  denn  zb.  der 
erste  fortsetzer  der  Kaiserchronik,  ein  Baier,  3  idn  neben  2  sä, 
der  zweite,  ein  Schwabe,  1  sän  neben  5  sd,  in  welchem  sän  sieb 
der  ^einfluss  der  Schriftsprache'  bezw.  litteratursprache  verrät 
(Schröder  Kaiserchron.  s.  395  u.  410). 

sän  also  war  nicht  ein  dialektwort  Wolframs,  sondern  ein 
litterarisches,  unter  den  93  fällen,  wo  es  im  reime  vorkommt, 
sind  denn  auch  etwa  ein  drittel  ganz  formelhafte  einleitungen  zu 
directer  rede  wie  sprach  aber  sän^  wo  sän  eine  substantielle  be- 
deutung  kaum  mehr  hat.  wenn  nicht  sän^  so  muste  aber  doch 
sä  ihm  geläufig  gewesen  sein?  wäre  dies  der  fall,  so  wäre  es 
allerdings  auffallend,  dass  Wolfram  es  nie  im  reime  gebrauchte, 
und  das  hat  offenbar  auch  Z.  bestimmt,  eine  Scheidung  zwischen 
sä  und  sän  in  obigem  sinne  zu  machen,  indem  er  zugleich  davon 
ausgeht,  dass  sä  in  zahlreichen  beispielen  im  innern  vertreten 
sei  (s.  442).  aber  das  ist  nicht  der  fall,  ich  habe  9  sä  und  sän 
zusammen  im  innern  des  Parzival  gefunden.  Lachmann  schreibt 
davon  5  mal  sä  und  zwar  4mal  in  sä  zestunt,  nur  Einmal  sä  allein, 
und  4  mal  sän  (woneben  aber  auch  sä  in  guten  hss.  bezeugt  ist) 
alleinstehend,  und  diese  sä  und  sän  kommen  nur  bis  b.  vi  vor; 
im  Willeh.  nur  2  sä^  in  sä  zehani  46,  22  und  49,  28  (vgl.  anm. 
zu  Elrec  8076).  dieses  sehr  spärliche  auftreten  im  innern,  wo  es 
sich  doch  als  füll-  und  flickwort  oft  willkommen  einstellen  konnte, 
beweist,  dass  einfaches  sä  in  Wolframs  dialekt  kein  ganz  gewöhn- 
liches wort  war.  und  auch  nicht  in  dem  Hartmanns  (vgl.  Vos 
Diction  and  rime-technic  of  HvA.  s.  28)  :  im  Erec  steht  sä  zwar 
22mal  im  reim,  aber  nur  5 mal  im  innern,  im  Iwein  13  mal  im 
reim  und  nur  3 mal  im  innern,  im  Gregor  5 mal  nur  im  reim, 
im  aHeinr.  Imal  im  versinnern;  über  sä  zehant,  sä  zesiuni  vgl. 
anm.  zum  Er.  8060.  Hartmann  hat  demnach  sä  vor  allem  als 
litterarisches  reimwort  mitgenommen  und  es  begegnet  fast  durch- 
weg in  dem  formelhaften  reime  da  :  sä,  so  19  mal  im  Er.  (aufser- 
dem  2 mal  zu  anderswä,  Imal  zu  nd),  im  Iw.  11  mal  (imal  :  ftd, 
1  mal  :  tjoä) ,  im  Gregorius  4  mal  (1  mal  :  Equitäniä).  mit  dieser 
bindung  sä :  da  hat  Hartmann  also  noch  im  Iw.  eine  forme!  fort- 
geschleppt, einer  jener  f^lle,  wo  er  sich  auch  hier  von  der  ira- 
dition  nicht  ganz  losmachen  konnte,  beachtenswert  ist  die  Ver- 
teilung der  reimformel  im  Er. :  sie  erscheint  17  mal  bis  v.  5171, 
von  da  an  bis  zum  schluss  nur  t  mal.  im  Iw.  wie  im  Gregorius 
ist  die  Verteilung  gleichmäfsig.  sän  gebraucht  Hartmann  über- 
haupt nicht.  —  im  Wigalois  zähl  ich  sä  82 mal  im  reime^ 
darunter  78 mal  auf  dd,   im  innern   nur   vor  zehant,  sä  zAant^ 


IVrilBZUKA    REIMGEBRAUCB   HARTMANIfS   OnD    WOLFRAMS  47 

Smaly  Die  alieiDStehendrs  sä;  sän  5 mal  im  reime,  yod  ?.  10192 
aOy  in  nachahmuDg  von  Wolfram,  s.  Jdnicke  8.  32,  nie  im  innern. 
daraus  ergibt  sich  für  Wirnr,  der  als  einer  Wolfram  benachbarten 
gegend  aDgebörig,  für  diesen  von  besondrer  Wichtigkeit  ist,  dass 
$äM  seiner  mundart  gar  nicht  angehörte  und  ihm  sä  nur  in  der 
▼erfoiDdung  sä  zehant  üblich  war.  —  im  Lanzelot  nur  1  mal 
sd  im  reime  {:  Elidiä  v.  7989),  im  innern  nur  Imal  in  sä  se- 
^unden  (▼.7578)  und  3 mal  in  iesä;  4 mal  sän  im  reime  (s.  Jä- 
Dicke  8.  32,  wo  statt  2121  zu  lesen  ist  2427).  in  Fleckes  Flore 
im  reime  5  säy  2  iesä  (je  2 mal  :dä),  Imal  sän,  im  innern  nie  sd 
allein,  4 mal  iesäj  2 mal  sä  zestunde^  Imal  sä  zestnnt,  Imal  sä 
zuo  der  seihen  stunde,  1  mal  sd  zehaut.  Veldeke  hat  im  Servatius 
5  mal  säen,  in  der  Eneide  nie  im  reime  (Kraus  HvVeldeke  s.  25). 
lo  den  fragm.  des  alten  Reinh.  Fuchs  im  reime  8  mal 
sd  (3  mal  :  dd),  in  der  bearbeitung  10  sä  (9  mal  idä,  1  mal 
:jd),  ein  sän;  im  Moriz  vCraon  3  mal  sd  (.da),  kein  sän 
Schröder  s.  m);  beim  Stricker  im  Karl  11  mal  iesä  1  mal  sä, 
im  Daniel  1  mal  iesä  1  mal  sä,  im  Amis  4  mal  iesä,  in  den  klei- 
nereo-  ged.  ed.  Hahn  1  mal  sä,  nie  sän,  gerade  bei  späteren 
autoren  trifft  man  «d  (tesd)  zugleich  mit  sdn,  so  bei  Lamprecht 
vRegensburg  beide  oft  im  reime,  aber  im  innern  sä  nur  in 
Verbindung  mit  zestete  zehant  zestunt,  nie  sän;  im  Renner  sä 
und  sdn  oft  im  reim  und  innen,  einfaches  sä  ist  also  offen- 
bar schon  gegen  ende  des  12  jhs.  in  einem  grofsen  teile  von 
Deutschland  auf  dem  wege  zu  veralten  oder  haftet  zunächst  nur 
noch  in  gewissen  kreisen  als  altmodisches  wort,  in  einzelnen 
landschaften  war  es  länger  üblich,  so  hat  Ulrich  vLichtenstein 
häufig  neben  sä  zehant  auch  einfaches  sä  und  besonders  sä  als, 
sä  dö  als  einleitung  eines  satzes.  dieses  sä  dö  oder  meist  sän 
dö  kommt  öfter  vor  zb.  in  Alberts  hl.  Ulrich  (über  sän  —  sä  in 
dessen  reimen  s.  Kraus  in  oben  besprochener  abhandlungs.  125  anm.), 
auch  bei  Neidhart  (33,  9),  in  den  genannten  höfischen  epen  da- 
gegen nicht,  hier  auch  nie  einfaches  sä  mit  der  Wortstellung  des 
haoptsatzes  wie  Neidharts  sä  si  spranc  (7,  6).  sonst  hält  sich 
sd  länger  nur  in  den  Verbindungen  sä  zehant  sä  zestunt  sä  zestete, 
(auch  in  der  prosa,  bei  Berthold  vRegensburg  oft  sä  zehant  s. 
Rotteken  Der  zusammengesetzte  satz  bei  BvR.  s.  44)  und  in  den 
reimen,  aber  hier  als  litterarisches  wort  besonders  in  der  formel- 
haften bindung  auf  da.  sä  :  da  ist  übrigens  in  den  älteren  ge- 
dichten  noch  nicht  fest  gewordene  conventionelle  reimformel,  sie 
begegnet  zb.  im  Rolandsliede  noch  nicht,  obgleich  sä  9  mal  (aber 
erst  von  v.  5298  anl)  im  reime  vorkommt,  in  der  Kaiserchronik 
1  mal  unter  30  bindungen  mit  sä;  im  hErnst  B  unter  5  reimen 
mit  sd  schon  vier  auf  da.  der  Untergang  von  sä  wurde  in  vielen 
mundarten  beschleunigt  dadurch,  dass  ä'^ä  oder-d  übergieng,  wo- 
durch es  nahezu  oder  gänzlich  mit  so  zusammenfiel,  schon  der 
dichter  der  Erlösung  und  der  hl.  Elisabeth  gebraucht  neben  iesä 


48  ZWIERZINA   REIMGEBRAUCH   HARTMANNS   UND    WOLFRAMS 

auch  iesö  im  reime  (Bartsch  Erlösung  s.  371,  Germ.  7,  s.  3  u.  4, 
Rieger  Elisabeth  s.  30  u.  3830-  —  es  ist  also  mit  obd.  sd  ähn- 
lich gegangen  wie  mit  nd.  sän,  dessen  geschichte  Roethe  verfolgt 
hat  (Reimvorreden  des  Sachsenspiegels  s.  44  u.  87).  für  Wolfram 
ergibt  sich,  dass  sä  schon  in  seinem  Sprachgebrauch  nicht  unbe- 
dingte geltung  mehr  hatte,  und  damit  ist  es  auch  nicht  mehr  auf- 
fallend, dass  er  es  im  reime  meidet. 

Ist  sän  ein  wort  der  litteratursprache  und  nicht  der  lebenden 
mundart  des  dichters,  so  ist  es  also  doch  mit  Botticher  unter  die 
'^flickwOrter  zu  reimzwecken'  zu  rechnen  (Z.  s.  440).  und  vielfach 
werden  ihm  auch  die  formwörter  da  und  dö,  nü  und  so  deshalb 
aufgestiegen  sein,  weil  er  schnell  fertig  damit  einen  reim  bilden 
konnte,  und  nicht  in  folge  des  natürlichen  flusses  der  gewöhnlichen 
rede,  bei  Hartmann  triCTt  es  nicht  zu,  was  Z.  für  Wolfram  geltend 
macht  (s.  440  anm.),  dass  jene  wörtchen  bei  fortschreitender  tech- 
nik  sich  häufiger  einstellen,  im  gegenteil.  im  Erec  steht  dö  von 
V.  1 — 7031  42  mal  im  reime,  von  da  bis  zum  schluss  9  mal 
(hinter  v«  7031  ein  merklicher  abstand,  von  da  bis  v.  8458  nie, 
von  8834 — 9725  ebenfalls  nie),  so  also  im  reime  von  v.  1 — 7340 
19  mal,  von  da  bis  zum  schluss  2  mal,  dd  von  v.  1 — 5684  31  mal, 
von  da  bis  zum  schluss  7  mal  (sä  s.  oben),  auch  eine  abnähme 
vom  Er.  zum  Iw.  ist  zu  bemerken :  da  begegnet  im  Iw.  im  reime 
19  mal,  dö  n  mal,  nur  so  also  sind  häufiger,  21  mal,  aber  die 
bindungen  von  frö  zu  dö  so  also  viel  seltener  als  im  Er. 

Ein  ähnliches  ergebnis  wie  für  sä-sän  liefert  Z.s  beobachtuug 
von  sU  und  sider  (s.  478).  auch  hier  nimmt  man  eine  bestimmte 
«nbsicht  im  reimgebrauche  wahr  :  Parz.  b.  i  u.  n  nur  sii,  von  da  an 
nur  noch  4  mal,  im  Willeh.  gar  nicht;  für  sit  tritt  mit  Parz. 
b.  III  sider  ein,  bis  zum  schluss  12  mal,  im  Willeh.  desgleichen 
12  i^lle.  Z.  gibt  keine  erklärung  für  diese  erscheinung  und  wirft 
drei  fragen  auf:  war  nur  sit  oder  nur  sider  oder  waren  beide  zu- 
gleich in  der  mundart  des  dichters  heimisch?  sU  war  es  jedes- 
falls,  denn  er  lässt  es  als  adverb  auch  im  innern,  also  in  un- 
beeinfiusstem  ausdruck,  recht  häufig  zu.  für  sider  ist  die  ent- 
Scheidung  schwieriger,  ich  find  es  im  innern  des  Parz.  6  mal, 
und  zwar  in  b.  i  56,  23  und  dann  gerade  in  den  gravierten 
büchern  vii  340,  6;  ix  434,  9.  439,  29.  446,  4;  xv  768,  26  und 
nur  ganz  selten  im  Willeh.  das  ist  wenig  gegenüber  dem  auf- 
treten von  sider  in  den  reimen,  aber  diese,  sider :  nider,  wider^ 
sind  litlerarische  und  gehören  unter  die  allgemein  gebräuchlichen 
reimformeln  der  mhd.  technik.  sider  hielt  sich  hier,  indem  es 
sich  bequem  einstellte  zu  den  häufig  sich  aufdrängenden  vocabelu 
nider  und  wider,  darauf  weist  schon  die  bemerkung  im  Mhd. 
wb.  unter  5ie{er  (ii' 322  a)  'häufig  im  reime*,  besonders  im  md. 
sind  die  belrefTenden  bindungen  recht  oft  zu  finden,  vgl.  Bartsch 
Ober  Karlmeinet  s.  322,  Kinzel  Lampr.  Alex,  zu  v.  478  (s.  426), 
fleinr.  vFreiberg  (im  glossar  bei   Bechstein),  Livl.   reimchronik 


ZWIBBZINA   BEIMGEBRAUCH   HARTMANN8   OMD    WOLFRAMS  49 

USW.  man  kano  also  nicht  sicher  sagen,  ob  sider  auch  der  mund- 
art  Wolframs  angehörte  oder  lediglich  ein  litterarisches  wort  für 
ihn  war.  und  weshalb  hat  er  sein  sit  aufgegeben?  aus  grOndeh 
der  Wortstellung?  Z.  ist  eher  geneigt^ie  reime  mit  sit  als  litte- 
rariscb  aufzufassen,  das  aber  ist  ausgeschlossen,  weil  sU  gewis 
Wolframs  persönlichem  Wortschatz  angehörte,  die  Untersuchung 
anderer  dichtungen  kann  vielleicht  weiteren  aufschluss  gewähren, 
so  steht  zb.  im  Nibelungenlied  nach  Bartschs  grofser  ausgäbe,  die 
▼arianten  eingerechnet,  sider  im  innern  27  mal,  8  mal  im  reime, 
adTerb  sU  aber  100  mal  im  innern  und  nur  2  mal  im  reime, 
also  eine  entschiedene  abneigung  gegen  sit  als  reimwört. 

Zu  einzelheiten  noch  folgende  bemerkungen :  künne  (s.  445) 
begegnet  auch  im  Gregor  v.  3147,  dazu  künneschaft  Iw.  v.  804 
(io  den  ersten  1000  versenl  Jänicke  s.  23).  —  gemeit  (s.  457) 
prädicativ  auch  aHeinr.  v.  1192  (Jan.  s.  10).  —  das  bild  vom 
Spiegelglas  (s.  462)  als  symbol  der  reinheit  geht  nach  Schönbach 
Ober  HvA.  s.  131  aus  von  Sap.  7,  26.  ein  'altüberlieferter,  con- 
ventioneller,  fertig  vorliegender'  vergleich  war  es  am  anfang  des 
13  jhs.  wol  in  der  deutschen  litteratur  noch  nicht,  gläserne  Spiegel 
waren  damals  noch  nicht  lange  in  gebrauch  (vgl.  Wackernagel 
KL  sehr.  I  131),  zur  abgegriffenen  formel  wurde  es  erst  bei  den 
spätem  dichtem,  in  nachahmung  von  Hartmann,  Wolfram  und 
Ootfried.  man  darf  also  das  zweimalige  auftreten  von  Spiegel- 
glas im  Willeh.  (22,28  u.  67,  13)  nicht  als  einen  beweis  für 
einen  rückgang  in  der  technik  anfuhren,  (in  dem  Walther  zu- 
geschriebenen liede  122,  24  ff  ist  Spiegelglas  ein  bild  der  Vergäng- 
lichkeit K)  —  die  präterita  der  verba  kleiden  arbeiten  leiten  breiten 
bereiten  werden  von  Wolfram  im  reime  streng  geschieden  von  den 
Übrigen  reimen  auf —  eite  —  eiten  (s.  4850.  ligt  der  grund 
hierzu  in  einer  andern  ausspräche,  als  nachwürkung  von  ahd. 
tleidta  leitta  etc.? 

Heidelberg.  G.  Eurismann. 

^  Ulrichs  vSingenberg  lied  Betrogeniu  well  (Wackern.-Rieger  Wallher 
«.  215)  geht  aas  der  gleichen  religiösen  anschaaung  hervor  wie  dieses 
Waltber  zugeschriebene,  aber  die  ähnlichkeit  geht  ober  das  allgemeine  des 
Inhalts  hinaus,  auch  einzelne  Vorstellungen  sind  die  nämlichen,  so  jene 
drei  begriffe,  welche  den  gedauken  der  beiden  ersten  verse  Walther  122,24f 
bestimmen  Ein  meister  las  troum  unde  Spiegelglas  :  bei  Singenberg 
216, 17  und  Hegent  unser  meister  nihly  216,16  daz  ex  im  »eime  troume 
Wirt,  216,4  ein  betrogen  glas;  ferner  Walther  123,22  zer  winstern 
hont  reht  in  die  gluot:  bei  Singenberg  217, 14  inz  winster  viur,  es 
macht  den  eindruck,  als  ob  Singenberg  die  idee  des  gedichts  aufgenommen^ 
dazu  einige  schlagwörler  herausgegriffen  und  in  den  Zusammenhang  seiner 
eigenen  verse  gebracht  habe,  bestehn  wurklich  solche  beziehungen  zwischen 
deo  beiden  liedern,  dann  läge  hier  ein  positiver  grund  vor,  Walther  diese 
«irophen  zuzusprechen. 


A.  F.  D.  A.  XXVI. 


50  UHL   MVRNBR8   GÄUCBMATT 


SCHRIFTEN  ÜBER  MÜRNER. 


Thomas  Murner  Die  Gaucbinatt  (Basel  1519).  herausgegeben  von  Wilhelm 
Uhl.  mit  einleitiing,  anmerknngen  und  excursen.  Leipzig,  Teubncr, 
18^    VII  und  290  88. —  2,80  m. 

Thomas  Murner  An  den  grofsmächtigsten  und  durchlauchtigsten  adel  deutscher 
nation,  1520.  herausgegeben  von  Ernst  Voss.  [■■Neudrucke  deutscher 
litteraturwerke  des  16  und  17  jhs.,  nr  153.  Flugschriften  aus  der 
reformationszeit  xiil]  Halle  a.S.,  Niemeyer,  1899.  iv und 57 ss. — 0,60m. 

Über  Murners  Verhältnis  zu  Geiler,  von  Kabl  Ott.  Bonn,  PHanstein,  1896. 
103  88.  —  2  m; 

Die  metrik  und  rhythmik  Thomas  Murners,  von  Julids  Popp.  Heidelberger 
diss.    Halle  a.  S.,  EKarras,  1898.    76  88. 

Das  Interesse  für  Hurner  scheint  in  stetigem  wachsen  be- 
griffen  zu  sein,  die  letzten  jähre  haben  uns  abhandlungen  über 
Murner  und  ausgaben  seiner  Schriften  in  reicher  fülle  bescheert, 
und  unsre  kenntnis  hat  dadurch  manche  fürderung  erfahren,  von 
Murners  dichtungen  liegen  nun  aHe  bis  auf  die  Von  den  ?ier 
ketzern  predigerordens  in  bequemen  neudrucken  vor;  zur  aus- 
gäbe der  prosaschrifteu  hat  Voss  den  ersten  schritt  getan  und 
zugleich  versprochen,  dass  dieser  erste  schritt  nicht  der  letzte 
sein  soll. 

Mit  der  tüchtigen  ausgäbe  der  Narrenbeschwörung  (a-  NB) 
durch  Spanier  (s.  Anz.  xxii  285  ff)  ist  die  der;  Gauchmatt  (GM) 
durch  Uhl  freilich  nicht  ganz  auf  gleiche  stufe  zu  steHen.  der 
text  scheint  den  anforderungen^  die  man  an  einen  neudruck  zu 
stellen  gewöhnt  ist,  zu  entsprechen,  ich  habe  keine  Originalaus- 
gabe zur  band  und  kann  keine  Stichproben  nehmen,  zweifle  aber 
nicht,  dass  der  herausgeber  sorgfältig  verfahren  ist,  wenn  ich 
auch  nicht  verschweigen  kann,  dass  mich  zwei  gelegentliche  be* 
merkungen  etwas  stutzig  gemacht  haben.- -erstens  die  ablebnung 
der  Vollständigkeit  in  anfuhrung  der  verbesserten  druckfehler  (s.  8). 
die  berufung  auf  Scherers  verfahren  beim  photolithographischen 
nachdruck  der  Schelmenzunft  war  doch  wahrlich  nicht  am  platze, 
und  wenn  irgendwo  so  gilt  hier  das  ^Si  duo  idem  faciunt\  zweitens 
aber  die  anmerkung  zu  v.  1604,  wo  es  heifst :  ^die  formen  nach 
und  noch  sind  wegen  der  vocalschwankungen  manchmal  kaum 
auseinanderzuhalten,  ich  habe  bei  diesen  Wörtern  stets  die  ur- 
sprüngliche Schreibung  gewahrt',  soll  das  heifsen,  dass  der  heraus- 
geber sonst  kühnlicher  von  der  ^ursprünglichen  Schreibung'  ab- 
gewichen ist?  und  was  heifst  Oberhaupt  in  diesem  zusammen- 
hange ^ursprüngliche  Schreibung'?  ich  vermute,  dass  wirres  nur 
mit  einer  leichthin  geschriebeneu  und  un bedachtsamen  anmerkung 
zu  tun  haben,  komme  aber  über  ein  etwas  unbehagliches  gefühl 
nicht  ganz  hinweg,  denn  wenn  auch  die  gaben  verschieden  ver- 
teilt sind,  und  wir  philologische  mitarbeiter  mannigfacher  art 
wünschen  müssen  und  brauchen  können  :  für  den  herausgeber 
eines  textes  bleibt  allemal  akribie  die  erste  der  tugenden. 

Einzelne   besserungsvorschlage  hat  U.  in   der  eiul.  s.  9  be- 


UHL    MURNERS   GÄUCBMATT  51 

sproefaen.  die  zu  v.  1595.  1982.  2005.  2561.  3316.  5013  liegeD 
auf  der  hand.  sicher  unrichtig  sind  die  zu  v.  1512  {der  der  für 
der).  2591  {eyn  toyb  zur  ee  für  ein  zur  ee  «»  eioe  ehefrau). 
3193.  4471  {äso  für  alsa,  was  natürlich  'sogleich'  heifst,  wie  U. 
Qbenehen  zu  haben  scheint),  die  übrigen  sind  discutabel.  manches 
andre  aber  wäre  hinzuzufügen  gewesen.  ¥.210  1.  Ein  st.  En. 
▼.  416  ligt  belibem  st.  bleiben  sehr  nahe.  v.  535  fehlt  sicher  sy 
hinter  Bifs.  sollte  s.  42  z.  20  von  oben  nicht  wes  st.  im»  ein- 
zusetzen sein?  ▼.  939  (dem  geuchim  halfs  bandt  machen  liefsen) 
wdre  das  überlieferte  geuchim  besser  in  geuchin  oder  geuchinn  «= 
^eiidUiine(fi)  st.  in  geuch  ein  geändert  worden,  halfs  bandt  ist 
plural,  collectivisch  gebraucht,  geuchin  ein,  wie  in  der  anmerkung 
▼ermutet  wird,  geht  natürlich  nicht  an. 

Die  interpunction  ist  mehrfach  verbesserungsbedürftig,  v.  4 
tilge  man  das  komma  hinter  lesen,  v.  13  das  hinter  tandt.  v.  16 
gebort  punct  hinter  geseit  :  es  beginnt  ein  ganz  neuer  gedanken- 
gang,  in  v.  38  stünde  wol  besser  komma  und  in  v.  39  punct 
(s.  Q.),  V.  133  komma,  v.  536  komma  usw. 

Nicht  glücklich  find  ich  es,  dass  U.  die  verse  doppelt  be- 
ziffert hat^  indem  er  sie  einmal  durch  das  ganze  werk,  dann  durch 
die  einzelnen  capitel  durchzählt. 

Die  anmerkungen  U.s  sind  nicht  unverdienstlich,  wenn  sie 
auch  einen  für  mein  empfinden  gar  zu  saloppen  Charakter  tragen, 
das  gilt  besonders  für  die  ästhetischen  aper^^üs  zu  v.  2710.  3775  f. 
4276.  4355  uaa.  wem  nutzen  die  schuimäfsigen  censuren ,  die 
der  herausgeber  seinem  dichter  mitgibt  :  ^langweiliger  vers,  der 
ODScbOn  hinterdreinhinkt',  ^zwei  sehr  schwache  verse'  usw.? 

Irgend  ein  princip  für  die  anmerkungen  vermag  ich  über- 
haupt nicht  zu  entdecken,  vielfach  hat  U.  offenbar  mit  der  feder 
In  der  band  seinen  Hurner  gelesen  und  nachher  in  druck  ge- 
geben, was  ihm  gerade  bei  diesem  oder  jenem  verse  eingefallen 
war,  ohne  recht  zu  überlegen,  was  und  an  welcher  stelle  ein 
erläuterndes  wort  dem  leser  frommen  kann,  so  wird  v.  2111 
plötzlich  bemerkt,  das  unberechtigte  e  iu  gouche  sei  wol  nur  wegen 
des  metrums  angehängt,  das  hätte  passend  zu  v.  21  erwähnt 
werden  sollen,  v.  2723  wird  mit  rücksicht  auf  i^are,  das  auch 
nicht  zum  ersten  mal  vorkommt,  hinzugefügt,  die  meistersinger 
bezeichneten  ein  solches  e  als  klebsilbe.  zu  v.  3111  aber  ent- 
deckt der  herausgeber,  allerdings  nicht  ohne  ein  sehr  berechtigtes 
fragezeichen,  dass  das  e  in  stiesse  anaiogiebildung  nach  der  2  sing, 
sein  könne. 

Vielfach  hat  U.  offenbar  vergessen,  was  er  selbst  über  eine 
erscheinung  anderwärts  angemerkt  hatte,  zu  v.  733 — 739  heifst 
es  :  ^die  reime  sind  in  diesen  versen  merkwürdig  ungeschickt', 
(beiläufig  bemerkt :  der  erste  der  unerlaubt  rührenden  reime  nit :  nit 
lässt  sich  vermeiden,  wenn  man  v.  734  richtig  interpungiert :  so 
brnchens  auch  kein  hoffart,  nit  [«»  nit],  und  bei  dem  zweiten  ligt 


52  UHL    MURNERS   GÄUCHMATT 

es  gar  zu  nahe,  das  sagt  in  v.  739  als  druckfehler  für  klagt  zu 
hetrachlen).  v.  1012  f  wird  dann  zu  fundt :  kumpt  bemerkt :  'der- 
selbe ungenaue  reini  wie  736.  737;  s.  u.  zu  1233.  34'.  v.  1233f 
heifst  es  'fündt :kümpt;  vgl.  736.  737.  1482.  83  uO.'  eine  halbe 
Seite  später  zu  1299 f  heifst  es  über  fundt: kumpt  :  Miesen  uo- 
reinen  reim  gestattet  sich  M.  öfter*. 

Bei  der  ganzen  art  des  arbeitens  ist  es  nicht  verwunderlich, 
dass  U.  einige  kräftige  versehen  untergelaufen  sind,  die  er  leicht 
bei  etwas  sorgfältigerer  redaction  seines  manuscripts  vermieden 
hätte. 

Dass  die  anmerkung  zu  v.  1395  allen  ernstes  den  erzvater 
Isaak  auf  dem  sterbebelte  einen  dachhasen  verspeisen  lässt,  ist 
doch  etwas  starker  tobak.  andres  wigt  leichter,  ich  gebe  nur 
ein  paar  beispiele. 

Zu  V.  40.  So  mer.]  wir  sagen  ^um  so  mehr^.  nein.  So  mer 
ist  natürlich  das  mhd.  alse  mcere  'gerade  so  lieb',  'gerade  so  gut', 
dann  :  'immerbin'. 

V.  320  wird  es  als  eine  bei  Murner  'seltene  erscheinung' 
hervorgehoben,  dass  der  vers  keinen  auftact  habe,  nach  Popp 
enthält  die  GM  10,97^0  auftactiose  versel 

V.  509.  ietzung  wird  freilich  kein  druckfehler  für  ietzund 
sein;  aber  der  vergleich  mit  tolung  (tagelanc)  hinkt  doch  sehr 
bedenklich. 

S.  205  z.  6  V.  0.  äschen  gryddel  hat  mit  Grete  nichts  zu 
tun.    s.  DWb. 

V.  821.  die  zeile  hat  der  herausgeber  offenbar  ganz  mis- 
verstanden,  zu  übersetzen  ist  natürlich  :  'und  männer  sind  den 
frauen  günstig  gesinnt',  von  einem  latinismus  und  einem  acc.  c. 
inf.  kann  nicht  die  rede  sein,  überhaupt  wird  mit  latinismen  bei 
Murner  ein  arger  unfug  getrieben,  so  soll  nach  den  aomerkungen 
zu  V.  45  und  2364  auch  all  die  sich  wyber  Ion  betriegen;  der 
liefs  sich  doch  die  lieb  bezwingen  latinismus  sein,  als  ob  der- 
gleichen nicht  schon  im  mhd.  gang  und  gäbe  wäre,  selbst  wenn 
es  von  V.  1409  in  der  einleitung  heifst,  iederman  ein  gouch  sich 
syn  leuckt  sei  dem  lat.  'unus  quisque  cuculum  se  esse  negat' 
nachgebildet,  so  möcbt  ich  diese  naheliegende  annähme  bezweifeln, 
ich  fasse  zunächst  syn  als  gen.  neutr.  löugnen  mit  gen.  ist  schon 
mhd.  ganz  gewöhnlich;  vgl.  Freidank  47,  3  ein  iegelich  diep  weiz 
vil  wol,  wie  er  der  diupe  louken  soL  ebenso  mit  zugefügtem  da- 
tiv  der  person,  zb.  Nib.  2284, 1.  sich  eines  dinges  löugnen  könnte, 
wenn  man  sich  erlaubt,  sich  als  dativ  zu  fassen,  im  16  jh.  ganz 
wol  bedeuten  'sich  etwas  nicht  gestehen  wollen',  wahrschein- 
licher aber  ist  doch  sich  accusativ  und  einen  eines  dinges  löugnen 
hiefs  ebenso  wie  einen  ein  ding  löugnen  (HSachs  nach  DWb. 
VI  343  :  sie  laugnet  jn  ein  verschnitten  man)  'einem  gegen  die 
Wahrheit  eine  eigenschaft  absprechen,  iederman  ein  gouch  ist 
dann  zu  fassen  als  'jeder,   der  ein  gouch  ist'.   —   auch  ?.  250 


ÜHL   MÜRNERS   GAUCHUATT  53 

Des  hand  sy  mich  ein  gouch  geschätzt  soll  laÜDismus  sein,  statt 
aodern  paralleleo  verweis  ich  nur  auf  Fnsp.  262,  7  so  wird  ich 
iiarumb  ein  narr  geschätzt. 

V.  1745.  Byfs  ist  weder  in  Wyfs  zu  ändern  noch  gleich 
Bissam,  sondern  natürlich  das  lat.  hyssus  'feines  leinen,  battist'I 
V.  2506  wird  schied  in  der  Verbindung  schied  es  in  schon  dri 
künigrieh  als  conj.  prät.  von  schaden  erklärt  noit  der  sonderbaren 
bemerkung  :  ^Heyne  im  wb.  vergleicht  Weinhold'  464'.  dass  die 
eigentliche  Schwierigkeit  bei  dieser  auffassung  von  schied  "» 
sdküede,  sAadete  in  dem  accusativ  des  inhalls  liegen  würde,  wird 
mit  keiner  silbe  gssagt.  U.  übersetzt  wol  'kostete  es  ihnen  schon 
drei  königreiche'  «=  'schadete  es  ihnen  schon  unendlich  viel'. 
ich  ziehe  vor,  schied  als  conj.  prät.  von  scheiden  zu  fassen  e»  Mn 
Scheidung,  hader  bringen'. 

Die  anmerkung  zu  3847  nicht  miszuverstehn,  scheint  mir 
ein  wahres  kunststUck  (lis  übrigens  :  Zs.  f.  d.  ph.  27,  5500. 

V.  3778 ff,  im  anfang  der  die  sieben  bösen  weiber  einführen- 
den capitel  38 — 45  lesen  wir: 

Ich  habs  im  anfang  wol  betracht. 
Das  ich  zwei  ff  man  in  gouchradt  macht; 
Das  disser  radt  möcht  nit  zergan. 
Ich  mist  auch  wyber  dynnen  han  L 
U.  merkt  an  :  'gemeint  kann  wol   nur  das  xxxri  capitel  der  GM 
sein  :  'Summa  Summarum  aller  gouch'  (2552 ff),  wo  jedoch  bei 
aufzäblung  der  thOrichten  männer  die  zwölfzahl  M^eit  überschritten 
ist.      vom   'gäuchrat',   der  erst  4075  wider  erwähnt  wird,  war 
bisher  überhaupt  noch  nicht  die  rede,    vielleicht  hat  der  dichter 
dies^  ursprünglich  geplante  idee  später  fallen  lassen ,   ohne  sich 
ihrer  nachher  noch  zu  entsinnen,    man  sieht,  wie  nachlässig  M« 
zu   arbeiten   pflegte',     damit  ist  das  eigentlich   litterarhistorische 
problem  der  GM  berührt,  ich  meine  die  frage,  wie  die  auffallend, 
auch  für  das  16  jh.  und  für  Murner  auffallend,  zerfahrene  com- 
position  der  GM  genetisch  zu  verstehn  ist.     die  sache  lässt  sich 
natürlich  nicht  im  handumdrehen  erledigen,     ich  muss  also  für 
ein  paar  hypothetische  bemerkungen  ;von  vornherein   um   nach- 
sieht bitten. 

Zunächst  ist  mir  die  beziehung  auf  c.  xxxii  ganz  unwahr- 
scheinlich, schon  weil,  wie  U.  ganz  richtig  bemerkt,  dort  nicht 
von  12  gäuchischen  männern  die  rede  ist  und  dann,  weil  mir 
der  vom  dichter  selbst  hervorgehobene  parallelismus  gegenüber 
den  folgenden  7  weibercapiteln  auch  12  vorausgehnde  männer- 
capitel  und  nicht  blofs  eines  zu  verlangen  scheint,  von  diesen  sind 
nun  auch  mindestens  11  würklich  vorhanden,  nämlich  cc.21 — 31 
(David,  Alexander  d.  Gr.,  Salomon,  Simson »  Adam,  Herodot, 
Aeneas,  Kasp.  Schlick-Eurialus,  Moses,  Ninus,  Holofernes).    die 

1  ob  diese  verse  so  richtig  überliefert  und  von  U.  richtig  interpungiert 
sind,  ist  mir  zweifelhaft. 


54  UHL   MURNERS   GÄOCBMATT 

ähnlichkeit  mit  deo  weibercapitelo  ist  uQverkeoDbar,  wenn  mao 
beachtet,  dass  die  von  weibern  verführten  —  es  sind  die  tradi- 
tionellen namen  darunter  (vgl.  Roethe^zu  Reinmar  ?Zweter  103)  — 
ebenso  wie  nachher  die  weiber  meist  in  erster  person  reden, 
die  Überschriften  dürfen  zunächst  nicht  irre  führen,  und  die  zwOlf- 
zabl  würde  herauskommen,  wenn  mau  c.  20  CJohannes  ein  papst') 
mitrechnet  und  annimmt,  dass  entweder  die  päpstin  Johanna  würk- 
lich  vom  dichter  in  unpassender  und  seinen  eigenen  intentionen 
widersprechender  weise  unter  die  männer  gerechnet  wurde,  oder 
erst  bei  einer  ursprüngliche  plane  verwischenden  Überarbeitung 
an  die  stelle  eines  würklichen  mannes  getreten  ist.  tlberbaupt 
schliefst,  wenn  ich  auch  die  cc.  20 — 31  fürs  erste  zu  derselben 
^compositionsscbicht'  rechnen  möchte  wie  cc.  38 — 45,  diese  an- 
nähme natürlich  nicht  aus^  dass  eine  Überarbeitung  stattgefunden 
hat,  worauf  schon  die  wunderliche  anordnung  hindeutet. 

Schwieriger  wird  die  frage  dadurch,  dass  c.  19  mit  c.  20 
nicht  übel  zusammen  zu  passen  scheint,  und  list  man  die  Über- 
schriften und  vorsprüche  zu  cc.  19 — 26,  so  entsteht  der  eindrucke 
als  sollten  vielmehr  die  frauen  (Venus,  die  päpstin,  Bathseba, 
Thays,  die  mOhrin,  Delila,  Eva,  Mariamne)  revue  passieren,  man 
vergleiche  dazu  Brants  NS  c.  13.  vielleicht  hat  der  hastige  mann 
von  vornherein  zwei  verschiedene  ideeu  durcheinander  gemengt, 
sich  aber  dann  doch  im  forlgang  seiner  arbeit  durch  die  domi- 
nierende leiten  lassen;  mir  ist  nachträgliche  Umgestaltung  a  priori 
wahrscheinlicher  :  doch  führt  das  zu  sehr  ins  detail,  und  ich 
möchte  nur  betonen,  dass  cc.  (19)  20 — 31  und  38 — 45  zu  einer 
leidlich  einheitlich  werdenden  dichtung  gehören  können,  dass 
dort  von  der  Gäuchmatt,  hier  von  dem  Gäuchrat  die  redtf  ist, 
halte  ich  für  belanglos. 

Dagegen  fallen  die  abweichungen  andrer  capitel  von  den  eben 
erwähnten  für  die  compositionsfrage  viel  stärker  ins  gewicht; 
während  wir  es  hier  mit  reihen  zu  tun  haben,  für  die  1)  ältere 
revuen,  2)  die  fastnachtspiele,  3)  Brants  NS,  4)  die  Gäuchmatt 
Gengenbachs  vergleichbar  und,  was  1 — 3  angeht,  sicherlich  auch 
Vorbilder  sind,  so  enthalten  c.  7 — 18  i^den  gouch  locken^  —  fahen, 
—  berupffin,  —  verkouffen*  usw.) ,  c.  34  {*dem  gouch  die  pfinn 
besehen*),  c.  50 — 54  ('den  gouch  lernen  essen*,  'ein  gouch  in  pfeffer 
essen,  'ein  gouch  reuchen*,  'den  gouch  leren  gan',  'den  gouch  rösten*) 
reiben  ganz  andrer  art,  die  sich  freilich  keineswegs  fest  zusammen- 
schliefseo,  sondern  verschiedenartige  ausätze  erkennen  lassen,  es 
sind  hier  nicht  personen,  sondern  handlungen  auf  die  schnür  ge- 
zogen, und  schon  den  Überschriften  nach  erinnern  diese  capitel 
an  die  'Geistliche  Badenfahrt',  in  zweiter  linie  an  die  NB.  wie  in 
der  BF  die  handlungen  des  baders  (und  des  badenden)  das  ein- 
teilungsprincip  abgegeben  haben,  so  in  der  GM  die  des  Vogel- 
stellers und  -Züchters,  bedenkt  man  nun,  dass  die  BF  1514  er- 
schien und  die  GM  im  jähre  1515  dem  drucker  Hüpfuff  übergeben 


UHL   MORIlBaS   GÄOCBMATT;    VOSS   MURItER   Alf   DBN   ADEL  55 

wurde«  ao  isl  die  aonabme  wol  nicht  alizukaba«  däss  die  «rgestall 
der  GM,  von  der  sich  noch  reste  in  jener  zweiten  capitelreibe 
erhalien  haben,  der  BF  erheblich  näher  stand,  als  die  ttberarbei- 
üiBg  voQ  1519.  weiterhin  weist  auch,  was  sonst  flEUr  die  vor- 
geachicble  der  GH  bei  Hurner  in  betracht  kommt,  zunächst  auf 
diese  capitelreifae  :  NB  c.  6  Gedieh  vfshrieten  (vgl.  GH  c  11),  NB 
€.  85  Iku  60U(h  geschrey  (vgl.  GH  c.  15).  auch  das  capitei  'Fni 
der  Gtnß  wegen'  (NB  c.  17),  das  Spanier  Beitr.  18,55  analysiert 
hat«  iat  heranzuziehen,  sind  die  berüchtigten  ganspredigten  ^  von 
dein  findigen  Franziskaner  etwa  zunächst  in  gauchpredigieo  um- 
gewandelt, dann  versificatorisch  verarbeitet  worden? 

Ob  der  kanzler,  der  Zunftmeister,  der  gauchwäscher  und  was 
sonst  zur  einkleidung  gehört,  dieser  zweiten  arbeitsperiode  an- 
gehört oder  einer  dritten,  altes  und  neues  rasch  und  äufserlich 
zQsammensch weifsenden  ^  will  ich  nicht  entscheiden.  U.  hat  zu 
3827  ff  die  gute  bemerkung  gemacht,  dass  für  das  Tulliacapitel 
der  personenreihe  (c.  39)  offenbar  HS  329 — 345  vorgestbwebt 
hat  —  das  stimmt  zu  der  annähme  späterer  abfassung  ^  — ,  dass 
aber  Murner  sorgfältig  vermieden  hat,  sich  wörtlich  auszuschreiben, 
in  c.  33  verfährt  er  viel  ungenierter,  wie  dies  und  das  folgende 
aus  der  handlungsreihe  stammende  capitel,  so  mag  auch  noch 
andrer  bauschutt  in  die  lücke  zwischen  die  beiden  abteilungen 
der  personenreihe  gestopft  sein,  sorgfältige  philologische  Unter- 
suchung würde  wol  weiter  führen. 

U.S  excurse  enthalten  aufser  einer  antrittsrede  des  heraus- 
gebers,  in  welcher  der  misglUckte  versuch  gemacht  wird,  Hurners 
Institutionen  zu  ^retten',  und  allerhand  mehr  oder  weniger  belang- 
losen kleinigkeiten,  einen  aufsatz  Jeeps,  in  dem,  wie  mir  scheint, 
aberzeugend  der  name  Eulenspiegel  als  ekelname  ile  ian  efeigel 
*verrc  podicem*  gefasst  wird.  — 

Kürzer  kann  ich  mich  über  Voss  ausgäbe  der  scbrift  an  den 
adel  fassen,  sie  gleicht  den  üblichen  neudrucken«  auch  hier 
hab  ich  kein  exemplar  der  Originalausgabe  eingesehen  und  kann 
nur  anmerken,  was  mir  bei  genauerer  durchsiebt  des  neudruckes 
allein  aufgefallen  ist.  40,  4  war  zwisdUen  nicht  in  zwtechen  zu 
eorrigieren,  vgl.  Uhl  zu  GH  7.  8,  34  lis  radten  st.  radt'cn;  10,  28 
erkennen  st.  erkennen,  11,  36  heiden,  15,  31  holten,  15,  34  dem, 
18,  7  ist  das  komma  hinter  red  zu  tilgen,  24,  15  finden  st. 
finden,  38,  21  erachten,  50,  26  betonen  st.  hdonen.  33,  4f  sind 
die  werte  er  das  geret  hab,  ist  tool  zu  ermessen  so  dy  zweimal 
gesetzt,  sind  etwa  auch  36,37  adelischen,  41,2  engliche  nur 
druckfehler  des  neudruckes  für  adelichen  und  englische!  manche 
eigenartige  Schreibungen  (zb.  das  häufige  Romaniscen)  und  offen- 

*  ich  glaube  nicht,  dass  sich  die  bekannten  beschuldigungen  lediglich 
auf  NB  c.  17  stützen. 

>  vorausgesetzt,  dass  MS  erst  nach  cassierung  der  ersten  GM  ge- 
arbeitet wurde. 


56  OTT   MI7RNERS    VERHÄLTNIS   ZU   GEILER 

bare  fehler  (zb.  Zerstörung  8,  33  statt  zerstören)  gehören  aber 
olTenbar  dem  original  an.  — 

Dass  Geiler  vKaisersberg  von  ThMurner  nicht  nur,  was  uns 
ausdrücklich  bezeugt  wird,  in  äufserlichkeiten  nachgeahmt  wurde, 
sondern  auch  auf  ihn  einen  tiefergehenden  einfluss  geübt  und 
und  zur  auspr^gung  der  schriftstellerischen  persönlichkeit  Murners 
beigetragen  habe,  ist  an  sich  sehr  wahrscheinlich  und  mehrfach, 
am  nachdrücklichsten  von  WKawerau  behauptet  worden,  das 
misliche  ist  nur,  dass  wir  kein  rechtes  mittel  besitzen,  um  uns 
die  unmittelbare  einwürkung  des  predigers  auf  den  prediger  an- 
schaulich zu  machen,  und  ist  die  indirecte  einwürkung  in  den 
poetischen  werken  Murners  noch  deutlich  genug  erkennbar?  Ott 
ist  dieser  ansieht  und  hat  dem  nachweis  Scharfsinn  und  fleifs  ge- 
widmet, ich  kann  indessen  nicht  sagen,  dass  mir  seine  Zusammen- 
stellungen ein   schärferes   und   klareres  bild   hinterlassen  hätten. 

O.s  beweisfübrung,  in  äufserlicbkeiten  an  den  aufsatz  Spaniers 
Beitr.  18, 1  ff  erinnernd,  ist  eine  doppehe,  ohne  dassdie  beiden  weiten 
mit  der  wünschenswerten  schärfe  auseinander  gehalten  würden: 
darin  ligt  ihre  schwäche,  einmal  sollen  auf  litterarische  werke 
Murners  die  predigten  Geilers  gewürkt  haben,  und  zwar  einerseits 
indirect,  indem  Murner  seine  predigten  nach  dem  vorbilde  der 
Geilerschen  gestaltete,  seine  predigtmanier,  wie  von  0.  ganz  hübsch 
gezeigt  wird  und  noch  schlagender  hätte  gezeigt  werden  können, 
auch  in  der  poesie  nicht  vergafs,  anderseits  in  einem  gleich  zu 
erwähnenden  specialfall  auch  direct.  zweitens  wäre  aber  auch 
mit  dem  einfluss  der  geschriebenen  und  gedruckten  predigten  zu 
rechnen,  nun  erschienen  zwar  Geilers  predigten  gröstenteils  erst 
als  Murner  in  NB  und  SZ  seinen  Stil  bereits  ausgebildet  hatte, 
es  kämen  also  wesentlich  die  geschriebenen  predigten  —  etwa 
nach  der  Sammlung  des  Joh.  Pauli  —  in  betracht.  nur  für  die 
NB  wären  wir  nach  0.  in  der  glücklichen  läge,  die  verschiedenen 
sich  kreuzenden  einOüsse  in  ihrer  ganzen  stärke  kennen  zu  lernen. 

Die  NB  Murners,  so  behauptet  0.,  sei  nicht  allein  durch  das 
NS  beeinflusst  worden,  sondern  erst  die  Geilerschen  predigten 
über  Brants  werke  hätten  den  anstofs  zu  der  ^neuartigen'  be- 
handlung  gegeben,  das  ist  an  sich  wol  möglich,  und  ich  halte 
es  für  einen  ansprechenden  gedanken,  dass  Murner  durch  den 
seelsorgerischen  standpunct,  den  Geiler  den  Brantschen  narren 
gegenüber  einnimmt,  auf  die  idee  eine  narrenbesserung  gekommen 
sei;  wenn  aber  0.  nun  auf  schritt  und  tritt  nach  spuren  Geilers 
suchte,  so  geht  er  entschieden  zu  weit. 

Bekanntlich  hat  Geiler  seine  predigten  über  das  NS  1498 
— 1499  gehalten.  'Murner  als  mönch,  der  ja  das  amt  des  pre- 
digers übte,  wird  wol  ein  eifriger  zuhörer  gewesen  sein'  (s.  5). 
1510  erschien  die  erste  gedruckte  ausgäbe  der  Navicula  (^  Nav.). 
möglich,  dass  Murner  seiner  zeit  erst  durch  Geiler  auf  das  4  jähre 
zuvor  erschienene  NS  aufmerksam  wurde,  sicher,  dass  er  durch 


OTT  MURNERS   VERHÄLTNIS   ZU   GEILER  57 

Geiler  —  ?ielleicht  durch  die  Nav.  von  1510  —  angeregt,  151t 
bis   1512  Aber  seine  NB  predigte,    aber  darf  man  darum  geradezu 
Geiler  an  stelle  Brants  bei  der  NB  zu  gevatter  bitten  ?  0.  nimml 
das  ao«     *bei  Brantist  es  eben   das  tote  buch,  das  vor  Hurner 
ligt  und  ihm  aoregung  gibt,  bei  Geiler  das  lebendige  beispiel  in 
seiner    Unmittelbarkeit,  das  einen   starken   eindruck   zurUcklässt; 
eine  sionliche  wOrkung  erzeugt,    die  ihm  verwante  natur  in  der 
liefe  packt'    das  klingt  ganz  gut,  besagt  aber  doch  herzlich  wenig, 
wenn   man  Hurners  eigene  berufung  auf  Brant  bedenkt  und  die 
chronologischen  Schwierigkeiten  recht  erwägt,  die  entstehungderNB 
setzt  Spanier  in  die  jähre  1509—1512.     legt  man  auf  die  be* 
kannte  erklärung  LN   162  fr  ich  hab  vor  fierzehn  gantzer  iaren 
Allein  die  kleinen  närlin  beschworen  gewicht  —  meines  erachtens 
darf  sie  nicht  eliminiert  werden  — ,  so  kommt  man  ins  jähr  1508. 
später  als  1509  aber  wird  man  die  anfange  der  NB  gewis  nicht 
setzen    dürfen,     sollten   nun   würklich  Geilers  NS-predigten   ein 
decennium  lang  so  intensiv  nachgewürkt  haben,  dass  Hurner  auch 
einzelheiten  im  gedäcbtnis  blieben?    denn  dass  Hurner  zwischen 
1489  und  1510  seine  erinnerungen  durch  henutzung  der  Samm- 
lung Paulis  aufgefrischt  habe,   bleibt  doch  eine  sehr  zweifelhafte 
hypothese,  und  wenn  man  sie  auch  gelten  lässt,   so  hat  Hurner 
doch  jene  handschriftliche  Sammlung  sicherlich  nicht  so  andauernd 
in  bänden   gehabt   wie  das  NS,   von  dem  0.  ganz  grundlos  be- 
hauptet, es  sei  erst  in   den  jähren  1510 — 1512  in  den  engeren 
gesichtskreis  Hurners  getreten,    weil   eine    frühere  'eingehnde*^ 
beschäfligung  mit  ihr  'gewis'  aus  Hurners  büchern  und  Schriften 
erkennbar  wäre  (s.  5).    den  langen  versreihen,  die  zb.  Spanier  aus 
NS    und    NB   nebeneinanderstellt,  vermag    auch   0.    nichts   von 
gleicher  beweiskraft  an  die  seite  zu  stellen. 

So  nimmt  0.  im  gegensatz  zu  Ries  zb.  an,  dass  Nav.  c.  87 
Hurner  veranlasst  habe,  das  bild  zu  NS  c.  87  so  umzudeuten,  wie  es 
in  NB  c.  7  geschehen  ist.  dadurch  dass  Geiler  in  seiner  predigt 
im  vorbeigehn  ein  'wurfspiel'  erwähnt  und  einen  Spieler  vorführt, 
der  im  frevelnden  zorn  über  Verluste  sein  scbwert  zum  himmel 
^wirA',  und  dass  er  die  bekannte  geschichte  von  den  drei  söhnen 
erzählt,  die  ihre  pfeile  gegen  den  leichnam  ihres  vaters  'schiefsen^ 
soll  Murner  auf  die  idee  des  geisspiels  als  ein  wurfspiel  ge- 
kommen sein!  die  Geiler  geläufige  redensart  die  frag  eins  loch» 
enger  gurten  soll  die  veranlassung  dazu  gegeben  haben,  dass  Hurner 
das  bild  zu  NS  c.  12  in  seiner  NB  c.  20  im  gegensatz  zu  Brant 
dabin  deutet,  als  solle  der  esel  gegürtet  werden. 

Wäre  ein  so  ins  einzelne  gehnder  einOuss  aber  würklich 
nachweisbar,  so  müste  man  ihn  von  dem  erscheinen  der  Nav.  ab 
datieren,  und  es  würde  sich  dann  die  philologische  aufgäbe  ergeben, 
die  vor  der  Nav.  gearbeiteten  capitel  von  den  nach  ihrem  er- 
scheinen entstandenen  zu  scheiden.  Uhl  hat  den  nicht  üblen 
einfall,   die  anläge   der  NB   auf  eine   sprüchwOrtersammlung  zu- 


58  OTT   UURNERS   VERHÄLTNIS  ZU   GEILER 

rückEuführen  (s.  261).  ich  könnte  mir  denken,  dass  etwa  jemand 
sich  anschickte,  nachzuweisen,  dass  Murner  anfangs  einzelne  ca- 
pitel  im  anschluss  an  diese  quelle,  aber  ohne  den  gedanken  einer 
beschworung  fertiggestellt  und  erst  nach  dem  erscheinen  der  Nav. 
den  eigentlichen  plan  und  mit  ihm  auch  den  engeren  anschluss 
an  Braut  gewonnen  habe  :  vor  der  band  seh  ich  indessen  keinen 
rechten  grund  zu  dieser  oder  einer  ähnlichen  annähme. 

Etwas  anderes  ist  es  natürlich  mit  der  behauptung,  dass  die 
Nav.  nach  ihrem  erscheinen  in  secundärer  weise  für  die  im  an- 
schluss an  das  NS  werdende  NB  herangezogen  ist.  hier  nun 
verweist  0.  auf  die  ausgäbe  von  1511.  ich  habe  weder  diese- 
noch  die  von  1510  zur  band,  kann  also  nicht  feststellen,  ob  sich 
seine  angaben  etwa  auch  auf  die  Nav.  von  1510  beziehen  lassen. 
es  kommen  besonders  c.  29.  30.  33  in  betractit. 

Für  das  bild  zu  NB  c.  29  hat  bereits  Ries  s.  29  bemerkt,  dass 
es  aus  Nav.  c.  35  stammt,  wenn  er  meinte,  der  drucker  habe 
gegen  des  dichters  absieht  das  eigentlich  zu  diesem  capitel  ge- 
hörige bild  des  NS  durch  das  entsprechende  der  Nav.  ersetzt,  so 
hat  Spanier  in  seinem  commentar  zur  NB  mit  recht  bemerkt, 
dass  das  bild  der  Nav.  auffallend  gut  passe.  0.  sieht  hier  bewuste 
absieht  des  dichters,  der  demnach  die  Nav.  nachweislich  wenigstens 
bei  der  illustrierung  benutzt  hätte  :  wenn  Ries  ausfübrungen  zu- 
treffen, aber  doch  wol  nach  fertigstellung  des  textes  von  c.  29.  — 
ebenso  behauptet  0.,  wie  es  scheint,  mit  recht  gegen  Spanier, 
dass  das  bild  zu  NB  c.  33  nicht  aus  einer  der  ausgaben  B-F  des 
NS  stamme,  sondern  aus  Nav.  c.  108  und  vom  dichter  mit  ab- 
sieht und  in  bezug  auf  v.  31  =  NS  83,  29  gewählt  sei  (s.  30). 
auch  hier  kann  es  sich  aber  um  heranziehung  in  letzter  stunde 
handeln,  die  textparallelen  sind  ohne  belang,  und  unerlaubt  ist 
es  sicherlich,  auch  später  gedruckte  predigten  mit  oberflächlich 
anklingenden  ausdrücken  zu  vergleichen.  —  etwas  anders  ligt  der 
fall  bei  c.  30.  im  text  ist  NS  c.  55  benutzt;  der  schnitt  aber, 
der  auch  zu  NB  c.  93  widerkehrt,  flndet  sich  in  der  ersten  aus- 
gäbe des  NS  bei  dem  unverwanten  capitel  38.  nur  die  ausgaben 
B-F  bringen  ihn  zu  c.  55,  während  A  hier  den  von  Hurner  zu 
NB  c.  69  ausdeutend  benutzten  ähnlichen  schnitt  hat.  (die  an- 
gaben von  Spanier  sind  ungenau).  0.  nimmt  hier  an  und  glaubt 
es  auch  durch  textparallelen  beweisen  zu  können,  dass  Murner 
Nav.  54  vor  äugen  gehabt  und  von  dort  auch  den  schnitt  ent- 
lehnt habe,  wenn  mir  die  textabhängigkeit,  an  die  ich  hier 
allerdings  eher  glaube,  überzeugender  wäre,  so  würd  ich  an- 
nehmen, dass  das  ganze  capitel,  das  übrigens  eins  der  wenigen 
ist,  deren  Überschrift  keinen  infinitivus  enthält,  kurz  vor  der 
drucklegung  eingefügt  wurde,  als  Murner  beim  suchen  nach  einem 
passenden  schnitt  für  NB  c.  29  und  c.  33  beim  durchblättern  der 
Nav.  auf  schnitt  und  text  von  c.  54  aufmerksam  wurde,  eine 
gleich  späte  entstehung  für  das  geniale  c.  93  {Der  narrm  harn 


OTT  UURNERS  VERBÄLTNI6  ZU  GEILER  59 

ftefdheit)  anzunehmea,  ist  deshalb  nicht  uobediogt  Dotweodig  (fttr 
kflboere  eDtslehuRgsbypothesen  aber  vielleicht  ganz  erwünscht?). 
Auch  das  wird  man  ohne  zwang  nur  auf  die  einrichtong  der 
gedracktenNa?.?on  1510  bezw.  1511  beziehen  können,  wenn  Morner 
workiich  anf  das  citat  NB  1,  47 

Salomon  spricht,  der  fiarren  zal 
ümoisdüh  sy  ganz  vberal 
dadurch  gekommen  ist,  dass  jede  Überschrift  der  Na?,  den  spruch 
Sndiorwm  infmittis  est  numerus  Ecd.  l  enthält 

Das  zweite  und  dritte  capitel  O.s  führen  die  betrachtung 
mehr  ins  allgemeine,  recht  festen  boden  find  ich  nirgends,  ob- 
wol  ich  nicht  leugnen  will,  dass  manche  gute  bemerkung  förder* 
lieh  ist,  wie  denn  überhaupt  redliche  arbeit,  mag  man  auch  den 
hauptergebnissen  nicht  zustimmen,  immer  mancherlei  zu  tage 
nvrdert  und  dem  der  weiterbauen  will  nützlich  ist.  •— 

Ad  die  heikle  aufgäbe,  Murners  metrik  einer  darstellung  zu 
unterziehen,  hat  sich  Popp,  ein  schüler  Braunes,  gemacht  mit 
frischem  Wagemut  und  redlichem  Oeifs,  freilich  noch  ohne  die 
sichre  band,  die  eine  solche  Untersuchung  erfordert,  eine  rein* 
liehe  lOsung  wird  von  vornherein  dadurch  erschwert  oder  unmög- 
lich gemacht,  dass  sich  die  inconsequenzen  der  Überlieferung  mit 
Murners  eignen  inconsequenzen  auf  eigentümliche  art  verketten« 
Hurners  eigne  spräche  enthält  dialektische  und  schriftsprachliche  ele- 
mente;  ebenso,  aber  in  etwas  andrer  mischung,  die  seiner  drucker^ 
und  ich  gebe  P.  völlig  recht^  wenn  er  meint,  dass  nicht  nur  dia- 
lektische formen  Murners  durch  schriftsprachliche,  sondern  auch 
umgekehrt,  freilich  seltner,  schriftsprachliche  durch  dialektische 
ersetzt  seien,  es  sind  daher  nach  P.,  um  zu  Murners  text,  wie 
er  für  den  metriker  construiert  werden  muss,  zu  gelangen,  nötig 
1)  die  einführung  von  formen  mit  apokopiertem  und  synkopiertem 
e  :  knab  für  knabe,  eins  für  eines,  filn  für  filen,  gemacht  für  ge- 
maehet  uaa.,  aber  auch  umgekehrt  von  e-formen;  2)  einführung 
von  solch  für  solich,  heilg  für  heilig,  nerrsch  für  nerrisck,  gelegent- 
lich aber  auch  umgekehrt;  3)  reduction  von  6e-,  ge*  zu  6-,  g^^ 
umgekehrt  auch  gelegentlich  beleiben  uaa.;  z  für  zu,  d  für  die, 
s  für  sie  oder  es,  kaum  umgekehrt;  5)  bisweilen  einführung  der 
schriftsprachlichen  2  pl.  auf  -t  für  dial.  auf  -ent,  dürft  für  dörffend 
uaa.  was  bei  Murner  möglich  ist,  darüber  lässt  sich  wol  eine 
einigung  erzielen,  schwerer  über  das,  was  in  einzelnen  fallen  er- 
forderlich ist.  denn  hier  greift  die  metrische  inconsequenz  ein. 
P.s  ansichten  über  Murners  vers  lassen  sich  auf  folgende  Sätze 
bringen  :  1)  Murner  baut  seine  verse  im  princip  nach  dem  na- 
iQrlichen  wortton;  2)  es  kommen  indessen  auch  nicht  wenige 
verse  vor,  die  nur  mit  Verletzung  des  natürlichen  accents  gelesen 
werden  können ;  3)  Murner  strebt  im  princip  Wechsel  von  hebung 
und  Senkung  (einsilbige  Senkung)  an;  4)  in  einer  anzahl  von 
Versen   ist  aber  mehrsilbige  (meist  zweisilbige)  Senkung,   seltner 


58  OTT  UI7RNERS   YBRIIÄLTNIS  ZU   GEILEB 

rückEuführen  (s.  261).  ich  könnte  mir  denken,  dass  etwa  jemand 
sich  anschickte,  nachzuweisen,  dass  Murner  anfangs  einzelne  ca- 
pitel  im  aoschluss  an  diese  quelle,  aber  ohne  den  gedanken  einer 
beschwürung  fertiggestellt  und  erst  nach  dem  erscheinen  der  Na?. 
den  eigentlichen  plan  und  mit  ihm  auch  den  engeren  anschluss 
an  Braut  gewonnen  habe  :  vor  der  band  seh  ich  indessen  keinen 
rechten  grund  zu  dieser  oder  einer  ähnlichen  annähme. 

Etwas  anderes  ist  es  natürlich  mit  der  behauptung,  dass  die 
Nav.  nach  ihrem  erscheinen  in  secundärer  weise  für  die  im  an- 
schluss an  das  NS  werdende  NB  herangezogen  ist.  hier  nun 
verweist  0.  auf  die  ausgäbe  von  1511.  ich  habe  weder  diese 
noch  die  von  1510  zur  band,  kann  also  nicht  feststellen,  ob  sich 
seine  angaben  etwa  auch  auf  die  Nav.  von  1510  beziehen  lassen, 
es  kommen  besonders  c.  29.  30.  33  in  betracht. 

Für  das  bild  zu  NB  c.  29  hat  bereits  Ries  s.  29  bemerkt,  dass 
es  aus  Nav.  c.  35  stammt,  wenn  er  meinte,  der  drucker  habe 
gegen  des  dichters  absieht  das  eigentlich  zu  diesem  capitel  ge- 
hörige bild  des  NS  durch  das  entsprechende  der  Nav.  ersetzt,  so 
hat  Spanier  in  seinem  commentar  zur  NB  mit  recht  bemerkt, 
dass  das  bild  der  Nav.  auffallend  gut  passe.  0.  sieht  hier  bewuste 
absieht  des  dichters,  der  demnach  die  Nav.  nachweislich  wenigstens 
bei  der  illustrierung  benutzt  hätte  :  wenn  Ries  ausführungen  zu- 
treffen, aber  doch  wol  nach  fertigstellung  des  textes  von  c.  29.  — 
ebenso  behauptet  0.,  wie  es  scheint,  mit  recht  gegen  Spanier, 
dass  das  bild  zu  NB  c.  33  nicht  aus  einer  der  ausgaben  B-F  des 
NS  stamme,  sondern  aus  Nav.  c.  108  und  vom  dichter  mit  ab- 
sieht und  in  bezug  auf  v.  31  »»  NS  83,  29  gewählt  sei  (s.  30). 
auch  hier  kann  es  sich  aber  um  heranziehung  in  letzter  stunde 
handeln,  die  textparallelen  sind  ohne  belang,  und  unerlaubt  ist 
es  sicherlich,  auch  später  gedruckte  predigten  mit  oberflächlich 
anklingenden  ausdrücken  zu  vergleichen.  —  etwas  anders  ligt  der 
fall  bei  c.  30.  im  text  ist  NS  c.  55  benutzt;  der  schnitt  aber, 
der  auch  zu  NB  c.  93  widerkehrt,  flndet  sich  in  der  ersten  aus- 
gäbe des  NS  bei  dem  unverwanten  capitel  38.  nur  die  ausgaben 
B-F  bringen  ihn  zu  c.  55,  während  A  hier  den  von  Huruer  zu 
NB  c.  69  ausdeutend  benutzten  ähnlichen  schnitt  hat.  (die  an- 
gaben von  Spanier  sind  ungenau).  0.  nimmt  hier  an  und  glaubt 
es  auch  durch  textparallelen  beweisen  zu  können,  dass  Hurner 
Nav.  54  vor  äugen  gehabt  und  von  dort  auch  den  schnitt  ent- 
lehnt habe,  wenn  mir  die  textabhängigkeit,  an  die  ich  hier 
allerdings  eher  glaube,  überzeugender  wäre,  so  wttrd  ich  an- 
nehmen, dass  das  ganze  capitel,  das  übrigens  eins  der  wenigen 
ist,  deren  Überschrift  keinen  infinitivus  enthält,  kurz  vor  der 
druckleguog  eingefügt  wurde,  als  Murner  beim  suchen  nacb  einem 
passenden  schnitt  für  NB  c.  29  und  c.  33  beim  durchblättern  der 
Nav.  auf  schnitt  und  text  von  c.  54  aufmerksam  wurde,  eine 
gleich  späte  entstehung  für  das  geniale  c.  93  (Der  narrm  ham 


OTT  MUBNERS  VERHÄLTNIS  ZU  GEILER  59 

fteseken)  aosooehmeo,  ist  deshalb  nicht  uobedingt  notwendig  (für 
kQboere  entsiehongshyputhesen  aber  vielleicht  ganz  erwünscht?). 
Auch  das  wird  man  ohne  zwang  nur  auf  die  einrichtung  der 
gedruckten  Na  v.fon  1510  bezw.  1511  beziehen  können,  weonMurner 
wOrklich  auf  das  ei  tat  NB  1,  47 

Salomon  spricht,  der  narren  zal 
ünwüslich  sy  ganz  vberal 
dadorch  gekommen  ist,  dass  jede  Überschrift  der  Nav.  den  spruch 
Simkerum  infimius  est  numerus  Ecd.  l  enthält 

Das  zweite  und  dritte  capitel  O.s  führen  die  betrachtung 
mehr  ins  allgemeine,  recht  festen  boden  find  ich  nirgends,  ob- 
wol  ich  nicht  leugnen  will,  dass  manche  gute  bemerkung  förder* 
lieh  ist,  wie  denn  überhaupt  redliche  arbeit,  mag  man  auch  den 
Hauptergebnissen  nicht  zustimmen,  immer  mancherlei  zu  tage 
fördert  und  dem  der  weiterbauen  will  nützlich  ist.  •— 

An  die  heikle  aufgäbe,  Muruers  metrik  einer  darstellung  zu 
unterziehen,  hat  sich  Popp,  ein  schüler  Braunes,  gemacht  mit 
frischem  Wagemut  und  redlichem  fleifs,  freilich  noch  ohne  die 
sichre  band,  die  eine  solche  Untersuchung  erfordert,  eine  rein* 
liehe  lösung  wird  von  vornherein  dadurch  erschwert  oder  unmög- 
lich gemacht,  dass  sich  die  incoosequenzen  der  Überlieferung  mit 
Murners  eignen  inconsequeozen  auf  eigentümliche  art  verketten« 
Murners  eigne  spräche  enthält  dialektische  und  schriftsprachliche  ele- 
mente;  ebenso,  aber  in  etwas  andrer  mischung,  die  seiner  drucker^ 
und  ich  gebe  P.  völlig  recht^  wenn  er  meint,  dass  nicht  nur  dia- 
lektische formen  Murners  durch  schriftsprachliche,  sondern  auch 
umgekehrt,  freilich  seltner,  schriftsprachliche  durch  dialektische 
ersetzt  seien,  es  sind  daher  nach  P.,  um  zu  Murners  text,  wie 
er  für  den  metriker  construiert  werden  muss,  zu  gelangen,  nötig 
1)  die  einführung  von  formen  mit  apokopiertem  und  synkopiertem 
e  :  knab  für  knahe,  eins  für  eines,  filn  für  filen,  gemacht  für  ge- 
maehet  uaa.,  aber  auch  umgekehrt  von  e-formen;  2)  einführung 
von  solch  für  solich,  htilg  für  heilig,  nerrsch  für  nerrisch,  gelegent- 
lich aber  auch  umgekehrt;  3)  reduction  von  6e-,  ^e-  zu  b-,  ^, 
umgekehrt  auch  gelegentlich  beleiben  uaa.;  z  für  zü^  d  für  die, 
5  für  sie  oder  es,  kaum  umgekehrt;  5)  bisweilen  einführung  der 
schriftsprachlichen  2  pl.  auf  -t  für  dial.  auf  -ent,  dürft  für  dörffend 
uaa.  was  bei  Murner  möglich  ist,  darüber  lässt  sich  wol  eine 
einigung  erzielen,  schwerer  über  das,  was  in  einzelnen  fällen  er- 
forderlich ist.  denn  hier  greift  die  metrische  inconsequenz  ein. 
P.s  ansichten  über  Hurners  vers  lassen  sich  auf  folgende  Sätze 
bringen  :  1)  Murner  baut  seine  verse  im  princip  nach  dem  na- 
lürlicben  wortton;  2)  es  kommen  indessen  auch  nicht  wenige 
verse  vor,  die  nur  mit  Verletzung  des  natürlichen  accents  gelesen 
werden  können;  3)  Murner  strebt  im  princip  Wechsel  von  hebung 
und  Senkung  (einsilbige  Senkung)  an;  4)  in  einer  anzahl  von 
Versen   ist  aber  mehrsilbige  (meist  zweisilbige)  Senkung,  seltner 


60  POPP   DIE   METRIK   UND    RHYTHMIK    THOMAS   MDR^ERS 

auch  fehlen  der  senkuog  anzunehmeD.  haben  wir  es  würklicb 
mit  einem  solchen  rattenkönig  von  inconsequenzen  zu  tun,  sa 
kam  für  den,  der  es  unternahm,  uns  Murners  metrik  zu  erklären, 
alles  darauf  an,  nicht  selbst  inconsequent  zu  werden.  P.  bat  da»' 
wol  gefühlt,  wenn  er  s.  37  schreibt  :^wili  man  einmal  die  be- 
obachtung  des  natürlichen  sprachacceuts  zum  princip  machen,  so 
muss  sie  consequenter  weise  stets  princip  sein\  er  seinerseits 
hat  das  princip  des  regelmäfsigen  wechseis  von  hebung  und 
Senkung  durchzuführen  gesucht,  aber  doch  nicht  überzeugt  genug, 
um  frischen  muts  die  negativen  iustanzen  aus  dem  wege  zu 
schalTen.  man  ist  denn  auch  scbliefslich  trotz  aller  aufgewanten^ 
mühe  nicht  viel  klüger  als  am  anfang.  ich  habe  den  eindruck, 
als  schäme  sich  P.  etwas  seines  unbewiesenen  ausgangspuncte» 
und  suche  ihn  unter  allerhand  Zugeständnissen  an  gegnerische 
ansichten  zu  verleugnen  :  es  ist  dies  der  in  unserm  ^kritiscben*^ 
Zeitalter  so  häufige  verhängnisvolle  irrtum,  als  sei  es  überhaupt 
unerlaubt,  eine  vorgefasste  meinung  zu  haben,  wahrend  ohne  eine 
klare  hypothesis  sich  weder  eine  gute  analysis  noch  eine  befrie- 
digende synthesis  geben  lässt.  die  richtigkeit  oder  Unrichtigkeit 
muss  sich  bei  methodischem  vorgehn  more  geometrico  heraus- 
stellen, und  wer  der  kritik  völlig  genüge  tun  will,  erbringt  dea 
indirecten  beweis  der  gegenprobe.  meine  bemerkungen  solieu 
sich  innerhalb  der  analytischen  behandlung  halten. 

Nimmt  man  das  princip  des  regelrechten  wechseis  von  hebung 
und  Senkung  an,  so  muss,  falls  sich  herausstellt,  dass  es  trotz  der 
von  vornherein  als  nOtig  anerkannten  textconstruction  ganz  streng 
nicht  durchführbar  ist^  die  erste  frage  lauten  :  unter  welchen  be- 
sondern bedingungen  ist  zweisilbige  Senkung  gestattet? 

P.  hat  sich  die  frage  in  der  tat  gestellt,  aber  die  beant- 
wortung  ist  unbefriedigend,  er  ordnet  sein  statistisches  material 
in  vier  gruppen  :  1)  'flexionssilbe  und  einsilbiges  wort  (resp» 
präfix)';  2)  ^ableitungssilbe  und  einsilbiges  wort  (resp.  präüx)'; 
3)  ^ein  zweisilbiges  wort  oder  zwei  einsilbige  Wörter*;  4)  'zwei 
unbetonte  (nebentonige)  silben  eines  Wortes',  die  Systematik  ist 
wol  der  der  Wilmannsschen  Untersuchungen  über  die  metrik 
Otfrids  nachgebildet.  unpassender  weise  I  denn  bei  Olfrid 
steht  von  vornherein  fest,  dass  und  zt.  auch  unter  welchen  laut- 
physiologischen bedingungen  verschleifung  auf  der  hebung  oder 
mehrsilbige  Senkung  gestattet  ist.  für  Murner  aber  bandelt  es 
sich  gerade  um  diese  Vorfrage.  P.  hätte  also  besser  getan,  zu- 
nächst einmal  im  groben  vocale  und  consonanten  der  nach  seiner 
hypothese  zulässigen  doppelten  Senkungssilben  zu  betrachten, 
würklich  liefs  sich  hier  weiter  kommen,  mir  scheint,  es  ergeben 
sich  bei  benutzung  des  von  P.  zusammengetragenen  materials 
folgende  fälle: 

1.  die  beiden  silben  sind  durch  einfache  consonanten,  ins- 
besondere Ol,  n,  I,  r  getrennt  und  zwar: 


POPP   DIB   METRIK    UND   RHYTHMIK    THOMAS   MDBNBRS  61 

a)  der  ?ocal  der  ersten   silbe   ist   uobetontes   e.     hier   ist 

doppelseokuDg  bei  Murner  ohne  weiteres  erlaubt,    oder  vielmehr : 

man    wird   in  fölleo   wie   NB  8,  57  umb  pfyff^n  ein  isel,  10,  64 

idsierUch^  enteren^  Sz  2,  26  den  richten  an  leit,  LN  560  bei  dies^ 

erbüien,   NB  12,  8  der  dnd^r  ist  fül,  GM  653   artiek^l  ich  Usen 

gar  nicht  von  zweisilbiger  seokuog  reden  dürfen,  sondern  sagen 

mQssen,  dass  das  sonaotische  m,  n,  l,  r  in  solchen  fällen  vor  dem 

folgenden  vocal  consonant  wird,  so  erledigen  sich  aus  P.s  abschnitt : 

NB  8,57.    10,64.    16,16    (nb.  ableitungsilbe).    58,65.  (s.  u.). 

68,  30.  75,  74.  95,  190;  SZ  2,  26.  3,  13.  4,  18.  45,  22  {frow^n 

in  kurzen  jaren).  46,  21 ;   BF  8,  24.  9,  21.  14,  33.  24,  33;  MS 

1532;  GM  109.  436.  885.  1315.  2384.  4137.  5003.  5412  (kloster- 

fröwfn   ietzünd)    MN    355.  560.  568.   1176.  1254.1305.1390. 

1596.  1652.  2158.  2238?  {heiligen  ewangäiüm);  3779.  3889.  3908 

{trdg^  ein^  schwire  burd),   455   (bei  göt  und  heilg^n  ich  schiifs). 

nicht  mit  angeführt  sind   die   vcrse,   denen  P.  auf  andere  weise 

aufhilft,  obgleich  noch  einiges  hierher  gehören  mag.    unnötig  ist 

jedenfalls  in  GM  59  {bucht  üch  ir  wyb^  im  dnefang)  mit  P.  an- 

fang  einzusetzen,  und  zweifelhaft  bleiben  andere  fälle,    vermutlich 

gehört  auch  hierher  SZ  37,  5  wir  schwyg§n[t]  ir  missethdt.     GM 

1135  sy  hdtten[t]  ein  grosse. 

Aus  abschnitt  2  sind  so  zu  beurteilen:  NB  12,  9.  39,  63. 
43,  39.  47,  29.  57, 16.  59,  27.  68,  5.  9,  44.  95,  60.  31,  67;  SZ 
48,  36.  2,  4;  BF  12,  58.  23,  23.  6,  29;  GM  550.  659  (s.  u.)  1612. 
2096.  2844  CAlexdnd^r  ein  gdnfs).  653.  665.  3523  (?).  4392. 
LN  1254.  279.  876.  942.  1562.  2176.  2688.  1632.  1230.  1253. 
1634  {im  sickel  bufs  lan  uff  d§m   dltdr).  3017.  3368.  4077. 

Aus  abschnitt  3:  NB  15,  2  (dry  machen  ein).  38  d  {wan  ich 
ein  ey  uff  d§m  [oder  uffm]  düar  findt).  53  d  (das  trieg  vil  me 
dann  der  esel  vier).  93,  62  (lis  :  ^s  trifft  'dir  doch  lyb  und  Üben 
dn).  BF  9,  24  (all  deine  gut  mog^n  uns  nit  leren,  wenn  man  nicht 
vorzieht  dein  fUr  deine  zu  setzen).  MS  875  (dds  mein  sdck  an  d^r 
erden  lyt),  MS  952  (ja  dd  der  sdck  an  d§r  erden  Idg).  LN.  1136 
{hei  db,  tüff^l  db  und  ßgfeü§r  ab). 

Abschnitt  4  lass  ich  bei  seite^  weil  ich  zu  weitläufig  werden 
«nUste. 

b)  wie  unbetontes  e  ist  auch  unbetontes  i  behandelt.  Hier- 
her aus  abs.  2  :  NB  25,  94  sant  viltin  und,  abs.  3  LN  250  fiim  in 
schön  und  stilt  in  .an  brdnger^  907  thuot  ers,  ich  schSnk  im  ein 
echweinin  brdtenK 

2.  Auch  wenn  auf  eine  mit  r,  l,  m,  n  schliefsende  silbe  eine 
zweite  mit  h  anlautende  silbe  folgt,  scheint  dieselbe  art  der  ver- 
Schleifung  vorzuliegen,  die  fälle  sind,  wenn  anders  P.s  Zusammen- 
stellungen  zuverlässig  sind  :  (abs.  1)  NB  11,  59   liebp*  herr  dö- 

^  NB  67,10  wird  aber  wol  besser  zu  lesen  sein  :  es  ist  ein  glöfslin, 
<ein  nuwer  rdnck. 


66  FÜRST    DIE    VORLÄUFER    DER   MODERNEN    NOVELLE   IM    18  JH. 

bedeutendste  Schillers  Verbrecher  aus  infamie  ist.  durch  ihr  be- 
streben, den  innern  menschen  zu  erfassen,  bilden  sie  —  nach 
einer  skizze  des  deutschen  conte  licencieux  Langbeins  und  der 
Straufsfedern,  das  F.  schwank  nennt  —  den  Übergang  zum  iv  ab- 
schnitt :  Revolution  und  realismus  (s.  163 ff),  die  Umwer- 
tung der  moralbegriffe  durch  den  politischen  Umsturz  fOhrt  zur 
entdeckung  einer  neuen  weit  :  der  innern  des  menschen.  Diderot 
ist  der  führer.  ihm  folgt  auf  eigenen  pfaden  Restif  de  la  Rre- 
tonne  'wie  der  Vertreter  einer  andern  weit'  (s.  169  ff),  in  Deutsch- 
land führte  der  kämpf  gegen  die  oberflächliche  moralgeschicbte 
zunächst  zur  abkehr  vom  täglichen  leben,  beeinflusst  von  Goethes 
Götz,  der  eine  altdeutsche  renaissance  hervorrief,  allein  die  so- 
cialen bestrebungen  der  gegenwart  erfüllten  die  romantischen 
erzählungen  aus  der  ritterzeit  :  hass  gegen  geistlichkeit  und  klöster 
und  Verfechtung  der  gleichheit  aller  stände  (s.  177).  von  der 
dialogform  gibt  F.  eine  ansprechende  erklärung  und  führt  die 
lange  reihe  der  erzählejp  vor,  die  die  romantik  allmählich  in  ver- 
ruf  bringen,  das  3  cap.  des  letzten  abschnitts  (s.  189  ff)  endlich 
macht  uns  mit  der  ^modernen  novelle'  Goethes,  Tiecks  und  Kleists 
bekannt^  und  es  zeigt  sich,  dass  sie  mit  den  alten  formen  der 
prosaerzählung  eng  zusammenhängt,  allerdings  nur  äufserlich. 
das  Schlusswort  (s.  211)  erhalten  die  englischen  erzähler  vor 
Walter  Scott,  die  besser  weggebheben  wären  und  von  denen  ich 
nur  Mrs.  Inchbald  nenne,  deren  namen  8.214  und  im  index 
verdruckt  ist  (Juchbald). 

F.s  buch  gibt  mehr  und  auch  weniger  als  der  titel  besagt: 
er  behandelt  nicht  blofs  die  Vorläufer  der  modernen  novelle  im 
18  Jh.,  sondern  alle  gattungen  der  kurzen  prosaerzählung;  so 
das  märcheu,  das,  ein  product  der  einbildungskraft,  welche  'keine 
plane  macht,  sich  keinen  weg  vornimmt,  sondern  von  ihren 
eigenen  flügeln  getragen  die  wunderlichsten  bahnen  beschreibt*, 
von  Goethe  der  novelle  als  besondre  gattung  nachdrücklich  gegen- 
übergestellt wird,  diese  soll  verarbeiten,  was  würklich  geschehen 
ist;  sie  berührt  sich  mit  jenem  weder  im  Stoff  noch  in  der  technik. 
die  kunstregeln,  die  Goethe  für  die  novelle  aufstellt,  schliefsen 
das  übernatürliche  völlig  aus,  das  deshalb  als  Vorläufer  der  no- 
velle nicht  gelten  kann,  aber  auch  F.s  eigene  definition  der  mo- 
dernen novelle  als  würklichkeitserzählung,  die  frei  erfunden  und 
aus  der  gegenwart  geschöpft  ist,  steht  ihm  überall  im  wege.  sie 
passt  weder  auf  die  kurze  erzählung  des  18  jhs.  noch  auf  die 
novelle  unsrer  zeit.  Goethe  verlangt  wol  von  der  novelle,  dass 
ihr  Stoff  der  würklichen  weit  entnommen  werde,  nicht  aber  der 
gegenwart,  und  die  forderung  der  freien  erfindung,  'des  uner- 
hörten falles'  weist  er  ab.  F.  citiert  (s.  1)  aus  den  Unterhal- 
tungen deutscher  ausgewanderten  Goethes  worte,  die  die  neue 
erzählung  theoretisch  einführen;  doch  finden  sich  an  demselben 
orte  andre,  die  er  hätte  mit  heranziehen  sollen,  um  Goethes  meii- 


VUB5T   DIE    VORLÄUFER    DER    MODERISEN   NOXELLE   IM   18   JH.  67 

nuDg  klarer  auszudrücken,     von  dem  marchen  sprach  ich  schon 
(Hempel  16,  102).    die  novelle  vom  jungen  Ferdinand  wird  durch 
die  bemerkung  eingeleitet  (aao.  s.  83),  dass  diese  familiengemälde 
eJDander  alle  so  gleich  sehen,  ^und  wir  haben  fast  aUe  Verhältnisse 
derselben  schon  gut  bearbeitet  auf  den  Theatern  gesehen',    indessen 
will   er  die  geschichte  doch  erzählen,  ^die  nur  durch  eine  genaue 
Darsieüung  dessen,   was  in    den   Gemüthem  vorging,    neu  und 
interessant  werden  dürfte',     hier  sehen  wir  deutlich  :  die  forde- 
ruDgeo  der  neuen  zeit  liegen  durchaus  nicht  in  der  neuheit  des 
Stoffes,    Dicht  in   der  freien  erßndung,  sondern   die   individuelle 
behaodluDg   überlieferten   Stoffes  zeigt  sich   in    der  geschmacks- 
richtuDg,  der  lebenserfahrung,  der  erzählungskunst  und  der  ver- 
tieften psychologischen  analyse.    so  hat  Goethe  des  öftern  Stoffe, 
die  vor  ihm  behandelt  wurden,  wider  erzählt,   und  dasselbe  tun 
die   novellisten   unsrer  tage,     gibt   es  überhaupt  noch  unerhörte 
fälle?    von  seiner  deünition    der  modernen    novelle    ausgehend, 
schiebt    F.    den    meister    und    das    ewige    muster    der    novelle, 
Boccaccio,  zur  seite.     er  stellt  an  den  ausgangspunct  ihrer  ent- 
Wicklung  die   moralischen    novellen   des  Cervantes;    hier  ist  die 
freie  erfindung,  dort  nachdichtung,   hier  das  würkliche  nationale 
leben,    dort  internationale   Stoffe,     dass   Boccaccios   erzählungen 
weniger  national  seien  als  die  des  Cervantes,  lässt  sich  doch  kaum 
behaupten,    ist  nicht  die  fülle  realistischen  details  in  den  novellen 
des  italienischen  meisters  eine  quelle  der  culturgeschichle  seiner 
zeit?     seine  Stoffe   sind  freilich   aus  internationalen  quellen  ent- 
nommen :  das  wissen  wir,  nicht  jene,  für  die  Boccaccio  schrieb, 
sie  lasen  nicht  die  französischen  fabliaux,  die  wir  mit  den  italie- 
nischen   erzählungen  vergleichen,     es    war   doch    nicht  wie  zu 
Goethes  zeit,  wo  die  originale  in  jedermanns  bänden  sein  konnten, 
wo  man  die  Stoffe  vom  theater  kannte,    den  lesern  des  Boccaccio 
waren  die  novellen  neu  und  aus  dem  nationalen  leben  geschöpft, 
aus  demselben  gründe  müste  F.  aus  der  reihe  der  Vorläufer  der 
modernen  novelle  Lafontaine  ausscheiden,  dessen  Contes  vielfach 
erneuerung  der  alten  Cent  nouvelles  nouvelles  sind,     die  feen- 
märchen  in  Deutschland,  die  aus  dem  französischen  und  in  letzter 
linie  aus   dem  Oriente  stammen,    sind   im   gründe   ebenso  inter- 
national,    aber   handelt  es  sich   hier   überhaupt  um  den  Stoff? 
Boccaccios  verdienst  ist,   dass  er  eben  aus   dem  fabliau   die  no- 
velle  schuf  und   diese   kunstform  zugleich   auf  eine  unerreichte 
höhe  brachte,    ganz  verkehrt  ist  es,  bei  der  betrachtung  der  ent- 
stehung  der  novelle  von  Boccaccio  abzusehen,  von  dem  ganz  allein 
wir  lernen  können,  was  das  wahre  wesen  der  novelle  ausmacht, 
spräche  F.  blofs  von   den   prosaikern   des  18  jhs.   und   hätte  er 
nicht  die  novellen  des  Cervantes  aus  rein  stofflichen  gründen  an 
die  spitze  der  entwicklung  gestellt,  so  müste  er  dennoch  bei  der 
beurteilung   der   novellen   Goethes  auf  Boccaccio    zurückgreifen, 
keinem  seiner  Vorgänger  im  18  jh.  und  darüber  hinaus  ist  Goethe 


68  FÜRST   DIE   VOBLIuFER    DER   MODERNEN   NOVELLE   IM  18  JH. 

in  bezug  auf  die  innere  form,  die  techoik,  die  erzählungskunst 
der  novelle  so  tief  verpflichtet  wie  dem  alten  Boccaz.  alles  was 
zwischen  diesen  meistern  ligt  war  Irrweg,  die  alte  kunst  war 
verloren  und  kam  auf  langem  umweg  zu  Goethe  zurück. 

Von  den  kurzen  gescbichten  in  den  Unterhaltungen  deutscher 
ausgewanderten  entspricht  keine  der  Forderung  der  neuheit,  die 
F.  für  die  moderne  novelle  beansprucht;  am  allerwenigsten  jene, 
der  die  oft  citierte  stelle,  in  welcher  Goethe  die  erzählungslittera- 
cur  vor  ihm  verurteilt  und  eine  norm  für  die  künftige  aufstelllt 
als  einleitung  vorausgeht.  F.  hätte  die  Goelhischen  worte  mit 
der  erzählung,  auf  die  sie  gemünzt  sind,  in  beziehung  zu  setzen 
nicht  unterlassen  sollen  :  sie  erscheinen  bei  ihm  aus  ihrem  zu- 
sammenhange losgelöst,  der  geistliche  hausfreund  erklärt  sich 
bereit,  eine  geschichte  zu  einzahlen;  doch  die  baronesse  verlangt, 
es  möge  keine  von  der  art  sein,  welche  sie  nicht  liebt,  ihre 
kritik  trifft  die  ganze  gruppe  der  modeerzählungen,  wo  auf  leicht- 
sinnige weise  die  neugierde  des  lesers  erregt  und  seine  aufmerk- 
samkeit  nur  durch  seltsame  kunstgriffe  wach  erhalten  wird,  sie 
lässt  die  wähl  des  Stoffes  vollkommen  frei,  denn  ihr  ästhetisches 
interesse  haftet  an  der  Charakteristik  der  personen^  der  eutwick* 
lung  der  handlung,  der  spräche,  kurz  an  der  künstlerischen 
formung  des  Stoffes  weit  mehr  als  an  diesem  selbst,  ihre  hohen 
und  strengen  forderungen  setzen  den  erzähler  in  Verlegenheit; 
die  geschichte,  die  er  vorzubringen  im  begriffe  stand,  muss  er 
nun  aufgeben,  'und  ich  weifs  wirklich  nicht\  fährt  er  fort,  'ob  ich 
mich  in  der  Eile  vergreife,  wenn  ich  eine  alte  Geschichte,  an 
die  ich  aber  immer  mit  einiger  Vorliebe  gedacht  habe,  sogleich  aus 
dem  Stegreife  vorzutragen  anfange',  es  ist  die  novelle  vom  Ehrlichen 
procurator,  die  den  Cent  nouvelJes  nouvelles  entstammt  und  bei 
Goethe  die  modernste  richtung  der  prosaerzählung  inauguriert, 
die  baronesse  stellt  ein  programm  auf^  welches  das  vorhandene 
entschieden  ablehnend  etwas  neues  fordert,  und  erhält  eine  ge- 
schichte, die  in  der  blütezeit  der  novellistik  erzählt  wurde,  deut- 
licher konnte  Goethe  seinen  Zusammenhang  mit  den  alten  meistern 
nicht  bekunden. 

F.s  bemerkungen  über  diese  novelle,  die  schon  ihrer  äuTsern 
Stellung  nach  beachtung  verdient,  sind  äufscrst  dürftig;  er  nennt 
sie  einen  schwank  und  berichtet,  dass  Goethe  sie  aus  dem  Boccaz 
entlehnt  zu  haben  glaubte,  er  rechnet  es  Goethe  als  verdienst 
an,  dass  die  heldin  seiner  geschichte  vor  dem  falle  bewahrt  bleibt 
und  dass  die  lOsung  das  sittliche  gefühl  nicht  verletzt,  doch  sein 
lob  gilt  der  quelle,  an  die  sich  Goethe  im  ganzen  verlauf  der 
begebenheiten  eng  anschliefst  und  mit  der  er  zum  teil  wörtlich 
übereinstimmt,  eine  genaue  vergleichung  beider  vorzunehmen, 
ist  hier  nicht  am  platze;  es  mag  genügen,  auf  die  quellen- 
Untersuchung  hinzuweisen,  welche  MHerrmann  Vjschr.  .3,  22if  ge- 
liefert hat  :  danach  bat  Goethe  zweifellos  die  fassung  der  Cent 


FÜRST  ]>IE  VOBLÄOPER    DES   HODEBNBN   ROTELLE   IM   18  J0.  69 

iiOQ¥.  Qouv.  direct  benutzt  und  sich  vielfach  auch  bis  in  einzelne 
weadloDgen  und  geringe  details  hinein  an  sie  angeschlossen^. 

Daraus  mögen  wir  zugleich  enlnehmen,  dass  der  erzähler^ 
wie  genau  er  auch  dem  originale  folgt,  beflissen  ist,  dem 
wünsche  der  baronesse  rechnung  tragend  den  ton  der  guten  ge* 
Seilschaft  zu  wahren,  darauf  beschranken  sich  dann  auch  zu- 
meist die  änderungen,  die  Goethe  an  der  alten  geschichte  vor- 
nimmt, die  gesellschaft,  für  die  er  erzählt,  hat  sich  verfeinert, 
so  ihre  begriffe,  ihre  spräche  und  künstlerischen  ansprüche. 
wenn  Goethe  eine  lange  rede  des  kaufmanns  an  seine  frau  durch 
die  einspräche  der  letztern  zum  lebendigem  dialog  gestaltet,  hier 
und  da  durch  einen  psychologischen  zug,  den  er  beinahe  unver- 
merkt anbringt,  die  Wahrheit  der  gestalt  bekräftigt,  oder  zum 
schluss  seiner  erzählung  mit  wenigen  strichen  einen  bedeutenden 
ausblick  eröffnet,  'dem  Leser  den  stillen  Reiz  hinterlassend,  weiter 
nachzudenken';  dann  hat  er  die  alte  novelle  unserem  modernen 
geschmacke  genähert,  aber  ihr  wesen  nicht  modificiert.  Schiller, 
dem  Goethe  die  geschichte  erzählt  hatte,  bevor  er  sie  nieder- 
schrieb, war  beim  empfange  des  ms.  besonders  über  die  *ent- 
Wicklung*  erfreut,  bei  der  Goethe  das  original  verlassen  habe,  ge- 
meint ist  natürlich  nicht  die  aufsteigende  entwicklung,  sonderji 
die  entwirrung  (d^nouement),  die  handlung  zwischen  der  peripetie 
und  djer  katastrophe.  doch  auch  hierin  weicht  Goethe  ebenso- 
wenig wie  in  andern  teilen  der  erzählung  von  den  Cent  nouv. 
Douv.  ab.  der  wörtlichen  Übereinstimmungen  sind  zu  viele,  als 
dass  man  annehmen  könnte,  Goethe  habe  würklich,  wie  Schiller 
annimmt,  seine  quelle  verlassen  und  sich  in  seiner  eignen  er- 
flndung  mit  den  Cent.  nouv.  nouv.  begegnet.  Goethe  erneuert  die  alte 
novelle,  wie  es  viele  vor  ihm  getan  haben ;  das  merkwürdige  aber 
ist,  dass  er  sie  den  novellen  seiner  zeit  als  eine  neue  art  gegen- 
Qberstellt,  die  für  die  Zukunft  zu  gelten  habe.  Goethe  ist  auch 
der  erste  gewesen,  der  für  seine  eigne  production  daraus  gelernt 
hat.  im  unmittelbaren  anschluss  an  die  alte  erzählung  gibt  er 
eine  neue,  eine  parallelgeschichte,  die  denselben  moralischen 
grundgedanken  nunmehr  nach  dem  wünsche  seiner  zuhörer  in 
einem  einheimischen  familiengemälde  entwickelt,  die  aber  zugleich 
nach  denselben  gesetzen  geformt  ist.  von  diesem  gesichtspunct 
hätte  F.  die  entstehung  der  modernen  novelle  betrachten  müssen, 
und  wenn  er  sich  nicht  ausschliefslich  vom  stofflichen  interesse 
hätte  leiten  lassen,  würde  er  wol  in  den  eiuieitenden  werten 
Goethes  zu  der  geschichte  von  Ferdinand  den  richtigen  finger- 
zeig  erhalten  haben,  in  welcher  richtung  die   definition  der  no- 

^  schon  bei  Guhraaer  Wiener  jahrbb.  d.  litt.  (1846),  bd  116,  anzeigebl. 
fi.  81  balle  F.  lesen  können  :  seine  (Goethes)  erzählung  stimmt  von  anfang 
bis  zo  ende  so  ganz  mit  dem  allfranzösischen  original  überein  .  .  .  .,  das» 
der  Procorator  weniger  den  namen  einer  bearbeitung  als  einer  freie  rw 
öbersetznng  verdient. 


70  FÜRST    DIB    VORLÄUFER    DER    MODERNEN    NOVELLE   IM    18  JH. 

volle  ZU  suchen  ist,  oder  vielleicht  gar  die  deGuition  selbst  ge- 
funden haben,  sie  lauten  :  'Ich  übergehe  mancherlei  Scenen,  die 
in  seiner  Jugend  vorfielen,  und  erzähle  nur  eine  Begeben- 
heit, die  seinen  ganzen  Charakter  ins  Licht  setzt  und 
in  seinem  Leben  eine  entschiedene  Epoche  machte'. 
darin  ligt  das  wahre  wesen  der  novelle,  dessen  erkeuntnis  Goethe 
durch  die  alten  meister  vermittelt  wurde,  man  denke  nur  an 
des  allen  Boccaz  novelle  vom  Falken. 

Wien.  B.  Hoenig. 

Deutsche  einOüsse  auf  die  anfäDge  der  böhmischen  romaatik.  mit  einem 
anhang  :  Kollär  in  Jena  und  beim  Wartbnrgfest  von  dr  Matthias 
MuRKO.    Graz,  Styria,  1897.    xii  und  373  ss.  —  5  m. 

Der  verf.  gibt  selbst  in  der  vorrede  (s.  vi)  zu,  dass  der  titel 
seines  werkes  etwas  schwerfällig  und  zu  wenig  umfassend  sei. 
in  der  tat,  man  würde  kaum  daraus  genau  ersehen,  um  was  es 
sich  hier  eigentlich  handle,  darüber  werden  wir  durch  das  Vor- 
wort, in  welchem  erürtert  wird,  wie  das  werk  entstanden  ist,  be- 
lehrt, dem  verf.  handelt  es  sich  da  vor  allem  um  den  einfluss 
der  spätem  deutschen  romantik  auf  die  sogenannte  patriotische 
dichterschule  in  Böhmen,  welcher  er  auch  den  namen  ^romantisch' 
beilegen  möchte,  eigentlich  bildet  dieses  werk  nur  den  anfang 
einer  serie  von  Untersuchungen,  die  den  gesamttitel  'Deutsche 
einflüsse  auf  die  anfange  der  slavischen  romantik'  führen  sollen, 
ursprünglich  wollte  nämlich  M.  die  deutschen  einflüsse  auf  Stanko 
Vraz,  den  bedeutendsten  dichter  des  Illyrismus,  aufdecken,  da 
zeigte  es  sich,  dass  bei  ihm  die  indirecten  einflüsse,  die  einflüsse 
der  nordslavischen ,  speciell  böhmischen  romantik  vor  allem  in 
betracht  hallen  kommen  müssen,  das  führte  den  verf.  einerseits 
notwendigerweise  zur  böhmischen  litteratur,  anderseits  brachte  es 
so  manche  Unebenheit  und  Ungleichheit  in  der  anordnung  des 
Stoffes  mit  sich. 

Bei  den  engen  berührungen  der  Böhmen  und  Deutschen  auf 
allen  gebieten  des  geistigen  lebens  wird  man  schon  von  vorn- 
herein einflüsse  der  deutschen  litteratur  auf  die  böhmische  zu- 
geben können,  vielfach  sind  sie  auch  schon  nachgewiesen  worden. 
für  uns  kommt  hier  im  besondern  eine  arbeit  von  Jaroslav  Vlöek 
in  betracht  (Proni  novoc^eskä  §kola  bäsnickä  —  Die  erste  neu- 
böhmische  dichterschule,  Prag  1896),  weil  sie  jene  dichterschule 
in  der  neuböhmischen  litteratur  betrifl't,  welche  der  speciell  von 
M.  behandelten  unmittelbar  vorhergieng.  es  war  dies  das  von 
dem  deutscheu  oder  besser  von  dem  französisch-deutsch-polnischen 
arkadiertum  beeinflusste  böhmische  rococo  mit  Ant.  Puch- 
mayer  an  der  spitze. 

In  M.s  vorliegender  arbeit  wird  namentlich  die  darauf  fol- 
gende sog.  patriotische  dichterschule  eingehender  behandelL  wo- 
rin sieht  nun  M.  hier  hauptsächlich  den  deutschen  einfluss  oder 


MORKO    DEUTSCHE    EINFLÜSSE   AUF    D.    ANFÄNGE    D.  BOHM.  ROMANTIK       71 

den  einfluss  der  deutschen  romantik?  er  muss  zwar  auf  s.  60 
zugeben,  dass  es  wol  immer  in  Böhmen  leute  gegeben  hätte, 
welche  die  goldenen  alten  zelten  lobten,  aber  seit  dem  aussterben 
des  heidentums  hätte  es  keine  solchen  gegeben,  die  ihre  heid- 
nischen vorfahren  in  dem  rosigsten  licht  darstellen  und  die 
Christianisierung  ihres  Volkes  mehr  oder  minder  bedauern  würden, 
auch  hätte  es  in  Böhmen  patrioten  nach  den  jeweiligen  begriffen 
gegeben,  aber  selbst  den  erleuchtetsten  und  volkstümlichsten 
männern  wäre  es  nie  eingefallen,  das  ganze  geistige  leben  auf 
die  traditionen  ihres  volkes  in  seinen  untersten  schichten  auf- 
zubauen, aus  allen  seinen  erzeugnissen,  auch  aus  solchen,  in 
denen  viel  aberglaube  vorkommt,  einen  kanon  für  die  kunst  zu 
machen,  diese  Verehrung  der  alten  götter,  die  man  sich  zum 
grofsen  teile  erst  schaffen  muste,  und  die  heilige  scheu  vor  dem 
gesamten  Volkstum  hätte  man  von  der  deutschen  romantik 
gelernt,  welche  schon  das  wort  Wölk'  mit  frommem  schauer  aus- 
sprach, und  von  ihrem  Vorläufer  Herder,  man  könne  ruhig 
sagen,  dass  die  keime,  von  denen  diese  befruchtet  wurden,  in 
geringem  mafse  direct  nach  Böhmen  verpflanzt  wurden,  denn  von 
den  htterarischen  triebkräften  übten  nur  Ossian  und  Rousseaus 
evangelium  der  rückkehr  zur  natur  ihren  einfluss. 

Man  wird  mit  diesen  ansichten  im  allgemeinen  übereinstim- 
men müssen,  zumal  sich  dafür  aus  der  böhm.  lilteratur  schlagende 
beweise  anführen  lassen,  am  deutlichsten  lässt  sich  der  einfluss 
der  deutschen  romantik  bei  dem  hauptrepräsentanten  dieser  dichter- 
schule, beiCelakovsk^  verfolgen,  da  wir  neben  seinen  werken 
im  sinne  der  romantik  auch  eine  ausführlichere  correspondenz 
von  ihm  besitzen,  in  welcher  man  zumeist  genau  verzeichnet  findet, 
welche  werke  er  las,  wie  sie  ihm  gefielen,  auf  ihn  würkten  usw. 
Murko  hat  daher  mit  recht  diese  correspondenz  in  hervorragender 
weise  berücksichtigt  (s.  56 — 115).  es  kommen  hier  natürlich 
auch  Celakovsk^s  freunde  in  betracht.  refleze  des  romantismus 
können  wir  auch  noch  bei  §afar  ik  in  seinen  jugendwerken  beo- 
bachten (s.  129 — 192).  gar  zu  stiefmütterlich  ist  Palacky  als 
vaterländischer  historiker^  Organisator  der  nationalen  arbeit  und 
Politiker  (s.  115 — 126)  behandelt  worden,  während  man  es  sonst 
beobachten  kann,  dass  sich  der  Verfasser  nicht  immer  streng  an  sein 
thema  hält,  jetzt,  nachdem  seit  dem  heurigen  jähre  so  zahlreiche 
Jubiläumsschriften  über  ihn  vorliegen,  würde  das  capitel  gewis 
reichhaltiger  ausfallen,  vom  eigentlichen  romantismus  finden  wir 
bei  Palacky  freilich  wenig,  ganz  anders  verhält  es  sich  wider 
mit  Kollär  (s.  192 — 274),  dem  sich  während  seiner  Studien  in 
Jena  (1817  —  1819),  wo  Luden,  Fries,  Oken  uaa.  würkten,  eine 
ganz  neue  weit  eröffnete,  was  natürlich  für  seine  dichterische  lauf- 
bahn  nicht  ohne  folgen  blieb,  am  meisten  interessiert  uns  hier 
Murkos  nachweis,  dass  Kollär,  in  seiner  ^Slävy  dcera'  (tochter  der 
göttin  Släva)  das  ganze   capitel  Herders  über  die  Slaven  (Ideen 


72      MURKO   DEDTSCHE   EINFLÜSSE   ACF   D.   IMFÄKGE   D.  BÖHM.  ROMANTIK 

zur  Philosophie  der  geschichte  der  menscbheif.  iv  teil,  Riga  u. 
Leipzig  1791,  4  cap.,  3,  32 — 36)  nebst  anderen  hierher  gehörigen 
Stelleu  umgedichtet  hat.  Herder  gab  aber  nicht  biofs  die  an- 
reguDg  zu  den  vielen  archäologischen  sonetten,  sondern  wir  finden 
in  der  SIävy  dcera  (und  ebenso  in  anderen  werken  Kollärs)  viel- 
fach auch  seine  leitenden  ideen  selbst,  insbesondere  ist  es  die 
idee  der  humanitdt,  die  übrigens  auch  bei  Palack^  eine  grofse 
rolle  spielt. 

Ueberaus  anregend  ist  in  der  vorliegenden  schrift  auch  das 
capitel  über  Hanka  und  die  König  inhofer  und  Grün  berger 
handschrift  (s.  33 — 52).  es  wird  hier  die  Ideenwelt,  aus 
welcher  diese  modernen  producte  hervorgegangen  sind,  analysiert^ 
wobei  Murko  namentlich  hervorhebt,  dass  sich  in  der  Königin- 
hofer  handschrift  sehr  viel  ritlertum  uud  mionesang  vor- 
findet und  dass  speciell  die  allen  Inder  (nicht  blofs  die  Indianer 
der  Chateaubriandseben  Atala  in  Jungmanns  Übersetzung),  welche 
ebenfalls  die  deutsche  romantik  modern  gemacht  hatte^  das  mo- 
dell  zu  dem  curiosen  cermoniell  in  LibuSas  gericht  (der  GrOn- 
berger  hs.)  waren. 

So  hat  M.  unsere  kenntnis  der  böhmischen  lilteratur  be- 
reichert und  einen  noch  innigeren  Zusammenhang  zwischen  der 
deutschen  und  der  böhmischen  lilteratur,  als  man  ihn  bis  jetzt 
anzunehmen  geneigt  war,  aufgedeckt,  ab  und  zu  schiefst  er 
freilich  auch  übers  ziel,  so  zb.  wenn  er  zum  Schlüsse  kommt 
(s.  275),  dass  das  bauptverdienst  an  der  widergeburt  des  böh- 
mischen Volkes  deutschen  einflössen^  speciell  aber  der  romantik 
und  ihrem  Vorläufer  Herder  zu  verdanken  sei.  denn  man  kann 
hier  zum  mindesten  streiten,  da  es  ja  doch  eine  ganze  reihe  von 
factoren  gab,  welche  diese  widergeburt  oder  überhaupt  dieses 
erstarken  des  lilterarischen  (und  geistigen)  lebens  herbeigeführt 
haben,  dass  unter  diesen  in  erster  reihe  die  durch  die  reformen 
Josephs  II  bewürkte  lockerung  der  geistigen  fesseln,  unter  wel- 
chen früher  das  volk  schmachtete,  anzuführen  ist,  darüber  kann 
nicht  mehr  gestritten  werden. 

Als  einen  anhang  zu  seinem  werke  hat  M.  auch  einen  teil 
aus  der  autobiographie  Kollärs  in  deutscher  Übersetzung  (s.  293 
bis  362)  unter  dem  titel:  'Kollär  in  Jena  und  heim  Waribjjrgfest' 
beigegeben,  hier  wird  das  leben  auf  den  deutschen  hochschulen, 
insbesondere  in  Jena,  geschildert,  weiter  schreibt  uns  KolUr 
hier  über  einige  professoren  daselbst,  so  über  Luden,  LOken, 
JFFries,  wie  er  auch  mit  Goethe  bekannt  wurde  und  schliefslich 
über  das  Warlburgfesl. 

Wien.  W.  Vondrak. 


SCHULLERUS   UICUIEL   ALBERT  73^ 

Miebael  Albert,   sein  leben  nnd  dichten,    von  Adolf  SctfULLERUS.    Hermann- 
Stadt,  WKram,  1898.   206  ss.    8o.  —  3  m. 

Selbst  guleo  keDDern  neuester  litteratur  wird  der  name  Mi- 
chael Albert  fremd  m  die  obren  klingen;  und  doch  gilt  er  einenv 
deutschen  stamm,  den  Siebenbürger  Sachsen,  als  der  seines  be- 
deoiendsten  dichters.  in  der  näbe  von  Schässburg  wurde  Alben 
als  söhn  behäbiger  bauersleute  geboren,  die  den  ältesten  die  vor- 
Dehme  iaufbahn  des  gymnasiallehrers  einschlagen  liefsen,  welche 
dortzulande  wol  gerne  zu  einer  pfarre,  ja  gar  zur  biscbofswürde 
fahrt;  indes  blieb  Albert  bis  an  seinen  tod,  1893,  professor  in 
Schflssburg,  in  ungetrübtem  Stilleben,  ja  abgesehen  von  den  stu- 
deotenjahren  in  Jena  und  Berlin  kaum  einmal  den  bannkreis  der 
heimat  verlassend,  die  dichtkunst,  zuerst  die  lyrik,  später  die 
novellistik,  zuletzt  die  hohe  tragOdie,  brachte  auch  keine  aufregung 
in  dieses  rubige  dasein,  wie  ihr  rühm  auch  nicht  über  die  sieben- 
bQrgischen  grenzgebirge  drang,  und  dennoch  wird  nicht  leicht 
ein  leser  das  lebensbild  des  trefflichen  gymnasiallehrers  und 
dichters  teilnahmslos  aus  der  band  legen,  denn  neben  und  über 
diesem  gemütlichen  bild  enthält  Schullerus  büchlein  die  anziehendste 
Schilderung  'sächsischen'  geisleslebens. 

Selten  passt  das  wort  'Sprachinsel'  so  völlig,  wie  auf  das 
Sachsen  ländchen,  dessen  200000  deutsche  bewohner  so  meilen- 
fern von  allen  Volksgenossen  getrennt  sind,  wie  auf  gewissen 
landfernen  inseln  tierisches  und  pflanzliches  leben  ganz  eigen- 
artige, seltsam  allertümliche  formen  zeigt,  so  mutet  auch  bei 
diesen  Sachsen  vieles  ganz  seltsam  altfränkisch  an.  dieser  volks- 
splitter  muste^  wenn  er  nur  irgend  erbalten  bleiben  wollte^  alle 
krad  in  eiuem  zähen  verharren  suchen;  Jahrhunderte  währt  die 
Verteidigung  gegen  national  und  culturell  grundverschiedene  nach- 
bam.  von  haus  aus  bauern  bildeten  die  Sachsen  ihre  starre 
bauernnatur  zur  höchsten  potenz  aus;  auch  in  den  kleinen  Städten 
—  die  übrigens  weniger  widerstandsfähig  sind  —  ist  der  bäuer- 
liche geist  noch  erkennbar,  der  kämpf  ist  dort  ein  anderer  als 
an  der  grofsen  Sprachgrenze;  von  einem  rückhalt  an  der  übrigen 
Volksmasse,  gar  von  einer  Sehnsucht,  im  allgemeinen  aufzugehn, 
kann  nicht  die  rede  sein,  der  bewohner  des  königsbodens  fühlt 
sich  als  'Sachse',  nicht  als  Deutscher;  will  er  Schriftsprache  und 
dialekt  scheiden,  so  spricht  er  von  'deutsch'  schlechtweg  und 
'sächsisch',  diese  beschränkung  auf  den  engen  stammbezirk,  die 
man  nicht  engherzig  nennen  darf,  denn  sie  ist  von  harter  not 
geboten,  kennzeichnet  die  besten  sächsischen  Schriftsteller,  vor  allen 
Schullerus  jede  sächsische  schrift,  sei  sie  welchen  inhalts  immer, 
ist  mitbestimmt  von  dem  allbeherschenden  gedanken,  sächsische 
eigenart  zu  fördern  und  zu  stutzen,  so  auch  die  vorliegende 
schrift,  wo  den  Sachsen  —  ihnen  in  erster  linie  —  ihr  lieblings- 
dichter und  die  entwicklung  neuerer  sächsischer  dichtung  über- 
haupt gezeigt  werden  soll,     der  wünsch  ist  allerdings  schwer  zu 


74  SCUULLERUS   MICHAEL   ALBBRT 

unterdrücken,  dass  der  Verfasser  doch  wenigstens  in  den  aus- 
drücken rücksicht  auch  auf  den  fremden  ieser  hätte  nehmen 
sollen,  dem  worte  wie  ^hatten'  (gemeindegebiet)  oder  'bann' 
(schullheifs)  unverständlich  sind. 

Es  widerspricht  dem  sächsischen  sondergeist  nicht,  dass  die 
gebildete  sachsische  Jugend  einen  starken  zug  nach  dem  Deutschen 
reiche  verspürt,  hier  würkt  vor  allem  das  confessionelle  moment; 
dem  Sachsen  ist  die  evangelische  landeskirche  mit  eine  baupt- 
stütze  seiner  existenz,  die  namen  Luther,  Hütten  und  Honterus 
(der  landesreformator)  klingen  ihm  sehr  lebendig,  noch  ist  der 
pastor,  der  *herr  vater*,  unbedingtes  haupt  der  dorfgemeinde,  ist 
der  landesbischof  der  fuhrer  der  nation.  noch  stehn  trotz  manchen 
erschütterungen  in  innigem  zusammenhange  mit  der  kirche  die 
gelehrtenschulen  des  landes,  die  evangelischen  gymnasien,  welche 
bei  dem  mangel  einer  sächsischen  Universität  eine  weit  wichtigere 
rolle  als  anderswo  spielen,  gemahnend  in  manchem  an  die  ein- 
stigen humanistengymnasien.  von  hier  geht  eine  rastlose  wissen- 
schaftliche durchforschung  des  landes  aus,  von  hier  zumeist  die 
«pärliche  schöne  litteratur  —  künstlerisches  schaffen  gilt  den 
Sachsen  nicht  gerade  viel;  Albert  wusle  davon  ein  lied  zu  singen, 
bedenkt  mau  die  abgelegene  läge,  den  geringen  verkehr,  die 
wesentlich  auf  ackerbau  und  hausindustrie  gestellten  erwerbsver- 
hältnisse,  so  mag  dies  zusammengehalten  mit  den  eigentümlichen 
formen  geistigen  lebens  in  manchem  stark  an  kleinstädtisches 
deutsches  leben  im  18  jh.  erinnern,  freilich  mit  manchem  be- 
fremdenden einschlag  aus  dem  modernen  leben  und  aus  der  halb- 
orientalischen Umgebung. 

Wie  an  einem  Schulbeispiel  zeigt  dies  alles  Seh.  an  Albert, 
nicht  als  uubefangener  beobachter,  sondern  selbst  alles  mitlebend, 
ihm  ist  Albert  nur  dort  dichter,  wo  er  ganz  aus  sächsischem 
boden  emporwächst,  wenn  der  junge  lyriker  sich  von  Heine  be- 
fangen zeigt,  so  ist  das  für  Seh.  eine  verirrung,  und  es  bedeutet 
eine  selbslbefreiung  und  eine  läuterung,  wenn  seine  dichtung 
sich  in  ziemlich  althergebrachten  tönen  der  uaturscbilderung  zu- 
wendet, um  die  novellen  Alberts  —  die  allein  in  ihrer  kräftigen, 
oft  recht  unerfreulichen  Schilderung  sächsischen  lebens  der  gegen- 
wart  modern  anmuten  —  recht  verständlich  zu  machen,  entrollt 
der  kritiker  das  ganze  bild  der  heimatlichen  geistesentwicklung 
seit  den  fünfziger  jähren,  mit  ihr  auch  einen  kurzen,  abriss  der 
gleichzeitigen  litteratur.  wie  Albert  immer  mehr  und  mehr  mit 
dem  lande  verwächst,  wie  er  alle  kämpfe  inniger  und  inniger 
milfühlt,  das  wird  uns  mit  unendlicher  treue  und  Sorgfalt  ge- 
schildert, am  höchsten  stellt  Seh.  aber  —  der  fremde  Ieser  wird 
ihm  hierin  vvol  selten  folgen  —  die  dramatische  tätigkeit  Alberts. 
dieser  schrieb  vier  dramen,  durchaus  iambentragödien  hohen  stils. 
ein  jugendstück  'Karl  xii*  fiel  gänzlich  ab;  ihm  liefs  nach  langer 
pause  Albert  zwei  localhistorische  dramen   'Die  Flandrer  am  Alt' 


SCBULLERUS    MICHAEL    ALBERT  75 

und  ^Harteneck',  endlich  einen  'Ulrich  von  Hulten'  folgen,  nach 
Seh.  war  der  miserfolg  des  Karl  xii  für  Albert  ein  glück  :  ^so 
ward  er  mit  seiner  poetischen  kraft  auch  äufserlich  von  den  all- 
gemein der  menschheitscultur  angehörigen  Stoffen  abgestofsen  und 
in  die  enge  und  tiefe  des  eigenen  Volkslebens  gedrängt;  so  wurde 
er  nur  ein  siebenbürgisch-sächsischer  dichter,  aber  ein  echter 
dichter  und  blieb  vor  dem  geschicke  bewahrt,  in  der  schar  der 
^iambentragOdien  dichtenden  Oberlehrer'  aufzugehn'. 

Es  ist  leider  zu  fürchten,  dass  fremde  leser  trotz  allem  den 
dichter  in  diese  grofse  schar  stellen  werden,  diese  4  stücke  sind 
geradezu  musterbeispiele  des  nachschillerschen  historischen  archi- 
tekturdramas,  mit  seinen  monologen  und  massenscenen,  mit  seinem 
breiten  aufbau,  seiner  tragischen  schuld  und  mit  seiner  ganzen 
kälte,  für  Seh.  freilich  gilt  dies  nicht :  in  ihm,  im  Siebenbürger 
Sachsen  überhaupt  regen  die  beiden  localhistorischen  stücke 
Alberts  mit  den  mächtigen  erinnerungen,  den  starken  anklängen 
an  gedanken  der  gegenwart,  dem  dröhnenden  nationalen  pathos 
tiefste  gefühle  auf.  wo  aber  dieses  nicht  aus  den  dichtungen 
selbst  stammende  interesse  fehlt,  da  fühlt  man  die  kälte,  ver- 
spürt man  die  steife,  unzulängliche  technik,  die  mehr  angedeu- 
tete als  würklich  gegebene  Charakterschilderung  des  dramatikers, 
der  kaum  einmal  eine  würkliche  bühne  zu  gesiebt  bekam;  da 
wird  man  auch  nicht  so  liebevoll  aus  eigenem  hinzutun,  wie  der 
kritiker  Seh.  sehr  bezeichnend  ist  es,  wie  Seh.  gerade  auf  den 
aufbau  das  gröste  gewicht  legt  und  die  dramaturgischen  Vor- 
schriften, die  aus  den  dramen  der  classiker  geschöpft  sind,  auf 
diese  kaum  ein  Jahrzehnt  alten  stücke  anwendet;  bezeichnend  ist 
es  auch,  dass  Seh.  zum  berater  hierin  gerade  den  Verfasser  der 
allerjüngsten  poetik,  Elster  in  seinen  Principien  der  litteratur- 
wissenschaft  (1897)  wählt,  indes  er  das  völlig  veraltete  dieser 
stücke  nicht  fühlt. 

Sind  sie  aber  auch  würklich  veraltet  für  die,  für  die  sie  ge- 
schrieben sind,  die  Sachsen?  ist  es  nicht  ungerecht  zu  fordern« 
dass  dieselben  litterarischen  gesetze  gellung  haben  sollen  in  den 
weiten  deutschen  gebieten,  wo  das  deutschtum  zwar  nicht  un- 
bestritten aber  doch  ungefährdet  herscht,  und  im  äufsersten  osten, 
wo  stündlich  der  Verzweiflungskampf  mit  völliger  Vernichtung  zu 
enden  droht?  diese  Sachsen  fordern  von  ihrem  dichter  entweder 
Stärkung  in  ihrem  widerstand  oder  trost  in  ihrem  kummer;  ihnen 
muss  man  das  recht  zugestehn,  ihre  poeten  selbst  zu  wählen« 
und  wenn  wir  einem  ihrer  besten  glauben  dürfen,  so  ist  ihnen 
Albert  ein  dichter,  ein  vates  im  besten  sinne  geworden,  ein 
tröster  und  prophet. 

Wien,  im  februar  1899.  Valentin  Pollak. 


76  USENER   DIE   SIMTPLUTSAGEN 

LiTTERATUBNOTIZKN. 

Die  SiotflutsageD.  untersucht  von  Hermann  Usener.  Bodo,  Fr. 
Cohen,  1899.  vi»  und  279  ss.  8^.  8  m. —  die  erste  phase  der  Tcr- 
gleichenden  mylhologie  ist  an  der  rasch  mechanisierten  mytheo- 
deutung  gescheitert,  in  der  zweiten  haben  sowol  die  nomioa- 
listische  schule  Max  Müllers  als  auch  die  realistische  der  Folkloristen 
wie  Andrew  Laug  die  eigentliche  inierpretation  der  mythen  vor* 
schnell  Überhaupt  aufgegeben,  es  wird  Useners  dauerndes  Ter* 
dienst  sein,  dass  er  der  deutung  der  mythen  wider  zu  ihrem  recht 
verholfen  hat,  hierbei  aber  den  ganzen  apparat  des  gelehrtestem 
Philologen  und  den  Scharfsinn  des  geübten  vOlkerpsychoiogen  zu 
den  allen  Werkzeugen  hinzubrachte,  dadurch  werden  seine  my- 
thologischen arbeiten,  auch  wo  man  sich  nicht  völlig  überzeugt 
fühlt,  so  methodisch,  so  wichtig,  so  fruchtbar,  so  anregend. 

Das  neue  werk  stellt  eine  genaue  Untersuchung  der  griechi- 
schen flutsagen  und  ihre  vergleichung  einerseits  mit  den  stamm- 
verwanten  indischen,  anderseits  mit  den  stammfremden  semitischen 
mythen  —  deren  einfluss  auf  die  arischen  (besonders  s.  253) 
entschieden  abgelehnt  wird  —  in  den  Vordergrund.  U.  fasst  die 
sagen  von  der  grofsen  flut  (^Ergebnisse'  s.  2300  als  ursprüngliche 
lichtmythen  auf.  der  junge  himmelsgott  wird  in  der  truhe  von 
der  flut  auf  den  berg  getragen  und  durch  seine  epipbanie  auf 
der  hohe  wird  er  beginner  und  vater  der  menschen  weit,  zu 
diesem  ursprünglichen  bild  tritt  dann  (s.  234  0  vermittelnd  die 
Vorstellung,  die  *das  aufsteigen  des  neugeborenen  lichtes  mit  einer 
flutwelle,  die  den  sonnenball  wie  mit  einem  ruck  emporzuheben 
scheint,  in  Verbindung  setzte.'  aus  ihr  entwickelte  sich  die  idee 
der  Sintflut,  die  danu  unter  mitwürkung  geographischer,  local  mo- 
tivierter legenden  (s.  246)  zu  dem  mythus  des  grofsen  Strafgerichts 
umgedeutet  wurde. 

Glänzend  erscheinen  mir  die  nachweise  über  Mas  gOtterkind 
in  der  truhe'  (s.  80  f),  über  den  tausch  von  tod,  winter,  nacht 
(s.  85),  den  ersatz  der  locaU  durch  die  nationalgottheiten  (s.  103), 
das  Wechselverhältnis  von  bild  und  gott  (s.  104)^  über  die  viel* 
föltigkeit  und  mehrdeutigkeit  mythischer  bilder  (s.  1810«  den  an- 
teil  des  einzelnen  dichters  am  mythus  (s.  182),  die  doppelung 
der  mythischen  bilder  (schiff  und  fisch  s.  184  u.).  aufserst 
wertvoll  auch  speciell  für  die  germanische  mythologie  sind  die 
erwägungen  über  die  'novellistischen  motive'  (s.  139)  und  über 
einzelne  mythenkreise  wie  die  vom  himmelsschatz  (s.  182),  von  deu 
gOtterträgern  (s.  187),  vom  sitz  der  gOtter  (s.  192),  dem  land  der 
seligen  (s.  201)  und  dem  goldenen  zeitaller  (s.  202).  überhaupt 
nimmt  U.  nicht  nur  auf  germ.  sagen,  sondern  auch  auf  deutsche 
märchen  und  sagen  (s.  112)^  Volkslieder  (s.  238),  familiennameu 
(s.  195)  widerholt  bezug.  ebenso  auf  cultgebräuche  wie  den 
neuerdings  aus  anlass  des  Mauricius  vCraun  wider  mehrfach  be- 
handelten schiflsumzug    (s.  1260«     vor    allem    aber  scheint  mir 


U8ENER   DIE   SINTPLUTSAGEN  77 

doch  der  gruodgedanke  wichtig  :  dass  wir  uns  httten  sollen,  allzu 
rasch  sionliche  unterlagen  für  mythische  hilder  zu  suchen,  weil 
diese  bald  ein  selbständiges  leben  gewinnen  und  behalten  (s.  194). 
zwischen  die  ursprüngliche  sinnliche  conception  und  die  reife 
mythe  schiebt  U.  den  ganzen  process  psychologisch -poetischer 
Verarbeitung,  und  hier  vor  allem  ist  der  mylhologie  aller  vOlker 
ein  neues,  wichtiges  arbeitsgebiet  eröffnet. 

Fflr  sein  hauptergebnis  sieht  U.  (s.  262)  neuen  Urkunden 
ältester  flutsagen  mit  festem  zutrauen  entgegen,  ein  zusammen- 
liaog  zwischen  licht-  und  flutmylhen,  wie  er  ihn  aufgedeckt  hat, 
^ird  wol  auch  als  dauernder  gewinn  zu  verzeichnen  sein,  der 
schwächste  punct  scheint  mir  die  vermittelung  durch  die  Wellen- 
berge, die  in  der  ausnutzung  der  Jordantaufe  (s.  235)  und  poe- 
tischer ausdrücke  in  spSilen  liedern  (s.  238)  die  psychologische 
vorsieht  des  berühmten  autors  nicht  immer  völlig  zu  bewähren 
«cheint.  ob  die  griech.  etymologien  (Herakles  s.  58,  Deukalion  8.65) 
^ragfilhig  genug  sind,  kann  ich  nicht  beurteilen,  aber  jedesfalls  ist 
4lber  allgemeine  probleme  der  mythologie  wider  eine  so  grofse 
Hut  von  licht  ergossen,  dass  wir  diese  epiphanie  dankbar  feiern, 
weon  selbst  das  götterkind  in  der  truhe  noch  länger  auf  un- 
unsichern  wellen  schwanken  muss.  Richard  M.  Meteb. 

Die  bau-  und  kunstdenkmäler  in  den  hohenzollerscben  landen,  im 
auftrage  des  hohenzollerscben  laudesausschusses  bearbeitet  von 
dr  Karl  Theodor  Zingeler,  fürstl.  hohenzollerscher  hofrat,  und 
Wilhelm  Friedrich  Laub,  architect.  mit  22  lichtdrucken ,  168 
Abbildungen  im  text  und  einer  archäologischen  Übersichts- 
karte von  Hohenzoilern.  Stuttgart,  Paul  Neff,  1896.  zi  und 
^04  SS.  8^.  15  m.  —  das  ofQcielle  vorwort,  das  der  landes- 
ausschuss  von  Hohenzoilern  dem  buche  mitgegeben  hat,  berichtet, 
wie  die  inventarisation  der  kunstdenkmäler  in  den  hohenzollerscben 
landen  wesentlich  nach  den  grundsälzen,  die  Bergan  für  Branden- 
burg und  Preufsen  aufgestellt,  erfolgt  sei.  demnach  enthält  das 
werk  eine  kurze  kritische  beschreibung  aller  in  Hohenzoilern  vor- 
handenen denkmäler  der  bau-  und  bildbauerkunst,  der  maierei  und 
4er  verschiedenen  kunstgewerbe  von  der  ältesten  zeit  bis  auf 
unsre  tage,  soweit  solche  in  kunst-  und  culturgeschichtlicher  be- 
ziehung  von  wert  sind,  mögen  sie  im  besitze  des  Staates,  einzelner 
communalverbände,  gemeinden,  corporationen ,  vereine  oder  im 
Privatbesitze  sein,  der  landesausschuss  hat  einen  besondern  wert 
darauf  gelegt,  *dass  das  werk  durch  in  Hohenzoilern  ansässige 
kräfle  ausgearbeitet  werde'. 

Man  muss  diesen  hohenzollerscben  kräften  das  zeugnis  geben, 
dass  sie  ihre  sache  im  allgemeinen  vortrefflich  gemacht  haben, 
kunstdenkmäler  höchsten  ranges  sind  überall  nicht  zu  verzeichnen 
gewesen;  aber  für  das  mannigfache,  mehr  oder  minder  gute  ist, 
soviel  der  fernerstehende  zu  sehen  vermag,  die  höchste  Sorgfalt 
sowol  in  vollständiger  aufzählung  und  angemessener,  bis  in  kleine 


78  ZINGERLE    Ui>D    LAUB    DIE    BAU-    UND    EUNSTDENKMALEB 

einzelheiten  reichender  beschreibung,  als  besonders  auch  io  den 
bildlichen  beigaben  verwendet  worden.  Zeichnungen  und  licht- 
drucke,  und  unter  den  letztern  besonders  die  widergabe  der  vier 
Zeitblomschen  bilder,  die  sich  in  dem  pfarrdorf  und  marktOecken 
Bingen  an  der  Lauchert  befinden,  sind  vortrefflich,  einzig  die 
burgruinen  und  die  vorgeschichtlichen  befestigungen  kommen 
etwas  zu  dürftig  weg.  ich  würde  zb.  eine  ausgeführtere  notiz 
über  die  bei  Weildorf  vorkommenden  *  trichtergruben',  die  auf 
s.  108  mit  der  bemerkung  abgespeist  werden  :  4m  walddistricte 
Maika  bei  Tannenburg  eine  grOfsere  anzabl,  50 — 60  trichtergruben. 
erdfälle  sollen  ausgeschlossen  sein',  und  einen  lagerplan  derselben, 
auch  durchschnitt  einzelner;  —  oder  eine  nähere  beschreibung 
der  bei  Dielfurt  gelegenen  interessanten'  wallburg  (s.  207j,  und 
so  noch  mancher  ähnlicher  dinge,  weit  lieber  gehabt  haben,  als 
die  angäbe  über  die  in  Privatbesitz  zu  Weilheim  befindliche  *alte 
Bibel'  (s.  173),  deren  verdeutscher  der  herr  aulor  des  betrefi'en- 
den  abschnitts  nicht  entzilTern  kann  und  den  er  als  dr  Johann 
Dieter  . .  rger  gibt,  es  handelt  sich  natürlich  um  das  bekannte 
scheufsliche  machwerk  des  predigermOnches  Johann  Dietenberger. 
man  sieht,  'die  in  Hohenzollern  ansässigen  kräfte'  wissen  auch  nicht 
alles,  und  sie  durften  sich  wol  herablassen,  über  den  titel  und 
wert  des  buches  leute  zu  befragen,  die  nicht  die  auszeichnung 
geniefsen,  den  oberämtern  Gammertingen,  Haigerloch,  Hechingen 
oder  Sigmaringen  zugehörig  zu  sein. 

Besonders  angenehme  zugaben  zu  dem  werke  bieten  einmal 
die  'übersieht  der  in  Hohenzollern  erhaltenen  bau-  und  kunst- 
denkmäler'  auf  s.  294 — 304,  von  Laur  verfasst,  und  dann  die 
archäologische  Übersichtskarte  von  Hohenzollern,  von  Zingeler  be- 
arbeitet, mit  ihrer  einzeichnung  von  römischen  und  vorgeschicht- 
lichen resten.  M.  Heyne. 
Häufigkeitswörterbuch  der  deutschen  spräche,  festgestellt  durch  einen 
arbeitsausschuss  der  deutschen  Stenographiesysteme,  herausgegeben 
von  F.  W.  Kaeding.  Steglitz  bei  Berlin,  1898.  Selbstverlag  des 
herausgebers.  im  buchhandel  zu  beziehen  durch  ESMiltler  &  söhn, 
Berlin,  vi  und  671  ss.  8^.  22,50  m.  —  das  buch  ist  das  ergebnis 
einer  wahren  riesenarbeit,  an  welcher  fünf  jähre  hindurch  1320 
personen  teilgenommen  haben,  und  welche  sich  über  20  millionen 
Silben  erstreckt,  in  erster  linie  muss  es  den  Stenographen  nützen, 
die  bei  seiner  ausarbeitung  auch  zu  einem  weit  überwiegenden 
teile  tätig  gewesen  sind;  nur  auf  grund  solcher  ausgedehnter 
Untersuchungen  ist  es  möglich,  Verbesserungen  in  ihren  systemeQ 
vorzuschlagen  und  einzuführen,  dass  auch  die  deutsche  philologie 
ihren  vorteil  aus  dem  werke  zieht,  ist  gern  zuzugestehn,  soweit 
es  sich  um  sprachliche  Untersuchungen  handelt,  die  mit  bilfe  der 
Statistik  gelöst  werden  müssen,  und  da  auch  die  fremd wOrter 
berücksichtigt  worden  sind,  so  bietet  sich,  wie  der  herausgeber 
selbst  bemerkt,  dem  allgemeinen  deutschen  Sprachverein  dadurch 


KARDING    BÄOFIGKEITSTVÖRTERBDCH    DEB    DEUTSCHEN   SPRACHE        19 

die  gelegenhe     f  ,  in  welchem  grade  das  deutsche  von 

fremdwOrtern  durrchselzt  ist.  —  besonders  hervorzuheben  ist  der 
sorgfältige,  schöne  und  klare  druck,  der  die  benutzung  des  buches 
sehr  angenehm  macht.  M.  Heyne. 

Wegweiser  zur  deutschen  litteraturgeschicbte.  bibliographischer  grund- 
riss  für  Vorlesungen  und  zum  Selbststudium,  i  teil  :  Die  älteste 
zeit  bis  zum  11  jh.  von  dr  phil.  J.  Fath.  Würzburg,  Stahelsche 
▼erlags-anstalt,  1899  8^.  viii  und  90  ss.  1,60  m.  —  über  die 
gesichtspuncte  dieser  bibliographie  sagt  das  Vorwort  (datiert  von» 
august  1898)9  dass  sie  *dem  lernenden  als  Tührer  dienen  und  den 
lehrer  entlasten'  solle,  ferner,  dass  'diejenigen  denkmäler,  welche 
nur  für  die  Sprachwissenschaft  von  bedeutung  sind,  weniger  ein- 
gebend behandelt'  wurden,  endlich,  dass  'jegliche  beurteilung  der 
einzelnen  Schriften'  unterblieb,  weil  'eine  zusammenhängende  dar- 
stellung  der  litterarhistorischen  forschung'  spSiler  folgen  werde, 
immerhin  seien  durch  einen  stern  leicht  zugängliche  oder  mafs- 
gebende  arbeiten  hervorgehoben. 

Fasst  man  auch  die  einschränkung,  die  im  ersten  satze  ligt, 
möglichst  weitherzig  auf,  so  bleibt  doch  nichts  übrig,  als  die  un- 
vollständigkeit,  unzuverlässigkeit,  flüchtigkeit,  mit  der  dieses  buch 
gearbeitet  ist,  scharf  zu  verurteilen. 

S.  1  ff  (^gesamtdarstcllungen')  sind  Roquette,  Lindemann,. 
Koenig  genannt,  nicht  aber  Khulls  und  Goltbers  arbeiten,  unter 
'erläuterungen'  zu  den  Merseburger  Zaubersprüchen  fehlen  die 
aufsätze  und  notizen  von  Jessen  Zs.  f.  d.  phil.  2,  126,  Wilken 
Germ.  21 ,  218,  vdRecke  Zs.  23,  409,  Behaghel  Beitr.  15,  570, 
Kaufifmann  und  Gering  Zs.  f.  d.  phil.  26,  454  ff,  Grienberger  aao. 
27,  433,  Möller  Allitt.-poesie  51.  zum  Hildebrandslied  vermiss 
ich  unter  den  ausgaben  die  texlherstellungen  Heinzeis,  Möllers, 
Vollmer- Hofmanns,  die  aufsätze  und  bemerkungen  Scherers  Zs» 
26,378,  Lufts  in  der  festgabe  für  Weinhold,  Wilkens  Germ. 
24,263,  Martins  Zs.  f.  d.  phil.  24,227,  Kraus  Zs.  f.  d.  öst.  gymn. 
1894,  131  und  besonders  1896,  316,  Gross  Ober  den  Kasseler 
codex  1879,  Jellineks  Zs.  37 ,  20,  Cosijns  Tijdscbrift  11,200, 
ja  sogar  Kauffmanus  aufsatz  in  den  Philol.  Studien  fehlt,  bei  De 
Heinrico  erfährt  man  nichts  über  die  mitteilungen  von  Priebsch 
im  Anz.  xz  207  und  den  Deutschen  hss.  in  England  25.  zu  Ot- 
fried  fehlt  unter  den  *  quellen  und  Vorbildern'  Marold  Germ.. 
31,119  und  Loeck  Homiliensammlung  des  Paulus  Diac,  unter 
'grammatik'  Benrath  Vocalschwankungen,  Oble  Wortstellung^ 
ßodenstein  Accent  der  mehrsilb.  präp.,  unter  ^metrik'  Saran  in  den 
Philol.  stud.,  unter  Verklärungen  und  allgemeines' Schade  Wissensch. 
monatsbll.  7,  205,  Krüger  Germ.  32,  297,  Jellinek  Zs.  39,  56. 
besonders  schlecht  ist  die  WulGlalitteratur  vertreten  :  von  Stamm- 
Heyne  ist  nur  die  8  aufl.  genannt,  die  ganze  neuere  forschung 
zum  leben  Wul6las  seit  KrafTt  in  Herzogs  Realencycl.  und  Sievers- 
Beitr.  20,  302  ist  bei  seite  gelassen;  zu  der  Skeireins  findet  man 


80    FATH  WEGWEISER  ZUB  DEUTSCHEN  LITTEBATUR6BSCHICHTB 

weder  die  ausgäbe  voo  vao  der  Waals  noch  die  aufsätze  von 
Jellinek,  Beels,  Marold,  McKoight.  von  Gall6e8  Alts,  sprachdenkm. 
und  Steinmeyers  mitteilungeo  dazu  Anz.  xxii26€  keine  spur,  diese 
(wie  ich  ausdrücklich  bemerke,  von  mir  gelegentlich,  nicht  syste- 
malisch  notierten)  proben  werden  genügen. 

Die  unVollständigkeit  ist  aber  nur  üne  äufserung  der  Sorg- 
losigkeit, mit  der  Fath  überhaupt  seine  arbeit  zum  drucke  ge- 
bracht hat.  auf  s.  2  drei  druckfehler,  s.  4  Sierers  (f.  Sievers), 
Seidle  (f.  Seidel),  Bonike  (f.  Bonifz)  usw.  usw.  diese  flüchtigkeit 
war  wol  schon  im  manuscript  ausgeprägt :  s.  36  citiert  er  Stosch 
Zs.  3  statt  33,  s.  77  figuriert  das  Frank,  taufgelöbnis  als  MSD'lzx, 
das  zu  GKaufmanns  Unterss.  der  quellen  etc.  gehörige  citat  steht 
s.  48  bei  der  vorausgehnden  nummer  (Bessel) ,  die  Jahreszahlen 
der  aufsätze  Moureks  zum  Talian  nr  13.  14  sind  falsch  (die  ab- 
handlung  von  1897  fehlt),  die  MSD^  302  fr  gebrachten  segcns- 
formeln  werden  s.  10  völlig  unzureichend  als  'bruchstücke  voo 
Zauberformeln'  mit  der  hinweisung  auf  MSD  und  Koegel  i  2,  162 f 
abgetan,  wahrscheinlich  weil  der  vf.  die  genauere  auseinaoder- 
setzung  mit  der  vagen  grenzbestimmung  ^bis  zum  1 1  jh.'  scheute, 
die  er  auf  das  litelblatt  schrieb.  Ollohs  gebet  hat  er  noch,  nicht 
aber  das  Memento,  nicht  Williram.  die  §§-einteiluug  ist  in- 
consequent. 

So  taugt  die  vorliegende  bibliographie  durch  ihre  zusammen- 
geraffte unVollständigkeit  nicht  für  den  fachmann,  fUr  den  schQler 
nicht  durch  ihre  unzuverlässigkeit  und  die  Planlosigkeit  der  stern- 
auszeichnungen,  für  den  gebrauch  bei  Vorlesungen  nicht  aus  eben 
diesen  gründen  und  durch  die  aus  den  vielfachen  Unterabteilungen 
folgende  Unbequemlichkeit  des  citierens.  Fath  bezeichnet  das  heft 
als  4  teil';  ehe  er  au  den  zweiten  geht,  möge  er  den  ersten  von 
neuem  und  sorgfälliger  anlegen  und  dadurch  seine  berufenheit 
für  jenen  erst  erweisen.  Joseph  Seemülleb. 

La  lingua  gotica.  grammatica,  esercizi,  testi,  vocabolario  comparato, 
con  ispecial  riguardo  al  tedesco,  inglese,  latino  e  greco.  del  S.  Fbied- 
UANN.    Milano  1896.    [Manuali  Hoepli,  serie  scientifica,  214 — 215.] 

Gotische  Sprachdenkmäler  mit  grammatik,  Übersetzung  und  erläu- 
terungen.  von  Hermann  Jantzen.  Leipzig  1898.  [Sammlung 
Göschen  79.]  —  der  Mailänder  professor  Friedmann,  in  Deutsch- 
land wol  weniger  durch  seine  Grammatica  tedesca  (1895)  als 
durch  sein  Dramma  tedesco  del  nostro  secolo  (1893)  schon  be- 
kannt, will  mit  dem  vorliegenden  manuale  die  italienischen  Stu- 
denten ins  gotische  einführen,  er  bringt  eine  knappe  elementar- 
grammalik  im  anschluss  an  Braune,  einen  sprachvergleichenden 
anhang,  aus  der  gotischen  bibel  zusammengestellte  und  den  ein- 
zelnen kategorien  der  grammatik  folgende  übungssätze,  danach 
etliche  bibelstücke  im  Zusammenhang,  ein  etymologisches  und  zu 
dem  elementaren  Charakter  des  buches  kaum  im  Verhältnis  stehn- 
des  glossar,  endlich  deutsche,  englische,  griechische,  lateioiache, 


FRIEDMANN    LA    LINGUA    GOTICA  81 

romanische  indices.  einzelne  fehler  wären  leicht  zu  monieren« 
«nd  neuheiteo^wird  man  nicht  erwarten,  obgleich  ebenso  discrete 
wie  bedenkliche  ansätze  dazu  nicht  fehlen  (zb.  sunna  als  ^sum-nan" 
ZQ  sommer,  siponeis  zu  sibja  ua.).  immerhin  darf  man  es  als  he* 
.scbeidenheitshyperbel  bezeichnen,  wenn  der  vf.  sich  nur  einen 
^dilettante  in  glottologia'  nennt,  und  zugeben,  dass  seine  arbeit 
ihren  zweck  zu  erfüllen  geeignet  ist. 

Welchen  zweck  aber  hatJantzens  bUchlein?  wozu  in  der 
«ammlung  GOschen  nun  auch  ein  gotisches  bändchen?  weshalb 
den  einstigen  culturhistoriker,  der  aus  dem  inhalt  popularisieren- 
der Terlegerunlernehmungen  auf  das  bildungsbedürfnis  unsrer  tage 
«chliefsen  will,  so  in  die  irre  führen?  gewis  ist  das  heft  ge- 
wissenhaft und  solid  gearbeitet;  einzelne  unebenmäfsigkeiten  im 
druck  und  kleinere  versehen  wären  zu  entschuldigen  (die  3  druck* 
fehlerberichtigungen  s.  137  enthalten  selbst  wider  2  fehler),  aber 
das  hauptbedenken  :  ich  gesteh,  dass  mir  schon  bei  Braunes  alt- 
bewährtem hilfsbuch  öfter  zweifei  aufgestiegen  sind,  ob  es  prak- 
tisch war,  ihm  die  wenigen  sprachproben  beizugeben  :  es  gibt 
nur  zu  oft  banausische  Studenten,  die  nach  seiner  durcharbei- 
tung  sich  einbilden  gotisch  zu  können  und  deshalb  gern  ver- 
gessen, auch  den  ganzen  Ulfila  in  die  band  zu  nehmen,  viel- 
leicht verdienten  da  Übungsstücke  in  Friedmanns  art  den  Vorzug. 
Jantzen  nun  gar  gibt  nicht  nur  sprachproben,  sondern  darunter 
auf  jeder  seite  zugleich  die  nhd.  Übersetzung  und  einen  zum 
elementarsten  hinab-  und  zu  umfassender  Sprachvergleichung 
hinaufsteigenden  commentar  :  ich  fürchte,  sein  erfolg  wird  der 
sein,  dass  man  sich  in  Zukunft  hüten  muss,  die  von  ihm  ausge- 
wählten stücke  in  gotischen  seminarübungen  von  auf^ngern  inter- 

,    pretieren  zu  lassen  I  Febd.  Wrboe. 

Iveos  saga.  herausgegeben  von  Eugen  Kölbing.  [Altnordische  saga- 
bibliothek.  herausgegeben  von  Gustaf  Cederscuiöld,  Hugo  Gering 
und  Eugen  Möge,  heft  7.]  Halle,  Max  Niemeyer,  1898.  xzviii  und 
136  SS.  4  m.  —  seiner  ausgäbe  der,F16res  saga  ok  Blankiflür 
lässt  Eugen  Kölbing  eine  ausgäbe  der  Ivens  saga  folgen,  die  wie 
jene  ein  heft  der  rüstig  fortschreitenden  Altnordischen  sagabiblio- 
thek  bildet,  nach  einer  kurzen  inhaltsangabe  der  saga,  die  der 
plan  der  Sammlung  verlangte,  handelt  er  in  der  einleitung  zu- 
nächst über  ihre  französische  quelle,  frühern  forscbungen  folgend, 
eigne  ansichten  kurz  begründend,  zeigt  er,  wie  Christian  vTroyes  aus 
vorhandenen  sagenmotiven  den  stoß'  seines  Yvain  formte,  die  fran- 
zösische dichtung  wurde  in  der  ersten  liälfte  des  13  jhs.  in  norwe- 
gische prosa  übersetzt,  aber  diese  Übertragung  ist  nur  in  der 
isländischen,  vielfach  gekürzten  version  erhalten,  sie  lässt  sich 
ebensowenig  wie  der  englische  Iwein  auf  eine  hs.  des  Yvain 
zurückführen,  zeigt  vielmehr  berührungspuncte  mit  mehreren  von 
ihnen;  die  directe  vorläge  ist  demnach  nicht  mehr  erhalten,  in 
Zusammenhang  mit  der  norwegischen  Übersetzung  steht  eine 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  6 


82  KÖLBLNG    ivC?IS   SAGA 

sehwedische  bearbeitung  in  versen  aus  dem  jähre  1303,  der 
Herra  Iwan  Lejon-riddaren.  in  seinen  RiddarasOgur  hatte  K.  zu 
erweisen  gesucht,  dass  das  schwedische  gedieht  nicht,  wie  die 
Schlussverse  behaupten,  auf  eine  französische  vorläge  zortlckgehe, 
sondern  dass  es  nach  der  norwegischen  prosaQbersetzung  gear- 
beitet sei;  jetzt  glaubt  er  auf  grund  einer  neuen  vergleichung, 
von  der  die  wichtigeren  belegsteilen  mitgeteilt  werden,  schliefsen 
zu  dürfen,  'dass  der  Verfasser  der  visa  in  der  tat  neben  einem 
ms.  der  nordischen  saga  auch  eine  hs.  des  frz.  Tvain  vor  sich 
gehabt  und  nach  neigung  je  an  die  eine  oder  andre  Fassung  oder 
auch  an  beide  sich  angelehnt  hat*. 

In  seiner  ersten  ausgäbe  in  den  Riddarasögur  hatte  K.  den 
text  nach  der  vollständigeren  hs.  A  (cod.  Holm.  perg.  6,  A^)  ge- 
geben und  die  Varianten  von  B  (A.  M.  perg.  489,  4®)  mitgeteilt, 
der  neuen  ausgäbe  legt  er  B  zu  gründe,  das  vielfach  bessere  und 
vollständigere  lesungen  bietet,  und  lässt  erst  wo  diese  hs.  ab- 
bricht die  hs.  A  eintreten,  in  einer  längern  note  der  einleitung 
und  an  vielen  stellen  des  commentars  gibt  er  rechenschafl  Ober  die 
stellen^  in  denen  er  die  la.  von  A  vorgezogen  hat.  als  anhang  folgt 
der  text  von  A,  soweit  er  nicht  der  ausgäbe  zu  gründe  gelegt  ist. 

Der  commentar  ist  noch  reichhaltiger  als  der  zur  Flöres  saga. 
er  enthält  einmal  die  erklärung  der  Wörter  und  Wendungen,  die 
sich  bei  Möbius  nicht  finden,  ein  geringfügiges  versehen  bemerk 
ich  in  der  note  zu  cap.  1,3:  ''fyrir  hveivetna  unter  allen  um- 
ständen'; es  ist  eher  fyrir  hveivetna  fram  in  der  gleichen  be- 
deutung  zusammen  zu  nehmen  als  fram  mit  nt  at  ganga  zu  ver- 
binden, zu  den  Worterklärungen  treten  anmerkungen  über  stoff- 
liche dinge,  unter  denen  ich  die  über  die  waldleute  zu  cap.  2 
und  die  über  weinende  tiere  zu  cap.  10,  30  hervorheben  mochte. 
von  besonderem  interesse  srnd  die  sülistisclieü  beinerkuugeu.  der" 
Übersetzer  hielt  sich  ganz  an  die  darstdiuug  seiner  vorläge,  nur 
vereinzelt  tauchen  remiiiiscenzen  ausi  der  heimischen  tiueratnr 
auf.  so  erinnert  der  hünkmV^  der  in  ejuem  der  saga  etgenl^tv 
liehen  vergleich  vorkommt  (cap.  2,  25),  entfernL  nu  den 
Hymirs;  die  voraussage  der  kOnigin  an  hm  :  w  mun  ßins 
at  illu  getit,  meian  heimrinn  siendr  leihst  an  Grlp.  23  u^ 
denken;  die  worte  Lunelas  cap.  16,  13  *  Soä  fegtn  an  ei 
fundi  konnten  allenfalls  zurückgehii  auf  HH.  \i  4'2. 
passung  an  nordische  veihlfUnisste  verdanketi  ihr  dasein 
8wti  (=s  hdswti)  cap.  7,  4  u.  5  und  das  svefnhus  cap.  dbl 
menge  allitterierender  formein  zii^en  sich,  auf  die  i1< 
geber  in  den  anmerkungen  auinierJ  sam  macht;  :m  cmttl 
cap.  16,  25  —  erscheint  2WBin)af  hinter  einander 
allitteration.  die  eigentüniiiclj  keilen  de^  Sil  lern  sa^'a&tilft| 
vergebens,  und  ein  Übergang  y\\i*  JVii  «r  oj  ugja 
seiner  Umgebung  fremdartig  an, 
einzelnen  stellen  zahlreiche  pa 


_ 

KÖLBING    iVENS    SAGA  83 

Uindischen  sögur  wie  aus  deo  Fornaldar  sOgur  Nordrianda;  wir 
geben  hier  an  vielen  beispielen,  wie  sehr  die  letzlgeuannte  gattung 
auch  in  eiazelheiteu  des  stofTs  und  im  stil  abhängig  ist  von  der 
nordischen  übersetzungslitteratur.  Wilhelm  Ranisch. 

Jacob  van  Haerlants  Strophische  gedichten.  nieuwe  uitgave  bewerkt 
door  J.  France  en  J.  Verdam.  Groningen,  Wolters,  1898.  [Biblio- 
theek  van  middelnederlandsche  letterkunde  onder  redactie  van 
J.  Verdau  en  J.te  Winkel.]  xcii  und  300  ss.  12,50  m.  —  die 
ausgäbe  umfasst  zehn  gedieht«,  von  denen  acht  in  13 zeiligen 
Strophen,  zwei  in  12  zeiligen  abgefasst  sind  :  die  letztern  haben 
die  Verdopplung  der  letzten  reimzeile  nicht,  sie  unterscheiden 
sich  auch  sonst  formell  und  inhaltlich  von  den  andern  :  der  Vers- 
bau beruht  auf  regelmafsiger  abwechslung  von  hebung  und 
Senkung;  der  auftact  mangelt,  es  ist  die  Strophe  genau  die  des 
'Siabat  mater'.  auch  der  ausdruck  ist  gewöhnlicher,  weniger  eigen- 
artig als  er  bei  Maerlant  zu  sein  pflegt,  es  ist  mehr  gelehrsam- 
keit,  Überlieferung  als  eignes  urteil,  wie  es  bei  Maerlant  doch 
sonst  tiberall  hervortrilt.  da  diese  bedenken  von  beiden  heraus- 
gebern  geteilt  werden  (s.  xlvii),  so  war  es  doch  wol  besser  ge- 
wesen, die  beiden  gedicbte  :  Vijfvrouden  und  0ns  Heren 
wenden,  wenn  nicht  von  der  ausgäbe  auszuschliefsen,  doch  sie 
etwa  nur  anhangsweise  ihr  beizufügen. 

Die  Überlieferung  ist  sehr  verschieden  für  die  einzelnen  ge- 
dicbte. von  den  drei  ersten  Wapene  Martijn  ist  sie  beson- 
ders reich  :  aufser  einer  anzahl  von  handschriften  ist  eine  vom 
dichter  selbst  verfasste  parodie  Van  den  verkeerden  Martine, 
allerdings  nur  ein  fragmeut,  nur  der  anfang  vorhanden,  ferner 
eine  lateinische  und  eine  französische  Übersetzung,  letztere  bis 
jetzt  nur  teilweise  bekannt,  über  die  ßliation  der  hss.  hat 
Franck  in  diesem  Anzeiger  mehrfach  gehandelt  und  jetzt  seine 
ergebnisse  wesentlich  bestätigt,  es  ist  freilich  unerwünscht,  dass 
für  fast  alle  hss.  die  benutzung  mehrerer  vorlagen  vorausgesetzt 
werden  muss.  immerhin  geboren  diese  gedichte  zu  den  best- 
bezeugten texten  der  mnl.  litteratur,  und  es  ist  sehr  richtig  ge- 
wesen, hier  auch  die  normalisierung  der  Orthographie  durch- 
zuführen, die  sich  auf  zahlreiche  reime  stützen  kann. 

Ergebnisreich  ist  auch  die  behandlung  der  quellen  in  der 
«inleitung.  abgewiesen  wird  die  benutzung  des  französischen 
dichters  Rutebeuf,  der  etwa  gleichzeitig  gedichte  in  ähnlicher  form 
und  tendenz,  teilweise  mit  den  gleichen  titeln  geschrieben  hat, 
wie  wir  sie  bei  Maerlant  finden,  trotzdem  glauben  die  heraus- 
geber  s.  lxxv,  dass  die  verwantschaft  zwischen  den  nl.  und  den 
franz.  gedichten  nicht  anders  zu  erklären  sei  als  die,  welche  heute 
zwischen  artikeln  gleichen  inhalts  von  Zeitungen  derselben  partei 
bestehe.  ^Maerlants  abwendung  von  der  französischen  poesie 
spricht  a  priori  gegen  eine  beeinflussung  durch  den  franz.  dichter', 
dieser  allgemeine  grund  genügt  nicht.    Maerlant  tadelt  die  lügen 

6* 


84      FRANCK  U.  VERDAM  JACOR  VAN  MAERLANTS  STROPHISCHE  GBDICHTEIf 

der  franz.  romandichter  :  hier  haben  wir  es  aber  mit  einer  an- 
dern, ihm  naheverwanten  richlung  zu  tun.  so  möge  die  ganze 
frage  noch  offen  bleiben;  zu  einer  eignen  Untersuchung  find 
ich  gegenwärtig  keine  zeit. 

Auf  den  text  der  gedichte  folgen  reichhaltige  anmerkungen 
und  ein  Wörterverzeichnis,  zu  persemare  {-mere,  -mier)  wird  be- 
merkt, dass  es  zu  mnl.  persemen  'wuchern'  und  perssem  bei  Kilian 
gehöre,  das  schon  in  den  altniederfränkischen  Psalmen  als  prisma^ 
presma  vorkommt,  die  ahd.  formen  hat  Grimm  Gramm,  ii  147 
damit  zusammengestellt :  bei  Tatian  erscheint  phrasamo,  der  Ur- 
sprung ist,  wie  es  scheint,  noch  nicht  nachgewiesen,  sollte  nicht 
eine  romanische  neubildung  von  lat.  praesumere  zu  gründe  liegen, 
womit  das  vorwegnehmen  des  zinses,  eine  der  gewöhnlichste» 
arten  des  wuchers,  bezeichnet  werden  konnte?  *praesuma  wäre 
eine  Wortbildung  wie  doute  <«  lat.  *dubita  von  dubitare.  freilich 
fehlt  praesumere  wie  sumere  in  den  romanischen  sprachen,  viel- 
leicht kommt  für  das  wort  auch  lat.  proxima  in  betracht. 

Auch  sonst  fehlt  es  im  wortvorrat  der  W.  M.  nicht  ao 
puncten,  die  der  aufklarung  noch  harren,  so  ist  sonder  (oder 
ander)  spit  delven  nicht  klar  in  seiner  ableitung,  wie  zu  M.  i  20 
bemerkt  wird,  auch  verscruven  'verstofsen',  der  bedeutung  nach 
gleich  verscuven  und  mit  diesem  öfters  vertauscht,  bedarf  nocb 
der  erklärung.  ist  der  titel  De  gaudibus  beatae  Mariae 
8.  Lxviii  überliefert? 

Erwünscht  gewesen  wäre  eine  Inhaltsübersicht  und  womög- 
lich auch  ein  blattweiser.  E.  Martin. 
Das  deutsche  Madrigal,  geschichte  seiner  entwickelung  bis  in  die 
mitte  des  18  jhs.  von  Karl  Vossler.  [Litterarhistorische  for- 
schungen,  vi  heft.]  Weimar,  Emil  Felber,  1898.  xi  und  163  ss. 
8^.  3,50  m.  —  die  geschichte  des  deutschen  madrigals,  die  wir 
seit  Koberstein,  vWaldberg  und  Minor  im  umriss  übersahen,  erßihrl 
durch  die  V.sche  erstlingsarbeit  eine  sorgfältige  und  gründliche 
darstellung.  freilich  führt  die  Wanderung  zumeist  durch  die 
niederungen  der  deutschen  litteratur.  denn  das  madrigal,  zur  zeil 
ihres  grösten  tiefstandes  in  die  deutsche  dicbtung  verpflanzt,  ist 
in  dem  fremden  boden  nie  recht  heimisch  geworden,  es  wird 
vorzugsweise  von  untergeordneten  dichtem  gepflegt  und  stirbt 
nach  kurzer  Scheinblüte  bei  dem  aufblühen  einer  kräftigere» 
nationalen  litteratur  ebenso  schnell  ab.  V.  selbst  findet  seine  be- 
deutung Mn  der  fülle  verwanter  formen,  die  sich  aus  ihm  heran» 
entwickelte',  vor  allem  in  der  ausbildung  und  förderung  der  freieo 
verse.  immerhin  aber  bietet  seine  geschichte  einen  lehrreiche» 
querschnitt  durch  die  formale  entwicklung  der  lyrik  des  17  und 
und  18  jhs. 

V.  behandelt  nach  einem  raschen  überblick  über  die  ent- 
wicklung des  italienischen  madrigals  und  einer  etwas  unklar  ge- 
ratenen betrachtung  der  etymologie  des  wertes   die  zeit  bis  zun> 


TOSSLER    DAS   DEUTSCHE    MADRIGAL  85 

erscheioen   d      g  en   Zieglerischen   tractats  (1653),  in 

der  das  mad..o-ii   i-->    gMung  schon  sehr  beliebt,   in  der 

dicbtUDg  noch  als  'componimento  illegitimo'  betrachtet  wird. 
Fleming  erscheint  hier  für  die  lyrik  als  erster  mit  Übertragungen 
ans  dem  pastor  Fido.  Zieglers  hedeutung^  seine  abhängigkeit  von 
den  Italienern,  sein  einfluss  auf  die  poetik,  die  weltliche  und 
geistliche  lyrik  wird  eingehend  belegt  und  gewürdigt,  unmittel- 
bar unter  dem  einfluss  der  italienischen  und  nun  auch  der  fran-. 
zOsischen  madrigaldichtung  stehn  die  galanten  dichter,  die  es  — 
auch  im  drama  —  eifrig  pflegen,  aber  durch  Vermischung  mit 
verwanten  massen  Verwirrung  in  die  einseitige,  aber  klare  auf- 
Fassung  Zieglers  bringen,  nicht  glücklich  erscheint  mir  die  aller- 
dings nur  vorsichtig  ausgesprochene  polemik  gegen  vWaldberg 
und  Minor  s.  lOSfl*.  ob  jene  Übersetzer  ihre  rein  alexandrinischen 
'madrigale  aus  dem  französischen  oder  italienischen'  würklich  mit 
bewustsein  von  der  deutschen  form  unterscheiden  wollten,  wird 
sich  nicht  erweisen  lassen,  auch  die  versuche,  aus  der  ^indivi- 
duellen auffassung,  welche  der  betrefl'ende  dichter  von  den  madri- 
galischen formen  überhaupt  gehabt  haben  mag',  zu  bestimmen, 
ob  ein  gedieht  noch  als  madrigal  zu  bezeichnen  sei,  wie  s.  149 
bei  Günther,  können  nicht  zu  sicheren  ergebnissen  führen,  das 
entscheidende  bleibt  doch  —  was  auch  V.  als  endresultat  des 
letzten  abschnittes  :  Die  letzten  madrigalisten  feststellt  — ,  dass  eine 
sichere  grenze  zwischen  madrigal  und  Sinngedicht  nicht  mehr  zu 
ziehen  ist.  das  madrigal  geht  in  der  masse  der  verwanten  formen 
unter. 

Die  Untersuchungen  über  die  einzelnen  dichter  sind,  soweit 
sich  bei  der  weitschichtigen,  zt.  unzugänglichen  lilteratur  über- 
blicken lässt,  mit  eindringender  Sorgfalt  unter  reichlicher  benutzung 
der  italienischen  und  französischen  Vorbilder  angestellt  —  zu  Chph. 
Woltereck  (s.  142)  sei  bemerkt,  dass  die  erste  ausgäbe  seiner 
öden,  Hamburg  1711^  wie  die  zweite  nichts  neues  bringen,  da 
sie  beide  in  die  vollständige  ausgäbe  der  'Holsteinschen  musen' 
aufgenommen  sind  — ;  dagegen  wäre  der  arbeit  oft  grOfsere  klar- 
heit  der  darstellungsform  und  gruppierung,  vor  allem  ein  schär- 
feres herausheben  des  grofsen  Zusammenhanges  zu  wünschen. 
Weltis  darstellung  des  sonetts  hätte  hier  ein  treffliches  Vorbild 
geben  können.  Wilhelm  Keiper. 

Der  einfluss  der  deutschen  litteratur  auf  die  niederländische  um  die 
wende  des  18  und  19  Jahrhunderts,  von  dr  Karl  Mem«(e.  iteil: 
Periode  der  Übersetzungen;  Fabel-  und  idyllendichtung;  Klopstocks 
^Messias';  Obersicht  über  das  drama.  [«»  Litterarhistorische 
Forschungen,  hrsg.  von  Schick  und  Waldberg,  viii  heft.]  Weimar, 
Emil  Felber,  1898.  iv  und  97  ss.  2,40  m.  —  das  vorliegende 
heft  kündigt  sich  als  ersterteil  einer  grOfseren  arbeit  an;  es  be- 
bandelt die  niederländischen  Übersetzungen  und  nachahmungen 
von  Klopstock,  Wieland,  Geliert,  Gessner  und  einigen  andern  und 


86     HENNE  EINFLUSS  D.  DEOTSCUEN  LITTERATOR  AUF  D.  MEDERLÄNDISCBB 

fügt  als  'noch  nicht  ganz  verarbeitetes  material'  eine  liste  von 
niederländischen  Übersetzungen  deutscher  Schauspiele  hinzu,  ein 
zweiler  teil  soll  die  sentimentalen  Schriften  in  Holland,  vornehm- 
lich die  einwürkung  von  Goethes  Werther,  ein  dritter  Lessing, 
Goethe,  Schiller,  ein  vierter  die  lyrik  behandeln,  das  bisher  ver- 
üfTentlichte  ist  die  ausarbeitung  fleifsiger,  im  wesentlichen  biblio- 
graphischer notizcn,  in  dem  sinne,  dass  vf.  seine  büchertite!  und 
i'lhrigen  collectaneen  zu  gruppieren  sucht  und  den  namen  und 
Sachen,  die  ihm  dabei  begegnen,  nachspürt,  diese  Zusammen- 
stellungen sind  zweifelsohne  dankenswert  (wie  auch  schon  von 
holländischer  seile  anerkannt  worden  ist),  wenngleich  die  unge- 
schickte redigierung,  in  folge  deren  gar  kein  wertunterschied 
zwischen  dem  lext  und  den  umfangreichen  fufsnoten  besteht,  die 
lectüre  wenig  angenehm  macht,  auch  würde  der  vf.  gut  tun, 
wenn  er  bei  den  folgenden  teilen  einen  Niederländer  die  correc- 
tur  lesen  liefse  :  die  anzahl  der  schreib-  und  druckfehler  in  den 
titeln  und  citaten  ist  gröfser  als  erlaubt. 

Wer  aber,  durch  den  titel  und  den  kühnen  stil  des  büchleins 
verleitet»  höhere  ansprüche  stellen  und  eine  Verarbeitung  des  ma- 
terials  in  dem  sinne  erwarten  möchte,  dass  der  einfluss  deutscher 
geistesströmungen  auf  die  führenden  uud  geführten  geister  Hollands 
sich  aus  der  masse  der  erscheinungen  heraushöbe,  der  wird  sich 
durchaus  enttäuscht  sehen,  hierzu  fehlt  dem  vf.  nicht  nur  die 
nötige  bekanntschaft  mit  der  holländischen  nationallitteratur,  son- 
dern auch  überhaupt  der  für  betrachtung  culturgeschichtlicher 
fragen  geschulte  bedächtige  blick,  litterarhistorische  beeinflussung 
wirft  er  rückhaltlos  mit  Übersetzung  und  nachabmung  zusammen ; 
gedrucktes  jeglicher  qualität  nimmt  und  gibt  er  ohne  unterschied 
als  lilierarisches  urteil;  dagegen  geht  er  ahnungslos  an  eigentlich 
wichtigen  dingen,  zb.  der  Verbreitung  einer  Übersetzung  (Gellerts 
Schriften  überschwemmen  noch  heute  den  büchertrOdelmarkt)  und 
deren  reflexen  bei  dem  gebildeten  publicum  vorbei,  so  ist  nicht 
viel  hoffnung,  dass  die  folgenden  teile  eine  in  der  tat  vernach- 
lässigte und  schwierige  aufgäbe  der  litteraturgeschichte  lösen  wer- 
den; wenn  aber  der  vf.  sich  enlschliefsen  könnte,  seine  übrigen 
Sammlungen  in  schärfer  disponierter  schlichter  form,  unter  aus- 
scheidung  aller  gesuchten  citiererei  und  allgemeiner  urteile,  zu 
veröffentlichen,  so  würde  er  sich  doch  auf  beiden  Seiten  der  grenze 
dank  verdienen.  E.  F.  Kossmann. 

Slrafsburger  Goelhevorträge.  zum  besten  des  für  Strafsburg  ge- 
planten denkmals  des  jungen  Goethe.  Strafsburg,  Karl  JTrübner, 
1899.  8^.  197  SS.  2,50  m.  —  das  buch  enthält  sieben  vortrage, 
die  sich  ihrem  zweck  entsprechend  an  das  grofse  publicum  wenden, 
gleich wol  wird  sie  auch  der  Goetheforscher  mit  nutzen  lesen, 
besonders  diejenigen,  die  nicht  litterarhistorischen  Charakters  im 
engsten  sinne  des  Wortes  sind.  Ernst  Martin  stellt  Goethes 
-ansichten  über  ^Weltlitteratur  und  dialektpoesie'  zusammen.    Ru- 


STRASSBURG£R    G0ETHEV0RTRÄ6B  87 

dolf  HeDoing  gibt  eine  gediUDgene,  sehr  lebendige  Charakte- 
ristik des  'JuDgen  Goethe',  in  der  er  mit  grofsem  geschick  und 
plastischer  anschaulichkeit  die  entscheidenden  zUge  seines  ent- 
wicklungsganges  hervorhebt  und  die  bis  1775  entstandenen  werke 
nach  art  und  wesen  kurz  und  prägnant  beschreibt.  Eugen 
Joseph  bespricht  in  'Goethe  und  Lili'  das  auf  und  ab  ihrer  be- 
Ziehungen  und  zeigt  in  feinen  beobachlungen,  wie  die  natur  des 
verhallDisses  in  den  werken  des  dichters  reflectiert.  Wilhelm 
Windel  band  spendet  einen  glänzenden  abriss  *Aus  Goethes 
Philosophie',  den  mittelpunct  seiner  betrachtung  bildet  die  frage, 
wie  Goethe  die  Stellung  des  menschen  im  Universum  auffasste  von 
dea  tagen  an,  da  er  im  Prometheus  und  Faust  dem  entschiedensten 
individualismus  huldigte,  die  grenzen  des  eigenen  wesens  zu 
sprengen  und  sich  zum  ganzen  zu  erweitern  strebte,  bis  zu  der 
zeit,  da  er  das  sittliche  ideal  der  selbslbefreiung  durch  erkennt- 
nis  fand,  um  schliefslich  die  Vollkommenheit  des  menschen  in 
der  beschrankung  und  Unterordnung  zu  erblicken,  er  gibt  also 
eine  entwickln  ng  der  Goethischen  weit-  und  lebensanschau- 
ung.  er  zeigt  das  eingreifen  des  der  natur  des  dichters  so  ver- 
Wanten  Spinozismus,  erürtert  den  begriff  der  Goethischen  fröm- 
migkeit  und  den  für  die  erkenntnis  seines  wesens  so  wichtigen 
der  ^entsagung',  der  in  seinem  positiven  sinn  ^tätigkeit'  ist.  er 
bespricht  die  Unsterblichkeitslehre  des  dichters  und  behandelt  den 
cuUurphilosophischen  grundgedankeu  des  'Wilhelm  Meister',  in 
dessen  beiden  er  geistreich  den  lypus  des  Deutschen  dargestellt 
findet,  der  vom  18  in  das  19  jh.  herüberschreitet  und  das  ästhe- 
tische ideal  mit  dem  praktischen  vertauscht.  Adolf  Michaelis 
gibt  einen  nicht  weitejr  fördernden  überblick  über  Goethes  Ver- 
hältnis zur  antike.  Jacob  Stilling  liefert  eine  sehr  beachtens- 
werte rettung  der  Goethischen  farbenlehre.  er  preist  die  Ver- 
dienste des  dichters  um  die  physiologische  optik,  indem  er  ihn 
als  den  entdecker  des  wichtigen  gesetzes  des'  antagonismus  der 
färben  hinstellt,  hebt  hervor,  welche  anerkennung  noch  heute  dem 
psychologischen  teile  der  farbenlehre  zukommt,  und  weist  nach, 
wie  Goethe  in  einem  puncte  Newton  gegenüber  recht  behalten 
habe.  Theobai d  Ziegler  behandelt  den  Faust  und  bemerkt 
allerlei  tlber  seine  entstehung,  den  gegensatz  in  der  aulTassung 
der  sage  im  16  und  18  jh.,  über  die  Wandlungen,  die  der  stofT 
im  laufe  der  langen  zeit  in  Goethe  selbst  erfuhr,  über  den  Cha- 
rakter des  dramas  im  allgemeinen,  über  die  Intentionen  des  dich- 
ters, seinen  Optimismus  in  der  gestaltung  Mephistos  uaa.  ich  bin 
während  der  lectüre  das  gefühl  nicht  los  geworden,  dass  der 
dem  redner  aufgezwungene  rahmen  und  der  gebotene  oder  ge- 
wählte ton  der  leichten  plauderei  in  einem  unüberwindlichen 
mis Verhältnis  zu  der  Schwierigkeit  der  angeschlagenen  Pro- 
bleme stehn. 

Berlin.  Otto  Pniower. 


86     HENNE  EfNFLUSS  D.  DEOTSCUEN  LTTTERATOR  AUF  P.  NIEDERLÄNDISCBB 

fügt  als  'noch  nicht  ganz  verarbeitetes  material'  eioe  liste  von 
niederländischen  Übersetzungen  deutscher  Schauspiele  hinzu,  ein 
zweiter  teil  soll  die  sentimentalen  Schriften  in  Holland,  vornehm- 
lich die  einwürkung  von  Goethes  Werther,  ein  dritter  Lessing, 
Goethe,  Schiller,  ein  vierter  die  lyrik  behandeln,  das  bisher  ver- 
öfTentlichte  ist  die  ausarbeitung  fleifsiger,  im  wesentlichen  biblio- 
^Taphischer  notizcn,  in  dem  sinne,  dass  vf.  seine  büchertitel  und 
übrigen  collectaneen  zu  gruppieren  sucht  und  den  namen  und 
Sachen,  die  ihm  dabei  begegnen,  nachspürt,  diese  Zusammen- 
stellungen sind  zweifelsohne  dankenswert  (wie  auch  schon  von 
holländischer  seile  anerkannt  worden  ist),  wenngleich  die  unge- 
schickte redigierung^  in  folge  deren  gar  kein  wertunterschied 
zwischen  dem  text  und  den  umfangreichen  fufsnoten  besteht,  die 
lectüre  wenig  angenehm  macht,  auch  würde  der  vf.  gut  tun, 
wenn  er  bei  den  folgenden  teilen  einen  Niederländer  die  correc- 
tur  lesen  liefse  :  die  anzahl  der  schreib-  und  druckfehler  in  den 
titeln  und  citaten  ist  gröfser  als  erlaubt. 

Wer  aber,  durch  den  titel  und  den  kühnen  Stil  des  büchleins 
verleitet,  höhere  ansprüche  stellen  und  eine  Verarbeitung  des  ma- 
terials  in  dem  sinne  erwarten  möchte,  dass  der  einfluss  deutscher 
geistesströmungen  auf  die  führenden  uud  geführten  geister  Hollands 
sich  aus  der  masse  der  erscheinungen  heraushöbe,  der  wird  sich 
durchaus  enttäuscht  sehen,  hierzu  fehlt  dem  vf.  nicht  nur  die 
nötige  bekanntschaft  mit  der  holländischen  nationallitteratur,  son- 
dern auch  überhaupt  der  für  betrachtung  culturgeschichllicher 
fragen  geschulte  bedächtige  blick,  litterarhistorische  beeinflussung 
wirft  er  rückhaltlos  mit  Übersetzung  und  nachahmung  zusammen ; 
gedrucktes  jeglicher  qualilät  nimmt  und  gibt  er  ohne  unterschied 
als  litterarisches  urteil;  dagegen  geht  er  ahnungslos  an  eigentlich 
wichtigen  dingen,  zb.  der  Verbreitung  einer  Übersetzung  (Gellerts 
Schriften  überschwemmen  noch  heute  den  büchertrödelmarkt)  und 
deren  reflexen  bei  dem  gebildeten  publicum  vorbei,  so  ist  nicht 
viel  hofTnung,  dass  die  folgenden  teile  eine  in  der  tat  vernach- 
lässigte und  schwierige  auTgabe  der  litteraturgeschichte  lösen  wer- 
den; wenn  aber  der  vf.  sich  entschliefsen  könnte,  seine  übrigen 
Sammlungen  in  schärfer  disponierter  schlichter  form,  unter  aus- 
scheidung  aller  gesuchten  citiererei  uud  allgemeiner  urteile,  zu 
veröffentlichen,  so  würde  er  sich  doch  auf  beiden  seilen  der  grenze 
dank  verdienen.  E.  F.  Kossmann. 

Strafsburger  Goethe  vortrage,  zum  besten  des  für  Strafsburg  ge- 
planten denkmals  des  jungen  Goethe.  Strafsburg,  Karl  JTrflbner, 
1899.  8®.  197  SS.  2,50  m.  —  das  buch  enthält  sieben  vortrage, 
die  sich  ihrem  zweck  entsprechend  an  das  grofse  publicum  wenden, 
gleichwol  wird  sie  auch  der  Goetheforscber  mit  nutzen  lesen, 
besonders  diejenigen,  die  nicht  litterarhistorischen  Charakters  im 
engsten  sinne  des  Wortes  sind.  Ernst  Martin  stellt  Goethes 
-ansichten  über  ^Weltlitteratur  und  dialektpoesie'  zusammen.    Ru- 


STRASSBURG£R    G0ETHEV0RTRÄ6B  87 

dolf  HeDDiDg  gibt  eine  gedrungene,  sehr  lebendige  Charakte- 
ristik des  'Jungen  Goethe',  in  der  er  mit  grofsem  geschick  und 
plastischer  anschaulichkeit  die  entscheidenden  züge  seines  ent- 
wicklungsganges  hervorhebt  und  die  bis  1775  entstandenen  werke 
nach  art  und  wesen  kurz  und  prägnant  beschreibt.  Eugen 
Joseph  bespricht  in  'Goethe  und  Lili'  das  auf  und  ab  ihrer  be- 
ziebuDgen  und  zeigt  in  feinen  beobachtungen,  wie  die  natur  des 
Terhaltnisses  in  den  werken  des  dichters  reflectiert.  Wilhelm 
Windelband  spendet  einen  glänzenden  abriss  *Aus  Goethes 
Philosophie',  den  mittelpunct  seiner  betrachtung  bildet  die  frage, 
wie  Goethe  die  Stellung  des  menschen  im  Universum  auffasste  von 
dea  tagen  an,  da  er  im  Prometheus  und  Faust  dem  entschiedensten 
individualismus  huldigte,  die  grenzen  des  eigenen  wesens  zu 
sprengen  und  sich  zum  ganzen  zu  erweitern  strebte,  bis  zu  der 
zeit,  da  er  das  sittliche  ideal  der  selbstbefreiung  durch  erkennt- 
nis  fand,  um  schliefslich  die  Vollkommenheit  des  menschen  in 
der  beschrankung  und  Unterordnung  zu  erblicken,  er  gibt  also 
eine  entwicklung  der  Goethischen  weit-  und  lebensanschau- 
UDg.  er  zeigt  das  eingreifen  des  der  natur  des  dichters  so  ver- 
wanten  Spinozismus,  erürtert  den  begriff  der  Goethischen  frOm- 
migkeit  und  den  für  die  erkenntnis  seines  wesens  so  wichtigen 
der  ^entsagung',  der  in  seinem  positiven  sinn  Tätigkeit'  ist.  er 
bespricht  die  Unsterblichkeitslehre  des  dichters  und  behandelt  den 
culturphilosophischen  grundgedankeu  des  'Wilhelm  Meister',  in 
dessen  beiden  er  geistreich  den  typus  des  Deutschen  dargestellt 
findet,  der  vom  18  in  das  19  jh.  herüberschreitet  und  das  ästhe- 
tische ideal  mit  dem  praktischen  vertauscht.  Adolf  Michaelis 
gibt  einen  nicht  weitejr  fördernden  überblick  über  Goethes  Ver- 
hältnis zur  antike.  JacobStiUing  liefert  eine  sehr  beachtens- 
werte reitung  der  Goethischen  farbeulehre.  er  preist  die  Ver- 
dienste des  dichters  um  die  physiologische  optik,  indem  er  ihn 
als  den  entdecker  des  wichtigen  gesetzes  des'  antagonismus  der 
färben  hinstellt,  hebt  hervor,  welche  anerkennung  noch  heute  dem 
psychologischen  teile  der  farbenlehre  zukommt,  und  weist  nach, 
wie  Goethe  in  einem  puncte  Newton  gegenüber  recht  behalten 
habe.  Theobai d  Ziegler  behandelt  den  Faust  und  bemerkt 
allerlei  tlber  seine  entstehung,  den  gegensatz  in  der  aulTassung 
der  sage  im  16  und  18  jh.,  über  die  Wandlungen,  die  der  stofT 
im  laufe  der  langen  zeit  in  Goethe  selbst  erfuhr,  über  den  Cha- 
rakter des  dramas  im  allgemeinen,  über  die  intentiouen  des  dich- 
ters, seinen  Optimismus  in  der  gestaltung  Mephistos  uaa.  ich  bin 
während  der  lectüre  das  gefühl  nicht  los  geworden,  dass  der 
dem  redner  aufgezwungene  rahmen  und  der  gebotene  oder  ge- 
wählte ton  der  leichten  plauderei  in  einem  unüberwindlichen 
misverhältnis  zu  der  Schwierigkeit  der  angeschlagenen  pro- 
bleme  stehn. 

Berlin.  Otto  Pniower. 


S8  JAHnESBEBICHT    DER    MÄNNER    VOM   MORGENSTERN 

Jabresbericilt  der  tnänner  vom  Morgenstero,  heimatbund  io  Nord- 
baoDOver,  befl  1.  BremerhaveD,GSchipper,  1898.  112ss.  3  tafeln. — 
mit  diesem  1  befte  tritt  eine  in  der  stille  berangewachsDe  oord- 
bannöversche  gesellscbaft  in  die  üffentbchkeit,  es  enthält  4  bei- 
trage zur  beimatkuade.  in  der  cbronik  des  fleckens  Lebe  ziehen 
besonders  die  um  die  wende  des  18  und  19  Jahrhunderts  ge- 
legenen Jahrzehnte  an,  in  denen  der  stille  Unterweserort  zwischen 
englischer  und  frauzOsischer  berscbaft  hin-  und  bergeworfen  und 
endlich  auch  vom  deutschen  befreiungsdrange  ergriffen  wird. 
GvdOstens  deutung  der  namen  der  Wurster  Siedlungen  im  2  auf- 
satz  hätte  durch  benutzung  des  FOrstemannschen  Namenbuches 
hie  und  da  gesichert  werden  können.  Detleffsen  berichtet  knapp 
über  die  beziehungen  der  Römer  zur  Nordseeküste  zwischen  Weser 
und  Elbe,  Bohls  über  einige  steinkammergräber,  die  wenig  fund- 
gegenslände  bieten,  aber,  obgleich  neben  einander  gelegen  und 
derselben  jungem  Steinzeit  angebörig,  doch  verschiedne  arten  der 
beisetzung  anwenden,  den  leichenbrand  und  die  bestattung  des 
unverbrannten  körpers.  wir  wünschen  dem  Morgenstern  dauern- 
den, wegweisenden  glänz,  von  dem  auch  ein  heller  strahl  auf  die 
Volkskunde  fallen  möge.  E.  H.  Meter. 


Personal  NOTIZEN. 

An  der  Universität  Zürich  wurde  der  ao.  professor  dr  A.  Bach- 
mann zum  Ordinarius  befördert,  die  privatdocenten  drM.H.JELLiNEK 
in  Wien  und  prof.  dr  F.  Jostes  in  Münster  wurden  zu  aufser- 
ordenllicben  professoren  ernannt.  privat(k)cent  dr  E.Joseph,  in 
Strafsburg  zum  extraordinarius  befördert,  wurde  als  aufserordent- 
licher  professor  der  neuern  deutschen  spräche  und  litteratur  nach 
Marburg  berufen.  . 

Prof.  dr  6.  Sarrazin  wurde  in  Kiel  zum  Ordinarius  befördert 
und  demnächst  als  nacbfolger  Kölbings  nach  Breslau  berufen, 
der  privatdocent  dr  W.  Keller  in  Jena  wurde  zum  ao.  professor 
der  englischen  pbilologie  ernannt. 

Der  Oberbibliothekar  dr  W.  Seelmann  in  Berlin  sowie  die  privat- 
docenten dr  0.  Bremer  in  Halle  und  dr  F.  Wrede  in  Marburg  er- 
hielten den  professortitel. 


ANZEIGER 


FÜR 

DEimCHES  ALTERTUM  UND  DEUTSCHE  LinERATüR 

XXVI,  2  mai  1900 

Zeitschrift  för  hochdeutsche  mundarten.  herausgegeben  von  Otto  Heilig  und 
Philipp  Lenz.  Jahrgang  i,  heft  1  u.  2.  Heidelberg,  Carl  Winter,  1900. 
112  SS.  gr.  8^  ~  (der  Jahrgang  zu  6  heften  12  m.) 

Der  Naglschen  Zeitschrift  (vgl.  Anz.  xxiii  313)  ist  unerwartet 
rasch  die  vorliegende  nachgefolgt,  ihr  ziel  ist  im  wesentlichen 
dasselbe,  nur  beschränkt  sie  ihr  forschungsgebiet  auf  den  hoch- 
deutschen mundartencomplex ,  während  Nag!  —  wenigstens  auf 
dem  Programm  —  das  ganze  gebiet  einbeziehen  will,  wir  halten 
diese  beschränkung  angesichts  der  taisache,  dass  das  nd.  schon 
durch  den  Verein  für  nd.  Sprachforschung  eine  eifrige  pflege 
findet,  für  durchaus  angemessen,  auch  die  namen  der  heraus- 
geber,  die  durch  ihre  bisherigen  leistungen  in  der  mundarten- 
kunde  einen  guten  klang  haben,  berechtigen  zu  den  besten  hoff- 
nungen  für  die  zukunft  des  Unternehmens,  freilich  werden  auch 
sie  sich  der  gefahren  wol  bewust  sein,  denen  sich  eine  Zeitschrift 
für  dialektforschung  aussetzt ^  und  die  Schicksale  der  Vorgänger 
sind  in  der  tat  noch  zu  lebendig  in  aller  erinnerung,  als  dass 
sie  sich  allzu  optimistischen  illusionen  hingeben  dürften;  aber 
anderseits  hat  gerade  das  scheitern  früherer  Unternehmungen  die 
klippen  offenbart,  die  zu  vermeiden  sind,  und  namentlich  wird 
man  sich  vor  der  einseitigkeit  und  ausschhefslichkeit  zu  hüten 
wissen,  wie  sie  Nagl  und  vGrienberger  in  ihren  erwiderungen 
auf  die  anzeigen  der  'Deutschen  mundarten'  an  den  tag  gelegt 
haben,  eine  Zeitschrift,  die  schon  im  zweiten  heft  zur  polemik 
übergeht  und  im  dritten  Symptome  von  Verfolgungswahn  zeigt 
(oder  ist  die  'Nagl-scheu'  etwas  andres?),  hat  sich  der  existenz- 
berechtigung  begeben,  und  sollte  sie  noch  so  trefifliche  mitarbeiter 
haben,  auf  den  lact  der  leitung  kommt  schliefslich  alles  an;  be- 
sonders bei  Zeitschriften,  deren  mitarbeiter  sich  teilweise  aus 
laienkreisen  rekrutieren,  der  leser  wird  sich  viel  lieber  hie  und 
da  einen  unwissenschaftlich  gehaltenen  artikel  gefallen  lassen, 
wofern  er  wenigstens  brauchbares  material  liefert,  als  wissen- 
schaftlich scheinende  hirngespinste  ohne  materielle  basis;  un- 
günstig aber  würkt  in  allen  fällen  das  polemische  hervortreten  des 
herausgebers  gegen  sachliche  kritik.  vollständige  Zurückhaltung  und 
stricte  objectiviiät  sollte  sich  jeder  herausgeber  einer  derartigen 
Zeitschrift  zum  grundsatz  machen,  von  Heilig,  Lenz  und  der 
rühmlich  bekannten  Verlagshandlung  dürfen  wir  uns  wol  in  dieser 
hinsieht  des  besten  versehen. 

A.  ¥.  Ü.  A.  XXVI.  7 


90        HETLIG    U>D    LENZ    ZEITSCHRIFT    FÜR    HOCHDEUTSCHE   MUISDARTEIf 

Weon  wir  duo  im  folgendeo  kurz  auf  den  iohalt  dieses 
ersten  doppelheftes  eintreten,  so  erachten  wir  es  als  pflicht  der 
kritik,  vorwiegend  auf  diejenigen  puncte  aufmerksam  zu  machen, 
die  einer  allfälligen  Verbesserung  bedürften. 

Die  beiden  ersten  artikel  bringen  uns  eine  tabellarische  über- 
sieht der  verbalformen  von  Grofsen-Buseck  bei  Giefsen  von  Emma 
Wagner  und  Wilh.  Hörn  und  eine  ähnliche  des  Handschuhs- 
Weimer  dialekts  von  Ph.Lenz.  e\n  besonders  charakteristischer 
unterschied  zwischen  beiden  mundarten  ligt  im  präteritum,  indem 
die  Grofsen-Busecker  mda.  die  alte  unumschriebene  form  noch 
besitzt,  während  in  der  Handschuhsheimer  mda.  der  präteritale  be- 
griff mit  'haben'  ausgedrückt  wird,  das  ist  wol  auch  der  grund, 
weshalb  die  erstere  im  grofsen  und  ganzen  interessantere  formen 
aufweist,  aufgefallen  ist  mir  hier  nur  die  Verwendung  von  /. 
soll  damit  ein  andrer  laut  bezeichnet  werden  als  der  stimmlose 
palatale  reibelaut  (ich)^  der  in  der  vorschriftsgemäfsen  transscrip- 
tionstabelle  (s.  7)  mit  c  widergegeben  ist?  wenn  ja,  so  hätte  in 
der  einleitung  etwas  über  dieses  zeichen  gesagt  werden  müssen; 
ebenso  über  a,  das  in  der  lautschrifttabelle  merkwürdigerweise  fehlt. 

Interessant  ist  ein  aufsatz  Horns  über  einige  f^Ue  von 
dissimilation ,  ein  capitel,  das  verdiente,  weiter  verfolgt  und  auf 
grund  eines  umfänglichen  materials  noch  mehr  präcisiert  zu  wer- 
den, manches  ist  hier  noch  fraglich  und  zweifelhaft,  indem  be- 
stimmtere gesetze  fehlen,  in  erster  linie  wäre  zu  beachten,  unter 
welchen  accentverhältnissen  die  Veränderung  stattfindet;  ist  es 
doch  nicht  gleichgiltig,  ob  dissimilation  unter  hauptton,  nebenton 
oder  unbetonlheit  eintritt,  ferner  zeigen  oft  die  ersten  bestand- 
teile  eines  composilums  trotz  ihres  ursprünglichen  haupttons  eine 
reduction.  hierher  zb.  schloweifs,  kawasser  (käswasser),  weiterhin 
Schwab,  bofink  (buchfink),  bern.  sumeist9r  (Schulmeister)  usw.  — 
inconsequent  ist  die  anwendung  des  zeicheng  j  bei  nei^wa^,  da 
dasselbe  nach  der  transscriptionsvorschrift  den  stimmhaften  Ve- 
laren reibelaut  bedeutet,    gemeint  ist  natürlich  ^. 

Weniger  angesprochen  haben  uns  die  beiden  aufsätze  von 
OWeise  'Die  zahlen  im  Thüringer  volksmunde'  und  ''Theekessel 
(tölpel)  und  verwantes'.  der  erstere,  weil  seine  belege  denn  doch 
etwas  gar  spärlich  ausgefallen  sind,  wie  kann  man  überhaupt 
eine  abhandlung  über  zahlen  im  volksmunde  schreiben,  ohne  die 
Volkskunde  in  ausgedehntem  mafse  beizuziehen?  die  erklärung 
von  Theekessel  =  HOlpei'  aus  dem  begriff  des  bohlen  scheint  mir 
gesucht,  nach  Kluge  Studentensprache  s.  130  ist  theekessel  ^eiu 
einfältiger  mensch^  der  nicht  gern  mitmacht',  dieser  letztere 
begriff  ist  offenbar  der  ursprüngliche,  und  da  nun  der  theekessel 
ein  specifisches  hausgefäfs  ist,  das  sich  kaum  in  studentische 
kreise  verirrt,  so  ist  er  auch  zum  symbol  des  hausbackenen, 
philiströsen  geworden,  ganz  ähnlich  braucht  man  in  der  Schweiz 
^nachtstuhV  i.  s.  v.  philister,  leimsieder.   —    zu  der  redensart  tm 


BEILIG    ÜKD   LENZ   ZEITSCHRIFT    FÜR    HOCHDEUTSCHE   MUNDARTEN        91 

ihran  sein  Cbetrunken  seiu')  vergleiche  man  mecklenburgisch  tVl 
fett  sin. 

Ober  den  Wortschatz  eines  erzgebirgischen  chrouislen  (MChrLeh- 
maon  Historischer  Schauplatz  1699)  berichtet  unsEGüpfert.  an 
eine  kurze  sprachliche  Charakteristik  wird  ein  sorgfältig  ausgear- 
beitetes alphabetisches  Wörterverzeichnis  angeschlossen,  das  uns 
ein  anschauliches  bild  gibt  von  der  starken  durchsetzung  mil 
mundartlichen  dementen,  wie  sie  in  denkmälern  des  17  und 
18  jhs.,  die  einen  local  begrenzten  leserkreis  voraussetzen,  noch 
häufig  vorkommt,  manches  dabei  ist  freilich  allgemein  Schrift- 
deutsch {verrecken,  schadhaft,  schaube  uam.)  und  hätte  füglich 
wegbleiben  können. 

A  Hol  der  verbreitet  sich  über  die  berechtigung  der  stammes- 
lilteraturgcschichte,  besonders  auch  der  volksmundartlichen,  dass 
die  mda.  das  recht  hat,  sich  poetisch  zu  betätigen,  wird  niemand 
bestreiten,  nur  kann  ich  ihr  unmöglich  die  hohe  litterarische  be- 
deutung  beimessen,  wie  H.  es  tut.  die  wenigen  Schriftsteller,  die 
würklich  bedeutendes  in  der  mundartdichtung  geleistet  haben, 
verdanken  ihre  erfolge  vorzugsweise  der  einsieht,  dass  nur  ein 
ganz  beschränktes  gebiet  der  poesie  der  mda.  zugänglich  ist;  die 
grofse  masse  aber  der  mundartlichen  lilteratur  ist  übersetztes 
Schriftdeutsch  und  nichts  weniger  als  ^stammheitlich'  empfunden, 
sie  ist  nicht  einmal  für  ein  idiotikon,  geschweige  denn  für  die 
Volkskunde  verwertbar. 

S.  soff  veröffentlicht  KR ied er  einen  mystischen  tractat  aus 
dem  kloster  Unterlinden  zu  Colmar,  von  dessen  lautstand  nur  ge- 
sagt wird,  dass  zuweilen  b  für  w  eintrete,  es  wäre  zu  wünschen^ 
dass  ältere  Schriftwerke  stets  von  einem  kurzen  grammatischen 
commentar  begleitet  wären. 

Den  schluss  bilden  sprach probeu  und  texte,  zunächst 
einige  kurze  stücke  aus  dem  Markgräflerland  von  AHaass  mit 
sorgfälliger  transscription,  dann  badischc  anekdoten  von  0 Heil  ig 
und  endlich  schwäbische  Sprichwörter  und  redensarten  mit  Meute', 
*mann',  'weih'  von  Wünseld.  diese  letztern  drei  gruppen  wer- 
den als  'texte'  qualificiert  und  sind  nicht,  wie  die  'sprachproben', 
cursiv  gedruckt;  auch  ist  die  transscription  keine  streng  pho- 
netische. 

Ein  wort  noch  über  die  lautschrift^  wie  sie  s.  6ff  vor- 
geschrieben wird,  im  allgemeinen  bin  ich  mit  der  einfachheit 
derselben  völlig  einverstanden;  nur  darf  man  darin  nicht  zu  weit 
gehn.  so  vermiss  ich,  wie  bereits  bemerkt,  das  dunkle  ä;  auch 
seh  ich  nicht  ein,  warum  die  nasalierung  des  vocals  vor  nasal 
unbezeichnet  bleiben  soll,  da  sie  ja  doch  für  manche  obd.  mdaa. 
geradezu  charakteristisch  ist;  und  schliefslich  wollen  mir  die  gründe 
für  die  graphische  unterschiedslosigkeit  von  stimmhaftem  und 
stimmlosem  b,  d,  g  nicht  recht  einleuchten,  ich  habe,  als  im 
april  1899   der  erste  prospect  der  Zeitschrift  an   mich  gelangte. 


92        HEILIG    UND    LEiNZ   ZEITSCBAIFT   FÜR   HOCHDEUTSCHE   HCJIDARTEI« 

auf  diese  inconsequeDZ  aufmerksam  gemacht  und  bin  nocli  heute 
der  meiDung,  dass  diese  verscliiedenheit  phonetisch  gekennzeichnet 
werden  sollte,  ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  stimmhaften  8,  für 
das  die  lauttabelle  auch  kein  eigenes  zeichen  vorgesehen  bat. 

Dies  einige  bemerkungen,  die  man  nicht  als  nOrgeleien  auf- 
fassen wolle,  es  lag  mir  daran  ^  durch  einige  principielle  aus- 
fohrungen  und  wohlgemeinte  bessern ngsvorscbläge  mein  interesse 
an  dem  trefflichen  unternehmen  zu  bekunden,  möge  es  einen 
gedeihlichen  fortgang  nehmen. 

Wenn  wir  auch  an  den  Verleger  noch  einen  wünsch  richten 
dürfen,  so  war  es  der,  die  erscheinungsweise  der  Zeitschrift  auf 
dem  Umschlagtitel  zu  nennen  und  im  innern  des  Umschlags  eine 
notiz  über  den  inhalt  des  betreffenden  heftes,  den  preis  und  die 
einsendungsbedingungen  anzubringen. 

Zürich,  15  februar  1900.  C.  Hoffmann-Kbatbr. 


Der  germanische  himmelsgott.  von  R.  Mugh.  [sonderabdrack  aus  Abhand- 
lungen zar  germanischen  philologie,  festgabe  für  Richard  Heinzel, 
s.  189—278.]    Halle  a.  S.,  MNiemeyer,  1898.   90  ss.  gr.  8».  —  2,50  m. 

Als  Bremer  in  den  Idg.  f.  3,  301  f  die  gleichung  Ziu  Tyr  ^^ 
Zevg  bestritt,  erklärte  er,  zugleich  mit  dieser  etymologie  schwinde 
die  ganze  lehre  von  dem  einstigen  himmelsgotte  *Ttu  und  seiner 
entthronung  durch  Wodan,  dass  diese  folgerung  nicht  zutrifft, 
will  Much  in  der  vorliegenden  schrift  zeigen,  er  hält  zwar,  mit 
recht,  den  lautlichen  Zusammenhang  zwischen  Ziu  und  Zeus  nicht 
für  widerlegt  -^  seinem  hioweis  auf  Kugel  Litt.-gesch.  i  1 ,  14 
wäre  besonders  noch  die  zweite  stelle  ebda  i  2,  523  beizufügen  — , 
aber  er  will  herkunft  und  bedeutung  des  namens  aufser  spiel 
lassen,  um  auf  andern  wegen  die  bedeutsame  HOllenhoffsche 
hypothese  zu  festigen. 

Seine  Wanderung  lässt  kaum  einen  wichtigeren  teil  der  ger- 
manischen gOlterlehre  unberührt;  auch  fragen  der  heldensage,  der 
Völkerkunde,  der  archäologie  werden  gestreift,  überall  streut  M. 
verschwenderisch  seine  combinationen  aus  :  manche  dBvon  be- 
tracht  ich  als  glückliche  erweiterung  oder  berichtigung  der 
herschenden  ansichten;  die  meisten  regen  zu  ernstlicher  prQfung 
an;  einige  von  denen,  an  die  M.  im  gründe  selbst  nicht  glaubt, 
hätten  den  druck  nicht  verdient,  so  die  Verbindung  von  deixl  mit 
Plhsaz  s.  194  (sollte  nicht  auch  mnl.  dijsdach  eine  mischform 
von  Tis-  und  Dings-  sein,  wie  md.  diestag,  hd.  zinstagl);  die 
meinung,  Fiorgunn,  auf  an.  fior  usw.  bezogen,  könnte  'weltgott' 
bedeutet  habeu  s.  207;  die  frage,  ob  in  mundartlichem  domsiag 
ein  keltischer  Taranus  stecke  s.  22S. 

W^enn  man  sich  nach  der  fülle  von  gesiebten,  die  M.  herauf- 
beschworen hat,  dem  zu  anfang  gezeigten  ziele  zukehrt  und  sich 
fragt :  kann  nun  ein  germanischer  himmelsgott  *Tiwa%  (ts^^deivos) 
als  gesichert   gelten?  so  würde  ich   die  frage   nicht  lu  bejahen 


* 


MUCU    DER    GEnSlAMSCHE    HIMJIELSGOTT  93 

wageo.  als  erwiesen  hetracht  ich  :  1)  dieser  gott  ist  einst  nicht 
nur  kriegsgolt  gewesen,  2)  er  erscheint  an  einzelnen,  puncten  als 
höchster  goit.  aher  dass  er  der  himmelsgott  im  eigentlichen, 
naturmylliischen  sinne  gewesen  sei,  und  dass  Odin,  so  wie  wir 
ihn  aus  der  nordischen  dichtung  kennen,  erkleckliche  Züge  ge* 
rade  von  T^  geerbt  habe,  diese  annähme  scheint  mir  nicht  mehr 
notwendig;  hierfür  wäre  der  aosatz  "^Tiuz  ^  Zevg  nach  wie  vor 
unenlbehrlich.  auch  M.  bemerkt  s.  254,  dass  der  höchste  gotl, 
dessen  thron  Odin  einnahm,  nicht  überall  Ty  sein  muste;  dass 
es  zb.  auch  Frey  gewesen  sein  kann,  anderwärts  scheint  Thor 
als  höchster  gott  dem  Odin  vorangegangen  zu  sein,  für  die  an- 
nähme aber,  dass  auch  Frey  und  Thor  ihrerseits  erst  einen  altern 
götterherscher  entthront  hätten,  fehlt  uns  doch  der  anhält;  und 
die  forderung,  dass  es  aufscr  dem  Sonnengott,  dem  gewittergott, 
dem  kriegs-  und  gerichtsgolt,  die  wir,  den  einen  hier,  den  an- 
dern dort,  an  höchster  stelle  als  vorgüuger  des  windgotles  ahnen, 
noch  einen  germanischeu  himmelsgott  ungefähr  von  der  art  des 
griechischen  gegeben  habe,  entbehrt  des  festen  grundcs  —  immer 
abgesehen  von  der  etymologie  *Dieus, 

Für  M.  stellt  sich  nämlich  die  Sachlage  wesentlich  anders 
als  für  Mogk  und  Golther^  dadurch  dass  er  Frey,  Heimdall,  Baldr 
von  dem  himmelsgotte  trennt  und  in  ihnen  eine  besondre  gruppe 
der  sonnen-,  sommer-  oder  naturgottheiten  erblickt,  es  bildet 
dies  ein  hauptthema  seiner  abhandlung.  mir  ist  diese  auffassung, 
die  auf  viele  einzelfragen  einfluss  übt,  durch  M.  wahrscheinlich 
geworden,  eine  gegnerschaft  allerdings  zwischen  diesen  Sonnen- 
göttern und  dem  himmelsgott  kann  ich  in  germanischen  qu.ellen 
nirgends  erkennen  :  der  Vanenkrieg  bietet  zu  wenige  vergleichs- 
puncte  mit  dem  kämpf  der  Kroniden  und  Titanen  dar  (s.  273X 
und  Hod  :  Baldr  mOcht  ich  nicht  neben  Zeus  :  Phaethon  stellen 
(s.  274),  sondern  zu  dem  typus  finsternisdämon  :  lichtgott.  auch 
würde  man  nach  der  parallele  Heimdall  :  Loki,  Frey  :  Surt  (Apollo: 
Typhon)  als  gegner  des  Fenri  nicht  sowol  den  T^  (s.  222)  als 
einen  aus  der  Vanengruppe  erwarten,  wenn  es  überhaupt  geraten 
wäre,  in  diesen  einzelheiten  der  epischen  ausgestaltung  eine  na- 
turmythische folgerichtigkeit  zu  suchen. 

Auch  ein  paar  weitre  spuren  des  himmelsgottes  halt  ich  für 
trügerisch,  bei  der  Fomeötes  folme  hat  gewis  JGrimms  hinweis 
auf  die  abgerissene  band  Grendels  (Mylh.  i  199)  den  vorzug  vor 
der  gleichsetzung  mit  der  abgebisseneu  band  T^fs  (s.  224).  die 
beziebung  von  heklumair  auf  den  himmel  ist  abzuweisen,  der 
dunkle  mantel  (über  bidr  vgl.  Arkiv  9,  189)  konnte  nur  auf  die 
wölke  gehn;  und  bei  Siihottr  würd  ich  an  IM.s  stelle  eher  an 
den  petasos  des  windgottes  Hermes  erinnern,  für  die  annähme, 
dass  Wodan  auch  als  herscher  der  totenhalle  einen  altern  abge- 
löst habe,  dürfte  das  s.  266  fr  ausgerührte  nicht  genügen. 

Wenn  M.  Loki  und  Wodan   ebensowenig  wie  Frey  und  ge- 


94  &1UCH    DER    GERMAMSCHE    HIMNELSGOTT 

nossen  als  ausflüsse  des  himmelsgottes  gelten  l<isst  und  s.  251 
bemerkt :  'welchen  anlass  halten  wir,  für  die  urzeit  einen  solchen 
monotheismus  vorauszusetzen?',  so  stimm  ich  ihm  rückhaltlos 
bei.  in  der  tat  trägt  man  bedenken,  da  mit  hyposlasen  zu  operieren, 
wo  die  verglichenen  götterlypen  ihrem  ganzen  poetisch-malerischen 
bilde  nach  so  ungeheuer  verschieden  sind  wie  Loki,  Wodan  und 
der  vorauszusetzende  himmelsgoir.  aus  demselben  gründe  zögert 
man,  die  kerngestalt  des  Thor  aus  dem  Tiu  abzuleiten.  Muchs 
versuch  in  dieser  richlung,  s.  227 ff,  vermag,  bei  vielem  an- 
sprechenden und  geistreichen  im  einzelneu,  nicht  recht  zu  über- 
zeugen, er  geht  davon  aus,  dass  Tlwaz,  der  germanische  Zeus, 
die  blitzwatfe  besafs  (s.  227);  ferner  dass  ^FerhSnaz-Fiorgunn  ein 
beiname  des  himmelsgottes  war  (s.  204  ff.  230).  da  nun  lit. 
Perkünas,  slav.  PerunU^  die  M.  als  entlehnungen  aus  dem  germa- 
nischen fasst,  auf  einen  donnerer  hinweisen,  entsteht  für  M.  die 
frage  (s.  230),  *ob  hier  ein  alter  beiname  des  donnernden  himmels- 
gottes auf  den  neugeschaffenen  selbständigen  donnergott  übertragen 
worden  war,  was  möglich  ist,  oder  ob  die  Goten  letzteren  etwa 
gar  nicht  kannten  und  die  befugnisse  des  Tyr  und  Pörr  noch 
in  einer  band  vereinigt  liefsen'.  beide  annahmen  scheinen  mir 
entlegener  als  die  einfache  gleichstellung  von  *Ferhunaz  und 
*Punraz.  hiermit  liefse  sich  die  bedeutung  ^peraltus',  die  M.  für 
*Ferhunaz  vorschlägt,  wol  vereinigen,  ebenso  die  weibliche  Fiorgyn 
als  mutter  Thors,  —  wogegen  freilich  der  männliche  Fiorgynn 
in  seinem  Verhältnis  zu  Frigg  unklar  bliebe,  darauf,  dass  die 
Goten  den  fünften  Wochentag  nicht  nach  *I^unraz  benannten  (?gl. 
bair.  pfinztag),  wird  M.  selber  kein  gewicht  legen  wollen  (s.  231); 
denn  es  böte  sich  hier  dieselbe  erklärung  dar  wie  bei  dem  schwä- 
bischen aftermcentig  (s.  253)  :  *ist  hier  der  name  eines  besonders 
angesehenen  gottes  mit  absieht  unterdrückt?'  indessen  wissen 
wir  ja  gar  nicht,  ob  die  Goten  neben  dem  ^fünften  tag'  die 
übrigen  Wochentage  nach  den  göttern  benannt  haben. 

Die  abspallung  des  donnerers  vom  himmelsgott,  sagt  M. 
s.  230;  muss  der  erhöhung  des  windgottes  vorausgegangen  sein, 
dies  steht  aber  der  meinung  entgegen,  dass  der  *Mars'  der  Germ, 
c.  9  noch  den  Tiwaz  -{-  den  donnergott  umschlossen  habe  (s.  231), 
weil  Mercurius  hier  schon  als  höchster  auftritt.  —  was  Thors 
waffe  anlangt,  so  lehnt  es  M.  mit  recht  ab,  dass  uns  das  wort 
*hammer'  in  die  Steinzeit  zurückführe,  aber  die  grundbedeutung 
'stein',  vorausgesetzt,  dass  sie  richtig  sei  ^  nötigt  uns  überhaupt 
nicht,  den  hammer  Thors,  den  litterarischen  Zeugnissen  zuwider, 

^  man  beruckslctitige,  dass  an.  hamarr  nicht  'stein'  schlechthin  und 
als  material  bedeutet,  sondern  ^klippe,  felszacke'  u.  ähiii.  (auch  in  dem  ersten 
der  belege  bei  Fritzner  s.  v.).  GVigfüsson  übersetzt  geradezu  *a  hammer- 
shaped  crag,  a  crag  standing  out  like  an  anvil',  indem  er  die  bedeutung 
'malleus'  als  die  ältere  nimmt,  aber  auch  wenn  sie  die  jängere  ist,  kann 
bei  der  benennung  des  gerätes  seine  form  das  bestimmende  gewesen  sein. 


HUCH    DER    GERMAMSCHE    BIHIIELSGOTT  95 

steioerD  zu  denken,  wenn  das  mythische  gerät  erst  aus  einer 
zeit  herrührt,  wo  der  menschliche  hammer  vorwiegend  metallen 
war,  hatte  man  auch  bei  dem  göttlichen  keinen  anlass,  an  stein 
zu  deoken.  M.  glaubt  allerdings,  aufgefundene  Werkzeuge  aus  der 
Steinzeit  —  die  man  bekanntlich  oft  als  blitzsteine  deutete  — 
hätten  die  Vorstellung  von  Thors  hammer  erst  erzeugt,  natür- 
lieber  finde  ich  die  auffassung,  wie  sie  zb.  in  Saxos  worten  Hgt 
(1.  im  p.  630) :  cupiens  enim  antiquitas  tonitruorum  causas  usitata 
rerum  similitudine  comprehendere ,  tnalleos,  quibm  coeli  fragorts 
citri  credebatf  ingenti  aere  complexa  fuerat,  aptissime  tantae  sonori- 
tcUi$  vim  machinarum  fahrilium  specie  imüandam  existimans,  nicht 
der  optische  eindruck  des  blilzes  (s.  231),  sondern  der  akustische 
des  donners  führte  auf  den  hammer,  wie  ja  überhaupt  die  naive 
anschauung  im  douner  nicht  die  unschädliche  begleiterscheinung 
des  blilzes  erfasst. 

M.  vergleicht  sehr  viel  aufsergermanisches,  nicht  nur  bei 
wortverwantschaft,  sondern  auch  bei  inhaltlicher  ähnlichkeit.  von 
der  frühern,  längst  in  miscredit  geratenen  mythenvergleichung 
unterscheidet  sich  das  verfahren  dadurch,  dass  nicht  urverwantschafi, 
soDdern  spätere  Wanderung  angenommen  wird,  bei  der  parallele 
Gefion  :  Dido  erwägt  M.  phönikischen  einfluss,  vermittelt  durch 
die  Kelten  (s.  265).  —  angesichts  der  im  kunslhandwerk  hand- 
greiflichen steten  Verbindung  des  nordens  mit  dem  Süden  ist  es 
klar,  dass  man  sich  nicht  auf  die  zwei  factoren,  urverwantschaft 
und  späte  lilterarische  zufuhr,  beschränken  darf;  es  gibt  ein 
breites  gebiet  zwischeninne.  M.  bringt  diesen  standpunct,  der 
sich  schon  in  verschiedeneu  bezirken  heilsam  geäufsert  hat,  für 
die  germanische  gOttersage  nachdrücklich  zur  geltuug.  wieweit 
die  nahe  Übereinstimmung  zwischen  keltischer  und  germanischer 
religion  stich  hält,  darüber  möcht  ich  mir  kein  urteil  erlauben, 
die  griechische  mythenweit,  so  häufig  sie  von  M.  herangezogen 
wird,  zeigt  gerade  in  der  ausgestaltung  der  grofsen  götter  mehr 
unterschiede  als  gleichheit  —  obwol  man  sichs  auf  dem  boden 
der  neuen  entlehnungstheorie  viel  bequemer  macht  und  das  irgend 
vergleichbare  heraushebt,  ohne  erst  fragen  zu  müssen,  ob  es  wol 
in  die  vorgriechische  zeit  zurückreiche,  wie  ungleich  sind  die 
hauptrollen  verteilt  I  wie  unvollkommen  deckt  sich  ein  einzelner 
germanischer  gott  mit  einem  einzelnen  griechischen!  wird  nicht 
einer  interpretatio  graeca  zuviel  zugemutet,  wenn  M.  aus  dem 
Zeugnis  Herodots  v  7  über  ^Hermes'  bei  den  Thrakern  kurzweg 
folgert  :  Wodan  sei  mutalis  mutandis  bei  den  Thrakern  nachge- 
wiesen (8.268),  Kellen -Germanen -Thraker  hätten  hier  eine  ge- 
meinsame entwicklung  vollzogen  (s.  253)?  man  müste  doch 
wissen,  welche  züge  des  griechischen  Hermes  bei  dem  thrakischen 
gott  widerkehrten. 

Ich  habe  noch  das  allgemeine  bedenken,  dass  M.  das  der 
entlehnung  verdächtige  gut  zu  viel  als  naturmythisch -religiösen, 


96  MUCH   DER   GERMANISCHE   HIUMELSGOTT 

ZU  wenig  als  märcheohaft- novellistischen  Stoff  behandelt  ^  vgl. 
8.  246  ff  :  wegen  der  Ähnlichkeit  Bpdvild :  Athene  soll  die  erst- 
genannte eine  germanische  kriegsgOttin  sein;  s.  217  :  bei  der  be- 
Ziehung  des  einhändigen  T^  zu  dem  keltischen  Nuada,  Nudd  soll 
es  sich  um  einen  ^austausch  heidnischer  religiöser  Vorstellungen' 
handeln,  der  nur  in  urgerroanischer  zeit  in  Deutschland  erfolgt 
sein  könne,  auch  glaub  ich,  dass  M.  in  den  vorliegenden  littera- 
rischen quellen  zu  viel  mythisch-deutbares  sucht  s.  272  soll  der 
tod  Ulfhedins  Fms.  iii  183  in  dem  tode  Freys  ein  gegenstUck 
haben,  in  der  erzählung  der  Völsungasaga  c.  1  von  Liöd  mit 
dem  apfel  werden  andre  ein  roärchenmotiv  sehen,  das  mit  costüm- 
stucken  aus  der  isländischen  mythologischen  aberlieferung  aus- 
staffiert ist :  M.  entwirft  eine  uraltertümliche  grundform  und  ver- 
gleicht KoQfüvLg^  die  mutter  des  Asklepios,  und  eine  phry^ische 
phallische  sage  (s.  275).  der  Stammbaum  Forniöts  (Fas.  n  3),  der 
mir  wie  ein  richtiges  Zerrbild  echt -mythischer  fabel  vorkommt, 
wird  s.  224  auch  wider  zu  einem  kühnen  Schlüsse  benutzt,  die 
deutung  der  germanischen  mythen  ist  hinter  der  der  griechischen 
so  unendlich  im  nachteil,  weil  wir  von  gottesdienstlicher  Über- 
lieferung nur  ärmliche  reste  haben,  die  bildende  kunst  fast  ganz 
mangelt  und  blofs  das  dritte  und  undeutbarste,  die  unterhaltungs- 
litteratur,  reichlicher  vorbanden  ist. 

Da  sich  die  abhandlung  auf  einem  so  viel  bearbeiteten  felde 
bewegt,  kommt  sie  oft  in  die  läge,  bekannte  beweisstücke  und 
hypothesen  kritisch  sichtend  vorzunehmen,  und  in  diesen  teilen 
ligt  nicht  zuletzt  ihr  verdienst,  man  muss  wünschen,  dass  der 
Verf.,  der  im  wesentlichen  als  sprach-  und  mythen  vergleicher 
vorgeht,  auch  fernerhin  sein  ausgebreitetes  wissen  und  seine 
glänzende  combinalionsgabe  der  germanischen  götterlehre  zu  gute 
kommen  lasse  :  die  mehr  in  der  litteraturgeschichte  wurzelnde 
betrachtung  wird  immer  viel  von  ihm  zu  lernen  haben. 
Berlin,  9  october  1899.  Andreas  Heosler. 

Yule  and  Gbristmas.  their  place  in  Ihe  Germanic  year.  by  Alexander  Tille, 
ph.  d.  lecturer  In  German  language  and  literature  in  the  unversity 
of  Glasgow.   London,  David  Nutt,  1899.    218  ss.    4^ 

In  ururzeiten  haben  die  Indogermanen  ein  zweigeteiltem  Jahr 
gehabt,  in  Urzeiten  haben  sie  dann  von  Ägyptern  oder  Seititen 
ein  sechsteiliges  übernommen,  ohne  aber  deswegen  das  urui^tt- 
liche  aufzugeben,  dies,  wenn  ich  den  autor  recht  versteh, d^r 
inhalt  des  1  capitels.  worauf  gründet  sich  nun  die  zweiteilM 
des  ururjahres?  auf  Schraders  schrift  Die  älteste  Zeitteilung  ibf 
idg.  Volkes  (Samml.  gemeinverständl.  wissenscbaftl.  vortr.  xiii  2v|* 
Berlin  1878).  in  desselben  verf.s  Sprachvergleichung  und  urg* 
schichte  (Jena  1883)  s.  58  hätte  T.  bereits  einen  verschämten  rüc.^ 

^  in  stärkstem  gegensatz  dazu  steht  vdLeyen  (Das  märchen  in  de 
göttersagen  der  Edda,  Berlin  1899),  der  zugleich  die  entlehnungen  tu  eii 
ganz  späte  periode  verlegt. 


& 


TILLE    TULE   AND    CHRISTMAS  97 

zag  fiodeD  kO  ,       J(      eine  Unterscheidung  aDgeoommen  wird 

^UDächst  zwischen  dem  schneereichen  winter  und  einer  freund^ 
licheren  Jahreszeit,  die  wider  vielleicht  schon  frühzeitig,  in  einen 
Vorsommer  (lat.  ver^  griech.  €a^  etc.)  und  einen  hauptsommer 
(ahd.  iumar^  altkymr.  Aam,  zend  Aama  :  skrt.  sdmd  halbjahr^) 
geteilt  gedacht  wurde',  factum  ist,  dass  wir  3  jahreszeitennamen 
Qberliefert  haben  :  daraus  auf  eine  Zweiteilung  zu  schliefsen,  ist 
kühn  (s.  Schmidt  Urheimat  d.  Idg.  22  ff),  ich  möchte  auch  nicht 
auf  eine  dreiteilung  schliefsen,  obwol  sie  möglich  ist,  so  gut  wie 
eine  zwei-  oder  vierteilung,  wenn  die  vierte  Jahreszeit  etwa  in 
jedem  gau  des  Indogermanenlandes  einen  andern  namen  führte, 
'dann  müste  man  auch  aus  dem  fehlen  einer  gemeinidg.  bezeich- 
nung  der  milch  folgern,  dass  <  alten  Idg.  nicht  mit  muttermilch 
gesäugt  wurden'  (Kretschmer  E  ni.  in  d.gesch.  d.griech.  spräche  68). 
so  steht  die  ururzeitliche  zweit<  ilung  auf  schwanken  fttfsen.  wie  ver- 
hält es  sich  nun  mit  der  in  der  urzeit  entlehnten  sechsteilung?  sie 
soll  bewiesen  werden:  1)  durch  die  altindische  Jahresteilung;  diese  ist 
aber  gewis  nicht  altertümlichei  als  etwa  die  6  Jahreszeiten  des  Thu- 
kydides  (s.  Unger  in  Müllers  handb.  d.  class.  altertumswissenschaft 
I  562)  :  schon  Schrader  hat  in  erstgenannter  schrift  (s.  22)  darauf 
hingewiesen,  dass  der  Rigveda  aur  4  Jahreszeiten  kennt.  2)  durch 
die  germanische,  hier  wird  e  sechsteilung  erschlossen  aus  der 
ungeschickten  Verdeutschung  je  zweier  (aber  auch  dreier I)  römi- 
scher monatsnamen  durch  einen  deutschen  :  überliefert  ist  die 
sechsteilung  in  alter  zeit  nirgends,  da  haben  wir  wol  auch  auf 
ein  doppeltagsystem  in  der  woche  zu  schliefsen,  weil  Sonnabend 
und  Sonntag  im  gründe  den  gleichen  namen  führen  und  auf  ein- 
ander folgen,  und  dienstag  im  Augsburgischen  a/]r«rm^n;t(7  heifst^? 
vor  der  annähme  der  Grimmschen  Zusammenstellung  von  juleis  etc. 
mit  dem  cyprischen  iovXalog  hätte  T.  schon  das  ags.  geohhoU 
das  doch  nicht  davon  zu  trennen  ist,  bewahren  sollen,  da  es  auf 
hw ,  gw  im  inlaut  weist  (Zupitza  Die  german.  gutturalen  s.  64). 
die  andern  von  ßeda  überlieferten  ags.  monatsnamen  will  er 
ebenfalls  aus  einer  nicht-arischen  spräche  herleiten:  es  ist  ihm 
aber  wol  selbst  nicht  ernst  damit,  denn  er  gibt  durchaus  keinen 
fingerzeig,  wie  er  das  anfangen  will,  aus  der  Zweiteilung  und 
der  sechsteilung  soll  sich  nun  eine  dreiteilung  (in  drei  grofs- 
hunderte  von  tagen)  auf  unbekanntem  wege  entwickelt,  alle  drei 
jabreinteilungen  aber  immerwährend  noch  nebeneinander  exi- 
stiert haben,  auch  diese  letzte  entwicklung  muss  wol  noch  in 
vorgeschichtlicher  zeit  stattgefunden  haben,  da  Griechen  und 
Germanen  sie  teilen,  was  nun  die  Griechen  anlangt,  so  haben 
diese,  wie  mir  scheint,  immer  4  Jahreszeiten  gehabt,  die  zu 
Homers  Zeiten  noch  ungleiche  Zeiträume  bezeichneten,  was  später 

[»  vgl.  indessen  die  2  aufl.  (1890)  s.  436.    E.  Sch] 
'  Kluge  Etym.wb.^  367  gibt  an  skr.  «aiTi^  jähr;  genau  zu  «timar  stimmt  das 
firmen,  amam,  gen.  amar-an  (Brugmann  Grundr.  i^  §  232).         ^  Kluge  aao.  77. 


98  TILLE    TULE    AND    CHRrSTMAS 

als  slürend  emprunden  wurde,  so  dass  sich  aus  seiner  onwga^ 
die  schon  ende  Juli  begann,  die  unserem  herbst  entsprechenden 
f^BTonwQov  und  q>d'Lv6n(jjQov  entwickelten,  der  name  OTiciga 
sieht  ja  treilich  nicht  sehr  alt  aus,  aber  ebenso  w.enig  ist  ^igog 
für  den  sommer  alt  und  doch  der  begriff  schon  gemeiniodo- 
germanisch,  wie  von  keiner  seite  geleugnet  wird,  mehr  schein 
hat  die  dreiteilung  des  Jahres  bei  den  Germanen.  Tacitus  be- 
richtet, die  Germanen  (dh.  die  Germanen^  von  denea  ihm  sein 
gewährsmanu  nachricht  gab)  hätten  keinen  namen  für  den  herbst 
gekannt,  ich  sehe  keinen  grund  an  dieser  angäbe  zu  zweifeln, 
daraus  schliefst  er,  dass  sie  auch  den  begriff  nicht  gehabt  haben, 
und  T.  folgt  ihm  darin,  was  er  zur  Unterstützung  vorbringt,  ist 
aber  schwach  :  es  hätte  nur  3  Volksversammlungen  (und  damit 
im  Zusammenhang  3  mret-  und  zinstermine)  im  jähr  gegeben  — 
ja,  wo  steht  denn,  dass  in  jeder  Jahreszeit  eine  gehalten  werden 
muste?  und  der  schluss  des  Tacitus  ist  wol  naheliegend,  aber 
durchaus  nicht  berechtigt :  nach  verschiedenen  analogien  kann  ich 
mir  sehr  wol  denken,  dass  seine  Germanen  3  Jahreszeiten  mit 
namen  bezeichneten,  die  vierte  aber  nur  ^von  mittsommer  bei 
Wintersanfang'  benannten,  die  Norweger  hatten  nur  für  4  monate 
eigentliche  namen,  dann  zählten  sie  weiter  :  1  und  2  frühling-, 
1  und  2  sommer-,  1  und  2  herbst-^  1  und  2  wintermonate. 
mischung  von  benamung  und  namenlosigkeit  bei  einteilungen 
kommt  mir  durchaus  nicht  unwahrscheinlich  vor.  wo  ich  hin- 
sehe, find  ich  eigentlich  nichts  als  unsere  4  Jahreszeiten,  meist 
mit  stärkerer  betonung  zweier  darunter,  der  heifsen  und  der  kalten, 
was  auch  unserem  modernen  gefühl  nicht  widerspricht. 

So  steht  dieses  erste  capitel  in  der  lufl  und  mit  ihm  die 
andern,  die  darauf  gebaut  sind,  das  altgermanische  jähr  werden 
wir  uns  wol  nach  Bilfingers  bezeichnung  (Untersuchungen  fuber 
die  Zeilrechnung  der  allen  Germanen  i.  Das  an.  jähr.  Stuttgart 
1899)  als  ein  'naturjahr  mit  mondmonaten'  vorzustellen  haben, 
ob  es  einen  auf  den  tag  bestimmten  anfang  hatte,  ist  mir  ganz 
zweifelhaft :  man  rechnete  wol  vom  eintritt  der  kalten  Jahreszeit 
bis  zum  widereintrilt  derselben,  die  monateinteilung  ist  davon 
nur  insofern  abhängig,  als  man  mit  dem  nach  beginn  des  neuen 
Jahres  fallenden  neumond  dieselben  frisch  zu  zählen  beginnt,  doch 
muss  der  Jahresanfang  nicht  auf  einen  neumond  fallen  und  kann 
die  zahl  der  monate  innerhalb  eines  Jahres  zwischen  12  und  13 
schwanken,  aufserdem  geht  T.  von  der  falschen  Voraussetzung 
aus,  dass  die  Germanen  'purely  nomadic  cattle-keeping  tribes'  ge- 
wesen seien  'at  the  dawn  of  history',  eine  Voraussetzung,  die  mir 
durch  Muchs  aufsatz  'Waren  die  Germanen  wanderhirten  ?'  (Zs.  36, 
97  IT)  endgültig  abgetan  scheint,  ja  die  wol  nicht  einmal  für  die 
Indogermanen  zutrifft,  da  die  alte  anschauung,  als  wäre  die  aus- 
schliefsliche  Viehzucht  ein  notwendiges  vorstadium  des  ackerbaues, 
doch   einmal  aufgegeben  werden  sollte  (vgl.  Grofse  Die  formen 


TILLE    TULE   ADD    CHRISTMAS  99 

der  familie  s.  29,  Bücher  Die  iivirlschaft  der  naturvölker  s.  8fT). 
die  deutUDg  eines  einzelnen  calenders  aus  dem  14  jh.,  wie  des 
von  T.  s.  21  angeführten  Xanteuer,  kann  natürlich  nicht  ohne 
genaue  erforschung  des  ganzen  zugehörigen  materials  in  der  ge- 
wissenhaften weise  Bilfingers  gegeben  werden;  doch  zeigen  schon 
die  daten  11  nov.,  13  Jan.,  17  m!lrz,  12  roai,  12  Juli,  17  sept., 
dass  wir  es  mit  einem  durchaus  christlichen  calender  zu  tun  haben, 
der  den  Wintersanfang  (und  damit  allerdings  nach  volkstümlicher 
weise  den  Jahresanfang)  auf  den  Martinstag  festgelegt  hatte,  dann 
aber  nach  der  doch  natürlich  nicht  germanischen  7  tägigeu  woche 
weiter  rechnete:  denn  zuerst  kommen  2x9  wochen,  dann  2X8 
Wochen  mit  einem  sumarauki  von  5  tagen,  die  setzung  des  17  Sep- 
tembers als  grenzscheide  zwischen  den  beiden  übrigen  abschnitten 
erklärt  sich  wol  am  leichtesten  dadurch,  dass  in  dem  jähre,  für 
das  der  calender  bestimmt  war,  der  herbstquatember  (di.  der 
mittwoch  nach  kreuzerhöhung)  wie  in  den  jähren  1315  und  1326 
innerhalb  des  14  jhs.  (Grotefend  Handb.  d.  bist.  Chronologie  s.  123) 
eben  auf  diesen  tag  fiel,  worauf  die  sechsteilung  dieses  Jahres  beruht, 
vermag  ich  nicht  zu  sagen;  jedesfalls  haben  wir  in  einem  solchen 
späten,  complicierten,  durchaus  christlichen  calender  nichts  be- 
sonders ursprüngliches  zu  suchen. 

Die  deutung  des  von  Tacitus  Ann.  i  50  erwähnten  festes  der 
Marsi  auf  das  winteranfangsfest  (s.  24  ff)  geht  von  der  Voraus- 
setzung aus,  dass  die  Germanen  nur  jahreszeitenfeste  gekannt 
hätten;  richtiger  ist  es  wol  (vgl.  EHMeyer  Germ,  mythol.  288, 
MüUenhofT  Zs.  23,  24 IT)  auf  das  fest  der  gleich  nachher  erwähnten 
göttin  Tanfana  gedeutet  worden,  die  erste  erwähnung  des  Martins- 
festes bringt  vielmehr  das  concil  von  Auxerre  (573 — 603;  vgl. 
Gröber  Zur  Volkskunde  aus  concilieubeschlüssen  und  capitularien. 
KWeinhold  zum  26  october  1893,  nr  4.  5.  18),  welches  allerhand 
abergläubische  gebrauche  an  den  Vorabenden  der  heiligentage, 
besonders  aber  des  Martinstags,  ebenso  wie  (can.  i)  die  am  neujahrs- 
tage,  und  so  wie  (can.  xi)  die  schmausereien  in  der  Weihnacht 
und  osternacht  untersagt,  daraus  ist  nichts  zu  schliefsen,  als 
dass  Martin  ein  in  dieser  diöcese  besonders  hoch  verehrter  heiliger 
war.  dass  diese  Verehrung  später  nicht  auf  Südfrankreich  be- 
schränkt blieb,  wissen  wir  allerdings,  wann  in  einer  gemeinde 
geschlachtet  wurde,  hieng  natürlich  vor  allem  von  wirtschaftlichen 
gründen  ab  :  jede  solche  allgemeine  Schlachtung  wurde  aber  als 
ein  fest  begangen,  und  ein  teil  des  geschlachteten  gehörte  den 
göttern.  so  erklärt  es  sich,  dass  die  Schlachtfeste  und  mit  ihnen 
die  opferfeste  auf  verschiedene  daten  fallen,  dass  in  England  der 
hUtmönath  der  november,  in  Schweden  der  october  ist,  ebenso 
wie  in  Island  der  gormanadr^  während  in  Deutschland  der  schlackt- 
mant  da  und  dort  bis  zum  december  herunterrückt  (vgl.  Jahn 
Die  deutschen  opfergebräucbe  251  f).  aber  das  datum  der  Schlacht- 
feste  ist  gewis   nicht    von   cultlichen  erwägungeu,  sondern   von 


100  TILLE   YDLE    AND    CHRISTMAS 

ökonomischen  bestimmt  und  der  cullus  umgekehrt  {eitlich  von 
ihnen  abhängig,  wie  ja  T.  selbst  (s.  64fr.  72)  sehr  hOhsch  an- 
führt, das  hat  ursprünglich  wol  weder  etwas  mit  einem  auf  den 
tag  fixierten  Wintersanfang  noch  mit  Martinstag  zu  tun,  hat  aber 
natürlich  in  jenen  gegenden^  wo  das  grofse  schlachten  mitte 
november  stall  fand,  auf  die  art  der  festlichkeiten  des  Martinstags 
eingewürkt.  ebenso  sind  auf  dasselbe  die  ursprünglich  gewig  auch 
nicht  auf  einen  tag  fixierten,  nach  beendung  der  Wintersaat  zur 
abwehr  der  dämonen  (kaum  zur  Verehrung  der  gOtter)  angezün- 
deten feuer  verlegt  worden. 

Ob  diese  Verschiebung  der  Wintersaat-  und  der  schlachtfest- 
bräuche  der  festsetzung  des  ehemals  wandelbaren  winter-  und 
Jahresanfangs  durch  die  kirche  auf  Martini  vorangegangen  oder 
nachgefolgt  sind,  wüste  ich  nicht  zu  sagen,  aber  durch  die 
kirche  ist  es  natürlich  geschehen,  und  die  Westgoten  haben  es 
durchaus  nicht,  wie  T.  (s.  36)  meint,  nach  Spanien  mitgebracht, 
sondern  aus  Südfrankreich  aus  erster  band  empfangen,  dass  der 
tag-  und  nachtgleiche  bei  der  bisherigen  speculation  über  den 
germanischen  calender  ein  zu  breiter  Spielraum  gelassen  wurde, 
glaub  ich  T.  gerne;  dass  aber  dieser  begriff  den  Germanen  erst 
aus  den  gelehrten  kreisen  zugänglich  gemacht  wurde,  scheint  mir 
unglaublich  :  dagegen  spricht  schon  der  jedesfalls  sehr  alte,  mit 
einem  kaum  belegten  simplex  componierte  ausdruck  sungiht^  welcher 
ebenso  wie  sunnewende  keinesfalls  blofs  Übersetzung  von  solstüium 
ist,  da  dieser  das  stillstehen,  jene  ausdrücke  aber  das  sich-wider- 
in-bewegung-setzen  der  sonne  bezeichnen,  da  auch  wende  hier 
nicht  die  änderung,  sondern  das  einschlagen  einer  richtung  meint, 
und  dän.  solhverv  heifst  natürlich  das  gleiche  und  nicht  Hhrowing 
of  Ihe  sun'  (s.  75). 

Welche  gründe  die  katholische  kirche  bewogen,  gewisse  fest- 
liche gebrauche  und  schliefslich  das  fest  allerheiligen  in  den  anfang 
des  november  zu  verlegen,  kann  hier  nicht  untersucht  werden: 
doch  sind  die  beschlösse  südfranzOsischer  synoden  und  römischer 
päpste  wenigstens  kein  voller  beweis  für  das  basieren  auf  germ. 
cult,  da  die  anknüpfung  an  antike  brauche,  über  die  wir  ja  leider  nur 
sehr  fragmentarisch  unterrichlet  sind,  mindestens  ebenso  nahe  läge. 

Das  dogma  vom  ursprünglichen  monoiheismus  der  Germanen, 
zu  dem  sich  auch  T.  (s.  77)  bekennt,  fängt  an  gefährliche  dimen- 
sionen  anzunehmen,  spukt  nicht  noch  die  alte  Vorstellung  da- 
hinter, dass  die  ersten  menschen  furchtbar  gescheit  gewesen  sind, 
so  gescheit  wie  wir  selbst,  dass  sie  dann  degeneriertea,  bis  die 
Offenbarung  sie  endlich  wider  emporhob?  halb  schüchtern  wird 
ein  weibliches  princip  neben  dem  männlichen  zugegeben,  am 
consequentesten  hat  Mogk  diese  lehre  ausgebildet  :  alle  götter 
sollen  hypostdsen  des  einen  Tiwaz  sein,  gerade  diese  consequenz 
der  durchführung  wird  mit  der  zeit  wol  manchen  die  äugen  dar- 
über öffnen,  dass  man  hier  ^auf  einer  schiefen  ebene  unaufhaltsam 


TILLE   YÜLE   AKD    CHRISTMAS  101 

hinabgleite'  (Usener  GötternanieD  275  f).  so  ist  schon  Much 
stutzig  geworden,  ohne  aber  von  dem  princip  sich  lösen  zu  können : 
er  hat  nur  (Der  germanische  himroelsgott.  Abh.  z.  germ.  philol. 
festgabe  f.  Rfleinzel  s.  189  iT)  für  eine  gruppe  von  göttern»  bei 
denen  die  hypostasenmethode  allzu  auffällig  ins  unwegsame  ftlhrte, 
entlehnung  von  den  Semiten  angenommen  i.  aber  so  kommt 
man  nicht  weiter :  man  muss  mit  dem  princip  brechen,  wenn 
selbst  Tiwaz  der  einzige  überlieferte  name  ist^  so  muss  es  darum 
nidit  der  einzige  überlieferte  gott  sein,  ebenso  leicht  wie  in 
urgermanischer  nehm  ich  in  indogermanischer  zeit  hypostasen 
an.  eines  der  idg.  Völker  mag  den  eigentlichen  namen,  alle 
andern  nur  die  beinamen  des  gottes  erhalten  haben,  ebenso  wie 
nur  die  Skandinavier  uns  den  alten  namen  des  frühhngs  bewahrt, 
die  andern  Germanen  ihn  durch  eine  neubildung  ersetzt  haben. 
80  könnten  Indra  und  Thonaraz  (ich  will  es  damit  nicht  gerade 
von  diesen  beiden  behaupten)  schon  einen  idg.  besondern  donner- 
gott  repräsentieren,  andere  götter  haben  sich  wieder  sicher  nicht 
aus  hypostasen  eines  gottes  entwickelt,  sondern  sind  aus  der 
namenlosen  menge  der  dämonenheere  aufgetaucht,  wie  etwa  die 
hebräischen  Aschmedai  und  Lilith  aus  der  nicht  unterschiedenen 
masse  der  Schedim.  nicht  anders  scheint  mir  der  führer  des  seelen- 
heeres,  Wöd-anaz  (*der  wutschnaubende*  oder  ^geisthauchende'), 
wozu  ein  altes  hypokoristikon  im  deutschen  Wöde^  Wuote  erhalten 
ist,  zuerst  zu  einem  namen,  dann  zu  götthcher  Verehrung  ge- 
kommen zu  sein,  aus  der  menge  der  holden  hat  sich  ebenso 
die  eine  Holda  als  führerin  hervorgehoben,  die  in  den  verschie- 
denen gegenden  Deutschlands  verschiedene  namen  hat,  die  man 
mit  vergeblicher  mühe  alle  auf  Frija  zurückleiten  will,  was 
verlangt  man  mehr  zum  nach  weis,  dass  wir  nicht  weniger 
sondern  mehr  götter,  je  weiter  wir  zurückgehn,  anzusetzen  haben, 
als  die  talsache,  dass  zwei  als  die  ältesten  überlieferten  götternamen,' 
sich  später  nur  mehr  als  beinamen  Freys  und  Odins  nachweisen 

^  die  äbniichkeiten  gehn  wol  weiter,  als  er  selbst  annimmt :  nicht  nar 
Freyr  ist  gleich  Baal,  Freya  s=r  Baaltis,  sondern  auch  Baldr,  der  durch 
seinen  bruder  Fdli^  di.  der  kleine  Vane,  als  zugehörig  erwiesen  wird,  ist 
gleich  Moloch  'könig',  oder  Adojiis  Mierr*.  Niordr,  Aerthus,  wenn  wir  sie 
zu  gall.  neriot  *krafi'  stellen  dürfen,  haben  ihre  entsprechung  in  semit.  ^/, 
das  als  *der  starke'  gedeutet  wird  (s.  Marti  Gesch.  d.  Israel,  religion  s.  25). 
die  vanir  sind  wol  nichts  als  die  bewohnen,  die  landtasttir  eines  in  besitz 
genommenen,  freundlichen  landslriches  (wobei  man  auch  mit  dem  begriff 
des  zeitweiligen  aufenthalts  auskommt,  wenn  man,  wie  Kraus  meint,  den 
begriff  von  wonen  gegen  büwen  urgieren  muste).  auch  sie  haben  ihre  se- 
mitische parallele  :  'die  göttlichen  mächte  waren  nicht  von  einander  zu  unter- 
scheiden, und  elöhim  bezeichnete  wol  die  summe  der  göttlichen  wesen,  die 
an  einem  orte  hausten*  (Marti  aao.  s.  26).  die  vanir  fliefsen  mit  den  dlfar 
und  diese  mit  den  seelen  zusammen,  wie  auch  i  Sam.  28,  13  das  gespenst 
elöhim  heifst  alle  diese  ähnlichkeiten  scheinen  mir  aber  so  in  der  nator 
der  Sache  zu  liegen,  dass  sie  die  annähme  einer  entlehnung  nicht  genügend 
begröoden.  ^  Kretschmer  aao.  78  hat  allzu  bereitwillig  Bremers  zweifel 

geteilt;  vgl.  Kögel  Gesch  d.  deutschen  litt,  i  14  anm. 


102  TILLE   TCLE   A?(D    CHBISTMAS 

lassen  :  Yngvi  und  Jormunrl  wer  würde  der  abgeblassteu  Hlöiyn 
eineo  cult  zutraim,  wenn  nicht  die  sicher  zugehörige  Eludana 
dafür  zeugte?  wer  nicht  Fxdla  für  eine  spate  erflndung  halten, 
wenn  der  Merseburger  spruch  uns  zufällig  verloren  wäre?  Thrymr 
steht  neben  Thorr  nicht  anders  als  Hyperion  neben  Helios,  als 
Älexikakos  neben  Apollo,  die  allitteration  mit  Vöienn  zeigt,  dass 
Vile  und  Ve  wenigstens  nicht  gar  zu  spät  sein  können,  spätestens 
ins  8  jh.  fallen  müssen ,  wenn  Noreen  Aisl.  gramm.*  §  228  mit 
seiner  datierung  recht  hat.  was  macht  man  sich  für  unnütze  not 
mit  den  versuchen  der  idenlification  aller  von  Schriftstellern  und 
inschrifien  überlieferten  allgermanischen  gOtternamen  mit  denen 
der  Edda,  statt  sie  frischweg  als  das  gelten  zu  lassen,  als  was 
sie  sich  geben,  als  besondere  gütterl  ich  leugne  durchaus  nicht, 
dass  hyposiasen  vorgekommen  sind,  aber  ich  mochte  der  mythen- 
bildenden Phantasie  auch  der  späteren  zeit  nur  ihr  recht  gewahrt 
wissen,  dass  sie  ohne  anlehnung  an  einen  grofsen  gott  aus  sich 
heraus  nun  kleinere  götier  schaffen  konnte,  so  sind  Seaxneat, 
Geseeg,  Ändsecg,  Soeppa,  Sigefugel,  Heica  und  Bedeca  (MüllenhotT 
Beowülf  s.  7  anm.)  durchaus  nicht  hypostasen  des  kriegsgottes 
sondern  ostsächsische  ^sondergötter',  an  denen  Usener  seine  freude 
haben  könnte,  auf  'die  zahllosen  heiti  Odins'  hat  schon  RMMeyer 
Anz.  XXIII  104  hingewiesen,  auch  die  ags.  monatsgöttinnen  Bedas 
möcht  ich  nicht  deswegen  von  der  band  weisen,  weil  ihre  nameo 
aus  den  mouaten  abstrahiert  scheinen,  und  was  für  die  spätere 
zeit  galt,  hat  für  die  frühere  eher  in  erhöhtem  mafse  zu  gelten, 
darum  glaub  ich  durchaus  nicht  mit  T.  aao.,  dass  der  germa- 
nische gölterhimmel  so  arm  war,  dass  man  bei  der  Übersetzung 
der  uochentagsgötter  nicht  einmal  einen  ersatz  für  Satumus  fand, 
das  beweist  nur,  dass  es  keine  interpretatio  romana  gab,  die 
irgend  einen  deutschen  gott  durch  Satumus  widergegeben  hätte. 
der  germanische  götlerhimmel  war  vielmehr  so  reich,  dass  ein 
wochentagsgott  Mars  in  3  verschiedenen  gegenden  durch  je  einen 
besonderen  götternamen  interpretiert  werden  konnte  (Ztu,  Thinxtis^ 
und  Er),  von  denen  freilich  der  erste  das  weiteste  Verbreitungs- 
gebiet halte,  ohne  dass  aber  deshalb  die  beiden  andern  sich  als 
blofse  hyposiasen  erweisen  liefsen.  wie  die  interpretatio  romana 
schwankte,  ehe  sie  eben  durch  die  wochentagsnamen  fixiert  wurde, 
zeigt  uns  ja  am  besien  der  Hercules^  der  bei  Tacitus  für  Donar 
eintrilt.     also   von   dem  standpunct  aus   könnten   die  Germanen 

*  das  ist  sicher  nichls  als  ein  golt  des  dingfriedens,  deu  mit  Mars  za 
identificieren  -die  Römer  durch  sein  symbol,  den  speer,  veranlasst  sein  mochten, 
dingversammlung  und  heeresversammlung  fallen  vielfach,  aber  doch  nicht 
ganz  zusammen,  insofern  als  an  ersterer  auch  die  nichl  mehr  waffenfähigen 
greise  teilnehmen,  in  dem  Tustingso,  das  Hühner  (Scherer  Kl.  sehr,  i  535) 
als  fehler  für  Tiwo  Thingso  fassen  wölke,  könnte  man  einen  dem  ThinxuM 
entgegengesetzten  'sondergott'  (vgl.  got.  tuz,  ahd.  zur)  der  dincslele  sehn, 
dem  man  so  gut  altäre  errichten  mochte,  wie  die  Griechen  dem  06ßos  (Usener 
aao.  369)  opfer  brachten. 


TILLE   YÜLE   AND    CHRrSTMAS  103 

sehr  woi  einen  sonneudienst  gehabt  haben,  den  T.  leugnet  und 
auf  den  allerdings  aufser  der  nachrichl  Cflsars  sonst  wenig  weist 
(vgl.  Meyer  Germ.  myth.  §  21.  24.  25.  349.  375.  376). 

Consequenterweise  hält  T.  (s.  82)  den  begriff  des  monats  für 
durchaus  nicht  indogermanisch,  den  Germanen  insbesondre  erst 
durch  die  Rümer  vermittelt,  er  macht  sich  den  beweis  einfach, 
indem  er  die  vorsichtige  ausdrucksweise  einzelner  forscher,  mit 
der  sie  sich  für  die  altidg.  herkunft  dieser  monatseinteilung  aus- 
sprachen, als  ein  indicium  gegen  dieselbe  verwendet.  Kluge  (Er. 
wb.*  272)  aber  hat  aus  guten  gründen  das  'vielleicht',  mit  dem 
er  früher  (Et.  wb.^  260)  die  behauptung  altidg.  herkunft  ein- 
schränkte, weggelassen,  Franck  (Et.  woordeuboek  603)  hatte  sie 
sofort  'bepaald'  behauptet,  es  wäre  ein  merkwürdiger  zufall,  wenn 
unabhängig  von  einander  die  verschiedenen  idg.  Völker  darauf  ge- 
kommen wären,  den  durch  lauf  und  gestalt  des  planeten  ge- 
messenen Zeitraum  einfach  durch  den  namen  dieses  planeten  zu 
bezeichnen,  bezeichnet  man  doch  auch  das  jähr  nicht  mit  'sonne', 
deo  tag  höchstens  in  gehobener  spräche,  wo  auch  lat.  luna,  franz. 
lune  ab  und  zu  vorkommt,  eine  Übersetzung  des  lat.  mensis  ist 
aber  menö{p)  gewis  nicht. 

Ich  will  nicht  weiter  fortfahren,  die  unbegründeten  hypo- 
thesen  T.s  zu  bekämpfen,  eigentlich  sind  sie  auch  gar  nicht  die 
hauptsache  in  seinem  buch,  aber  so  pompös  vorgetragen,  dass 
mau  sie  leicht  für  die  hauptsache  halten  könnte,  den  kern  seiner 
arbeit  halt  ich  für  gesund,  er  hat,  wie  mir  scheint,  mit  guten 
gründen  die  meinung  erschüttert,  dass  die  gebrauche  um  martini 
erst  von  michaelis,  das  als  eigentlicher  Winteranfang  zu  gelten 
habe,  übertragen  seien,  hat  sehr  plausibel  gemacht,  dass  Beda  nur 
von  dem  jähr  seiner  christlichen  mitbürger  spricht  und  nicht  als 
zeuge  für  ein  heidnisches  julfest  geführt  werden  kanu,  und  dass 
begriff  und  name  der  zwölften  dem  kirchlichen  dodekahemeron 
entspringt,  er  hat  die  annähme  eines  altgermanischen  winiei- 
sonnenwendefestes  als  unbegründete  behauptung  erwiesen,  und 
die  gebrauche  um  jene  zeit  überzeugend  aus  den  antiken  der 
Satnmalia,  Brumalia  (vielleicht  auch  der  Matronaliä),  strenae,  ta- 
bulae  Fortunae  hergeleitet,  ohne  zu  verkennen,  dass  allerhand 
deutscher  aberglaube,  der  zu  den  verschiedensten  Zeiten  des  Jahres 
prakticiert  wurde^  damit  verschmolzen  ist.  über  einzelnes  will 
ich  mit  ihm  nicht  rechten,  er  hat  sich  durch  Weinholds  Vorwurf 
(Zs.  d.  ver.  f.  volksk.  4,  100),  er  'hätte  manchen  irrtum  vermei- 
den können,  wenn  er  über  die  deutsche  jahrteilung  die  richtige 
ansieht  hätte',  verleiten  lassen,  diese  ansieht  zur  stütze  eines  altern 
buches  beweisen  zu  wollen,  das  war  nicht  nötig  und  hat  nur  ge- 
schadet, indem  es  schuld  trägt,  dass  das  lob  seiner  arbeit  hinter  dem 
tadel  zurücktreten  muss.  die  aufsenwerke  haben  die  probe  nicht 
bestanden,  die  eigentliche  festung  aber  scheint  mir  solid  gebaut. 
Bern,   14  november  1899.  S.  Siwger. 


104      KRAUS   HEIKRICH    VON   VELDEKE   U.    D.   UHD.    DICHTBR8PRACHE 

HeiDrich  von  Veldeke  und  die  mittelhochdeutsche  dichtersprache.  vod  Carl 
Kraus,  mit  einem  excurs  von  Edw.  Schröder.  Halle,  Niemeyer,  1899. 
XV  und  189  88.  8®.  —  4  m. 

Das  problem  der  spräche  Veldekes,  die  sowol  fürs  hd.  wie 
fürs  ud.  in  ansprucb  geuommen  werden  konnte,  hat  einen  unserer 
tüchtigsten  jungem  philologen  seit  jähren  von  neuem  beschanigt. 
seine  ansieht,  die  bereits  vor  zwei  jähren  auf  der  Dresdner 
pbilologenversammlung  den  t'achgenossen  bekannt  geworden  war, 
ligt  jetzt  ausrührlich  begründet  vor.  während  Braune  und  Be- 
haghel  beim  versuch,  Veldekes  spräche  als  rein  niederländisch  oder 
maastrichtisch  zu  erweisen,  auf  Schwierigkeiten  gestofsen  waren, 
die  sie  mit  annahmen  ad  hoc  umgehn  muslen,  gelangt  die  neue 
Untersuchung  unter  vorsichtiger  erwägung  der  tatsachen  zu  dem 
ergebnis,  dass  die  spräche  eben  nicht  rein  maastrichtsch  sein 
könne.  Kraus  sucht  zu  erweisen,  dass  das  streben  des  dichters 
in  der  Eneide  Mn  erster  linie  darauf  gerichtet  war,  reimwOrter 
zu  verwenden,  die  sich  ins  hd.  übertragen  liefsen,  ohne  dass  die 
reinheit  des  reims  darunter  zu  leiden  brauchte',  ein  streben,  das 
aber  durch  die  reimnot  und  die  beschränkte  kenntnis  des  dichters 
von  dem  was  im  hd.  als  dialektisch  erscheinen  muste,  in  ge- 
wissen grenzen  gehalten,  auch  durch  Stimmungen  und  gelegent- 
liche Unaufmerksamkeit  beeinträchtigt  wurde,  das  gleiche  gilt 
auch  schon  für  Veldekes  andres  grOfseres  gedieht,  den  altem 
(s.  166  anm.)  Servalius,  wenn  auch  hier  das  mundartliche  in  noch 
etwas  stärkerem  grade  anerkannt  werden  muss.  dagegen  hat  V. 
seine  lieder  in  reinem  nl.' gedichtet. 

Die  überaus  gründliche  arbeit  ist  von  einem  mangel  geschä- 
digt worden,  dessentwegen  man  dem  einzelnen  kaum  einen  Vor- 
wurf machen  kann,  die  deutsche  philologie  ist  ja  gewohnt,  an 
der  nl.  grenze  ganz  schroff  halt  zu  machen,  auch  das  gebiet  des 
mnd.  und  selbst  des  alts.  würdigt  sie  nicht  wie  es  sich  gehörte, 
und  auch  die  erkenntnis,  dass  eine  menge  von  sprachlichen  und 
andern  culturbeziehungen  zwischen  den  verschiedenen  gebieten 
hin  uud  her  gehn,  hat  vorläufig  noch  wenig  abhilfe  gebracht. 
K.  hat  sich  darauf  beschränkt,  stücke  von  10  mnl.  dichtungen 
zu  vergleichen,  um  die  heimatssprache  Veldekes  festzustellen,  und 
daneben,  wie  es  scheint,  recht  spärlich,  oder  auch  nachträglich, 
vHeltens  Mnl.  spraakkunst  und  Kerns  einleitung  zu  den  Lim- 
burgiscben  sermoenen  benutzt,  von  den  texten  ist  die  hälfie 
flämisch,  und  von  den  übrigen  kommt  nur  einer,  die  Christina, 
einigermafsen  landschaftlich  in  Veldekes  nähe,  das  ist  so,  als  ob 
einer  durch  ein  kleines  fenster  in  einer  dicken  mauer  in  eine 
landschaft  hinausschaute;  und  ich  habe  das  gefühl,  als  müste  ich 
ihn  an  die  offne  tür  leiten  und  ihn  freundlichst  einladen,  doch 
ins  freie  hinaus  zu  treten,  ich  glaube  K.  gerne,  dass  er  sich 
von  der  dUrftigkeit  der  ihm  zu  geböte  stehnden  hilfsmittei  über- 
all beengt  gefühlt  hat.    aber  ich  meine,  in  den  jähren,  in  denen 


SRAUS   HEIMRICH    VON    VELDEKE    U.    D.    MHD.   DICHTBRSPRAGBE       105 

er  dem  problem  oblag,  hätte  er  dem  mangel  doch  wol  abhelfen 
kOnneD  und  abhelfen  müssen  bei  der  Wichtigkeit,  die  die  sache 
beansprucht  1.  er  ist  weit  von  der  richtigen  Vorstellung  entfernt, 
wenn  er  nicht  nur  den  durchschnitt  aus  jenen  10  mnl.  texten 
im  gro&en  und  ganzen  auch  für  Veidekes  heimatssprache  nimmt, 
sondern  auch  im  einzelfalle  einen  reim,  den  andre  nl.  dichter 
gebrauchen,  ohne  weiteres,  und  ganz  ausdrücklich  mit  dieser  be- 
grOndung  für  V.  als  rein  ansieht  (prät.  hiU:9chiÜ  ^scutum',  s.  106). 
wol  in  den  meisten  fallen,  in  denen  K.  nachweist,  dass  V.  einen 
reim  nicht  gebrauchte,  der  sich  bei  den  Niederländern  findet,  wird 
tatsächlich  nur  bewiesen,  dass  er  sich  der  in  Maastricht  oder  einem 
andern  centrum  seiner  heimat  zu  seiner  zeit  gebräuchlichen  Schrift- 
sprache bediente*  der  abstand  zwischen  K.s  Voraussetzung  und 
der  würklichkeit  wird  noch  grüfser  durch  die  tatsache,  die  auch 
in  seinem  buche  mit  Schröders  werten  (s.  189)  ausdruck  findet: 
'als  unser  dichter  zu  schreiben  begann,  gab  es  keine  nl.  littera- 
tur  und  keine  nl.  Schriftsprache',  auch  wenn  man  die  sache  nicht 
ganz  so  schroff  hinstellen  mag,  so  ist  doch  jedesfaüs  so  viel  an 
ihr  richtig,  dass  selbst  dann,  wenn  in  der  mitte  des  13  jhs.  in 
der  limburg.  Schriftsprache  oder  sogar  später  in  der  dortigen 
Volkssprache  eine  sprachform  sich  nachweisen  lässt,  damit  nicht 
ohne  weiteres  auch  ihr  vorkommen  am  ende  des  12  jhs.  verbürgt 
ist  man  kann  die  Sachlage  nicht  mehr  verkennen,  als  es  K.  s.  30 
tuu  V.  reimt  nur  die  form  gesiechte  (einfach  weil  es  die  limburg. 
form  ist),  nie  die  unumgelautele  gesl<ichte,  die  im  nl.  die  regel 
bildet,  dass  daraus  nicht  folge,  V.  sei  die  letztere  form  überhaupt 
unbekannt  gewesen,  zeige  zb.  Flore,  wo  neben  geslachte  auch  ge^ 
siechte  reime,  aber  der  Flore  beweist  hierin  für  V.  gar  nichts. 
K.  geht  vom  normalmnl.  aus,  von  dem  er  in  einem  1  cap.  11  puncte, 
und  die  zt.  noch  zweifelnd,  als  nichtlimburg.  in  abzug  bringt, 
statt  V.  als  hauptzeugen  für  eine  locale  litteratursprache  zu 
nehmen,  die  sich  noch  Jahrhunderte  später  in  vielen  puncten  vom 
nl.  unterschied,  wie  das  bei  Braune  und  ßehaghel  und  am  klarsten 
bei  JHKern  hervortritt,  auch  meine  übersieht  im  vorigen  Jahrgang 
von  Taal  en  lelteren  hätte  vielleicht  noch  dienste  tun  können. 
Noch  ein  andres  tut  der  Sicherheit  der  ergebnisse  abbruch. 

*  an  den  stellen,  wo  über  den  reim  von  uo  mit  andern  o-lauten  ge- 
sprochen wird,  §  38,  8.  78  anm.2,  s.  79  anm.  1  und  s.98  anm.  2,  beeinträchtigt 
die  unzureichende  kenolnis  des  mnl.  den  gang  der  Untersuchung,  gevloen 
(und  präu  vloen)  hat  trotz  vHelten  ohne  jeden  zweifei  den  diphthonf^  00, 
und  die  reime  sind  reine,  ebenso  wie  einige  andre  kategorien,  die  K.  als 
onreine  in  anspruch  nimmt,  vermutlich  hat  sich  K.  durch  vHeltens  dar- 
stellung  irre  führen  lassen,  während  er  sich  andern  orts  besser  hatte  unter- 
richten können,  eine  anzahl  andrer  versehen  greift  wenigstens  nicht  weiter 
in  die  Untersuchung  ein.  doch  sei  hier  der  angebliche  plural  lider  (s.  20 
anm.  1)  berichtigt  (an  der  betreffenden  stelle  ist  ^corium'  gemeint),  sowie 
das  [von  Schröder  verschuldete]  misverständnis  s.  69,  als  ob  ich  *zweig*  im 
nl.  [iwijg)  für  ein  hd.  lehnwort  erklärt  hätte. 

A.  F.  D.  Ä.  XXVI.  8 


£.  bin'eehaet  oaeh  ami^ni  dicfacniLzeiu  wi«  oii  «iie  enttlBeo  reime 
im  verh^lcaia  Torknmmen  äoUten^  woiiei  er  okhc  vergissl,  dass 
(iie  zahlen  aicht  30  zenaa  genommen  werde*  Arfea  mnd  allerlei 
be^mnrire  momence  im  einzeifaüe  za  berllcksckcigea  sind,  aber 
er  hat  «iie  mögiidikeic  soicfaer  momenle  m.  e.  4atk  nicht  ge- 
ail'2en<l  erwogen  :  stimmao^en.  die  art  des  stoAesv  4m  Yerfaältnis 
znr  rfnelle^  das  f erhalten  stilisdscfaen  und  meCriadMn  IraditiooeD 
getzenüber  ond  mancherlei  andre  —  impondenbfliea  möcht  ich 
:vi{^en,  wenn  das  wort  nicht  so  anphiloiogiscb  w9rr.  im  material 
ist  doch  laoge  nicht  «o  empfindlich,  wie  K.  ^nrinnwlit,  nnd  nach 
meinen  erfahmn^en  dürfen  solche  berechnnngen  nnr  mit  ganz 
groben  unterschieden  arbeiten,  in  $  33  tut  L.  dar,  dasn  V.  die 
bindiJDg  fon  Wörtern  mit  germ.  /  nnd  d  (hd.  d  nnd  I)  unter- 
einander surk  einschrankt,  der  folgende  §  nntersncht  dann  die 
falle  mit  diesen  consonanlen  hinter  L  ■•  a  und  r.  fß  nnd  Id^ 
np  ond  nd  werden  anstandslos  gereimt,  aber  hinter  r  leigt  sich 
alsbald  wider  deotlich  die  zurOckhaltnng.  darin  soll  sich  die  be- 
kannte Sieverssche  beobacbtung  aossprechen»  dass  die  grenze  der 
rerschiebung  des  d  nach  r  fiel  weiter  nördlich  Uinfl  als  nach  l 
oder  n.  es  wäre  ja  recht  schön,  wenn  das  material  und  die  me- 
thode  wörklich  so  empfindlich  wären,  allein  V^  spräche  kann 
ja  mit  jenem  verschiebongsonterschied  Qberbaopt  nichts  zu  tun 
haben;  wenn  sie  auf  oberdeutsche  lautformen  wie  rdten,  säen 
rticksicht  nahm,  muste  sie  es  ja  auch  auf  solche  wie  swerfe  tun. 
anders  läge  noch  die  sache,  wenn  man  etwa  betonen  wollte,  dass 
rp:rd  bei  ihm  sogar  seltner  seien  als  selbst  intenrocalische^;(/. 
aber  ich  fürchte,  die  ganze  beobacbtung  ist  reine  täuschung.  die 
einzigen  Wörter  mit  gerro.  rp,  die  in  betracht  kommen,  sind  die 
beiden  erde  und  werden,  sie  reimen  dreimal  mit  gerro.  rd,  da- 
gegen 20 mal  untereinander,  daneben  stell  ich  nun  die  tatsache, 
dass  das  wort  stände  36  mal  mit  germ.  itd,  aber  nur  6  mal  mit 
gonde,  begonde  oder  konde,  die  K.  unberechtigterweise  mit  germ. 
nd  statt  mit  np  ansetzt,  gebunden  ist  so  wenig  man  daraus 
schliefsen  darf  und  schliefsen  wird,  dass  die  bindung  von  np:nd 
gemieden  werde,  so  wenig  berechtigt  ist  K.s  schluss  bei  rß  und 
rd,  beide  Wörter,  erde  und  werden,  gehören  zu  den  formelbil- 
denden, während  unter  denen  mit  rd  kaum  solche  sind,  die  10 
Wörter  mit  rd,  die  V.  iro  reim  braucht,  kommen  zusammen  Ober- 
haupt nur  in  33  reimpaaren  vor.  aufserdem  führ  ich  noch 
roigendes  an.  in  stark  10000  versen  des  Lancelot  reimt  erde 
18  mal  zu  perde,  2  mal  zu  dem  fem.  subst.  werde,  dagegen  nur 
8 mal  mit  Wörtern,  die  hd.  rt  haben,  trotzdem  dem  dichter  von 
solchen  herde,  swerde,  verde  von  vart  und  einige  präterita  zu  ge- 
böte stehu.  bei  Gerh.  vMinden  (ed.  Leitzmann)  reimen  erde  und 
werden  Omal  untereinander  und  nur  Imal  eines  der  beiden  Wörter 
anders  (werde :  herde).  wir  werden  unten  noch  andre  beispiele 
kennen  lernen,  wie  zb.  die  reime  auf  me  und  e\  die  uns  zeigen, 


KRAUS   HEINRICH    VON    VELDEKC    U.    D.    MHD.    DICHTERSPRACHE        107 

dass  maDches  nur  zufall  ist  —  zufall  richtig  zu  verstehn  — ,  was 
K.  als  bedeutungsvoll  ansieht. 

Bei  der  Wichtigkeit  des  problems,  dem  wert,  den  K.,  nicht 
ohne  berechtigung,  auf  seine  eindringliche  und  durchdachte  me- 
thode  legt,  und  dem  hierin  sowie  in  der  grofsen  fülle  des  ma- 
terials  begründeten  bestechenden  Charakter  seiner  arbeit  dürfte 
es  geraten  sein,  in  eine  besprechung  der  einzelheiten  ein- 
zutreten. 

In  den  1  abschnitt,  der  die  mnl.  reime  behandelt,  die  sich 
bei  V.  deshalb  nicht  finden,  weil  sie  nicht  limburg.  sind,  hätte 
also  aus  den  folgenden  noch  viel  anderes  hineingehört,     är  und 

er  sind  limburg.  geschieden wart  und  -wert  sind  ablaute  — ; 

also  entfallt  auch  die  bedingte  beweiskraft,  die  §  10  noch  zulässt. 
aus  den  folgenden  paragraphen  heb  ich  hervor  het,  das  (auch 
die  übrigen  pronominalformen  sind  problematisch),  (ge)dwa8,  echt, 
venioi,  goom,  heden  (Veld.  kannte  möglicherweise  nur  hiden),  hoe, 
houde.  Her,  losch  (prateritum),  ghemicke,  port,  raken,  scern,  scamp, 
geslachte,  sochte  (präl.  von  soeken),  spoet,  stoet,  stont,  treke  (so, 
nicht  trek),  twint,  bei  den  allermeisten  dieser  Wörter  und  formen 
ist  es  auf  grund  des  uns  bekannten  materials  oder  sonstiger  in- 
dicien  unwahrscheinlich  oder  mindestens  zweifelhaft,  ob  V.  sie  in 
seiner  spräche  gekannt  hat,  und  unter  dem,  was  der  §29  zu- 
sammenstellt, befindet  sich  recht  wenig,  was  man  überhaupt  bei 
V.  im  reim  erwarten  könnte. 

Im  einzelnen  hab  ich  noch  das  eine  und  andre  hinzuzufügen. 

Bei  der  besprechung  von  hoe  übersieht  K.,  dass  das  frage- 
wort  wie  allgemein  limburgisch  ist.  V.  hätte  also  in  jedem  falle 
wie  reimen  können,  und  das  fehlen  von  hoe  und  wie  muss  sich 
irgendwie  anders  erklären,  in  bezug  auf  sochte  ist  m.  a.  nach 
eher  Beliaghel  im  recht,  wird  doch  aus  Kern  §  15b  wahrschein- 
lich, dass  soeken  im  limburg.  eine  andre  als  die  nl.  präteritums- 
form  sochte  hatte,  die  dann  natürlich  auch  roeken  zugestanden 
haben  kann,  es  ist  dann  klar,  warum  die  präl.  der  beiden  Wörter 
in  der  Eneide  nur  untereinander  gebunden  werden,  im  Serv.  ist 
entweder  neben  der  autochthonen  form  zweimal  die  nl.  gebraucht, 
oder  eher  eine  in  dem  spätem  werk  vermiedene  reimungenauig- 
keit  zugelassen,  beim  prät.  von  stän  ligt  die  sache  möglicher- 
weise so,  dass  die  alte  form  stoet  V.s  spräche  gar  nicht  zukam, 
auch  stont  eigentlich  nicht  und  darum  nur  ausnahmsweise  ge- 
braucht wurde,  die  geläufige  form  vielmehr  die  mit  nasal  und  er- 
haltener länge  gewesen  ist.  dass  V.  leren  in  der  bedeutung  Mernen' 
absichtlich  gemieden  haben  sollte,  ist  schwer  zu  glauben,  man 
wünschte  dafür  wenigstens  den  nachweis,  dass  der  begrifi*  aus- 
zudrücken gewesen  und  das  wort  würklich  umgangen  worden  ist. 
mit  -wart,  -wert  (s.  35)  ist  nichts  bewiesen,  denn  die  eine  oder 
die  andre  form  hätte  V.  ja  auch  bei  rücksicht  auf  ein  deutsches 
publicum  gebrauchen  können,   und   er  vermeidet  das  wort  doch 

8* 


108       KRAUS    HEIISRICH    VON    TEXDEKE   U.    D.    BIHD.    DIGHTERSPRACHE 

auch  im  innern  des  verses.  selbst  bei  ghemoet  und  spoet  bin  ich 
nicht  gauz  überzeugt,  dass  sie  absichtlich  umgangen  sind  und 
kann  auch  der  anm.  bei  gemoet  nicht  zugeben,  dass  die  reim- 
wörter  auf  'Oete(n)  sonderlich  beschrankt  seien.  Übrigens  scheint 
es  mir  immer  noch  mit  Lichlenstein  möglich,  dass  in  5221  ein 
wort  dieser  sippe  stecke;  etwa  diere  («»  die  dare;  oder  die  hen) 
volgen,  moeten  {moeten  als  verbalform).  aus  dem  fehlen  eines 
Wortes  im  reim  wie  tand,  das  überhaupt  nur  4  mal  vorkommt, 
kann  man  aber  wol  gewis  nichts  schliefsen. 

Selbst  in  einzelnen  der  fälle,  in  denen  ich  geneigt  bin,  mich 
K.S  grundanschauung  anzuschliefsen ,  würd  ich  weniger  zuver- 
sichtlich sein,  bei  wortformen  wie  den  participien  gevaen,  gestaen, 
gegaen,  geheven  war  es  wol  nicht  richtig,  sie  für  nicht  roaastr. 
zu  erklären,  aber  es  bleibt  immerhin  die  schon  geltend  gemachte 
müglichkeit,  dass  sie  erst  nach  V.s  zeit  aus  der  nl.  Schriftsprache 
eingedrungen  seien,  und  sollen  sie  selbst  zu  seiner  zeit  schon 
vorhanden  gewesen  sein,  so  bleibt  immer  noch  zu  berücksichtigen, 
dass  jede  Schriftsprache  auch  ohne  rücksicht  auf  ein  auswärtiges 
publicum  die  neigung  hat,  sich  gewählt  auszudrücken  und  ihre 
beschränkende  auswahl  auch  auf  die  in  der  heimat  gangbaren 
formen  ausdehnen  kann,  in  der  regel  wird  in  dem  fall  ja,  wenn 
es  sich  um  die  auswahl  einer  altern  und  einer  jungem,  durch 
ausgleich  entstandenen  form  handelt,  die  letztere  den  vorzug  er- 
halten; doch  mag  individuell  auch  das  umgekehrte  vorkommen, 
diese  frage  drängt  sich  auch  bei  einem  werte  wie  trecken  auf; 
so  lange  noch  ein  andres  gleichbedeutendes  verbum  daneben  be- 
stand, könnte  es  als  zu  alltäglich  gemieden  worden  sein.  K.  hat 
einen  in  diesem  sinne  gemeinten  hinweis  Schröders  (s.  18)  viel- 
leicht nicht  genügend  berücksichtigt. 

Auch  in  den  beiden  folgenden  abschnitten,  die  ich  hier  zu- 
sammenfasse, ligt  für  meine  auffassung  manches  anders,  am 
klarsten  dürfte  es  sein,  dass  Behaghel  wider  mit  den  präteritis 
vom  typus  hielt  und  gienc  im  recht  ist  (§  47).  was  Kern  §  29 
beibringt,  spricht  entschieden  genug  dafür,  dass  die  formen  mit 
diphthong  (oder  länge)  die  V.  geläufigen  waren,  ähnlich  wie  wir 
es  auch  oben  bei  stoent  annahmen,  daneben  hat  er  ausnahms- 
weise auch  die  formen  mit  gekürztem  vocal  gebraucht,  die  gleich- 
falls autochthon  seiner  spräche  angehört  haben  könnten  (Mnl.  gr. 
§  153;  Zs.  40,33),  oder  aber  als  lehnformen  anzusehen  sind, 
eben  so  sicher  ist,  dass  reime  zwischen  ou  und  ö  aus  au  nach 
V.s  eigener  spräche  ausgeschlossen  waren;  s.  Kern  §62«  eine 
erörtern ng  des  §  43  will  ich  mit  hie  beginnen,  das  K.  auf  vHeltens 
Spraakk.  hin  für  unniederländisch  erklärt,  doch  spricht  vHelten 
gar  nicht  so  bestimmt,  und  tatsächlich  ist  hie  allgemein  limburgisch; 
s.  Kern  Limb,  serm.,  glossar  s.  v.  desgleichen  spricht  nichts 
gegen  die  möglichkeit,  dass  da  und  na  V.s  geläufige  formen  waren; 
s.  Kern  unter  den  Wörtern,     dasselbe  nehm  ich  von  e  und  me 


KRAUS   HEINRICH    VON    VELDEKE    D.    D.   MHD.    DrCHTERSPRACHE       109 

an;  die  formen  er  und  mer  (nicht  mere  =  ahd.  m^ra)  scheinen 
V.  sogar  gefehlt  zu  bähen,  die  beiden  Wörter  reimen  dann  unter 
einander,  oder  stellen  sich  ein,  wenn  se  und  toe  oder  sonst  ein 
wort  auf  'i  zu  binden  ist,  und  es  gebt  hierbei,  wie  in  einigen 
andern  von  K.  merkwürdig  gefundenen  fällen,  wol  nur  ganz  na- 
tOrlich  zu,  wenn  solche  reime  gruppenweise  auftreten,  dh.  es 
ist  eben  nur  in  bestimmten  teilen  der  erzdhiung  von  wi  und  sS 
und  andern  Wörtern  auf  -e  die  rede,  an  drei  stellen  will  K.  die 
formen  mere  und  ere  in  den  lext  hineinconjicieren,  indem  er  das 
reirowort  se  mit  dem  synonymon  mere  vertauscht,  die  argumen- 
tation  wird  ohne  zweifei  bestechen,  trotzdem  würd  ich  schon 
nicht  zu  folgen  wagen,  weil  ich  es  entschieden  für  unberechtigt 
halten  muss,  die  bindung  von  länge  und  kürze  in  ofTner  silbe 
durch  conjectur  in  die  Gn.  zu  bringen,  die  ganz  wenigen  über- 
lieferten oder  vermuteten  bcispiele  sind  zweifelhaft  oder  mehr  als 
zweifelhaft,  bis  auf  die  bindung  von  sone  mit  formen  des  verbums 
doen.  hier  steht  aber  aufser  der  quantität  auch  die  qualilät  des 
vocals  in  frage,  und  diese  kann  nur  gelöst  werden  durch  eine 
umfassendere  Untersuchung,  die  auch  auffallende  nl.  reime  zu  be- 
greifen hätte,  aus  V.s  gebrauch  dürfte  sich  vielleicht  ergeben, 
dass  sich  beim  vb.  tun  quantitativ  und  qualitativ  besondre  formen 
in  minderbetonter  satzstellung  entwickelt  haben,  was  die  Syno- 
nyma se  und  mere  betrifft,  so  würde  ich  eher  glauben,  dass  die 
deutschen  hss.  das  erstere  öfter  durch  das  letztere  ersetzt  haben, 
dem  Österreicher  K.  ist  se  'ungewöhnlich  und  leicht  misverständ- 
lich'.  für  V.  kann  es  aber  sehr  leicht  die  geläufige  bezeichnung 
gewesen  sein,  neben  der  mere  vielleicht  nur  mehr  als  bequemes 
reimwort  weitergeführt  wurde,  im  Gloss.  ßernense  (hg.  von 
Buitenrust-Hettema)  findet  meere  nur  mehr  die  Übersetzung  Macus', 
die  übrigen  bedeutungen  sind  auf  see  beschränkt,  wenn  dann  V. 
in  den  liedern  neben  e  auch  manchmal  ere  gebraucht,  so  mag  er 
hier,  wo  ihn  die  rücksicht  auf  deutsche  leser  weniger  band  und 
der  reim  gesteigerte  anforderungen  stellte,  seine  Zuflucht  zu  einer 
form  genommen  haben,  die  er  auch  kannte,  die  ihm  aber  eigent- 
lich nicht  geläufig  war. 

Ober  die  pronomina  ist  es,  wie  K.  selber  anerkennt,  nicht 
so  einfach  zu  reden,  da  sich  so  wenig  feststellen  lässt,  wie  sie 
eigentlich  in  V.s  spräche  gelautet  haben  (§  46).  man  darf  aber 
hier  wol  zugeben,  dass  es  mit  in  der  rücksiebt  auf  das  deutsche 
publicum  begründet  ist,  wenn  sie  im  reim  fast  ausgeschlossen 
bleiben,  ganz  lässt  sich  indessen  auch  diesmal  die  skepsis  nicht 
unterdrücken,  wenn  daliv  und  accusaliv  mik  und  dik  lauteten, 
und  der  nomioativ  'er*  he,  mit  einer  form,  deren  e  sich  von  dem 
gewöhnlichen  langen  e  im  klang  unterschieden  haben  könnte,  so 
war  die  reimfähigkeit  der  prouominalformen  von  natur  beschränkt, 
aufserdem  will  ich  aber  darauf  aufmerksam  machen,  dass  in  dea 
4704  Versen  des  Moriaen  nur  ein  einziges  mal  zwei  pronominal- 


HO        KRAUS    HE1>RICH    VON    VELDERE    U.    D.    MHD.    DICHTERSPRAGHE 

formen,  mi  und  hi,  miteinander  gebunden  sind,  auch  sonst 
kommen  bis  v.  4000  —  von  da  an  ist  die  band  eines  bearbeilers 
stärker  im  spiel  —  pronominaiformen  verbältnismäfsig  selten  im 
reim  vor  :  ii ;  nu  3  mal,  je  1  mal  mi :  hi,  mi{e) :  sie  ('sebe'),  hen :  ben, 
hem :  hem.  das  füllt  ganz  besonders  in  der  Umgebung  auf,  in  der 
uns  dies  gedicbt  überliefert  ist,  in  Veltbems  Lancelot,  wo  die  von 
den  pronomina  untereinander  und  mit  andern  Wörtern  gebildeten 
bequemen  reime  sich  bis  zum  überdruss  widerholen,  angesichts 
dieser  tatsache  muss  man  vielleicht  mit  der  möglichkeit  rechnen, 
dass  einzelne  dichter  diese  reime  wegen  ihrer  kunstlosigkeit  ab- 
sichtlich gemieden  haben  ^. 

Mit  der  frage  des  umlauts  von  d  (§  59)  ist  ohne  zweifei  K. 
wider  im  unrecht  gegenüber  Kern  (§25).  V.  muss  in  seiner 
heimatssprache  den  umlaut  als  e  gekannt  haben,  also  werden  wir 
wol  auch  die  reime  zwischen  er  aus  umgelautetem  dr  und  er  aus 
germ.  air  im  Servatius  als  beweise  dafür  binzunehmeD  haben, 
die  versuche,  diese  reime  wegzucorrigieren^  könnte  man  gelten 
lassen,  wenn  vorher  das  nichtVorhandensein  des  umlauts  bewiesen 
wäre,  sie  sind  aber  keineswegs  so  schlagend,  um  selbst  die  sache 
zu  beweisen,  weiter  glaub  ich  mit  Kern,  dass  das  fehlen  ent- 
sprechender reime  in  der  En.  nur  dafür  spreche,  dass  sie  nicht 
ganz  rein  waren,  und  der  dichter  sich  in  dem  jungem  werke 
gröfserer  Sorgfalt  befliss.  ein  solcher  reim  steckt  übrigens  viel- 
leicht doch  auch  in  der  Eneide,  denn  das  durch  eine  sehr  glück- 
liche conjectur  Behaghels  v.  2240  in  den  text  gebrachte  Zeitwort 
lautet  vermutlich  in  seiner  eigentlichen  form  ontmeren.  schreiben 
wir  in  der  En.,  da  wo  der  reim  nicht  entgegen  steht,  immer, 
oder  mit  abwechslung,  e\  so  haben  wir  denselben  zustand  wie  in 
andern  limb.  texten,  wo  d  und  e  wechseln,  vielleicht  waren  die 
(j-formen  V.  noch  nicht  so  geläufig  wie  seinen  jungem  littera- 
rischen collegen,  und  erklärt  es  sich  daraus,  dass  die  reime  von 
d :  Cd  nicht  ganz  so  häufig  sind,  wie  sie  bei  völliger  Unbefangen- 
heit etwa  zu  erwarten  wären,  immerhin  mag  man  aber  auch 
hierbei  wider  an  die  rücksicht  aufs  deutsche  publicum  denken, 
und  jedesfalls  tut  K.  recht  daran,  hervorzuheben,  dass  die$e  bin- 
dungen  in  den  letzten  2700  versen  überhaupt  nicht  mehr  vor- 
kommen, im  ganzen  ist  aber  der  reim  von  d;a;,  der  also  mit 
V.s  eigner  spräche  nicht  stimmt,  nicht  selten,  und  dabei  ist  viel- 
leicht zu  berücksichtigen,  dass  auch  in  den  altem  deutschen  ge- 
dichten  die  reime  von  d :  ce  nicht  unbekannt  sind,  eine  bekannte  tat- 
sache, die  aber  heule  wol  eine  erneute  Untersuchung  ertragen  könnte. 

Noch  eine  reihe  weiterer  einzelheiten  erscheinen  mir  doch 
in  einem  andern  lichte,  aus  den  reimen  von  doe  :  tot  (s.  75) 
würd  ich  nichts  zu  schliefsen  wagen,  ich  mache  mich  anheischig, 
noch  ganz  andre  unterschiede  im  Verhältnis  dieses  reimes  unter 

^  [vielleicht  kommen  hier  Zwierzinas  beobachtuDgen  obeD  in  der  Zs. 
8.  34—46  in  betracht] 


KRADS   HELXRICH    VON    VELDEKE    U.    D.    MHD.    DICHTERSPRACHE       111 

deo  mnl.  dichtem  selbst  nachzuweisen,  es  braucht  einer  nur  ein 
etwas  sorgfältigerer  Stilist  als  ein  andrer  zu  sein,  und  der  be- 
queme flickreio)  wird  sofort  bei  ihm  zurücktreten,  ebenso  skep- 
tisch bin  ich  in  bezug  auf  die  reime  von  sus  :  -us  (§  39).  K. 
selbst  macht  gelegentlich  geltend,  dass  bestimmte  reime  zufällig 
eine  zeit  lang  nicht  ins  gedächtnis  treten,  dann  auf  einmal  auf- 
tauchen und  sich  nun  auch  Öfter  einstellen,  ein  gedanke,  der 
nicht  nur  auf  reime,  sondern  auch  auf  einzelne  wOrter  und  wort- 
formen auszudehnen  wäre  und  sich  auch  sonst  wol  hätte  ein- 
stellen dürfen,  wo  K.  an  dem  vorkommen  von  einzelheiten  etwas 
auflallig  findet,  werden  nun  die  namen  auf  -us  mit  sus  (oder 
dus)  gebunden,  so  ist  es  natürlich,  dass  andre  reime,  die  früher 
herhalten  musten,  um  die  namen  auf  -us  zu  versorgen,  zurück- 
treten, dreimal  hat  V.  Wörter  auf  hd.  -ahs  mit  was  gereimt  (s.84), 
und  er  soll  den  nicht  hd.  reim  nur  zugelassen  haben,  weil  er 
sich  sonst  mit  den  betreffenden  wOrtern  in  reimnot  befunden 
habe,  warum  brachte  er  sie  aber  nicht  im  versinnern  unter,  wo- 
mit er  sich  doch  sonst  oft  geholfen  hat  (vgl.  zb.  s.  46  anm.  2)? 
dasselbe  muss  man  bei  skat  und  geboet  §  31  fragen. 

Die  geläufige  form  V.s  für  die  negation  war  die  gemeinnl. 
niet  (s.  83).  daneben  gebraucht  er,  nur  im  reim  mit  Micht',  eine 
zweite  form,  da  licht  bei  V.  offenbar  den  vocal  nicht  gekürzt 
hatte,  also  Hecht  (oder  lichtl)  lautete,  war  die  andre  form  niecht 
(nichtl).  dieselbe  könnte  aber,  neben  niet,  recht  wol  einheimisch 
gewesen  sein  (s.  Mnl.  woordenb.  s.  v.  nicht),  und  wir  dürfen 
schwerlich  mehr  behaupten,  als  dass  die  bekannte  rücksicht  viel- 
leicht mit  von  einfluss  auf  ihren  gebrauch  gewesen  sei.  auch 
hier  hebt  nun  K.  die  merkwürdige  Verteilung  der  zweiten  form 
in  dem  gedichte  hervor,  ist  die  aber  so  merkwürdig?  die  un- 
gewöhnlichere form  stellt  sich  eben  ein,  wenn  ein  reim  auf  Hecht 
nötig  ist.  das  Micht'  ist  doch  sicher  immer  das  prius  bei  diesen 
reimen  gewesen,  auch  die  im  §  70  behandelten  dinge  lassen  sich 
m.  e.  nicht  einmal  so  weit  verwerten,  als  wofür  K.  sie  mit  vor- 
behält in  anspruch  nimmt,  er  führt  nicht  weniger  als  41  reime 
an,  in  denen  o  und  u  vor  Id,  Ü,  und  30,  in  denen  sonst  o  und 
u  miteinander  gebunden  sind,  ist  es  nicht  bedenklich,  bei  einer 
solchen  zahl  überhaupt  noch  von  einer  absichtlichen  beschränkung 
zu  reden?  im  Zusammenhang  damit  macht  er  die  beobachtung 
geltend,  dass  vor  Id,  It  diese  reime  bei  V.  sogar  viel  häuQger  vor- 
kommen als  bei  den  nl.  dichtem,  auch  das  erklärt  sich  anders 
als  er  vermutet,  die  betreffenden  Wörter  reimen  nämlich  bei  den 
Niederländern  —  von  der  möglichkeit  der  formen  -ult,  -ulde  ab- 
gesehn  —  mit  den  zahlreichen  Wörtern  auf  -alt,  -aide,  und  durch 
diese,  für  den  Limburger  nicht  möglichen,  bildungen  wird  ihre 
reimf^higkeit  gröstenteils  erschöpft,  diese  tatsache  ligt  aufserhalb 
der  eigentlichen  beweisführung  von  K.  es  schien  mir  aber  doch 
der  mühe  wert,  einen  augenblick  bei  ihr  still  zu  stehn,  um  auf 


112       RBACS   HEINRICH    VON   VELDEKE   U.   D.   MRD.    DICHTERSPRACHB 

die  mOgiichkeit  von  beobachtungsfehiern  hinzuweisen,  ein  be- 
obachlungsfehier  steckt  auch  in  einer  erOrterung,  wie  sie  §  139 
anm.  1  und  sonst  öfter  angestellt  wird,  ich  hebe  das  prägnanteste 
daraus  hervor.  V.  hat  2  mal  (hd.)  'Oge.'-oge^  3  mal  -üge.'^üge, 
23  mal  'Ogen:-ogen  und  6  mal  -ugen :  -ugen,  oder  'ügen.'-ügen, 
oder  -ugen.'-ügen  gebunden,  ^da  ist  es  denn  gewis  höchst  be- 
zeichnend, dass  gerade  auf  diese  kategorie,  wo  so  ?iel  reimwOrter 
vorliegen,  nur  ein  einziger  unbochdeutscher  reim  entfallt  (bogen: 
vlugen)\  ich  glaube  dagegen,  dass  die  ^richtigen  bindungen'  sich 
einfach  von  natur  häufiger  einstellen,  schon  allein  die  tatsachen, 
dass  die  participia  gelogen  und  ongelogen  phrasen  bilden  und  ander- 
seits wortformen  auf  -ogen  sehr  viel  häuflger  sind  als  solche  auf 
'Ugen,  legen  ein  beträchtliches  übergewicht  auf  ihre  seite.  ferner 
ist  es  möglich,  dass  im  limburg.  sich  etymologisches  o  und  ety- 
mologisches u  etwas  von  einander  unterschieden  (Taal  en  letteren 
8,  506)  und  ganz  rein  die  reime  nur  in  der  nl.  Schriftsprache 
gewesen  wären,  wenn  also  V.  absichtlich  lieber  ög  mit  l^g  als 
mit  üg  oder  äg  reimt,  so  wäre  das  doch  nicht  rücksicht  aufs  hd., 
sondern  auf  die  eigene  mundart.  schliefslich  heb  ich  hervor, 
dass  der  ^unrichtige  reim'  in  den  2673  untersuchten  versen  von 
Maerlants  Alexander  überhaupt  nicht  vorkommt;  denn  der  eine 
von  K.  angeführte,  evenhögen  :  vlogen^  kommt  wegen  der  quantitäts- 
verschiedenheit  für  V.  nicht  in  betracbL  das  ergebnis  von  §  33, 
dass  V.  die  bindung  von  germ.  /  und  d  möglichst  einschränke, 
halt  ich  im  gründe  für  richtig,  doch  da  K.  selbst  annimmt,  dass 
der  dichter  auch  die  bindung  von  i:e  einschränke,  die  form 
•hede  neben  -heit  nicht  kenne  und  das  prät.  seide  nicht  gebrauche, 
da  ferner  die  umlautsverhällnisse,  sowie  die  Verteilung  zwischen 
monophthongiertem  e  und  nichtmonophthongiertem  ei  in  V.s 
spräche  sich  nicht  ohne  weiteres  mit  den  gemeinmni.  ferhältoissen 
decken,  so  werden  die  verhältniszahlen  auch  hier  nicht  unwesent- 
lich andre,  als  K.  sie  berechnete  eine  grOfsere  anzahi  von  reimen 
würden  den  s.  51  anm.  1  aufgeführten  hinzuzuzählen  sein,  ähn- 
liches gilt  für  §  35.  für  nr  1  ist  im  allgemeinen  die  möglichkeit 
zu  erwägen,  dass  V.  zt.  t  sprach,  und  die  formen  von  Mieser' 
hätten  hier  nicht  in  betracbt  gezogen  werden  dürfen,  nachdem 
sie  früher  bereits  in  einem  andern  sinne  in  ansprach  genommen 
waren  (s.  Kraus  selbst  s.  65).  dasselbe  gilt  bei  nr  2  b  zb.  von 
bet,  iht :  reht  im  Karel  ende  Elegast  beruht  auf  einem  misverständ- 
nis.  und  wenn  gar  bei  so  planen  tatsachen  wie  der  vocalkürzuug 
.vor  cht  (§  62)  oder  den  labialverhältnissen  (§  64)  noch  nach  einem 
besondern  grund  geforscht  wird,  warum  ^V.  nicht  das  gesamte 
Sprachgebiet  des  hd.  hier  berücksichtigte',  so  wird  wol  schwerlich 
jemand  so  weit  folgen  wollen.  V.  ist  sicher  in  keiner  weise  in 
der  läge  gewesen,   rücksicht  auf  ein  publicum  zu  nehmen,  dem 

^  durch  ein  drockversehen  bei  K.  ist  das  verstfindnis  beeinträchtigt: 
8.  52  z.  8  V.  u.  sollen  e  und  i  nicht  geschieden  werden. 


KRADS   HEINRICH    VON   VELDF.KB   U.    D.   MHD.   DICHTBRSPRACHB       113 

nur  das  würklich  oberdeutsche  mundgerecht  gewesen  wäre,  eben- 
so urteil  ich  über  §  68,  unter  berücksichtigung  des  bin  weises 
von  ScbrOder  wegen  der  reime  triuwe.riuwe  und  vrouu)m:icouv)en, 
und,  mutalis  mulandis,  über  den  folgenden  §.  zwischen  einzelnen 
unter  den  verghchenen  nl.  gedichten  konnte  man  selber  ähnliche 
unterschiede  feststellen  wie  zwischen  ihrer  summe  einerseits  und 
Veldeke  anderseits,  und  es  ist  nur  die  anwendung  eines  satzes^ 
dessen  sich  K.  mit  der  spitze  nach  andrer  richtung  selber  be- 
dient, wenn  wir  sagen,  in  folge  jeder  reimmOglicbkeit,  die  auf 
grund  sprachlicher,  stilistischer  oder  stofflicher  momente  für  V. 
gemeinsam  mit  den  Deutschen  oder  für  den  Limburger  allein  be- 
steht, mindert  sich  naturgemäfs  die  anzahl  specifisch  nl.  reime, 
sehr  ansprechend  ist  die  Vermutung  (s.  112),  dass  das  subst.  Aere 
in  den  hss.  der  En.  häufig  an  die  stelle  des  adj.  gehere  getreten 
sei.  weiter  würd  ich  mich  aber  fragen,  ob  die  gröfsere  Selten- 
heit von  here  in  der  En.  dem  Serv.  gegenüber  nicht  etwa  dadurch 
bedingt  sein  könne,  dass  das  wort  mit  Vorliebe  von  Gott  und 
geistlichen  herren  gebraucht  wurde,  die  beobachtung  s.  109,  dass 
die  form  dane  ^von  dannen'  nur  mit  der  präpos.  ane  reimt,  be- 
weist wol  sicher,  dass  V.  die  form  nicht  unbefangen  gebraucht 
hat.  aber  ob  es  eine  hd.  form  war,  durch  deren  berücksichtigung 
er  sich  dabei  leiten  liefs,   halt  ich  wider   nicht    für  ausgemacht. 

Ganz  schlagend  scheint  der  nachweis,  dass  im  ganzen  Ser- 
vatius  und  in  der  En.  bis  8416  das  adj.  hart  gebraucht  wird, 
aber  von  En.  11833  an  dreimal  herde^  kein  hart  mehr,  er  ist 
um  so  bedeutsamer,  als  im  nl.  eine  adjectivform  herde^  wie  K. 
annimmt,  überhaupt  nicht  besteht;  an  den  stellen  des  Lanc.  ist 
das  adv.  gemeint  und  e  steht  secundär  für  a  vor  r-verbindung. 
DDit  dieser  beobachtung  scheint  einiges  andre  zu  stimmen  :  das 
zurücktreten  der  bindung  ä  :  CB  zum  schluss  der  En.  und  die 
tatsache,  dass  bis  En.  11594  das  prät.  saeh  auf  nl.,  md.  -ach 
SS  germ.  ag^  von  da  an  aber  auf  hd.  -ach  «s  germ.  -ak  reimt, 
aber  scheinbar  in  geraden  gegensatz  dazu  stellt  sich,  was  über 
swdr  s.  116  beobachtet  ist.  das  adj.  kommt  in  der  En.  nur  im 
letzten  teil  3  mal  vor,  und  zwar  in  der  unhd.  form  swdr,  eine 
tatsache,  die  ich  mir  nicht  zu  erklären  weifs.  K.  erörtert  die 
anscheinende  zunähme  der  hd.  elemente  gegen  den  schluss  der 
En.  noch  einmal  im  Zusammenhang  s.  151  ff,  aber  ich  habe  den 
eindruck,  dass  er  mit  den  tatsachen  nichts  rechtes  anzufangen 
wüste,  den  wert  seiner  hübschen  beobachtungen  will  ich  nicht 
verkürzen,  obwol  wir  keineswegs  ganz  klar  in  der  sache  sehen. 

Ich  möchte  hier  noch  kurz  die  erürterung  einiger  einzelheiten 
anschliefsen,  die  zwar  aufserhalb  des  von  mir  zu  liefernden  nach- 
weises  liegen,  mit  recht  nimmt  K.,  s.  41  anm.,  anstofs  an  dem 
reime  wit  :  vernit  5171  f.  Behaghels  versuch  eine  form  vernU 
einzuführen  ist  nicht  berechtigt,  nl.  ist  nur  vernis.  aufserdem 
könnte    man   ein    vernitz   zugeben;    vgl.    mlat.    vernitium,    ital. 


114       KEAC9   HEI.'fBICB    V05    VELDEKE   C.    D.    MHD.    DICBTEBSPftACHB 

vemiee,  vernitz  io  bs.  G  der  En.  uod  mnd.  fomäzen  ^firoisseo'. 
auch  bätteo  wir  in  V.g  heimatssprache  nicht  wit  voraoszuseUen, 
sondern,  wie  allgemein  nl.,  wü  (reimbeiege  fehlen),  für  die 
annähme,  dass  die  ganze  Überlieferung  hier  grOndlich  geän- 
dert habe,  dürfte  schwerlich  räum  sein;  aber  nach  der  ganzen 
Sachlage  glaub  ich  auch  nicht,  dass  der  dichter  gleich  an  hd. 
wiz  :  verniz  gedacht  haben  könne,  was  hat  er  nun  gereimt? 
u)it :  vemis  oder  wit :  vernitz  mit  dem  gedanken  an  eine  falsche 
Terhochdeutschung  wis^  oder  witz?  —  was  zur  rechtfertigung  des 
reims  satte :  vate  (eine  form  vatte  ist  auch  für  V.  schwerlich  be- 
rechtigt) 8324  s.  48  f  gesagt  wird,  ist  einschliefslich  der  anm.  3 
zu  streichen,  man  könnte  denken,  V.  habe  üt  mit  dem  acc.  con- 
slruiert  (vgl.  Behaghel  cnif)  und  im  relativsatz  das  umschriebene 
])erfectum  gehabt,  der  reim  vat  :  gesät  hätte  an  solchen  wie 
vat :  scat  (K.  §  31)  seine  parallelen,  aber  V.  gebraucht  das  part. 
gesät  sonst  in  En.  nicht  im  reim  (s.  46  anm.  2).  vielleicht  ist 
würklich  satte  :  vate  als  eine  gelegentliche  folgerung  aus  jenen 
zugelassenen  reimen  wie  vat :  scat  anzusehen. —  mit  der  frage  nach 
dem  umlaut  des  u  sieht  es  auch  nach  der  besprechung  in  §  65 
noch  recht  verzweifelt  aus.  der  ausweg,  einen  klang  vorauszu- 
setzen, *der  zwischen  dem  des  e,  t  in  senden,  binden  und  dem 
des  u  in  stunde  die  milie  hielt',  scheint  mir  nicht  gangbar,  nach 
läge  der  sache  müssen  wir  am  ersten  annehmen,  dass  V.  würklich 
neben  sünde  (und  vielleicht  sonde  nach  nl.  art)  ein  sende  gebrauchte, 
eine  form,  die  im  nl.  ja  auch  bezeugt  ist  (meine  gr.  §  35a;  vHelten 
8  22),  aber  mundartlich  ganz  eingeschränkt  gewesen  sein  muss. 
K.  hat  den  bau  seines  beweises  mit  so  massigem  material 
angelegt,  dass  man  ruhig  einen  grofsen  teil  desselben  entfernen 
kann,  und  das  gebüude  doch  bestehn  bleibt,  dass  V.  bei  seiner 
En.  und  auch  schon  —  was  ganz  neu  ist  —  bei  seinem  Sinte 
Servaes  an  deutsche  leser  gedacht  hat,  dürfte  wol  jetzt  trotz 
den  vielen  zweifeln,  die  ich  zu  erheben  hatte,  allgemeine  Überzeugung 
werden,  zu  den  bis  jetzt  für  eine  solche  ansieht  ganz  vereinzelt 
und  gelegentlich  geltend  gemachten  fügt  er  eine  reihe  neuer 
beweismomente,  die  man  schwerlich  wird  anzweifeln  können,  hinzu, 
ich  möchte  —  allerdings  auch  da  noch  gern  mit  vorbehält,  dafür 
aber  auch  bei  einigen  andern  die  möglichkeit  nicht  bestreitend  — 
folgendes  aus  K.s  abschnitt  ii,  1  hierhin  rechnen  :  blide^  doen 
*bewürken',  geval^  fijn,  vort,  vroet,  gader^  gegaen  nebst  gestaen 
und  gevaen  (doch  s.  oben),  claer^  min  (die  möglichkeit^  dass  V. 
men  sprach,  kann  dabei  nicht  in  betracht  kommen),  naken^  quaei, 
sachte,  soeit,  gesciede,  gesdet,  seggeti,  sie  sijn  \  wah  (wShrend  bei 
%oel  die  sache  wider  zweifelhaft  ist,  s.  Kern  s.  19,  fufsnote  3). 

*  d«  En.  256S  in  Hw  noch  die  von  mir  Anz.  thi  143  f  (vgl.  auch  Mol. 
woordenb.  n  150)  nachgewiesene  construction  Toriigt,  die  aodi  662  und 
vielleicht  sonst  erhalten  ist,  so  ist  ihre  lesart  jedesfalU  als  edil  aDXoseheo. 
ob  es  dabei  mdglich  ist,  sijn  als  coigunctiv  zu  fassen,  lass  ich  dalÜDge^ellt. 


KRA08   HEmmCH    VON    VELDEKE    U.    D.   MHD.    DICHTERSPRACHE        115 

bei  deo  folgenden  abschniUen  bleibt  nicht  viel,  wo  mir  die  be- 
denken nicht  überwiegen  :  die  erörterungen  über  die  bindung  von 
gern),  t  und  d^y  ß  und  d,  die  dehnung  kurzer  vocale  in  offner 
Silbe  und  die  synkopierten  verbalforraen.wie  breit  für  breitet  §  58. 
mit  einschränkung  hab  ich  mich  schon  zustimmend  geäufsert 
betreffs  der  pronominalformen  und  des  umlauts  von  ä.  auch 
hier  würde  die  rücksicht  des  dichters  darin  bestehn,  dass  er 
vermied,  was  im  Deutschen  einen  unreinen  reim  ergeben  hätte, 
positiv  scheint  er  nur  mit  einigen  bindungen  von  k :  g  und  — 
im  letzten  teil  des  gedichles  —  einigen  von  sach  mit  Wörtern 
auf  germ.  k  über  die  eigne  sprachform  und  zwar  auf  die  benach- 
barten mfrk.  übergegriffen  zu  haben,  das  ist  also  des  beweis- 
kräftigen in  diesen  abschnitten  nicht  viel. 

Ein  weiteres  argument  hat  Schröder  beigesteuert  mit  der 
beobachtung,  dass  die  neuern  französisch  höfischen  fremdwürter 
im  Servatius  und  der  En.  auffallend  wenig  vorkommen,  viel  we- 
niger als  selbst  in  V.s  liedern.  V.  ^erbhckte  darin  ein  dement,  das 
für  seine  heimatliche  spräche  charakteristisch  war  und  der  hd. 
zu  widerstreben  schien*,  freilich  dürfte  sich  schwer  genauer  ab- 
schätzen lassen,  was  von  diesem  sprachgut  in  Veldekes  heimatlichen 
kreisen  zu  seiner  zeit  schon  tatsächlich  eiuigermafsen  geläufig 
gewesen  ist.  colomme  und  solfer  sind  übrigens  im  nl.  einge- 
bürgerte Wörter,  und  sot  hätte  nicht  ohne  weiteres  als  fremdwort 
in  anspruch  genommen  werden  sollen. 

Alles  in  allem  wird  man  den  beweis  des  hauptsatzes,  wie 
gesagt,  wol  allgemein  für  erbracht  halten,  aber  um  das  mafs 
der  rücksicht  zu  bestimmen,  die  der  dichter  nach  aufsen  ge- 
brauchte, halt  ich  die  Untersuchung  für  weniger  geeignet. 
V.  hat  im  gründe  doch  eben  limburgisch  oder  maastrichtsch  ge- 
schrieben. K.  selbst  führt  dafür  eine  erkleckliche  anzahl  von 
einzelheiten  ins  feld.  sie  mehren  sich  beträchtlich  durch  eine 
reihe  von  andern  einzelheiten,  die  entweder  ijnmittelbar  dafür 
sprechen  oder  die  an  sich  nach  beiden  selten  verwertbar,  m.  a. 
nach  in  anderm  sinne  gedeutet  werden  müssen,  als  von  K.  ge- 
schieht, ich  möchte  in  diesem  Zusammenhang  auch  aus  meiner 
Mnl.  gr.  s.  94  anm,  1  widerholen,  dass  m.  a.  nach  V.  wahrschein- 
lich du  doets  und  du  moets  gereimt  hat  (s.  Behaghel  s.  xci.  Kraus 
s.  151).  eine  gröfsere  anzahl  von  Wörtern  und  leicht  auffallenden 
flexionsformen  scheint  er  absichtlich  gemieden  zu  haben,  in  der 
lautlehre  erstreckte  sich  sein  lebendiges  bewustsein  vom  unter- 
schied der  sprachen  oder  seine  fähigkeit  dem  unterschied  gerecht 
ZU  werden  aber  nur  auf  wenige  besonders  hervorstechende  einzel- 
heiten. was  hd.  t :  s^  oder  tz  gewesen  wäre,  glückt  ihm  zu  ver- 
meiden, aber  wo  es  sich  um  hd.  ^ ;  tz  handelt,  da  erlahmt  schon 

^  gegen  die  Hypothese,  ausl.  t  =»  germ.  t  und  ausl.  t  &»  germ.  d  seien 
in  V.s  gpractie  verschieden  gewesen,  könnte  man  auch  die  reime  von  niet 
zu  Wörtern  wie  riet  geltend  machen. 


116       KRAUS   HELNRICU    VOM    VELDERE   C.    D.   HHD.   DlCHTBBSPftACUE 

seine  f^higkeit.  K.  macht  eioe  anzahl  von  stellen  späterer  dichter 
und  theoretiker  geltend,  die  uns  beweisen,  dass  man  mit  vollem 
bewustsein  in  der  weise,  die  er  für  V.  schon  annimmt,  verfuhr, 
um  einer  gemeinsprache  entgegen  zu  kommen,  aber  was  diese 
leute  im  äuge  haben,  sind  doch  auch  nur  verhol tnismSfsig  wenig 
sprachliche  einzelheiten  gewesen  und  ist,  trotzdem  wir  uns  um 
mehrere  Jahrhunderte  weiter  befinden,  gar  nicht  zu  vergleichen 
mit  ^der  last,  die  er  V.  aufbürdet',  und  die  in  der  tat,  glaub  ich, 
seinen  schultern  zu  schwer  gewesen  wäre.  K.  hat,  um  das  mafs 
von  V.s  rücksicht  auf  das  hd.  zu  veranschaulichen,  s.  155 ff  die 
verhältniszahlen  von  29  arten  von  reimpaaren,  die  nach  beiden 
Seiten  richtig  sein  würden,  in  der  En.,  bei  Hartmann,  Wolfram 
und  Gotfrit  nebeneioader  gestellt,  da  erhalten  wir  die  allerdings 
auffälligen  zahlen:  Veldekel891,  Hartm.  713,  Wolfr.  509,  Gotfr. 
775.  ich  bestreite  nicht,  dass  an  ihnen  V.s  rücksicht  auf  das 
deutsche  publicum  anteil  haben  mag,  aber  ob  das  bild  zuverlässig 
ist,  um  das  ausmafs  derselben  anschaulich  zu  machen,  bezweifle 
ich  doch,  zu  diesem  zwecke  hätten  m.  e.  alle  indifferenten 
reime  neben  einander  gestellt  werden  müssen,  zb.  auch  die  auf 
al{le),  an(ne)  ua.,  die  nicht  aufgenommen  sind,  auch  dann  würde 
es  die  nackte  Wahrscheinlichkeitsrechnung  allein  noch  nicht  tun; 
es  können  mancherlei  mitwirkende  momeute  in  betracht  kommen, 
es  gibt  eine  sehr  grofse  anzahl  oberdeutscher  reime,  die  V.  nicht 
zu  geböte  standen  —  K.  selber  hat  s.  152  eine  stattliche  liste 
solcher  aufgestellt  —  und  die  er  also  durch  andere  ersetzen 
musle.  ich  glaube  nicht,  dass  sie  durch  eine  ähnliche  anzahl  von 
nicht  oberd.  aus  V.s  eigner  spräche  ausgeglichen  würden,  zur 
feststellung  fehlt  uns  freilich  das  material.  und  wie  viel  kommt 
dabei  nicht  auf  die  individualität  anl  zb.  das  verhalten  der  dichter 
gegenüber  typischen  reimen,  in  der  En.  erreichen  die  reime 
auf  -05  die  hohe  von  306  wegen  des  namens  Eneas.  standen 
den  andern  dichtem  eben  so  bequeme  namen  zu  geböte?  und 
wenn  ja,  haben  sie  die  bequemlichkeit  ebenso  weit  getrieben? 
K.s  liste  zeigt  offenbar,  dass  der  beträchtliche  abstand  Wolframs 
von  seinen  hd.  kunstgenossen  wesentlich  darin  begründet  ist, 
dass  er  die  wortformen  kam,  kämen ^  gän  und  stdn  so  gut  wie 
nicht  gebrauchte,  man  sieht  also,  wie  viel  sprachliche  einzel- 
heiten hier  ausmachen  können. 

Auch  die  frage,  welche  deutsche  gegend  denn  V.  im  äuge 
gehabt  habe,  wird  beantwortet  und  zwar  dahin,  dass  es  ^haupt- 
sächlich' Thüringen  gewesen  sei.  daneben  wird  unter  benutzung 
von  nachweisen  Schröders  auf  mögliche  beziehungen  des  dichters 
zu  Ostfranken  aufmerksam  gemacht. 

Dem  möglichen  einwand,  dass  die  uns  vorliegende  spräche 
etwa  das  ergebnis  einer  mitteldeutschen  bearbeituug  von  V.s  text 
sein  könne,  ist  der  Verfasser  gleichfalls  begegnet,  er  verneint 
die  möglichkeit  im  allgemeinen,  gibt  sie  aber  bis  zu  einem  ge^ 


EEAUS  BBCnUCH    VON  TELBEEE   C.  A. 


i:: 


wisseo  grade  zu.  iaäem  er 

heilUDg,  die  deo  zweck 

reime  wegzucbtfen.  ttir 

indessen  mit  der 

standen  erklären,    wenn  an 

jangdinc :  iimc  nifl 

ansieht  nicbi,  dass 

40000  WoliraiMcnen 

niemals  die  Widen 

fOr    die   au£ 

seiner  untemicknmu 

erst   die  Tolklänfiiüt: 

getan  sein,    wenii  zn. 

geläufig  war,  ocn:  anaern 

stand    die  6aciiui£r   %vij  crute. 

der  reim  /•mwbh:  . 

sprüngiicü  Tcmvit:. 

form   vmc  uotnui. 

so  wQrd  iLh 

einen  deranir?L  i%i 

oder  auf  eib^ 

das  deutKiK 

der  3  fouK^ttta. 


eines   reiai 

stelligen  se. 

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118  ROETHE   DIE    REIMVORREDEN   DES   SACHSENSPIEGELS 

hier  vorweg  zu  nehmen,  nach,  dass  die  alten  sächsischen  verse  in 
Goethes  epigramm  'Sprache'  widerklingen  i.  es  ist  tiberraschen d, 
wie  viel  grammatische,  stilistische  und  metrische  beweismomente 
R.  den  paar  hundert  versen  abzugewinnen  weifs.  sie  sind 
manchmal  subjectiver  art,  wie  man  auch  bei  dem  gründlichen 
commentar  der  verse  hier  und  da  einmal  einen  zweifei  an  der 
auffassung  hegen  kann,  aber  der  Verfasser  dürfte  wol  jeden  über- 
zeugen, dass,  wie  es  auch  von  anderer  seite  schon  ausgesprochen 
und  auch  zu  begründen  versucht  worden  ist,  nur  die  zweite  der 
vorreden  Eike  vReppichau  selbst  zum  Verfasser  hat.  in  diesen 
seinen  versen  bediente  er  sich  einer  spräche,  die  den  prononcierten 
Charakter  des  mitteldeutschen  sowol  wie  des  niederdeutschen 
meidet,  die  markanten  Idiotismen  beider  sprachgestallen  leidlich 
fern  hält  und  den  beiden  gemeinsamen  besitz  bevorzugt. 

Auf  dem  grundsatz  fufsend,  dass  es  durchaus  nicht  'natür- 
lich' ist  mundart  zu  schreiben  —  ich  möchte,  was  darüber  s.  29 
so  schon  gesagt  ist,  allen  ganz  besonders  ans  herz  legen  —  weist 
die  Schrift  dann  aber  weiter  nach,  dass  die  gesamte  ältere  nd. 
reimlitteratur  bis  zum  14  jh.  in  einer  sehr  stark  vom  hd.  beein- 
flussten  spräche  abgefasst  ist.  die  dichter  hatten  kein  heimisches 
Vorbild,  und  die  notwendigkeit,  sich  an  die  md.  oder  hd.  kunst 
anzulehnen,  hat  den  Charakter  ihrer  spräche  bestimmt,  ähnlich 
wie  bei  K.  wird  der  beweis  nicht  blofs  damit  geführt,  was  positiv 
an  nichtniederdeutschem  in  den  texten  als  ursprünglich  von  den 
dichtem  herrührend  anzusehen  ist^,  sondern  auch  mit  dem,  was 
an  nd.  Sprachelementen  fehlt,  und  ein  besonderer  nachdruck 
wird  auf  die  bedeutung  des  Wortschatzes  für  derartige  Unter- 
suchungen gelegt. 

Auch  wem  nach  eigener  forschung  oder  nach  Behaghels 
bekanntem  aufsatz  die  tatsache  nicht  ganz  neu  ist,  dem  dürfte 
sie  hier  doch  in  einem  neuen  lichte  erscheinen,  und  ebenso  neu 
wie  einfach  ist  vor  allem  die  auffassung  des  Verfassers,  dass  es 
durchaus  kein  zufall  ist,  wenn  fast  die  gesamte  Überlieferung 
dieser  altern  poesie   so   stark  hd.  erscheint,     das   ist  eben  nicht 

^  Roethes  auffassung  von  der  construction  der  letzten  4  zeilen  teil 
ich  nicht  und  bleibe  dabei,  6'ot<Aet^,. sowie  ifac/i<  als  ruffonnen  aufzufassen. 

'  einige  Kleinigkeiten  :  zu  das  s.  56  mit  anm.  4  ist  das  mnl.  zu  be- 
achten; s.  Mnl.  wb.  II  76f  und  vgl.  auch  Behaghel  im  Grundriss  i*  778. 
straffen  und  kl6k  scheint  R.  mit  bestimmlheit  als  hd.  lehnwörter  anzusehen; 
wahrscheinlich  mit  unrecht,  auch  die  erklärung  von  rechter  als  comparativ 
(s.  94  anm.  6)  ist  nicht  sicher,  wenn  es  sich  bestätigt,  dass  die  form  so 
weit  reicht  wie  der  gebrauch  starker  adjeclivformen  nach  dem  artikel,  so 
spricht  das  eher  für  die  ableitung  aus  ter  rechter  hant  bei  der  Verwen- 
dung der  deminution  (s.  81)  wäre  etwas  vorsieht  geboten,  da  die  formen 
ursprünglich  wol  weniger  schroff  nach  mundarten  getrennt  waren,  sondern 
vielfach  mehrere  bildungen  nebeneinander  gebraucht  wurden,  reste  von  dieser 
gröfseren  freiheit  sind  immer  in  den  mundarten  geblieben  und  am  leichtesten 
wol  in  der  Schriftsprache,  was  das  nd.  betrifft,  so  wäre  im  ganzen  vielleicht 
etwas  mehr  rucksicht  auf  die  innerhalb  des  Sprachgebiets  selbst  vorauszu« 
setzenden  unterschiede  zu  nehmen  gewesen. 


BOETHE    DIE    REIMVORREDEN    DES   SACHSENSPIEGELS  119 

▼erhochdeutschuug  durch  fremde  Schreiber,  sondern  der  ursprüng- 
liche Charakter,  erst  vom  14  jh.  ab  bildete  sich,  indem  man 
der  heimatssprache  immer  mehr  räum  gewährte,  eine  nd.  poetische 
litteratur.  auch  sie  schleppt  immer  noch  eine  nicht  geringe  dosis 
hd.  reime  mit  sich^  die  als  'der  vererbte,  technisch  versteinerte 
rest  aus  einer  periode,  wo  man  in  Mederdeutschland  nicht  nur 
hd.  reimte,  sondern  auch  hd.  schrieb,  so  gut  es  gehn  wollte', 
anzusehen  sind,  als  eine  spontane  mode  der  nd.  dichter  lassen 
sie  sich  nicht  erklären. 

Kraus  hat  noch  vor  dem  druckabschluss  kenntnis  von  R.s 
Schrift  nehmen  können,  trotz  der  Übereinstimmung  in  tendenz 
und  methode  zwischen  dieser  arbeit  und  seiner  eignen  muss  er 
(s.  172  anm.)  einen  wesentlichen  unterschied  feststellen  zwischen 
dem  verhalten  der  nd.  dichter  in  dieser  frage  und  dem  Veldekes. 
bei  jenen  ist  es  der  mangel  einer  heimischen  tradition,  der  sie 
nach  hd.  Vorbildern  zu  greifen  nötigte;  bei  Veldeke  fehlte  diese 
nOtigung,  es  war  vielmehr  sein  freier  wünsch,  auf  das  hd.  publicum 
zu  würken.  'ferner  stehn  die  Niederdeutschen  so  sehr  unter 
dem  bann  ihrer  vornehmeren  und  gewanteren  hochdeutschen  ge- 
nossen, dass  sie  auch  massenhaft  hochdeutsches  sprachgut  aus 
ihren  bänden  entgegennehmen,  ihrer  eigenen  spräche  zum  trotz: 
bei  V.  aber  liefs  sich  gerade  so  hübsch  beobachten,  wie  er  dem 
fremden  concessionen  macht,  ohne  doch  das  heimische  zu  schä- 
digen'. R.  sieht  das  zurücktreten  der  mundartlichen  färbe  als 
eine  immanente  folge  der  wähl  der  hd.  Schriftsprache  an,  er  will 
die  rücksicht  auf  ein  gemeindeutsches  publicum  ausschliefsen  oder 
doch  stark  einschränken,  ich  bin  aber  hier  von  R.  nicht  ganz 
überzeugt,  selbst  wenn  die  leute  blofs  in  consequenz  ihres  an- 
schlusses  an  die  hd.  lilteratursprache  dahin  gelangt  wären,  das 
eigenmundartliche  einzuschränken,  so  scheint  mir  das  kein  blofs 
naives  verfahren  mehr  zu  sein,  etwas  von  der  Überlegung,  die 
R.  ausschliefsen  zu  wollen  scheint,  ist  notwendig  dabei  voraus- 
zusetzen. R.  selber  spricht  öfter  auch  von  der  gewähltheit  der 
spräche,  die  darin  besteht,  dass  der  alltagsausdruck  mit  bewustsein 
und  absieht  gemieden  wird,  und  manchmal  fliefst  doch  auch  die 
rücksicht  auf  eine  gemeinsprache  oder  doch  einen  weiteren  leser- 
kreis  bei  seinen  betrachtungen  ein.  also  die  motive  schillern, 
das  verfahren  ist  ein  compliciertes,  und  das  spricht  mir  für 
bewustheit  und  Überlegung,  nicht  für  die  notwendige  folge  eines 
getanen  Schrittes,  man  stellt  sich  leicht  die  mittelalterlichen 
menschen  als  zu  naiv  vor.     wenn  Maerlant  sagt 

Men  moel  om  de  rime  souken 

Missclike  tonghe  in  bouken: 

Dielsch,  brabunls,  vlaemsch,  zeeus, 

Walsch,  latijn,  griex  ende  hebreeus, 
so  steht  das  ja  freilich  auf  einem  andern  blatte,  aber  doch   we- 
nigstens im  selben  buche,   und   es  spricht  so  drastisch  für  eine 


120        KRADS   UEINRIGU   VON   V£LDER£   U.   D.    UHD.    DICHTERSPRACHE 

bewuslheit  uad  absichllichkeit  in  liUerarischeo  diogen,  dass  es 
uns  auch  in  verwaoten  fragen  zur  vorsieht  mahnt,  ich  meine, 
wir  dürfen  V.  doch  den  Niederdeutschen  näher  rücken  und 
brauchen  ihn  nicht  als  besonders  individuelle  erscheioung  zu 
nehmen,  eine  Schwierigkeit,  die  dabei  nicht  zu  übersehen  ist, 
hat  K.  schon  richtig  hervorgehoben,  in  V.s  nächster  nachbar- 
schafl  bestand  eine  ripuarische  litleratursprache,  aber  die  schreibt 
V.  entschieden  nicht,  und  sie  ist  es  auch  nicht,  auf  die  er  besondere 
rücksicht  nimmt,  wir  sehen  uns  wol  hier  zu  der  Voraussetzung 
gezwungen,  dass  er  seine  dichtersprache  oder  die  anschauung, 
die  dazu  führte,  sich  nicht  in  der  heimat,  sondern  in  Nieder- 
deulschland^  oder  wol  im  östl.  Mitteldeutschland  gebildet  habe, 
dort  würde  er  sich  die  rücksicht  auf  eine  an  das  hd.  sich  an* 
lehnende  gewähltere  spräche,  die  das  ausgeprägt  mundartliche  ver- 
meidet, angeeignet  haben,  ohne  aber  sein  maastrichtsch  als  positive 
grundlage  seiner  Schriftsprache  zu  verlernen,  ein  entschiedenes 
theoretisches  bewustsein,  das  sich  bei  ihm  besonders  stark  in  den 
wünsch  umsetzte,  nach  Deutschland  hin  zu  wOrken,  brauchen  wir 
nicht  abzuleugnen,  wenn  also  dem  dichter  sein  unvollendetes 
manuscript  entwendet  wurde,  und  er  neun  jähre  warten  muste, 
ehe  er  in  Thüringen  wider  in  dessen  besitz  gelangte,  so  war  das 
trotz  seinem  Uoren'  nicht  ganz  gegen  seine  absiebten,  ohne 
zweifei  ist  das  werk  auch  bald  in  jene  art  von  md.  spräche  um- 
geschrieben worden,  in  der  die  gesamte  Überlieferung  gehalten 
ist,  und  die  er  selbst  vorbereitet  hatte,  so  wurde  es  um  so 
leichter  zum  vorbild  nicht  nur  für  mitteldeutsche  und  mitteldeutsch- 
niederdeutsche, sondern  auch  für  oberdeutsche  dichter,  die  ja 
daran  gewöhnt  sein  musten,  dass  ihnen  die  modecultur  in  mittel- 
deutscher form  zukam,  der  zufall  hat  also  nur  unterstützt,  was 
V.  selbst  beabsichtigte,  und  was  die  absieht  in  ihm  erregte,  werden 
nicht  nur  seine  beziehungen  zu  Deutschland  gewesen  sein,  son- 
dern auch  die  tatsache,  dass  ihm  in  den  Niederlanden  wahrschein- 
lich ein  genügendes  publicum  gefehlt  haben  würde,  das  ritterliche 
Wesen,  dem  er  sieh  als  dichter  dienstbar  machte «  hatte  ja  jene 
gegenden  mit  macht  ergriffen  und  ihnen  die  hauptsächliche  Ver- 
mittlerrolle zwischen  Frankreich  und  Deutschland  übertragen, 
aber  die  an  verkehr  und  mittelu  reicheren  hOfe,  ohne  die  eine 
hofische  epik  damals  noch  nicht  bestehn  konnte,  waren  in  den 
nl.  Provinzen,  die  hier  in  betracht  kommen,  wol  grofsenteils  durch 
die  französische  poesie  mit  beschlag  belegt,  als  wenigstens  50  jähre 
später  eine  höüsche  epik  in  der  landessprache  auch  dort  Verbrei- 
tung fand,  da  gab  es  für  V.s  gedieht  keine  nl.  Überlieferung,  und 
gegen  die  deutsche  poesie  hatten  die  gebiete  sich  abgeschlossen, 
auch  hatten  die  Zeiten  sieh  inzwischen  doch  wesentlich  geändert, 
und  dem  nl.  publicum  der  höfischen  gedichte,  zu  dem,  wie  ich 
glaube,  schon  sehr  viele  der  bürgerlichen  gehörten,  die  gern  an 
der  vornehmen  mode  mittaten,  stand  der  alte  ritler  Veldeke  schon 


ROETHE   DIE   BEIHVORBEDEN    DES   SACHSENSPIEGELS  121 

fern,  dass  dessen  Vermittlung  nach  Oberdeutschland  nicht  den 
Rheinlanden  zufiel,  muss  sich  eben  daraus  erklären,  dass  seine 
persönlichen  beziehungen  nicht  hierbin,  sondern  nach  Binnen- 
deutschland  giengen.  der  unterschied  zwischen  V.  und  den  nieder- 
deutschen poeten,  den  wir  eben  mit  K.s  worten  hervorgehoben 
haben,  erklärt  sich  wol  genügend  einerseits  aus  dem  so  viel 
grOfseren  abstand  seiner  heimat  und  spräche  von  dem  vorbilde 
liehen  litteraturcentrum,  anderseits  aus  der  tatsache,  dass  jene.nd. 
dichter  grOstenteils  in  den  gegenden  zu  hause  waren  oder  würkten, 
wo  doch  gewis  schon  damals  das  mitteldeutsche  die  ersten  schritte 
getan  hatte,  die  später  zur  ablösung  auch  der  niederdeutschen 
Volkssprache  führten,  natürlich  sind  auch  inviduell  bedingte 
unterschiede  nicht  ausgeschlossen,  wie  mannigfach  verschieden 
sich  das  im  gründe  übereinstimmende  streben  nach  einer  tem- 
perierten spräche,  'die  weit  über  die  engen  grenzen  des.dialekts 
verständlich  ist  und  sich  aufserdem  eine  über  das  alltägliche 
herausragende  würde  wahrt',  bei  den  einzelnen  dichtem  reflectiert, 
das  hebt  sowohl  K.  wie  R.  hervor,  besonders  lehrreich  der 
letztere,  und  unter  den  individuellen  gestalten,  die  er  vor  uns 
vorüberziehen  lässt,  erscheinen  einige  höchst  interessante  cha- 
rakterköpfe. 

Noch  manchen  trefflichen  gedanken  für  die  geschichte  der 
deutschen  spräche  und  litteratur  enthält  R.s  schrift.  aber  wenn 
sie  nun  weiter  noch  erweisen  will,  dass  Eike  auch  den  text  seines 
rechtsbuches  in  derselben  spräche  wie  die  gereimte  vorrede  ab- 
gefasst  habe,  so  folge  ich  nicht  mehr.  R.  hat  mich  wol  überzeugt, 
dass  der  Verfasser  auch  hier  temperierte,  vielleicht  stark  tempe- 
rierte, aber  dem  eindruck,  den  ich  stets  gehabt  habe,  auch  über 
die  zufällige  Überlieferung  hinaus,  dass  in  seinen  versen  und  in 
seiner  prosa  zwei  verschiedene  arten  von  spräche  zu  erkennen 
sind,  kann  ich  mich  auch  jetzt  nicht  entziehen,  ich  finde  es 
Dicht  so  seltsam,  dass  man  in  einer  zweisprachigen  gesellschaft 
die  im  platt  sich  bewegende  prosa  von  versen  in  dem  vornehmeren 
gewande  begleitet  sein  lässt.  wenn  R.  so  glücklich  den  stand 
der  Überlieferung  für  seinen  satz,  dass  die  frühere  nd.  poesie  hd. 
abgefasst  gewesen  sei,  verwertet,  so  mOcht  ich  auch  hier  die 
gleiche  rücksicht  auf  die  Überlieferung  beanspruchen,  in  der 
Weltchronik  haben  wir  doch  wider  dasselbe  Verhältnis,  und  die 
Sache  scheint  mir  auch  nicht  viel  anders  zu  liegen,  wenn  der 
Schreiber  eines  nd.  prosaischen  textes,  den  er  nicht  selbst  ver- 
fasst  hat,  aber  doch  nd.  abschreibt,  ihm  hd.  verse  hinzufügt  (s.  34; 
67anm.;  74  anm.).  wenn  der  Deutschenspiegel  nach  einer  nd. 
handschrift  bearbeitet  ist,  so  scheint  mir  das  denn  doch  mehr 
zu  ergeben,  als  'dass  in  den  sechziger  jähren  etwa  schon  nd. 
ausgaben  des  Sachsenspiegels  existiert  haben  müssen'.  soHte, 
wenn  Eike  das  werk  selbst  hd.  geschrieben  und  verbreitet  ge- 
habt hätte,  dem  bearbeiter  eine  mehr  hd.  handschrift  so  schwer 

A.  F.  D.  A.  XXVI.  9 


122  ROETHE    DIE   BEIMVORBEDEN    DES   SACH$RI«SPI£GEL8 

ZU  erreichen  geweseo  sein,  dass  er  sich  mit  einer  nd.  begnügt 
hätte,  die  ihm  so  viel  grOfsere  Schwierigkeiten  bereitete  und  ihn 
zu  so  mancherlei  misverständnissen  verführte? 

Ich  habe  der  auffassung,  dass  die  poetische  spräche  sich  an 
die  hd.  deshalb  angelehnt  habe,  weil  ihr  die  heimische  tradition 
fehlte,  nicht  widersprochen,  wollte  man  nicht  die  Schwierigkeit 
auf  sich  nehmen^  die  eigene  spräche  —  nicht  auf  die  hohe  des 
schriftlichen  ausdrucks,  auf  der  befönd  sie  sich  meines  dafOr- 
haltens  —  sondern  auf  die  höhe  der  gewdhltheit,  die  man  der 
poesie  der  hohem  kreise  für  angemessen  erachtete,  zu  bringen 
und  sie  für  den  ausdruck  neuer  anschauungsweisen  und  gedanken 
umzumünzen,  so  blieb  nichts  anderes  übrig  als  jene  aniehnung. 
die  alte  epische  poesie  in  versen  mag  sich  grofsenteils  in  prosa 
aufgelöst  gehabt  haben,  doch  haben  auch  verse  noch  weiter  be- 
standen, das  würde  ja  schon  allein  der  von  dem  mhd.  abweichende, 
aber  mit  dem  mnl.  übereinstimmende  versbau  beweisen,  dessen 
eigentümlichkeiten  sich  sogar  auch  da  zum  teil  einstellen,  wo 
man  die  hd.  dichteisprache  wählt,  diese  mündliche  poesie  hat 
aber  wol  nicht  für  gesellschaflsfähig  gegolten,  und  besonders 
fehlte  die  tradition  für  die  neu  aufkommenden  Stoffgattungen, 
aber  ich  glaube,  wir  dürfen  dabei  zweierlei  mcht  übersehen, 
erstens  war  der  schritt  wol  schon  insofern  erleichtert,  als  man 
sich  dort,  wo  er  getan  wurde,  in  den  oberen  kreisen  auch  so 
wie  so  schon  dem  einfluss  des  hd.  erschlossen  gehabt  haben  wird, 
und  zweitens  war  das  eindringen  der  spräche  mit  dem  eindringen 
einer  neuen  cultur  und  deren  besonderer  poesie  verknüpft,  also 
der  zwang,  den  wir  hier  zugeben,  war  doch  nicht  blofs  zwang, 
sondern  zugleich  auch  eine  mode,  der  man  willig  entgegenkam, 
demgegenüber  ist  meines  dafürbaltens  für  die  litterarische  prosa 
eine  alte  tradition  vorhanden  gewesen,  sie  ist  doch  ungefähr 
zur  zeit  des  Sachsenspiegels  als  etwas  fertiges  da.  selbst  wenn 
das  original  dieses  Werkes  kein  zeugnis  für  sie  ablegte,  so 
doch  seine  nd.  redactionen  und  abschriften;  und  dann  die  Welt- 
chronik und  so  manche^  andre,  das  Vorhandensein  einer  nd. 
geschriebenen  prosa  erklärt  auch  leichter  den  Übergang  von  einer 
stark  hd.  gefärbten  nd.  poesie  zu  einer  reiner  niederdeutschen, 
auch  die  friesischen  gesetze  gehören  in  diesen  kreis  einer  allge- 
mein nd.  litteratursprache.  wie  sollte  man  ihre  erscheinung  als 
eine  völlig  isolierte  erklären  können?  wer  einmal  acht  darauf 
gibt,  wird  wol  die  beweise  für  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
nd.  und  fries.  prosa  leicht  bemerken,  ich  glaube  wenigstens  auf 
einen  solchen  beweis  aufmerksam  machen  zu  können  :  das  ge- 
wöhnliche orthographische  th  für  germ.  r,  ganz  besonders  im 
anlaut,  das  im  norden  am  häufigsten  ist,  aber  dann  in  die  Schriften 
aller  nd.  gegenden  und  ebenso  die  holländischen  eindringt,  das 
griech.-lat.  th  genügt  gewis  in  keiner  weise,  die  Orthographie  zu 
erklären!  wohl  aber  würde  sie  sich  erklären,  wenn  wir  von  den 


ROETHE    DIE   REIHVORREDEiN   DES   SACHSESSPIEGELS  123 

scbreibgewohnheiten  solcher  gegenden  ausgehn  dürfteo,  wo  das 
anl.  tk  sprachlich  zu  /  geworden  war,  also  friesischer,  mir  scheint^ 
dass  wir  uns  nicht  die  richtige  Vorstellung  über  den  umfang  der 
litteratur  —  lilteratur  im  weitesten  sinne  genommen  —  in  fro- 
herer zeit  machen,  dass  wir  zu  viel  nach  den  zufällig  bewahrten 
resten  urteilen,  auch  schon  vor  unsern  ältesten  nd.  denkmälern 
dQrfLe  eine  geschriebene  lilteratur  liegen,  und  ein  sicherer  beweis 
dafür  scheint  mir  das  uo  neben  ö  in  nd.  Schriften^  das  ebenso 
wenig  als  hd.  anzusehen  ist,  wie  zb.  das  uo  (für  späteres  ö)  in 
altkülnischen  texten,  sondern  mit  einer  ursprünglich  viel  weitern 
ausdehnung  des  diphthongierungsgebietes  zusammenhängt,  auch 
die  e  für  ä  —  soweit  sie  nicht  umlaut  sindl  —  reden  vielleicht 
mit.  diese  frage,  sowie  der  lebenskampf  zwischen  den  anglo- 
friesiscben  und  sächsischen  mundarten  bilden  wichtige  probleme 
in  der  geschichte  der  nd.  litteratur,  die  also,  wie  ich  glaube, 
keineswegs  im  13  jb.  neu  entstanden  ist.  wir  wollen  selbst  ein- 
mal einen  augenblick  zugeben,  es  habe  vorher  keine  prosaische 
litteratur  gegeben;  würde  es  dann  richtig  sein,  dass  'der  schritt 
von  der  gewohnheitsmäfsigen  Übung  deutscher  spräche  in  dem 
mündlichen  rechtsverfahren  bis  zu  seiner  schriftlichen  fixierung 
sehr  grofs  war*?  ich  bin  überzeugt,  dass  die  Ofifentliche  rede  vor 
gericht  in  den  damaligen  Zeiten  sogar  besonders  stark  stilisiert 
gewesen  ist,  und  die  poesie  der  geschriebenen  gesetze  auch  schon 
der  gesprochenen  rechtsprosa  innewohnte,  nehmen  wir  einmal 
ein  andres  gebiet,  ist  wol  viel  mehr  nötig  gewesen  als  der  ent- 
schluss  zu  der  mechanischen  procedur,  um  eine  predigt  zum  ersten 
mal  schriftlich  festzulegen? 

Aber  Eike  sagt  ja  selber,  dass  ihm  die  deutsche  abfassung 
seines  Werkes,  das  er  vorher  schon  lateinisch  geschrieben  hatte, 
'so  schwer'  gefallen  sei! 

des  heran  libe  in  gar  verwan, 

daz  he  des  büches  began, 

des  im  was  vil  ungedäht» 

(Ig  erz  an  lattn  halte  bräht 

äoe  helfe  und  eine  l^re; 

(16  dühte  in  daz  zu  swSre, 

daz  erz  an  dusche  wante. 
wir  haben  uns  hier,  furcht  ich,  wider  einmal  verleiten  lassen, 
die  alte  spräche  mit  modernen  äugen  zu  lesen,  ich  halte  es  für 
unnötig  zu  untersuchen,  ob  swere  bei  Eike  überhaupt  'schwierig' 
bedeuten  könne,  jeder,  der  sich  richtig  besinnt  —  sonst  möge 
er  die  gewöhnlichen  Wörterbücher  nachschlagen  —  wird  mir  zu- 
geben, dass  es  für  die  leser  nicht  notwendig  und  nicht  einmal 
das  nächstliegende  war,  die  worte  in  diesem  sinne  aufzufassen, 
dass  sie  ihm  vielmehr  zunächst  nur  besagten,  die  deutsche  ab- 
fassung sei  Eike  lästig  gewesen,  sollte  nicht  die  erwähnung 
der  iat.  redaction  in  bezug  zu  dem  swere  stehn,   nicht  der  sinn 

9* 


124  ROETHE   DIE    REIMVORREDEN    DES    SACHSENSPIEGELS 

einfach  sein,  ^naclidem  ich  das  mühevolle  werk  vollbracht^  dne 
helfe  und  dne  lere,  schien  es  mir  zu  lästig,  auch  noch  die  deutsche 
bearbeitung  auf  mich  zu  nehmen'?  eine  andre  auslegung  noch 
steht  ofTen.  wir  hatten  schon  einigemal  anlass  die  Vermu- 
tung auszusprechen,  dass  bereits  damals  in  eigentlich  nieder- 
deutsch  redenden  gegenden  die  hd.  spräche  eingang  gefunden 
habe,  und  wenn  R.  sagt,  dass  man  recht  gut  hd.  verstanden 
haben  müsse,  so  läuft  das  ja  ungefähr  auf  dasselbe  hinaus,  dann 
hat  man  aber  gewis  besonders  gern  beim  schreiben  das  vor- 
nehmere idiom  gewählt,  bei  graf  Hoyers  auftrag  kam  es  jedoch 
darauf  an,  zum  ganzen  volke  der  Sachsen,  den  läten  al  gemeyne, 
zu  reden,  und  dafür  muste  eben  das  platt  gewählt  werden,  das 
mag  Eike  ^unangenehm'  gewesen  sein,  ähnlich  so  wie  es  auch 
heute  manchem  gebildeten  swere  ist,  wenn  man  ihm  nur  die 
kenntnis  seiner  mundart  zutraut,  oder  etwa  einem  Luxemburger 
sichre  wäre,  wenn  er  zum  schriftlichen  ausdruck  statt  des  fran- 
zösischen seine  landessprache  gebrauchen  sollte,  das  könnte 
wenigstens  in  den  Worten  gefunden  werden^  aber  ein  beweis 
gegen  das  Vorhandensein  einer  nd.  prosa  meines  erachtens  nicht. 

Vielleicht  muss  ich  auch  noch  dem  einwurf  begegnen,  warum 
man  denn  damals  die  Urkunden  noch  nicht  nd.  abgefasst  habe? 
darauf  würde  ich  einfach  antworten,  'weil  es  so  mode  war',  eine 
not  wendigkeit  ist  es  sicher  nicht  gewesen,  sich  solange  des 
lateinischen  zu  bedienen,  es  war  eine  tradition  von  alter  zeit 
her,  und  sie  fristete  sich  aus  bekannten  motiven  immer  weiter, 
bis  die  kunst  des  lesens  schon  eine  weitere  Verbreitung  erlangt 
hatte,  und  der  gröfsere  anteil  von  leuten,  die  kein  latein  ver- 
slanden, an  den  ötTentlichen  geschäften  erfolgreich  an  ihr  rüttelte. 

R.  schliefst  seine  schöne  arbeit  mit  einem  hinweis  auf  den 
anteil  des  norddeutschen  an  unserer  modernen  litteratursprache, 
wobei  ich  in  erinnerung  bringen  darf,  was  ich  in  ähnlichem  sinne 
grade  vor  neun  jähren  an  dieser  stelle  (xvii  108)  geäufsert  habe, 
vor  fast  700  jähren  ist  der  Niederdeutsche  Eike  der  Schriftsprache, 
der  litteratur  und  cultur  des  deutschen  Südens  entgegengekommen, 
man  könnte  von  einer  Verlobung  reden,  bei  der  der  norden  sich 
der  feineren  erziehung,  die  in  der  vornehmeren  familie  der  braut 
herschte,  willig  zu  fügen  suchte,  aber  das  geschlecht,  das  dieser 
ehe  entsprossen  ist,  verleugnet  die  art  des  vaters  nicht. 
Ronn,  november  1899.  J.  France. 

Geschichte  der  deutschen  Schriftsprache  in  Augsburg  bis  zum  jähre  1374. 
von  Friedrich  Scholz.  [»  Acta  Germanica  v  2.]  Berlin,  Mayer  and 
Müller,  1898.    iv  und  286  ss.  8^  —  8,50  m. 

Die  Scholzische  arbeit  (von  der  s.  1 — 38  bereits  1895  als 
Berliner  dissertation  erschienen)  bietet  einen  beitrag  zur  geschichte 
der  deutschen  Schriftsprache,  der  aus  mehreren  gründen  be- 
achtenswert erscheint:  einmal  beruht  die  Untersuchung  direct  auf 


SCHOLZ   GESCHICHTE  D.    SCHRIFTSPRACHE   IN   AUGSBURG  125 

handschrifllichem  material,  das  Seh.  selbst  aus  deo  archiven  zu 
MOncheo,  Berlio  und  Augsburg  zusammeDgetrageo  hat,  und  weist 
priacipiell,  ebenso  wie  Brandstetter  es  für  Luzern  und  reo.  für 
Köln  und  Stettin  getan  hatten,  die  benutzung  von  urkundenpubli- 
calionen.  zurück,  anderseits  greift  er  durch  die  wähl  der  be- 
handelten Stadt  mitten  hinein  in  die  brennendsten  fragen  der 
schriftsprachlichen  entwickiung  zum  nhd.  hin,  in  der  Augs- 
burg als  Vermittlerin  zwischen  schwäbischen  und  bayrischen 
elemeuten  durch  seine  führende  Stellung  unter  den  süddeutschen 
reichsstädlen  neben  Nürnberg  zur  trägerin  weiter  greifenden 
einflusses  besonders  berufen  war.  damit  ist  man  endlich  einmal 
an  die  lösung  der  schwierigen  und  für  die  weitern  enlwicklungen 
so  wichtigen  fragen  nach  der  ausgleichenden  Wichtigkeit  der  süd- 
deutschen reichssprache  herangetreten,  freilich  behandelt  die 
vorliegende  arbeit  erst  den  Zeitraum  bis  1374,  dh.  bis  zu  der 
inneren  angleichung  der  localen  Schriftsprachen  Augsburgs  unter 
einander  in  der  zeit  des  Stadtschreibers  Nicolaus  Hagen  :  der  weitere 
fortgang,  besonders  seit  dem  hinzutreten  des  buchdruckes,  wo 
sich  widerum  nach  allen  Seiten  neue  und  wichtige  ausblicke 
öffnen,  harrt  also  noch  der  bearbeitung;  die  beginnende  zeit 
Karls  IV  tritt  weniger  hervor. 

Seh.  teilt  sein  buch  in  vier  abschnitte;  der  erste  behandelt 
grundlagen  und  methode  der  Untersuchung,  der  zweite  in  allzu 
ausführlicher  weise  das  urkundenwesen  Augsburgs,  das  sich  doch 
principiell  nicht  von  dem  andrer  grofser  städte  unterscheiden 
dürfte,  der  dritte  bringt  die  Zusammenstellungen  über  lautstand  und 
Schreibung,  weniger  über  stil  der  quellen,  der  vierte  eine  Über- 
sicht über  den  gesamtverlauf  der  sprachlichen  entwickiung  des 
gewählten  Zeitraums,  auf  diese  teilung  selbst  werd  ich  unten 
weiter  einzugehn  haben ;  von  den  bei  Seh.  s.  6  angeführten  drei 
methodologischen  winken  möcht  ich  jedoch  nur  den  dritten,  der 
übrigens  nicht  neu  ist,  im  princip  anerkennen  :  ^um  für  die  frage 
nach  der  ältesten  Schriftsprache  weitere  gesichtspuncte  offen  zu 
halten',  will  Seh.  als  Schauplatz  einen  für  die  geschichte  der  zeit 
bedeutsamen  ort  wählen,  die  localen  rechtslitterarischen  denk- 
mäler  müssen  in  reicher  zahl  und  womöglich  in  ununterbrochener 
reihe  vorhanden  sein,  es  darf  nur  ungedrucktes  material  gewählt 
und  das  vorhandene  muss  auf  Originalität  des  Schriftstückes  und 
Zuverlässigkeit  des  ausgangsortes  hin  kritisch  gesichtet  werden, 
dass  nur  ungedrucktes  material  zur  Verwendung  kommen  dürfe, 
wie  schon  oben  bemerkt,  hat  bereits  Brandstetter  seit  1890  in 
seinen  drei  bekannten  abhandlungen  gezeigt,  von  denen  Seh.  (s.  5) 
nur  die  letzte  citierl;  aber  auch  über  kritische  sichtung  des  mate- 
rials  hat  derselbe  Brandstetter  1891  und  der  rec.  im  Nd.  jahrb. 
20  (1894)  s.  59  in  einem  aufsatze  über  die  pommerische  kanzlei- 
sprache  geredet^  den  Seh.  in  diesem  bereits  1894  gedruckten 
teile  seines  texles  nicht  mehr  verwenden  konnte. 


126     SCHOLZ  GESCHICHTE  D.  SCHRIFTSPRACHE  IN  ADGSBDR6 

Die  beiden  ersten  forderungen  hingegen  sind  als  principielle 
erkenntnisse  nicht  zu  hallen,  gewis  wird  sich  die  schriftsprach- 
liche entwicklung  einer  bedeutenden  Stadt  wie  Augsburg  mit 
ganz  anderer  klarheit  bei  fast  lückenloser  Überlieferung  des 
materials  entwickeln  lassen,  als  etwa  bei  kleineren  orten,  darum 
dürfen  aber  doch  diese  nicht  principiell  aus  der  reihe  des  zu 
behandelnden  ausgeschieden  werden;  mögen  sie  sich  auch  wider 
an  eine  gfrOfsere  Stadt  anlehnen,  die  in  ihrer  nähe  ligt  und  in 
politischer  oder  handelsbeziehung  zu  ihnen  steht,  jedesfalls  ist 
auch  hier  eine  Untersuchung  geboten,  wie  ja  der  verf.  selbst 
vereinzelt  derartige  bemerkungen  gemacht  hat  ja  es  ist  der 
notwendige  anhang  zur  entwicklungsgeschichte  der  Schriftsprache 
eines  centralpunctes,  zu  sehen,  wie  die  aoregungen,  die  dem 
grüfseren  orte  durch  den  verkehr  von  aufsen  zugeführt  wurden, 
ihrerseits  kleineren  orten  als  neues  aufgedrängt  worden  sind, 
jede  arbeit  wie  die  vorliegende  steht  im  dienste  einer  allge- 
meinen entwicklungsgeschichte  der  nhd.  Schriftsprache,  die,  wie 
der  rec.  an  anderm  orte  ausgeführt  hat,  erst  dann  wflrklich  in 
ihrem  ganzen  umfange  überschaut  werden  kann,  wenn  alle 
archive  durchforscht  und  die  tausendfältigen  Schriftstücke  einge- 
sehen worden  sind,  die  in  durcheinanderlaufenden  fäden  das 
ganze  reich  durchziehen. 

Um  diese  i^den  zu  entwirren,  dazu  bedarf  es  sorgsamer 
hitnde,  die  die  wege  im  einzelnen  kennen,  arbeiten  in  der 
art  der  Sch.schen  locken  zur  ausftthrung  :  es  ist  aber  zu  bedauern, 
dass  jede  ihren  eignen  weg  sucht;  es  ist  für  ein  so  wichtiges 
gebiet  der  forschung,  das  würdig  der  erkenntnis  der  herausbildung 
einer  mhd.  Schriftsprache  an  die  seite  tritt,  ein  fester  halt  n(^tig, 
damit  man  in  den  weilen  sälen  der  archive  nicht  irre  gehe,  und 
so  reich  an  einzelbeobachtungen  die  vorliegende  arbeit  ist,  deren 
minutiöse  gewissenhafiigkeit  man  nur  bewundern  kann,  es  fehlen 
drei  wichtige  factoren,  die  vielleicht  die  gewonnenen  resultate  zu 
ändern  oder  mindestens  anders  zu  beleuchten  im  stände  wären,  das 
ist  1)  principielle  belonung  des  adressaten,  2)  principielle 
heranziehung  der  einlaufenden  Urkunden,  also  vorzüglich  auch 
aus  der  kaiserlichen  canzlei,  die  Seh.  nur  hie  und  da  und  be- 
sonders nur  dann  beachtet,  wenn  sie  in  Augsburg  ausgestellt 
waren,  und  3)  beleuchtung  des  historischen  hintergrundes;  hier- 
mit komm  ich  zur  besprechung  der  disposition. 

Seh.  hat  in  seinem  grammatischen  teile  eine  eigenartige  ein- 
teilung  gewählt,  die  zur  kritik  herausfordert  er  gibt  äufserlich 
das  Schema  der  mhd.  grammaliken,  teilt  aber  innerhalb  eines 
jeden  lautes  regelmäfsig  belege,  geltung,  bezeichnung;  die  beiden 
letzteren  bilden  Öfter  6in  capitel.  innerhalb  des  abscbnittes  ^belege' 
sind  aufserordentlich  sorgfältig  die  einzelnen  schreiborte  Augs- 
burgs, zb.  1)  städtische  Urkunden,  2)  bisdiof  und  domcapitel, 
3)  curie,  4)  klöster,  5)  stadtbuch,  6)  achtbuch  usw.  geschieden. 


SCHOLZ   GESCHICHTE   D.    SCHRIFTSPRACHE   L\  AUGSRDRG  127 

sehen  wir  uns  aber  zb.  die  belege   des  wichtigen  Vorganges  der 
neu  eintretenden   diphtbongierung   bei  i  an  (s.  114  ff),  so  folgen 
da  seitenlange  aufzählungen  der  verschiedenen  Beispiele  mit  erhal- 
tenem fy   und  mit  neuem  ei  ey^  ohne  dass  ein  klarer  überblick 
möglich  ist,  an  wen  diese  Urkunden  gerichtet  sind,    nur  vereinzelt 
erscheint  eine  orientierende   bemerkung  darüber:    1342   rat  an 
Rotenburg:  trtiien   nur  t  S  (=«  stadtschreiber)  15  (R  xi,  M  42  ^j% 
vgl.   8.  116)  gegenüber  einem   ti  bereits   bei.  S  3  z.  j.  1283  in 
einer  ratsurk.  (an  wen?),    diese  beiden  belege  geben  also  nur  ein 
allgemeines   bild   des  Schwankens,  das  wir  auch   schon  a  priori 
haben;   die  frage   tritt  aber  sofort  greifbarer  in  das  licht,   wenn 
wir  die   belege   nach  den  adressaten  scharf  sondern,     so   ist  es 
wol  ganz  erklärlich,  dass  1330  S  9  in  einer  vorurk.  des  kaisers 
an  die  Stadt  auch  ti  schreibt,    und  der  einfluss  kaiserlicher  urk. 
mit  Seh.  s.  125 f  durchaus  wahrscheinlich,  aber  das  beispiel  ge- 
hört, wie  alle  die  gleicher  gattung,  nur  bedingungsweise  hierher, 
die  urk.  ist  zwar  in  der  stadtcanzlei  geschrieben,  aber  von  aufsen 
heeinflusst,  da  sie  an  die  Stadt  selbst  gerichtet  und  eine  vorurk. 
ist;  ebenso  schreibt  S  17  bei  gleicher  gelegenheit  1345  fast  nur  ei, 
während    er    1346 — 47    sonst   ei   meidet  (s.  129) :  solche   urkk. 
nehmen  klärlich   eine  ausnahmestellung   ein   und  sind  besonders 
zusammenzustellen,    die  zahlreichen  beispiele  schliefsen  sich  also 
nur  dann  zu  einem  verständlichen  bilde  zusammen,  wenn  einer- 
seits eingänge  von  aufsen,   und  ausgehnde  Urkunden  geschieden 
und  anderseits  —  damit  komme   ich   auf  das   im  Nd.  jahrb.  20 
vorgeschlagene  zurück  —  bei  diesen  letzteren  die  correspondenz 
innerhalb   der   engeren   landschaft    und   über  diese  grenzen   ins 
reich,   an  den  kaiser  auch   in  den  beispielen  streng  auseinander 
gehalten  werden,     dass  die  spräche  im  innern  Verwaltungsdienst 
der  canzlei   und   in   den    dafür  bestimmten  Schriftstücken   wider 
eine  ganz   andre,   viel  conservativere   färbung   zeigt,   siebt  auch 
Seh.  zb.  s.  127.      ist    dem    aber  so,    dann   ist  die  von  Seh.  zu 
gründe  gelegte  disposition  nicht  zu  halten,     noch  kürzlich  wies 
Burdach  in  der  recension  der  Arndtschen  arbeit   über  die  Rres- 
lauer  canzleisprache  (DLZ  1899,  sp.  60  IT)  darauf  hin,   dass  die 
Schriftsprache  ganz  anders  zu  untersuchen  und  zu  behandeln  sei, 
als  etwa  ein  in  sich  geschlossener  volksdialekt :  hier  tauchen  von 
allen  Seiten  neue  fragen  auf.     wir  dürfen  also  schriftsprachliche 
Untersuchungen,  nicht  in   das  Schema   der  herkömmhchen  mhd. 
grammatiken  zwängen  :  der  zweck   des  Schriftstückes  muss 
das  einteilungsprincip  geben,  nichtder  einzelne  laut, 
ist  die   spräche    der   Urkunden,    die    nach  aufsen   gehn, 
dann  ihre  spräche  innerhalb  der  landschaft,  sodann  die 
Sprache   der    inneren   Verwaltung,  jede    in  sich  mit  bei- 
spielen belegt,   dann  erhellt  die  entwicklung   eines  jeden  dieser 
teile  im  einzelnen  und  kann  an  einander  und  an  weiteres  ange- 
knüpft werden,     so  gibt  Seh.  in  den  capiteln  über  bezeichnung 


128  SCHOLZ    GESCHICHTE   D.   SCHRIFTSPRACHE   in   AU6SRURG 

"der  laute  resullale,  die  dann  im  gesamtverlauf  nochmals  unter- 
sucht werden,  das  resuhat  selbst  zerfallt  in  einzelheiten.  doch 
soll  eine  derartige  saubere  belegsammlung  wie  die  Sch.s  durchaus 
nicht  gering  geschätzt  werden,  sind  die  belege  zu  zahlreich,  um 
im  text  eine  stelle  zu  flnden,  so  sind  sie  vielleicht  als  anhang 
empfehlenswert,  wie  es  Nebert  1891  in  seiner  freilich  nur  aus 
gedruckten  quellen  schöpfenden  arbeit  über  die  Speyrer  canzlei- 
sprache,  getan  hat.  der  text  selbst  ist  der  gegebene  mittelpunct, 
den  die  belege  erläutern  sollen,  nicht  umgekehrt  1 

Als  dritten  punct  möcht  ich  die  möglichst  deutliche  heran- 
ziehung  und  Verwertung  historischer  beziehungen  empfehlen.  Seh. 
hat  zum  ersten  mal,  durch  sein  material  in  hohem  mafse  begünstigt, 
gerade  Schreiber  und  schreiberhände  zu  verfolgen  gelegenheit 
gehabt,  in  wie  weit  die  zusammenziehung  der  von  Chr.  Meyer 
im  stadtbuch  von  Augsburg  geschiedenen  häude  viii,  ix,  x  zu 
6iner  band  (S  17)  berechtigt  ist,  kann  natürlich  nur  an  ort  und 
stelle  entschieden  werden;  stutzig  macht  freilich  eine  allzu  grofse 
regellosigkeit  des  Schreibers  (NHagen  «=  S  17),  dem  Seh.  eine 
führende  Stellung  in  der  canzlei  zuschreibt  und  unter  dessen 
'ära',  wie  er  es  nennt,  die  ausgleichung  aller  augsburgischen 
Schreibgelegenheiten  auf  sprachlichem  gebiete  stattfand,  so  dass 
er  ihn  als  grenze  seiner  abhandlung  aufstellte,  vergleiche  dazu 
die  recht  praktisch  eingerichtete  Übersicht  über  die  Urkunden  der 
Stadt  und  des  kaisers  als  vergleichung  s.  275  fr  anm.  2  zu  den 
jj.  1347  fiT.  allerdings  wird  gerade  hier  das  urteil  sehr  durch 
den  mangel  der  adressatenbezeichnung  der  urkk.  eingeschränkt, 
während  Seh.  anderseits  die  einlaufenden  kaiserurkk.  hier  und 
da  wenigstens  verwertet  und  damit  die  richtigkeit  meiner  obigen 
behauptung  zugeben  wird,  im  gegensatze  dazu  scheint  dem  nach- 
prüfenden beurteiler  vielmehr  S  16  eine  weit  gröfsere  Wichtig- 
keit wenigstens  für  die  folgezeit  gehabt  zu  haben,  wie  Seh.  selbst 
s.  283  durchblicken  lässt;  während  nämlich  S.17  sich  zuerst 
merkwürdig  ablehnend  gegen  beeinflussung  von  Seiten  der  kaiser- 
lichen canzlei  zeigt,  schreibt  S  16,  der  anscheinend  1369/70 
(also  nach  S  17)  die  leitung  der  stadtcanzlei  übernimmt,  et  (selten 
at)  für  ai  und  meidet  den  um  laut  (näheres  Seh.  8.283),  also  mit 
charakteristischen  merkmalen  der  canzlei  Karls  iv.  die  Wichtig- 
keit beider  lässt  sich  danach  vielleicht  schärfer  so  trennen,  dass 
S  17  (ich  versteh  nicht,  warum  der  geselle  S  16  eine  niedrigere 
zahl  trägt  als  der  meister  s.  54)  mit  seiner  entwicklungszeit 
ganz  in  die  zeit  Ludwigs  des  Bayern  gehört  und  mit  all  seinen 
sprachlichen  einigungsbestrebungen  durchaus  auf  dem  boden  einer 
localen  canzleisprache  steht,  local  insofern,  als  ja  bairischer  ein- 
fluss  auf  allen  gebieten  seit  lange  spürbar  war.  im  unklaren 
bleibt,  woher  der  merkliche  Umschwung  zur  zeit  Hagens  S  17 
1348  ff  und  der  Übergang  von  der  gemeinen  canzleisprache 
älterer  zeit  zu  der  allgemeiner  üblich  gewordenen  der  vierziger 


SCHOLZ    GESCHICHTE    D.    SCHRIFTSPRACHE   IM    AUGSBURG  129 

jähre  kommt,  ist  S  17  hier  fuhrer  oder  geführter?  wichtig,  und 
noch  genauer  zu  untersuchen  bleibt  die  spräche  der  urkk.  des 
domcapitels  und  überhaupt  der  geistlichen  schreiborte  Augs- 
burgs, die  merkwürdigerweise,  wie  Seh.  auch  s.  129  zb.  bemerkt, 
eine  schnellere  Sprachentwicklung  genommen  haben, 
sollte  hier  auf  das  s.  280  gebotene  weiter  einzugehn  sein? 

S  16  ist  der  Schreiber,  der  sofort  der  neu  eindringenden  art 
der  Urkundensprache  Karls  iv  rechnung  trägt,  freilich  (s.  283) 
schon  vor  1346  ähnlich  geschrieben  hat  (beispiel?).  die  beziehung 
zur  kaiserlichen  canzlei  Ludwigs  des  Bayern  erwähnt  Seh.  mehr- 
fach und  ^widmet  dann  auf  s.  273  dem  diplomatischen  verkehr 
zwischen  der  reichscanzlei  und  Augsburg  einige  worte'.  zu  einem 
abschhefsenden  urteil  hat  er  nicht  den  mut  gefunden,  nach 
seinen  ausführungen  ist  es  mir  aber  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  kaiserurkk.  je  nach  regerem  oder  schwächerem  verkehr  und 
der  anzahl  der  Augsburger  beamten  in  der  kaiserlichen  canzlei 
zeitweilig  einen  grOfseren  oder  geringeren  einfluss  auf  die  Augs- 
burger Urkundensprache  gehabt  haben. 

Eine  nochmalige  Untersuchung  gerade  dieses  problems  muss 
also  zwei  puncto  besonders  beachten:  erstens  hat  Seh.  die 
kaiserurkk.,  die  in  Augsburg  selbst  von  Augsburger  schreiberu 
geschrieben  wurden  (s.  oben),  mit  andern  vermischt,  die  aus  an- 
dern Städten  nach  Augsburg  gesant  worden  sind  (wenn  ich  so 
das  fehlen  des  städtischen  Schreibers  zb.  bei  der  urk.  1322  (A) 
s.  277  anm.  recht  deute),  zweitens  kann  diesem  schwanken 
zwischen  t  und  ei  usw.  nur  dann  energisch  zu  leibe  gegangen 
werden,  wenn  wir  procentualische  berechnungen  des  Vorkommens 
gegen  einander  halten  können:  eine  bemerkung  zb.  wie  s.  279 
anm.  :  'S  16  I :  ei,  i*  nutzt  garnichts  und  iässt  die  hauptsache 
im  dunkeln,  s.  278  anm.  'kaiser:  f ;  ei,  ey,  V  deutet  durch  die 
Stellung  wenigstens  auf  geringeres  vorkommen  des  t.  nur  wenn 
wir  die  beispiele  in  zahlen  vor  uns  haben,  kann  hier  ein  weiter 
bindendes  urteil  gelallt  werden,  besser  orientieren  die  beispiele, 
in  denen  alle  fälle  der  betreffenden  art  in  einer  urk.  neben  ein- 
ander gestellt  werden. 

Endlich  möcht  ich  darauf  aufmerksam  machen,  dass  die 
zeit  um  1374,  bis  zu  der  Seh.  seine  Untersuchung  führt,  auch 
noch  aus  einem  andern  gründe  für  die  Stadt  wichtig  ist.  in  diese 
zeit  föUt  die  innere  neuordnung  der  städtischen  regierung,  das 
emporkommen  der  Zünfte  an  die  leitenden  stellen,  das  in  der 
geschichte  der  Stadt  so  wichtig  erschienen  ist,  dass  mehrere  der 
Augsburger  Chronisten  gerade  hiervon  ihren  ausgang  nehmen, 
vgl.  Chron.  d.  dlsch.  Städte,  Augsburg  i  s.  21.  22.  bes.  beil.  i 
s.  135fr.  in,  s.  5  (Hektor  Mülich)  ii,  s.  1  ff  (Burkard  Zink).  solUe 
sich  aus  der  combination  dieser  städtisch-politischen  dinge  mit 
der  sprachlichen  entwicklung  etwa  helleres  licht  auf  letztere 
werfen  lassen? 


130  SCHOLZ   GESCHICHTE   D.    SCHBIFTSPBACHE   IN   ADGSBUBG 

Ich  Stelle  zum  schluss  noch  einmal  zusammen,  was  ich  bei 
weiteren  bearbeitungen  gleicher  theraata  für  Dötig  halte  : 

1)  die  disposition  gehl  von  den  verschiedenen  canzleien  ans 
und  gibt  nach  einander  die  Sprachentwicklung  der  stadtcanzlei, 
und  eventuell  der  bischoflichen,  fürstlichen  usw.  canzlei;  innerhalb 
dieser  teile  nach  üblichem  grammatischem  Schema. 

2)  in  der  canzlei  werden  auch  räumlich  geschieden  : 

a.  Urkundensprache  nach  aufsen, 

b.  urkuudensprache  im  rahmen  der  Stadt  und  landschaft, 

c.  spräche  im  innern  Verwaltungsdienst. 

3)  die  einlaufende  correspondenz  : 

a.  aus  dem  reiche, 

b.  aus  der  landschaft. 

unterteil :  fremde  Urkunden  in  der  eigenen  canzlei  geschrieben, 
bei  allen  teilen  ist  der  adressat  zu  notieren. 

4)  procentbcrechnung  der  beispiele,  soweit  nötig. 
Steglitz.  Willy  Schbel. 

Die  anfange  des  deutschen  minnesaoges.    eine  stodie  von  Anton  E.  Schönbach. 

Graz,  Lenschner  und  Lubensky,  1898.    ix  und  128  88.   8®.  —  3  m. 
Beitrage  zur  erklärang  altdeolscher  dichterwerke,    voo  Anton  E.  Schönbach. 

I.   Die  altern  minnesinger.    Wien,  bei  CGerolds  söhn  lo  comm.y  1899. 

[Sitz.-ber.  d.  acad.  d.  wiss.  in  Wien,  phil.  bist«  cl.  cxn,  ii.] 

Nachdem  unsere  Wissenschaft  sich  seit  fast  zwei  Jahrzehnten 
überwiegend  mit  ängstlicher  scheu  auf  den  pfaden  der  ^exaclen* 
aufnähme  und  vergleichung  gehalten  hat,  beginnt  seit  kurzem 
wieder  ein  kühnerer  wagemut  die  probleme  anzugreifen,  die  ohne 
hypotbesen  und  folgerungen  nicht  von  der  stelle  zu  bewegen 
sind,  zum  teil  sind  es  dieselben  forscher,  die  Skepsis  und  wage- 
lust  verbinden,  wie  es  bei  unsern  nachbarn,  den  indogermanisten, 
in  typischer  weise  Kretschmers  ausgezeichnete  'Einleitung  in  die 
geschichte  der  griecb.  spräche'  tut.  so  ist  sich  auch  SchOnbach 
wol  bewust,  wie  bedenklich  es  in  der  philologie  in  der  regel  um 
'beweise'  steht  (s.  91);  er  denkt  darüber  sogar  erheblich  uogün* 
stiger,  als  mir  berechtigt  scheint,  dennoch  vereinigt  sein  neuestes, 
wider  von  vielfältiger  gelehrsamkeit  und  scharfsinnigem  nach- 
grübeln beseeltes  buch  mit  dieser  erkenntois  Vermutungen  von 
überraschender  kühnheit. 

Man  kann  es  bei  der  lectüre  der  gewant  und  klar,  wie  immer, 
geschriebenen  Studie  verfolgen,  wie  auf  einer  breiten  gut  stu- 
dierten grundansicht  sich  mit  immer  geföhrlicherer  Verengung 
zuletzt  eine  nadelbreite  spitze  aufbaut,  auf  der  ich  wenigstens 
nicht  fufs  zu  fassen  wage,  die  grundlage  bietet  Sch.s  aligemeine 
anschauung  von  den  anfangen  des  minnesangs.  aus  einer  scharf- 
sinnigen Verwertung  des  über  litterarische  moden  und  die  Zeitdauer 
ihrer  enutehung  allgemein  bekannten  (s.  120)  sowie  einer  viel- 
leicht  überscharfen   beurteilung   der  im   strengern   sinne   volks- 


SCHÖ.NBACH    DIE    A.NFA.N.E    lEf      l  :>:.!?•-    W^Mifr. 

lümlichen  gesangspoesie  der   :*;:fL •»■.■* t  .'     •• 

s-ur^fälliger  prüfung  auch    dt:  je-iCi.-:.!.*  '     «i*     »- 
manus     hinausgehuden    beloiui:      »*■       ;miwu-     -» 
uuserer  niinoedichlung.    nur   >;j  -faf       i*»':*-    ■ 
dem  taüzlied,  Iraut  er  eine  uL.aierrri-n-n- •  •.  •'■■-     •■ 
zu.    dagegen    sei    der    minne?.iii:    *.  .  i     ■  r 
prubeu,  insbesondere  auch  ic   ifu    iht.i  r    -..  ...  .. 

der  Carmina  Burana  (s.  6)  voi  t»-n  'n-—  -i-  .••  '  - 

die  spätere  volkstümliche  lyr:t    v.r    .<l*ii^•o^^  •■*..  ■,. 

und  das  herbsllied  (s.  111)  ^•r.*l    ...r     'vi  ....  ,. 

und   Vorgänger  möglich  gewor:Hri. 

Diese  anschauung  deck;  *r.u    in«.  \- 
dach.  Berger,    ich    und    and«-r*    :.  •;. 

mir  durch  Josephs  Küreuheri-ii»A:7^-  i 
mir  ganz  aneignen  konnte,  l«'jij  km.. 
ich  glaube,  dass  uir  uns  !ur  i*-r.  .in^ 
einer  wenigstens  annäherndeü  .  »»riT^ipt.  . 

£<i\v.  Schröder  erholTt  weitei*- «utrLi-n 

von   dem  Studium  des  verhällL  ji>m:    .i  . 
ni^-ister  Alexanders  kindheilbi»*:!    i*    .   ■ 
heispifl    solcher    beziehungeL    j;':r-.-..- 
^y^lematische  vergleichunj:  d»rr  iih-.j  .. 
Ikius  als  der  hoffnuugsvollstfc  v.-,      .....  . 

der  Vaganten-,  troubadour-  uit   im.^.. 
meine  formelsammlungen  (^.  :  '     .... 

wuhlbegründete  auflassuug  zl   Tinvi... 

Als  zweite  schiebt  erheb:   ^••. 
\ermulungsreihe,  der  wir  wo     »" 
stehu    dürfen,      für    die    Uberii  ...-. 
Dach  Deutschland  zei^'l  Seh.   n--*. 
r*  ,»    weg  durchs  Friaul  (^.  Tr     ..  .  ^  ^ 

;    sich   zuerst   eioe  rill«rir..ti'  ^  ^^ 

hier   siud  n  .   ••-*•    «■  ^^^ 

<  h.iiiiiii;{ 

;-rli-r|ll- 
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IM  MllHi('l> 

in. III     W4j| 

«.  1(>1>.    Ul 
wiilt'rhüii 

htfiirdiirl» 


132  SCHÖiNBACU    DIE    AMFÄNGB    DES    DEUTSCHEN   MIMKE8A2<IGE8 

geltUDg'  von  MFr.  (s.  94)  warnt.  Günther  vdVorste  kann  ich 
freilich  unmöglich  auf  einen  der  überschüssigen  Stühle  dieser 
akademie  setzen  (vgl.  ADB  40,  312).  Seh.  entscheidet  sich  gegen 
RBeckers  eheliche  minne  (s.  99)  und  gegen  Scherers  deulung 
der  frauenslrophen  (s.  103 f);  er  betont  stark  das  conventionelle 
in  dem  früh  ^feudalisierten'  minnesang,  obwol  er  für  die  musik 
(s.  112)  einfachste  volkstümliche  art  annimmt,  von  hier  aus 
kommt  er  (s.  120)  im  gegensatz  zu  früheren  ausführungen  zu 
einer  entschiedenen  ablehnung  des  biographischen  Werts  der  lieder, 
der  besonders  durch  die  beständige  nachahmung  fremder  muster 
(s.  125)  bis  auf  ein  minimum  zusammenschrumpft. 

Ich  geh  hier  nicht  ganz  mit.  wie  gefährlich  ein  biogra- 
phisches auspressen  der  dichtung  sei«  haben  neuerdings  wider 
RMWerner  und  Joseph  mit  recht  betont,  ich  selbst  habe  mir 
einmal  das  vergnügen  gemacht,  aus  solchem  material  eine  Goethe- 
biographie zu  schmieden  :  geboren  im  selben  haus  mit  Klinger 
{^Eine  Schwelle  hiefs  ins  Leben  Uns  verschiedne  Wege  gAri)  als  söhn 
eines  pastors  {'Um  Mitternacht  gieng  ich  nicht  eben  gerne  .  .  . 
üu  Vaters  Haus  des  PfarrersT^^  verfasst  1771,  also  vor  Jerusalems 
Selbstmord,  'Werthers  leiden'  ('voer  mit  xxii  den  Werther  sdtrieb  — ') 
usw.  aber  man  darf  doch  über  den  Conventionellen  und  phan- 
tastischen bestandteilen  einer  jeden  poesie  die  realistischen  nicht 
vergessen  oder  gar  läugnen.  es  gibt  im  minnesang  Situationen 
—  Morungens  papagei,  Walters  badende  —  die  den  eindruck 
unmittelbarster  lebenswahrheit  machen;  es  gibt  bilderreihen  — 
vor  allem  bei  Hadlaub  — ,  die  nicht  einfacher  zu  erklaren  sind, 
als  mit  der  annähme  der  tatsächlichkeit,  vor  allem  aber  zieh 
ich  gerade  den  entgegengesetzten  schluss  wie  Seh.  es  ist  wol 
kaum  zu  bezweifeln,  dass  die  deutschen  dichter  die  lyrischen 
romane  der  troubadours  —  gerade  wie  die  epischen  von  Tristan 
und  Dido  —  für  erlebt  ansahen;  was  war  natürlicher,  als  nun 
auch  dergleichen  erleben  zu  wollen?  man  denke  nur  etwa  an 
die  art,  wie  Lenz  seine  intriguedramen  anzettelte,  wie  Herwegh 
den  Posa  spielte  udgl.  dafür  spricht  ja  auch,  was  Seh.  selbst 
über  die  berührungen  von  dichtung  und  leben  (s.  83),  über 
die  Stellung  der  ministerialen  (s.  95)  darlegt,  und  ist  es  denn 
unwahrscheinlicher^  einem  mittelalterlichen  dichter  einen  roman 
als  die  erfindung  eines  romans  zuzumuten  ?  was  jedem  primancr 
gelingt,  das  wird  Ueinmar  der  Alte  wohl  auch  noch  gekonnt 
haben  I  gerade  weil  er  ein  stück  Don  Quijote  ist,  glaube  ich,  dass 
«eine  Duicinea  gelebt  hat. 

Und  nun,  als  schlussstein  der  pyramide,  wälzt  Seh«  eine 
Jiypothese  heran,  die  gerade  seinen  eigenen  ausführungen  über 
den  biographischen  wert  der  dichterworte  widerspricht  1  er  hatte 
(s.  34  f)  Thomasin  vZirklaere  als  typischen  repräsentanten  der 
adelichen  anschauungen  im  Friaul  (s.  49.  53)  scharfsinnig  nach- 
gewiesen; er  hatte  im  anschluss  an  Burdach  eiae  längere  dienst- 


SCHONBACH    die   ANFÄNGE    DES    DEUTSCHEN    MINNESANGES  133 

zeit  Walthers  bei  Wolfger  von  Aquileja  und  damit  (s.  57)  nähere 
beziehungen  zwischen  dem  weifischen  und  dem  gibellinischen  lehr- 
dichter wahrscheinlich  gemacht,  von  dieser  auiTassung  ausgehend, 
debot  er  (s.  64  f)  Thomasins  anspielungen  auf  Walther  weit  über 
das  gewöhnliche  mafs  heraus,  in  geistreicher  Umschreibung  und 
ausdeutung  (s.  700  ^^^  ^^^^  nicht  ohne  vor  verlockenden  aus* 
legüDgen  f  der  klösenaere'  s.  71)  auf  der  hut  zu  sein,  da  kommt 
er  nun  aber  (s.  64)  zu  der  Vermutung,  Walther  und  Thomasin 
mosten  zehn  jähre  im  gemeinsamen  dienst  Wolfgers  verbracht 
haben,  weil  (v.  Hill)  sprichwörtlich  gesagt  wird  :  'wenn  einer 
zehn  jähr  mit  mir  zusammen  gewesen  ist,  weifs  ich  immer  noch 
nicht,  ob  er  gut  oder  schlecht  isti'  auf  Walther  kann  das  ja 
freilich  nicht  gehn,  denn  den  erklärt  der  Wälsche  gast  (v.  11191) 
ausdrücklich  für  einen  gnoten  kneht.  noch  gewaltsamer  scheint 
mir  (s.  67)  die  Übersetzung  :  *wenn  er  da  noch  mich  zum  herater 
gehabt  hätte',  wo  steht  denn  'noch'?  Thomasin  sagt  doch  ein- 
fach :  ich  hätte  ihm  von  solcher  rede  abgeraten  I  mir  scheint  es 
unmöglich,  aus  solchen  stellen  mehr  zu  folgern,  als  ein  durch 
persönhche  begegnung  (wie  bei  Wolfram,  der  ja  auch  Walther 
citiert)  erwecktes  interesse  und  eine  gute  kenntnis  der  politischen 
gedichte  des  gegners.  beide  puncte  haben  nichts  unwahrschein- 
liches, und  beide  bedeuten  eine  nicht  unwichtige  bereicherung 
der  mhd.  litteraturgeschichte;  aber  zehnjährige  genossenschaft  und 
intime  beziehungen  herauszulesen,  scheint  mir  eine  bedenkliche 
Überschätzung  des  biographischen  wertes  dichterischer  stellen  I  — 

Die  mannigfaltigen  anmerkungen  Schönbachs  zu  den  ge- 
dichten  in  MFr.  erhalten  eine  innere  einheit  durch  das  bestreben, 
die  gemeinsamen  Voraussetzungen  der  altern  minnesinger,  die  'all- 
gemeine bildung'  von  dichter  und  publicum  in  ihrer  zeit  fest- 
zustellen, als  deren  hauptelemente  stellen  sich  eine  popularisierte 
biblische  sprach-  und  anschauungsmasse  sowie  die  rechtssprache 
des  bürgerlichen  und  staatlichen  lebens  dar.  im  allgemeinen  wird 
man  das  ohne  weiteres  annehmen,  im  einzelnen  die  biblischen 
Vorbilder  oft  ablehnen  (zb.  zu  12,  18  über  stete  freundschafl;  zu 
88,  25.  88,  33.  91,  20—21;  zu  117,  25  ankündigung  des  neuen 
liedes,  die  ja  auch  im  Rigveda  nicht  fehlt)  und  die  juristischen 
erklärungen  zuweilen  gesucht  flnden  (so  zu  26,  7.  64,  9.  HO,  25). 
es  hat  doch  aber  entschiedenen  wert,  die  allgemeine  anschauung 
mit  reichlichen  belegen  durchgeführt  zu  sehen,  es  hilft  gelegent- 
lich direct  zur  interpretation  (42,  19  hübsch  zu  klüse),  öfters  zur 
Scheidung  der  individualitäten.  denn  bei  dichtem  von  besonders 
religiöser  anläge  wie  Johansdorf  und  auch  Rugge  mag  man  wol 
etwa  eine  antithese,  die  schon  altgermanisch  ist  (96,  1  tump-wise 
Tgl.  MüllenhofT  DAk.  v281,  meine  Altgerm,  poesie  8.461),  in 
speciell  christlicher  beleuchtung  aufzufassen  haben. 

Auf  die  eigenart  der  dichter  geht  Seh.  denn  auch  widerholt 
ein.     Gutenburgs  überschwänglichkeit  (s.  78  —  79),    Johansdorfs 


134       SCHÖNBACH   BEITRÄGE   Z.   ERKLÄRUNG  ALTDBUT8CBEB   DICHTWERKE 

ausdrucksweise  (s.  80),  Rugges  technik  (zu  106,  30)^  Horheims 
poetische  armut  (zu  115,27)  werden  hervorgehoben,  besonders 
gipfelt  aber  die  belrachtung  in  der  Würdigung  Morungens,  mit 
der  die  Studien  vorerst  abschliefsen.  seine  eingänge  (zu  143^22) 
und  Schlüsse  (s.  142),  sein  realismus  (zu  130,  31),  seine  lieblings- 
motive  (zu  126,  34)  werden  beleuchtet,  vor  allem  aber  widerholt 
ein  engeres  Verhältnis  zu  den  classikern  und  vor  allem  zu  Ovid 
wol  erfolgreich  aufgedeckt.  Seh.  nimmt  (s.  151  f)  von  hier  den 
ausgang,  um  (im  anschluss  an  Schröder  Zs.  42,3710  ^ioe  un* 
mittelbare  einwürkung  der  antike  auf  den  minnesang  zu  ver- 
teidigen. —  aufserdem  findet  er  aber  auch  bei  Mor.  (bes.  aao. 
zu  127,  1)  eine  kühne  weltliche  ausbeutung  geistlicher  motive, 
wie  sie  sonst  (s.  151)   nur  vereinzelt  begegne. 

Vor  neuen  auffassungen  schreckt  der  gelehrte  und  geistreiche 
verf.  nirgends  zurück,  oft  scheinen  sie  mir  überkühn,  wenn  er 
etwa  (zu  54,  1  und  115,27)  blofse  gedichtentwürfe  anzutreffen 
glaubt,  in  einer  stelle  Johansdorfs  (90,36)  eine  anspielung  auf 
Walther  oder  bei  Morungen  (141,  1),  zweifelnd,  die  beschreibung 
einer  statue  findet,  auch  die  conjecturen  (47,  37  zum  tumer  von 
Trierel)  erwecken  oft  Widerspruch,  doch  geht  Seh.  auch  hier  von  all- 
gemeineren anschauungen  aus,  die  er  sich  über  C  (zu  39, 18;  45,37 ; 
s.  120)  und  ihr  Verhältnis  zu  A  (zu  123,  10)  gebildet  bat,  oder  über 
Bartschs  neigung,  die  dichter  aus  dialekigründen  chronologisch 
zu  verschieben  (zu  45,  1.  131,  7).  auch  seine  mahnung  zur  gründ- 
licheren berücksichtrgung  der  Sachen  in  der  deutschen  philologie 
('s.  123)  verdient  beachtung,  da  Burdachs  älterer  appell  würkungs- 
los  geblieben  zu  sein  scheint,  seine  eigene  bclesenheit  darf  Seh. 
freilich  von  andern  nicht  fordern,  wer  in  kirchenvatern,  mirakel« 
litteratur,  antike  und  mhd.  dichtung  so  bewandert  ist,  der  darf 
wol  zu  seinen  lesern  sagen  :  Megimus  aliqua,  ne  legantur*! 
Berlin,  30  october  1899.  Richard  M.  Meter. 


Spaniens  anteii  an  der  deutschen  litterator  des  16  and  17  Jahrhunderts, 
von  Adam  Schneider.  Slrarsburg  i.E.,  Schlesier  &  Schweickbardt,  1898. 
XIX  und  347  ss.  8^  —  9  m. 

Unter  dem  motto  :  'Somos  bermanos'  hat  AEbert  in  dem 
ersteu  jahrgange  der  Deutschen  vierteljahresschrift  (1857,  ii  SßiT) 
einen  gehaltvollen  aufsatzi^Litterarischewechselwürkungen  Spaniens 
und  Deutschlands'  verOfTentlicht  und  als  erster  in  eingehnder  weise 
gezeigt,  dass  'die  litterarischen  wechselwürkungen  beider  gar 
mannigfach  sind  :  nur  dass  wir  erst  iu  diesem  Jahrhundert  in 
fruchten  der  Wissenschaft  zurückzahlen,  was  an  blumeu  der  dich- 
tung schon  seit  Jahrhunderten  von  dort  wir  eingeführt'.  Eberts 
aufsatz,  der  sich  vornehmlich  dem  neuern  Schrifttum  zuwante, 
das  16  und  17  jh.  nur  cursorisch  behandelte,  fand  in  AFarinellis 
Untersuchungen  :  'Die  beziehungen  zwischen  Spanien  und  Deutsch- 
land in  der  litteratur  beider  lander'  (i),   'Spanien   und  die  spa- 


(CB1<«EIDEB   SPAMEISS   AMTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATUR       135 

Dische  litteratur  im  lichte  der  deutscheo  kritik  und  poesie'  (ir, 
beide  teile  Berlin,  Haack,  1892),  endlich  :  *  Deutschlands  und 
Spaniens  litterarische  beziehungen'  (iir  und  iv,  Zs.  f.  vgl.  litt.- 
gesch.  n.  f.  8,  318 — 407)  eine  erwünschte  ergänzung.  Farinelli 
hatte  sich  nicht  begnügt,  den  deutschen  Übersetzungen  aus  dem 
spanischen  nachzugehn;  seine  beitrage  schildern  die  spanisch- 
deutschen beziehungen  in  weitem  umfange,  also  auf  grund  von 
reisen,  berichten,  druckerverhältnissen  im  Zeitraum  von  mehreren 
Jahrhunderten. 

Ober  eine  stattliche  reihe  ähnlicher  Untersuchungen  gibt  eine 
bibliographie  aufschluss,  die  das  einschlägige  material  zusammen- 
zufassen versucht :  es  ist  der  Essai  de  bibliographie  des  questions 
de  litt^rature  compar^e  von  Louis  Pßetz,  erschienen  in  mehreren 
abteilungen  der  Revue  de  philologie  franpaise  bd  x  und  xi  :  Etu- 
des  th^oriques,  Ouvrages  g^n^raux  (bd  x  247  ff)  und  L'Espagne  et 
TAllemagne  (bd  xi  104  fr)  i. 

Auch  Sch.s  buch  ist  seinem  wesen  nach  eine  bibliographie. 
auf  die  angäbe  der  titel  der  deutschen  Übersetzungen  folgt  das 
Verzeichnis  der  Urschriften  unter  berücksichtigung  der  widerholt 
nachweisbaren  lateinischen,  französischen,  italienischen  und  hollän- 
dischen mittelglieder.  biographische  angaben  über  autoren  und 
Übersetzer,  hie  und  da  auch  —  verhältnismäfsig  umfangreiche  — 
proben  aus  Urschrift  und  Übersetzung  sind  eingestreut,  in  dieser 
weise  behandelt  Seh.,  den  stofiT  nach  fiebern  einteilend,  zunächst 
die  theologischen  erbauungsschriften,  die  beiligenleben,  die  wissen- 
schaftliche litteratur,  roman,  novelle,  satire,  drama  und  oper;  zum 
schluss  in  einem  selbständigen  anhange  Harsdörfers  Gesprächspiele. 

Eine  zeitlich  wie  stofTlich  so  weit  ausgreifende  Untersuchung 
lässt  natürlich  eine  beurteilung  nach  verschiedenen  gesichtspuncten 
zu.  nach  ^iner  ricbtung  ist  Sch.s  verdienst  voll  anzuerkennen: 
das  viertbalbhundert  seilen  starke  buch,  das,  wie  bemerkt,  vor- 
wiegend bibliographisches  material  bringt,  entspricht  dem,  was 
Farinelli  unier  eingehnder  berücksichtigung  culturhistorischer  Ver- 
hältnisse auf  etwa  70  Seiten  zusammenfassle;  schon  aus  diesem 
rein  äufserlichen  vergleich  erhellt,  dass  Seh.  —  immer  mit  rück- 
sicht  auf  das  quellenmaterial  —  eine  weit  reichere  Sammlung 
bietet,  als  sein  trefTlicher  Vorgänger. 

Dies  verdienst  wird  nur  derjenige  verkennen,  der  nicht  aus 
eigner  erfahrung  weifs,  mit  wie  grofsem  aufwand  von  mühe  und 
geduld  derlei  bibliographische  Zusammenstellungen  verbunden  sind, 
es  ist  ein  widerwärtiges  Schauspiel,  wenn  ein  recensent,  dem  auf 

^  nach  dieser  bibliographie  [jetzt  selbständig  unter  dem  tilel :  La  Litte- 
rature  comparee,  Strasbourg,  Trübner,  1900,  erschienen]  wären  die  angaben, 
die  JTexte  zum  schluss  seines  aufsatzes  :  Les  relations  litteraires  de  la  France 
avec  Telranger  au  xviii«  si^cle  in  Petit  de  JuUevilies  Histoire  de  la  langue 
et  ütterature  fran9aise  bd  vi  veröffentlicht  hat,  insbesondre  die  teile  'Espagne' 
und  'Allemagne',  zu  ergänzen. 


136       SCHNEIDER   SPANIENS   ANTEIL   AN   DER    DEUTSCHEN   LITTBBATDR 

wohlfeile  weise  ein  oder  der  andre  nach  trag  zu  einer  grofsen 
bibliographie  gelungen  ist,  den  'fund'  zum  anlass  nimmt,  um  den 
autor  einer  so  mühsamen  Zusammenstellung  zu  zausen,  dass  Seh. 
Vollständigkeit  nicht  erreicht  habe,  dessen  war  er  sich  wol  bewusU 
in  der  vorrede  betont  er,  dass  namentlich  aus  der  Wiener  und 
Münchner  bibliothek  noch  reichliche  nachtrage  zu  holen  seien, 
sehr  mit  recht. 

Ich  habe  einzelne  teile  der  bibliographischen  angaben  Sch.s 
mit  den  einschlägigen  beständen  der  k.  k.  hofbibliothek  verglichen 
und  gefunden,  dass  eine  nur  auf  ein  paar  wochen  ausgedehnte 
arbeit  hier  für  Seh.  genügt  hätte,  sein  matehai  zu  verdoppeln. 
es  ist  das  kein  Vorwurf,  den  ich  gegen  den  autor  erbebe  —  die 
bedingungen,  unter  denen  wir  im  allgemeinen  heute  noch  biblio- 
graphische arbeiten  an  verschiedenen  fundstätten  auszufahren 
haben,  sind  nicht  so  glänzend,  dass  sie  einen  solchen  recht- 
fertigten. 

Es  ist  mir,  schon  mit  rücksicht  auf  den  rahmen  dieser  be- 
sprechung^  nicht  möglich,  die  richtigkeit  meiner  behauptung  hier 
in  ihrem  vollen  umfang  zu  erweisen,  kleine  Stichproben  müssen 
genügen,  ich  wähle  als  beispiel  gleich  den  ersten  absalz  in  Sch.s 
buch,  in  dem  die  Übersetzungen  von  des  Diego  de  Estella 
De  la  vanidad  del  mundo  verzeichnet  werden. 

Seh.  nennt  aufser  der  ersten  Übersetzung  :  ^Weltlicher  eytel- 
kait  Verachtung  ....  verteutscht  durch  Jodocum  Lorichivm, 
Collen,  1586'  noch  drei  weitere  deutsche,  ferner  sechs  latei- 
nische, vier  italienische  ausgaben;  zwei  auflagen  der  Verdeutschung 
Huberts  (1589  und  1599),  endlich  drei  ausgaben  des  spanischen 
Originals,  die  edition  der  ^Obras  del  P®  Estella',  wie  es  auf  dem 
Schmutztitel  heifst,  enthält  mit  gesondertem  titel  und  gesonderten 
Seiteuzählungen  zunächst  den  ^Tratado  de  la  vanidad'  und  dann 
die  ^Meditaciones  devoiissimas  del  amor  de  Dios',  beide  Madrid, 
Julian  de  Paredes  1668.  Seh.  dürfte  die  ausgäbe  [HB  :  19.  C.  14]  ^ 
nicht  zu  gesiebt  bekommen  haben,  und  aus  diesem  grund  ent- 
gieng  es  ihm  wol,  dass  es  auch  von  den  Meditaciones  eine  deutsche 
Übersetzung  gibt :  ^Hundert  Von  der  Liebe  Gottes  Schöne  |  auss- 
erlesene vnd  andechtige  Betrachtungen.  Auß  H.  Schrifft  vnd  an- 
derer H.  Vättern  Bücher  |  durch  den  Ehrw.  Herrn  Didacum  Stellam 
Ord.  S.  Francisci  beschrieben  |  Nun  aber  durch  H.  Petrum  Plickium 
Andernacum  Teutschmeisterischen  gebiets  auf  der  Ebnen  zu 
OfTenaw  Pfarherrn  in  Teutsch  vbergesetzt  Gedruckt  zu  Colin 
durch  Arnoldum  Quentel  im  Jar  m.dg.vii.'  [HB  :  16.  L.  15].  die 
vorrede  lehrt,  dass  das  buch  ^auß  dem  Latein  in  unser  Teutsch' 
11  hersetzt  wurde;  die  lateinische  Übersetzung  fliefst  wider  aus  einer 
französischen  —  auch  darüber  geben  unsre  Wiener  schätze  auf- 
schluss  :  ^M^ditatioDS  tr^s  devotes  de  l'amour  de  Dieu  Mises 
^'Hespaüol  en  Fran^ais  par  Gabriel  Chappuys,  Anvers,  1594.  8V 

^  Signatur  des  exemplars  der  k.  k.  hofbibliothek  Wien. 


SCBKieiDER   SPANIENS   ANTEIL    AN    DER   DEUTSCHEN   LITTERATDR        137 

[HB.  :  17.  G.  61.]  —  und  demoächst  ^De  amore  dei  medita- 
Ciooes  piissimae.  Primo  ex  hispanico  in  Gallicum  deouo  dudc 
primum  in  latinnm  sennonem  redacte  studio  et  opera  Johannes 
Governerii.  Coloniae  Agrippinae  Baltas.  Clipeus  1703'  [HB.: 
BE.3.  V.80]. 

Von  Petrus  Plickius,  über  den  Zedier,  JOcher,  Adelung  usw. 
nichts  zu  sagen  wissen,  verzeichnet  Jos.  Hartzheim  Bibliotheca 
Coloniensis  s.  279 f  zwei  Übersetzungen  :  ^Nachfolgung  Mariae  . . . 
durch  R.  P.  Franciscum  Ariam  .  . .  beschrieben,  und  jetzt . .  vjer- 
teutscht  durch  H.  P.  Plickium  Andernac.  Gedruckt  zu  Collen  durch 
Arnolduni  Quentei  1602*  (in  12  mo  pp.  634)  und  'Geistliche  Voll* 
kommenheit'  aus  dem  ital.  (bezw.  lat.)  urtext  des  Lucas  Pinelii, 
ebenda  1603,  jedoch  nicht  die  in  rede  stehnde  Übersetzung,  die 
flartzheim  offenbar  nicht  kannte;  da  sie  auch  von  Draudius  nicht 
angeführt  wird,  scheint  unser  exemplar  von  Plicks  Verdeutschung 
der  Meditaciones  zu  den  rariora  zu  geboren,  anderseits  besitzen 
wir  kein  exemplar  der  Plickschen  Verdeutschung  :  ^Nachfolgung 
Mariae',  auch  nicht  das  spanische  original,  wohl  aber  die  mittel- 
giieder,  denen  nachzugehn  auch  hier  wider  lehrreich  ist :  Trattato 
della  imitazione  della  .  .  .  vergine  Maria  madre  d'lddio.  Tradotto 
di  Spagnuolo  da  Giulio  Zanchini,  Firenze,  Michelagnolo  Sermar- 
teili,  1599'  (1596)  [HB. :  31.  X.21];  —  *De  imitatione  B.  Virginia 
Mariae  liber,  nunc  primum  ex  Italien  idiomate  conversus,  Coloniae 
Agrippinae,  Birckmann  1602'  [HB. :  18.  M.  4],  ferner  noch  ^  .  • 
€  gallico  in  latinum  sermonem  conversus  per  Andream  Hoium 
Anlverpiae  Keerberg  1605'  [HB.  :  18.  M.  111]  und  die  'Diva  virgo 
imitanda'  mit  dem  (separat  betitelten  und  paginierten)  'Rosarium, 
Coloniae  Agrippinae,  Job.  Kinckius  1613'.  der  ganze  bei  Seh. 
fehlende  artikel  Plick-Arias  wäre  also  nach  diesen  hauptzügen 
darzustellen,  damit  ist  aber  die  desideratenliste,  die  sich  an  den 
^inen  artikel  'Estella'  anschliefst,  noch  nicht  beendet,  es  fehlen 
die  französischen  Übersetzungen  :  'Livre  de  la  vanit6  du  monde 
.  .  .  Reueu,  corrig^  et  augment^  suyant  le  dernier  exemplaire 
Espagnol,  par  Gabriel  Chappuis  Tourangeau.  Paris,  Fizelier,  1587' 
[HB.  :  18.  X.  50].  'Livre  de  la  vanil6  du  monde.  £)dition  der- 
ni^re.    Louvain,  J.  Bogart,  1594'.   8^    [HB. :  18.  X.  38]. 

Endlich  gibt  es  aufser  der  von  Seh.  angeführten  italienischen 
Übersetzung  Peruschis  (in  4  ausgaben)  noch  zwei  verschiedene 
andre  :  '11  dispreggio  delle  vanitä  del  mondo.  Divisi  in  tre  parti. 
Nuovamente  tradotto  dalla  Spagnola  nella  lingua  italiana  da 
Gieremia  Foresti.  Venetia,  Zanetti,  1575'  [HB. :  71.  Z.  83]  und 
'Dispregio  della  vanitä  del  mondo  .  .  .  nuovamente  tradotto  dalla 
spagnuola  nella  lingua  toscana  dal  R.M.Pietro  Buonfanti.  Venetia, 
Ziletli,  1589'.    4  bde.    [HB.  :  18.  Y.  48]. 

Der  blolse  hinweis  auf  den  umfang  dieser  nachtrage,  die  zu 
einem  einzigen  und  verbältnismäfsig  unwichtigen  artikel  in  Sch.s 
buch  zu  liefern  sind,  wird  es  rechtfertigen,  wenn  ich  mich  be- 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  10 


138       SCHNEIDER    SPAMENS    AMTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATUR 

Züglich  der  übrigen  teile  auf  kurze  bemerkungen  beschränke,  die 
ich  mir  beim  nachprüfen  der  bibliographie  notiert  habe. 

S.  26.  von  den  latein.  Übersetzungen  der  Meditaciones  Luis 
de  la  Puentes  (den  vorlagen  der  deutschen  bearbeitungen)  besitzt 
die  k.  k.  hofbibliothek  nebst  den  von  Seh.  genannten  noch  eine: 
Cöln  1636. 

S.  27  ff  (vgl.  insbes.  s.  31).  'Luis  de  Granada  :  Memoriale 
Granatae  . .  Güldin  Denkbüchlein  von  eim  vollkommenen  Christen 
....  in  teutsche  Sprach  gebracht  durch  Philip.  Dobereiner. 
München,  A.Berg,  1576'  [HB. :  22.  J.  49].  der  Übersetzername 
fehlt  bei  Seh.;  desgleichen  die  spätere  ausgäbe  v.  j.  1588  [HB.:16- 
L.  5].  —  die  Verdeutschung  des  Quadragesimale  durch  Johannes 
RuUius,  von  der  Seh.  bemerkt,  dass  sie  ihm  nicht  vorgelegen, 
findet  sich  in  der  hofbibliothek  [21.  C.  19] :  das  exemplar  trägt  die 
Jahreszahl  1593  (Seh.  nach  Draudius  *o.  j.');  unbekannt  blieb  Seh. 
(vgl.  s.  31)  die  Verdeutschung  :  'Dux  peccatorum,  das  ist  deß 
Sünders  Beleytsmann.  Anfänglich  Spanisch  beschrieben,  jetzt  durch 
Job.  Eisengrein  in  unser  Hochteutsche  Sprach  gebracht. 
Meyntz,  J.  Albin,  1599'  [HB.  :  16.  L.  9].  s.  320  wird  zwar  er- 
wähnt, dass  Harsdörfer  eine  Übersetzung  des  Dux  peccatorum 
gekannt  habe;  das  ist  aber,  wie  Seh.  auch  andeutet,  die  latei- 
nische, Coloniae  1601  [HB.  :  19.  Aa.  53].  endlich  sei  noch  er- 
wähnt, dass  Luis  de  Granadas  *Seelen-Todt'  in  Hattbaeus  Timpes 
Teutscher  Theologey,  Münster,  1601—1614  als  teil  3  u.  4  er- 
schien, auch  die  von  Seh.  mitgeteilte  liste  der  Originalausgaben, 
der  werke  Luis  de  Granadas,  der  ital.  und  franz.  Übersetzungen, 
konnte  durch  die  hiesigen  bestände  reichliche  ergänzungen  er- 
fahren. 

S.  lOSfT.  Bernardino  de  Mendoza.  die  Seh.  unbekannte  ital. 
Übersetzung  ist :  ^Teorica  et  prattica  di  guerra  terrestre  et  mari- 
tima, Tradotta  dalla  lingua  Spagnuola  nella  Italiana  da  Salustio 
Gratti  Venetia,  Diolli  1596'.  4o  [HB.  :  *48.  C.  54]. 

S.  245  fif.  von  dem  'Carcell  de  Amor'  des  Diego  de  San 
Pedro  besitzt  die  hofbibliothek  folgende  von  Seh.  nicht  genannte 
Übersetzungen  :  zwei  deutsche  :  Hamburg  1660  [HB.  :  144.  H.  45] 
und  ebenda  1675  [HB.  SA.  34.  F.  7];  eine  französische  :  1527 
[HB.  :  39.  K.37]  und  eine  italienische,  Venezia,  Francesco  Bindoui 
1537  [HB.  71.  Z.  159(3)]  ^ 

Gelegentlich  sei  auch  auf  einige  irrtümer  und  kleinere  lückeu, 
die  allerdings  nicht  Seh.,  sondern  seinen  vorlagen  zur  last  fallen, 
aufmerksam  gemacht,  s.  136  citiert  Seh.  nach  Ferdinand  Wolfs 
Vorgang  eine  ausgäbe  der  Floresta  des  Santa  Cruz  de  Duenas: 
,Salamanca'  1576.     ich  bemerke  —  damit  der  fehler  sich  nicht 

^  der  gelehrte  catalanische  antiqoar  SaWador  Sanpere  y  Miqoel,  der 
Sch.s  buch  in  der  Vaoguardia  (Barcelona)  vom  30  dec  v.  j.  besprach,  er- 
wähnt noch  die  von  Seh.  nicht  verzeichneten  ital.  erstaasgaben  (Rasconi) 
v.  j.  1515  und  1518  des  Carcello. 


SCHNEIDER    SPANIEiNS   AiNTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN    LITTERATUR        139 

weiter  schleppe  —  dass  dem  bewährleu  altmeister  hier  etwa* 
menschliches  passiert  ist.  er  halte  offenbar  das  exemplar  der 
hofbibliothek  74.  X.  76  vor  sich,  dieses  enthält  aber  die  angäbe 
'Carago^a'  1576  auf  dem  titelblatt.  s.  150  ist  die  litelangabe  voi> 
Mexias  Sylva  variarum  leclionum  nach  Jöchers  unrichtigen  daten 
widerholl.  das  buch  [HB.  :  210-  B.  25]  hat  den  titel:  'Petri  Mes- 
siae  von  Sibilia  vilualtige  beschreibung  |  Christeuhcher  vnnd 
Heidnischer  Keyseren  |  Königen  |  .  .  .  Jetzt  neüwh'ch  auf!  das» 
fleißigesl  verieütscht ,  .  Basel  durch  Henrichem  Petri  vnnd  Pelrum 
Pernam  1564'.  in  der  widmuug  erklärt  Lucas  Zoleckhofer,  er 
habe  das  buch  'mit  gantzem  Fleiß  aus  Franlzösischer  und  Ita- 
lienischer spraach  .  .  auf!  daß  verständlichest  translatiert'. 

Für  die  bearbeituogen  von  Gracians  Oraculo  manual  s.  156(1 
ist  folgende  italienische  Übersetzung,  die  Seh.  nicht  anführt,  von 
Wichtigkeit  :  *L'huomo  di  corte.  Tradotto  dallo  spagnuolo  nel 
francese  idioma  e  comentato  dal  signor  Amelot  de  la  Houssaie 
nuovametite  tradoilo  dal  Francese  e  comentato  dair  abbate  Francesco 
Tosques.    Roma,  Luca  Antonio  Chracas,  1698'  [HB.  :  *28.  S.  38]. 

S.  277  ist  bei  der  Übersetzung  der  Celestina  das  ^unbekannt' 
durch  Christoph  Wirsung  zu  ersetzen;  er  nennt  sich  ausdrück- 
lich in  der  vorrede  des  buchs  [58.  V.  42].  vgl.  auch  Allgem. 
deutsche  biographie  43,  521. 

Von  werken,  beziehungsweise  artikeln,  die  in  Sch.s  buch 
gar  nicht  behandelt  sind,  erwähn  ich  zunächst  einen  interessanten 
beitrag  zu  der  (bekanntlich  jüngst  von  Farineih  [Guillaume  Hum- 
boldt] behandelten)  Montserrate-litteratur  :  ^Libro  de  la  Historia  y 
Milagros  hechos  a  iovocation  de  nuestra  Senora  de  Montserrat» 
1556'.  am  ende,  nach  der  tabla  :  ^Excudebat  Barcinone  Claudius 
Bornatius  1556'  [HB.  :  41.  M.  12]. 

Eine  Übersetzung  dieser  vou  F.  Gundisalvus  de  Soyo  (vgL 
Nie.  Antonio  BN.  i,  560)  verfassten  Historia,  jedoch  nur  bis 
zum  cap.  VIII,  in  der  ausgäbe  fol.  25\  bieten  die  hefte  :  Warhalftige 
vnd  gründliche  historia  |  Vom  Ursprung  |  auch  zunemung  des 
hochheiligen  Spannischen  Gotleshauß  Montis  Serrati  ....  auß 
Hispanischer  sprach  |  durch  einen  Catholischen  Patricium  Augu- 
stanum  in  hochleutsche  gebracht.  München,  Adam  Berg  1588' 
[HB.  *35.  E.  148]  und  *Von  Ursprung  deß  Hochheihgen  Spa- 
nischen Gotteshauß  Montis  Serrati  .  .  .  Prag,  in  deß  Ertz- 
Bischöfllichen  Seminar!  Druckerey  |  in  Emmaus  |  im  jähr  1687' 
[HB.  41.  L.  40]. 

Von  andern  ergänzungen,  welche  unser  hiesiges  material 
an  die  band  gibt,  seien  noch  angeführt  .*  'Consuelo  de  aiTligidos 
en  el  quäl  se  trata  de  los  fructos,  y  remedios  de  las  tribula- 
ciones  ....  Compuesto  por  el  Reverendo  padre  Caspar  Loarte, 
Doctor  Theologo,  de  la  Compania  de  Jesus,  Valencia  1578'  [HB.: 
17.  J.  42]  —  hiezu  die  Verdeutschung  :  *Trostspiegel  |  Vor  die 
Betrübten  |  Darinnen  der  Nutz  |  Vnnd  die  Früchten   so  auß  auß 

10* 


140       SCHNEIDER   SPANIENS   ANTEIL    AN    DER   DEUTSCHEN  LITTEBATUR 

den  Betrüboussen  volgen  |  angezeigt  werden.  Durch  den  Ehrwür- 
digen I  hochgelehrten  Herrn  P.  Casparum  Loart  .  .  .  beschrieben 
1610'  [HB.  :  32.  Z.  33]  (als  anhang  zu  Androzzis  Cathoi.  Car- 
wochen.     Freyburg  im  Br.  1609). 

Ferner  die  Übersetzung  von  Juan  Gonzalez  de  Hendozas 
Historia  de  las  cosas  mas  notables,  ritos  y  costumbres  del  gran 
reino  de  la  China  (Madrid  1586.  8^)  :  *Ein  neuwe,  kurtze,  doch 
wahrhaftige  Beschreibung  deß  .  .  Königreichs  China  etc.  In 
Hispanischer  Spracb  beschrieben,  auß  derselben  in  die  Italienische 
und  nunmehr  in  Hoch-Teutsch  gebracht  etc.  Frankfurt  am  Mayn. 
S.  Feyerabend  1589'  [HB.  :  65.  S.  28(3)]. 

Ich  breche  hier  mit  der  aufzählung  der  nachtrage  zu  Sch.s 
bibllographie  ab,  um  einer  allgemeinen  bemerkung  räum  zu  geben, 
die  angedeuteten  lücken,  wie  eine  reihe  anderer,  hier  nicht  er- 
wähnter roängel  sind  bei  einer  bibliographischen  Zusammenstellung, 
die  ein  möglichst  vollständiges  bild  liefern  soll,  gewis  bedauerlich, 
es  wäre  aber  m.  e.  verfehlt,  den  herausgeber  allein  hieffOr  ver- 
antwortlich machen  zu  wollen,  ein  derartiges  urteil  hat  gerade 
das  gegenteil  von  dem  im  gefolge^  was  eine  gesunde  kritik  im 
äuge  haben  muss.  wie  es  einen  mut  gibt  zu  irren,  so  ist  es 
unter  umständen  auch  ein  mutiges  unterfangen,  unvollständiges 
zu  bieten,  wer  das  verkennt,  wer  insbesondere  Obersieht,  dass 
bei  ausarbeitung  einer  solchen  bibliographie  eine  reihe  äufserer 
umstände  helfend  hinzutreten  muss,  der  schreckt  einfach  davon 
ab,  in  Zukunft  Sammelergebnisse  zu  veröffentlichen,  denen  zu- 
mindest das  verdienst  brauchbarer  vorarbeiten  nicht  abzusprechen 
ist.  solange  man  behufs  notwendiger  Vervollständigung  solcher 
bibliographien  in  den  grofsen  bUchersammlungen  des  contineuts 
nicht  bestimmt  auf  ausreichende  Unterstützung  seitens  des  Staates 
oder  gelehrter  gesellschaflen  rechnen  kann;  solange  ein  arbeits- 
behelf  von  universeller  bedeutung,  der  generalkatalog  sämtliclier 
deutscher  bibliotheken ,  noch  ein  pium  desiderium  bleibt,  ist  es 
ungerecht,  mängel  in  bibliographien,  die  ein  mit  bescheidensten 
mittein  arbeitender  Privatmann  veröffentlicht,  allzustark  hervor- 
heben zu  wollen,  weit  zweckmäfsiger  war  es,  die  dringende 
notwendigkeit  einer  deutschen  gesamtbibhographie  mit  allem  nacb- 
druck  zu  betonen,  die  mit  einem  male  zahllose  arbeiten  vor  den 
heute  fast  noch  unvermeidlichen  defecten  schützen  könnte,  und 
mau  sage  nicht,  dass  bei  uns  in  Deutschland  unmöglich  ist,  was 
die  trustees  des  Britischen  museums  schon  vor  jähren  begannen 
und  Leopold  Delisle  für  die  Pariser  nationalbibliothck  eben  mit 
staunenswerter  energie  ins  werk  setzt. 

Zu  den  mangeln  in  Sch.s  buch,  die  nur  systematische  durch- 
forschung  der  grofsen  deutschen  bibliotheken  beheben  konnte, 
gesellen  sicli  allerdings  auch  noch  andere,  die  durch  gehörige 
ausnützung  leicht  zugänglicher  gedruckter  hilfsbücher  wol  zu 
vermeiden  gewesen  wären,    eine  übersichtliche  Zusammenstellung 


SCHKEIOER   SPArSIEr<(S   A.NTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATUR       141 

der  quellenwerke  für  die  spanische  litteraturgescbichte,  etwa  in 
der  arty  wie  sie  Engelmann  und  Hübner  für  das  classische  aller- 
tum  boten f  besitzen  wir  freilich  noch  nicht;  das  4itteratur-ver- 
zeicbnis',  das  Seh.  seiner  arbeit  vorausschickt,  begreift  wol  das 
allerwichtigste,  ist  aber  doch  vielfach  zu  ergänzen,  ich  habe, 
speciell  zu  dem  zwecke,  um  Studien,  wie  die  Sch.s,  zu  erleichtern, 
vor  einigen  jähren  die  bedeutendsten  bibliographischen  und 
biographischen  hilfswerke  für  Spanien  zusammengestellt  ^ ;  dar- 
unter ßnden  sich  solche,  die  Seh.  neues  material  geboten  und 
gar  manche  seiner  biographischen  und  litterarischen  angaben  be- 
richtigt hätten.  als  beispiel  nenn  ich  Picatoste  ^Biblioteca 
cientifica  Espanola  del  siglo  xvi'  (Madrid  1891),  ein  Buch,  dessen 
Verwertung  für  den  vorliegenden  zweck  sich  durch  den  beige- 
gebenen index  :  'Autores  espanoles  comprendidos  en  este  libro, 
cuyas  obras  fueron  traducidas  ä  olras  lenguas'  besonders 
empfohlen  hätte,  die  angäbe  Picatostes  s.  188  bei  besprechung 
von  Pedro  de  Medinas  ^Arte  de  navegar'  :  Ma  tradujo  . .  .  al  aleman 
Miguel  Coignet,  en  1576,  haciendose  nuevas  ediciones  aumentadas 
por  el  mismo  Coignet  en  1577,  1580,  1581,  1628  y  1633'  be- 
ruht zwar  auf  einem  irrtum;  'scripsil  et  instructionem  de  Arte 
navegandi  gallice  Antver.  1581  4^  apud  Jac.  Heorici'  heifst  es 
bei  Foppens,  Bibliolheca  Belgica  n,  890,  und  Coignet  starb  be- 
reits 1623  (vgl.  a.  Biographie  nationale  p.  p.  TAc.  roy.  de  Bel- 
gique  IV  274).  dagegen  führt  Picatoste  durch  seine  notiz  über 
die  Verdeutschung  der  Historia  natural  de  las  Indias  des  Jose 
Acosta  zur  ermitlelung  der  bei  Scb.  nicht  verzeichneten  ausgäbe  : 
'New  Welt  |  Das  ist :  Volkommen  Beschreibung  von  Natur  |  Art 
vnd  gelegenheit  der  Newer  Welt  |  die  man  sonst  America  oder 
W^est-  Indien  nennet  |  in  zwey  theil  abgetheilt  . .  .  Erstlich  durch 
den  Hochgelerten  Herren  Josepbum  de  Acosta,  zu  Latein  in  Truck 
außgeben  |  folgents  dem  gemeinen  Mann  zum  guten  in  Teutsch 
vbergesetzt.  Gedruckt  zu  Colin,  Johan  ChristoiTel  1600'  [HB.: 
61.  c.  3*].  In  der  vorrede  heifst  es,  herr  Joseph  de  Acosta  habe 
'ein  Buchlein  lassen  aufsgehen  in  Lateinischer  Sprach,  welches  er 
intitulht  DE  NATVRA  NO  VI  ORBIS  \  toelches  seiner  furtreff  lieh- 
keit  halben  wol  werth  gewesen  das  es  vor  lengst  vbergesetzt  were. 
Da  sich  aber  sulches  bifsher  verzogen  \  hat  sich  ein  liebhaber  der 
Historien  darüber  gesetzt  \  vnd  aufs  der  Lateinischen  Spraach  in 
die  Teutsche  gebracht'. 

Auch  sonst  halle  auf  Picatostes  (allerdings  mit  vorsieht  auf- 
zunehmende) angaben  wenigstens  hingewiesen  werden  sollen:  das 
todesdatum  des  Bernardino  de  Mendoza  (vgl.  bei  Seh.  s.  109): 
21  Jan.  1605;  das  geburtsjahr  Pedro  Mexias  :  beginn  1500  (Seh. 
'ums  j.  1496');  sein  todesjahr  vor  1545  (nicht  1552).     überhaupt 

^  ^Der  stand  der  biographischen  Studien  in  Spanien',  Biograph,  blätter 
bd  I  h.  3.  nachtrage,  die  sich  seit  dem  erscheinen  dieses  Versuches  ein- 
stellten, werden  wol  bald  in  einer  zweiten  ausgäbe  verwertet  werden. 


142       SCHNEIDER   SPANIENS   ANTEIL   AN    DER   DEUTSCHEN   LITTERATCR 

hätte  Seh.  für  die  lebensgeschichtlichen  einzelheiten  neben  den 
älteren  autoren  wie  Nie.  Antonio,  Capmany  usw.  die  modernen 
biographien,  die  sich  in  der  oben  erwähnten  arbeit  gesammelt 
finden,  in  ausgedehnterem  mafse  benützen  sollen. 

Mit  den  vorstehnden  bemerkungen  könnte  die  besprechung 
von  Sch.s  buch  schhefsen,  wenn  allein  der  umfang  des  in  der 
vorrede  angedeuteten  programms  —  aufnähme  der  nachweislich 
in  Deutschland  gedruckten  litterarischen  werke  nebst  angäbe  der 
spanischen  originale  und  der  vermittelnden  Übersetzungen  —  in 
betracht  käme,  ein  buch,  das  über  'Spaniens  anteil  an  der 
deutschen  lilteratur  des  16  und  17  jhs.'  handelt,  erfordert  aber 
weiteren  ausblick  :  es  genügt  nicht^  die  resultate  des  einflusses 
in  trockenen  listen  vorzuführen,  sondern  auch  die  faden  blofs- 
^ulegen,  welche  auf  litterarischem  gebiete  von  dem  einen  lande 
zu  dem  andern  hinüberfübrten,  kurz,  den  intellectuelleo  einfluss 
Spaniens  auf  Deutschland  während  jener  zeit  bei  seiner  wurzel 
zu  fassen,  dass  Seh.  dies  unterlassen,  dass  die  —  übrigens  viel 
zu  knapp  gehaltene  —  einleitung  die  genesis  der  wechselwür- 
kung  zwischen  beiden  ländern  kaum  gestreift  hat,  ist  um  so 
überraschender,  als  sowol  Ebert  wie  auch  Farinelli  in  den  oben 
erwähnten  aufsätzen  den  weg  angedeutet  haben,  der  hier  einzu- 
schlagen war.  ohne  dass  ich  irgendwie  den  anspruch  erhebe^ 
sämtliche  einschlägigen  fragen  zu  berühren,  möcht  ich  der  histo- 
rischen entwicklung  des  einflusses  Spaniens  auf  Deutschland  hier 
etwas  näher  treten;  vielleicht  ist  es  hiebei  möglich,  schwer  zu- 
gängliche oder  bisher  unbekannte  daten  der  weiteren  Forschung 
(iber  den  gegenständ  zuzuführen. 

Die  vorzüglichste  (wenn  auch,  wie  noch  später  gezeigt  wer- 
den soll,  auch  für  die  ältere  zeit  gewis  nicht  allein  aufschluss- 
reiche) quelle  zur  feststellung  der  spanisch-deutschen  beziehungen 
sind  bekanntlich  die  reisen  nach  der  iberischen  halbinsel.  man 
hat  ihnen  frühzeitig  beachtung  geschenkt;  abgesehen  von  den 
älteren  grofsen  Sammlungen  von  reisen^  wird  schon  1743  in 
Zedlers  üniversal-lexicon  s.v.  'Spanien*  (bd.  xxxviii,  sp.  1107  0) 
unter  den  'SchrifTten,  welche  zur  Erläuterung  dieses  ansehnlichen 
Reichs  gute  dienste  tun'  der  reisewerke  gedacht  und  insbeson- 
dere in  dem  'Versuch  einer  litteratur  deutscher  reisebeschrei- 
bungen',  Prag  1793  in  der  abteilung  'Spanien'  eine  reihe  solcher 
ilinera  (auch  Übersetzungen  ins  deutsche)  mitgeteilt,  aber  erst 
die  letzten  jähre  brachten  uns  zwei  arbeiten,  welche  den  gegen- 
ständ auf  breiter  grundlage  behandeln.  R.  Foulch^-Delbosc  hat 
in  seiner  Bibliographie  des  voyages  en  Espagne  et  en  Portugal 
(Revue  Hispanique  iii,  1896)  nicht  weniger  als  858  Originalaus- 
gaben solcher  reiseberichte  zusammengestellt;  davon  sind  123  in 
deutscher  spräche  geschrieben,     wie   reichliche    nachlese  selbst 

>  Sammlung  der  besten  und  ausfährlichslen  reisebeschreibangen,  Berlin 
1764  ff  uam. 


SCHNEIDEB   SPAMETiS    ANTEIL    AIV    DER    DEDTSCHEN   LITTERATDR      143 

diese  so  umsichtig  gearbeitete  Sammlung  zuliess^  hat  in  alier- 
jüngster  zeit  Arthur  Farinelli  in  seinen  von  staunenswerter  be- 
lesenheit zeugenden  Apuntes  sobre  viajes  y  viajeros  por  Espana 
y  Portugal  (Revista  critica  de  historia  y  literatura  espanolas,  ii, 
1898)  gezeigt,  die  Üppigkeit  des  spicilegiums  erklärt  sich  zum 
teil  durch  den  umstand,  dass  Farinelli  nicht  blors  eigentliche  und 
vollständige  reisebeschreibungen  in  den  bereich  seiner  nachtrage 
einbezog,  sondern  auch,  und  zwar  mit  recht,  briefsammlungen, 
einzelnen  schreiben,  notizen  über  stattgefundene  reisen,  gleich- 
viel ob  handschriftlich  oder  gedruckt,  seine  aufmerksamkeit  zu- 
wante.  nicht  blofs  derjenige,  welcher  der  litterarischen  wechsel- 
würkung  zwischen  Spanien  und  den  übrigen  europäischen  län- 
dern  nachgeht,  auch  der  historiker  von  fach,  der  kunst-  und 
culturhisloriker  werden  diese  eben  veröfTentlichten  bibliographien 
mit  grofsem  nutzen  zu  rate  ziehen,  ich  halte  vorläufig  mit  einem 
allgemeinen  urteil  über  plan  und  zweck  dieser  arbeiten  zu- 
rück und  möchte  zunächst  eine  seite  derselben  näher  ins  äuge 
fassen,  die  sich  hier,  wo  wir  über  den  anteil  Spaniens  an  dem 
deutschen  Schrifttum  sprechen,  von  selbst  in  den  Vordergrund 
schiebt,  unter  der  grofsen  zahl  von  reisen  kommen  für  den 
vorliegenden  zweck  naturgemäfs  jene  in  betrachte  bei  denen  als 
folgeerscheinung  sich  ein  einfluss  auf  deutsches  Schrifttum  be- 
ziehungsweise deutsches  denken  entweder  sicher  erkennen  oder 
doch  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  voraussetzen  lässt.  einige 
beispiele,  die  hier  folgen,  mögen  dartun,  in  welchem  sinne 
ein  derartiger  einfluss  würkte  oder  würken  konnte,  es  ist  nicht 
nötig,  erst  zu  versichern,  dass  hier  vornehmlich  solche  daten 
berücksichtigt  wurden,  die  weder  Farinelh  noch  Foulch^-Delbosc 
ihren  Sammlungen  einverleibt  haben. 

In  einem  Chronicon  von  Cardeua,  dessen  abschluss  noch  in 
die  erste  hälfte  des  14  jhs.  f^llt  (herausgegeben  von  Enrique 
Florez,  Espana  sagrada  xxiii  [1767]  s.  370fl)  finden  sich  folgende 
zwei  eintragungen:  Era  de  mccxch  (1254)  anos  entrö  en  Burgos 
la  Infant  fija  del  Key  de  Noruega  e  tomola  por  muger  D.  Felipe 
hermano  del  Key,  e  D.  Felipe  era  eleclo  de  Sevilla  e  dejö  el  Arzo- 
bispado.  —  Era  de  mccxcv  (1257)  entraron  los  Alemanos  en  Burgos 
para  dar  el  Emperazgo  al  Bey  D.  Alfonso  fijo  del  Bey  D.  Fer- 
rando  en  el  mes  de  Junio, 

Die  beiden  nachrichten  gehören  zu  den  ältesten  documen- 
tarisch  beglaubigten  Zeugnissen  für  die  beziehungen  Castiliens 
zu  den  germanischen  Völkern  —  beziehungen,  die  durch  bedeut- 
same missionen  nach  Spanien  veranlasst  wurden,  an  der  reise 
der  norwegischen  prinzessin  Christina,  tochter  könig  Häkons  iv 
im  j.  1256  (nicht  1254)  nahmen  aufser  dem  bischof  Peter  von 
Hamar  nicht  weniger  als  120  personen  teiM.     der  zug,  den  im 

^  vgl.  Adam  Kristoffer  Fabricius  La  connaissance  de  la  Peoiusule 
Espagnole  par  les  hommes  du  Nord,  Lisbonne  1892,  8^    auf  die  altern  aao. 


142       SCHNEIDER   SPANIENS   ANTEIL   AN    DER   DEUTSCHEN   LITTERATUB 

hätte  Seh.  für  die  lebeDsgeschicbtlichen  einzelheiteo  neben  den 
älteren  autoren  wie  Nie.  Antonio,  Capmany  usw.  die  modernen 
biographien,  die  sieb  in  der  oben  erwähnten  arbeit  gesammelt 
finden,  in  ausgedehnterem  mafse  benützen  sollen. 

Mit  den  vorstehnden  bemerkungen  könnte  die  besprechung 
von  Sch.s  buch  schliefsen,  wenn  allein  der  umfang  des  in  der 
vorrede  angedeuteten  programms  —  aufnähme  der  nachweislich 
in  Deutschland  gedruckten  litterarischen  werke  nebst  angäbe  der 
spanischen  originale  und  der  vermittelnden  Übersetzungen  —  in 
betracht  käme,  ein  buch,  das  über  'Spaniens  anteil  an  der 
deutschen  litteratur  des  16  und  17  jhs.'  handelt,  erfordert  aber 
weiteren  ausblick  :  es  genügt  nicht^  die  resultate  dea  einflusses 
in  trockenen  listen  vorzuführen,  sondern  auch  die  faden  blofs- 
jEulegen,  welche  auf  litterarischem  gebiete  von  dem  einen  lande 
zu  dem  andern  hinüberführten,  kurz,  den  intellectuellen  einfluss 
Spaniens  auf  Deutschland  während  jener  zeit  bei  seiner  wurzel 
zu  fassen,  dass  Seh.  dies  unterlassen,  dass  die  —  übrigens  viel 
zu  knapp  gehaltene  —  einleilung  die  genesis  der  wechselwür- 
kung  zwischen  beiden  ländern  kaum  gestreift  hat,  ist  um  so 
überraschender,  als  sowol  Ebert  wie  auch  Farinelli  in  den  oben 
erwähnten  aufsälzen  den  weg  angedeutet  haben,  der  hier  einzu- 
schlagen war.  ohne  dass  ich  irgendwie  den  anspruch  erhebe^ 
sämtliche  einschlägigen  fragen  zu  berühren,  möcht  ich  der  histo- 
rischen entwicklung  des  einflusses  Spaniens  auf  Deutschland  hier 
etwas  näher  treten;  vielleicht  ist  es  hiebei  möglich,  schwer  zu- 
gängliche oder  bisher  unbekannte  daten  der  weiteren  Forschung 
(iber  den  gegenständ  zuzuführen. 

Die  vorzüglichste  (wenn  auch,  wie  noch  später  gezeigt  wer- 
den soll,  auch  für  die  ältere  zeit  gewis  nicht  allein  aufschluss- 
reiche) quelle  zur  feststellung  der  spanisch-deutschen  beziehungen 
sind  bekanntlich  die  reisen  nach  der  iberischen  halbinsel.  mau 
hat  ihnen  frühzeitig  beachtung  geschenkt;  abgesehen  von  den 
älteren  grofsen  Sammlungen  von  reisen^  wird  schon  1743  in 
Zedlers  UniversaMexicon  s.v.  'Spanien'  (bd.  xxxviii^  sp.  1107  0) 
unter  den  'SchrifTten,  welche  zur  Erläuterung  dieses  ansehnlichen 
Reichs  gute  dienste  tun'  der  reisewerke  gedacht  und  insbeson- 
dere in  dem  'Versuch  einer  litteratur  deutscher  reisebeschrei- 
bungen',  Prag  1793  in  der  abteilung  'Spanien'  eine  reihe  solcher 
itioera  (auch  Übersetzungen  ins  deutsche)  mitgeteilt,  aber  erst 
die  letzten  jähre  brachten  uns  zwei  arbeiten,  welche  den  gegen- 
ständ auf  breiter  grundlage  behandeln.  R.  Foulch^-Delbosc  hat 
in  seiner  Bibliographie  des  voyages  en  Espagne  et  en  Portugal 
(Revue  Hispanique  in,  1896)  nicht  weniger  als  858  Originalaus- 
gaben solcher  reiseberichte  zusammengestellt;  davon  sind  123  in 
deutscher  spräche   geschrieben,     wie   reichliche    nachlese   selbst 

'  Sammlung  der  besten  und  ausföhrlichslen  relsebeschreibangen,  Berlin 
1764  ff  uam. 


8CHNEIDEB   SPAMETiS   ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN    LITTERATUR      143 

diese  so  umsichtig  gearbeitete  Sammlung  zuliess^  hat  in  aller- 
jüngster  zeit  Arthur  Farinelli  in  seinen  von  staunenswerter  be- 
lesenheil zeugenden  Apuntes  sobre  viajes  y  viajeros  por  Espana 
y  Portugal  (Revista  critica  de  historia  y  lileratura  espanolas,  ii, 
1898)  gezeigt,  die  Üppigkeit  des  spicilegiums  erklärt  sich  zum 
teil  durch  den  umstand,  dass  Farinelli  nicht  blofs  eigentliche  und 
vollständige  reisebeschreibungen  in  den  bereich  seiner  nachtrage 
einbezog,  sondern  auch,  und  zwar  mit  recht,  briefsammlungen, 
einzelnen  schreiben,  notizen  über  statlgefundene  reisen,  gleich- 
viel ob  handschriftlich  oder  gedruckt,  seine  aufmerksamkeit  zu- 
baute, nicht  blofs  derjenige,  welcher  der  litterarischen  wechsel- 
würkung  zwischen  Spanien  und  den  übrigen  europäischen  län- 
dem  nachgeht,  auch  der  historiker  von  fach,  der  kunst-  und 
cullurhistoriker  werden  diese  eben  veröfTentlichten  bibliographien 
mit  grofsem  nutzen  zu  rate  ziehen,  ich  halte  vorläufig  mit  einem 
allgemeinen  urteil  über  plan  und  zweck  dieser  arbeiten  zu- 
rück und  möchte  zunächst  eine  seile  derselben  näher  ins  äuge 
fassen,  die  sich  hier,  wo  wir  über  den  anteil  Spaniens  an  dem 
deutschen  Schrifttum  sprechen,  von  selbst  in  den  Vordergrund 
schiebt,  unter  der  grofsen  zahl  von  reisen  kommen  für  den 
vorliegenden  zweck  naturgemäfs  jene  in  betrachte  bei  denen  als 
folgeerscheinung  sich  ein  einfluss  auf  deutsches  Schrifttum  be- 
ziehungsweise deutsches  denken  entweder  sicher  erkennen  oder 
doch  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  voraussetzen  lässt.  einige 
beispiele,  die  hier  folgen,  mögen  dartun,  in  welchem  sinne 
ein  derartiger  einfluss  würkle  oder  würken  konnte,  es  ist  nicht 
nötig,  erst  zu  versichern,  dass  hier  vornehmlich  solche  daten 
berücksichtigt  wurden,  die  weder  Farinelli  noch  Foulcb^-Delbosc 
ihren  Sammlungen  einverleibt  haben. 

In  einem  Chronicon  von  CardeiTa,  dessen  abschluss  noch  in 
die  erste  hälfte  des  14  jhs.  fälh  (herausgegeben  von  Enrique 
Florez,  Espana  sagrada  xxiii  [1767]  s.  370  fO  fioden  sich  folgende 
zwei  eintragungen:  Era  de  mccxcii  (1254)  anos  entrö  en  Burgos 
la  Infant  fija  del  Key  de  Noruega  e  tomola  por  muger  D.  Felipe 
hermano  del  Key,  e  D.  Felipe  era  eleclo  de  Sevilla  e  dejö  el  Arzo- 
hispado.  —  Era  de  mccxcv  (1257)  entraron  los  Alemanos  en  Burgos 
para  dar  el  Emperazgo  al  Rey  D.  Alfonso  fijo  del  Rey  D.  Fer- 
rando  en  el  mes  de  Junio. 

Die  beiden  nachrichten  gehören  zu  den  ältesten  documen- 
tarisch  beglaubigten  Zeugnissen  für  die  beziehungen  Castiliens 
zu  den  germanischen  Völkern  —  beziehungen,  die  durch  bedeut- 
same missionen  nach  Spanien  veranlasst  wurden,  an  der  reise 
der  norwegischen  prinzessin  Christina,  tochter  könig  Häkons  iv 
im  j.  1256  (nicht  1254)  nahmen  aufser  dem  bischof  Peter  von 
Hamar  nicht  weniger  als  120  personen  teiH.     der  zug,  den  im 

^  vgl.  Adam  Kristoffer  Fabricius  La  connaissance  de  la  Peoiusule 
Espagnole  par  les  hommes  du  Nord,  Lisbonne  1892,  8^    auf  die  altern  aao. 


144      SCHNBIDER   SPARIE.'VS   AKTEIL    k:i    DER    DEUTSCfiKN   LITTEBATOB 

frühling  des  jahres  1257  der  bischof  von  Speier,  der  propst  von 
SGuido  derselben  Stadt,  Conrad  von  Steinacb,  ferner  der  bischof 
von    Constanz    und    der   abt    von    SGallen    unternahmen  ^ ,    um 
Alfons  X  die  künde  von  seiner  wähl  zum  deutschen  Könige  zh 
überbringen,  war  für  jene  zeit  gewis  ein  ereignis  ersten  ranges. 
hier  kommt  nun   besonders   ein   punct  in  betracht,   der  m.  w. 
bisher    noch    nicht   hervorgehoben  vi^urde.      das   eodziel    beider 
missioßen  war  Burgos,  und  wir  wissen,  dass  sich  die  Sendboten, 
die  reichsdeutschen  wie  auch  die  nordischen,  längere  zeit  in  der 
alten    castilischen    hauptstadt   aufgehalten    haben,      die  fremden 
gaste  sahen  gewis  das  haus  des  Cid,  das  man  in  Burgos  heute 
noch  zeigt,  man  mag  sie  auch  in  das  benachbarte  kloster  Cardena 
geleitet  haben,  wo  die  irdischen  Überreste  des  beiden  und  seiner 
gattin  Ximena,  ja    auch  der  cadaver  seines   streitrosses  Bavieca 
begraben  worden  waren,    es  scheint  undenkbar,  dass  man  gerade 
den  geistlichen  Würdenträgern  aus  fernen  landen  die  merkwür- 
digen erinnerungszeichen   an   den  Cid,  an   den   Vorkämpfer  der 
Christenheit  auf  spanischem   boden  —  als  solcher  erscheint   er 
ja  schon   im  Poema   und  womöglich   noch  mehr  in  der  alfonsi- 
nischen  chronik  —  sollte   vorenthalten   haben,     um  so  gewisser 
ist  es,  dass  sich  damals  —  zum  erstenmale  —  Vertretern  des  ge- 
bildeten Standes  aus  unseren  ländern    der  historische   kernpunct 
der  glänzendsten  spanischen  epopöe  erschloss.     inwieweit  diese 
eindrücke  einer  fremden,  aber   darum   gewis   nicht  minder  an- 
ziehenden heldensage  nach  der  rückkehr  der  boten  in  die  heimat 
fortwürkte,  ist  heute  ebenso  schwer  zu  controUieren,  wie  die  spur 
der  xenia,  die   den  gasten   von   seite  Alfonsos  gewis  geworden 
sind,    ich  denke  hier  nicht  blofs  an  gastgeschenke  von  materi- 
ellem wert,  sondern^  wie  es  sich  bei  dem  *rey  sabio',  dem  frucht- 
barsten schriftsteiler  seiner  zeit,    annehmen  lässt,  auch  an  litte- 
rarische,   ganz  ausgeschlossen  ist  es  ja  nicht,  dass  in  Speier  oder 
Constanz  sich   noch   ein   oder  das  andere  object  findet,  das  die 
bischöfe  von  jener  fahrt  nach  hause  gebracht;    in  SGallen,    be- 
sonders   in     der    bibliothek,    die    ich    etwas    genauer     kenne, 
dürfte  leider  ein  nachforschen  vergeblich  sein,    der  abt,  um  den 
es   sich    hier  handelt  —  Berthold  vFrankenstein  (1244 — 1271) 
— ,    war   allerdings^    so   schildert  ihn    wenigstens  Weidmann  % 
ein    gar    streitbarer    herr,     dem     ein     ordentliches    rossgehger 
hoher    stand    als    selbst    das    schönste    messbuch,      die    holT- 
nung,  greifbare  erinnerungszeichen  an  jene  reise  deutscher  Send- 
boten  heute   noch   auf  deutschem  boden  zu  finden»    ist  freilich 
umso  geringer,  als  die  urkundlichen  Zeugnisse  für  eine  ganze  reihe 
von  gesantschaftsreisen,   die  im   darauffolgenden  Jahrhundert  von 

besprochenen  reisen  norwegischer  föhrer  kann  hier  nur  kurz  verwiesen 
werden.  ^  so  Arn.  ßusson  Die  doppelwahl  des  j.  1257  und  das  röm.  könig- 
tum  Alfons  x  von  Gastilien,  Mfinster  1866,  s.  37  f.  vgl.  aber  Böhmer-Fioker  Re- 
gesta  imperii  v  s.  1027  f.  *  Geschichte  der  bibliothek  so  SGallen  s.  26. 


SCHl^EIDKR   SPAMEISS  ANTEIL    AN    DER    DEDTSCHEN   LITTERATUB       14& 

Wi«o  aus  oach  Spanien,  speciell  nach  Aragon  erfolgten,  sich 
nicht  bei  una  erhallen  haben,*  sondern  —  im  kronarchiv  von 
Barcelona,  es  ist  ein  verdienst  des  kürzlich  verstorbenen  histo- 
hkers  Heinrich  vZeifsberg,  das  umfangreiche  register,  das  die 
notariellen  Urkunden  über  die  Werbung  Friedrichs  des  Schönen 
um  die  band  Isabels,  der  tocbter  könig  Jaimes  ii.  enthält,  diplo- 
matisch getreu  veröffentlicht  und  erläutert  zu  haben  ^  der*ersten 
reise  des  Sendboten  Friedrichs,  Konrad  vVerhebang[80  Zurita;  urkdL 
^Conradus  dorn,  nove  civitatis',  also  von  Wiener  Neustadt],  welche 
Farinelli  (Apuntes  s.  8)  anführt,  folgten  noch  weitere  gesant- 
Schäften  von  Wien  nach  Barcelona,  um  die  heiratsverhandlungen  zu 
ende  zu  führen:  die  bedeutendste  war  natürlich  jene,  welche  die 
einholung  der  braut  bezweckte,  aufser  dem  abt  Otto  vSLam- 
precht,  dem  kämmerer  Rudolf  vLiechtenstein ,  dem  hauptmann 
ob  der  Enns  Heinrich  vWalsee  und  dem  hofmeister  Hervord 
vSimaning  nahmen  an  dieser  gesantschaft,  wie  berichtet  wird, 
noch  ^andere  ehrenwerte  personen  des  geistlichen  wie  des  laien- 
Standes  teil',  jenes  in  der  folgezeit  so  unglückliche  aragonesische 
königskind  weilte  lange  jähre  in  Wien,  in  verschiedenen  Städten 
Niederösterreichs  und  der  Steiermark,  und  während  dieser  zeit, 
namentlich  aber  bis  zum  tode  ihres  zärtlich  besorgten  vaters  blieb 
der  verkehr  zwischen  der  königin  und  ihren  angehörigen  auf- 
recht erhalten^,  der  fremdartige  zauber,  welcher  die  aragone- 
sische königstochter  umgab,  ihre  anmut,  ihr  mildes  wesen,  nicht 
minder  auch  ihr  tragisches  geschick  lassen  es  erklärlich  erscheinen« 
dass  Johann  vVictring  ihrer  in  seinem  Liber  certarum  histo- 
riarum  widerholt  und  ausführlich  gedenkt;  an  manchen  dieser 
stellen  erhebt  sich  der  alte  chronist  sogar  zu  einem  gewissen 
Schwung,  aus  anderen  lässt  sich  erraten,  dass  ein  augenzeuge 
spreche,  der  die  schöne  Spanierin  persönlich  kannte,  auch 
über  die  oben  erwähnte  gesantschaft  nach  Barcelona  verdanken 
wir  Jobann  vVictring  einige  anderweitig  nicht  überlieferte  einzel- 
heiten;  es  ist  dies  umso  bemerkenswerter,  als  sonst  derlei  be- 
richte über  Spanienfabrten  deutscher  reisender  in  jener  zeit  nur 
sehr  sporadisch  auftreten,  ja  eigentlich  erst  die  zweite  hälfte 
des  15  jhs.  bietet  uns  umfangreichere  beschreibungen  von  reisen, 
die  von  unsern  gauen  aus  nach  Spanien  unternommen  wurden, 
über  den  mehrmals  publicierten  trocknen  bericht,  den  Georg 
vEhingen  über  seine  fahrt  nach  Spanien  (1457)  lieferte,  ist  hier 
nichts  zu  sagen,  auch  'Des  böhmischen  herrn  Leos  von  Roimital 
rilter-  hof-  und  pilger-  reise  durch  die  abendlande  1465—1467. 
beschrieben  von  zweien  seiner  begleiter'^  ist  schon  seit  geraumer 

1  ^Elisabeth  von  Aragonien,  gemahlin  Friedrichs  des  Schönen  von 
Österreich   (1314-1330)'.     WSB.  phil.-hist.  cl.  bd  137  nr  vii  (Wien  1898). 

^  Tgl.  die  publication  vZeifsbergs  aao.  bd  140  nr  i. 

3  es  sind  dies  der  Böhme  Schaschek  und  der  Nürnberger  Gabriel  Tetzel. 
der  erste  beschrieb  die  reise  in  lateinischer,  der  zweite  in  deutscher  spräche. 


146      SCHNEIDER   SPANIENS   ANTEIL   AN   DER   DEUTSCHEN   LITTERATDR 

zeit  mehrfach  veröffentlicht,  sodass  ich.  mich  begnüge,  auf  eine 
Yiol  zu  beachlende  einzelheit,  das  bekanntwerden  spanischer 
sagen  in  deutschen  landen  eben  durch  diese  beschreibung  auf- 
merksam, zu  machen  :  die  von  teufein  in  einer  nacht  erbaute 
brücke  von  Segovia  (der  aquaeduct),  das  wunderbare  crucifix  von 
Burgos  (eine  art  gegenstück  zu  dem  crucifix  von  Oviedo,  von 
dem  aber  die  begleiter  Roimitais  nichts  erzählen)^;  der  reiche 
iiranz  von  sagen,  die  sich  um  die  person  des  apostels  Jacob 
bildeten  und  deren  mitteilung  sich  besonders  der  böhme  Schaschek 
angelegen  sein  liefs,  wahrend  bei  dem  berichte  Gabriel  Tetzels 
der  passus  über  den  Jacobstein  (s.  178  der  ausg.  Schmellers) 
vorzüglich  bemerkenswert  erscheint;  die  abenteuerliche  und  an 
wunderbaren  zuß&Uen  reiche  fahrt  der  Schiffer,  die,  für  vier  jähre 
verproviantiert,  von  Finisterrae  aus  nach  den  /regiones  desertae' 
geschickt  werden,  ein  wol  an  legenden  üppiger,  aber  in  seinem 
erfolge  weniger  glücklicher  zug  als  die  30  jähre  später  erfolgte 
expedition  Colons  (vgl.  auch  s.  ix  bei  Schmeller);  die  ganz  den 
alten  ritterromanen  nachgebildete  erzdhlung  von  der  unglück- 
lichen Jungfrau  von  Merida;  die  erblindung  des  königs  und  des 
ganzen  gesindes  bei  der  belagerung  des  beiligtums  zu  Guadalupe 
—  ein  unverkennbarer  anklang  an  die  auf  spanischem  boden 
mit  solcher  Vorliebe  erzählten  Marienlegenden,  die  schon  zwei 
Jahrhunderte  früher,  zur  zeit  Berceos  und  Alfons  des  gelehrten, 
reiche  pflege  fanden  —  diese  und  andere  Stoffe  aus  der  bekannt- 
lich überaus  reichen  spanischen  sagen-  und  legendendichtung 
fanden  durch  Roimitais  begleiter  bei  uns  eingangs  unsere 
kenntnis  von  berichten  über  ältere  deutsche  reisen  nach  Spanien 
ist  durch  Farinellis  nachtrage  zu  Foulch^Delboscs  Voyages  in 
wünschenswerter   weise  bereichert  worden,     zu  den  wichtigsten 

den  citierten  titel  führt  die  ausgäbe  Schmellers,  ßibl.  des  litt.  ver.  in  Stutt- 
gart, bd  VII,  1844. 

^  eine  kurze  erwähn ung  dieser  'croix  faicte  des  angles'  io  dem  Premier 
voyage  de  Philippe  le  Beau,  Ghroniqaes  Beiges  in^dites,  Gollection  des  voy- 
ages des  souverains  des  Pays-Bas  p.  p.  Gachard  vol.  i  (1876)  s.  157. 

'  auf  das  abenteuer,  das  Rozmital  und  seinen  gefährten  bei  Gantalapiedra 
begegnete  —  sie  sahen  einen  einsiedler,  den  man  für  den  könig  von  Polen 
liielt  — ,  hat  Farinelli  bereits  aufmerksam  gemacht,  hiniuzufügen  wäre,  dass 
die  merkwürdige,  von  Schaschek  erzählte  erkennungsscene,  die  Huldigung 
seitens  eines  Untertanen  usw.  wol  blofe  eine  legende  ist,  die  eben  nur  so 
mitgeteilt  wird,  als  hätte  sie  sich  vor  den  äugen  der  reisenden  würklich 
zugetragen,  hält  man  hiermit  die  tatsache  zusammen,  dass  Johannes  Dan- 
liscus,  der  gesante  Sigmunds  i  von  Polen,  eine  überaus  einflussreiche 
rolle  am  spanischen  hofe  spielte  und  —  auch  in  verwantschafts-  und  an- 
erkenn ungsfragen  —  eine  weitreichende  tätigkeit  entfaltete,  so  ergibt  sich, 
dass,  wie  hier  gelegentlich  bemerkt  sein  mag,  Galderons  berühmte  cOmedia : 
.*La  vida  es  sueno'  rücksichtlich  der  eiokleidung  der  urspräoglich  morgen- 
landischen erzählung  nicht  durchaus  jenes  nur  der  erfindung  des  dichters 
entsprungene  phanlasiestück  za  sein  braucht,  für  das  sie  gewöhnlich  ge- 
halten wird. 


SCHNEIDER   SPANIENS    ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN    LITTERATCR       147 

bescbreibuDgeQ,  auf  die  Farioelli  aufmerksam  machte,  gehört  das 
itinerarium  des  Hieronymus  Münster  aus  Nürnberg  (1494 — 1495), 
handschrifllich  in  einem  codex  der  MUnchener  hof-  und  Staats- 
bibliothek erhalten  und  bis  jetzt  unverOfTeutlicht  (inhaltsangabe  und 
ein  kurzer  auszug  in  den  Apuntes  s.  14  und  1280*  ^^i  dieser 
gelegenheit  sei  erwähnt,  dass  zu  zwei  wertvollen  alten  reisebe- 
richten,  die  von  Foulch6-Delbosc  zwar  verzeichnet,  ihrer  Über- 
lieferung nach  jedoch  nicht  eingehend  geprüft  wurden,  gleichfalls 
Dachträge  zu  liefern  sein  werden  :  ich  meine  die  fahrt  des  rilters 
Nicolaus  vPopplau  nach  Portugal  und  Spanien  in  den  jähren 
1484  und  1485  und  die  relationen  des  Johannes  Dantiscus, 
—  Dantiscus  vllöfen  —  polnischen  bolschafters  am  hofe 
Karls  V  während  der  jähre  1519  — 1531.  über  dem  berichte 
des  Nicolaus  vPopplau  hat  ein  eigner  unstern  gewaltet.  das 
original  gieng  verloren,  nur  eine  copie  hat  sich  in  der  Elisa- 
bethbibliothek zu  Breslau  erhalten  und  nach  dieser  wurde  der 
bericht  in  der  zs.  'Schlesien  ehedem  und  jetzt*  v.  j.  1806  ver- 
OfTentlichL  diese  deutsche  ausgäbe  ist  aber  unauffindbar  ge- 
worden, weder  Foulch^-Delbosc  noch  Farinelli  haben  sie  ge- 
sehen, und  auch  meine  bemühungen,  sie  aufzustöbern,  blieben 
erfolglos,  so  kommt  es,  dass  wir  den  deutschen  bericht  in  der 
spanischen  Übersetzung  benützen  müssen  :  'Viages  de  extrangeros 
por  Espasa  y  Portugal  en  los  siglos  xv  xvi  y  xvii.  Coleccion 
de  Javier  Liske.  Traducidos  del  original  y  anotados  por  F.  R. 
{Felix  Rozanski]  Madrid,  s.a.'  in  dieser  Sammlung  nimmt  die 
reise  des  ritters  Nicolaus  vPopplau  die  erste  stelle  ein.  die 
beigegebenen  noten,  welche  hie  und  da  auch  stellen  des  deutschen 
textes  bieten,  legen  nun  so  manche  schaden  der  Überlieferung 
blofs.  bald  heifst  es,  das  deutsche  original  sei  unverständlich 
oder  ob  seines  urwüchsigen  ausdruckes  unübersetzbar  gewesen; 
bald  werden  stellen  willkürlich  weggelassen,  bald  wird  schlechthin 
eine  lücke  constatiert,  wobei  wider  unentschieden  bleibt,  ob  die 
hsl.  copie  oder  der  abdruck  hieran  schuld  trägt,  diese  schaden 
empfindet  doppelt,  wer  in  Nicolaus  vPopplau  einen  der  bedeu- 
tendsten, sicher  den  originellsten  aller  mittelalterlichen  bericht- 
erstatter,  die  hier  in  frage  kommen,  schätzen  gelernt  hat.  der 
selbstbewuste  ritter  liebt  es  zwar,  sich  auf  ein  piedestal  zu  stellen, 
vornehm  zu  posieren,  aber  von  seinem  seis  auch  etwas  eigen- 
mächtig erhöhten  standpunct  aus  beurteilt  er  land  und  leute 
mit  einem  freimut,  einer  Sicherheit  und  Unabhängigkeit,  die  ihm 
alle  ehre  machen,  ein  realist  im  schauen  und  jedem  legen- 
darischen beiwerk  abhold,  ist  er  knapp  im  ausdruck  und  beson- 
ders treffsicher  in  sinnfälliger  darstellung  seiner  vielen  merk- 
würdigen erlebnisse.  es  bedarf  nicht  erst  der  Versicherung,  dass 
eine  correcte  neuausgabe  des  deutschen  berichles  in  hohem  grade 
wünschenswert  wäre,  auch  für  die  sehr  umfangreichen  relationen 
des  Johannes   vHöfen  führt  Foulch6-Delbosc  die   oben  erwähnte 


148      SCHiNEIDER   SPANIEL^S   ANTEIL   AN   DER  DEUTSCHEN   UTTBRATDR 

Sammlung  der  ^Viages'  als  alleioige  quelle  an.  da  FariDelli  in 
seinen  Apuntes  auf  diese  angäbe  nicht  zurückkommt,  sei  erwähnt, 
dass  die  originalberichte  dieses  ungemein  tätigen  polnischen  Send- 
boten am  spanischen  hofe  in  den  ^Acta  Tomiciana  • . .  resgestae 
Serenissimi  principis  Sigismundi  • . .  scriptae  per  Stanislaum  Gorski 
.  .  .  Petri  Tomicii  secretarium  .  .  .'  Posen  18520*  nachgelesen 
werden  müssen,  da  Liske  in  den  ^Viages'  aus  der  fülle  der  ein- 
schlägigen relationen  nur  kurze  auszüge  bietet;  dass  endlich  nach 
publicierung  der  Viages  noch  ein  weiterer  teil  (bd.  x)  der  ^Acta' 
in  druck  erschienen  ist,  der  gleichfalls  eine  stattliche  reihe  Ton 
Dantiscusrelationen  bietet,  daher  denn  diese  ergiebige  quelle  von 
berichten  über  spanische  zustände  zu  beginn  des  16jhs.  noch 
nicht  ausgenützt  erscheint. 

Bei  diesen  und  so  manchen  andern  alten  berichten  über 
Spanien  ßillt  vornehmlich  ein  umstand  auf,  die  deutschen  rei- 
senden erzählen  nicht  nur  von  gefahren  und  abenteuern,  schwie- 
rigen Zügen  und  anderm  ungemach;  sie  geben  auch  künde  von 
Sitten,  festen,  aufzügen,  von  Sehenswürdigkeiten  aller  art,  ja  selbst 

—  hier  steht  unser  Nicolaus  vPoppIau  an  der  spitze  —  von  in- 
dustriellen und  commerciellen  Verhältnissen,  nur  die  litteratur 
existiert  für  sie  nicht,  am  allerwenigsten  die  nationale,  es  ist 
eine  ausnähme,  wenn  der  Nürnberger  Gabriel  Tetzel  aus  Toledo 
berichtet :  In  der  stat  sahen  wir  sant  Johans  Baptistae  haubt  und 
vil  kostlichs  heiühum  und  sahen  die  köstlichsten  Bibel  die  man  meint, 
die  in  der  Crisienheit  sey.  Es  sind  großer  Bücher  drey,  der  text 
und  die  gloss  ist  geschriben  mit  gülden  buchstaben  und  an  der  ann 
dern  Seiten  die  figur  gemalt.  Man  meint  auch,  es  sey  der  kostlichst 
maier  gewesst,  als  er  in  der  well  gewest  seiK 

Allein  ein  fehlschluss  war  es,  wenn  man  annehmen  wollte, 
die  deutschen  reisenden  berichteten  nichts  von  litterarischen 
schätzen^  weil  eben  solche  nicht  zu  sehen  waren,  die  anfertigung 
und  Sammlung  von  hsl.  texten  der  classischen,  mittellateinischen 
wie  auch  der  nationalen  litteratur  hatte  in  der  zweiten  hälfte  des 
15  jhs.  auf  spanischem  boden  den  höhepunct  erreicht,  ja  sogar 

—  man  braucht  da  nur  an  die  memoiren  des  Ambrosio  de  Horales 
zu  erinnern  —  vielfach  bereits  überschritten,  ich  kann  auf  diesen 
punct  hier  nicht  eingehn  und  muss,  was  speciell  die  texte  natio- 
naler litteratur  in  mittelalterlichen  bibliotheken  Spaniens  anlangt,  auf 
meinen  einschlägigen  aufsatz  in  der  beilage  zur  Münchner  Allgem. 

'  das  ms.  gehörte  offenbar  zu  den  kirchenbuchem  der  kathedrale, 
welche  bischof  und  capitel  unter  ansehnlichem  kostenaafwand  zu  beginn 
des  15  jhs.  schreiben  und  illuminieren  lieCsen,  vgl.  meine  Handscbriflen- 
schätze  Spaniens  s.  473  f.  als  vielbeschäftigter  schreibkfinstler  erscheint 
Pero  Sanchez,  ^cantor,  vecino  de  Toledo',  die  oben  geschilderte  aasstattung 
lasst  übrigens  berechtigte  zweifei  zu,  ob  das  scbaustöck  wärklich  eine  bibel 
und  nicht  vielmehr  eines  der  liturgischen  werke  war,  von  denen  in  den 
rechnnngen  die  rede  ist. 


SCHICEIDEB   SPANIENS   ANTEIL   AN    DER   DEUTSCHEN   LITTERATUR       149 

zeitUD^  1895  dt  297  verweiseD  K  das^  was  den  tiefsten  einblick 
in  das  geistesleben  des  TremdeD  volkes  vermittelt  hätte,  bleibt  nun 
uosern  reiseodeo  so  gut  wie  unbekannt :  Schaschek  rühmt  zb.  in 
Guadalajara  die  'aedes  magnifice  exaedificatas'  des  marques  de 
SaDtillana,  erwähnt  aber  die  für  jene  zeit  einzig  dastehnde 
bOcberei  desselben  mit  keinem  worl.  Nicolaus  vPopplau,  der  über 
geringfügige  dinge  bescheid  weifs,  von  der  sitte  des  besa-manos 
beim  könige,  von  den  tohnwaren,  die  in  der  nähe  von  Valencia 
gefertigt  werden,  von  kornfrucht  und  wein  ausführlich  erzählt, 
geht  an  Pöblet  und  Honserrate  mit  der  bemerkung  vorbei,  dass 
die  mönche  dieser  beiden  klüster  Benedictiner  seien,  und  dass  den 
fremden  besuchern  mit  wein  und  brot  aufgewartet  werde  :  über 
die  herlichen  hücherschätze,  die  in  Fohlet  wie  in  Montserrate 
aufbewahrt  wurden  und  —  heule  zt.  verloren,  zt.  verstreut  — 
gerade  damals  einen  besondern  anziehungspunct  für  den  wiss- 
begierigen reisenden  bilden  durften,  schweigt  er  sich  völlig  aus. 
wenn  hierfür  vielleicht  ein  erklärungsgrund  in  dem  umstand  ligt, 
dass  unser  ritter  Titus  Livius  und  Valerius  Maximus  in  Cördoba 
geboren  sein  lässt  (Liske  s.  51),  so  bleibt  gieichwol  bemerkens- 
wert, dass  weder  Nicolaus  vPopplau  noch,  soweit  ich  sehe,  die 
zeitgenössischen  reisenden  den  viel  sinnfälligeren  äufserungen 
scenischer  kunst  auf  spanischem  boden  genügend  aufmerksamkeit 
schenkten,  dass  im  15  jh.  in  Castilien  wie  in  Gatalonien  dra- 
matische repräsentalionen  keineswegs  zu  den  Seltenheiten  ge- 
hörten, ist  ja  bekannt,  und  es  bedarf  nicht  erst  des  hinweises 
auf  die  einschlägigen  abschnitte  bei  Schack  und  Denk^. 

Vom  16  jh.  angefangen,  ändern  sich  die  Verhältnisse  voll- 
ständig, das  würksamste  mittel,  die  kenntnis  spanischen  geistes- 
lebens  im  aligemeinen,  des  Schrifttums  insbesondere,  im  ausländ 
zu  verbreiten,  wird  der  buchhandel,  der  spanische  originalwerke 
in  unsre  lande  bringt  und  Übersetzungen  derselben  veranlasst 
doch  ist  die  schwarze  kunst  nicht  so  allmächtig,  dass  Sammlung 
und  Sichtung  ihrer  erzeugnisse  —  selbst  im  weitesten  umfange  -r-. 
genügte,  um  über  die  litlerarischen  beziehungen  zwischen  Spanien 
und  Deutschland  in  der  neuzeit  klarheit  zu  schaffen,  darin  ligt 
der  oben  gerügte  grundsätzliche  fehler  des  Sch.schen  Werkes; 
Farinelli  hatte  recht,  bei  behandlung  des  themas  in  den  eingangs 

^  die  genaueren  angaben  in  den  Handsclmftenschätzen  Spaniens  unter 
den  betreffenden  bibliotheken.  hierzu  kommen  noch  die  bOcberei  des  Gomez 
Manrique,  in  der  sich  nach  dem  1490  angelegten  inventar  40  hss.  —  darunter 
mehr  als  die  hälfte  mit  vulgärtexlen  —  befanden  (vgl.  Gancionero  de  Gomez 
Manrique,  [Madrid  1885]  ii  332  0«  und  die  erst  vor  kurzem  von  Paz  y  Melia 
glänzend  commentierte  bucherei  des  grafen  von  Haro  (1455),  die  gleichfalls 
an  schätzen  nationaler  iitteratur  reich  war  (vgl.  Revista  de  archivos  1897,  ISA). 

*  für  dramatische  kunst  und  poesie  Gataloniens  im  ma.  vgl.  ua.  Sanpere 
und  Miquel  Barcelona  en  el  ano  1492,  Barcelona  1893  8.  96,  wo  die  *mo- 
merias*  mit  den  aus  späterer  zeit  bekannten  ^entremeses'  identiliciert  werden, 
sowie  den  aufsatz  *  Autos  sacramentals  del  sigle  xiv*  in  der  Revista  de  la 
asociaciön  artistico-arqueolögica  Barcelonesa  ii  (1898)  nr  9  8.673  fr. 


150       SCHNErDER   SPANIENS   ANTEIL    AN    DER   DEUTSCHEN    LITTERATUR 

erwähnten  aufsätzen  auch  späteren  reisen,  wie  die  von  Anton 
Kaufhold,  Chr.  Aug.  Fischer^  Heinrich  Friedrich  Link  uaa.  volle 
aufmerksamkeit  zu  schenken,  und  in  demselben  sinne  werden  die 
einschlagigen  nachrichten  der  bibliographie  von  Foulch^-Delbosc 
und  der  Apuntes  Farinellis  für  unsre  aufgäbe  wichtig,  jede  er- 
gänzung  in  dieser  richtung  ist  willkommen  zu  heifsen,  nur  wird 
notwendigerweise  eine  gewisse  arbeitsteilung  platzgreifen  mOssen» 
wir  Deutsche  haben  für  uns  allein  hier  genug  zu  tun;  das  ein- 
schlägige material  ist  weit  gröfser,  als  man  glauben  sollte,  und 
gerade  für  das  16  und  17  jh.  lassen  die  erwähnten  Sammlungen 
von  reiseberichten  noch  zahllose  ergänzungen  zu.  die  zt.  äufsersi 
umfangreichen  relalionen,  speciell  die  botschafteracten  aus  jener 
zeit  sind  für  unsern  zweck  fast  noch  unbenutzt,  ganz  wenige, 
kurze  hinweise,  die  teilweise  aus  jüngst  zugänglich  gemachten 
quellen  geholt  sind,  mögen  dies  erhärten. 

Schon  bei  der  fahrt  Maximilians  ii  nach  Spanien  im  j.  1548 
haben  in  Barcelona  und  an  andern  orten  spielleute  *Gaugler 
Tanntzer  und  Bofierer^  eine  gewisse  rolle  gespielt  —  wenigstens 
werden  in  dem  kürzlich  publicierten  reisejournal  (ed.  FHen<^ik 
im  Arch.  f.  Osterr.  gesch.  36  i  293  ff)  ganz  achtenswerte  ausgaben 
für  dies  fahrende  volk  verzeichnet,  bedauerlicherweise  sind  die 
weit  umfassenderen  berichte  eines  ganzen  geschlechts,  nämlich 
der  Khevenhüller-Frankenburg  über  reisen  nach  Spanien  nur  in 
sehr  kargen  auszügen  bekannt  geworden,  die  spärlichen  proben, 
die  aus  dem  —  die  jj.  1552 — 1577  umfassenden  —  tagebuch  des 
Bartolomaeus  Khevenhüller,  grafen  von  Frankenburg,  vorliegen,  zb. 
über  die  erfahrungen,  die  er  mit  der  spanischen  Inquisition 
machte,  lassen  darauf  schliefsen,  dass  der  bericht  über  seine  reise 
nach  Spanien  (1559)  gar  merkwürdige  künde  von  dem  lande  nach 
Deutschland  brachte,  in  noch  viel  höherem  mafse  gilt  dies  von 
den  gesantschaftsrelationen,  die  von  zwei  andern  mitgliedern  des 
geschlechts  verfasst  und  erhalten  sind.  Johan'graf  vKhevenhüller 
vertrat  die  interessen  seines  Vaterlandes  durch  mehr  als  dreifsig 
jähre  (1571  — 1605)  in  Spanien,  seine  während  dieser  zeit  an 
den  kaiserhof  gerichteten  amtlichen  schreiben  und  acten  (concepte) 
füllen  sechs  mächtige  foliobände  und  bilden  eine  der  wichtigsten 
quellen  für  die  kenntnis  der  österreichisch-spanischen  beziehungen 
während  jenes  Zeitraumes.  Noch  eingehender  sind  die  botschafts- 
protokolle  Franz  Christophs  i.  grafen  vKhevenhüller  —  des 
Verfassers  der  Annales  Ferdinande!  —  aus  den  jähren  1617 — 1625: 
sie  enthalten  mehr  als  3000  briefe  und  berichte,  unter  ersteren 
solche  von  trägem  tönender  namen,  wie  Lerma,  Osuna,  Olivarez. 
in  einem  andern,  fünf  foliobände  umfassenden  werke:  ^Allge- 
meine vnd  Particulargeschichten  vnd  negotia  in  form  eines  Pro- 
thocols  Herrn  Franz  Christoph  Khevenhüller'  (1617  — 1623) 
^gruppiert  der  Verfasser  in  lichtvoller,  diplomatisch  geschulter 
darstellung  um    seine  persönlichen   erlebnisse  und  Erfahrungen 


SCHNEIDER    SPANIENS   ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATDR        15  t 

die  damaligen  ereignisse,  deren  hauptscbauplatz  der  würkungskreis 
KhevenhüUers,  Spanien,  gewesen',  alle  diese  acten,  ferner  die 
Sammlung  der  Urkunden  belreiTend  das  verlobnis  erzherzog  Fer- 
dinands m  mit  der  infantin  dona  Maria,  bei  dessen  Zustande- 
kommen graf  Franz  Cbristoph  eine  bervorragende  rolle  zufiel^ 
dann  die  ^Epistulae  bispanicae*,  mebr  als  1000  briefe  aus  den  jj. 
1581 — 1604  (von  und  an  Pbilipp  ii,  berzog  Alba,  marques  de 
Castillon)  sowie  eine  reihe  anderer  äbnlicher  Urkunden  bildeten 
den  hauptschatz  des  archivs  der  Kbevenhüller-Frankenburg,  wur- 
den vor  wenigen  jabren  durcb  ein  Wiener  antiquariat  verkauft 
und  finden  sieb  beute  leider  zerstreut  in  verscbiedenen  sammel- 
stätten  zu  Wien  und  Nürnberg  K 

Besser  stebt  es  um  die  einbeitlicbe  erbaltung  der  bicr  in 
frage  kommenden  aclen  des  arcbivs  der  grafen  Harraeb,  das  von 
dem  beamten  der  k.  k.  bofbibliotbek  Ferdinand  Menöik  sorgsam 
verwaltet  und  in  zuvorkommender  weise  der  forscbung  zugänglicb 
gemacht  wird,  die  tagebücber  des  grafen  Ferdinand  Bonaventura 
Harrach  über  seine  reisen  in  Spanien  in  den  jj.  1665  und  1673 
bergen  eine  fülle  der  merkwürdigsten  nachrichten,  darunter  auch 
solche,  die  unmittelbar  für  den  litteraturbistoriker  von  belang 
sind,  graf  Harraeb,  ein  eifriger  theaterfreund^  macht  sorgfältige 
notizen  über  den  Spielplan  und  fügt  auch  gelegentlich  sein  urteil 
über   die   darstellung  bei 2.     man  wende   nicht  ein,   dass   dieses 

'  vgl.  Der  Wiener  antiquarische  buchermarkt,  hrsg.  v.  SKende  nr  1  (1893). 
^  man  vergleiche  folgende  auszüge,  die  ich  der  gute  des  herrn  Mencik 
verdanke: 

1674.  9  Jan,  umb  drey  bin  ich  in  die  Comedi  al  Coral  de  la  Cruz  ge- 
fahren, alwo  sie  eine  von  der  Geburt  Christi  repraesentirt  haben, 
die  nit  vbel  war,  das  thema  war,  wie  die  Invidia  undt  der  Teufnl 
dieses  Misteria  zu  verhindern  gesuecht,  und  doch  alles  durch  die 
Lieb  Gottes  gegen  den'  Menschen  vollbracht  worden. 

*  27  Jan,  Nachmittag  al  coral  de  la  cruz  in  die  Comedie  gangen^ 
alwo  sie  die  batalla  de  Pavia  y  prison  del  Rey  Francesco  I,  de 
Francia  repraesentiret  und  sehr  guet  gemacht  haben, 

s  10  May.  Ich  bin  Nachmittag  in  die  Comedie,  alwo  sie  eine  re- 
praesentirt haben  genandt  la  carbonera  de  Sevilla  von  dem  könig 
Don  Pedro  el  cruel,  so  nichts  absonderliches  gewesen, 

c  20  July,  Nachmittag  in  die  Comedi,  allwo  sie  eine  repraesentirt 
haben  intitulirt  :  Dios  ha^e  justicia   a  todos^  so  wohl  hingangen, 

f-  22  Juli,  Nachmittag  mit  meinem  Carl  in  die  Comedi  gangen^  alwo 
sie  repraesentirt  haben,  tambien  entre  las  damas  ay  duelo.  Die  Co- 
medie ist  von  D.  Pedro  Calderon  sehr  guet,  aber  gar  schlecht  durch . 
die  neue  Compagnia  exhibirt  worden, 

9  10  Aug.  Nachmittag  bin  ich  in  die  Comedi,  alwo  sie  die  repraesen- 
tirt haben,  welche  man  zu  der  konig  Namenstag  gehalten,  Ist  die 
Fabel  von  den  2  Brüedern  —  die  sich  nie  vergleichen  können,  als 
einer  den  anderen  zugleich  umbgebracht  und  dise  korper  zugleich 
auf  einem  Scheiterhaufen  verbrendt  werden, 

»  24  Aug.  Nachmittag  bin  ich  in  die  Comedi,  alwo  sie  repraesentirt 
haben  las  dos  Estrellas  de  Francia  war  die  Fundation  de  la  orden 
Triniiana  redemption  de  cativos. 


152      SCHNEIDER    SPAISIENS   ANTEIL    AN   DKB   DEUTSCBBlf   LITTBRATUR 

persönliche  interesse  für  die  spanische  litteratur,  das  Ton  einem 
«inzeinen,  sei  es  auch  von  einem  botschafter  und  so  nacbdrück* 
lieh  bekundet  wurde,  ohne  weitere  nachwürkung  geblieben  sei. 
es  soll  noch  gezeigt  werden,  dass  in  jener  zeit  die  bedeutung 
der  spanischen  litteratur,  besonders  der  bOhnenwerke  am  kaiser- 
hofe  zu  Wien  ebenso  gewürdigt  würde  wie  von  dessen  repräsen- 
tanten  in  Madrid,  ja  dass  der  lilterarische  einscblag,  den  die 
damaligen  diplomatischen  beziehnngen  hatten,  deutlich  und  oft 
genug  zur  geltung  kommt,  vorläufig  sei,  was  die  kenntnis  spa- 
nischer bühnenkunst  in  deutschen  landen  eben  zur  nämlichen 
zeit  anlangt,  auf  ein  interessantes  Zeugnis  hingewiesen.  Schack, 
dessen  unermüdlicher  Sammeleifer  berichte  über  das  spanische 
theater  allenthalben  ausfindig  zu  machen  wüste,  hat  den  wert 
der  nacbrichten,  die  in  der  beschreibung  der  reise  des  Fran^ois 
van  Aerssen,  ^Voyage  d'Espagne  cvrieux,  bistoriqve  et  politiqve', 
Paris  1665.  8^  enthalten  sind,  wohl  erkannt,  und  in  seinem  clas- 
sischen  werke  (ii  115  ff)  eine  Übersetzung  jenes  abscbnittes  aus 
dem  französischen  texte  geboten,  es  entgieng  ihm  aber  ein  um- 
stand, der  gerade  für  die  vorliegende  frage  von  besonderer  Wichtig- 
keit ist.  die  eben  erwähnte  französische  reisebescbreibung  wurde 
kurz  nach  ihrem  erscheinen  ins  deutsche  übersetzt:  *Reyse-Be- 
Schreibung  nacher  Spanien  ....  anjetzo  in  das  Teutsche  über* 
gesetzet  durch  Johann  Mackle',  Franckfurt  1667  [HB. :  SA.  48. 
F.  9]  und  die  angezogenen  abschnitte  gehören  wol  zu  den  aus- 
führlichsten berichten,  die  in  deutscher  spräche  damals  über 
«panische  theater  künde  gaben  ^ 

1674.  31  Aug,  Nachmittag  bin  ich  in  die  Comedie^  altüo  di  Compagnia 
des  Falesso,  so  ein  Zeit  abwesend  toar,  die  Comeäi  dieka  y  des- 
dicha  del  hombre  repräsentirt,  so  sehr  guet  an  sieh  seUbH^  und  gar 
wohl  exhibirt  wurde,  dann  sieh  die  Compagnia  verändert  und  umb 
viel  verbessert  hat, 
»       2  Sept,    Nachmittag  bin  ich  in  die  Comedie,  akoo  sie  repraesentirt 

haben,  Hermosura  y  diseretion, 
«       7  Sept,    in  die  Comedi  gangen ,  weÜlen  schon  ein  Balcan  bestellt 
war,  haben  repraesenürt  die  Fabel  Philomena  und  Progne,  so  gar 
guet  gewesen. 
9       15  SepU    Ich  bin  Nachmittag  in  die  Comedi^  alwo  sie  Paeheeos  y 
Palomecos  repraesenürt,  so  wol  hingangen, 

^  dies,  wie  der  umstand,  dass  der  ebeo  Tefzeichnete  deatsche  druck 
schon  recht  selten  geworden  sein  mag,  Teranlasst  mich,  hier  eine  probe  aus 
<lem  betreffenden  teil  (cap.  18  s.  126f)  mitzuteilen  :  Den  Naekmitiag  umb 
funff  Vhr  stellete  man  die  Autos  vor.  Es  seind  geistliehe  Schauspiele  \ 
mit  underschiedlichen  und  recht  lächerlichen  Streichen  unterutenget  |  umb 
zu  versiissen  \  was  das  ernstliche  von  dem  Stück  verdrießHehes  an  sieh 
haL  Die  zwey  Hauffen  der  Schauspieler  welche  %u  Madrid  \  beeekHessen 
Kur  selben  Zeit  ihre  Schaubünen  und  vertreiben  einen  ganUen  JMonat  mit 
dem  Forttellen  dieser  geistlichen  Stücke,  Auff  andern  ^fielen  sie  olfent- 
lieh  I  welche  darzu  insonderheit  auff  den  Gassen  zu  bereitet  sind,  Sie 
seind  verbunden  täglich  eine  vor  eines  Raths  Präsidenten  Hauß  zu  halten, 
Sie  fangen  an  bey  deß  königs  seinem  Ort  |  eben  auff  den  Tag  des  Festes  \ 
und  haben  hierzu  eine  ausgerichtete  Büne  mit  einem  Himmel  |  unier 


SCH.MCfDER   SPANIENS   ANTEIL    AN   DßB   DEUTSCHKN   UTTEAATim      15^ 

Nicht  alles,  was  sich,  mitoDter  recht  anspruchsvoll,  als  *spa- 
fiische  reise'  gibt,  wird  in  gleicher  weise  für  qqs  mfochlussreich, 
wie  die  botschaft  Harracbs  oder  die  fahrt  Aerssens.  gtetchwohl 
«rschenit,  es  sei  dies  oacbdrücklich  widerholt,  die  geoane  berück- 
^chiigaog  der  reisen  für  die  ahschätzung  der  wechselseitigen 
^literarischen  einflösse  zwischen  Spanien  und  Deutschland  uner- 
lässUchy  iiDd  die  Torhandenen  einschlägigen  bibiiographien  laden 
zu  erneutem  studiam  des  gegenständes,  beziehungsweise  zu  wei- 
leren  erganzungen  ein.  der  rahmen  dieser  besprechuog  gestattet 
Dicht,  noch  auf  andre,  als  die  eben  angedeuteten  nachtrage  hin- 
zuweisen i.  ein  wort  gebürt  aber  den,  wie  es  scheint,  bei  der 
▼oriiegenden  frage  noch  wenig  beachteten  anlassen,  die  schon  in 
froher  zeit  regen  geistigen  austausch  zwischen  Spaniern  und 
Deutschen  gestatteten,  ich  meine  die  kircheaversammlungen.  in 
Basel  zb.  safsen  in  der  ersten  hälfte  des  15  jhs.  Vertreter  der 
natio  Hispanica  und  der  natio  Germanica  fast  zwei  Jahrzehnte 
hindurch  beisammen,  leuchten  der  iberischen  halbiosel,  wie  der 
cardinal  Cervantes,  waren  daselbst  erschienen,  der  grundgelehrte 
Juan  de  Segovia  entlockte  Enea  Silvio  ausdrücke  der  bewun- 
derung  und  begeisterte  noch  in  viel  späterer  zeit  den  Basler 
Professor  Iselin  zu  einem  panegyricns;  das  monumentale  geschichts- 

welchem  sich  ihre  Mayesiälen  niedersetzen.  An  dem  Fuß  dieser  \  ist  der 
Schau- Platz;  und  weil  die  Spieler  den  Rucken  gegen  der  Fereamlung  \ 
so  auff  dem  Platz  ist  \  kehrend  spielen  \  so  rollet  man  kleine  HäußUin 
hinzu  I  da  sie  sieh  mögen  kleiden  I  hinauß  gehen  und  wieder  kommen 
nach  Jeglichem  Stück  des  Spiels.  Man  treibet  dieses  etliche  Tag  lang  | 
und  ein  Jeglicher  Präsident  hat  das  seinige  \  die  obere  und  den  Schauplatz 
vor  seinem  Havß.  Ehe  man  diese  Autos  vorstellet  \  tantzet  und  springet 
da  alles  Poesenwerck  der  Procession  |  und  die  Riesemß^eroke  erUtetigen 
das  yolck,  fVas  mich  in  dem  \  so  ich  von  fernem  auff  dem  alten  Prado 
gesehen  \  bestürtzet  \  ist  dieses  \  daß  man  in  der  gössen  \  und  in  der  .Lufft 
zu  diesen  stücken  Fackeln  stehet  |  und  daß  auf  denen  zugeschlossenen  und 
täglichen  Schaubünen  \  man  nicht  bey  der  Liechter  \  sondern  bey  der 
Sannen  Klarheit  spielet. 

^  zu  den  phantastischen  reisen  gehört  die  ersahlang  von  der  über- 
fuhroog  der  reliquiea  aus  Jerusalem  nach  Oviedo,  titelloses  stück  des  12  jhs.« 
aus  2  hss.  herausgegeben  von  GhKohler  Revue  de  i*Orient  latin  v  (1897)  1  ff; 
ferner  :  'Seltzame  Begebenheiten  |  Eines  vornehmen  Spanischen  Kauffmanns- 
Sohn  I  Nahmens  DoBihkgo  aus  Gadix,  Bestehend  in  verschiedenen  galanten 
Liebs-Geschichten  und  wunderlichen  Abentheuern.  Aus  dem  Spanischen  in 
4as  Teutsche  übersetzet.  Wien,  Johann  Gabriel  Grahi  17S9'  [BB. :  240.  D.  14]. 
auf  ziemlich  reiche  nachtrage  zu  Foulche-Delbosc  und  Farinelii  stöfst  Man, 
wenn  man  den  indexband  der  Revista  de  Espaiia  (118)  auf  die  zakUosen  kleinem 
spanischen  Boletines  und  Revistas  durchsieht,  anch  aas  der  Revne  de  Paris 
hab  ich  zt.  wertvolle  erganzongen  notiert,  ich  erwähne  diesen  nmstaDd 
Oberhaupt  nur  ans  dem  gründe,  weil  er  abermals  beweist,  dass  hier  eine 
arbeitsteilong  nach  ländern  ptatzgreifen  mass;  um  so  mehr,  als  man  sach- 
lich an  dem  begriff  ^reise'  nicht  engherzig  festhalten  darf,  der  sehr  interes- 
sante brief,  auf  den  mich  College  Arnold  aufmerksam  macht :  'Von  der  spa- 
nischen Kleidungsart.  Auszug  eines  Schreibens  an  den  Herrn  geheimen  Rath 
von  Gemmingen  in  Stuttgart',  datiert  Madrid  25  juni  1776  (Deutsches  mu- 
seum  1776,  s.  769  fr),  sagt  über  den  gegenständ  mehr  als  ein  paar  dntzend 
reisebeschreibungen. 

A.  F.  D.  A.  XXVI.  11 


154      SCHNEIDER    SPANIENS    ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATCR 

werk  Juans  über  das  Baseler  concil  (mit  maDcbem  bericht  Ober 
spanische  dinge)  findet  sich  in  je  zwei  abschrifllen  in  Wien  und 
in  Basel  ^ 

Es  heilst  nur  einen  schritt  weiter  auf  dem  vorgezeichneten 
wege  geben,  wenn  man  auch  den  reisen  der  Spanier  nach  Deutsch- 
land und  den  sich  hierdurch  ergebenden  einflüssen  aufmerksam- 
keit  schenkt,  der  gegenständ  ist  m.  w.  bisher  noch  nicht  in 
zusammenfassender  weise  bearbeitet  worden  :  ein  derartiges  gegen- 
stück  zu  den  bibliographien  Foulcb^s  und  Farinellis  existiert 
nicht,  manches  hierher  gehörige  material  findet  sich  an  einer 
stelle,  wo  man  dergleichen  nicht  vermuten  sollte,  nämlich  in  dem 
anlässlich  der  Columhusfeier  1894  erschienenen  prachtwerk  :  El 
Centenario  Bd.  iv,  427  fr  wo  Cänovas  del  Castillo  u.  d.  t.  :  'Dona 
Maria  Cristina  de  Austria,  su  matrimonio  y  su  regencia  con 
noticias  referentes  ä  las  relaciones  antiguas  entre  Austria  y  Es- 
pana' auch  über  einige  spanische  reisen  und  expeditionen  nach 
deutscheu  landen  handelt  (vgl.  insbes.  abschn.  vi)2. 

Den  persönlichen  mittlem  zwischen  Spanien  und  Deutsch- 
land stehn  gewisse  unpersönliche  dolmetsche,  in  erster  linie  die 
Sprachbücher,  grammatiken  und  lexica,  zur  seite.  Farinelli,  dem 
auch  dieses  für  die  erleichterung  der  litterarischen  beziehungen 
zwischen  beiden  ISndern  sehr  wesentliche  moment  nicht  entgieng, 
nennt,  die  einschlägigen  abschnitte  in  des  graren  Vifaza  Biblioteca 
histörica  de  la  filologia  Castellana  (Madrid  1893)  ergänzend,  einige 
solcher  opuscula,  zb.  die  von  Bahrdt  (1778),  Wagner  (1795)  uaa.^ 
älter  sind  —  um  von  einigen  anonymen  werken,  wie  den  mir 
nur  aus  einem  antiquariatskatalog  bekannten  ^Colloquia  cum  dic- 
tionariolo  sex  linguarum,  teut.  latin.  germ.  gall.  hispan.  et  ital.» 
Antwerpiae,  apud  H.  Henricum,  1583'  abzusehen  —  die  arbeiten 
des  heute  fast  vergessenen  Spaniers  Juan  Angel  Sumaran ,  der 
zu  beginn  des  17  jhs.  als  Sprachlehrer  in  Ingolstadt  lebte.  Nico- 
laus Antonio  Bibliotheca  nova  i  634  gibt  einige  nachrichten  über 
ihn,  ohne  auf  Sumarans  hauptwerk,  den  Thesaurus  linguarum, 
Ingolstadii  1626,  einzugehn.  erst  graf  Vinaza  bot  aao.  sp.  556 f, 
2045  fr  genauere  aufschlüsse  über  diese  mit  rücksicht  auf  die 
zeit  ihres  erscheinens  gewis  bedeutende  grammatikalische  leistung  *. 

^  näheres  hierüber  in  meinem  aufsatze  :  Urkundliche  beitrage  zo  Jo- 
hannes de  Segovias  geschichte  des  Basler  concils,  Wien  1897  (WSB.  phil.- 
hist.  cl.  bd  135). 

^  Spanische  zeitungsflugblätter  (widerholt  unter  dem  titel  :  Noticias 
ffenerales  de  Europa  venidas  ä  Barcelona  por  el  correo  de  Francis  erschieneD) 
nndeo  sich  schon  gegen  ende  des  17  jhs.  häufig  und  beschäftigen  sieb  mit 
deutschen  angelegenheiten.  der  codex  der  bibliotbek  Trivulzio  zu  Mailand 
nr  940  s.  xti  (Porra  s.  280)  enthält  in  journalistischer  form  die  Schilderung 
eines  feierlichen  einzugs  des  'Rey  de  Romanos'  zu  Worms,  1495,  in  spa- 
nischer spräche. 

3  Vgl.  Zs.  f.  vgl.  liU.-gesch.  n.  f.  8,  350  f. 

^  die  Widmung  ist  an  *Don  Francisco  JMoncada  Gonde  de  Ossons  .  . . 
del  Gonsejo  Supremo  de  su  Mag.<i  Gatholica  y  su  Embaxador  scercs  Is  Mag.^ 


SCHISEIDER   SPANIENS    ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATUR       155 

Der  umslaod,  dass  die  weseullicb  erweiterte  ausgäbe  des 
Sumaranschen  Thesaurus  1665  in  Wieo  erschieD,  dass  schon 
fönf  jähre  später  ebendas.  Nicolaus  Mez  de  BraideDbachs  *Dic- 
cioDario  muy  copioso  de  la  lengua  espaüola  y  alemaoa  hasta 
agora  nunca  visto'  gedruckt  wurde,  ist  ungemein  bezeichnend, 
soll  man  die  statte  angeben,  wo  während  des  von  Seh.  behan- 
delten Zeitraums  der  litterarische  einfluss  Spaniens  am  nach- 
haltigsten zur  geltung  kam,  so  wird  unbedenklich  der  hof  kaiser 
Leopolds  I  zu  nennen  sein.  ^  Cömo  quereis'  bemerkte  der  kaiser 
einmal,  als  man  die  correctheit  seines  spanischen  ausdrucks  be- 
wunderte 'que  no  lo  kahle  asi,  cuando  he  vivido  usdndolo  por  el 
dia  y  por  la  noche'l  (Cänovas  aao.  450).  zieiit  man  auch  von 
dem  inhalt  der  äufserung,  die  ja  talsächlich  gefallen  sein  mag,, 
eine  gewisse,  wol  durch  äufsere  umstände  veranlasste  hyperbel 
ab,  so  bleibt  doch  genug  an  historischer  Wahrheit  übrig,  um 
Leopold  I  als  einen  der  grüsten  verehren  spanischer  spräche  und 
lilleratur  zu  erkennen,  den  es  damals  in  deutschen  landen  ge- 
geben hat.  diese  neigung  war  nicht  sowol  durch  des  kaisers 
abstammung  bedingt  —  seine  muiter  die  infantin  Maria  Anua^ 
eine  tocbter  Philipps  iii,  verlor  er  schon,  da  er  im  alter  von  6  jähren 
stand  —  als  durch  seine  heirat  mit  Margaretha  Theresia,  der 
lochten  Philipps  iv,  die  er  1666  heimführte;  auch  mochte  der 
Widerwille,  den  er  gegen  das  französische  empfand,  ihn  die  bei- 
den   andern    romanischen    hauplsprachen    umso    eifriger    haben 

Cesarea  en  Alemania  etc.'  gerichtet  und  klärt  über  die  art,  wie  das  werk 
Teranlasst  wurde,  auf  :  Ettando  yo  el  afio  passado  en  f^iena  en  casa  del 
Sr.  Conde  y  General  Marradas,  tuue  tuerte  de  offrecer  mi  Persona^  y  ser- 
vicios  d  y,  Ex.^  la  quäl  por  su  solita  corlesia  me  estimö  y  favoregiö 
mucho,  mandandome  computiesse  algunos  principiot  y  reglas  de  la  len- 
gua y  pronunciacion  Alemana  usw.  der  titel  :  ^Thesaurus  linguarum,  in 
quo  lacilis  via  Hispanicam,  Gallicam,  Ilalicam  altingendi  etiam  per  Lalinain 
et  Germanicam  sternitur  .  .  edilio  post  IMooacenses  duas  tertia'  weist  auf 
frühere  ausgaben,  die  sowol  ADtonio  wie  Viöaza  unbekannt  blieben,  tat- 
sächlich besitzt  die  k.  k.  hofbibliothek  :  *Da8  Newe  Sprachbuch  — Liure  el  in- 
struction  pour  apprendre  les  langues  —  Libro  fondamentale  per  le  lingue  — 
Libro  muy  prouechoso  para  aprender  las  lenguas.  IMonachii  Apud  Viduam 
Bergiauam  1621'  [HB.  :  90.  F.  27],  die  vorrede  schliefst  'Datum  Mönchen  den 
15.  Decemb.  Anno  1620'  und  der  leser  wird  apostrophiert  wie  folgt :  du  weist 
wol  I  wie  fast  heutiges  Tags  die  Erkantnuß  der  Sprachen  allen  Stands 
Personen  wol  vonnöthen  thut  \  damit  sie  inn  vnderschidlichen  Nationen 
kauffen  vnnd  verkaufen  können  \  ohne  einiges  Dolmetschers  hilff  \  Ufelches 
zwar  die  Niderländer  vnd  der  Teutsche  Adl  wol  betrachtet  haben  \  vnnd 
darumb  ziehen  sie  inn  Welschland  \  Franckreich  vnd  Hispanien  \  nicht 
allein  die  Sprachen  \  sonder  auch  ihre  gute  gebrauch  vnnd  sitten  zu  ler- 
nen u.  s,  w,  die  vorrede  einer  spätem  ausgäbe  von  Sumarans  Thesaurus 
(Viennae  Austriae,  1665,  HB. :  73.  V.  61)  erhebt  sich  zu  einem  förmlichen 
Panegyricus  auf  die  erlernung  der  romanischen  sprachen  :  .  .  .  .  e«  ist 
zwar  nit  weniger  \  daß  \  welcher  die  Lateinische  Sprach  allein  wol  ver- 
stehet, allenthalben  viel  gelten  thutt  \  vnnd  den  nechsteri  Staffel  zu  Ihren 
dreyen  Töchtern  hat  :  Ist  es  aber  nit  viel  fürtrefflicher^  wann  man  die 
frewdige  Mutter,  mit  den  verainigten  Kindern  hat  \  vnd  mit  ihrer  aller 
Zierde  herrb'g  und  wolbeklaidet  heranziehet? 

11* 


156      SCHNEIDER    SPAMENS   AKT&IL   AN   DER    DEUTSCHEN   LITTCBATUR 

pflegen  lasseo.  so  wenig  die  österreichische  eullurgeschichte 
unter  Leopold  4  (die  musikgeschichte  ausgenommen)  bisher  durch- 
forscht ist,  so  war  doch  bekannt,  dass  an  seinem  bofe  spanische 
bühnenwerke  in  ihrer  Originalsprache  aufgefOhrt  wurden,  und 
Eben  hat  aao.  auf  diese  auffallende  tatsache  hingewiesen,  hiezu 
bemerkt  nun  Farinelii  (Beziehungen  zw.Sp.  u.  Deutschi,  i  58)  ^welche 
spanische  stücke  er  meint,  weifs  ich  nichL  sie  sollen  sich  in 
der  k.  k.  hofbibliothek  finden',  auf  diese  fragen  hat  nun  Alexan- 
der vWeilen  erst  kürzlich  eine  befriedigende  antwort  gegeben, 
er  weist  nach  (Die  theater  Wiens  i  1020,  ^^^  ^^^^^  ^^^  ^^^ 
berühmte  drama  CaMerons  :  ^Darlo  todo  y  no  dar  nada*  mit  einem 
Zwischenspiel :  'Los  alcaldes*  bei  hofe  gegeben  warde  (1668),  son- 
dern auch  1671  ein  drama  von  Cardona  : 'Del  mal  lo  menos', 
1672  'La  Oecha  del  amor\  1673  Moretos  'Primero  es  la  honra* 
über  die  Wiener  bez.  die  Laxenburger  bühne  giengen^  wenn 
Weilen  nun  bemerkt,  dass  kaiser  Leopolds  zarte  aufmerksamkeit 
seiner  gattin  das  fremde  land  hiedurch  zur  hetmat  zu  machen 
suchte,  so  ist  das  ganz  richtig,  es  stimmt  hiemit  auch  die 
anderweitig  bezeugte  nachricht,  dass  kaiser  Leopold,  dem 
bibliothekar  Lambeck  seinen  und  der  kaiserin  besuch  in  der  hof- 
bibliothek ankündigend,  dem  schreiben  das  postscriptum  anfügte: 
'nee  obliviscaris ,  ut  itUer  kispanos  libros  ponas  comedias  a  Lope 
de  Vega  olim  tarn  eamposüas'.  aber  verschiedene  anzeichen  sprechen 
dafür,  dass  die  Vorliebe  für  spanische  spräche  und  liiteratur  da- 
mals in  Wien  tiefere  wurzel  gefasst  hatte,  'die  mujeres  Espanolas 
wolkn  meinen  hof  ganz  spanisch  machen'  schrieb  einmal  der 
kaiser  halb  im  scherz  halb  im  ernst  (Weilen  aao.  58),  aber  nicht 
blofs  das  schöne  geschlecht  stand  im  banne  Spaniens,  aufser 
den  bereits  genannten  sprachwerkeu  wurden  noch  eine  ganze 
reihe  spanischer  bücher  zu  jener  zeit  in  Wien  gedruckt '.  der 
mitteipuQct  dieser  hispanopbilie  war,  wie  sich  unschwer  zeigen 
lässt,  der  kaiser  selbst,    schon  früher  wurde  angedeutet,  dass  der 

^  die  bibliographischen  nachweise  bietet  Weilen  io  dem  auftatze  :  Zar 
Wiener  tbealergeschichle ,  Mitteilungen  d.  österr.  ver.  f.  bibl.-weseii  1898, 
nr3ff  (Tgl.  bes.  die  nrr  76.  82.  104.  108.  120).  WeHen  erginU  so  die 
daten,  weiche  Job.  Schwarz  in  seinem  buch  Die  kaiserliche  sommerresideoz 
Faforita  auf  der  Wieden  io  Wien  1615  —  1746  (Wien  1898)  s.  32  ff  ge- 
liefert hat. 

^  zuDächst  einige  oben  nicht  genannte  theaterstucke  :  *Aun  veiiddo 
vence  ei  amor  ö  ei  Prometeo  Gomedia  en  musica  escrita  en  ettiio  vtaliano 
1669'  [*38.  V.  17];  'Teofiio  :  Los  amores  de  Glodio  y  Pompeya  comedia  com- 
puesla  en  ilal.  puesta  en  musica  por  A.Draghi  y  tradocida  por  Joan  Silvestre 
Salva  1669'  [*^b,  H.78];  dann  :  Gastillo-C^lderon,  Francisco  :  'Oracion  üaminia 
meditada  ä  la  loz  de  la  proteccion  Mariana  1671'  [19.  V.  63];  'Panegyrico 
de  la  ineCable  dignidad  de  Maria  1671';  *Sgambata,  Scipio  Reaumeu  de  la 
vida  y  milagros  de  S.  Francisco  de  Boija,  duque  de  Gandia,  compuesto  pri- 
mero  en  Italiano  1671'  [41.  Mm.  3].  diese  daten  sind  der  sorgfftltigen,  leider 
bisher  un veröffentlichten  bibliographie  Wiener  drucke  des  16  oad  17  jhs. 
entnommen,  die  mein  amlsgeoosse  dr  Franz  Schöchtner  auf  griuul  des  na- 
terials  der  k,  k.  liofbibliothek  angelegt  hat. 


eCHHEIDER   SPANIENS   ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN  LITTERATOR       157 

diplomaliscbe  Vertreter  Österreichs  am  spaniscbei)  hofe  auch  eine 
art  liiterariscbep  Wachpostens  inne  hatte;  tatsächlich  halte  graf 
Pöltiog,  Leopolds  bevollmächtigter  botschafter  in  Madrid,  vollauf 
zu  tun,  om  dem  drängenden  ansuchen  des  kaisers  um  einsendung 
TOD  musikalischen  werken  und  bühnenstttcken  zu  genügen 
(Weilen  aao.)*  ein  litterarisches  ereignis  ersten  ranges  war  der 
ankauf  der  bibliothek  des  marques  Gabrega  zu  Madrid,  der  hof- 
biMiotbekar  Peler  Lambeck  hat  hierüber  nur  ganz  kurz  berichtet  i; 
die  nachfolgenden  daten  sind  den  noch  unveröffentlichten  briefen 
Lambecks  an  den  kaiser  (codex  der  k.  k.  hofbibliolhek  no.  8010  2) 
und  dem  gleichfalls  bisher  noch  unbekannten  handschriftlichen 
katalog  der  bibliothek  (codex  no.  12601)  entnommen,  aus  dem 
schreiben  Lambecks  geht  hervor,  dass  die  erwerbung  nicht  nur 
unmittelbar  auf  die  initiative  des  kaisers  hin  erfolgte,  sondern 
dass  dieser  auch  weiterhin  der  kostbaren  Sammlung  das  gröstc 
angenmerk  schenkte,  durch  ihn  erhält  Lambeck  anfangs  1671 
den  katalog  der  Sammlung  und  gerät  bei  der  durchsieht  der  ver- 
zeichneten dritthalbtausend  werke  (drucke  und  handschriften) 
förmlich  in  Verzückung :  durch  den  ankauf  werde  die  hofbibliothek, 
so  schreibt  Lambeck  an  den  kaiser  *an  reichtum  spanischer  bücher 
alle  ähnlichen  anstalten  Italiens,  Frankreichs,  Deutschlands  viele 
parasangen  weit  hinter  sich  lassen'  ^.  als  die  erworbeneu  bücher 
tatsächlich  eintrafen,  ward  Lambeck  durch  den  grofsen  Zuwachs 
um  so  mehr  in  Verlegenheit  gesetzt,  als  der  kaiser  sehr  häufig 
nach  spanischen  büchern  verlangte,   insbesondere  aus   der  noch 

^  PLambeckios  Com  meo  tarier  um  de  Aagustissima  bibliotbeca  Gaes. 
Vindob.  lib.  tu  (Vindob.  1675)  p.  407  :  Additamentum  XU  de  intigni  Bi- 
bliotheca  Hispanica  Illustrutimi  Domini  Marchionit  Gabregae,  quae  anno 
hoc  1675  Auf^vttitsimae  ßibiiotheeae  Caesareae  yindobonenti  felieiter 
accessii,  den  aokauf  liefs  kaiser  Leopold  i  durch  Fraoz  Eusebius  grafen  von 
Pöltiog ,  au£>erordeDllichen  gesanten  zu  Madrid ,  vermitteln,  die  bibliothek 
kam  ^vtginti  tribus  cutis  inclusa*  am  23  aogast  1674  in  Wien  an.  das  ver- 
sprechen, über  hss.  und  drucke  dieser  Sammlung  später  ^accuralissime'  zu 
berichten,  hat  Lambeck  m.  w.  nicht  gehalten. 

^  einige  wenige  proben  aus  diesen  ^memoralien'  bei  ThGvKarajan: 
'Kaiser  Leopold  i  und  Peler  Lambeck\  Almanach  d.  kais.  ak.  d.  wiss.  xvni, 
186S,  s.  101  ff.  leider  ist  gerade  der  auf  die  spanischen  Studien  des  kaisers 
bezügliche  teil  der  schwächste  dieser  sonst  so  lehrreichen  arbeit.  Karajan 
spricht  zwar  von  einem  katalog  spanischer  bucher,  den  der  kaiser  besessen, 
weirs  aber  nicht,  dass  es  sich  eben  um  das  Verzeichnis  der  bibliothek  Ga- 
brega handelt. 

^  Cod.  8010  fol.  33  :  Remilto  S,  Caes.  Majestati  vestrae  Catalogum 
Hbrorum  in  Hitpania  emptorum^  et  pro  benigna  communicatione  humi- 
limas  ago  gratias.  Perlegi  enim  illum  incredibiU  cum  deriderio  et  delee- 
tatione,  ideoque  sine  mora  per  amanuenstm  meum  curavi  describi,  quem 
admodum  ex  ipso  apographo  hisce  Uteris  praeter  Autograpkum  adjancto, 
videre  est.  Perutile  profecto  et  valde  Gloriosum  hoc  erit  incrementum 
Avgustissimae  ßibiiotheeae  Caesareae,  quippe  cuius  beneficio  ea  omnes 
ItaliaCy  Galliae,  Germaniae  et  Angliae  bibliothecas  numero,  varietate  et 
praestantia  Hbrorum  Hispanicorum  indubitale  mullis  parasangis  superare 

poterit 

Findobonae  d,  X  Mart  1671.  Petrus  Lambecius^ 


158       SCHNEIDER    SPANIENS    ANTEIL    AN    DER    DEUTSCHEN   LITTERATDB 

nicht  recht  geordneten  Sammlung  Gabrega,  die  er  im  katalog  an- 
gezeichnet hattet  diese  tatsacbe,  die  vortrage . Lambecks  über 
eingesendete  spanische  bücher^  beweisen  im  verein  mit  andern 
überlieferten  nachrichten  ^,  dass  Leopolds  i  hispauophilie  sich 
durchaus  nicht  blofs  bei  prunkvoll  ausgestatteten,  seiner  gemahlin 
zu  liebe  veranstalteten  Schaustellungen  äufserte,  sondern  vielmehr 
auf  ernstes  Studium  spanischer  dichter  und  denker  gegründet 
war.  es  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  die  bibliothek  Gabrega 
(576  drucke  in  folio,  1176  in  quarto,  723  in  kleineren  Formaten) 
in  vortrefTlichen  ausgaben  (auch  incunabeln)  das  erlesenste  bot, 
was  Spanien  damals  an  wissenschaftlichen  und  litterarischen 
werken  aufzuweisen  hatte,  und  dass  ihre  anschafTung  dem  kaiser 
namhafte  opfer  auferlegte,  eine  Sammlung  von  achtzehn  comedias 
<Ies  Lope  de  Vega  zb.  kostete  allein  540  realen. 

Mit  dem  hier  geführten  urkundlichen  nachweis  für  den  Ur- 
sprung des  wichtigsten  spanischen  bestandes  jener  bibliothek,  die 
es  mir  ermöglichte,  nachtrage  zu  Schneiders  werk  za  liefern, 
ist  die  geschichte  der  Hispanica  Palatina  —  dieses  weit  vorgescho- 
benen litterarischen  Vorpostens  Spaniens,  inmitten  deutscher  lande 
—  keineswegs  erschöpft,  doch  kann  auf  einzelbeiten  hier  nicht 
weiter  eingegangen  werden'*,  ist  es  aber  richtig,  dass  die  ge- 
schichte spanischer  fonds  in  unseren  bibliotheken  die  litterarischen 
beziehungen  Deutschlands  zu  Spanien   schon   in  verhältnismärsig 

^  Ibid.  fol.  79  :  Catalogum  Bibliothecae  HUpanicae  Gabregianae  cum 
adiunctis  ciementistimit  literis  rede  accepi  et  omnem  adhibebo  diligentiam 
ut  Iransmissione  librorum  qui  pro  usu  in  sacro  iänere  Cellensi  desideran- 
tur  et  peculiaribus  notit  tignati  sunt  S,  Caes,  Maiestati  vestrae  desiderio 
quam  primum  satisfaciam  .  .  .  Inier  im  igitur  mitto  inpresenU  alios  ali- 
quot libellos  sacro  itineri  Cellensi  haud  incongruentes. 

Ex  museolo  meo  d,  11  Junii  a.  1676  P,  L. 

^  Ibid.  fol.  74^  :  Cum  S.  Caes.  Maiestati  vestrae  abhinc  quatriduo 
f^itam  Christi  a,  R,  P,  Christophoro  de  Fonseca  Hispanice  eonseriptam, 
cum  adiunctis  humilimis  literis  meis  tarn  transmiserim^  mitto  nunc  porro 
et  demississime  Eidem  offero  etiam  alios  sex  libros  sacros,  ad  Hebdoma- 
dem  Sanctam  iUdem  pertinentes. 

Ex  museolo  meo  d,  8.  Aurilis  »  , 

A.  1677.  ^-  ^• 

3  einmal  nimmt  der  kaiser  auf  die  reise  nach  Mariazell  mit  den  roman 
Lope  de  Vefras  El  Peiegrino  en  so  patria  Brusselas  1608^  12®  und  Jaan 
de  £spiQOsa  Dialogo  en  laude  de  las  Mugeres  Milan  1580.  sonst  noch  wird 
als  reiselecture  erwähnt  Pedro  Mexia  Silva  de  varia  leccion  Venetia  1558.  8^ 
vgl.  Karajan  aao. 

^  schon  kaiser  Ferdinand  i  liers  1550  durch  Vermittlung  des  licenciaten 
Oamiz  liturgische  werke  in  Toledo  abschreiben  und  nach  Wien  senden  (vgl. 
meine  Handschriflenschälze  Spaniens  475  f).  weit  weniger  spanische  bucher» 
•als  man  zunächst  erwarten  sollte,  fanden  sich  in  der  bibliothek  des  erz- 
bischofs  von  Valencia,  Gardona  (Mosel  Geschichte  der  k.  k.  hofbibllothek 
8.  114  irrig  :  Gordona),  die  dieser  kirchenfürst  dem  dortigen  Franciscaner- 
kloster  vermacht  hatte  und  die  Karl  vi  1724  für  die  hofbibliothek  erwarb,  auch 
in  der  ableilung  *Oratores'  und  *Poetae'  sind,  wie  der  noch  erhaltene  band« 
schriftliche  katalog  (cod.  11890,  index  dazu  cod.  11899)  zeigt,  die  lateinischen 
und  griechischen  classiker  besser  vertreten  als  die  spanischen. 


SCHNEIDCE   SPANIENS   ANTRIL    AN    DER   DEUTSCHEN   LITTERATDR       159 

früher  zeit  aufliellen«  dass  sich  ferner  auf  die  keoDtois  ebeo 
dieser  bestände  die  quellenforschungen  betreffs  zahlreicher  bear- 
beilungen  und  Übersetzungen  stützen,  so  ergibt  sich  die  not- 
weodigkeit  von  selbst,  diesen  fremdsprachlichen  bücherschätzen 
in  unsern  Sammlungen  gröfsere  beachlung  zu  schenken,  als  dies 
bisher  geschah,  als  Leopold  Delisle  sein  classisches  werk  :  Le 
cabinet  des  manuscrits  de  la  biblioth^que  imperiale  (1868  ff)  schuf, 
wusle  er,  dass  er  damit  nicht  blofs  einen  grundlegenden  arbeits- 
behelf  beim  Studium  der  Pariser  manuscripte,  sondern  auch  einen 
bedeutsamen  beitrag  zur  geschichte  der  mittelalterlichen  htteratur 
überhaupt  lieferte,  wir  wünschen  nun  jeder  deutschen  bibliothek 
ein  solches  cabinetswerk  über  ihre  bestände  —  nicht  blofs  der 
handscbriften  —  und  unter  besonderer  berücksichtigung  fremd- 
ländischen gutes  ^  wie  aufschlussreich  solche  Untersuchungen 
auch  bei  kleineren  büchereien  sein  können ,  ^  hat  erst  kürzlich 
dr.  Adolf  Schmidt  in  Darmstadt  in  einem  aufsatz  Die  bibliothek 
Moscheroschs  (Zs.  für  bücherfreunde  1899)  gezeigt  —  allerdings 
handelt  es  sich  da  um  das  lilterarische  rüstzeug  eines  Schrift- 
stellers 'dessen  ganzes  schaffen*,  wie  Schmidt  hervorhebt,  'auf 
der  aneignung  und  Umbildung  fremden  gutes  beruht' 2. 

Den  soeben  in  allgemeinen  umrissen  angedeuteten  grOfsern 
aufgaben  behufs  klarleguug  der  weit  ausgreifenden  beziehungen 
zwischen  Deutschland  und  Spanien  schliefsen  sich  einige  kleinere, 
specielle  gebiete  betreffende  an.  noch  immer  fehlt  uns  eine  er- 
schöpfende darstellung  der  wallfahrten  nach  Compostella  3,  eben- 
so eine  bibliographie  der  hierhergehörigen,  dh.  Deutschland 
und  Spanien   betreffenden   reise-    und   sonstigen   geographischen 

^  als  treffliches  beispiel  für  die  art,  wie  solche  ontersuchungen  me- 
thodisch za  führen  sind,  darf  die  arbeit  von  EGigas  über  die  spanischen  be- 
stände der  kgl.  bibliothek  zu  Kopenhagen  (Gentralblatt  f.  bibliothekswesen  2 
[1S85]  s.  157  ff)  hingestellt  werden. 

2  in  der  bibliothek  Moscheroschs  bildeten  die  libri  Hispanici  eine  eigne 
abteilong,  wie  sich  aus  gewissen  nachtragen  zu  seinem  handkataloge  ergibt; 
dieser  selbst  konnte  von  ASchmidt  nicht  benutzt  werden,  doch  wäre  gerade 
bei  der  spanischen  ableilung  zu  ersehen,  in  welchem  mafee  sich  Moscherosch 
für  die  originale,  nicht  blofs  für  die  französischen  bearbeitungen  interessierte, 
vgl.  Schneider  s.  265  fr. 

*  [vgl.  jetzt  KHäblers  neuste  publication  Das  wallfahrtsbuch  des  Herm. 
Künig  von  Vach  und  die  pilgerreisen  der  Deutschen  nach  Santiago  de  Gom- 
postella,  Strarsburg  1899.]  das  kürzlich  erschienene  werk  von  Gamille  Daux 
Le  pelerinage  ä  Gompostelle  et  la  confrerie  des  pelerins  de  monseigneur 
Saint- Jacques  (Paris  1898)  bereitet  einigermafsen  enttauschung.  wir  lernen 
einige  roulen  nach  Gompostella  (von  Frankreich  aus)  kennen,  aber  der  verf. 
hat  nicht  einmal  den  versuch  gemacht,  die  reisen  nach  dem  berühmten 
Wallfahrtsort  vom  allgemeinen,  culturhistorischen  standpunct  aus  darzustellen, 
es  wäre  dies  übrigens  eine  dankbare  aufgäbe  der  so  trefflich  geleiteten  Bi- 
blioteca  Gallega,  diesem  gegenstände  aufmerksamkeit  zu  schenken,  nur 
ganz  weniges  hierher  gehörige  im  45  bände  der  Sammlung  :  Galicia  en  el 
ultimo  tercio  del  siglo  xv  por  ALopez-Ferreiro,  i  cap.  xiv  Viaje  de  los  reyes 
caiölicos  a  Galicia;  vgl.  a.  p.  124. 


160      SCiUSEIDER  SPA.NIEK8   ANTEIL   AN    DEB   DEUTSCBEA   LITTEBATVR 

werket,  dagegen  ist  auf  einem  andern,  seit  Gallardo  und 
M«fHlez  zieoDlich  vernachJässigten  gebiet  in  jüi^ster  zeit  viel  ge- 
arbeitet worden  :  wir  meinen  die  geschichle  der  ältesten  —  zu- 
meist deutseben  —  drucker  Spaniens,  den«n  Konrad  Häbler  grilnd- 
licbe  Studien  gewidmet  hat  2.  baldiger  verOffenilicbung  harrt 
eine  andere  Untersuchung  :  'Ober  die  spanischen  drucke  des  16 
und  17  Jahrhunderts  der  Niederlande'  welche  der  gegenw^tige 
spanische  botsclüifler  am  Wiener  hofe  Jos^  Gulierrez  de  Agüera 
nach  mehrjährigen  forschungen  in  den  bedeutendsten  bibliothekea 
Europas  auf  grund  eines  erstaunlichen  bibliographischen  maierials 
im  manuscript  vollendet  hat.  arbeiten,  wie  die  eben  erwähnte 
zeigen  deutlich  den  weg  der  Yerbreitung,  den  das  spanische 
Schrifttum  gleichsam  durch  eine  vorgeschobene  provinz  genommen 
hat,  sie  erleichtern  aber  auch  die  bibliographischen  sanunlungen, 
welche  die  ausbreitung  bestimmter  Schriftwerke  vor  äugen  ftihren; 
unter  diesen  sind  gerade  in  jüngster  zeit  einige  sehr  beachtens- 
werte leistungen  zu  verzeichnen,  die  von  S.  zL  nicht  mehr  be- 
nutzt werden  konnten  ^ 

*Wenn  je  eine  litteratur  befruchtenden  einfluss  auf  andere 
zeitgenössische  litteraturen  ausgeübt  hat,  so  ist  es  ohne  zweifei  die 
spanische  in  der  zweiten  hälfte  des  16  und  im  laufe  des  17  jhs. 

^  vgl.  zb.  ^Sommaire  description  de  la  Fraace  Allemagae,  Italie  et 
Espagne  ....  A  quoy  est  adioust^  vn  recueil  des  foires  plus  celebres  pres- 
que  de  toule  rEarope-  . .  .  Le  tont  recaeilli  pour  ta  commodit^  des  Toya- 
geurs.  s.  1.  1591  von  Mayerne  Tnrqaet  [HB. :  47.  Z.  14].  adT  s.  279  Foires 
d'Espagne.  ferner  :  Martin  Femandez  Enciso's  Sama  de  geographia  qoe  trata 
de  todaa  las  partidaa  y  provinciaa  del  mundo  Sevilla  1519'  (HB. :  72.  S.  9]. 
auch  hier  (auf  bogen  d  r)  über  Ua  gente  de  Atuiria*  :  *«#  gente  dada  a 
deleytes*.  im  übrigen  vgl.  für  die  ältere  zeit  Zedlers  schon  erwähnte 
collectanea. 

^  The  early  printers  of  Spain  and  Portugal,  London  1897  (Illaatraied 
monographs  nr  iv).  —  Spanische  und  portugiesische  bäcberzcichen  des  xv 
und  XVI  jhs.,  Slrafsburg  1S98  (Die  büchermarken  oder  bucbdracker»  und 
yerlegerzeichen  bd  5).  —  'Her  Ibericum'  im  Gentralbl.  für  bibliothekswesen 
Jan.  febr.  1899. 

^  Tg),  zb.  *0bra8  completas  de  Don  Francisco  de  Qaevedo  Villegas, 
ediciön  critica  . .  por  D.  Aureliano  Femandez  Gnerra  y  Orbe.  t.  i  (1897) 
Aparato  biografico  y  bibliogräphico'.  darin  :  'Traducciones  Alemanas'  p.  520  ff. 
-^  HSAshbee  An  iconography  of  Don  Quijote  1605 — 1895,  London  1895 
(lllustrated  monographs  iii).  Tgl.  p.  152  Supplemente  enthaltend  'A  list  of 
editions  of  Don  Quijote,  lllustrated,  or  with  a  portrait  of  GerTantes,  not  no- 
tied  in  the  preceding  articies,  exlracted  from  a  table  given  in  La  llustracion 
Artistica  afio  xiv,  num.  680  Barcelona*,  [das  gleichfalls  hierher  gehörige  werk 
Ton  Bios  Bibliografia  critica  de  las  obras  de  Miguel  Gerrantes  Saaredra 
2  bde.  Barcelona  1895  —  1899.  4®.  (mit  textillustrationen  nnd  tafeln)  ist 
eben,  da  ich  diese  zeilen  corrigiere,  zur  ausgäbe  gelangt.]  endlich  möcfat 
ich  hier  noch  die  —  allerdings  nur  ein  theaterstOck  behandelnde  —  arbeit 
von  Arthur  Peter  Des  Don  Francisco  de  Rojas  tragödie  Gasarse  por  vcn« 
garse  (Jahresber.  d.  gymn.  zum  h.  kreuz  in  Dresden  1898)  nennen,  nnd 
zwar  aus  dem  gründe,  weil  hier  der  einfluss  des  spanischen  Originals  in 
den  andern  litteraturen  (von  Marco  Napoleone  bis  JBvZahlhas)  sorgsam  dar« 
gelegt  wird. 


SCHNEIDER   SPANIEI«S    AKTEIL   AN    DER    DEUTSCBEII   LITTERATUR      161 

gewesea'.  so  urtdlt  (etwas  hyperbolisch)  APeler  ^  mit  rOcksichi  auf 
die  anregUDg,  die  Franzosen,  Italieaer  und  EngUinder  aus  Spaaien 
erhieken.  Sch-s  buch  zeigt  deutlicher  als  irgend  eine  frohere 
arbeit»  dass  sich  den  genannten  culturvölkern  ia  der  aufnalane 
spanischer  Schriftwerke  auch  die  Deutschen  eifrig  anschlössen* 
ckircbaiis  zutreffend  bemerkt  Seh.,  dass  das  von  ihm  bebandelte 
gebiet  der  litteraturgeschichte  ^ein  sehr  vernachlässigtes  sei',  tat- 
sächlich hat  man  sich  um  diesen  teil  echter  Weltgeschichte  lange 
nicht  gekOmmerfy  und  die  klaffenden  lücken,  auf  die  in  den  vor- 
stehnden  blättern  nur  hingewiesen  werden  konnte,  werden  sich 
erst  dann  schiielien,  wenn  den  romanischen  litteraturen  jene  stelle 
im  gelehrten  Studium  eingeräumt  ist,  welche  die  antiken  längst 
besitzen,  in  welch  tiefgehnder  weise  unsere  altvordern  und 
unser  geistesleben  durch  jene  litteraturen  beeinflust  wurde,  wird 
man  auch  erst  dann  recht  erkennen,  ob  Sch.s  buch  in  diesem 
sinne  fruchtbar  weiter  würken  wird,  ist  nicht  vorherzusagen,  sein 
verdienst  bleibt  es,  nach  kräften  hiezu  anstofs  gegeben  zu  haben. 
Wien,  august  1899.  Rudolf  Beer. 


Der  junge  EichendorfT.    ein  beilra^  zur  beschichte  der  romantik  von  Herm» 
Andbrs  Kruger.    Oppeln,  Georg  Maske,  1898.   8^.    172  88.  —  3  m. 

Wer  das  büchlein  Krügers  mit  der  erwartung  in  die  band 
nimmt,  nach  dem  Wortlaute  des  titeis  über  die  geschichte  der 
romantik  näher  belehn  zu  werden,  der  wird  sich  wahrscheinlich 
enttäuscht  Gnden.  es  wird  ihm  nur  eine  darstellung  der  werke 
und  des  lebens  eines  dichters  in  einer  sehr  eng  begrenzten  lebens* 
Periode  gegeben,  noch  dazu  in  einer  periode,  wo  der  dichter  in 
erster  linie  receptiv  erscheint,  zu  der  geringen  Eichendorff- 
litteratur,  welche  K.  in  der  einleitung  zusammenstellt,  ist  aber 
zweifellos  ein  nicht  zu  übersehendes  neues  werk  hinzugekommen, 
nicht  als  ob  uns  hier  etwas  zusammenfassendes,  abscbliefsendes 
geboten  wäre,  aber  die  wichtigste  quelle  für  Eichendorffs  jugend- 
leben, ein  fragmentarisches  tagebuch,  das  bereits  Hermann 
vEichendorff  kannte  und  benützte,  ist  hier  zum  erstenmale  voll 
ausgeschöpft  und  zum  teil  —  leider  nicht  vollständig  —  abge- 
druckt, bis  zum  abschlusse  des  tagebuchs,  1808,  reicht  die  bio- 
graphische darstellung  wie  die  litterarische  Untersuchung  K.s.  sie 
erscheint  an  sehr  vielen  stellen  polemisch  gehalten  gegenüber 
der  darstellung  HvEichendorffs,  der  nach  K.s  meinung  das  tagebuch 
gegenüber  den  späteren  autobiographischen  aufzeichnungen  seines 
Vaters  ungebührlich  zurücksetzte,  noch  schärfer  gegenüber  der 
Eichendorffbiographie  Keilers,  die  1887  als  dritte  vereinsschrifl 
der  Görres-gesellschaft  erschienen  ist.  es  wird  K.  insbesondere 
Keiler  gegenüber  auf  der  sicheren  grundlage  des  tagebuchs  leicht, 
irrtUmer  und  Übertreibungen,  die  meist  eine  leichte  katholisierende 

^  aao.  einleitung. 


162  KRÜGER    DER   JUNGE    EICHENDORFF 

tendenz  zeigen,   zu  berichtigen,     im  wesentlichen   kommen   wir 
durch  R.  selbst  wenig  über  den  söhn  hinaus. 

So  sehr  wir  für  die  mitteilungen  aus  dem  tagebuch  dankbar 
sein  müssen,  in  seinen  Schlussfolgerungen  ist  K.  nicht  immer 
glücklich,  so  ist  es  ein  ganz  seltsamer  irrtum,  wenn  er  in  einem 
bisher  unveröfTenllichten  entwurf  aus  den  Berliner  nachlasspapieren 
eine  Goethe  nachgeahmte  Schilderung  der  umstände  bei  der  geburt 
des  dichters  erblickt,  also  augenscheinlich  den  anfang  einer 
Selbstbiographie,  freilich,  zeit  und  ort  stimmen,  die  Schilderung 
der  constellation  erinnert  an  Goethe,  alles  andere  ist  aber  so 
wunderlich,  dass  es  K.  wol  hätte  stutzig  machen  müssen;  er  hätte 
sich  leicht  überzeugen  können,  dass  ein  grofses  stück  dieses  ent- 
wurfs  in  der  novelle  *Die  Glücksritter' (1841)  wörtlich  widerkehrt, 
dass  also  nur  eine  Variante  vorligt. 

In  der  litterarhistorisch  wichtigsten  frage  :  wann,  wo,  durch 
welche  persönlichkeiten  wird  EicheudorfT  der  romantik  gewonnen? 
—  hat  K.  an  der  band  des  tagebuchs  manches  bisher  ange- 
nommene zweifelhaft  zu  machen,  ja  ganz  zu  widerlegen  versucht, 
so  leugnet  er  den  frühzeitigen  eintluss  von  Steffens,  von  Görres, 
Arnim  und  Brentano  und  will  in  den  kreis  der  letztgenannten  Eichen- 
dorff  erst  später  eintreten  lassen,  in  diesen  puncten  hat  ihm 
Reinhold  Steigs  anzeige  in  der  DLZ.  (18.  febr.  1899)  einige  un- 
genauigkeiten  nachgewiesen ,  ferner  unwiderleglich  festgestellt, 
dass  noch  in  Heidelberg,  nach  einer  kurzen  Pariser  reise,  sich 
ein  näheres  Verhältnis  zwischen  Eichendorff  und  den  genannten 
anbahnte,  dass  ferner  bereits  in  Paris  die  beiden  jungen  barone 
für  Görres  Volksbücher  arbeiteten,  stärker  wie  bisher  wird  aber 
jedesfalls  der  einfluss  des  grafen  Loben  auf  den  jungen  dichter 
angenommen  werden  müssen. 

Der  zweite  teil  des  werkchens  beschäftigt  sich  mit  den 
jugendwerken  Eichendorffs.  es  ist  seine  ersichtliche  tendenz, 
den  lebenseindrücken  und  ansichten  des  dichters  eine  möglichst 
breite  Stellung  neben  den  unzweifelhaften  litterariscben  einflüssen 
zu  erkämpfen,  leider  gibt  R.  zu  wenig  vom  tagebuch^  um  überall 
auch  nur  halbwegs  sichere  Schlüsse  zu  gestatten,  wenn  er  etwa 
ganz  kurz  den  namen  eines  Thilippinchens'  erwähnt,  das  Eicben- 
dorfl*  ein  paar  tage  lang  verehrte,  und  eine  einwürkung  dieser 
-reizenden  Philippinchenepisode'  in  'Ahnung  und  Gegenwart' 
widerfinden  will,  so  muss  man  diese  behauptung  einfach  hin- 
nehmen, nachprüfen  kann  mau  nicht,  soviel  ist  indes  klar,  R. 
legt  viel  zu  viel  gehalt  in  diese  jugendwerke,  insbesondere  in  die 
gedichte,  aus  deren  reihe  er  übrigens  eines  ^  'Italien',  endgiltig 
entfernt  und  einem  Jugendfreunde  Eichendorffs,  Werner,  zuge- 
wiesen hat.  er  will  für  eine  ganze  anzahl  dieser  offenbar  nach- 
empfundenen poesien  —  die  zum  Unglück  grofsenteils  einem 
nachempfinder  wie  Loben  nachempfunden  sind  —  bestimmte 
motive  finden;   dann   gibt  er  sich  wider  mühe,  den  einfluss  der 


KBÜGER    DER   JUNGE   EICHEISDORFF  163 

verschiedeDen  Chorführer  damaliger  dichtung  im  einzelnen  nach- 
zuweisen, dies  wird  besonders  für  den  jugendroman  ^Ahnung 
und  Gegenwarl'  nicht  gut  angehen,  in  dem  sich  die  einflüsse 
aller  romantiker  kreuzen  und  verwirren.  K.  war  augenschein- 
lich nicht  ganz  in  der  läge,  das  netz  der  handlungen  dieses 
romans  zu  entwirren;  es  widerfahrt  ihm,  dass  er  aus  der  Hignon- 
figur  des  romans,  die  freilich  ihre  erscheinung  wechselt,  zwei 
personen  macht,  da  ist  es  denn  auch  völlig  vergebliche  mühe, 
reinlich  Eichendorffs  eigentum  von  den  entlehnungen  aus  an- 
dern dichtem  sondern  zu  wollen,  richtig  bleibt,  was  K.  sagt, 
dass  das  erste  buch  des  romans  sich  zu  seinem  vorteil  von  den 
andern  unterscheidet  und  augenscheinlich  in  anderer  Stimmung 
und  in  anderer  zeit,  schon  1808,  entstanden  ist.  darum  braucht 
man  doch  nicht  anzunehmen,  dass  in  der  prosa  EichendorlT  mit 
höchster  meisterschaft  begann,  um  dann  an  krafl  zu  erlahmen, 
das  erste  buch  zeigt  eben  noch  wenig  romanhafte  verschlingung, 
zu  deren  glücklicher  durchführuug  es  dem  dichter  an  concep- 
tionskraft  gebrach,  als  er  das  später  einsah,  schuf  er  in  seinen 
novellen  erst  seine  meisterwerke.  übrigens  finden  sich  in  dem 
späteren  roman  ^Dichter  und  ihre  gesellen'  ebensoviel,  vielleicht 
noch  mehr  und  noch  deutlichere  anklänge  an  die  Lubowitzer 
zeit;  wer  uns  Eichendorffs  Jugendzeit  schildert,  der  hätte  solche 
nachklänge  wol  verfolgen  sollen. 

Indes  gibt  uns  K.  in  den  vielen  stellen  des  tagebuchs,  be- 
sonders in  der  Schilderung  der  Studentenjahre  in  Halle  und 
Heidelberg,  so  viel  anmutendes,  dass  wir  ihm  danken  müssen, 
wenn  auch  nicht  ohne  den  gedanken:  mehr  EichendorfT,  weniger 
Krüger,  und  das  buch  hätte  nur  gewinnen  können. 

Wien,  im  mai  1899.  Valentin  Pollak. 

Jostinus  Kerners  briefwechsel  mit  seinen  freunden,  herausgegeben  von  seinem 
söhn  Theobald  Kerner.  durch  einleitungen  and  anmerkungen  er- 
iäutert  von  dr  Ernst  Müller,  mit  vielen  abbildungen  und  facsimiies. 
Stuttgart  und  Leipzig,  Deutsche  verlagsanstalt,  1897.  2  bände,  x  u. 
584  und  vi  u.  554  S9.  8®.  —  12  m. 

Uhlands  Tagbuch  1810 — 1820.  aus  des  dichters  handschriftlichem  nachlass 
herausgegeben  von  J.  Hartmann,  mit  einem  bild  Uhlands  nach  dem 
gemalde  von  Morff  aus  dem  jähr  1818.  2  aufläge.  Stuttgart,  JGGotta 
nachf.,  1898.    vin  und  338  ss.   8^.  —  3  m. 

Zugleich  mit  der  zweiten  aufläge  von  Theobald  Kerners  buche 
'Das  Kernerhaus  und  seine  gaste'  sind  zwei  bedeutende  littera- 
fische  erscheinungen  aus  Schwaben  dargeboten  worden  :  Justinus 
Kerners  briefwechsel  mit  seinen  freunden  und  Uhlands  tagbuch. 
Theobald  Kerner,  dem  wir  die  veröfTentlichung  des  lang  erwar- 
teten briefwechsels  verdanken,  hatte  einige  der  im  Kernerarchive 
lagernden  zahllosen  briefe  schon  für  sein  erstes  buch,  das  uns 
den  bunten  Schauplatz  des  Kernerhauses  mit  seinen  genrebildern 
so  liebenswürdig  schildert,  stillschweigend  herangezogen,    der  ge- 


164  JUSTI?iUS  KERNERS  RRJ£FWECHSEL  MJT  SE1»E2I  FREUNDEN 

samte  briefwechsel  durfte  nach  des.  feiDfübleDden  Justious  Reroers 
eigner  bestimmung  erst  30  jähre  nach  seinen]  tode  herausgegeben 
werden,  das  ganze  briefmaterial  ist  berrn  Ernst  Müller  in 
Tübingen  übergeben  und  ihm  voUe  Freiheit  in  der  bearbeitung 
zugestanden  worden,  sodass  er  allein  die  Verantwortung  für  diese 
ausgäbe  trägt,  der  hier  veröffentlichte  briefwechsel  reicht  von 
1805  — 1861  und  umfasst  852  gedruckte  und  26  in  facsimiles 
widergegebene  briefe.  sie  sind  cbronologiscb  geordnet  und  in 
10  abschnitte  eingeteilt;  jedem  abschnitte  geht  eine  historische 
einleitung  voraus,  den  einzelnen  briefen  sind  erklärende  an<^ 
merkungen  beigefügt,  am  Schlüsse  jedes  bandes  findet  sich  ein 
Verzeichnis  der  briefe  nach  ihren  absendern,  am  Schlüsse  des 
2  bandes  folgt  noch  ein  Personenregister,  das  werk  ist  reich  mit 
abbildungen  und  facsimiles  ausgestaltet. 

Die  litterarischen  und  historisclien  rücksichten,  die  M.  bei 
der  bearbeitung  geleitet  haben  ^  die  grundsätze,  nach  denen  er 
diese  ausgäbe  veranstaltet  bat^  gereichen  ihr  nicht  zum  vorteile. 
M.  hätte  an  der  monumentalen  Sammlung  der  briefe  Schiller» 
durch  Jonas  lernen  können  und  sich  diese  vortefTliche  leistung 
zum  muster  nehmen  sollen,  diese  briefe  Kerners '  und  seiner 
freunde,  in  denen  sich  ein  halbes  Jahrhundert  schwäbischer  ro- 
mantik  entrollt,  durften  der  Wissenschaft  niemals  in  einer  spär- 
lichen auswahl  übergeben  werden,  hier  trifft  die  schuld  die 
Deutsche  verlagsanstalt,  die  sieb  nur  zur  herausgäbe  von  2  banden 
mit  ca.  70  bogen  entschlossen  hatte,  dieselbe  verlagshandlung^ 
die  gegen  7  bände  Schillerscher  briefe  in  rechter  erkenntnis  ihrer 
bedeutung  nichts  einzuwenden  hatte,  auch  hier  war  möglichste 
Vollständigkeit  am  platze,  gegen  die  rücksicht  auf  weitre  kreise^ 
die  M.  zu  üben  sich  bemüht  hat,  verstöfst  er  auch  schon  mit 
diesen  2  bänden,  aufser  specialisten  wird  kein  mensch  diese 
1200  Seiten  briefe,  die  zum  grofsen  teile  redactionell- geschäft- 
licher art  sind,  lesen,  das  ^Kernerhaus  und  seine  gaste'  muste 
jeden  fesseln,  diese  briefe  —  darüber  wollen  wir  uns  nicht 
täuschen  —  reizen  nur  den  forscher,  sie  bieten  mehr  ein  biblio- 
graphisches, litterarhistorisches  interesse.  von  3000 — 4000  briefen 
erhalten  wir  nur  ca.  878.  allen  andern  hat  der  herausgeber 
'eine  wesentliche  bedeutung  für  die  litteraturgeschichte'  abge- 
sprochen, er  übernimmt  mit  dieser  entscheidung  eine  gewaltige 
Verantwortung,  ich  bin  der  ansieht,  dass  in  diesem  briefwechsel 
nicht  nur  alle  im  Kernerarchiv  vorhandenen  briefe  lückenlos  zum 
abdruck  kommen  musten,  sondern  dass  der  herausgeber  es  sieb 
sogar  hätte  angelegen  sein  lassen  müssen,  die  bereits  veröffent- 
lichten briefe  Kerners  in  sein  werk  aufzunehmen  und  ihnen  auch 
die  übrigen  an  andrer  stelle  aufbewahrten  briefe,  die  noch  nicht 
bekannt  sind,  anzuschliefsen.  hier  bot  sich  die  gelegenheit  zu 
einem  monumentalen  Sammelwerk,  so  hätten  zb.  Kerners  umfang- 
reiche berichte  aus  Hamburg  und  Wien,    die  für  seine  Jugend- 


msnilüS  EEKNEtS   BRIEFWECHSEL  MIT  SEIREN  FBECNDEN  165 

dicliiuBg  »e  wertvolles  material  liereni,  aus  Mayers  Uhland-werk 
lieiilbergettoiDineD  werden  sollea.  ist  doch  die  Lenau-^emersche 
correspoodenz,  die  zuerst  Schurz  1855  in  Leoaus  lebe«  mitgeteilt 
hat,  gegenwärtig  in  diesem  brtefwecbsel  widerholL  kh  billige  das 
durchaus  irad  wundre  mich,  dass  Geiger  in  seinem  aufsatze  *Lenau 
als  eerrector  Kemers'  in  der  beilage  zur  Allgem.  zeitung  1898 
nr  173  es  für  überflüssig  balt,  er,  der  in  einem  vortrage  'Zu 
Jusünus  Kerners  briefen'  in  der  gesellscbaft  für  deutsche  litteratur 
zu  Berlin  am  16  febraar  1898  (vgl.  jetzt  Zs.  f.  d.  pfail.  31,2510) 
die  uiivollstfDdigkeit  dieser  briefssfflimiung  selbst  scharf  getadelt 
h^.  Geiger  wies  nach,  dass  aus  der  Radowkzschen  und  Varn- 
hageoschen  Sammlung  auf  der  kOnigHcben  bibliothek  eu  Berlin 
sehr  viel  zu  ergänzen  sei.  dort  finden  sich  dlein  73  briefe 
Rerners  an  Vamhagen  aus  den  jj.  1809 — 57,  ferner  solche  an 
Helmine  vCh^y,  einer  an  Achim  rAmim.  ferner  gibt  es  aus  dem 
nachlass  von  David  As&ur  briefe  Kerners  und  seiner  braut  an 
jenen  und  an  Varnhagens  Schwester  Rosa  Maria,  das  alles  ist 
unberücksichtigt  geblieben.  M.  hat  aber  nicht  nur  zahllose  briefe 
ausgeschieden,  er  ist  nicht  einmal  davor  zurückgeschreckt,  briefe 
in  onvoHständigem,  verkürztem  abdrucke  zu  geben  I 

Ich  hege  starke  zweifei,  dass  der  gebotene  Wortlaut  der  briefe 
immer  zuverlässig  sei.  der  druck  des  briefes  des  nationalökonomen 
Friedrich  List  an  Kerner  vom  7  nov.  1824  im  ^Kernerbaus'  (s.  44) 
weicht  bedenklich  von  dem  druck  im  vorliegenden  briefwechsel 
I  560  ab.  auch  der  druck  des  gedichts  ^Glück  und  glas.  Wie  bald 
bricht  das  I'  von  Joseph  vLassberg  (ii  416)  stimmt  mit  dem  bei- 
gefügten facsimiie  nicht  überein.  es  liefsen  sich  noch  andre  bei- 
sfHele  nennen,  das  geftthl  der  Zuverlässigkeit  zum  wortUiut,  das 
so  sehr  in  Jonas  ausgäbe  der  Scbiller-briefe  beruhigt,  muss  aber 
auch  verloren  gehn,  wenn  M.  offen  erklärt :  ^geändert  habe  ich 
nichts,  höchstens  einige  offenbare  Schreibfehler  oder  sonstige  un- 
bedeutende versehen,  die  Schreibung  der  briefe  ist  nach  n^ern 
Vorgängen  modern,  zumal  da  der  unterschied  nur  ganz  gering  ist, 
wie  die  facsimiles  zeigen',  abgesehen  davon,  dass  ein  vergleich 
des  drsckes  mit  dem  facaimile  zuweilen  erhebliche  unterschiede 
aufdeckt,  ist  ein  kritischer  herausgeber  zur  änderung  der  Ortho- 
graphie und  zur  Verbesserung  sogenannter  versehen  durchaus 
nicht  befugt,  leicht  wird  als  versehen  betrachtet,  was  sich  bei 
näherem  Studium  als  bewuste  stilistische  härte  oder  eigenheit 
herausstellt,  solche  schlimmbesserungen  machen  eine  Untersuchung 
des  Stils  ganz  unmöglich;  man  glaubt  den  urtext  zu  lesen,  und 
bat  ihn  doch  nur  gereinigt  vor  sich. 

Die  einleitungen  zu  den  einzelnen  abschnitten  sind  sehr  reiz- 
los geschrieben,  auf  die  sachlichen  erklärungen  und  anmerkungen, 
^e  leider  statt  an  den  schluss  des  bandes  wider  einmal  unter  den 
Seitentext  gebracht  worden  sind,  ist  mehr  Sorgfalt  verwant  hier 
ist  sogar  oft  des  guten  zu  viel  getan.    M.  hat  sich,  in  der  mei- 


166  JUSTIISUS  KERxNERS  BRIEFWECHSEL  MIT  SEINEN  FREUNDEN 

nung,  *der  briefwechsel  dürfte  auch  weilre  kreise  interessieren', 
zb.  dazu  verleiten  lassen,  bei  erwähnung  des  Wunderhorns  (i  8) 
die  anmerkung  zu  geben  :  ^eine  Sammlung  älterer  deutscher  Volks- 
lieder gab  Achim  vArnim  mit  Clemens  Brentano  in  drei  bänden 
(Heidelberg  1806 — 1808)  heraus,  das  werk  wurde  öfters  neu  ge- 
druckt', und  bei  nennung  Hölderlins  (i  10)  zu  erklären  :  ^der  ly- 
rische dichter  Friedrich  Hölderlin  (1770—1843)  lebte  von  1806 
bis  zu  seinem  tode  in  völligem  Wahnsinn  in  Tabingen'l  aus  dem- 
selben gründe  sind  auch  die  lateinischen  und  französischen  stellen 
in  den  briefen  verdeutscht  worden  I  glaubt  M.  würklich,  dass  je- 
mand diesen  briefwechsel  zur  band  nimmt,  der  nicht  weifs,  dass 
ombres  chinois  ^chinesische  schatten*  heifst  ?  hochkomisch  würkt  es, 
wenn  in  eckigen  klammern  erläutert  wird,  dass :  deus  ex  machina  — 
*Gott  aus  der  maschine'  bedeute,  ni  fallor  —  'wenn  ich  nicht 
irre',  fides  historica  —  'geschichtliche  treue',  in  summo  gradu  — 
'im  höchsten  grade',  vale  et  fave  Mebe  wol  und  bleibe  mir  gut'^ 
ego  —  'ich'I  merkwürdigerweise  ist  aber  in  dem  briefe  der  gräfin 
Kielmannsegge  an  Kerner  vom  30  mai  1843  (ii  229)  ein  langes 
citat  aus  einem  briefe  der  George  Sand  nicht  übersetzt  worden, 
und  wenn  der  briefwechsel  in  der  tat  für  das  grofse  publicum 
berechnet  wäre,  dann  konnte  der  herausgeber  in  seinen  anmer- 
kungen  nicht  so  oft  auf  keineswegs  populäre  bücher  verweisen, 
ganz  unverständlich  bleibt  es,  weshalb  personennamen  zu  wider- 
holten malen  erst  bei  ihrem  zweiten,  dritten,  ja  vierten  vorkommen 
eine  erklärende  anmerkung  erhalten,  und  sogar  an  stellen,  wo 
wir  ihnen  zum  ersten  male  begegnen,  auf  die  bei  ihrem  spätem 
vorkommen  gegebene  anmerkung  verwiesen  wird. 

Gegen  die  äufsre  ausstattung  lässt  sich  nur  einwenden,  dass 
die  beigegebenen  porträts  (wie  wir  das  aber  leider  bei  der  Deutschen 
verlagsanslalt  gewöhnt  sind)  nicht  auf  der  höhe  der  heutigen  technik 
stehn,  uud  dass  es  ratsam  gewesen  wäre,  bei  allen  den  namen 
des  maiers  oder  Stechers  vielleicht  auch  das  entstehungsjahr  an- 
zugeben. 

Eine  gediegene  ausgäbe  hätte*  diesen  so  bedeutenden  brief- 
wechsel Kerners  zu  einem  monumentalen  Sammelwerk  ausbauen 
können,  das  durch  die  Vollständigkeit  des  materials  ein  unent- 
behrliches hilfsbuch  für  die  durchforschung  schwäbischer  roman- 
tik  geworden  wäre,  alle  schwäbischen  dichter^  daneben  aber  auch 
Tieck,  Lenau,  Freiligrath,  Geibel,  Loben,  Fouqu^,  Varnbagen, 
Rückert,  Dorothea  Schlegel,  Amalie  Schoppe,  Carriere,  Görres, 
sind  mit  briefen  vertreten,  das  gröste  Interesse  nehmen  natürlich 
Kerners  und  IJhlands  briefe  in  anspruch,  jene  weich,  gefühlvoll, 
diese  verschlossen,  spöttisch,  oft  sogar  schroff,  oft  aber  auch  von 
einem  bei  Uhland  ganz  ungeahnten  humor.  Kerner,  der  in  der 
Politik  wol  seinen  eigenen  weg  geht,  erkennt  in  der  poesie  Uhland 
unbedingt  als  seinen  meister  an,  dem  er  neidlos  folgt. 

Wie  ergiebig  dieser  briefwechsel  ist,  hat  Reinhold  Steig  ge- 


JUSTirtUS  KERNERS  BRIEFWECHSEL  MIT  SEIISE^N  FREUNDEN  167 

xeigt,  der  aus  ihm  seinen  aufschlussreichen  aufsatz  über  die  be- 
ziehoDgeD  zwischen  der  Arnimschen  und  schwäbischen  dichter- 
gruppe  zusammengearbeitet  hat.  es  ist  dies  der  2  teil  der  in  der 
Schwäbischen  chronik  vom  16  und  20  oct.  1897  veröffentlichten 
Untersuchung  Steigs  über  Achim  vArnims  schwäbische  reise  im 
j.  1820»  der  ein  sehr  eingehnder  brief  Arnims  an  Bettina  zu 
gründe  ligt,  in  dem  dieser  sich  sehr  ausführlich  über  seine  be- 
suche bei  Kerner  und  Uhland  ausspricht,  auffallend  ist,  dass 
sich  bei  Kerner  kein  brief  von  Arnim,  der  mit  ihm  im  brief- 
wecbsel  stand,  kein  brief  von  Brentano  vorgefunden  haben  sollte. 
hat  sie  M.  vielleicht  als  unwesentlich  für  die  litteraturgeschichte 
unterdrückt? 

Dieser  aufsatz  Steigs  gibt  zugleich  einen  commentar  zu 
Ublands  eintragung  in  sein  tagbuch  vom  22  oct.  1822  :  'Be- 
such von  Arnim',  solcher  commentare  bedürfen  sehr  viele  der 
zusammenhangslosen  notizen  in  dem  tagbucbe  dieses  schweigsamen 
Schreibers,  das  uns  mit  seineu  flüchtigen,  scheinbar  rein  geschäft- 
lichen tagesanmerkungen  zunächst  gar  nicht  zu  fesseln  vermag 
und  das  uns  doch  bald  gar  nicht  mehr  loslässt.  diese  erste  gäbe 
aus  der  reichen  dichterischen  hinterlassenschaft  Uhlands  erweist 
sich  als  ein  unschätzbarer  beitrag  zur  kenntnis  des  dichters  und 
menschen,  das  tagbuch  umfasst  nur  die  jähre  1810 — 20,  es  be- 
ginnt mit  der  Pariser  reise  und  endet  mit  der  hochzeitsreise  in 
die  Schweiz,  aber  diese  11  jähre  sind  wol  des  dichters  frucht- 
barste zeit,  und  er  hat  über  sie  so  peinlich  genau  buch  geführt, 
dass  wir  einen  tiefen  einblick  in  seine  bildungsgeschichte,  in  die 
Werkstatt  des  dichters  und  des  gelehrten,  in  die  tätigkeit  des 
Politikers  erhalten,  seine  lectüre  und  sein  schaffen  verfolgen,  seine 
leiden  und  freuden  mitdurchleben.  Uhland  war  kein  freund 
schöner  worte.  was  geht  vor  allem  die  weit  sein  inneres  leben  an ! 
das  lebte  er  allein,  er  mied  es,  dem  papiere  seine  geheimnisse 
anzuvertrauen,  und  darum  zeigt  sich  seine  Zurückhaltung  beson- 
ders in  herzenssachen.  erst  am  tage  der  Verlobung  spricht  er  von 
seiner  braut;  nach  der  hochzeit  eine  lücke,  und  dann  fasst  das 
kurze  wort  'häusliches  glück'  das  ganze  junge  eheleben  zusammen, 
es  ist  selten,  wenn  er,  von  Richard  Ohnefurcht  hingerissen,  die 
übliche  Zurückhaltung  vergisst  und  ins  tagbuch  schreibt :  ^Apollo, 
wirst  du  diese  Glut  noch  lindem!^  am  ausführlichsten  sind  die 
berichte  über  die  Pariser  und  über  die  hochzeitsreise.  überall 
in  diesen  zusammenhangslosen  notizen  enthüllt  sich  für  den,  der 
zwischen  den  Zeilen  zu  lesen  vermag,  wol  ein  wortkarger,  aber 
ungemein  weicher,  lyrischer  mensch,  der  das  unbedeutendste  in 
der  natur  entdeckt,  in  dem  die  ganze  natur  leben  gewinnt,  der 
alle  gestalten  festhält,  die  ihm  begegnen,  alle  gespräche  mit  leuten, 
die  ihm  auf  der  reise  in  den  weg  kommen,  wir  lernen  einen 
tiefen  empfindungsmenschen  kennen,  der  einen  versöhnenden 
gegensatz  bildet  zu  dem  spröden,  steifnackigen  advocaten.   ja,  das 


168  HARTMAKN    OBLAMDS    TAGBDCH    ISIO-IS^O 

lagbuch  eothullt  uns  in  Uhland  einen  triumer,  der  eigenartig 
träumte  und  wert  auf  seine  träuoie  legte,  es  enIhflUt  ans  einen 
fnenscben,  der  Ton  atmosphärischen  erscbeinsngeD  abbSngig  war, 
der  zb.  das  herannahen  eines  gewitters  lange  ?oriMr  durch  einen 
druck  auf  dem  kuffe  merkte,  davon  hat  Kerner,  der  so  oft  des 
freundes  spott  erdnlden  muste,  nichts  geahnt. 

Das  tagbuch  gibt  uns  auch  über  die  entstebing  viel^  ge* 
dichte  aufschluss  und  nennt  für  einzelne  die  quellen,  die  genesis 
der  Oblandscheo  gedichte  war  freilich  schon  immer  aenalich  deut- 
lich zu  verfolgen,  und  Holland  hatte  sie  bereits  mit  grofeer  ge- 
nauigkeit  zu  datieren  gewust,  aber  das  tagboch  lehrt  oao  oft 
noch  genaueres.  Hermann  Fischer  hat  in  der  beilage  mr  Allgem. 
Zeitung  1898  nr  209  eine  ergiebige  auslese  von  tagbuchriiotizen 
zur  entstehung  einer  grofsen  zahl  von  gedichten  gegeben,  eine 
fülle  neuer  aufschlüsse  spendet  das  tagboch  über  UUaods  tStig- 
keii  im  altfranzösischen  bereich.  und  die  vielen  eintrige  hier 
•können  belebt  und  ergänzt  werden  auf  gmnd  eines  TUbiager 
Sammelbandes,  der  zahlreiche  eigenhändige  entwürfe  des  dichters 
aus  sehr  verschiedener  zeit,  darunter  altfranzösische  stücke,  ver- 
einigt, die  Holland  nach  und  nach  von  der  witwe  geschenkt  er- 
halten hat.  an  der  band  dieses  sammelbandes  und  jener  tagbuch- 
aufzeichnungen  hat  Erich  Schmidt  seine  arbeit  Ober  Uhlands  ge- 
plantes *  Märchenbuch  des  königs  von  Frankreich',  wie  es  am 
15  nov.  1812  genannt  wird,  geschrieben  (Sitzungsberichle  d.  kgl. 
preuls.  ac.  d.  wiss.  zu  Berlin  vom  11  nov.  1897). 

Oberstudienrat  Julius  Hartmann  ist  der  herausgeber  dieses 
iagbuchs.  er,  der  selber  im  besitze  einer  menge  persönlicher  er- 
innerungen  ist,  vermochte  in  ausgezeichneter  weise  die  lakonischen 
eintrage  zu  erläutern,  er  hat  auch  knapp  das  altschwSbische  er- 
klärt, aber  was  er  gibt,  sind  nur  nähere  bestimroungen  der  per- 
sonen,  örtiichkeiten  und  begebenbeiten.  litterarischen  erörterungen 
ist  er  aus  dem  wege  gegangen,  dadurch  ist  der  text  nicht  durch 
den  commentar  erdrückt,  und  es  bleibt  dem  leser  die  freode,  sich 
selbst  einen  commentar  zu  schaffen. 

Posen.  Gkorg  Hindb-Podkt. 

Litter  AT  DR  NOTIZEN. 
Forelsesninger  og  videnskabelige  afhandlinger  af  Eorrao  GIslason 
udgivne  af  kommissionen  for  det  Arnamagnseanske  legat  (ßflter- 
ladte  skrifter,  andet  bind).  Kebenbavn,  Gyldendalske  boghandel, 
1897.  xziii  und  331  ss.  8^.  —  wir  erhalten  hier  zunächst  Vor- 
lesungen Gislasons  *over  hensynsformen  i  oldnordisk*.  in  der 
eiuleitung  erwähnt  G.  den  alten  aufsatz  von  Dietrich  Zs.  8,23ff. 
s.  9  fr  handeln  über  das  grenzgebiet  von  dat.  und  acc  in  fällen 
wie  Hoskuldr  sat  d  miijan  bekk  oder  bjartr  d  hdr  zeigt  der  acc. 
die  ricbtung  des  blickes  an.  verwant  ist  vega  d  pumdeara  (acc.), 
wo  der  act  des  hinbringens  zur  wage  und  des  anbängens  an  den 


GiSLASOR   FORELAESMIiNGER   OG    VIDENSKABELI6B   AFHANDLINGKR      l69 

haken  angedeutet  wird,  so  wird  auch  in  binda  boi  yfir  miijar 
dyrr  die  bewegung,  dagegen  in  binda  b66  yfir  mt6jum  dyrum 
die  ruhe  zum  ausdruck  gebracht,  oder  vdru  seglin  at  sjd  vü 
hafi  und  vdru  seglin  at  sjd  vii  haf  bedeuten  das  gleiche  :  *die 
«egel  zeigten  sich  am  horizoni',  nur  gehn  beide  ausdrucksweiseo 
von  verschiedenen  arten  der  beobachtung  aus;  der  dat.  drückt 
das  verweilen  in  der  richtung  des  himmelsrandes,  der  acc.  die 
berOhrung  mit  dieser  linie  aus. 

S.  25ff  handeln  über  den  dativ  als  objectscasus  in  fällen  wie 
bana  hdnutn,  afla  pvi,  aka  heim  viSi,  brynna  nautum.  G.  weodet 
sich  gegeo  die  autTassung  des  dat.  als  instr.  wenig  überzeugend 
wird  bana  hdnum  mit  ausa  vatni  d,  wo  ein  verb.  der  bewegung 
vorligt,  gleichgestellt;  bana  hdnum  soll  eigentlich  bedeuten  4hn 
aus  dem  leben  in  den  tod,  ihn  über  die  grenze  zwischen  leben 
und  tod  bringen'. 

Die  Vorlesungen  über  die  altnordische  metrik  sind  auf  den 
Sieversschen  Untersuchungen  aufgebaut,  docb  nennt  G.  Sievers 
nur  gelegenthch,  um  gegen  ihn  zu  polemisieren,  zu  neuen  er- 
gebnissen  hat  diese  nachprüfung  nicht  geführt,  ihr  hauptwert 
scheint  mir  in  den  Zusammenstellungen  von  versen  zu  liegen, 
welche  sich  den  Sieversschen  typen  nicht  fügen  wollen,  so  auf 
s.  97 ff  die  fälle,  wo  die  verszeile  in  der  4silbigen  runhenda  zu 
lang  scheint,  recht  einleuchtend  ist  die  besserung  auf  s.  98  von 
Uöfudiausn  8  beit  bengrefill  \  pat  var  blöirefiU,  wo  G.  es  statt 
vas  list  also  ein  fall  von  'tilsagt',  von  erklärung  einer  kenning. 
s.  99  meint  G.,  dass  es  verkürzte  formen  wie  heyri  oder  minst 
s=  heyriu,  minstu  gegeben  habe. 

Es  folgen  bemerkungen  über  das  sogenannte  Mälsbättakvaedi, 
oder  die  Fornyrdadräpa,   welchen   titel  G.  vermutet:  wegen   des 
Verses  fcera  CBtlum  fom  ori  saman  in  der  ersten  Strophe,    das  stef 
Ekki  var  pat  forium  farald  — 
Finnan  gat  pö  (Brian  Harald 
(hdnum  pötti  sölbjort  sü)  — 
sliks  dcBmi  verir  morgum  nü 
übersetzt  G.  s.  139  :  *Det  var  fordum  (just)  ingen  omgangssyge  — 
skont  man  v6d,   hvorledes  det  gik  Harald  — ,  men   haender  nu 
ofte,  at  kserlighed  forvirrer  hjernen'.     diese  deutung  scheint  mir 
nicbt  wahrscheinlich,     die  grundbedeutung  von  farald  ist  offen- 
bar =  ags.  fareld  'iter'.    danebeq  aber  weised  stellen  wie  mdtti 
pat  engi  mair  vita,  hverju  f.  pangat  mundi  farit  hafa  auf  die 
bedeutung  'seltsame  begebenheit'  hin;  also  ein  bedeutungsflber- 
gang,  ähnlich  dem  bei  aventure,  vgl.  fara  'sich  ereignen',    diese 
letztere   bedeutung   ligt  hier  vor  :  'in  alter  zeit  war   das  nichts 
aufsergewöbnliches  —  die  Finnin  hat  ja  (/d),  wie  ihr  wisst,  den 
Harald  verrückt  gemacht  — .     aber  auch   heute  noch  kommt  so 
etwas  vor'. 

Eine  hübsche  deutung  bringt  G.  auf  s.  140: 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  12 


170       GiSLASON    FORELAESISUSGER   OG    VI  DENSE  ARELI6E   AFHANDLINGBR 

Yarla  synisk  aüt,  sem  er, 
ylum  peim,  er  hcegir  drer 
'diejenigen,  welche  an  star  leiden,  sehen  nicht  alles,  wie  es  ist'. 
G.  stellt  drer  zu  driusan  und  vergleicht  zu  dem  bedeutungswandel 
'tropfen'  >>  'star'  die  romanischen  sprachen,  in  welchen  das  lat. 
gutta  auch  die  bedeutung  'star'  angenommen  hat. 

Die  Vorlesungen  über  die  ältesten  rfmur  sind  ungemein  sorg- 
fältig ausgearbeitet.  G.  gibt  eine  vollständige  grammatik  (laut- 
und  formenlehre)  dieser  auf  der  grenze  zwischen  an.  und  isl. 
stehenden  denkmäler,  weiter  auch  eine  syntax  und  metrik.  das 
Wörterverzeichnis  auf  s.  184  fr  bringt  eine  reihe  von  Wörtern,  die 
in  den  Wörterbüchern  noch  fehlen,  in  Grimn.  24  Fimm  AtiikfrtiS 
gölfa  ok  um  fiörum  tegutn  svä  hygg  ek  Bilskimi  meS  hugum  fasst 
FJönsson  mei  bugum  «»  mei  hringutn  'vollständig,  alles  in  allem'. 
s.  184  bringt  G.  einen  beleg  für  diese  auflassung  aus  den  Kon- 
räds  rimur. 

Die  'Strebemaerkninger'  behandeln  skaldenstellen,  die  zt.  schon 
im  ersten  bände  der  Efterladte  skrifter  besprochen  sind,  und 
bringen  weiter  grammatische  und  lexikalische  bemerkungen.  den 
schluss  des  bandes  bilden  auszüge  aus  G.s  vorarbeiten  zu  Cleasbys 
Dictionary,  welche  den  anteil  G.s  an  dieser  arbeit  nachweisen 
gegenüber  einigen  absprechenden  bemerkungen  in  der  vorrede 
zum  Dictionary. 

Der  zweite  band  der  Efterladte  skrifter  steht  an  wert  des 
gebotenen  hinter  dem  ersten  zurück,  da  hier  das,  was  die  haupt- 
stärke G.s  ausmacht,  das  feine  Sprachgefühl  und  die  intime  Ver- 
trautheit mit  der  skaldischen  dichtung  ungleich  weniger  zur  gel- 
tung  kommt. 

Zum  Schlüsse  mach  ich  auf  das  von  Finnur  Jönsson 
herausgegebene  Register  til  Njäla  andet  bind  og  K. 
Gfslasons  andre  afhandlinger,  Kebenhavn  1896,  40ss.  8^ 
aufmerksam,  das  die  auffindung  einzelner  stellen  in  den  sehr  zer- 
streuten G.schen  arbeiten  leicht  macht  und  namentlich  für  alle, 
die  sich  mit  skaldischer  poesie  beschäftigen,  eine  recht  will- 
kommene gäbe  ist.  F.  Dbtter. 
Cynewulfs  Elene.  mit  einem  glossar  herausgegeben  von  Julius 
Zdpitza.  vierte  aufläge.  Berlin,  Weidmann,  1899.  xi  und  89  ss. 
gr.  8^.  2  m.  —  Zupitzas  ausgäbe  der  Elene  ist  bei  ihrem  ersten 
erscheinen  vor  22  jähren  als  ein  vortreffliches  hilfsmittel  für  den 
ags.  Unterricht  begrüfst  worden  und  hat  sich,  von  der  kritik 
lebhaft  gefördert,  in  jeder  neuen  aufläge  vollkommener  gezeigt, 
an  einem  derartigen  Studentenbuche  darf  die  arbeit  nicht  rasten, 
wenn  es  fortdauernd  in  gebrauch  und  respect  bleiben  soll,  und 
bei  Z.  sorgte  vorurteilslose  lernbereitschaft  neben  conservativer 
grundstimmung  dafür,  dass  dem  werkchen  alle  gesicherten  fort- 
schritte  der  ags.  philologie  zu  gute  kamen,  der  neue  beraus- 
geber  dr   Albert   Herrmann    huldigt   einer   pietät,   wie    sie 


ZUPITZA    CYiNEWÜLFS    ELENK  171 

schwerlich  im  sinne  seines  lehrers,  gewis  nicht  im  interesse  des 
buches  ligt,  wenn  er  (nach  11  jähren!)  einen  unveränderten  ab- 
druck  der  dritten  aufläge  mit  ^berichtigung  einiger  weniger  druck- 
fehler'  und  erganzung  der  litteraturangaben  liefert,  ob  ein  hand- 
exemplars  Z.8  benutzt  wurde,  erfahren  wir  nicht,  man  kann  es 
nicht  billigen^  dass  dem  texte  so  einleuchtende  besserungen  wie 
die  interpunctionsvorschläge  von  Swaen  (Anglia  17,  123iT)  zu 
vv.  66 — 68.  106  vorenthalten  bleiben,  und  auch  am  sprachlichen 
gewande  der  dichtung  muste  weiter  gesäubert  und  geputzt  wer- 
den, ich  versteh  es  und  es  ist  mir  nur  sympathisch,  wenn  Z. 
nach  dem  erscheinen  der  Sieversschen  Untersuchungen,  deren 
bedeutung  für  die  sprachliche  kritik  ags.  texte  er  freudig  aner- 
kannte, doch  anfangs  zögerte  mit  der  durchführung  der  Synkopen 
wie  gewisser  neuer  längezeichen  und  durch  häkchen  hier  durch 
unterpungierung  dort  eine  vermittelung  anstrebte,  aber  ich  kann 
mir  nicht  vorstellen,  dass  Z.  an  diesen  notnägeln  des  Übergangs 
noch  heute  festhaken  würde,  wo  wir  also  beispielsweise  mehr 
als  ein  dutzendmal  häh'ge  gedruckt  finden,  während  doch  auch 
die  hs.  selbst  10  mal  hälga,  hälgan  schreibt,  ebenso  tr^^^an  357, 
'Wertge  560,  denen  ein  hsl.  werge  387  gegenübersteht  usw.  der 
zaudernde  möge  doch  bedenken,  dass  die  Exeter-hs.  die  von 
historischer  grammatik  und  metrik  verlangten  zweisilbigen  formen 
noch  weit  häufiger  bietet;  so  heifst  Juliana  stets  seo  hälge  :  315. 
345.  567.  589.  696.  716.  Z  selbst  ergänzt  834  reonian  der  hs. 
(die  la.  steht  versehentlich  unter  836)  nicht  zu  reonigan^  sondern 
schreibt  reongan.  ähnlich  ligt  es  mit  der  behandlung  der  dehnung 
vor  r  bei  ausfall  eines  h  :  mearh-meareSj  fira  (Sievers  Beitr.  10, 
487  f  und  Ags.  gr.  §  218).  Z.  konnte  sich  1888  noch  nicht 
entschliefsen,  hier  die  quantitätsveränderung  innerhalb  des  para- 
digmas  zu  crassem  ausdruck  zu  bringen  und  schrieb  darum  (vgl. 
vorw.  s.  iv)  samearas  (228)  fira  (898.  1078.  1173)  was  sein 
nachfolger  beibehält,  der  Student  erhält  dadurch  ein  bild,  für 
das  kein  lebender  anglist  einzutreten  gewillt  ist.  im  übrigen  ist 
der  druck  sorgfSiltig,  ich  habe  mir  nur  notiert  :  293  1.  htßcet.  430 
1.  si§n.  694  1.  VII.   1212  1.  bisceophäd.  Edward  Schröder. 

Die  quellen  der  beispiele  Boners.  von  Christian  Waas  aus  Friedberg 
in  der  Welterau.  Dortmund  1899.  druck  von  Fr.  Wilh.  Kuhfus. 
(inaugural-dissertation  ...  der  Universität  Giefsen.)  vi  und  77  ss. 
gr.8^.  —  nachdem  der  Verfasser  kurz  den  bisherigen  gang  der 
forschung  über  die  vorlagen  Boners  dargelegt  hat,  untersucht  er 
(s.  8 — 39)  die  hauptquellen,  nämlich  die  aus  dem  Anonymus 
Neveleti  und  aus  Avian  geschöpften  stücke,  er  bedient  sich  bei 
seiner  methodisch  und  vorsichtig  geführten  Untersuchung  des 
grofsen  Vorteils,  den  es  ihm  gewährt ,  dass  während  der  letzten 
Jahrzehnte  verschiedene,  besonders  mittelalterliche  fabelsammlungen 
in  guten  ausgaben,  mit  einem  umfänglichen  hss.-apparat  ausge- 
staltet, erschienen  sind;  am   wichtigsten  natürlich  Les  fabulistes 

12* 


172  WAAS    DIE   QUELLEN    DER   BEISPIELE    BONERS 

lalias  von  LHervieux,  jetzt  io  2  aufläge  fünf  bände  befassend. 
Waas  vergleicht  nun  dieses  bequem  zugängliche  material  mit  den 
fiibeln  Boners  und  ist  in  der  angenehmen  läge,  dass  er  vielfach 
genauer  die  vorlagen  des  deutschen  dichters  feststellen  kann,  so 
-ermittelt  er  für  die  Anonymusgruppe  die  erste  Lyoner  hs.,  für 
die  nach  Avian  gearbeiteten  stücke  eine  bs.  b.  nur  gebraucht  er 
dabei  zuweilen  eine  wunderliche  ausdrucksweise;  so  sagt  er 
s.  38:  *  Schonbach  und  Hlulet  haben  (wegen  einer  differenz 
zwischen  Boner  und  Avian)  sofort  nach  einer  andern  quelle  für 
seine  fabeln  gesucht,  ein  blick  in  das  Variantenverzeichnis  der 
hss.  hätte  ihnen  diese  mühe  ersparen  können.'  das  wäre  nun 
doch  ein  kunstslück  gewesen,  wenn  ich  1875,  als  ich  meine  ab- 
handlung  über  Boner  schrieb,  die  Varianten  der  Avianausgabe 
von  Ellis,  die  1887  erschienen  ist,  hätte  einsehen  wollen!  was 
würde  wol  der  Verfasser  sagen,  wenn  ich  ihm  vorwerfen  wollte, 
er  habe  1896  es  (s.  40)  auffallend  gefunden,  dass  Bertbold  von 
Regensburg  so  spärlich  von  exempeln  gebrauch  mache,  indes 
meine  1890  veröffentlichten  mitteilungen  aus  der  Grazer  bs.  730 
(ebenso  wie  alle  übrigen  hss.  der  ungedruckten  lateinischen  auf- 
zeichnungen)  das  gegenteil  bezeugen?  —  der  hauptwert  der  Studie 
von  W.  ligt  in  ihrem  zweiten  teil  (s.  39 — 76),  wo  er  aus  einer 
sehr  ansehnlichen  belesenheit  die  quellen  für  jene  fabeln  Boners 
bestimmt,  für  die  sie  bisher  (besonders  von  Gotlschick)  nicht 
genau  oder  gar  nicht  nachgewiesen  werden  konnten,  ich  halte 
diese  aufgäbe  für  nunmehr  so  ziemlich  erledigt,  bei  Boners 
4  fabel  Von  einem  boume  üf  einem  berge  hatte  ich  vermutet,  der 
dichter  habe  sie  erfunden.  W.  sucht  zu  erweisen,  dass  die 
fabel  auf  einem  von  Flieronymus  gebrauchten  vergleich  beruhe, 
das  würde  nicht  viel  ändern,  denn  sobald  ein  poet  aus  fünf 
Worten  {radicis  amariludinem  dulcedo  fructuum  compensai)  64  verse 
macht,  dann  wird  wol  der  grOste  teil  davon  ihm  gehören,  es 
tritt  hinzu,  dass  diese  4  fabel  die  einzige  unter  den  100  nummern 
Boners  ist,  bei  der  das  präsens  gebraucht  wird,  nicht  das  Präteri- 
tum, dadurch  allein  tritt  sie  völlig  aus  der  reihe  und  stellt  sich 
als  ein  paradigma  dar,  das  gemäfs  dem  nachweise  von  Waas, 
wahrscheinlich  aus  dem  satze  des  Hieronymus  entwickelt  wurde. 
—  die  ^Bonerforschung',  wie  Erich  Schmidt  das  nannte,  ist  noch 
nicht  abgeschlossen,  es  fehlt  uns  ein  guter  text,  der  den  mangel- 
haften Pfeiffers  ersetzen  soll,  und  es  muss  eine  neue  Charakteristik 
des  deutschen  dichters  aus  der  vergleichung  seiner  arbeil  mit 
den  vorlagen  gestaltet  werden,  die  lösung  dieser  letzten  aufgäbe 
bat  Waas  erheblich  gefördert.  Anton  E.  Sghönbacb. 

Geschichte  des  minnesangs.  von  Eduabd  Stilgebaubb.  Weimar. 
.Felber,  1898.  295  ss.  6  m.  —  wenn  es  ein  bedttrfnis  war,  die 
an  v«riobiedenen  allgemein  zugänglichen  orten  niedergelegten 
nachricbteo  und  darstellungen  der  geschiebte  des  minnesangs  in 
einer  leUHch  glatt  geschriebenen  fortlaufenden  erzäblung  zu  ver- 


STILGEBAUER    GESCHICHTE    DBS   HINNESAiNGS  17S 

eioigen^  so  bat  Stilgebauer  einem  bedürfnis  abgeholfen,  er  hätte 
dann  -aUerdings  die  ADB  nicht  ganz  und  gar  zu  ignorieren  brauchen,: 
die  doch  ganz  beachtenswerte  artikei  über  einige  minnesinger 
enthält;  auch  hätte  er  etwa  für  Reinmar  vZweter  (s.  292)  von 
Roethe  vielleicht  Qicht  blofs  die  dissertation  citieren  mOgen.  es 
ist  würklich  schade,  dass  der  i  band  von  Goedekes  erneuertem 
Grundriss,  auf  den  alles  bUcherwissen  oder  wol  richtiger  titel- 
wissen des  verf.s  zurückgeht,  schon  1884  erschienen  isL  dass. 
St.  sich  gelegentlich  in  autorschafisfragen  (kaiser  Heinrich  s.  29, 
vgl.  s.  31)  oder  allgemein  litterarhistorischen  bemerkungen  (s.  11^: 
über  den  Hariencultus;  er  schreibt  ^Marieencultus')  den  anschein 
einer  gewissen  Selbständigkeit  gibt,  wird  ihn  gewis  in  seinen 
äugen  ebenso  sehr  gehoben  haben  wie  die  phrasen  über  Morungens 
'geradezu  moderne  detailmalcrei  der  natur  draufsen'  (s.  60) 
oder  ueologismen  wie  (s.  27)  ^einstrophischkeit.'  ein  leidlich  ge- 
lungenes zusammenstellen  von  gedichten  Walthers  vdVogelweide 
und  Goethes  (s.  130)  fehlt  auch  nicht,  somit  lässt  sich  das  buch 
den  mädchenpensionaten  von  Lausanne,  woselbst  Verfasser  an  der 
Universität  dociert,  um  so  lebhafter  empfehlen,  als  selbst  der  böse. 
Neidhart  (s.  187)  leidlich  discret  geschildert  wird,  als  wissenschaft- 
liche leistung  aber  steht  das  buch  etwa  so  hoch  wie  das  auf  s.  155 
abgedruckte  gedieht  von  Günther  Walling  als  poetische  tat;  nur 
ist  es  nicht  so  harmlos.  Richard  H.  Meter. 

Das  inländische  rührstück,  ein  beitrag  zur  geschichte  der  dramati- 
schen technik.  von  Arthur  Stiehler.  [«=  Theatergeschichtliche 
forschungen.  herausgegeben  von  Berthold  Litzmann,  xvi.]  Ham- 
burg und  Leipzig,  verlag  von  Leopold  Voss,  1898.  ix  und  157  ss. 
4^.  3,50  m.  —  wenn  in  diesem  buche  nicht  eine  erweiterte 
dissertation  zu  vermuten  wäre,  so  wüste  ich  sonst  keinen  grund 
aufzuspüren,  warum  der  Verfasser  für  gut  befunden  hat,  es  zu 
schreiben,  in  der  11  selten  langen  einleitung  wird  bemerkt,  dass 
IfTiand  ein  wenig  bahnbrechender  geist  war,  kein  genie,  kaum  ein 
talent,  dass  er  sich  in  seinen  dramen  mit  rührseliger  empfind- 
samkeit  begnügte,  da  es  ihm  nicht  gelang,  ^die  befreiende,  er-: 
lösende,  reinigende  würkung  der  tragischen  empQndung  zu  er- 
reichen.' in  der 'schlufsbelrachtung',  für  die  sich  die  bescheiden-, 
heit  des  autors  nur  eine  halbe  seite  gestattet  bat,  wird  dasselbe 
noch  einmal  widerholt  als  eine  'erkenntnis,  welche  diese  arbeit 
zu  beweisen,  zu  erklären  und  zu  vertiefen  suchte/  von  diesen: 
beiden  betrachtungen  werden  einige  tausend  citate  aus  IfHands 
stücken  eingerahmt,  mit  denen  der  Verfasser,  der  sich  einen 
litterarhistoriker  nennt,  seine  erkenntnis  zu  beweisen,  zu  er- 
klären und  zu  vertiefen  sucht,  das  geschieht  folgendermafsen: 
i)  einleitung.  ii)  Stoffe  und  gestalten.  1.  familienverhält- 
nisse.  der  gerührte  familienvater.  die  zärtliche  hausmutter. 
rührendes  Verhältnis  zwischen  eitern  und  kindern.  conflict  zwischen 
eitern  und  kindern.     glückliche  ehegattep.     die  unglückliche  ehe. 


174  STIEHLER    DAS    IFFLANDISCHE    RÜHRST (-. 

geschwister.     grofselterDglück.     onkel,   oefTeo   uuii  ip'**** 

muod  und  mUodel.    die  witwe.    waiseo.    kinderscciien. 

vi)    scene    und    sprach«.    .  .  .    rührende    gesleu.      «iiis    .  •>  •    - 

die    arten    der   trähnen.     die  verborgene   trflhne.     Uvw* - 

zum  weinen,     sonstige  Verwendung  von  trähnen.   'es  im  • 
heifse  trahnen,  innige  trähnen,  fromme  trähnen »  lautt- 
ewige  trähnen,  helle  trähnen,  stille  trähnen,  UDZählhan^  < 

herzliche    trähnen gewohnheitsmäfsige   trähntfi, 

trähnen,    heuchlerische  trähnen'  usw.     nichts   als  niech:iiJi 
sinnloses  eitleren,    auf  diese  weise   kommt  ein  buch  zu    ;.• 
dass  der  Verfasser   es  für  nötig   hielt,  ein  buch  tu  maci  :; 
Sache  seines  persönlichen  ehrgeizes  und  seiner  sonsliiren  r.r;«^^''. 
neigungen.    wie  kommt  aber  dieses  gänzlich  nichüge,  «chfi^*p  -'' 
machwerk   in   eine  Sammlung,   die  von  Lilzmann  beraiis  'ntv^ü 
wird,  und  in  der  es  die  theatergeschichtlichen  forschungen  eiiK*.«  rn 
uaa.  durch  seine  nachbarschaft  compromittiert?      A.  Elcir'  nn^.  <. 
Shakespeares  Hamlet  nach  der  Übersetzung  von  A.W.  voa  S«  uu.. 
und  LTieck.    herausgegeben  von  Eduard  CossMAiiif.    Paris,  r  '«-^'i   - 
Didotetcie.  s.a.  [1899]  8^.  199ss.— 'der  herausgcber  h.ti 
zur  aufgäbe  gestellt,  darzulun,  dass  die  überseUung  vou  ^ 
und  Tieck,  oebeti  ihrer  IrefTlicbkeit,  mehrfache,  autj^verri 
nem  teste  berutiende,  bisher  beibehaltene  mäogel  ec 
henorzuliebenf  zu  multvieren  und  zu  berichiigen, 
getreue   Übertragung   herzustelleu.     nebst  hm 
lätiterun^  der  dun  kein  stellen  des  teites'«     dien 
^orte  gibt  C.  seiner  arbeit  auf  den  weg  tott 
etwas  obeubin  behandelt  und  nicht  zu  viel  teil 
des  Probleme,  noch  weniger  auf  eine  peinlich  geü^ 
Kürte  verwendet  hat,   erhellt  aus  der  arl,  wie  et  auf  ,1 
und  hier  von  zwei  flherselzero  spricht,   als  ob  Tirtk   | 
an   der   Übertragung    des   Hamlet    bKeitigt    wflre. 
kleinigkeiten  beirren   den  hersusgeber  wol  nicht, 
scbem   lächeln   auf  die  Sliakespcarephiltilogeii  rlce 
blickt  (&.  151  f  tiO.),  der  audi  nuf  da«  pbiU^frOse  tii>i 
Zählung,  seiienUberficbrifteEi  usw.   venidil«lt  »Uk 
anmerkungssterncben    durcbspicki_  iii»''  r*^ 
fende  reihe  von  anmerk*'*f^  ^'^^^^       J     ^ 
anmerkuDgen   selbst    *'*^  ... 

splendid  geditkikii:  s^ 
uuge».    1  1,  t 
Schlegel  '/o 
'anregen' 
ist?  e 
verbesscl' 
aufwartet, 
gellet^d. 


COSSMANN    SHAKESPEARES   HAMLET  175 

deute,  ebenso  ist  i  1,  86  schlug  diesen  Fortinbras  ('did  slay  this 
Fortinbras')  zwecklos  zu  'erschlug  deo  Fortiobras'  verbessert,  wäh- 
rend doch  niemand  Sch.s  Übersetzung  im  sinne  einer  prUgelei 
deuten  wird.  —  i  1,  93  ^comarf.  C.s  'abschluss'  ist  mindestens 
unplastischer,  wenn  nicht  unverständlicher,  als  Sch.s  Handel  — 
I  1,112  ^A  mote  ü  is  to  trouble  the  minSs  eye*.  Sch.s  über* 
tragung  Ein  Stäubchen  ist's,  des  Geistes  Aug*  zu  trüben  gibt  aller- 
dings ^mote*  und  Urouble'  nicht  ganz  genau  wider.  Gosche  setzt 
für  ^mote'  'spukbild'  und  bleibt  so  noch  in  dem  von  Seh.  ge- 
wählten bilde;  C.s  katachrese  Vist  ein  atom,  des  geistes  aug' 
be fangend'  scheint  mir  eine  unzweideutige  schlimmbesserung. 
—  I  2,  65  'A  little  more  than  kin,  and  less  than  kind!.  Seh.  sucht 
das  Wortspiel  festzuhalten  :  Mehr  ab  befreundet,  weniger  als  Freund, 
C,  principieller  gegner  der  Shakespearschen  Wortspiele  (s.  195), 
erklärt :  'Hamlet  sagt,  er  sei  mehr  als  ein  biofser  verwanter,  durch 
des  kOnigs  blutschänderische  ehe  mit  seiner  mutter,  und  aus  dem- 
selben gründe  .  .  .  ihm  weniger  freundlich',  und  übersetzt :  'mehr 
als  verwant  und  weniger  als  freundlich',  ist  das  nötig?  — 
I  2,  187  sollen  wir  würklich  Sch.s  uns  so  geläufige  Übersetzung 
aufgeben  für  C.s  *er  war  ein  mann  —  Vollkommenheit  in  allem'? 
vgl.  in  3,  36  C,  der  übersetzt  :  'o  meiner  tat  geruch  dringt  bis 
zum  himmel';  findet  Sch.s  stinkt  geradezu  widerlich;  *es  verhält 
sich  zum  texte  wie  gestauk  zu  geruch'.  allein  Shakespeares  ^My 
offence  is  rank^  scheint  doch  schon  auf  weniger  empfindliche 
nasen  berechnet,  und  eben  dieses  VanA:'  kommt  bei  C.  nicht  zur 
geltung.  —  I  3, 49  *i  fuffd  and  reckless  libertine',  trifft  C.s  *auf- 
geblasner  loser  Wollüstling'  näher  zu  als  Sch.s  frecher,  lockrer 
Wollüstlingl  —  i  4^  57  soll  Seh.  übersehen  haben,  und  doch 
hat  MBernays  (Zur  entstehungsgeschichte  des  Schlegelschen  Shake- 
speare, Leipzig  1872,  s.  ISOQ  längst  diesen  vers  aus  der  hs.  er- 
gänzt. C.  scheint  von  Bernays  bemühungen  und  von  seiner  aus- 
gäbe der  Shakespeareübersetzung  überhaupt  nichts  zu  ahnen; 
vgl.  in  4,  60  (C.  :  'vers  von  Schlegel  ausgelassen,  von  der  Ulr.  ausg. 
hergestellt')  zu  Bernays  aao.  s.  182.  gegen  Bernays  ausdrückliche 
erklärung  (s.  228  n.  158)  nimmt  er  auch  die  beiden  ausgelassenen 
verse  iv  7,  171  f  auf.  —  ii  2,  160  */  could  be  bounded  in  a  nutshelF, 
Seh.  :  Ich  könnte  in  eine  Nufsschale  eingesperrt  sein,  ist  C.s  'in 
einer  nussschale  abgegrenzt'  nicht  unplastischer,  und  besagt  es 
würklich  etwas  andres?  — 

Ich  begnüge  mich  mit  diesen  Stichproben,  die  von  C.s  exact- 
heit  und  Übersetzerfähigkeiten  kein  glänzendes  bild  geben,  ob  er 
gelegentlich  einen  brauchbaren  beitrag  zur  erklärung  des  Shake- 
spearischen  Hamlet  beigebracht  hat,  überlass  ich  andern  zur  ent- 
scheidung.  i  1,  19  scheint  mir  Horatios  vielgedeutete  antwort  auf 
Bemardos  frage  '/s  Horatio  there?*  durch  eine  bühnenan Weisung, 
die  ihn  mit  den  worten  'i  piece  of  htm*  dem  freunde  die  band 
reichen  lässt,  glücklich  interpretiert.  Oskar  F.  Walzel. 


176  SCHRIFTEN    DER   KÖNIGLICHEN   VLAMISCHBN   AKADEMIE 

Schriften  der  königlichen  Vlamischbn  akadkmik. 

Die  errichtuDg  einer  vlamischen  akademie  fOr  spräche  und 
litteratur  war  ein  hauptwunsch  der  Vertreter  des  gennaoischeo 
teils  der  Belgier  seit  der  abiösung  von  dem  Königreich  der  Nieder- 
lande 1830.  von  der  gescbichte  des  spracbenstreits  in  Belgien 
gibt  eine  gute  darstell ung  APrayon-van  Zuylen  in  dem  von 
der  akademie  preisgekrönten  buche  :  De  belgische  tdal- 
v^etten,  i  afl.,  Gent  1892  (476  ss.) 

Die  KVA.  wurde  am  10.  oct.  1886  in  Gent  eröffnet,  sie 
zählt  statutengemäfs  25  tätige  mitglieder,  höchstens  25  aus- 
vträrtige  ehrenmitglieder  (meist  Holländer),  höchstens  10  inlän- 
dische correspondierende  mitglieder,  und  als  niederländische  ehren- 
mitglieder solche  mitglieder,  welche  frtlher  tätig  gewesen  sind, 
sich  aber  wegen  alters  oder  krankbeit  zurückgezogen  haben. 

Eine  beständige  commission  von  10  tätigen  mitgliedern  bat 
die  aufgäbe,  das  Studium  der  altgermanischen  sprachen  und  der 
mittelniederländischen  spräche  zu  befördern,  mnl.  werke  heraus- 
zugeben und  das  Studium  der  dialekte  zu  betreiben  und  zu 
unterstützen. 

Die  akademie  veröffentlicht: 

i.  reeks  Verslagen  en  Mededeelingen,  berichte  über 
Verhandlungen,  darunter  auch  poetische  beitrage,  insbesondere 
von  dem  in  Brüssel  lebenden  [inzwischen  verstorbenen]  dichter 
Emmanuel  Hiel.  von  den  vortragen  wird  zb.  der  von  Jan  ten' 
Brink  *Over  den  oorsprong  van  den  Graal'  (1897,  54 — 86),  wo- 
rin namentlich  das  allmähliche  zunehmen  der  mystischen  rich- 
tung  innerhalb  der  Grallitteratur  verfolgt  wird,  auch  deutsche 
leser  anziehen; 

ii)  ein  alljährlich  im  Januar  erscheinendes  Jaerboek,  das 
ua.  die  biographieen  der  verstorbenen  mitglieder  enthält; 

iii)  Middelnederlandsche  uitgaven; 

iv)  Uitgaven  der  commissie  voor  geschiedenis, 
bio-en  bibliographie; 

v)  Uitgaven  der  commissie  voor  nieuwere  taal- en 
letterkunde; 

vi)  Bekroonde  werken. 

Es  möge  gestattet  sein,  die  publicationen  der  vier  letzten 
abteilungen  in  einer  etwas  anderen  reibenfolge- aufzuzählen,  wo^ 
bei  die  ordnungsnummer  nach  dem  system  der  akademie  in 
klammer  angegeben  wird. 

A.  Sprache,  a)  allgemeines  :1.  HTemmerman  'De  Moe- 
dertal eenig  doel-  en  redematig  voertuig  der  gedachte  in  opvoeding 
en  onderwijs'  1898  (vi  1);  2.  Hippoliet  Meert  *Het  voor-^ 
naamwoord  du'  1890  (vi  3);  b)  altgermanisch  :  1.  P.  H.  van 
Hoerkerken  *Over  de  verbindiog  der  volzinnen  int  gotisch' 
1888  (vi  2);  2.  J.  vandeVen  'Gebruik  der  naamvallen,  tijden 
en   wijzen  in  den   Heliand'  1893  (vi  8);  3.  PTack  Troeve  van 


SCHRIFTEN   DER   KÖNIGLICHEN   VLAMISCHEN   AKADEMIE  17T 

oudnederfrankische  grammatica'  1897  (vi  14);  c)  milleluieder-* 
ländiscb:  1.  Felix  Leviticus  *De  klank- eo  vormleer  van  bet 
mad.  dialect  der  StServatiuslegeode  van  Heinrijo  van  .Veldcke' 
1892  (vi  4);  2.  LRoersch  ^Woordenboek  op  Alexanders  Geeslen 
van  Jacob  van  Maerlanf,  1.  afl.  1S88  (iii  3,  wird  wol  nicbt  fort- 
gesetzt?); d)  dialecte  :  LSimons  *Het  roermondsch  dialect  ge- 
lotst aen  bet  oudsaksiscb  en  oudnederfrankiscb'  1889  (iir  5); 
e)  neuniederländiscb  :  1.  Jan  B r o e c k aert  ^Bastaardwoordienboek'i 
1895  (vi  10).;  2.  Vak-  en  kuustwoorden  [diese  abteilung  ist  mit 
abbildungen    ausgestattet]  :  i.    Tb.   Coopmann    'Steenbakkeri/> 

1894  (v  3);    11.  Josef  Vu.ylsteke    *Ambacbt    van   den   smid' 

1895  (vi  11);  III.  J.  en  V.  van  Keirsblick  'Ambacbt  van  den^ 
temmerman'  1898;  iv.  Alfons  van  Houcke  en  Josef  Sleypea 
^Ambacbt  van  den  metselaar'  1897  (vi  13);  3.  Jef  Cuvelier  en 
Camiel  Huysmans  'Toponymiscbe  Studien  over  de  oude  en 
nieuwere  plaatsnamen  der  gemeente  Elisen'  1897  (v  4). 

B.  Spracb-  und  litieralurdenkmäler  :  a)  altgermaniscbe : 
1.  Beowulf  angelsaksiscb  volksepos  vertaald  in  stafrijm  en  mei 
inleidingen  aanteekeningen  voorzien  door  LSimons  1896(1»  13); 
b)  mittelniederländiscbe  :  1.  *Dit  is  die  Istory  van  Troyen  van 
Jacob  van  Maerlaot  uaar  bet  vijftiendeeuwscbe  bandscbrift  van 
Wessel  van  de  Loe  met  al  de  middebederlaodscbe  fragmenten 
diplomatiscb  uitgegeven  door  N.  de  Pauw  en  Edw.  Gaüliard*^ 
I — IV  1 — 3  1889 — 92  (iii  7;  mit  guten  facsimiles.  einleitungen 
und  anmerkungen  sollen  die  4.  lieferung  des  iv  teiles,  das  wort* 
verzeicbnis  den  v  und  vi  teil  bilden);  2.  ^Madelgbijs  kintsbeit,  al 
de  gekende  fragmenten  critiscb  uitgegeven  en  vergeleken,  met  bet. 
duitscbe  bandscbrift  door  N.  de  Pauw*  1889  (m  6>;  3.  'Van  de 
VII  vroeden  van  binnen  Rome,  een  dicbtwerk  der  xiv®  eeuw  uitg. 
d.  KStallaert'  1889  (m  4).  dazu  :  ^Klank-en  vormleer  van  bei 
gedicbt  van  den  vii  vroeden  van  binnen  Bome'  door  E.  deNeef 
1897  (vi  12);  4.  ^Hennen  van  Mercbtenens  Cornicke  van  Brabant 
(1414)  uitg.  d.  Guido  Gezelle'  1896  (vi  14);  5. 'De  sevenste 
bliscap  van  Maria,  mysteriespel  der  xv®  eeuw^  uitg.  d.  KStallaert' 
1887  (iii  1).  dazu  :  6.  'Byvoegsel  van  de  sevenste  bliscap  van*. 
Maria,  Woordenlyst*  1888  (iii  2);  7.  'Middelnederlandscbe  gedicbten 
en  fragmenten  [meist  rebgiOsen  inbalts]  uitg.  d.  N.  de  Pauw'^ 
1 — 3  afl.  1393 — 97(iii  8);  8.  'Middelnederlandscbe  geneeskundige 
recepten  en  tractaten,  zegeningen  en  tooverformulen  uitg.  dj 
W.  C.de  Vreese'  1894  (iii  11);  9.  'Kalender  en  gezondbeidsregels 
gelrokken  uit  bet  bandscbrift  der  boekerij  van  de  boogescbool  te 
Leuven  getiteld  Lib.  orat.  Fland.  ms.  uitg.  en  vergeleken  by 
eenige  andere  deels  ongedrukte  kalenders  en  gezondheitsregelen 
d.  P.  Alberdingk  Tbijm^  1893.  [der  kalender  auf  dem  bei- 
gegebenen  facsimile  erinnert  in  anordnung,  ausschmückung  und 
selbst  in  der  form  mancber  zeicben  sebr  merkwürdig  an  die 
skandinaviscben  bauernkalender  mit  runen]  (m  9);  10)  'De  keure 


178  SCHRIFTEN    DER    KÖMGLICHEN    VLAMISCHE!«    AKADEMIE 

van  Ilazebroek  van  1336  met  aanteekeniugen  en  glossarium  d. 
Edw.  Gailliard*,  3  deelen,  1894—96  (in  10);  c)  neuoiederlän- 
disch  :  1.  ^Rederijkersgedicbten  derxvi®  euw  uitg.d.JBroeckaert' 
(v2). 

C.  Litleratur-  und  culturgeschicbte.  a)  quellenkunde  :  1.  'Be- 
schrijving  van  middelnederlandsche  en  andere  handschriften  die 
in  Engeland  bewaard  worden'  d.  K.  de  Flou  en  Edw.  Gail- 
liard  1895—96  3  bd  (in  12);  2. 'Catalogus  van  de  bibliotheek 
der  KVlAc.  te  Gent'  1898;  3.  'Vlaamsche  bibliographie.  lijst  der 
boeken  vlug-  en  tijdscbriften,  muziekwerken,  kaarten,  plateo  en 
tabellen,  in  Belgie  van  1830  tot  1890  verscheenen,  d.  F.  de 
Pott  er*,  1— 3afl.  1893— 97(iv2);  4. 'Alphabetische  lijst  van  de 
voorloopig  verzamelde  namen  der  in  Belgie  geboren  Nederlandsche 
schrijvers,  dienende  tot  bei  samenstellen  van  de  Biographie  der 
Zuidnederlandscbe  schrijvers  d.  F.  de  Potter'  (iv  1).  b)  darstel- 
lende werke  :  1.  'Historisch  en  critisch  overzicht  van  het  vlaamscb 
tooneel  in  de  xvii«  eeuw  d.  0.  van  Hauwaert'  1893  (n  6); 
2.  'De  trol  van  het  booze  beginsel  in  het  middeleeuwscb  tooneel 
d.  ESoens'  1893  (vi  7);  3.  'Antwerpen  in  de  xviii*  eeuw  voor 
den  inval  der  Franschen  :  godsdienst,  zeden,  gebruiken,  vermaken. 
kunstwinning,  handel,  nijverheid,  onderwijs,  geneeskunde,  gerecht 
d.  Edw.  Pouf6'  1895  (vi  9);  4.  'Prudens  van  Duyse  zijn  leven 
en  zijne  werken  d.  JMicheels'  1893  (v  1). 

Mehrere  werke  ähnlichen  inhalts  sind  noch  im  erscheinen 
begrifTen  oder  in  Vorbereitung,  die  reichen  mittel,  die  der  aka- 
demie  zu  geböte  stehn,  gestatten  ihren  arbeiten  eine  ausstattung 
zu  geben,  welche  wir  in  Deutschland  zu  beneiden  vielfach  Ursache 
haben.  

Seit  ich  das  vorstehnde  zu  anfang  1899  schrieb,  sind  noch 
folgende  werke  der  KVA.  erschienen,  die  ich  nach  dem  obigen 
Schema  geordnet  anführe: 

Aa)  A.  en  Th.  van  Heuverswijn  'Eene  vreemde  spraak 
als  overtaal  van  't  onderwijs'  (vi  17);  Ac)  J.  Jacobs  'De  ver- 
ouderde  woorden  bij  Kiliaan'  (vi  22) ;  Ad)  P.  JozefCornelissen 
en  JBVervliet  'Idiolicon  van  het  Antwerpsch  dialect',  1  afl. 
(vi  21);  Ae)  AHNBiltris  en  AJJVan  de  Velde  'Inleiding  tot  de 
Studie  der  analytische  scheikunde';  Ae)  J.  enV.  vanKeirsblick 
*  Ambacht  van  den  metselaar  :  vak-en  kunstwoorden'  nr  5  (vi  18); 
Bb)  'De  keure  van  Hazebroek  van  1336  met  aant  en  gloss.'  d. 
EGail liard  4.  deel  (in  10);  Bb)  'Jelian  Froissart's  Cronyke  van 
Viaenderen,  getransiateerd  unten  Franssoyse  in  duytscher  tale  bij 
Gerijt  Potter  van  der  Loo,  in  de  xv«  eeuw',  uitg.  en  toegelicht  d. 
Nde  Pauw  1.  deel  (iii  15);  'Ypre  jeghen  Poperingbe,  geding- 
Stakken  der  xiv«  eeuw  nopens  het  laken',  uitg.  en  toegelicht  d. 
Nde  Pauw. 

Strafsburg,  15  mal  1900.  E.  Martin. 


bermann  kurz  und  franz  pfeiffer  179 

Hermann  Kurz  und  Franz  Pfeiffer. 

Es  ist  den  fachgenossen  oicbt  UDbekaont,  dass  HermaDo  Kurz 
(1813 — 1873)  nebeo  seineu  poetischen  arbeiten  auch  Studien  aus 
dem  gebiete  der  germanischen  philologie  veröffentlicht  hat.  am 
meisten  geschätzt  sind  wol  die  Aufsätze  über  Shake6peare,-die  in  den 
sechziger  und  siebziger  jähren  von  ihm  veröffentlicht  worden  sind 
und  über  die  er  von  1 860  an  einen  nicht  uninteressanten  brief- 
Wechsel  mit  Karl  Elze  geführt  hat.  auch  mit  deutscher  philologie 
hat  er  sich  zu  tun  gemacht,  freilich  mit  ungleichem  glück,  schon 
im  vierundzwanzigsten  jähre  hat  er  sich  das  verdienst  erworben, 
den  richtigen  namen  des  Verfassers  des  Simplicissimus  zu  finden 
in  einer  recension  der  kurzlebigen  Zeitschrift  *Der  Spiegel*  vom 
jabr  1837.  ein  paar  jähre  später,  1844,  erschien  seine  Über- 
setzung von  Gottfrieds  Tristan,  die  erst  viel  später  in  Hertz 
meisterwerk  eine  gefährliche  concurrenz  finden  sollte,  daran 
schioss  sich  die  controverse  mit  Oswald  Harbach,  die  Kurz  mit 
viel  witz,  aber  nicht  ohne  einen  bösen  Schnitzer  im  mhd.  führte, 
noch  1868  wollte  Kurz  die  person  Gottfrieds  in  einem  ^Godo- 
fredus  rotularius  de  Argentina'  gefunden  haben,  als  Karl  Schmidt 
nachwies,  dass  nicht  'rotularius',  sondern  'zidelarius'  in  der  Ur- 
kunde stehe,  andres,  was  er  geschrieben  hat  oder  schreiben 
wollte,  ist  zu  vereinzelt,  um  hier  erwähnt  zu  werden. 

Kurz  war  ein  jähr  jünger  als  Adelbert  Keller  und  aufs  engste 
mit  ihm  befreundet,  von  seiner  sehr  reichhaltigen  und  geist- 
reichen correspondenz  bilden  die  briefe  an  Keller  nach  zahl  und 
bedeutung  einen  besonders  hervorragenden  teil,  aber  gerade  diese 
briefe  an  Keller,  besonders  häufig,  besonders  umfangreich  und 
inhaltsreich  in  der  Jugend,  als  auch  Keller  noch  mehr  belletri- 
stische ziele  verfolgte,  in  den  letzten  jähren  1863 — 1873,  als  beide 
den  Wohnort  teilten,  sich  meist  auf  blofse  notizenzettel  be- 
schränkend, sind  für  philologische  dinge  wenig  ausgiebig,  mehr 
die  kleineren  briefwechsel  mit  Bartsch,  von  1866  an  gehend,  und 
mit  Barack,  von  1868  an.  schon  früher  aber  hat  Kurz  mit  Franz 
Pfeiffer  correspondiert,  und  es  mögen  ein  paar  Zeugnisse  dieses 
Verkehrs  hier  folgen,  ich  kenne  im  ganzen  3  briefe  von  Pfeiffer 
an  Kurz  und  14  von  Kurz  an  Pfeiffer;  die  erstem  befinden  sich  in 
Kurz  handschriftlichem  nachlass.  Cod.  bist.  Q.  344  der  k.  öffent- 
lichen bibliothek  Stuttgart,  die  letztern  hat  Pfeiffers  söhn,  der  kunst- 
bistoriker  dr  Bertold  Pfeiffer  in  Stuttgart,  mir  freundlich  mitgeteilt. 

Beide  waren  im  alter  nicht  weit  auseinander,  Pfeiffer,  am 
27  febr.  1815  geboren,  fünf  Vierteljahre  jünger  als  Kurz,  sie 
haben  sich  in  Stuttgart  kennen  gelernt,  wo  Pfeiffer  seit  anfang 
1842  als  privatgelehrter  lebte.  Kurz  schon  länger,  eine  zeit  lang 
wohnteu  sie  sogar  im  selben  haus  in  der  Sophienstrafse,  und  der 
häufige  freundschaftliche  verkehr  scheint  namentlich  auch  der 
Tristanübersetzung  zu  gute  gekommen  zu  sein,  zu  ende  1844 
siedelte  Kurz  nach  Karlsruhe  über,  wo  er  bis  zum  februar  1848 


180  HERMANN   KDBZ   UND    FRANZ   PEEIFFEB 

blieb,  und  aus  dieser  zeit  sind  4  briefe  ao  Pfeiffer,  von  interesse 
ist  wol  nur  die  stelle  in  dem  ersten  briefe  vom  12  jan.  1845: 
*Wie  es  aucb  mit  St.  Gallen  werden  mag,  ich  fühle  und  weif» 
gewifs,  dafs  auch  Sie  noch  Ihren  verdienten  Platz  erlangen  wer-, 
den',  es  handelt  sich  offenbar  um  die  stelle  des  Stiftsbibliothekars 
in  SGallen,  auf  die  sich  Pfeiffer,  da  er  katholisch  und  Schweizer 
war,  wol  rechnung  machen  konnte,  die  stalle  war  1845  frei  ge- 
worden, ist  aber  dann  zwei  jähre  lang  unbesetzt  geblieben,  statt 
ihrer  erhielt  Pfeiffer  ein  jähr  später  die  biblioth^k^rstelle  in  Stutt* 
gart,  die  er  über  elf  jähre  inne  halte,  von  1848  aq  waren  beide 
wider  längere  zeit  in  Stuttgart  beisammen,  nicht  ohne  Interesse 
mag  der  erste  hrief  sein,  den  Pfeiffer  dann  von  Wien  aus  an 
Kurz  geschrieben  und  mit  dem  er  die  Zusendung  seines  aufsatzes 
über  Gottfrieds  Lobgesang  (Germania  3,  59  ff)  begleitet  hat. 

Lieber  Freund!  Wieu   1.  Mai  1858. 

„Gleichzeitig  mit  diesen  Zeilen  schicke  ich  Ihnen  unter  Kreuzband 
einen  kleinen  Aufsatz  von  mir,  der  Sie  an  das  Tristans-Jahr  ^  1843/4 
erinnern  soll ,  das  wir  Sophiensir.  nr.  1 2  unter  einem  Dache ,  Sie  im 
ersten,  ich  im  dritten  Stock,  zusammen  verbrachten.  Es  wird  Sie  be- 
lustigen, wenn  Sie,  vielleicht  zuerst  durch  mich,  erfahren,  dass  man 
unsern  Gollfried  nicht  nur  zu  einer  mäunliqhen  Maria  Magdalena,  son- 
dern gar  zu  einem  Franciskanerbruder  zu  machen  neuUch  sich  bemüht 
hat.  Diesem  Herrn  Watlerich  ^  und  mit  ihm  noch  andern  frommen 
Seelen  hoffe  ich  einen  rechten  Strich  durch  die  Rechnung  gemacht  zu 
haben.  Wenn  Sie  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen  verstehen,  so  werden 
Sie  da  und  dort  merken,  welche  Überwindung  es  mich  gekostet  hat, 
dem  Spolte  nicht  die  Zügel  schiefsen  hnfsen  zu  dürfen.  Meine  Stellung 
hier  erheischt  aber  Vorsicht  in  solchen  Dingen  und  es  wäre  unklug, 
wollte  ich  mir  ohne  Nolh  Ungelegenheiten  bereiten.  Schon  dass  ich, 
ob  wol  streng  auf  dem  Boden  des  wissenschaftlichen  Beweises  stehen 
bleibend,  das  süfse  und  verlockende  Phantasie  -  Gebilde  unbarmherzig 
zerstört,  wird  mir  vielleicht  zum  Vorwurf  gemacht  werden.  Doch  das  kanq 
mir  gleichgültig  sein,  glaube  ich  doch  für  immer  Gottfried  von  dem  Lob- 
gesang befreit  zu  haben.  Es  würde  mir  Ueb  sein  von  Ihnen  gelegentUch 
zu  hören,  welchen  Eindruck  meine  Beweisführung  auf  Sie  gemacht  hat* 

Wie  es  mir  hier  geht?  werden  Sie  fragen.  Die  unsinnige  Müh 
und  Arbeit,  die  meine  Vorlesungen  mir  machen,  abgerechnet,  ganz  gut^ 
obwol  gerade  die  Anstrengung  auch  meiner  Gesundheit  nicht  zum 
besten  bekommt.  Vor  zwei  Jahren  werde  ich,  das  sehe  ich  voraus,  zu 
einer  einigermafsen  menschlichen  Existenz  nicht  kommen;  dann  aber, 
d.  h.  wenn  ich  die  für  meine  Vorlesungen  nölhige  Grundlage  gewonnen 
habe^  wirds  hoffentlich  besser  werden  und  dann  erst  werde  ich  meines 
Lebens  und  meiner  neuen  Stellung   froh  werden  können.     Unter  den 

^  im  jähr  1 843  war  nicht  nur  Kurz  Übersetzung  im  erscheinen,  sondern 
erschien  auch  Marsmanns  ausgäbe,  mit  der  Pfeiffer  als  redacteur  der  ^Dich* 
tungen  des  deutschen  mittelalters'  (s.  Briefwechsel  zwischen  Lassberg  und 
Uhland  s.  xxxvmO   jedesfalls  zu  tun   gehabt  bat.  >  JM Watterich 

Gotfried  vStraCsburg,  ein  sänger  der  Goltesminne.    Leipzig  1858. 


HERMAIW    KURZ    UND    ERANZ    PFEIFFEE  181 

juogea  Leuten  herrscht  für  die  alul.  Studien  viel  Eifer  und  Lust.  Im 
Wintersemester  las  ich  Litl.-Geschichle  vor  44,  das  Nib.  Lied  vor  36, 
in  diesem  Semester  deutsche  Grammatik  vor  38  Zuhörern  ^  Das  ist 
mehr  als  irgendwo  einem  deutschen  Philologen  zu  Tiieil  wurd. 

Über  die  hiesigen  geselligen  Verhältnisse  weifs  ich  wenig  zu 
sagen-,  da  ich  noch  gar  keine  Zeit  fand ,  über  das  was  ich  in  dieser 
Beziehung  gegen  Slultg.  verloren,  nachzudenken.  Doch  sind,  soviel 
habe  ich  allerdings  schon  bemerkt,  die  grofsen  Entfernungen  der  Ge- 
selhgkeit  und  dem  öftern  Zusammenkommen  von  Freunden  und  Be- 
kannten nicht  besonders  günstig.  Wenigstens  hörte  ich  schon  vielfach 
darüber  Klage  erheben.  •  Ich  verkehre  bis  jetzt  meist  mit  Landsleuten, 
d.  i.  Schwaben,  die  den  einen  Sonntag  bei  mir,  den  andern  bei  meinem 

Schwager  Reg.  Rath  Müller  2   sich   einzufinden  pflegen,   —  — 

Schliefslich  noch  meinen  herzl.  Dank  für  den  1.  Band  der  Erzählungen  3, 
womit  Sie  mich  erfreut  haben.  Leben  Sie  wohl  und  bleiben  Sie  freund- 
ich  gesinnt 

Ihrem 

Pfeiffer. 

Darauf  antwortete  Kurz: 

Lieber  Freund,  Stuttgart,  5.  Mai  1858. 

Ihre  Sendung  hat  mich  mit  unsrer  Abendpost  angenehm  über- 
rascht. Holtzmann  halte  mir  vor  einigen  Wochen  (bei  Kober^  alten 
Andenkens)  mitgetheilt  dafs  das  nächste  Heft  der  Germania  etwas  von 
Ihnen  über  unsern  gemeinschaftlichen  Freund  Gottfried  bringen  werde. 
Ich  meinte  nun  sciion ,  Sie  werden  unter  irgend  einem  Umhang  der 
Vergessenheit  ein  Stück  Leben  von  ihm  hervorziehen.  Das  ist  es  zwar 
nicht,  aber  Sic  können  sich  mein  Gaudium  denken,  die  Franciscaner- 
kutte,  womit  ihn  dieser  Herr  Watterich  behängen  wollte,  in  so  säuber- 
liche  Fetzen  zerrissen   zu   sehen  —  — .     Sie  haben  nun für 

alle  Zeiten  bewiesen,  dafs  der  Lobgesang  nicht  vom  Dichter  des  Tristan 
sein  kann.  Ob  aber  darum  nicht  dennoch  von  Gottfried,  das  ist  eine 
andere  Frage.   Hören  Sie  denn,  wie  es  mir  vorigen  Sommer  gegangen  ist. 

Um  für  eine  meiner  Erzählungen  ^  mich  wieder  etwas  ins  Mittel- 
aller  hineinzuhören,  hatte  ich  meinen  Gottfried  aufgeschlagen,  und  be- 
fand mich  richtig  bald  ganz  und  gar  in  der  Sophienstrafse  Nr.  10 
(nicht  12),  wäre  auch  recht  gern  einmal  ums  andere  die  Treppen 
hinaufgesprungen,  um  mich  bei  der  oberen  Instanz  Raths  zu  erholen 
oder  naseweise  Fragen  zu  stellen.  —  —  —  Bei  diesem  Anlafs  nun 
stiefs  ich  auch  wieder  auf  den  Lobgesang  und  hätte  Ihnen  gern  eine 
quaestio  tusculana  vorgetragen,  die  sich  jetzt  freilich  nach  Ihrer  Unter- 
suchung noch  lustiger  macht.  Dieser  LG.,  den  ich  früher  sehr  be- 
wundert hatte,  weil  er  eben  mhd.  war,  als  er  mir  jetzt  in  der  Hagen'- 
schen  Ausgabe,    die   mein   Verleger   ßecher  mir   vorwurfsvoll   als   die 

^  Lassberg-Uhiand  s.  lxiv  steht  :  Nib.  vor  37,  geschichte  der  neaern 
Utteratar  vor  43,  deutsche  grammatik  vor  46,  Walther  ('wo  indessen  colli- 
sionen  mit  andern  collegien  störend  einwurkten')  vor  15  zuhörern. 

^  einem  Württemberger.  ^  Stuttgart,  Franckh  1858.  ^  damals  viel 
besuchtes  Stuttgarter  kaffeehaus.        ^  *Das  weifse  hemd',  Erzählungen  i  221  fi*. 


182  HEBMANN   KURZ   U?iD    FRANZ   PFEIFFER 

erste  Uebersetzung   des  Tristan  vorwies,   wieder  vor   die  Augen  kam, 

fla  erschien  er  mir  als  ein  rechtes  Musenalmanachgeklingel, des 

Tristan  durchaus  unwürdig.  Und  doch  klang  mir,  wie  ich  so  weiter 
las,  etwas  Urgottfriedisches  heraus.  Ich  kam  also  auf  den  Gedanken, 
unser  liebenswürdiger  Freund  könnte  den  frommen  Leich  [I]  als  liebes 
junges  Blut,  vielleicht  als  Kloslerschüler,  gemacht  haben,  denn  das  ganz 
eigenthümliche  Spielen  und  Klingeln  hat  er  ja  auch  im  Tristan  nicht 
lassen  können,  und  der  LG.  kam  mir  mehr  und  mehr  wie  ein  kin- 
disches Vorspiel  vor. Der  Hauptspafs  bei  der  Folgerung  wäre, 

dafs  dem  Hrn.  Walterich  der  Untergrund  nicht  blofs  unter  den  Füfsen 
weggezogen,  sondern  auch  gleich  über  den  Kopf  gestülpt  würde.  Das 
Hindernirs,  das  (abgesehen  von  den  innern  Gründen)  die  von  Ihnen  so 
reichlich  aufgezählten  Reime  und  Sprachformen  jeder  weiteren  Annahme 
einer  nach- Iristanisch- gottfriedischen  Autorschaft  in  den  Weg  legen, 
scheint  mir  keines  für  meine  Hypothese  zu  sein.  Man  wird  ganz  eben 
so  in  unserm  Jahrhundert  Poeten  genug  finden,  die,  in  Platen's  Zucht 
gerathen,  eine  spätere  Periode  in  der  Form  zeigen,  die  der  frühern  so 
unähnlich  ist,  dafs  man  nicht  glauben  soUle,  es  sei  derselbe  Mann. 
Das  Resultat  also  wäre,  zum  Schrecken  aller  frommen  Seelen,  dieses, 
dafs  Gotlfried  nach  einer  amaraothenpn  Jugend  seinen  Styl  auf  Kosten 
seiner  Seligkeit  verbefsert  habe,  ein  Gang  der  Entwicklung,  der  leider 
in  unsrem  gottlosen  Deutschland  nichts  Seltenes  ist. 

Diese  Grille  ist  mir   über  dem  Lesen  Ihrer  Blätter  nur   um   so 

lebhafter  wieder  aufgestiegen .    Ich  hätte  nicht  übel  Lust,  über 

die  Sache  Laut  zu  geben,  aber  da  Ihr  Aufsatz  dabei  doch  mehr  oder 
weniger  in  dem  Lichte  stehen  könnte,  diese  böse  Saat  getragen  zu 
haben,  so  will  ich  meinen  Eifer  zügeln.  Ohnehin  hat  es  mir  eine  Art 
grimmiger  Genugthuung  gewährt,  am  Schlufs  Ihrer  Blätter  „das  frühere 
undurchdringliche  Dunkel''  zu  finden,  denn  ich  sehe  Schiller  und  Goethe 
auf  ihren  goldenen  Stühlen  so  beducht  wie  Bendemanns  trauernde  Juden 
sitzen,  wahrhaft  endlose  llölleuslrafen  erleidend  durch  das  commenta- 
torische  Epigouenpecus.  Wie  müfsen  Sie  den  Meister  Gottfried  be- 
neiden !  Ihn  haben  jene  Olympischen,  die  er  zwar  nicht  ganz  ordonnanz- 
und  reglementmäfsig,  aber  nicht  erfolglos  anrief,  in  ihre  ambrosischen 
Wolken  gehüllt  und  ihm  zu  Theil  werden  lafseo,  was  er  laut  und  leise 
gewünscht  hat,  nämlich  dafs  ihm  diese  Well  gestohlen  werden  möge. 
Oder  sollte  vielleicht  eher  der  Gegenstand  des  jugendlichen  LG.  (um 
nach  Art  wissenschaftlicher  Taktik  jetzt  gleich  feste  Stellung  zu  nehmen) 
trotz  alledem  und  alledem,  wie  in  so  mancher  Legende,  den  Schleier 
über  ihn  gebreitet  haben?  Wie  dem  sei  —  iler  Einzige,  der  seine 
Ruhe  zu  stören  wagte,  ist  von  Ihnen  vor  der  Kanone  weggeblasen 
worden,  und  meine  Hypothese  bleibt  ungedruckt.  Sie  würde  auch  zu 
viel  Streit  erregen,  ob  Gotlfried  das  Lied  im  15.  oder  18.  oder  20. 
oder  24.  Jahr  seines  Alters  gedichtet  habe. 

Aus  Kurz  folgenden  briefen,  deren  letzter  am  7  juni  1867, 
also  etwa  ein  jähr  vor  PleifTers  tode,  geschrieben  ist,  hebe  ich 
ein  paar  stellen  heraus. 


HEBMANN    KURZ    UND    FRAISZ    PFEIFFER  18$ 

4  aug.  1S5S  :  Ein  Gedanke,  mil  dem  ich  mich  seit  Jahren  Irage^ 
scheint  jetzt  von  der  Hauptseile,  von  der  verlegerischen,  zu  reifend 
Ich  will  ihn  sub  rosa  beichten:  deutsche  Volksbücher,  in  einem  aus- 
gedehnten und  zugleich  freien  Sinn,  also  etwa  Nr.  1  Siegfried  mit  einer 
Verbindung  der  skandinavischen  und  deutschen  Elemente,  Nr.  2  Dietrich 
von  Bern,  mit  freier  Auswahl  des  Bedeutendsten  aus  der  zum  Theil 
grotesken  Masse,  Nr.  3  vielleicht  Beowulf,  u.  s.  w.  Wenn  mirs  ganz 
wohl  dabei  werden  sollte,  so  müfste  die  Behandlung  in  Beimen  sein» 
d.  h.  NB.  kein  Versuch  eines  Epos,  dafs,  wie  bei  Simrock,  nach  zwei 
gelungenen  Stücken  alles  Andre  im  Stoff  ertrinkt,  sondern  ganz  schlicht,, 
jedes  einzelne  Volksbuch  für  sich,  ohne  moderne  Schnörkel,  aber  auch 
ohne  knechtische  Gebundenheil  an  das  verworrene  Material.  —  — 
Saxo  dürfle  auch  noch  durchzupeitschen  sein,  wie  ich  denn  überhaupt 
noch  ein  wenig  prolervioris  ingenii  invidentiorisque  studii  bedürftig  bin» 
Es  wäre  doch  ein  hübscher  Spafs,  noch  einmal  das  Volk  und  (durch 
eine  leidliche  Beimform)  die  Gebildelen  um  diese  Volksbücher  zu  sammeln, 
die  in  den  schlechten  Bearbeitungen  von  SchÖnhuth  und  Marbach  Auf- 
lage um  Auflage  erleben.  Auch  wäre  es  eine  schöne  grüne  Bucht  für 
mich,  der  ich  des  Bomanschreibens  und  des  Marktgelümmeis  von  Vir- 
tuosen, Taschenspielern  und  Taschendieben  entsetzlich  müde  bin. 

Am  2  juni  1862  teilt  Kurz  die  von  ihm,  so  viel  ich  sehe, 
nicht  verOlTeDilichte,  aber  von  der  neuero  localforschung  ^  gut- 
geheifsene  entdeckung  mit,  dass  die  bürg,  wohin  der  kammerbote 
Erchanger  914  den  bischof  Salomo  brachte,  nicht  beim  Hohen- 
twiel  herum,  sondern  in  der  Diepoldsburg,  vulgo  'Rauber',  hinter 
der  Teck  zu  suchen  sei,  wofür  er  auch  den  populären  namen  der 
ruine  anführt. 

14  februar  1862  über  Berthold  von  Regensburg  :  Was  man 
in  der  sonstigen  Literatur  jener  Zeit  mit  wenigen  Ausnahmen  (wie 
Meier  Heinibrecht  etc.)  kaum  zu  Gesicht  bekommt,  das  Menschenthum, 
das  Volk,  das  Leben,  wird  durch  jedes  Wort  des  Predijjers  in  wimmeln- 
den Schaaren  vor  das  Auge  gebracht,  von  sich  selber  berichtet 
Kurz,  er  habe  beschlossen,  es  wider  mit  der  poesie  zu  versuchen. 
„Das  Versemachen  nun,  wenn  man  es  nur  nebenher  treiben  kann,  ist^ 
besonders  nach  langer  Entwöhnung,  ein  etwas  schüchternes  Ding,  und 
so  bin  ich  ganz  natürlich  auf  den  Gedanken  gekommen,  mich  zunächst 
am  Tristan  zu  versuchen,  der  doch  schon  etwas  Gegebenes  mitbringt 
und  doch  zugleich  freie  Bewegung  nicht  blofs  gestattet,  sondern  ver- 
langt. Im  Gewand  des  13.  Jahrhunderts,  zumal  in  linearer  Ueber- 
selzung,  ist  er  nur  noch  halb  geniefsbar  und  bedarf  einer  Umformung. 
Ich  habe  nun  angefangen,  in  der  Weise  des  Ihnen  bekannten  Schlufses^ 
das  Ganze  zu  bearbeiten,  wobei  aber  die  besten  Bestandtheile  von 
Gottfried  beibehalten  und  aufs  liebevollste  meist   neu  übertragen  wer- 

^  ist  nicht  zu  stände  gekommen. 

2  Wurttembergische  vierteljahrshefte  1,33.  3,247;   neue  folge  1,301. 
^  seiner  Übersetzung;  das  von  Gottfried  selbst  nicht  gedichtete  halte 
Kurz  dort,  im  freien  anschiuss  an  die  alten  fortsetzer,  selbst  hinzugefügt. 


186  BÄCHTOLD    KLEIKB    SCHRIFTEN 

Ober  den  geschiednen  sprechen,  klingt  natürlich  anders,  als  wo 
es  sich  um  warme  augenblickseindrücke  des  lebens  handelte; 
aber  die  bilder  vertragen  sich  gut,  vertragen  sich  auch  mit  den 
kräftigen,  vertrauenerweckenden  zügen,  die  uns  am  eingang  der 
'Kleinen  Schriften'  begrüfsen.  ich  glaube  fast,  man  muss  B.  ge- 
kannt haben,  auch  um  seiner  wissenschaftlichen  tfltigkeit  ganz 
gerecht  zu  werden, 

4ch  wollte  ein  lesbares,  manchmal  sogar  ein  kurzweiliges  buch 
schreiben':  so  beifsts  im  vorwort  der  schweizerischen  litteratur- 
geschichte,  des  lebenswerkes.  die  freunde  zweifeln  nicht,  dass 
es  gelungen :  ich  würde  mit  der  Zustimmung  zögern,  sprach  die 
wohlbekannte  stimme  zu  ihnen,  wenn  sie  ihn  lasen?  und  half  ihnen 
das  weiter?  offen  gestanden:  ich  habe  in  B.s  schweizerischem 
mittelalter  —  und  ich  rechne  das  16  jh.  litterarisch  dazu  —  stets 
ebenso  an  dem  eindringenden  blick  in  die,  freilich  nicht  leicht 
zu  fassenden,  dichterischen  persönlichkeiten  etwas  vermisst,  wie 
an  der  vergegenwärtigenden  gestaltung  anschaulicher  gesamtbilder : 
der  einleitenden  epochenzeichnung  gliedert  sich  die  besondere 
figur  nicht  recht  ein;  eine  imponierende  gelehrsamkeit  legt  sich 
in  einzelheilen  fast  mechanisch  auseinander,  von  den  ewigen  er- 
müdenden inhaltsangaben,  von  dem  übermafs  der  ausgeschütteten 
tatsachen  gar  nicht  zu  sprechen,  ganz  wohl  ist  mir  immer  erst 
geworden,  wenn  ich  bei  vater  Bodmer  anlangte:  da  war  ein  mittel- 
punct  da,  um  den  sich,  dem  ieser  deutlich,  das  ganze  gruppiert; 
und  die  enthaltsame  trockenheit  des  gelehrten  berichts  wird  Gott 
sei  dank  saftiger  durch  eine  woltätige  beimischung  halb  von  local- 
patriotischem  stolz  auf  den  mann,  der  Zürich  zeitweilig  zur  littera- 
rischeo  grofsmacht  erhob,  halb  von  belustigtem  ärger  über  diesen 
gar  nicht  tot  zu  machenden  alten,  verdriefslichen  langweiler. 
B.  selbst  hatte  das  gefühl,  dass  die  gelehrsamkeit  zu  sehr  herrin 
geblieben  sei;  Vetter  erzählt,  dass  B.  an  'eine  völlige  Umarbeitung 
des  hauptwerks'  gedacht  habe,  es  lag  aber  doch  nicht  nur  an 
der  massenhaftigkeit  des  materials:  ich  traue  B.  unbedingt  die 
kraft  zu,  die  erdrückende  last  zu  bewältigen,  ihm  war  leider 
Uhlands  handhabung  der  beschreibenden  litteraturgeschichte  vor- 
bildlich, die  m.  e.  nur  einer  frühern  Orientierungsphase  unsrer 
Wissenschaft  entspricht.  B.  hat  wol  auch,  nicht  ganz  frei,  ge- 
glaubt, nach  jener  vielgepriesnen  und  vielgeforderten  'objectiviiät* 
streben  zu  müssen,  die,  wenn  sie  keine  harmlose  Selbstverständlich- 
keit sein  soll  gut  zur  erziehung  von  fuchsen,  als  forciertes  erstes 
gebot  der  methode  die  besten  erkenntnis-  und  gestaltungskräfte 
lähmen  wird;  dazu  eine  zarte  persönliche  sprödigkeit  und  schäm, 
die  uns  bei  Alemannen  nicht  selten  entgegen  tritt,  —  kurz,  die 
litteraturgeschichte  leidet  auf  weite  strecken  an  dem  mangel,  dass 
B.,  reichstes  wissen  ausbreitend,  doch  von  seinem  eigensten  selbst 
zu  wenig  hineingelegt  hat,  wählend,  ordnend,  verbindend,  be- 
leuchtend,    das  nachschaffen  braucht  beim  philologen   wie   beim 


BÄCHTOLD    KLEINE    SCHRIFTEiN  187 

kunstler  das  medium  eines  kräfligeo  und  fruchtbaren  subjects: 
an  die  rampe  freilich  braucht  es  nicht  zu  treten. 

Ich  zweifle  kaum,  halte  B.  das  buch  zum  zweiten  male 
herausgehn  lassen,  fortgeführt  bis  auf  die  gegenwart,  wie  er  das 
wollte,  ich  hätte  nicht  zu  schreiben,  was  ich  eben  schrieb,  die 
lebendige  kenntnis  Gottfried  Kellers,  die  er  grade  ganz  sich  selbst, 
nicht  seinem  gelehrten  ich  verdankte,  die  beziehungen  zuLeuthold, 
die  nach  der  bekannten  vorrede  zu  urteilen  nicht  ohne  ein  reiben 
widerstrebender  geister  sich  abgespielt  halten,  ganz  besonders 
auch  das  tief  persönliche  Verhältnis,  das  B.  mit  der  poesie 
Eduard  Mörikes  verknüpfte  —  schon  in  den  feldzugbriefen  von 
70  fehlt  das  'schnurbarlsbewustsein'  und  die  'sommerweste*  nicht — , 
das  alles  muste,  dem  litterarischen  Zusammenhang  einverleibt,  ver- 
lebendigend zurUckwürken  auch  in  reformationszeit  und  mittelalter. 
denn  was  B.  in  der  kunst  nachbildender  Charakteristik  konnte, 
wenn  er  nur  wollte,  das  zeigt  die  zarte  und  doch  so  zwingende 
Zeichnung  Eduard  Mörikes,  die  Veiter  mit  bestem  rechte  aus  der 
ADB  auch  in  diese  Sammlung  verpflanzt  hat. 

Eröfl'nel  wird  sie,  recht  hübsch,  durch  die  einleilung  der 
Lanzeleldissertation :  so  harmlos  die  mit  einer  der  liebenswürdigen 
naiveläten  meister  Sepps  einsetzt,  so  präludiert  sie  mit  fug  dem 
lebenswerk  dieses  ganz  schweizerischen  lilterarhistorikers.  der 
habililalionsvortrag  über  die  germanistischen  Verdienste  der  Züricher 
gibt  eine  angemessene  probe  jener  rein  talsächlichen  aufreihenden 
art,  in  die  B.s  wissenschaftliches  Schriftstellern  so  leicht  verfallt, 
und  das  bild  des  lexikographen  Josua  Malers  macht  gute  folie  in 
seinem  chronikartigen  nacherzählen  zu  dem  freien  nachschaffen 
der  Mörikeskizze.  die  Mitterarischen  bilder  aus  Zürichs  vergangen- 
heil', mir  bisher  unbekannt,  decken  sich  zum  teil,  selbst  wörtlich, 
mit  dem  Bodmer  gewidmeten  abschnitt  der  litteraturgeschichte^ 
haben  aber  vor  ihr  eine  deutliche,  rundende  beleuchtung,  eine 
behagliche  zuständliche  ruhe  voraus,  die  auch  kennenswerlen  neben- 
flguren  wie  Hartm.  Bahn  ein  freundliches  verweilen  gönnt;  ihre 
genrehaften  züge  sind  dem  inhalt  sehr  angemessen,  und  sie  ge- 
winnen sich  einen  bessern  abschluss  als  das  grofse  werk,  da  sie 
nicht  mit  der 'veralteten  weit'  schliefsen,  sondern  mit  hellem  aulblick 
zu  der  alles  durchwärmenden  mittagssonne  unsrer  classischen 
zeit.  —  nun  aber  die  zweite  ableilung:  kriegsbriefe,  reiseberichte, 
festbeschreibung:  das  klingt  wenig  lockend,  und  dabei  ists  eine 
prachll  der  22  jährige  feldjournalist,  dem  man  die  leisen  nach- 
wehen frischer  Heine-  und  Börneleclüre  freilich  anspürt,  schaut 
doch  so  helläugig  und  selbständig  um  sich  und  weifs  nns  mitten 
in  Jammer  und  graue  trübsal  des  krieges  so  drastische  tiguren  und 
bilder  hineinzustellen,  zum  entzücken:  vor  allem  die  weinbudike 
in  Courcelles  lässt  fast  bedauern,  dass  der  gelehrte  schliefslicli 
den  Schriftsteller  doch  geschädigt  hat.  die  beiden  seelen  schaffen 
in  schönster  eintracht  an  den  Walliser  Schilderungen:  ein  bischen 

13* 


18S  BÄCHTOLD   ELEUS'E   SCHRIFTEN 

geschichte  und  sage  uod  lilteratur  und  kuost,  aber  oboe  jeden 
scbatten  von  lehrbaftigkeit:  das  gute,  kluge,  beschaulich -be- 
hagliche lächeln  des  erzahlers  scheucht  deo  leisesten  hauch  von 
didaktischer  pedanterie:  doppelt  rühmlicb  bei  diesem  vieljlihrigen 
Schulmeister,  und  dann  am  schönen  Bozener  Walthertage  —  ein 
herzensfäserchen  zuckt  doch:  schade  dass  es  nichts  mit  dem 
Thurgau  istl  — ,  da  wird  der  germanist  wol  laut,  wie  sichs  ziemt, 
auch  zu  ernster  wärme,  das  pathos  freilich  andern  fiberlassend; 
das  beste  ist  schliefslich  doch  die  sonnen-  und  bergfreudigkeit, 
die  ihn  hier  überkommt  zu  füfsen  des  leuchtenden  Rosengartens: 
ich  muste  an  Hans  Hoffmanns  Bozener  novellen  gedenken,  die 
auch  verraten,  dass  nur  der  germanist  Bozen  ganz  würdigen  kann; 
ich  muste  an  das  Batzenhäusl  gedenken,  wo  ich  voriges  jähr  auf 
Bächtolds  spuren  wehmütig  stiefs ,  wo  er  sich  einst  den  trocknen 
humor  mit  ernstprttfender  zunge  zu  feuchten  wüste. 

Ich  danke  dem  herausgeber  ganz  besonders,  dass  er  auch 
diese  seite  Bächtoldscher  schriftstellerei  anklingen  liefs.  er  hat 
dem  freunde  damit  unzweifelhaft  einen  dienst  getan,  der  ton 
wird  weiterklingen,  bei  mir  und  bei  andern,  und  ich  denke, 
künftig  hör  ich  ihn  auch  da  leise  mitschwingen,  wo  der  spröde 
gelehrte  sein  bestes  schauen  für  sich  behielt,  wissen  wir  jetzt 
doch,  wie  er  schauen  konnte  1  und  er  sollte  die  beiden  seiner 
forschung  nicht  gleichfalls  geschaut  haben  mitsamt  ihrer  Um- 
gebung? vielleicht  lags  doch  auch  an  mir,  der  ich  nicht  fein- 
höriger war.  RoETHE. 

£inleituDgr  in  die  geschichte  der  griechischen  spräche,    von  Paul  Kbetschmer. 
Götlingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht,  1896.   428  ss.   8^  —  9  m. 

Da  Kretschmers  buch  auf  den  ss.  1 — 170  fragen  von  allge- 
meinem interesse  behandelt,  hat  dieser  teil  mit  recht  auch  die 
aufmerksamkeit  der  germanisten  auf  sich  gezogen,  die  absendung 
der  besprechuog,  welche  die  redaction  des  Anzeigers  von  mir  ge- 
wünscht hatte,  hat  sich  mehr  verzögert,  als  mir  lieb,  und  das  durch 
umstände,  die  zu  erörtern  hier  nicht  der  platz  ist.  die  späteren 
<»piiel  berühren  uns  an  dieser  stelle  nicht,  zuerst  eine  kurze 
inhaltsangabe  und  heraushebung  der  wichtigsten  Sätze. 

Einleitung  s.  4  sagt  K.,  neben  das  grammatische  hand- 
buch  müsse  eine  darstellung  treten,  welche  die  entwicklung  der 
.spräche  in  ihrer  ganzen  breite  schildert  und  den  Zusammen- 
hang mit  demculturleben  nachweist,  diesen  versuch  mache 
<er  fürs  griechische. 

I  cap.  ^Die  indogermanische  Ursprache',  diese  war 
nicht  dialektlos.  so  zb.  hat  es  keine  einheitliche  idg.  bezeichnung 
der  einzahl  gegeben:  ai.  eka,  aps.  aiva,  ab.  aeva;  gr.  olyif,  lat. 
otnos,  air.  oen,  got  ain«,  lit.  t;ena5, asl.  inü;  gr.  eig^  lat.  «'n-^t  usw. 
K.  trennt  dann  vor  allem  die  begriffe  gemeinindogermanisch  und 
urindogermanisch,    ein   gemeinidg.  wort  zb.  *ömi  ^schaf  kann 


KRETSCHM2R    EINLEITUNG   IN    D.    GESCHICHTE    D.    6RIECH.    SPRACHE        189 

sich  auch  nach  der  ^ersten  trennuDg'  der  Indogermanen  noch  über 
das  ganze  Sprachgebiet  verbreitet  haben,  muss  also  nicht  ursprach- 
lich gewesen  sein,  relativsätze  sind  nicht  gemeinidg.  aber  sind  sie 
deshalb  nicht  ursprachlich?  waren  sie  vielleicht  in  einem  teile 
der  Ursprache  vorhanden?  oder  haben  sie  sich  erst  nach  der  ersten 
trennung  von  einem  puncte  verbreitet?  jedesfalls  sind  sie  altindo- 
germ.  die  Wörter  für  meer  *mari,  für  salz  *säld,  ^salnes  sind  nicht 
bei  allen  Indogermanen  belegt^  trotzdem  machen  sie  den  eindruck 
hohen  alters,  sie  sind  altidg.,  vielleicht  schon  in  einem  teile 
der  Ursprache  vorhanden  gewesen,  aber  nichts  spricht  für  die 
annähme,  dass  die  Wörter  jemals  gemeinidg.  waren,  man  muss 
also  drei  begriffe  scheiden:    gemeinidg.,  altidg.  und  ursprachlich. 

Die  Ursprache  war  dialektisch  differenziert,  so  sind  die 
m-casussuffixe  im  germ.  und  slav.-lit.  gegen  die  6A-sufßxe  der 
andren  sprachen  zu  erklären,  zo  erklärt  sich  gr.  locativsuffix  ai 
gegen  arisch-slavisch-litauisch  su,  so  die  differenzen  in  der  bildung 
des  genetivs  sg.  der  o- stamme,  ein  ursprachlicher  unterschied 
lag  bereits  in  dem  ausdruck  für  'band'  (got.  handus^  lat. 
manus  usw.),  vielleicht  im  lautwert  von  e.  daraus  ergibt  sich, 
dass  es  nicht  erlaubt  ist  zwischen  Ursprache  und  einzelsprachen 
einen  strich  zu  ziehen. 

II  cap.  *Das  indogermanische  urvolk' (s.  20— 47).  die 
liuguistische  paiäontologie  ist  nicht  geeignet,  die  cultur  des  urvolks 
aufzuschliefsen.  die  gleichung  ai.  yugdm^  gr.  ^vyov^  hi.  jugum  usw. 
beweise  nur,  dass  einmal  von  irgend  einem  puncte  sich  das  wort 
*jugom  vermutlich  mit  dem  gegenstände  selbst  verbreitet  hat.  auch 
nach  der  sprachlichen  und  politischen  trennung  konnte  sich  das 
wort  noch  über  alle  idg.  Völker  ausbreiten,  dasselbe  gelte  etwa 
von  *^"öws  *rind',  *müs  'maus'  uaa.  'es  ist  aber  von  Wichtigkeit 
festzuhalten,  dass  auch  die  sogen,  urverwanten  Wörter  nur  auf 
dem  wege  der  entlehnung  gemeinindogermanisch  geworden  sind, 
denn  in  andrer  weise  verbreiten  sich  Sprachneuerungen  überhaupt 
nicht,  als  dass  sie  von  einer  oder  wenigen  personen  ausgehend 
von  individuum  zu  individuum,  von  volk  zu  volk  weitergegeben 
werden',  auch  der  lautwandel  konnte  noch  dialektische  grenzen 
überspringen.  K.  weist  auf  die  bekannte  erscheinung  der  Ver- 
breitung des  /-Schwunds  in  den  griech.  dialekten  hin. 

Sind  die  idg.  stamme  aus  einem  verhältnismäfsig  kleinen  und 
im  wesentlichen  dialektlosen  stamme  hervorgegangen?  alle  sind 
geneigt,  diese  frage  zu  bejahen,  ein  versuch,  der  die  ähnhchkeit 
der  idg.  sprachen  aus  der  ähnlichkeit  der  klimatischen  und  geo- 
graphischen verhältnise  herleiten  zu  können  glaubte,  ist  ganz 
misglückt.  wie  kann  aber  ein  kleiner  stamm  sich  zu  einer  so 
grofsen  Völkergruppe  entwickelt  haben?  sind  vielleicht  andre 
Völker  aufgesogen  worden?  was  lehrt  die  anthropologie ?  die 
folgende  auseinandersetzung  über  die  ergebnisse  der  physischen 
anthropologie  (s.  29 — 47)  gehört  zu  den  dankenswertesten  teilea 


190       KRET8CHMER   EINLEITUNG    IS   D.   GESCHICHTE  D.   GRIECH.   SPRACHE 

des  buches,  weil  K.  Dichl  die  mühe  gescheut  hat  einzudringen 
und  weil  es  ihm  geglückt  ist,  klare  kritik  zu  üben.  8.45:  ^also 
weder  die  schädelformen  noch  die  haarßirbung  haben  sich  als 
geeignet  erwiesen,  licht  über  die  älteste  geschichte  der  Idgg.  zu 
verbreiten',  s.  46:  ^ein  so  sichres  factum  wie  die  idg.  sprach- 
einheil,  eine  so  scharfe  ethnische  abgrenzung,  wie  dieselbe  gegen 
die  nachbarvolker  erlaubt,  hat  keine  der  anthropologischen  theorien, 
die  sich  mit  der  idg.  frage  beschäftigen,  aufzuweisen  vermocht'. 
III  cap.  'Die  ältesten  culturzustände  der  Indoger- 
maneu'  (s.  48 — 92).  eine  idg.  altertumswissenschaft  auf  blofs 
linguistischer  basis  ist  unmöglich.  Hehn  hat  diesen  fehler  im 
gegensatze  zu  AKuhn  bis  zu  einem  gewissen  grade  vermieden, 
aber  die  ergebnisse  der  prähistorischen  forschung  hat  auch  er 
ignoriert  sowie  die  sich  daraus  ergebenden  zoologischen  und 
botanischen  folgerungen.  der  grund  dieses  fehlers  ist,  dass  man 
meinte,  die  Idgg.  seien  in  verhällnismäfsig  junger  zeit  aus  Asien 
nach  Europa  eingewandert,  von  seiten  der  anthropologie  steht 
aber  nichts  dagegen,  dass  die  neolithischen  menschen  idg.  idiome 
gesprochen  haben  (s.  51).  zwischen  der  paläolithischen  zeit  und 
der  neolithischen  klafft  aber  der  sogen,  hiatus.  trotzdem  hält 
man  heute  schon  die  annähme  der  einwandrung  einer  ganzen, 
neuen  bevOlkerung  im  beginne  der  neolithischen  zeit  nicht  mehr 
für  nötig,  weder  von  anthropologischer  noch  von  archäologischer 
Seite  ligt  ein  anlass  vor,  die  gesamte  neolithische  und  vielleicht 
sogar  paläolithische  epoche  samt  und  sonders  den  Indogermanen 
abzusprechen,  das  führt  zur  frage  nach  der  Urheimat,  die  lingui- 
stische Paläontologie  wollte  die  frage  mit  hilfe  des  idg.  lexikons 
lösen,  der  versuch  ist  gescheitert,  auch  JSchmidts  versuch, 
die  spuren  des  sexagesimalsystems  in  den  idg.  sprachen  in  bezug 
auf  die  Urheimat  zu  verwerten,  wird  von  K.  abgelehnt  (s.  58). 
man  hat  sich  eben  das  ziel  zu  weit  gesteckt,  ^wenn  man  unter 
Urheimat  der  Idgg.  die  ältesten  Wohnsitze  jenes  urstämmchens 
versteht,  aus  welchem  der  grofse,  vielverzweigte  bäum  der  idg.  Völker 
erwachsen  ist,  dann  müssen  wir,  meine  ich,  zunächst  darauf 
verzichten,  diese  Urheimat  bestimmen  zu  wollen',  die  historischen 
und  bekannten  geologischen  Verhältnisse  führen  uns  auf  ein 
maximalgebiet  von  Frankreich  bis  Iran,  einen  schmalen  und 
langgestreckten  streifen,  weil  wegen  der  eisverhältnisse  der  norden 
und  Süden  ausgeschlossen  sind,  auf  die  urheimatfrage:  Europa 
oder  Asien?  ist  also  zu  antworten:  Europa  und  Asien,  man 
hat  ganz  übersehen,  'dass  die  lexikalischen  Verhältnisse  der  idg. 
sprachen  im  gründe  am  besten  auf  die  Wohnsitze  passen,  die  die 
träger  dieser  sprachen  in  historischer  zeit  einnehmen,  dass  sie 
also  nicht  notwendig  eine  sehr  bedeutende  Verschiebung  ihrer 
Wohnsitze  voraussetzen'  (s.  64).  wenn  der  name  der  buche  den 
Slaven  ursprünglich  fehlt  (ahd.  buohha^  lat.  /a^),  so  hat  das 
seinen   grund  darin,    dass    die    Slaven    erst    in   den   Zeiten   der 


KRETSCHMER    EINLEITUNG    LN    D.    GESCHICHTE    D.    GRIECB.    SPRACHE        191 

völkerwandruQg  in  die  buchenregion  einzogen,  für  das  meer 
haben  Italiker,  Kelten,  Germanen,  Litauer  und  Slaven  eine  gemein- 
same bezeichnung. 

Nach  K.  waren  davon  die  Kelten  die  einzigen,  welche  am 
meere  safsen,  und  von  ihnen  gieng  das  wort  zu  den  andern  stammen 
über  (s.  65).  K.  meint,  man  könnte  gegen  seine  annähme  des 
ursitzes  der  Idgg.,  der  sich  nach  ihm  über  die  südrussischen 
steppen  hingezogen  hat,  anführen,  was  man  gegen  die  annähme 
der  Urheimat  in  den  russischen  steppen  überhaupt  einwendete, 
dass  sie  nämlich  den  bär,  die  birke  und  einen  frühling  nicht 
kennen.  K.  zeigt,  dass  das  nicht  ganz  richtig  sei  (s.  66).  dass 
Indern  und  Iraniern  das  idg.  wort  für  salz  fehlt,  ist  bei  jeder 
Urheimattheorie  auffällig;  das  salz  muss  den  alten  Iraniern  des 
Avesta  bekannt  gewesen  sein,  und  doch  wird  es  nicht  im  Avesta 
erwähnt,  ^weun  man  aus  dem  fehler  seines  westidg.  namens 
bei  den  Indoiraniern  schliefsen  wollte,  dass  diese  das  salz  nicht 
gekannt  haben,  dann  müste  man  aus  dem  fehlen  einer  gemeinidg. 
bezeichnung  der  milch  folgern,  dass  die  alten  Indogermanen  nicht 
nMt  Buttermilch  gesäugt  wurden!*  (s.  68).  ^sind  die  vorgetragenen 
anschauungen  über  die  älteste  ausbreitung  der  Idgg.  richtig,  so 
kann  es  niemandem  mehr  einfallen,  aus  den  blofsen  wortgleichungen 
culturgeschichie  herausdestillieren  zu  wollen,  wo  uns  die  reste 
altidg.  cultur  selbst  in  reicher  fülle  vor  äugen 
liegen'  (s.  68).  mit  Zurückhaltung  bespricht  K.  die  frage,  ob  die 
Idgg.  nomaden  oder  ackerbauer  gewesen  seien  (s.  70  fi).  wahr  ist, 
dass  das  indisch-iranische  mit  den  europäischen  sprachen  nur 
sehr  wenige  agrarische  ausdrücke  teilt,  aber  die  zahl  der  auf 
Viehzucht  bezüglichen  gemeinidg.  Wörter  ist  auch  nicht  sehr  grofs. 
nicht  einmal  für  'melken'  gibt  es  eine  einheitliche  bezeichnung. 
man  kommt  nirgendwo  auf  unbedingte  einheitlichkeit,  weder  auf 
sprachlichem  noch  auf  culturellem  gebiete,  am  wenigsten  auf 
dem  gebiete  der  vergleichenden  mythologie.  der  german.  Ziu- 
Tyr  wird  von  ai.  Dyaüs  abgetrennt,  wie  schon  Bremer  getan  hat; 
nur  Dyaus  Zevg  Juppiter  bleiben  beisammen,  ferner  asi.  bogüy 
aps.  baga,  av.  baya-,  ai.  bhdga-;  av.  spenta^  lit.  szventas^  asl. 
sv('tü,  got.  hunsl;  ai.  brahrndn-^  lat.  flämen;  lat.  victima  'opfer- 
iier\  got.  veihs  'heilig';  lit.  Perkünas,  an  Fjorgynny  alban.  perendi, 
*himmer  (asl.  Perunü  entlehnt  aus  dem  Illyrischen  s.  82).  andere 
gleichungen  beweisen  religionsgeschichtlich  für  die  urzeit  garnichts: 
ai.  üshäs,  gr.  'Hutg,  dagegen  kann  man  zugeben,  dass  die  Vor- 
stellung vom  IsQog  ydfiog  des  *vaters  himmel'  mit  der  *mutter 
erde'  uralt  sei  (s.  90),  aber  ungewis  ist,  ob  sie  gemeinidg.  ist. 
an  einen  idg.  herdgoit  glaubt  K.  nicht  (s.  91)  im  gegensatze  zu 
EdMeyer. 

IV  *Die  verwantschaftsverhältnisse  der  indoger- 
manischen sprachen'  (s.  93).  die  wellenförmige  Verbreitung 
teilen   die   sprachlichen   Veränderungen   mit  allen  ethnologischen 


192       KBET8CUMER   EINLEITUNG   IN   D.   GESCBICHTE   D.    GRIECÜ.   SPaAGHB 

{besser  wol  ^culturelleo')  Deueruogeo.  darin  ist  K.  mit  dem  ref. 
derselben  meinung.  aber  mit  einer  theorie  wird  man  die  sprach- 
lichen erscheinungen  nie  völlig  verslehn  können,  auch  sprach- 
spaltungen  mögen  vorgekommen  sein  und  Vermischungen, 
die  antwort  auf  die  frage  nach  der  verwantschaft 
mehrerer  sprachen  ist  nur  die  ganze  älteste  geschieh te 
dieser  sprachen  selbst  (s.  d7).  das  mittel,  die  historischen 
beziehungen  der  einzelsprachen  zu  erkennen,  bieten  ihre  partiellen 
Übereinstimmungen  (s.  98).  solche  können  rein  theoretisch  ge- 
nommen zufällig  sein,  aber  man  kann  in  vielen  fallen  praktisch 
unmöglich  an  zufall  denken,  das  ist  der  fall  bei  den  palatalen, 
welche  in  einer  geographisch  zusammenhängenden  gruppe  (arisch, 
baltisch,  slavisch,  thrakisch,  phrygisch,  armenisch  und  albanesisch) 
als  Zischlaute  erscheinen,  im  griech.,  italischen,  keltischen  und 
germanischen  durch  explosivlaute  vertreten  sind,  die  über  mehrere 
benachbarte  einzelsprachen  sich  erstreckenden  Übereinstimmungen 
weisen  in  eine  epoche  zurück,  in  welcher  die  Sprachgrenzen  noch 
weniger  scharf  waren  als  in  historischer  zeit.  K.  bemerkt  hier 
gelegentlich,  dass  babyl.  pilakku,  gr.  n^lexvg^  ai.  para^^s  — 
wo  also  der  Übergang  von  k  zu  q  klar  vorliege  —  einen  unum- 
stöfslichen  beweis  liefern,  dass  die  palatalen  Zischlaute  ursprüng- 
lich explosivlaute  gewesen  seien  (s.  107).  aber  man  darf  sich 
die  grenzen  zwischen  den  £-  und  den  (>-8tämmen  nicht  tief 
einschneidend  denken,  denn  vor  und  nach  dem  übergange  der 
palatalen  explosiva  in  Zischlaute  auf  ostidg.  gebiet  haben  aus- 
tauschungen sprachlichen  gutes  stattgefunden,  vor  dem  ange- 
gebenen zeitpuncte  erfolgte  austausch  von  got.  gulp  —  asl.  zlato, 
got.  gcUga  —  lit.  zalga,  ahd.  würgen  —  lit.  verstu  ^schnüre  ein', 
ahd.  lahs  —  russ.  lososij  ahd.  harmo  —  lit.  szarmü,  got*  hilpan  — 
lit.  szelpiü  ^helfe',  welche  alle  auf  slavolettischem  gebiete  Zischlaute 
zeigen,  ohne  dass  man  aber  daran  denken  könnte,  dass  diese 
Wörter  einst  gemeinidg.  gewesen  seien,  aber  auch  nach  dem 
palatalwandel  fand  austausch  sprachlichen  gutes  über  die  ger- 
manisch-lit.-lettische  grenze  statt  (s.  108).  K.s  teilt  hierher  got. 
faihu  —  aprss.pecÄTu,  Wi.pekus  trotz  si.pagü;  goi.  hunds  —  lettisch 
kuna  ^hündin'  trotz  lit.  szu,  ai.  günas;  ahd.  hlosen  (das  K.  an- 
zuführen vergisst)  —  aprss.  klausUon  trotz  ^s\.slysatu  ai*  orud^fi; 
got.  svaihra  —  asl.  svekrü  trotz  lit.  szeszuraSy  ai.  gvagura  usw. 
Zu  den  german.-litusiavischen  gleicliungen  gehören  dann 
noch  das  zablwort  für  1000  und  der  dual  der  persoualpronomina, 
die  bilduug  des  dat.  plur.  mit  einem  m-sulfix  statt  des  6A-sufQxes 
der  andern  sprachen,  bei  einer  anzahl  vou  fragen  lässt  es  K. 
offen,  ob  und  in  wieweit  zusammenbang  anzunehmen  ist.  überall 
mit  ausnähme  des  italischen,  griechischen,  indischen  sind  die 
mediae  aspiratae  bh  dh  gh  in  mediae  übergegangen,  im  german. 
über  die  Zwischenstufe  tönender  Spiranten,  möglich  wäre  also, 
dass  wenigstens  der  Übergang  zu  den  med.  aspir.   von  Iran  bis 


KBETSCHMEB   EINLEITUNG   IN    D.    GESCHICHTE   D.    GBIECH.   SMACHE        193 

Gallieo  gemeinsam  vollzogen  wurde,  weiter  ist  im  indisch-iraiiischeD, 
slavisch-baliischeD,  germanischen  und  albanesischen  kurzes  o  zu  a 
geworden,  auch  hier  denkt  K.  an  gemeinsamen  Ursprung  trotz 
des  0  von  Hario-bauduSy  Lango-bardi  usw.  (115).  Italiker^  Kelten, 
Geraianen  und  Letten  haben  den  hauptton  auf  die  erste  silbe 
verlegt,  wider  enger  berühren  sich  kellisch  und  germanisch,  das 
vorhistorische  latein  betonte  in  der  verbalen  composition  die  präpo- 
sition  :  *cönfacio,  conficio,  das  irische  und  germ.  aber  die  erste 
silbe  des  verbums  air.  do-melim  ^vescor',  got  du-ginna  (s.  116). 
dieselben  Völker  :  Italiker,  Kelten,  Germanen  haben  das  sufßx  -tü-t^ 
'iü'tü  von  ital.-kelt.-germ.-lituslavischem  sprachgut  ist  aufser  der 
bezeichnung  des  meeres  das  wort  für  ^gemeinde,  volk'  hervorzu- 
heben :  ose.  touta,  air.  tuath,  got.  ßiuda^  aprss.  tauto  Mand',  lett. 
tatUa  'ausländ'. 

Nirgends  führen  die  partiellen  Übereinstimmungen  zu  der 
annähme  einer  Spaltung,  deshalb  ist  auch  der  versuch,  die  Idgg. 
in  satem-  und  cen^um-stämme  zu  sondern,   abzulehnen   (s.  119). 

Eine  principiell  andre  erklärungsart  als  die  von  innen  heraus 
hat  Hirt  (und  vor  ihm  Penka)  aufgestellt,  ^die  grofsen  dialekt- 
gruppen  der  idg.  sprachen  erklären  sich  in  der  hauptsache  aus 
dem  übertragen  der  spräche  der  idg.  erobrer  auf  die  fremd- 
sprachige unterworfne  bevOlkrung'  sagt  Hirt  (vgl.  s.  120).  K.  meint, 
das  sei  für  das  Armenische  anzunehmen,  ja  er  macht  sogar  für 
die  beiden  deutschen  lautverschiebungen  die  Kelten  verantwortlich. 

V  cap.  Partielle  Übereinstimmungen  zwischen 
nicht  benachbarten  sprachen',  auffallend  sind  die  Übereinstim- 
mungen zwischen  arisch  und  italisch- keltisch,  nur  hier  erscheint  die 
gleichung  für  *herscher,  könig':  ai.  röj,  lat.  rex,  gall.  nrc,  air.  rt. 
das  dazu  gehörige  verbum  ist  über  sämtliche  sprachen  verteilt, 
lieifst  aber  nur  dort  'herschen',  wo  sich  auch  das  nomen  *reg 
in  der  entsprechenden  bedeutung  findet,  weiter  lat.  flamm,  ai. 
brahmdn-  'priester';  der  name  ^Arier'  hat  dieselbe  Verbreitung, 
da  durch  Ärio-vistus  keineswegs  das  element  *arJ0'  auch  als 
german.  erwiesen  wird,  weil  es  entweder  gallisch  sein  kann,  oder 
aus  *harjO'  zu  erklären  ist  (s.  131).  dann  gibt  K.  noch  die 
andren  belege  von  ital.-kellisch-arischen  Übereinstimmungen  s.  132  b. 
137.  schwerwiegend  sind  die  flexivischen  Übereinstimmungen 
(s.  137  fl):  die  ausbreitung  des  ablativ-d,  die  feminina  von  'drei'  und 
Sier',  die  personaleudung  auf  -r.  auch  lat.  und  germ.  haben 
ihre  Sonderbeziehungen  (s.  144):  lat.  btni,  terni  und  tnnU  gwi- 
temi  usw.  zu  aisl.  tuenner  *je  zwei'  aus  *twizna'  (vgl.  mhd.  zwirn 
'zweidrätiger  faden'),  firenner  'je  drei'  aus  *ßrizna.  'in  den  german. 
bildungen  ist  das  suffix-  no-  an  die  zahladverbia  "^twiz-  'zweimal' 
(wie  es  in  aisl.  tvisvar  'zweimal',  got.  tvis-  voiiigt)  aus  *dvi8', 
^pris  'dreimal'  aus  *fm  angetreten',  da  auch  temi^  quatemi  deut- 
lich mit  ter,  quater  zusammenhängen,  so  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  auch  bini^  trini  aus  *6i»-m,  tris-ni  entstanden  und  mit  den 


194       KBET8CHMEB   ELILEITDRG    ly   D.    GESCHICOTE   D.   GRIRCH.    SPRACHE 

aisl.  bilduDgen  identisch  sind.  daDO  muss  aber  die  annähme 
nächsten  Zusammenhangs  von  bini  mit  lit.  dvynü  ^Zwillinge'  abge- 
lehnt werden,  zu  diesem  gehört  nur  ags.  twin  'zwirn*,  die  Italiker 
teilen  mit  den  Germanen  drei  ausdrücke  für  Jahreszeiten  (s.  145 
anm  1):  1)  iat  annus,  got.  apn^  2)  annöna  (für  *andna)  zu  got. 
asans  'erntezeit',  3)  ver  zu  an.  vdr  'frühling';  K.  meint,  dass  schon 
in  uralter  zeit  *vesr  zu  *ver  geworden  sei.  das  italisch-lituslavische 
sprachgut  stellt  K.  s.  146  IT  zusammen,  der  name  des  goldes 
aurum  ist  frühzeitig  auf  dem  handelswege  von  Italien  über  keltisches 
nnd  germ.  gebiet  zu  den  Ästiern  gelangt  (s.  150). 

Wie  diese  kreuzungen  zu  stände  gekommen  sind,  ist  im  ein- 
zelnen nicht  zu  sagen,  urzeitliche  Völkervermischungen  und 
Völkerverschiebungen  sind  nicht  aus  der  berechnung  zu  lassen 
(s.  152).  uns  unbekannte  Zwischenvölker  können  wandernd 
sprachlichen  austausch  vermittelt  haben  (vgl.  namentlich  s.  142 
mitte).  — 

Dies  ist  der  inhalt  jenes  teils  des  buchs,  welcher  den  germa- 
nisten  direct  mit  angeht,  man  wird  auch  aus  dem  aaszuge  er- 
kennen, dass  K.  ruhig  und  sachlich  ans  werk  geht,  mit  kritik, 
die  nicht  ergebnislos  ist.  neue,  selbständige  und  bedeutende  ge- 
danken  wird  man  allerdings  nicht  finden,  die  nüchterne  art  K.s 
hätte  noch  vor  zwei  decennien,  in  den  zelten  des  Sturms  und 
dranges,  wenig  gewürkt,  heute  und  in  hinkunft  kann  sie  auf  die 
dankbare  Zustimmung  der  leser  rechnen. 

Es  ligt  in  der  natur  dieses  teils  des  buches,  dass  es  mehr 
schult  wegzuräumen  galt,  als  eigentlich  zu  bauen,  es  bleibt  die 
frage,  ob  K.  nicht  mit  vielem  würklich  wertlosen  auch  wertvolles 
verworfen  hat.  K.s  ausführungen  entsprechen  dem  allgemeinen 
nihilismus  in  allen  höheren  fragen  unsrer  Wissenschaft,  sie  ent- 
sprechen einem  gewissen  tiefstande  unsrer  holTnungen  in  bezug 
auf  diese  letzten  und  schwierigsten  fragen  unsrer  disciplin,  und 
ich  muss  gestehn,  dass  ich  glaube,  wir  werden  uosre  erwar- 
tungen  noch  tiefer  herabstimmen  müssen,  den  keim  zu  dieser 
weitern  entwicklung  hat  K.  selbst  gelegt  und  ihn  mit  zweifeln 
reichlich  befruchtet,  wo  er  selbst  führen  will^  treffen  ihn  alle 
seine  eigenen  bedenken. 

Er  geht  über  JSchmidt  hinaus  und  legt  den  partiellen  Ober- 
einstimmungen der  idg.  sprachen  besondern  wert  bei.  die  ganze 
alte  geschichte  der  sprachen  könne  blofs  die  antwon  geben  auf 
die  frage  der  nähern  verwantschaften.  wie  sollen  wir  aber  die 
—  sozusagen  —  prähistorische  geschichte  erforschen?  K.  meint, 
dass  eben  die  partiellen  Übereinstimmungen  sie  uns  kennen 
lehren. 

Es  existieren  zb.  zwischen  dem  äufsersten  osten  und  westen 
solche  sprachliche  Übereinstimmungen,  die  sonst  nicht  vorkommen, 
also  muss  nach  K.  einstmals  ein  volk  zwischen  Kelten  und  Ariern 
gewandert  sein,  das  sprachliches  gut  von  einem  ende  zum  an- 


KBETSGHMER   EINLEITUNG   IN    D.    GESCHICHTE    D.    GRIECH.    SPRACHE        195 

dem  brachte  und  dann  aufgesogen  wurde  und  verschwand,  eine 
solche  annähme  kann  ich  mit  K.s  sonstigen  ansichten  schwer  in 
Zusammenhang  bringen,  bei  andern  forschem  tadelt  es  K.,  dass 
sie  zu  irgend  einer  hypolhese  extra  ein  volk  'erfinden',  was  er 
doch  hier  selbst  tut.  sehr  merkwürdig  ist  auch,  dass  dieses  volk 
auf  der  langen  wanderstrecke  just  blofs  dem  endvolke  sprach- 
liches material  überliefert  haben  soll,  ohne  ein  einziges  Zwischen- 
glied im  norden  oder  Süden  zu  beglücken,  das  letzlere  ist  um 
so  auffallender ,  als  die  lodogermanen  nach  K.  in  einem  langen, 
schmalen  streifen  zwischen  dem  Atlantischen  ocean  und  Iran 
safsen,  sodass  schwer  abzusehen  ist,  wie  zwischen  norden  und 
Süden  so  viel  platz  für  unbehinderte  Völkerwanderungen  gewesen 
sein  konnte. 

JSchmidt  hat  die  verwantschaftsverhältnisse  der  ungefähr 
schon  in  historischer  art  angeordneten  idg.  Völker  m.  e.  endgiltig 
bewiesen  und  seine  hypolhese  der  wellenausbreitu|)g  beweist  jeden 
tag  die  lebendige  erfahrung  dem  cullurforscher  —  gewis  ein  glän- 
zender triumph  von  Schmidts  ansieht,  auch  K.  hat  dagegen  nichts 
einzuwenden,  nur  die  partiellen  Übereinstimmungen  nicht  be- 
nachbarter Völker  will  er  deuten  :  er  legt  ihnen  so  viel  wert  bei, 
dass  er  —  ohne  es  zu  merken  —  Schmidts  theorie  carikiert  und 
ad  absurdum  führt,  niitdem  steigenden  wert  und  der  be- 
deutung  der  sprachlichen  Beziehungen  aufserhalb 
Schmidts  kelle  fällt  aber  das  zwingende  der  Verwer- 
tung von  Übereinstimmungen  benachbarter  sprachen, 
wenn  K.  zb.  wichtige  Übereinstimmungen  zwischen  arisch  und 
keltisch  findet,  dann  ist  der  logische  schluss  doch  nur  der,  dass 
auch  die  Übereinstimmungen  benachbarter  sprachen  gar  nichts 
beweisen.  Schmidt  wird  nun  wol  doch  recht  behalten,  aber  eben 
mit  der  einschränkung,  dass,  wie  bereits  angedeutet,  die  idg.  ur- 
sitze  in  Europa  zu  suchen  sind,  ich  muss  auch  jetzt  noch  sagen, 
dass  mir  wellentheorie  und  asiatische  Urheimat  unvereinbar  zu 
sein  scheinen.  Schmidt  hat  meine  zweifei  nicht  beseitigt  ^  und 
mich  dünkt,  dass  man  gegen  Schmidts  theorie  von  der  asiatischen 
Urheimat  gar  nichts  besseres  einwenden  kann,  als  Schmidts  nach- 
weis  der  verwanlschaftsverhällnisse  der  idg.  Völker  —  seine 
wellentheorie.  die  partiellen  Übereinstimmungen  nicht  benach- 
barter teile  der  Indogermanen  muss  man  entweder  durch  verlust 
des  Sprachguts  innerhalb  der  Zwischenvölker  erklären  oder  man 
muss  überhaupt  bei  dem  jetzigen  stand  unsers  Wissens  auf  eine 
erklarung  verzichten.  Brugmann  hat  schon  auf  die  möglichkeit 
von  zufallen  hingewiesen,  ist  es  denn  aber  ein  zufall  zu  nennen, 
wenn  zwei  oder  mehrere  sprachen  in  einem  halben  oder  ganzen 
dulzend  erscheinungen  auf  dieselbe  neubildung  kommen?  oder 
war  es   nicht   umgekehrt   der  grüfsere  zufall,   wenn   sich   solche 

'  vgl.  JSchmidt  Die  urheimal  der  Indogermanen,  Abhandlungen  d.  kgl. 
preufs.  akad.  d.  wissensch.,  Berlin  1890,  sa.  s.  19. 


196       KRETSCHMER   EINLEITUNG  IN   D.    GESCHICHTE   D.   GRIfiCH.    8PR4CBB 

dinge  nicht  ereignet  hätten?  was  soll  es  beweisen,  dass  osten 
und  Westen  allein  in  der  gleichung  *rek$  'könig'  zusammentreffeD, 
da  doch  das  primitive  wurzelverb  gleichmafsig  dort  und  da  zu 
dieser  bildung  führen  konnte? 

Weil  K.  von  der  europäischen  Urheimat  (Iberaeugt  ist,  folgt 
für  ihn  weiter,  dass  auch  für  die  erschliellsung  der  urcuUur  der 
Indogermanen  die  europäischen  prähistorischen  Überreste  zu  ver- 
werten seien,  denn  mit  recht  legt  K.  dem  'idg.  lexikon'  zur  er- 
forschung  dieser  tatsachen  wenig  wert  bei.  leider  ist  es  auch  K. 
nicht  gelungen,  den  geringsten  beweis  dafür  zu  erbringen,  dass 
die  prähistorischen  europäischen  funde  den  Indogermanen  selbst 
zuzuschreiben  seien,  eine  bestimmte  antwort  auf  die  frage,  welcher 
teil  dieser  Überreste  der  cultur  der  idg.  Völker  zuzusprechen  ist, 
scheint  bis  heute  noch  nicht  möghch  zu  sein,  ich  komme  darin 
mit  K.  überein,  dass  auch  ich  möglichst  viel  davon  nnsern  idg. 
ahnen  zuweisen  möchte. 

Ich  heb  es  nochmals  hervor,  dass  die  ähnlicbkeiten  der 
sprachlichen  tatsachen  zwischen  benachbarten  Völkern  mir  nur  wie 
K.  an  eine  Urheimat  in  Europa  und  etwa  in  den  nächsten  teilen 
Asiens  zu  glauben  gestatten,  und  bin  schon  früher  der  jetzt  von 
K.  ausgesprochenen  meinung  gewesen,  dass  uns  zur  erschliefsung 
einer  noch  ferner  liegenden  Urheimat  jedes  wissenschaftliche  krl- 
terium  fehlt. 

Zu  diesen  allgemeinen  darlegungen  seien  noch  einige  be- 
merkungen  zu  einzelnen  stellen  erlaubt. 

^Aber  neben  das  grammatische  handbuch  hat,  meine  ich, 
eine  darstellung  zu  treten,  welche  die  entwicklung  der  spräche 
in  ihrer  ganzen  breite,  von  periode  zu  periode,  schildert  und  den 
Zusammenhang  mit  dem  culturleben  und  der  nationalen  entwick- 
lung der  träger  der  spräche  nachweist  —  eine  würkliche  Sprach- 
geschichte' s.  10.  dass  das  endziel  der  Sprachgeschichte  ist,  die 
zusammenhänge  sprachlicher  entwicklung  mit  den  ganzen  ge- 
schichtlichen Schicksalen  und  den  culturellen  fortschritten  zu  be- 
greifen, ist  gewis  kein  neuer  gedanke.  das  wort  ^national'  möcbt 
ich  aus  dem  satze  K.s  streichen,  worauf  man  aber  billich  gespannt 
sein  kann,  ist,  wie  K.  sich  die  praktische  durchführung  dieser 
erkenntnis  denkt,  in  der  vorliegenden  ^einleitung*  seh  ich  noch 
keinen  ansatz  zur  durchführung  eines  ähnlichen  planes,  jedesfalls 
bin  ich  aber  auch  überzeugt,  dass  Spracherklärung  die  kenn tnis 
der  Sachen  voraussetzt,  des  sinnes  und  des,  mit  den  Wörtern 
gemeinten  culturmaterials.  es  wäre  nicht  der  mühe  wert,  solche 
dinge  zu  sagen,  wenn  man  nicht  der  allein  formalistischen  sprach- 
betrachtung  gewöhnlich  zu  viel,  oft  ausschliefsliche  bedeutung 
beilegte. 

K.  hält  es  für  unwahrscheinlich,  dass  es  je  eine  idg.  be- 
zeichuung  für  'eins'  gegeben  hat  (s.  11).  das  ist  eine  so  tapfere 
bemerkung,  dass  sie  sofort  den  leser  für  den  autor  einzunehmen 


KBBTSCHMER    EUSLEITCNG    LN    D.    GESCHICHTE    D.    GRIECH.    SPRACHE        197 

im  Stande  ist.  in  der  tat  weichen  *oinO'<t  *oiuO'^  *sem  genug  von 
eieander  ab.  aber  K.  wird  doch  gerade  so  gut  wie  die  andern 
forscher  annehmen  müssen,  dass  es  doch  einmal  eine  gemeinsame 
bezeichnung  gab,  und  war  es  auch  nur  bei  jenem  gewissen  idg. 
urstämmchen,  von  dem  wir  gar  nichts  wissen  (s.  59).  mit  dem- 
selben rechte  kann  man  nachweisen,  dass  die  Id^g.  keine  gemein- 
same bezeichnung  für  ^zweiter'  liatten  (ai.  dvittya,  lat.  secutuhu, 
gr.  ä€vzegog,  got.  anpar),  natürlich  auch  für  ^erster'  nicht, 
ebensowenig  für  ^elf,  zwölf  uam.,  während  doch  die  sache  so 
steht,  dass  gr.  oivri  'ass'  das  gr.  elg  schon  als  das  jüngere  er- 
scheinen lässt  und  dann  nur  mehr  *oinO'  ^orz/o-  zurückbleiben 
(welche  beide  schon  recht  nahe  liegen),  weil  au  eka-  sich  wider 
durch  aps.  aii;a,  ay.aeoa-  als  das  jüngere  erweist,  ähnlich  ver- 
hält es  sich  doch  —  nach  allgemeiner  annähme  —  mit  dväda^a^ 
diüöey.a^  duodecim  gegen  got.  tvalif,  lit.  dvylika^  dh.  niemand 
leugnet  eine  urform^  man  sucht  nur  den  grund  der  abweichuog, 
der  wider  durch  beeinflussung  aus  andern  sprachen  (so  in  diesem 
falle)  oder  durch  vorginge  derselben  spräche  sich  ergeben  haben 
kann.  K.  sieht  nun  wol^  dass  schon  zahlen  wie  11.  21  usw. 
die  existenz  einer  ^eins'  voraussetzen,  aber  er  bleibt  dabei, ^dass 
das  Zahlwort  für  'eins' jünger  sein  müsse,  als  die  für  2 — 10, 
was  wenige  ihm  werden  nachfühlen  kOnnen. 

K.s  kritik  des  Wortes  'urindogermaniscb'  führt  ihn  dazu, 
drei  sachliche  bedeutungen  daraus  zu  entwickeln  :  ursprachlich, 
gemeinindogermanisch  und  altindogermanisch  (s.  12fT).  diese  drei 
begriffe  sind  wohl  auseinanderzuhalten,  denn  ein  ursprachliches 
wort  kann  ja  auch  blofs  einem  teile  dessen  angehört  haben,  was 
wir  schon  'Ursprache'  nennen  können,  muss  also  nicht  'gemein- 
indogermanisch' gewesen  sein,  dagegen  muss  ein  gemeinindo- 
germanisches  wort^  dh.  ein  wort,  bei  dem  die  gröstmögliche  Ver- 
breitung historisch  beglaubigt  ist,  noch  nicht  ursprachlich  sein, 
weil  es  sich  auch  später  bei  schon  bestehnden  leichten  dialekt- 
grenzen noch  verbreitet  haben  kann,  und  endlich  kann  ein  wort 
sehr  alt  sein,  'altindogermanisch',  ohne  je  ursprachlich  oder 
gemeinindogermanisch  gewesen  zu  sein. 

Das  ist  alles  richtig,  ist  auch  nichts  andres,  als  das,  was  die 
andern  ja  auch  glauben,  aber  irgend  eine  praktische  consequenz 
folgt  daraus  nicht,  ßrugmann  wird,  wie  bisher,  in  allen  drei 
fällen  'uridg.*  schreiben,  die  andern  werden  'idg.'  setzen,  und  das 
genügt  auch  vollständig,  auch  'gemeinindogermanisch'  anzuwen- 
den, werden  wir  uns  hüten  müssen,  weil  doch  niemand  weifs, 
ob  irgend  ein  sonst  überall  belegtes  wort  auch  dort  vorhanden 
war,  wo  wir  nur  sehr  wenig  oder  so  gut  wie  gar  kein  material 
vorliegen  haben,  wenn  K.  s.  21  sagt,  aus  der  gleichung  ai. 
yugdm,  gr.  ^vyov^  got.  juk,  asl.  igo,  lit.  jüngas  folge  noch  nichts 
dass  die  Indogermanen  das  joch  gekannt  haben,  so  braucht  man 
sieh  noch  nicht  bange  machen  zu  lassen,     auch  wenn  das  wort 


198       KRETSCHMER    EIISLEITUiNG    LN    D.    GESCHICHTE   D.    GRIKGH.    SPRACHE 

bei  einem  teile  nur  entstanden  ist  mit  der  sache  selbst  und  sich 
zu  den  andern  teilen  verbreitet  hat,  so  ist  es  jedesfalls  so  alt, 
dass  wir  es  weiter  ruhig  den  Indogermaneo  zuschreiben  werden, 
wie  'rad',  ^achse',  ^nabe',  zumal  ja  K.  selbst  glaubt,  dass  schon 
das  urvolk  dialektische  differenzen  hatte,  die  linguistische  Pa- 
läontologie, die  gewis  einen  berechtigten  kern  hat,  wird  sich 
durch  diesen  schreckschuss  K.s  schwerlich  ins  bockshorn  jagen 
lassen. 

S.  95  bezieht  sich  K.  auf  meine  schrift  'Versprechen  und  ver- 
lesen' und  nennt  die  sprechfehler  Sndividueir,  während  ich  ihm 
ruhig,  ohne  ihn  je  gesehen  zu  haben,  hiermit  die  Versicherung 
senden  kann,  dass  auch  er  sich  nach  den  von  mir  gegebenen 
regeln  verspricht  und  dass  sich  jeder  so  verspricht,  ich  komme 
auf  K.s  Worte  vielleicht  noch  in  dem  bald  erscheinenden  ii  bd 
von  ^Versprechen  und  verlesen'  zurück,  gerne  stimm  ich  K. 
s.  105  zu,  wenn  er  sagt,  'für  das  lautphysiologisch  mögliche  gibt 
es  eigentlich  keine  grenzen'^  was  auch  mir  den  wert  der  laut- 
physioiogie  für  die  historische  Sprachbetrachtung  sehr  herabzu- 
setzen geeignet  erscheint. 

^u  der  angeblich  Italikern,  Kelten,  Germanen  gemeinsamen 
Verlegung  des  haupttons  auf  die  erste  silbe  des  wortes  vgl.  jetzt 
wider  HHirt  Idg.  f.  9,  290.  ich  möchte  vorläufig  noch  die  ganze 
frage  als  nicht  spruchreif  ansehen. 

So  viel  ich  sehen  kann,  iigt  gar  kein  ernster  grund  vor  an- 
zunehmen (s.  123),  dass  die  hochdeutsche  lautversctiiebung  ^auf 
der  Verschmelzung  keltischer  demente  mit  den  Germanen  im  süd- 
lichen und  südwestlichen  Deutschland  beruht'.  K.  selbst  sagt 
klar  und  deutlich  s.  121  :  ^natürlich  haben  wir  aber  nur  da  das 
recht,  einen  solchen  Vorgang  anzunehmen,  wo  der  Sprachwechsel 
würklich  erwiesen  ist  und  die  sprachliche  Veränderung  in  der 
richtung  des  alten  idioms  ligl'.  die  letzte  Forderung  ist  die  selbst- 
verständliche, und  da  hätt  ich  allerdings  gerne  den  gesehen,  der 
nachweist,  dass  die  zweite  lautverschiebung  in  der  richtung  des 
keltischen  ligtl  ich  glaube,  dass  HHirt,  der  bei  allen  grofsen  sprach- 
lichen Veränderungen  an  mischung  denkt,  arg  in  der  irre  geht, 
was  übrigens  auch  K.  meint. 

Den  germanisten  werden  noch  folgende  details  interessieren. 
K.  setzt  s.  74  anm.  2  zu  an.  hvalr^  ahd.  wal  das  laL  squalus 
^meersaufisch,  art  haie'.  über  die  sprachlichen  beziehungen  zwi- 
schen Germanen  und  Griechen  vgl.  K.  s.  167.  daselbst  citiert  er 
navx^vXrj  :  got.  gunds  'geschwür',  ahd.  gund  ^eiter',  xdlri  ion. 
yc^krj  :  an.  haull^  ahd.  hola  ^hernia'.  auch  in  einem  *dir-oi»-  ^ein 
scharfes  ohr  habend^  dh.  in  dem  davon  abgeleiteten  denomina- 
tivum  lässt  K.  Germanen  und  Griechen  zusammentreflTen.  die 
Übereinstimmung  bleibt  auch  dann,  wenn  man  Zusammenhang  mit 
w.  *ak  ^scharf  sein'  dankend  ablehnt,  zahlreich  oder  besonders 
wichtig  sind  diese  griechisch  -  german.   übereinstimmungeo  gewis 


KRETSCHMER    ELNLEITUNG    IN    D.    GESCHICHTE    D.    GRIECH.    SPRACHE        199 

uicht.  die  Italiker  stimmen  nur  mit  den  Germanen  in  drei  aus- 
drücken für  Jahreszeiten  übereiu  (s.  145  anm.) :  annus,  got.  apn; 
annöna  (für  *ändna  mit  angleichung  an  annus)^  got.  asans;  ver, 
an.  vdr,  gegenüber  lit.  vasard,  gr.  sag  meint  K.  an  einen  alten 
Übergang  von  *vesr  :  *ver  denken  zu  dürfen ,  etwa  wie  Kluge 
*verO'  'wahr'  aus  einem  *vesr'  hergeleitet  hat.  die  'sacralgeschicht- 
lich  wichtige  lal.-germ.  gleichung'  lal.  victima  *opferlier'  :  got. 
veihs,  veihan  nimmt  auch  K.  ebenda  an. 

Druckfehler  sind  leider  genug  stehn  gebheben,  s.  64  steht 
ein  unverständliches  'einer  so  grofsen  anschauung  der  Indo- 
germaneu',  s.  83  steht  ^ar^wg  aiol,  vwg%  s.  108  'skr.  pdgu'  für 
pa^ü,  *skr.  gunds*  für  günas,  s.  172  sind  die  nummern  der  anm. 
verdruckt,  s.  145  steht  in  anm.  1  unten  st  für  ist  usw. 
Wien  [Graz]  1899.  Rudolf  Meringer. 

Die  schweliformen  des  verstypus  A  in  der  altsächsischen  bibeldichtung.  von 
Hermann  Saftien.  Bonner  diss.  Bonn,  universilätsbuchdruckerei  von 
Carl  Georgi,  1898.    53  ss.    8^. 

Es  ist  nicht  leicht,  über  diese  schrift  zu  berichten;  denn 
sie  ist  im  gründe  ein  einzelnes  capitel  mitten  aus  einem  grOfseren 
ungeschriebenen  Zusammenhang  heraus,  der  verf.  verhehlt  nicht, 
dass  zeit  und  räum  seiner  arbeit  grenzen  gesteckt  haben,  die  sich 
mit  dem  gegenstände  nicht  recht  vertragen,  die  widerkehrenden 
bemerkungen,  dass  dies  noch  zu  untersuchen  wäre,  jenes  noch 
einer  Vorarbeit  bedürfte,  geben  dem  ganzen  das  gepräge  des  pro- 
visorischen, man  fragt  sich  mit  Unbehagen:  wird  die  gesamt- 
rechnung  auch  stimmen  —  schon  nur  innerhalb  der  altsächsischen 
dichlung?  und  dann  das  draufsen  liegende:  kaum  ein  paar  mal 
wird  der  hier  behandelte  ausschnitt  von  versformen  in  flüchtigem 
Zusammenhang  gezeigt  mit  versen  des  ^eowulf;  von  den  andern 
ae.  epen,  die  für  die  vergleichung  viel  ergiebiger  wären,  ist  nicht 
die  rede,  ebensowenig  von  hd.  und  nord.  sta breim versen ;  ganz 
zu  schweigen  von  einem  ausblick  auf  die  uns  näher  liegenden, 
sichrer  zu  fassenden  versgebilde.  neben  diesem  verzieht,  das 
einzelne  ins  ganze  einzufügen,  will  es  weniger  besagen,  dass  S. 
seinen  standpunct  dem  allgermanischen  verse  gegenüber  nur  kurz 
andeutet,  ohne  jede  begründung,  obwohl  er  von  allen  vorhandenen 
theorien  nicht  unerhebhch  abweicht,  denn  was  S.  zu  erweisen 
sucht,  ist  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  grade  neutral:  manches 
liefse  sich  mutatis  mutandis  in  verschiedene  auffassungen  vom  stab- 
reimvers  eingliedern.  S.  sieht  denn  auch  von  allgemeineren 
folgerungen  ab;  die  fragen  erster  Ordnung  bleiben  in  ruhe,  aber 
ich  kann  doch  nicht  Gnden,  dass  die  schrift  durch  sich  selbst 
den  versuch  rechtfertige,  auf  diesem  unsichern  erdreich  eine  so 
eng  umgrenzte  frage  in  angriff  zu  nehmen. 

S.  geht  von  viertactigkeit  des  kurzverses  aus.  er  sucht  der 
übergrofsen  silbenzahl  im  auftact  und  im  1  verstact  der  as.  dichtung 


200         SAPTIEN   D.   VERSTTPUS   k   IN   D.    ALTSÄCUS.   BIBBL0ICHTUII6 

aus  dem  wege  zu  gehn.  er  kommt  s.  11  zu  der  ansieht,  dass 
zweisilbige  Senkung  im  A-verse  (r  /  ^  ^)  im  allgemeinen  nicht  über- 
schritten werde,     darnach  ist  nicht  zu  betonen 

Crüt  an  enero  cöpstedi 

skenkeon  endi  sedpuuärdds, 
sondern 

Crist  an  enero  cdpstedi 

skinkean  endi  sedpuudrdos; 
also  nicht  typus  D,  sondern  A  'mit  abweichendem  versausgang'. 
wie  man  sieht,  befreit  sich  S.  hier  von  dem  alten  aziom  der 
vierhebungslehre,  dass  ^  ^  keinen  schlusstact  füllen  könne.  — 
auch  *A  3'-verse  (:  mit  Stabreim  nur  in  der  dritten  bebung)  kOnnen 
diese  form  haben;  vom  standpunct  der  zweihebungslehre  ausge- 
drückt: der  Stabreimtypus  xa  ist  nicht  auf  denausgang  <£  ^  be- 
schränkt, hiebei  werden  wider  silbenreiche  erste  tacte  bezw. 
(bei  2-tactiger  messung)  auftacte  vermieden.     S.  betont 

than  skebid  he  theo  fardüanan  man 
usw.   (s.  24).     auch    den    geraden    kurzversen    ist    diese 
Stellung  des  Stabes  zuzuerkennen,    anderseits  gelangt  nan  auch 
dazu,  ungerade  verse  mit  stabender  3  und  4  hebung  zu   lesen: 

er  scaü  thü  thi  simbla  gesdnien 
u.  ähnl.  (s.  30).  *die  eigentlichen  schwelWerse'  kennzeichnet  der 
schluss  J-x  (x)  ^  X.  jene  A-typen  mit  abweichendem  ausgang 
wären  als  ^schwelWerse  zweiten  grades'  (s.  42)  zu  benennen, 
eine  ^scharfe  natürliche  grenze*  zwischen  diesen  beiden  gruppen 
und  den  gewühnhchen  versen  gibt  es  nicht  (s.  42  f.).  S.  bringt 
noch  eine  reihe  ^hilfsmittel',  um  die  einordnung  mehrdeutiger 
verse  zu  ermöglichen,  dabei  wird  gewicht  gelegt  auf  die  nachbar- 
schaft  der  betreffenden  Zeilen;  die  grenzen  der  Senkungssilben 
werden  zt.  noch  enger  gezogen,  gewisse  einzelheiten  erschliefst 
S.,  indem  er  in  beachtenswerter  weise  formelhafte  wortgruppen 
nach  ihrem  ungleichen  auftreten  im  1  und  2  kurzvers  verfolgt. 
Eine  auseinandersetzung  mit  S.s  ansichten  konnte  nur  von 
einer  der  vierhebungstheorien  aus,  wie  sie  Roegel,  Kaluza,  Traut- 
mann ua.  dargestellt  haben,  mit  nutzen  unternommen  werden, 
mit  der  zweitacttheorie,  zu  der  sich  ref.  bekennt,  hat  S.  einige 
specielle  berührungen:  die  annähme  sogen,  akatalektiscber  verse 
(s.  o.);  messungen  wie 

höfuudrd  Herren  sines 
und  manche  andre;  auch  die  meinung,  dass  sich  die  ^schwell- 
verse'  nicht  durch  verlängertes  grundmafs,  sondern  durch  ge- 
drängtere fuUung  auszeichnen,  find  ich  immer  noch  die  v?ahr- 
scheiulichste.  dass  die  stabform  xa  auch  im  geraden  korzvers 
zu  recht  bestehe,  wird  zweifellos  durch  manche  as.  (and  ae.) 
verse  nahegelegt;  die  sache  scheint  mir  discutabel,  aber  durch 
S.  nicht  bewiesen,  unmöglich  dagegen  kommen  mir  mes'aungeu 
vor  wie 


SAFTIEN   D.    VRB8TTPUS   A    IN   D.    ALT6ÄGH8.   BIBBLDICHTUNG        201 

thdt  thar  uudrd  gümono  bdrnun 

iu  hdbad  geuuihid  selbo 
«isw.  (s.  28.  30.  35).  indem  hier  die  beiden  gipfel  der  wort- 
reihe in  die  zweite  vershälfte  hinausgedrängt  werden  und  nach- 
<inickslo8e  glieder  sich  breit  über  die  erste  hälfte  ausdehDen, 
entsteht  ein  misverhältnis  der  gewichtsverteilung,  das  dem  innersten 
gesetz  des  stabreimverses,  so  wie  ich  ihn  fasse,  zuwiderläuft, 
aber  dies  rührt  an  einen  punct,  der  von  der  vierhebungsl^re 
Oberhaupt  misachtet  wird:  das  Verhältnis  zwischen  dem  rhetorischen 
gehalt  der  Satzteile  und  dem  zeitlichen  mafs,  das  sie  als  versteile 
erlangen;  die  eigentliche  disposition  der  massen. 

Durch  die  entfernung  der  überlangen  auitacte  und  Senkungen 
kommt  sicherlich  ein  rhythmus  heraus,  der  an  unsre  Zungenfertig- 
keit geringere  ansprtiche  stellt  und  dem  flusse  mancher  reimverse 
viel  näher  ligt.  aber  die  ankntlpfung  an  die  übrigen  Stabreim- 
verse,  die  ae.,  ahd.,  an.,  auch  diejenigen  as.,  die*  sich  mit  weniger 
«üben  behelfen,  wird  im  gründe  bei  S.s  verfahren  unmöglich,  die 
eigentlichen  und  uneigentlichen  schwellverse  erscheinen  nicht  mehr 
als  eine  weitgehende,  aber  stufenweise  zu  verfolgende  Steigerung, 
«ine  hyperirophie  gewisser  seit  alters  vorhandener  ansätze.  es 
tritt  an  einer  stelle  ein  bruch  ein:  geht  es  Ober  eine  bestimmte 
«ilbenmenge  hinaus,  so  wird,  bei  sonst  Obereinstimmendem  sprach- 
rhythmischem bau,  plötzlich  anders  rhythmisiert,  diese  bedenkliche 
Wendung  müste  bei  einer  umfassenden  vorfahrung  und  gliederung 
^es  stoltes  klar  hervortreten. 

Berlin,  30  September  1899^  Andreas  Heusler. 


Kleinere  altsächsische  Sprachdenkmäler  mit  anmerkungen  und  glossar  heraus- 
gegeben von  Elis  Wadstein.  [Niederdeutsche  denkmäier.  heraus- 
gegeben vom  Terein  für  niederdeutsche  sprachfortchung.  band  vi.] 
Norden  und  Leipzig,  Sollau,  1899.    xv  und  250  ss.  8^  -*  7,5010. 

Es  gereicht  mir  zu  lebhafter  befriedigung,  dass  meine  kritik 
von  Gall6es  Alts.  Sprachdenkmälern  Änz.  xxif  und  ^r  dort  ge- 
führte nachweis  ihrer  totalen  unbraachbarkeit  so  rasch  den  ao- 
stofs  für  vorliegende  Sammlung  abgegeben  hat,  welclie  die  bei 
Gall6e  vereinigten  stücke  (s.  ihr  Verzeichnis  Aoz.  aao.  267  f)  mit 
recht  um  die  nrn  10.  12.  18.  23.  25.  26  kürzt,  dagegen  um 
einen  abschnitt  aus  dem  ältesten  Werd«ner  heberegister  (zuletzt 
abgedruckt  MSD'  ii  371),  um  die  Leidener  VegetiusgU.  (Ahd.  gll. 
II  625),  ein  Wiener  Vergilfragment  (Ahd.  gll.  n  719)  und  vier 
Gandersheimer  gll.  (Ahd.  gll.  iv  374  anm.)  vermehrt,  denn  der 
neue  bearbeiter  besitzt  gerade  diejenigen  eigenschaften  io  seltenem 
mafse,  welche  Gall6e  schmerzUchst  vermissen  liefs  :  peinliche  ge- 
wissenhaftigkeit  in  der  widergabe  des  handschriftlichen  befundes 
und  minutiöse  Sorgfalt  bei  der  correctur.  in  folge  dessen  hat  er 
den  bruchstücken  des  Psalmencommcntars  (MSD  lxu.  Gall^e  14) 
und  den  Düsseldorfer  Gregorgll.  (Gall^e  3)  eine  so  vlillig  ver- 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  U 


200         SAPTIEN   D.   VER8TTPUS   k   IN   D.   ALTSÄCU8.   BIBBLOICHTUNG 

aus  dem  wege  zu  gehn.  er  kommt  s.  11  zu  der  ansieht,  dass 
zweisilbige  seukuDg  im  A-verse  (r  /  ^  ^)  im  allgemeineo  nicht  über- 
schritten werde,     darnach  ist  nicht  zu  betonen 

Crist  an  enero  eöpgtedi 
^  skinkeon  endi  8Cdpuuärdd$9 

sondern 

Crist  an  enero  cdpstedi 

skenkeon  endi  scäpuudrdos; 
also  nicht  typus  D,  sondern  A  'mit  abweichendem  versausgang'. 
wie  man  sieht,  befreit  sich  S.  hier  von  dem  alten  axiom  der 
Vierhebungslehre,  dass  ^  ^  keinen  schlusstact  fallen  könne.  — 
auch  *A  3'-verse  (:  mit  Stabreim  nur  in  der  dritten  hebung)  können 
diese  form  haben;  vom  standpunct  der  zweihebungslehre  ausge- 
drückt: der  Stabreimtypus  xa  ist  nicht  auf  denausgang  J-  w  be- 
schränkt, hiebei  werden  wider  silbenreiche  erste  tacte  bezw. 
(bei  2-tactiger  messung)  auftacte  vermieden.     S.  betont 

than  skeiid  he  thea  fardüanan  mdm 
usw.   (s.  24).     auch    den    geraden    kurzversen   ist    diese 
Stellung  des  Stabes  zuzuerkennen,    anderseits  gelangt  man  auch 
dazu,  ungerade  verse  mit  stabender  3  und  4  hebung  zu   lesen: 

er  scaü  thü  thi  simhla  ge^önien 
u.  ähnl.  (s.  30).  *die  eigentlichen  schwellverse'  kennzeichnet  der 
schluss  J-x  (x)  1.  X.  jene  A-typen  mit  abweichendem  ausgang 
wären  als  ^schwellverse  zweiten  grades'  (s.  42)  zu  benennen, 
eine  'scharfe  natürliche  grenze'  zwischen  diesen  beiden  gruppen 
und  den  gewöhnlichen  versen  gibt  es  nicht  (s.  42  f.).  S.  bringt 
noch  eine  reihe  'hilfsmittel',  um  die  einordnung  mehrdeutiger 
verse  zu  ermöglichen,  dabei  wird  gewicht  gelegt  auf  die  nachbar- 
schaft  der  betreffenden  zeilen;  die  grenzen  der  Senkungssilben 
werden  zt.  noch  enger  gezogen,  gewisse  einzelheiten  erschliefst 
S.,  indem  er  in  beachtenswerter  weise  formelhafte  wortgruppen 
nach  ihrem  ungleichen  auftreten  im  1  und  2  kurzvers  verfolgt. 
Eine  auseinandersetzung  mit  S.s  ansichten  könnte  nur  von 
einer  der  vierhebungstheorien  aus,  wie  sie  Roegel,  Kaluza,  Traut- 
mann ua.  dargestellt  haben,  mit  nutzen  unternommen  werden, 
mit  der  zweitacttheorie,  zu  der  sich  ref.  bekennt,  hat  S.  einige 
specielle  berührungen:  die  annähme  sogen,  akatalektiscber  verse 
(s.  o.);  messungen  wie 

höfuudrd  Herren  sines 
und  manche  andre;  auch  die  meinung,  dass  sich  die  'schwell- 
verse' nicht  durch  verlängertes  grundmafs,  sondern  durch  ge- 
drängtere fuUung  auszeichnen,  find  ich  immer  noch  die  v?ahr- 
scheiulichste.  dass  die  stabform  xa  auch  im  geraden  kurzvers 
zu  recht  bestehe,  wird  zweifellos  durch  manche  as.  (and  ae.) 
verse  nahegelegt;  die  sache  scheint  mir  discutabel,  aber  durch 
S.  nicht  bewiesen,  unmöglich  dagegen  kommen  mir  mes*6ungeu 
vor  wie 


SAFTIEN   D.    VRB8TTPUS   A    IN   D.    ALT6ÄGH8.   BIBBLDICHTUNG        201 

thdt  thar  uudrd  gümono  bdrnun 

iu  hdbad  geuuihtd  selbo 
«isw.  (s.  28.  30.  35).  indem  hier  die  beideo  gipfel  der  wort- 
reihe in  die  zweite  vershälfte  hinausgedrängt  werden  and  nach- 
druckslose  glieder  sich  breit  über  die  erste  hälfte  ausdehnenf 
entsteht  ein  misverhältnis  der  gew ich ts Verteilung,  das  dem  innersten 
gesetz  des  stabreimverses,  so  wie  ich  ihn  fasse,  zuwiderläuft, 
aber  dies  rührt  an  einen  punct,  der  von  der  rierhebungsl^re 
Oberhaupt  misachtet  wird :  das  Verhältnis  zwischen  dem  rhelorischen 
gehalt  der  Satzteile  und  dem  zeitlichen  mafs,  das  sie  als  versteile 
erlangen;  die  eigentliche  disposition  der  massen. 

Durch  die  entfernung  der  überlangen  auitacte  und  Senkungen 
kommt  sicherlich  ein  rhythmus  heraus,  der  an  unsre  Zungenfertig- 
keit geringere  anspreche  stellt  und  dem  flusse  mancher  reimverse 
viel  näher  ligt.  aber  die  anknUpfung  an  die  übrigen  Stabreim- 
verse,  die  ae.,  ahd.,  an.,  auch  diejenigen  as.,  die*  sich  mit  weniger 
«üben  behelfen,  wird  im  gründe  bei  S.s  verfahren  unmöglich,  die 
eigentlichen  und  uneigentlicheu  schwellverse  erscheinen  nicht  mehr 
als  eine  weitgehende,  aber  stufenweise  zu  verfolgende  Steigerung, 
eine  hyperirophie  gewisser  seit  alters  vorhandener  ausätze,  es 
tritt  an  einer  stelle  ein  bruch  ein:  geht  es  Ober  eine  bestimmte 
«ilbenmenge  hinaus,  so  wird,  bei  sonst  Obereinstimmendem  sprach- 
rhythmischem bau,  plötzlich  anders  rhythmisiert,  diese  bedenkliche 
Wendung  müste  bei  einer  umfassenden  vorfahrung  und  gliederung 
4es  stoltes  klar  hervortreten. 

Berlin,  30  September  1899^  Andreas  Heusler. 


Kleinere  altsächsische  Sprachdenkmäler  mit  anmerkungen  und  glossar  heraus- 
gegeben von  Elis  Wadstein.  [Niederdeutsche  denkmäier.  heraus- 
gegeben vom  verein  för  niederdeutsche  sprachfortchaog.  band  vi.] 
Norden  und  Leipzig,  Sollau,  1899.    xv  und  250  ss.  8®.  —  7,50  m. 

Es  gereicht  mir  zu  lebhafter  befriedigung,  dass  meine  kritik 
^on  Gall^es  Alts.  Sprachdenkmälern  Änz.  xxif  und  der  dort  ge- 
führte nachweis  ihrer  totalen  unbranchbarkeit  so  rasch  den  ao- 
stofs  für  vorliegende  Sammlung  abgegeben  hat,  welche  die  bei 
Gall6e  vereinigten  stücke  (s.  ihr  Verzeichnis  Aoz.  aao.  267  f)  mit 
recht  um  die  nrn  10.  12.  18.  23.  25.  26  kürzt,  dagegen  um 
einen  abschnitt  aus  dem  ältesten  Werdener  heberegister  (zuletzt 
abgedruckt  MSD'  ii  371),  um  die  Leidener  VegetiusgU.  (Ahd.  gll. 
II  625),  ein  Wiener  Vergilfragment  (Ahd.  gll.  n  719)  und  vier 
Gandersheimer  gll.  (Ahd.  gll.  iv  374  anm.)  vermehrt,  denn  der 
neue  bearbeiter  besitzt  gerade  diejenigen  eigenschaften  io  selteoem 
mafse,  welche  Gall6e  schmerzlichst  vermissen  liefs  :  peinliche  Ge- 
wissenhaftigkeit in  der  widergabe  des  handschriftlichen  befundes 
und  minutiöse  Sorgfalt  bei  der  correctur.  in  folge  dessen  hat  er 
den  bruchstücken  des  Psalmencommcntars  (MSD  ltu.  Gall^e  14) 
und  den  Düsseldorfer  Gregorgll.  (Gall^e  3)  eine  so  vliUig  ver- 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  14 


202  WADSTEIN   KLEINERB   ALT8ÄCHSISCHB   8PBACHDENKMALER 

änderte  gestalt  geben  können,  dass  alle  künftige  bescbäfligUDg 
mit  ihnen  von  seinen  lesungen  ausgebn  muss.  aber  seiner  rast- 
losen mübe  danken  willkommene  besserungen  und  ergdnzungen 
im  einzelnen  auch  die  meisten  übrigen  texte,  unter  ihnen  ge- 
hören einige  der  zusammenhängenden  denkmäler  und  der  gröste 
teil  der  gll.  sowol  der  alts.  wie  der  ahd.  litteratur  an.  in  keiner 
Sammlung  der  kleinern  ahd.  sprachreste  wird  man  das  Taufge- 
löbnis, den  Beicbtspiegel,  die  segen  gegen  Würmer  und  pferde- 
lähme,  das  Abecedarium  nordmannicum  entbehren  können,  die 
mehrzahl  aber  der  alts.  gll.  geht  zurück  auf  hd.  vorlagen  :  sie 
müssen  darum  in  einem  ahd.  wb.  volle  berücksichtigung  finden, 
ein  solches  wird  bekanntlich  von  mir  geplant,  um  dort  nicht 
genötigt  zu  sein,  die  citate  zu  häufen,  will  ich  hier  darlegen,  was 
W.s  buch  für  den  ahd.  Sprachschatz  an  neuem  bringt. 

Im  Abecedarium  (MSD  v)  setzt  W.,  gewis  richtig,  z.  4 
fs  themo  statt  ist  himo  ein. 

Ganz  unwahrscheinlich  dünkt  mich  hingegen  seine  lesung 
des  ersten  wertes  im  Taufgelöbnis  (HSD  Li)  als  fornaichistu: 
ai  soll  bezeichnung  des  umlauts  sein,  der  kleine  strich  oben 
zwischen  a  und  e  ähnelt  nach  den  facsimilibus  einem  t  durchaus 
nicht,  dies  zeigt  sonst  einen  nach  unten  zu  sich  verjüngenden 
ductus  und  starke  bieguug  des  obern  endes  nach  links,  während 
jenes  übergeschriebene  zeichen  unten  stark  und  oben  ohne  nei- 
gung  gebildet  ist.  ich  möchte  darin  eher  einen  vorzeitigen  ansatz 
zum  folgenden  h  erblicken. 

SPetereri  gll.  (Ahd.  gll.  i.  ii.  iv).  i  617,  17  «cewArto  (bei 
mir  druckfehler  skenkio).  \i  353,  16  ast^.,  494,  36  hizifUi  (ver- 
schrieben für  bizihti,  obwol  diese  lesung  statt  der  meinen  Inzihti 
noch  nicht  über  allen  zweifei  erhaben  scheint).  497,65  thruth 
(bei  mir  druckfehler  truth),  497,67  Specculum.  498  anm.  17 
decoris  ab. 

Düsseldorfer  Prudentiusgll.  (Ahd.  gll.  ii  5750).  vor 
575,  1  Inuitatorium  [librum]  spanandeliea  V  —  Genoadius  De 
viris  illustribus.  575,  5  s.  me  dara  dar(a)^.  nach  575,  38  Fundit 
hie  2^ — 51.  575,  39  unter  girvnnunon  steht  noch  quagul  (dies 
wort  belegt  Diefenbach  s.  v.  coagulum  aus  zwei  jungen  glossaren). 
575  anm.  13  ana  (deutsch)  mit  (lat.)  statt  anabatut  ist  ganz  un- 
sichre Vermutung,  nach  576,  18  Liquesce,  id  est  euanesce.  tier- 
suint  5'— 146.  577,6  bigingUha.  nach  578,23  Nuntia  sia 
14^—399.  Atidiit  the  14'— 424.  nach  578,  63  Subtacitam  uegniun 
(eingekratzt)  21**— 174.  579,36  Bart.  rath.  582,  34  rte^o«. 
582,51  h&p.  583,26  scirsdhssön.  583,49  vielleicht  ti.  nach 
584,  26  Infrequenti  filo  59'— 218.    585,  32  dürfte  mein  dogal' 

'  W.  nennt  sie  SPetrier.  dem  Schweden  verzeiht  man  diese  misbil- 
dung.  aber  der  Deutsche  Holthausen  hatte  nicht  in  seinem  Alts,  elementar- 
buch  sie  weiterTcrbreiten  sollen. 

*  runde  klammern  bei  W.  schliefsen  unsichre  buchstaben  ein. 


WADSTEIN  KLEINERE  ALTSÄCHSISCHB  SPRACHDENKMALER     20$ 

nussion  vor  W.s  dogalnussion  den  Vorzug  verdienen.  585,  73  er- 
gänzt W.  ^t . . .  üuua  zu  gigarüuua.  5S6,44  zieht  er  nach  Heynes 
Vorgang  ovarmödigo  zum  nächsten  wort  turgida  :  aber  ovarmödigo^ 
kann  auch  adverb  sein,  parallel  zu  uuilo,  das  W.  im  glossar  un- 
begreiflicher weise  für  einen  gen.  plur.  des  Substantivs  uvü  an- 
sieht. 587 ,  66  dcdldöda.  587  anm.  1  ist  die  iesung  resp.  er- 
gänzung  fiurgard  *fenergaber  sehr  wenig  glaublich.  588,  1 
landouo  (bei  mir  lantouo  druckfehler).  588,  6  gisiahd,  588,  34 
grduon.  588,  76  methertiklika  (-ca  bei  mir  druckfehler).  588,  80 
so  (das  zweite  mal).  589,  7  bescermian,  nach  589,  26  Ut  so 
65'*— 21.  589,65  öf,  nach  590,35  Uirgulas  u{ä)ldon  (einge- 
kralzi)  67**— 78. 

Pariser  Prüden tiusgll.  (Ahd.  gll.  ii  595).  nach  595,,  12 
Calalhos  senkiphatu  151'— 327.  Lora  sei  151'— 335.  nach  595,16 
Cesariem  loci  151** — 358.  nach  595,  35  Fuluis  brunrad  155' — 
470.  nach  595,36  über  baculo  v.  485  auf  bl.  155''  ein  sehr 
zweifelhaftes  nul,  das  W.  gleich  Gall6e  für  mid  nimmt,  nach 
595,  44  Coreis  motsandium  161*"— 688  :  im  glossar  ändert  W.  zu 
motfandium  und  erklärt  *art  contertanz'.  mir  erscheint  ein  dat. 
pl.  auf  -m  bei  den  sonst  stark  geschwächten  endungen  dieser 
glossatur  unglaublich,  anm.  2  gisomuuard  wird  richtig  als  gisom- 
unard  =  gisamuuardon  gedeutet. 

Für  die  Oxforder  Vergilgll.  (Ahd. gll.  ii  716fl)  konnte  von 
mir  nur  eine  copie  Madans  benutzt  werden,  die  collationen  Kluges 
(Zs.  28,260),  GalI6es,  Napiers  (bei  W.  s.  152)  und  W.s  selbst  (s.  xiv) 
ergeben  nun  folgendes  :  716,  4  uiuhtan,  nach  716,  23  Ubere  udere 
1^—G.  III  309.  716,  24  gederun.  nach  7 16,24  Sliria  cakeli  (k  aus 
corr.?)  8'— 366.  716,36  drana,  nach  716,45  Crateras  bikerias 
111**— 724.  Proluit  big{a)t  Hl''- 739.  716,52  uuirthiganen ,  an 
unlerslrichen.  7 16, 56  mwrftraca  116^  vor  717, 1  Lucifer  dagsterra 
(vielleicht  stand  ein  buchslab  zwischen  g  und  s)  117'  —  801. 
nach  717,5  (Notas)  notun  121''  — 444.  vor  717,19  Dotales 
uuUhumlica  125'— 104.  717,  26  scridscos.  nach  717,  32  (Fama) 
imarida  131'' — v  106.  nach  717,34  ()  Contos  st(an)ge  (davor 
etwas  verwischt)  132"  — 208.  nach  717,  42  ()  C^lus  coluan 
134**- 379.  nach  718,  10  (Colo)  colus  uuakka  159'— 409.  (Petiso) 
dis{e)ne  159'— 412.  nach  718,  15  (Tela)  spin  167'— 489.  nach 
718,26  Quin  neuan  170*— x  23.  nach  725,  10  Renones  cursin^ 
73''— 383.  725,23  1.  83^  24  ungeldan.  726,9  hulis,  nach 
726, 21  Mistica.  quasi  mundantur  palea,  a  frumento  cum  uuanna 
(falls  da  nicht  lat.  vanno  vorligl)  87"— 166.  726,  46 f  chräpha. 
726,  79  rüphusla.  endlich  hat  der  Schreiber  des  codex  nicht  rt- 
bericus  (Ahd.  gll.  iv  588,  15),  sondern  Tidericus  geheifsen.  nicht 
aber  scheinen  mir  deutschen  Ursprungs  zu  sein  die  worte  uidere 
theathe  über  scena  ut  uersis  5'  G.  iii  24  :  ich  vermute,  dass  darin 
eine  Verderbnis  von  tkeairum  steckt,  ebenso  wenig  kann  ich  VV. 
s.  XIV  beistimmen,    wenn   er  in  forths  bl.  119^   etwas  deutsches 

14* 


204  WADSTBIN   KLEINERE   ILTSÄCHSISCHE  SPRACBDENiOllLBR 

^ieht.  als  randgl.  zu  proluuies  steht  dort  nach  Madans  abdruck 
und  abschrift  forthsefpusio  und  darunter  t.  ge89&>d  est.  da  damit 
nichts  anzufangen  war  und  der  ServiuscomnieDtar  sordi$  effusio 
bot,  so  hielt  ich  förths  für  eine  graphisch  leicht  begreifliche 
corruptel  von  sordis  und  setzte  letzteres  717,2  in  den  text  an- 
ilers  vermag  ich  auch  jetzt  die  sache  nicht  zu  beorteileo.  denn 
%vas  soll  W.s  nach  gesseod  vorgenommener  ergänzaugsversuch 
forthscod  bedeuten?  gesseod  ist  Substantiv  zu  gescon  ^oscitare',  ein 
Substantiv,  das  ich  auch  Ahd.  gll.  iii  508,  59  als  Übersetzung  von 
singuUum  widerherstellen  konnte;  W.s  erkläruog  im  glossar 
gesseod '»s  gi-skod  —  also  zu  skietan  gehörig?  —  ist  die  iienk- 
bar  unwahrscheinlichste. 

Essener  evangeliengll.  (Ahd.  gll.  iv  286  ff).  287,2 
gimerkta;  b{e)quam  . .  22  tarn]  tarnen.  23  mdg;  gi  wlmnian.  30  f 
doctrene.  288,  38  guodi.  289,  52  biuuMda.  289,  53  nidtanna. 
nach  289,  58  ( )  Cum  so  sia  48"— 15,  24.  nach  290,  8  ( )  Quam 
filu  m{i)kila  50'— 16,26.  292,33  fleonthi.  nach  292,  48  Frei^iza 
rad  nu  65'~26,  68.  294,  41  uuirthid,  d  aber  unsicher.  295 
•anm.  1  afth  uimmt  W.  für  afthe  und  bezieht  es  auf  si  hemo  in 
«iner  marginalnote  zu  4,  27.  295  anm.  4  6t  themo  gehört  hinter 
mittit  am  schluss  einer  randgl.  zu  4,  26.  nach  296,  35  Habraham 
is  104'— 3,  8.  296,  60  fefra  (bei  mir  druckfehler  /eftra).  297,  17 
J^rduom.  nach  298,  33  ()  Insinuat  meind(a)  126'— 17,  37.  298,  37 
fällt  die  von  mir,  weil  sie  meiner  abschrift  fehlte,  Gall6es  text 
entnommene  gl.  (Timui)  ec  hopada  fort,  dgh  anm.  15  Terre  malus 
erdon  uuagi  sowie  299,  23  ( )  Satane  est,  froon  proprium.  298,  €6 
aliS{o)  gilesti.  298,  68  lab.  299  anm.  4  endi  thia  gehört  viel- 
le  cht  zu  22, 24  eos.  nach  299,  36  ( )  Orauit  prolixius  so  133'— 22, 
43.  299,  54  tha  (bei  mir  druckfehler  tho).  299,  64  zieht  W. 
zu  der  marginalgl.  für  quod  sibi  inmerito  arrogaret  regtam  pote- 
statem,  300,  19  zu  23,  23.  301  anm.  2  te,  ohne  dass  davor  etwas 
erloschen  wäre.  301,  36  gimendon,  kaum  gitnendun.  301,  ^38  be- 
zieht W.  auf  4,  7.  nur  eine  scheinbare  differenz  ligt  301,  30. 
302,  14.  303,  10  vor:  das  sign  der  hs.  löste  W.  in  signifieauit 
auf,  ich,  gestützt  auf  301,  49,  in  signifieat.  vor  299,  31  las  W. 
noch  ein  at  über  sacculum  22,  36,  das  er  dann  höchst  unwahr- 
scheinlich zu  atsac  (speisesack)  ergänzte:  dies  at  kann  sehr  wol 
zb.  supplierte  vorsatzpartikel  für  das  folgende  tollat  sein,  wer 
von  uns  299,33  (W.  nohu(an),  ich  nohuo::),  299,  57  (W.  is,  ich 
ist),  299,  66  (W.  iudeon(o),  ich  iudeon),  300  anm.  4  0^-  {o)thes 
vuas,  ich  so  .  .  .  o  .  .  .  ches  vuas),  300,  35  (W.  uuerth(l%co)  angd- 
d(ad),  ich  uuerthi . .  .  angeld  .  . ,  ergänzt  zu  uuerthid  angeldid)  recht 
hat,  steht  dahin,  in  anderen  ßlllen  bietet  aber  mein  abdruck, 
den  W.  noch  nicht  benutzen  konnte,  da  seine  texte  bereits  fertig 
vorlagen,  als  im  mai  1898  der  vierte  glossenbaod  erschien,  das 
richtigere,  wie  f(|r  einige  VY.  selbst  im  glossar  anerkannt  hat: 
289,  21  f  sdn,  doma,  Idtan    (bei  VV.  fehlt  überall  der  accent). 


WAD&TEin  KLEINERE   ALTSAC0SISGHB   SPRACHDBIVKM&LER  20& 

290,  9  Matia  (W.  Ät4//ia).  290,  14  sam  mrdig  (W.  samuurdig), 
296,  28  si  (W.  sO.  297,  28  ^i  huuü  sce  pia  (W.  9ii)huuiti8)c{e)pi). 
298,  1  faruüarta  (VV.  faruuarta),  298,  23  precingü  (W.  percingü; 
die  hs.  hat  pcingil),  298, 24  suliches  (W.  »m/«  fÄes),  299,  50  lucikerv 
(W.  tucikeru),  299,  53  ein  is  mehr,  300,  27  gibdron  (W.  gibaron), 
302,  50  deiior^  (W.  deuorat),  304,  25  /^/At«;  (W.  /e  rtm). 

Düsseldorfer  Prudentius Fragment  (Ahd.  gll.  iv  345). 
345,  17  menfüUigö, 

Sehr  bequem  allerdings  hat  W.  die  benulzung  seiner  lexu^ 
Dicht  gemacht:  es  fehlen  alle  columnenüberschriften;  marginal- 
zahlen  finden  sich  nur  auf  den  äufsern  spalten  und  mangeln  selbst 
dort,  sobald  sie  mit  den  gleichfalls  vorgerückten  blattangaben 
der  hss.  in  conflict  geraten:  darum  entbehrt  ihrer  gänzlich  zb. 
s.  88.  recht  störend  würkt  auch  die  reproduction  der  handschrift- 
lichen verweisungssigleu  in  randnoten  der  Essener  gll.:  wert  hat 
sie  höchstens  für  einen  nachvergleicher  des  codex,  der  auf  diese 
weise  rascher  die  stellen  finden  kann,  welchen  die  gll,  angehören. 

Die  den  zweiten  abschnitt  des  buches  einnehmenden  an- 
merkungcn  (s.  119 — 153)  geben  knappe  beschreibungen  der  hss., 
orientieren  über  die  bisher  erwachsene  litteratur  und  setzen  sich 
mit  den  ansichten  früherer  herausgeber  auseinander  :  alles  durchaus 
verständig,  aber  ohne  dass  neues  dabei  zu  tage  träte. 

Der  dritte  teil  bringt  zwei  glossare.  zunächst  ein  kurzes 
Verzeichnis  der  vorkommenden  orts-  und  personennamen  (s.  157 
bis  165),  das  mir  zu  keinem  notat  anlass  gibt,  dann  ein  sehr 
ausführliches  Wörterbuch  (s.  166 — 250).  und  dies  misfällt  mir  in 
hohem  grade,  sein  zweck  ist  ein  doppelter,  einmal  soll  es  alle 
vorkommenden  Wörter  und  wortformen  registrieren,  dann  sieht  man 
aber  nicht  ein  (denn  raumgründe  können  schwerlich  mafsgebend  ge- 
wesen sein),  warum  bei  gewissen  partikeln,  präpositioncn,  prono- 
minibus  nicht  sämtliche  stellen  angegeben  wurden,  sondern  neben 
vereinzelten  beispielen  nur  die  summe  der  vorkommenden  fälle 
vermerkt  ist.  mehrfach  bleibt  man  jetzt  im  zweifei,  wie  VV.  be- 
stimmte Worte  verstanden  hat,  ob  er  zb.  das  te  59%  8  über  in 
presenti  für  eine  präposition  nimmt,  oder  welcher  beurteilung  er 
ts  54^  26  und  (p)tkes  vuas  58%  27  unterwirft,  recht  lästig  ist 
auch,  dass  innerhalb  jedes  ansatzes  die  gleichen  fiexionsformen 
nicht  beisammen  stehn,  sondern  nach  den  denkmälern  ausge- 
schieden sind:  will  ich  wissen,  welche  belege  für  die  3  p.  pl.  präs. 
ind.  des  verbum  substantivum  existieren,  so  muss  ich  unter  uuesan 
an  13  verschiedenen  orten  nachschauen,  der  andere  zweck  des 
glossars  besteht,  weil  innerhalb  der  meisten  glossaturen  auch  hd. 
formen  auftreten,  in  der  sonderung  des  alls.  .sprachguts  von  dem 
lid.  sie  geschieht  vorwiegend  in  der  weise,  dass  die  hd.  stich- 
worte  mit  eckigen  klammern  umgeben  werden,  die  folge  davon 
aber  ist,  dass  nun  niemand,  der  das  glossar  nicht  vom  anfang 
bis  zum  ende  durchliest,  über  das  volle  material  verfügt,     dena 


206  WADSTEIN   KLEINERE   ALTSÄCUSISCHE   SPRACHDEIfKUÄLER 

dasselbe  wort  erscheint,  je  nach  dem  es  der  text  io  hd.  oder 
sächsischer  oder  sächsisch  gefärbter  gestall  enthielt,  an  sehr  ver- 
schiedenen stellen  des  glossars,  ohne  dass  im  allgemeinen  ver- 
weise stattfänden,  so  bilden  zb.  alätan  und  [arläzan],  älhumtuht 
und  [älumzuht],  binitin  und  [hinizzin],  hröt  und  [hruoz],  sökjan 
und  [suochen],  swegeri  und  [sweigeri],  selbst  kolvo  und  [kolbo] 
ausätze  für  sich,  ja  diese  trennung  erstreckt  sich  auch  auf 
vocalisch  differierende  formen  alts.  Wörter:  dräno  und  dreno, 
errislo  und  irrislo  sind  geschieden,  bei  irrislo  wird  allerdings 
auf  errislo  verwiesen,  und  wer  soll  gar  in  einem  alts.  wb.  kevagon 
unter  k  suchen?  es  wäre  gewis  ein  leichtes  gewesen,  auch  bei 
Vereinigung  der  zusammengehörigen  wortformen  und  worle  für 
«intersch^eidung  zwischen  sächsischem  und  hd.  Ursprung  zu  sorgen, 
doch  wenigstens  für  die  SPeterer  gll.  ist  diese  sonderung  W. 
überhaupt  nicht  gelungen,  weil  er  sich  das  Verhältnis  der  Carls- 
ruher  hs.  (a),  welcher  wir  ihre  künde  verdanken,  zu  der  SGaller 
hs.  (b)  nicht  klar  gemacht  hat  (s.  148).  dass  beide  mss.  in  einem 
nahen  verwantschaftsverhällnis  stehn,  folgt  daraus,  dass  ihnen 
in  ihren  vergleichbaren  teilen  375  gll.  gemeinsam  sind,  während 
242  nur  a,  173  nur  b  angehören^,  scheidet  man  aber  zwischen 
den  glossierten  büchern,  so  zeigt  sich  (unbeschadet  minimaler 
rechenfehler,  die  mir  untergelaufen  sein  können)  folgendes  Ver- 
hältnis: bibelgll.:  a  +  bll3,  al61,b23.  PrudentiusglL:  a  +  b 
129,  a58,  bSO.  übrige  gll.:  a  +  b  133,  a  23,  b  70.  besonders 
lehrreich  ist  innerhalb  dieser  dritten  gruppe  der  abschnitt  De 
virtutibus  apostolorum:  a  + b  66,  a  1,  b28;  zudem  trägt  hier 
keine  der  in  a  vorliegenden  67  gll.  ein  ausgesprochen  sächsisches 
gepräge.  daraus  erhellt  doch,  dass  die  sächsische  redaction,  welche 
von  a  repräsentiert  wird,  nur  besonders  gelesene  Schriften  traf, 
in  erster  reihe  die  bibel,  in  zweiter  den  Prudentius,  während  für 
das  buch  De  virtutibus  apostolorum  (und  ähnlich  für  die  Vita 
SMartini)  a  nur  eine  mehr  oder  minder  treue  copie  der  nicht 
sächsischen ,  möglicher  weise  südfränkischen  (dafür  spricht  auch 
die  herkunfi  des  dritten  Vertreters  der  sippe,  des  Pal.  288,  aus 
Frankental)  vorläge  darstellt,  bei  so  bewanten  umständen  ergibt 
sich,  will  man  aus  a  den  sächsischen  bestand  ausheben,  als  kritische 
norm:  ein  a  mit  b  gemeinsames  wort  darf  nur  dann  für  sächsisch 
erklärt  werden,  wenn  seine  form  specifische  saxonismen  aufweist. 
wider  diesen  grundsatz  verstöfst  aber  W.  sehr  häuflg,  der  zb. 
Denni  75%  32  (denne  b),  hangilla  75S  16  (ebenso  b),  circil  76^  31 
(ebenso  b),  ieda  76^  32  (ebenso  b),  püirill^,  33  (pi/in  b),  craa 

^^  Moureks  Zählungen  im  Budweiser  programm  von  1873  (es  ist  übrigens 
nicht  cechisch  geschrieben,  wie  W.,  verleitet  durch  den  von  Holder  Germ. 
22,405  cilierten  hauptlitel,  s.  148  angibt)  sind,  abgesehen  davon,  dass  sie 
veralteter  ausgaben  sich  bedienen,  darum  nicht  brauchbar,  weil  sie  die  b 
ganzlich  fehlenden  abschnitte  De  SSebastiano,  De  SDionysio,  Gnra  pastora- 
lis,  Regula  SBenedicti,  Dialogi,  Sequenliae,  Lex  Ribuariorum,  De  diversis 
auctoribus  mitrechnen  und  zu  gunsten  von  a  in  anschlag  bringen. 


WADSTEIN    KLEINERE    ALTSÄCBSISCHB    SPRACHDENKMÄLER  207 

7&%  9  (ebenso  b)  uneingeklammert  aufTührt.  und  in  gleichem 
sinne  müste  gegenüber  den  blofs  in  a  belegten  gli.  vorgegangen 
werden;  nur  solche  worle,  welche  lauteigentümlichkeiten  zeigen^ 
die  dem  sächsischen  idiom  allein,  nicht  auch  dem  südfränkischen 
zukommen,  dürften  als  sächsisch  gekennzeichnet  werden,  denn 
die  parallelbs.  c  (Pal.  288)  enthält  in  der  partie,  wo  sie  die  controle 
gestattet  (sie  reicht  leider  nur  bis  in  Regum  6,  8),  von  den  35  gll. 
a  4-  b  30,  von  den  6  gll.  b  5,  von  den  78  gll.  a  30  vollständig, 
4  teilweise,  beweist  also,  dass  sehr  viele  der  jetzt  nur  in  a  vor- 
findlichen  gll.  der  gemeinsamen  quelle  zuzuschreiben  sind,  dem- 
gemäfs  hätten  bei  W.  als  nicht  sächsisch  eingeklammert  werden 
sollen  zb.  73^  20  buUiclari  (bnttigilari  c),  74**,  28  huuuo  {huwo  c), 
74*",  31  horodumil  {hordumel  c),  74^  36  euuidehsa  {ouuede^ssa  c), 
75',  8  Iura  (lürun  c). 

Auch  sonst  hat  die  nichtberücksichtigung  der  SGaller  hs.  b 
oder  mangelnde  Vertrautheit  mit  ahd.  gll.  überhaupt  W.s  glossar 
geschadigt.  wir  Gnden  s.  240*^  den  ansatz:  '/7a^  adj.  flach,  nicht 
lief,  seicht.  P  ns  flat  (/*.  scip  cymba)  87%  7*.  aber  flätseip 
entspricht  genau  dem  flozscif  der  hs.  b,  nur  mit  demselben  ä 
für  ö,  das  in  brädbaccari  73^  21  erscheint,  zwei  Zeilen  hinter 
flatscip  bietet  W.s  text  des  SPetrinus  87%  9  manctts,  manube  : 
iamer  :  zu  manube  wird  in  der  anmerkung  ein  fragezeichen  ge- 
setzt,    dies   würde  sich    W.   haben   ersparen    können,   wenn   er 

ceptus,  la  mer 
zunächst  Holders  abdruck  Germ.  22,  403^:  manc'.  manube.  und 
dann  Hattemer  i  276  eingesehen  halte,  wo  die  gl.  lautet  mancus. 
manu  deceptus.  das  wort  linimenta  90%  20  ist  nicht  gesperrt  und 
nicht  in  das  glossar  aufgenommen,  scheint  also  nicht  für  deutsch 
angesehen  worden  zu  sein,  aber  meine  verweiszahlen  Ahd.  gll. 
II  576,  1  konnten  W.  auf  502  anm.  14  und  den  dort  angeführten 
aufsatz  Francks  aufmerksam  machen,  der  hinreichende  belege  für 
die  deutsche  qualiläl  des  worles  an  die  band  gibt.  vgl.  jetzt  auch 
noch  Ahd.  gll.  iii  716,  40. 

Doch  ich  muss  noch  einen  andern  einwand  gegen  das  glossar 
erheben.  VV.  rühmt  s.  iif  als  einen  Vorzug  desselben,  dass  es 
die  bedeutungen  der  deutschen  worte  genau  dem  speciellen  sinn 
entsprechend  angebe,  welchen  jeweils  ihre  lateinischen  äquivalente 
besäfsen.  ich  sehe  darin  keinen  Vorzug,  sondern  einen  nachteil, 
sowol  in  pädagogischem  betracbt,  wie  schon  vor  jähren  ich  gegen 
Kelle,  der  ähnliche  bahnen  in  seinem  Otfridglossar  gewandelt  ist, 
hervorhob,  als  auch  in  wissenschaftlichem,  weil  derartige  spe- 
cialisierungen  der  bedeulung  leicht  kühne  sprachvergleicher  zu 
bodeulosen  etymologien  oder  allertumsforscher  zu  luftigen  com- 
binationen  verleiten,  und  im  gründe  beruht  W.s  verfahren  nur 
auf  der  vorgefassten  meinung,  dass  unsre  glossatoren  männer  von 
tiefem  Verständnis  aller  feinbeiten  der  lateinischen  spräche  ge- 
wesen seien.    1 10%  22  heifst  es  coturno  calciamento  uenatrieio  quod 


208  WlDSTUfl   KLEIKKBE   ItmCHSISCHE   SPIACHOEMUliLBil 

alii  dicunt  periscelidas.  ant  hoam.  darauf  bin  wird  im  glossar 
angeseilt  'hosa  schw.  f.  art  jagdscbuh'.  ich  Tersteife  mich  nicht 
darauf,  dass  hoson  an  der  steile  wol  nur  perüedidas  Qbersetien 
soll;  aber  das  ist  klar,  dass  die  gieichuüg  kosa : coiumus : ealcia' 
mentum  uenairicium  nur  auf  der  durch  alle  drei  bewflrkten  be- 
deckung  des  scbienbeiDS  beruht  und  dass  nur  der  sinn  von  *ga- 
masche*  oder  'jagdstrumpf  dem  deutseben  worte  gemHb  ist.  neben 
dem  subsu  seimo  wird  für  106^  10  ein  solches  mit  kurzem  t 
postuliert,  weil  es  dort  umbra  übersetzt,  ist  aber  ein  schatten 
nicht  auch  ein  schein?  da  vela  86%  27  nicht  *segel\  sondern  ^Tor- 
bange'  bezeichnet,  erklärt  W.  seine  glossierung  segda  fOr  ein  st. 
femininum  mit  der  bedeutung  Meinener  Vorhang',  und  construiert 
für  carbasea  ugdahli  85%  17  aus  ähnlichem  gründe  gar  ein  mascu- 
linum  segeläth  'kostbarer  siofT,  feine  leinewand',  ich  brauche  kaum 
zu  sagen,  dass  das  adj.  segelaht,  segelahtt  'mit  einem  sage!  ver- 
sehen' sieb  ebenso  zu  segal  verhält,  wie  carbaseui  zu  earbasus. 
weil  lat.  zizania  ein  plural  ist  und  lolium  84%  3t  zizaniorum 
glossiert,  fasst  W.  hier  und  50%  11  radan  als  nom.  pl.  des  sg.  rUdo. 
aber  wenn  Ähd.  gll.  iii  111,  59.  264,  56  zizania  mi  rato,  wenn 
es  häufig  mit  turd,  nie  mit  turda,  widergegeben  wird,  so  brauchen 
wir  schwerlich  anstand  zu  nehmen,  für  unsere  steilen  den  ahd. 
mhd.  neben  rato  weit  verbreiteten  sg.  ratan  anzusetzen,  das  gleiche 
gilt  für  abdomina  dmbön  96%  26.  105%  4:  W.  construiert  einen 
sg.  ambo.  nur  Abd.  gll.  ii348,20  abdomine  äbin  könnte  so 
gedeutet  werden:  an  allen  andern  fast  zahllosen  steilen,  an  denen 
abdomm  oder  abdomina  erscheint,  lautet  die  gl.  stets  amban  oder 
ambana.  hodseohe  88%  9  wird  unnützer  weise  geändert  in  Aod- 
scohe,  weil  manicis  plural  ist:  vgl,  aber  in  derselben  glossatur  die 
singulare  speca  und  slinderi  neben  den  lat.  pluralen  radiorum  und 
ganearum  88%  9.  10.  für  gifadiman  gibt  W.,  wenngleich  zweifelnd, 
als  bedeutung  au  'durch  umarmung  adoptieren',  weil  es  83%  34 
affatimire  übersetzt,  ich  meine,  der  glossator  hat  den  altfrän- 
kischen rechtsterminus,  in  begreiflicher  Unkenntnis  seiner  etymo- 
logie,  mit  dem  ihm  geläufigen  wort  fadem  'filum'  zusammenge- 
bracht und  dem  gemäfs  verdeutscht,  auch  die  begriffsverenge- 
rungen  von  elauum  helta  111%  6  als  'griff  am  Steuerruder',  von 
felgian  cognoseere  46%  26.  48%  11.  12  als  'beschlafen*  und  andere 
mehr  kann  ich  nicht  billigen. 

Auch  sonst  begegnen  in  dem  glossar  auf  schritt  und  tritt 
anstöfse.  nur  einige  will  ich  namhaft  machen.  46%  13  wird 
coUatione  ganz  wörtliccbübersetzt  durch  das  compositum  tesam- 
nabrahti,  welches  die  Ahd.  gll.  i  708,  15  (zisamenebrahti).  1,719, 
21  "B  IV  293,  12  und  iv294,  24  (cesamaneprahtt)  bestätigen:  ich 
versteh  daher  nicht,  warum  die  nachtrage  s.  xv  brahti  fragweise 
für  einen  cj.  prät.  ansehen,  heccor  92^,  8  stellt  das  glossar  unter 
eVcor;  richtiger  scheint  mir,  das  wort  unverändert  mit  ekir  und 
ahd.  eceorödo  zu  verbinden,     für  vsäro  gödo  rdstun  puluinar  no- 


W1D8TE1N   KLEINERB   ALTSÄCHSISCBE   SPRACUDEflKMlLEB  209 

itrum  98%  20  setzt  W.  ein  compositum  au  godorasta,  das  hier 
im  acc.  sg.  sUinde.  dann  begreift  man  aber  vsäro,  das  im  glossar 
s.  V.  üse  febll,  nicht,  ich  habe  die  glosse  stets  als  gen.  piur. 
'nostrorum  deorum  pulvinar'  gefassl.  dunkel  bleibt  mir,  weshalb 
fQr  grabüH  fotsis  86^,  26  ein  nom.  sg.  grab  statt  graho  statuiert 
ist.  häihilinon  pannis  101%  2  deutet  W.  nach  Heynes  vorgaog 
als  adj.  im  sinn  von  'hadern,  lumpicht'.  aber  der  lat.  fext  gibt 
doch  ein  subst.  an  die  band,  und  ich  wüste  nicht,  was  gegen  das 
deminutiT  hathilin  (vgl.  hadel  im  DVVB  iv  2,  109)  einzuwendeo 
wäre,  demselben  gelehrten  folgend  schreibt  W.  huo  107%  24 
statt  des  überlieferten  hue:  indessen  gerade  die  form  mit  der 
gutturalis  ist  nd.,  s.  Ahd.  gll.  i  352,49.  iii  22,  37.  86,  18.  364, 
57.  458,  3.  IV  197,  42.  256,  22  und  Mnd.  wb.  ii  328*.  ebenfalls 
mit  Heyne  wird,  allerdings  zweifelnd,  tdlhdd  pernicUas  106%  30 
als  tälhed  'gefährlich keil'  genommen ;  aber  ahd.  gizal  levis,  alacer' 
ligt  gewis  näher,  denn  accentuierung  weist  in  den  Strafsburger 
gll.  keineswegs  immer  auf  länge,  yg\.  dndod,  stafuürt,  nmbiuerbu 
in  rdmon  in  catastis  81%  8  verzeichnet  das  glossar  unter  dem 
Stichwort  ^hrama  ein  foltergerät  (?)%  ob  dem  wort  ein  anlautendes 
h  zukommt  und  ob  es  mit  got.  kramjan  verwant  ist,  steht  dahin; 
aber  wenn  W.  durchaus  die  bedeulung  specialisieren  und  sich 
nicht  mit  der  angäbe  ^gestell'  begnügen  wollte,  so  konnte  wenigstens 
das  Fragezeichen  gespart  werden :  s.  DWB  viii  66.  für  ingimedodera 
conducta  114^  19f  Gndet  sich  m-mecfon  angesetzt:  die  bedeutung 
'einmieten'  würde  jedoch  schlecht  für  den  Zusammenhang  passen, 
zweifellos  ist  in  präposition.  hehhring  orbis  108*,  14  stellt  W. 
sehr  unwahrscheinlich  unter  hegi-hring:  ich  vermute  herhhring  »> 
erthhring  mit  vorgeschlagenem  h  wie  bei  hettaruurtia  und  mit 
h  für  th  wie  bei  uuegsceh  derselben  gll.  negagan  cassari  82**,  15 
erklärt  W.  als  ne  hagan  'nicht  passen,  nicht  nützen',  das  ist 
eine  der  vielen  mühselig  zusammengequälten,  nach  der  lampe 
riechenden  und  aller  überzeugenden  kraft  baren  conjecturen  des 
buches:  denn  1)  wäre  der  ausdruck  'nicht  nützen'  statt  'zu  nichte 
werden'  ein  sehr  matter,  2)  weist  sonst  der  SPetrinus  für  die 
negation  nur  die  form  ni  auf.  wahrscheinlich  ligt  gar  kein  deutsches, 

ne 

sondern  ein  entstelltes  lat.  wort  vor,  zb.  gagari,  zur  deutung 
von  cdclereri  Tkascius  103'*,  5  wurde  früher  von  mir  auf  das 
caclari  der  Trierer  gll.  (Ahd.  gll.  ii  590,  9)  aufmerksam  gemacht, 
ich  glaube  jetzt,  dass  wir  es  mit  einer  Verderbnis  von  eahtereri  zu 
tun  haben,  aber  was  soll  W.s  Vermutung  'oder  ist  caclereri  =  gacle- 
reri,  erklärer,  ausleger'?  hoffentlich  denkt  er  nicht  an  eine  bildung 
von  dar!  in  dem  satz  nisi granum  frumenli cadens  in  terram mortuum 
fuerit  wird  mortuum  60%  27  durch  endi  tekina  glossiert,  dies  fasst 
W.  als  te  ktna  'zum  keim',  in  den  Essener  evangeliengll.  sehen 
wir  öfter  eine  deutsche  gl.  durch  et  oder  encft  eingeführt:  48%  18. 
49%  30.  50%  39.  51%  16.  52%  30.  54%  2.  7.  55%  4.  immer  ent- 


210  WADSTEI.1   KLECIEBE   ALTSÄCHSISCHE   SnUCBMIlKMiLER 

spricht  dann  das  deutsche  wort  der  form  nach  genau  dem  von 
ihm  giossierteo  laleinischeo.  ich  suche  darum  auch  in  ^elnna  ein 
participium.  da  giburia  61%  27  f  ein  n  verloren  hat,  kann  auch 
tekina  eio  solches  eiogeborsl  haben,  tdnnan  aher  wäre  das  ahd. 
zekinan,  mhd.  zekinen  ^zerkeiml',  ^geplatzt',  vgl.  auch  DWB  v  455. 
ein  schwaches  lazo  darf  nicht  angesetzt  werden:  die  form  des 
SPetrinus  85^  27  geht  mit  lazc  des  SGallensis  auf  laxe  zurück, 
welchen  dativ  dem  lat.  amenio  gemäfs  alle  Prudentiushss.,  in  denen 
überhaupt  die  gl.  vorkommt,  ausnahmslos  aufweisen,  für  ufuua- 
nizenti  lihrans  87\  19  lautet  der  ansatz  des  glossars  ^[üfwQmzen] 
sw.  V.  erwägen  (?)'.  die  composition  erscheint  eigentümlich;  mit 
ufuuarazenti  von  b  weifs  ich  vollends  nichts  anzufangen;  ich 
vermute  daher,  dass  wir  es  mit  einer  ahleitung  von  kuenjan 
^quatere,  vibrare'  zu  tun  haben,  firiwiz  75%  6  muss  als  selb- 
ständiges wort  im  glossar  entfallen,  da  meine  conjectur  firiwiz- 
gemi  jetzt  durch  den  Pal.  288  (Ahd.  gll.  iv  259,  11)  gestüUt  wird. 
werthirian  46%  26.  48%  11  hat  Holthausen  Elementarhucb  §  179 
anm.  richtig  zu  v>idar  gezogen  (vgl.  ahd.  werdar  für  wedar); 
möglich,  dass  auch  W.  derselben  ansieht  ist,  geäufsert  aber  hat 
er  sie  nicht,  uuirebrün  109%  23  scheint  mir  fehler  statt  nuirt- 
brün,  s.  Ahd.  gll.  iii  684,  36. 

Ich  resümiere:  den  texten  gebührt  der  rühm  einer  wesentlich 
fordernden,  hochverdienstlichen  leistung;  der anmerkungsteil  genügt 
allen  billigen  ansprüchen;  aber  dem  glossar  mit  seinen  meist 
recht  problematischen  ausätzen  gegenüber  ist  gröste  vorsieht  un- 
bedingt geboten,  niemals  darf  ohne  philologische  prüfung  aller 
angeführten  stellen  eine  grundform  oder  eine  worterklärung  blofs 
auf  W.s  auloriiat  hin  für  gesichert  erachtet  werden. 

Mai  1900.  Stedimbter. 

1.  Milteilungen    aus  altdeutschen  handschriften.    von  ähtoh  £.  Sghönbach. 

sechstes  siück  :  Über  ein  mitteldeutsches  evangelienwerk  aus  SPaul. 
[Sitzungsberichte  der  kais.  akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  pbii.- 
bist.  cl.  bd  cxxxTii,  V.]     Wien,  GGeroids  sobn,  1897.   116  sa.    8^ 

2.  3.  4.  Misceilen  aus  Grazer  handschriften.   von  Anton  E.SchÖhbach.    erste, 

zweite  und  dritte  reihe,  sonderabdrücke  aus  den  Mitteilongen  des 
bist.  Vereins  für  Steiermark,  xlvi.  xlvii.  xLvm  heft.  Graz,  verla^r 
des  verf.s,  1898.  1899.  1900.  70.  64  und  132  ss.  8<>. 
5.  6.  Studien  zur  erzählungslitteratur  des  ma.s.  von  Anton  E.  Schönbach. 
erster  teil  :  Die  Reuner  relationen.  zweiter  teil :  Die  Voraoer  novelle. 
[Sitzungsberichte  der  kais.  akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  phii.- 
bist.  cl.  bd  cxxxix,  v.  cxl,  iv.]  Wien,  GGeroids  söhn,  1898.  1899. 
139  und  94  ss.    8^. 

Schönbach  behandelt  in  der  an  erster  stelle  genannten 
schrirt  ein  umfangreiches  mitteldeutsches,  genauer  oberhessisches 
reimwerk  aus  der  ersten  hüldte  des  14  jhs.,  eine  zu  beginn  un- 
vollständige bearbeitung  der  vier  evangelien,  die  uns  in  einer  hs. 
des  benedictiuerklosters  SPaul  im  Lavauttale  erhalten  ist.  bereits 
HofTmann  vFallersleben  hatte  über  diesen  codex  Altd.  bll.  u83f 


SCHÖNBACH   MITTEILDNGEK    AUS    ALTDEUTSCHEN    HSS.  211 

eine  kurze  Dotiz  gegeben,  die  bisher  aber  keine  weitere  beach- 
tuog  fand.  Seh.  analysiert  sorgfältig  Überlieferung,  spräche  und 
Versbau  des  Werkes,  geht  der  dichterischen  tdtigkeit  des  verf.s 
sowie  den  litlerarischen  beziehungen  seiner  arbeit  nach  und  ver- 
zeichnet schliefslich  die  seltneren  worte  und  Wortbedeutungen  in 
alphabetischer  anordnung.  die  resultate  der  Sch.schen  Unter- 
suchung sind  in  kürze  folgende. 

Die  bs.  ist  von  zwei  Schreibern  geschrieben,  nach  denen  dann 
noch  ein  corrector  tätig  war,  der  vielleicht  nach  dem  exemplare 
des  autors  besserte;  die  vorläge  war  in  abgesetzten  versen  auf- 
gezeichnet, methodischen  wert  besitzt  ein  vom  Schreiber  zweimal 
geschriebener  passus  von  sechzig  versen  wegen  mehrfacher  nicht 
rein  graphischer  Varianten  (s.  60*  ^^^  wegen  des  fehlenden  ein- 
gangs wissen  wir  nicht  den  namen  des  Übersetzers,  er  war  ein 
geistlicher,  in  dem  man  genauer  einen  ordensgeistlichen  wird 
vermuten  dürfen;  für  einen  'minoriten*  (s.  52)  lässt  sich  würk- 
lich  beweisendes  nicht  beibringen,  und  Seh.  selbst  deutet  es  auch 
nur  hypothetisch  an.  vollständig  erhalten  sind  die  Übertragungen 
der  evangelien  des  Marcus,  Lucas  und  Johannes,  jedem  evange- 
lium  ist  ein  gebet  als  poetisches  vorwort  beigegeben  —  sie  sind 
s.  33  ff  zum  abdruck  gebracht  —  und  zweifellos  war  es  beim 
Matthäusevaugelium  ebenso,  dass  der  verf.  für  seine  Übertragung 
die  gebundene  form  wählte,  erhöhte  die  Schwierigkeit  des  pro- 
blems,  und  es  erklären  sich  daraus  auffallende  Wortstellungen  und 
complicierlere  Satzgefüge,  im  allgemeinen  aber  hat  der  verf.  ge- 
nau übersetzt,  nur  wenige  misverständnisse  weist  Seh.  ihm  nach 
(s.  44  0-  lehrreich  ist  die  vergleichung  einzelner  textpartien  mit 
den  texten  andrer  Übersetzungen,  insbes.  mit  dem  md.  evangelien- 
buch  des  Matthias  vBeheim  unter  Zugrundelegung  der  von  Walther 
in  seiner  Deutschen  bibelübersetzung  des  ma.s  s.  463  ff  mitgeteilten 
proben  :  Seh.  sucht  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  der  verf.  des 
SPauler  reimwerkes  die  Vulgata  bearbeitete,  dabei  jedoch  häufig 
eine  md.  prosaische  Übersetzung  der  evangelien,  welche  die  nähere 
oder  entferntere  vorläge  des  Beheimschen  evangelienbuchs  bildete, 
zu  rate  zog  und  fleifsig  benutzte;  der  dichter  habe  die  vorläge 
von  Beheims  evangelienbuch  in  einem  zustande  gekannt  und  ver- 
wertet, für  den  die  von  Walther  nachgewiesene  beeinflussung 
durch  die  München -Grazer  evangelienharmonie  (Cgm.  532.  Zs. 
36,  233)  noch  nicht  in  frage  kam.  im  Wortschatz  berührt  sich 
das  reimwerk  nahe  mit  andern  md.  geistlichen  dichtungen  :  na- 
mentlich hebt  Seh.  die  auffallende  Übereinstimmung  mit  den 
hessischen  gedichten  von  der  Erlösung  und  hElisabeth  hervor, 
man  sei  aber  aus  sprachlichen  und  metrischen  gründen  nicht  be- 
rechtigt, für  die  drei  werke  einen  gemeinsamen  verf.  anzunehmen. 
das  evangelien  werk  ist  jünger,  seine  metrik  weist  es  der  über- 
gangsepoche  zu.  der  verf.  hat  die  genannten  werke  vorbildlich 
genommen,     das  ist^  allgemein  gefasst,  gewis  richtig,  ich  glaube 


212  SCHÖNBACH   11ITT£ILUKGBN    AUS   AI.TDEUTSCHEK 

aber,  so  wenig  icb  die  woriverwafttschalt  der  dicbtungea  unter- 
schätze, dass  Seh.  darin  zu  weit  geht,  wenn  er  von  einer  ^mit 
vollem  bewustsein'  vorgenommenen  ausnutzuug  gerade  dieser  Vor- 
bilder redet;  verzeichnet  er  doch  selbst  nicht  seilen  auch  aus 
dem  Passional  und  aus  Jeroschia  Übereinstimmungen,  die  noch 
wesentlich  hätten  vermehrt  werden  können,  erwahoeiiswert  ist 
eine  gewisse  buntscheckigkeit  des  Wortschatzes^  die  den  evangelien- 
dichter  allein  eigen  ist :  er  macht  gelegentlich  anJeiben  beim  ale- 
mannischen und  nd.,  ob  aus  reimnot?  Seh.  nimmt  es  an,  doch 
konnte  sich  der  dichter  das  ober-  und  niederdeutsche  sprach- 
material  auch  durch  längeren  oder  kürzeren  aufenthalt  in  jenen 
gegenden,  in  die  er  im  ordensinteresse  geschickt  worden  wäre, 
angeeignet  haben,  auf  jeden  iäU  verdient  das  werk  unsre  teil- 
nähme, weil  es  ^einem  wichtigen  litterarischen  zusammenhange 
bestimmt  eingegliedert  werden  kann',  und  mit  recht  betont  Seh. 
(8.66  f.  69)  bei  diesem  anlass  die  notwendigkeit,  die  von  Josef 
Haupt  in  seinen  Beiträgen  zur  litt,  der  deutschen  mystiker  an- 
geregten, aber  bisher  meist  unberücksichtigt  gebliebenen  Studien 
über  die  md.  evangelienbearbeitungen  wider  aufzunehmen  und 
weiter  zu  verfolgen,  sowie  an  die  Sichtung  des  weitschichtigen 
materials  der  deutschen  plenarien  des  ma.s  heranzutreten. 

In  den  Miscellen  berichtet  Seh.,  meist  aus  hss.  der  Grazer 
Universitätsbibliothek,  über  eine  reihe  von  werken  des  14  und 
15  jhs.,  ^um  den  uns  immer  noch  dunklen  geistigen  horizont  der 
Steiermark  in  dieser  zeit  etwas  zu  erhellen',  an  erster  stelle  be- 
schreibt er  ein  in  seinem  besitze  beflndliches  pergamentdoppel- 
blatt  aus  dem  14  jh.,  das  einer  hs.  von  Heinrichs  vMügeln  ver- 
deutschtem Valerius  Maximus  angehörte,  die  sorgfältige  Schrift, 
vor  allem  aber  die  durch  farbenschmuck  prächtige  ausstattung 
lässt  vermuten,  dass  das  fragment  einem  dedicationsexemplar  des 
Werkes  entstammt,  nachdem  Seh.  über  die  Schriften  des  gerade 
neuerdings  wider  mehr  beachteten  Heinrich  vMügeln  bibliogra- 
phische notizen  gegeben,  insbesondre  sich  eingehnder  über  die 
1369  zu  ehren  des  sieirischen  landmarschalls  Hertnid  vPettau  ver- 
fasste  bearbeilung  des  Valerius  Maximus  ausgelassen,  die  art  der 
Übersetzung  und  ihr  Verhältnis  zum  lateinischen  text  charakteri- 
siert hat,  druckt  er  vorrede,  einleitung  und  Schlusswort  zur 
Mügelschen  Übersetzung  nach  der  Wiener  hs.  2811  ab,  dann  das 
Grazer  fragment  mit  den  Varianten  und  ergänzungen  aus  W  und 
den  entsprechenden  partien  im  lat.  original.  —  vom  Processus 
Belial  des  Jacobus  de  Teramo  (1382),  einem  werke,  das  in  alle 
damaligen  cultursprachen  übersetzt  worden,  bes.  aber  in  Deutsch- 
land beliebt  gewesen  ist  —  bis  zum  j.  1508  sind  21  drucke  der 
deutschen  bearbeitung  nachgewiesen,  die  reiche  hs.liche  über- 
lieferung  (allein  17  hss.  befinden  sich  auf  der  Münchner  Staats- 
bibliothek^ vgl.  auch  Germ.  31,  224  f.  37,  66)  ruht  ungenuUt  in 
unsern  bibliotbeken,  obwohl  schon  der  bilderschmuck  zu  grttnd- 


SCHÜNBACH    UISCELLEN    A^    GIIAEBR    H8S.   1  213 

licfaerer  beschäftigung  reizen  könnte  —  besitzt  die  Grazer  Uni- 
versitätsbibliothek zwei  hss.  der  deuischen  fassuDg.  Seh.  teilt  aus 
ihnen  die  interessante  sachverständige  vorrede  miu  die  deui^he 
Übertragung  kürzt  das  original,  aber  noehr  in  seinen  religiösen 
und  theologischen  stellen  :  das  rein  juristische  tritt  »dadarch  in 
der  Übersetzung  fast  mehr  hervor  als  im  original,  ein  Vorläufer 
des  Processus  ßelial  ist  der  gleichfalls  viel  gelesene  und  mehr- 
fach bearbeitete  (s.  noch  Herrmann  Die  reception  des  humanis- 
mus  in  Nürnberg  s.  104  anm.  3),  auch  ins  drama  aufgenommene 
(PMeckel  ADB21,  162)  Processus  Sathanae,  aUf  einen  andern 
lenkt  nun  Seh.  unsre  aufmerksamkeit.  es  handelt  sich  um  ein 
bisher  nur  vorübergehend  citiertes  deutsches  gedieht,  einen  dialog 
zv^ischen  Sathan  und  Gott,  Christus  und  Gabriel,  die  ansprach 
des  teufeis  gegen  unseren  herren,  die  hs.lich  sich  io  der  fürstlich 
Auerspergischen  fideicommissbibliothek  zu  Laibach  befindet  und 
Otto  den  Raspen  zum  Verfasser  hat.  das  werk ,  gegen  scbluss 
unvollständig,  ist  von  Seh.  s.  35  fr  ausführlich  analysiert  und  uns 
durch  cinflechtung  einzelner  interessanter  stellen  näher  gebracht, 
der  dichter  hat  den  stoff  des  Processus  Sathanae  selbständig  — 
von  einer  besondern  lat.  vorläge  erfahren  wir  nichts  —  fortge- 
bildet, dagegen  blieb  ihm  der  Processus  Belial  wol  unbekannt, 
sonst  würde  diese  schnell  populär  gewordene  schrift  wol  sieher 
in  dem  gedieht  einen  eindruck  zurückgelassen  haben,  dieses  wird 
der  zweiten  hälfte  des  14  jhs.  zuzuweisen  sein,  wofür  auch  spräche 
und  metrik,  die  roh  gehandhabt  ist,  sprechen;  entstanden  ist  die 
arbeit  in  Österreich,  genauer  in  InnerOsterreich.  für  die  nähere 
beslimmung  des  verf.s  konnte  Seh.  mitteilungen  des  herrn 
AvSiegenfeld  benutzen  (s.  52 — 61) :  danach  war  er  ein  Kärntner 
aus  einem  in  der  gegend  von  Friesach  seit  dem  13  jh.  nach- 
weisbaren geschlechte,  der  als  Brixner  domherr  und  pfarrer  zu 
Vellach  in  den  jj.  1342  und  1347  urkundlich  begegnet.  —  an 
dritter  stelle  (s.  62  ff)  bespricht  Seh.  zwei  Sündenspiegel,  der  eine 
ist  aus  Heinrichs  vLangensteiu  Tractatus  de  confessione  ausge- 
hoben, nach  der  Grazer  hs.  nr  675  (s.  Zs.  18,  80.  20  (nicht  23), 
193 ff),  und  bietet,  der  alten  Bamberger  beichte  vergleichbar,  ein 
grofses,  an  merkwürdigen  werten  reiches  Sündenverzeichnis  als 
Übersetzung  der  nehenstehnden  lateinischen  ausdrücke,  es  hat 
wol  ursprünglich  nicht  zum  traetate  gehört,  weil  es  auGth  an- 
derswo selbständig  (s.  im  Bair.  wb.  an  verschiedenen  stellen, 
Cgm.  658  bl.  205)  sieh  belegen  lässt.  ein  zweites,  kleineres 
Sündenregister,  aus  der  Grazer  hs.  742  s.  68ß  mitgeteilt,  stammt 
aus  der  gleichen  quelle,  doch  sind  hier  die  einzelnen  laster  in 
bekannter  art  als  tOchler  der  sieben  hauptsünden  betrachtet  und 
dem  entsprechend  geordnet,  [s.  dazu  den  nachtrag  Ifiscellen 
ni  126Cri- 

Im  II  heft  der  Miscellen  gibt  Seh.  einen  beitrag  zur  deutseben 
bibelübersetzung.     er  bespricht   fünf  vollständige  psalter,  ^unter 


MA<II     M«.*'t  *l  I  »1^     Ai^    OftAtCA    ■£&     n 


.  .*  ••  '  .*  :<.t.  .1« t.  I  <t(-ii»  «oti  ^^jiUti^r  be^itauDten  Obersetzongen 
....■«i  :  •  f  •«.  <i<.i  »tut  yAci7  »(itisiAndifr  gearbeitet*  ist.  dieser 
i,«,,..r  "t,.M  Ä«l»  >M<f>t  >rin  «iigeomerk  zu.  der  früher 
M  i . .  *  i  t  f  ^s,  f  |f  t7(  <,rfi7«  I  <  o«lc  \  1  .V43  «^oihülLi  von  zwei  büDden 
•  •-    1  ■'    (»•>    ^f-»« (iifi'l <•»    (I  inr   «Iriilr    hat   das  ganze  durcbcorri- 

^ f<n  r(tii<»«h<>»  ^'«■r<'lrnt^^  pi^lirniiin,  in  dem  md.  und  ober- 

.'.•.«-ti.f  ftfiff-  hmi  1"«  1i  nviiiiTi*pr.hisrhr  mda.  sich  mischen,  aus 
..  ■» I^rln»lrl^?•^«■fl  m  «l<M  niir7ft<*hniin|:  darf  geschlossen  werden, 
.t  -  .l:l^  mii  on^'innl  iiit  14  jti.  oiilsianden  ist.  eigenartig  ist 
.f'i<  1.  ftTittp-fItrtn'otihiMi  <i4^>  ^-i>rkN,  in  zahlreichen  fällen  kann  man 
i.iM  v.Mi  n-'-onni»7i»i\  r<*«*«Mi  *di»r  vi»rl.  —  er  hiefe  Petrus  —  hat 
T.  h..  vrr-r  f.:f«n«»«*)>i .  voix^nrii  nur  du-  kola  seiner  prosakchen 
v.\-.r  i<t/nn«  i*ivvin>i  .  «Hl  oinc  roimprosa  geschrieben,  die  ge- 
*.ii-<Mitlr.ti  TlivitMtw«r).  ^tT««i>irami.  dir  eingcHochtenen  erklimngeii 
-itui  «Miirni  T»^'t1»>^*^»^rfkmm^nr»:  entnommen  und  zwar  dem  be- 
rnlTnitr"f(M.  «»«v  tom.  Ar  hokAontei:  ^tIoss»  des  Nie  TLTra  (1335^. 
,1;.  ■^vr}:  UrMMT):  vM,(rrrii  ffl.  «pinc  psalmejiabersetzuiig  b«^ 
i.if.'  i'.^r«  ?fK  «»Ji  **^'^*s»'t  711  n^  ilrs  Vetrus  weder  mil  Bvüigebi. 
t  .'.^  n.M  vMv>  «»pJrrrt  an*  rtr:  ^Nalther  in  seiner  DenisdMi] 
?,.»..  ••■if^.-v. -♦■»PH-  f*'"*^  w»  -  ^  .sT^M"*  ait>  ir  vprschsedenen  deaiscbeit 
»>-  .-r.  v-r»?%  -»»^v  ,iAn  K~  i«»lr  rerobeii  hai,  ingendweicht- 
V,-  «^  «.^»-.«h-.»,      X    1  *  :     hH.  Sri;    «ipi    jnin7i*L    67  naalnj   aas  de^ 

V, v>n.^-i»Mn     -.»»L^^'^nirl    iipi    ilifi    rteii  im:  uerVulgaia  mii 

>'•  i  t .».^v^f    <     -xrt     <i     r*»i    fVTT«-  verwen«-:  wordt:.  .geccfr- 

.-»v  .i-ii.    -V   *>•-      AM.     »»?«w»i.    interpsmnce; .  ii.  nasoa  HbL. 

X   .            »'-..-     K.    •<,     ^^.    .4.     •ttMi!#>;  hJilft-   de?   14  i^  tber. 

j.       - «      £n./.r!w.tv>riit:.  rt»     TwiMtKL  1345  am: 

.    ■-'"»■^c«'       -<^'.ir^.i..rinrinTi«Ai7iH..  H«•Jnril:ll^ 

^                              •"-■'      •?»«<»n».    71.  7f:-  jiiv  imt 

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^    .  i..  >     ^       ^M.  *     rifik  hnrpfWtMimpnwaiKCteu 

**  u,fi*,  -  -Brc  .«ifti^  ^wt-  «er  aicbt 


SCHÖNBACH    MISCELLEN    AUS    GRAZER    HSS.    II  215 

slimmt  (1er  Grazer  codex  1631  aus  dem  14/15  jli.  (s.  49 ff),  der 
die  sprachlich  modernisierte,  bairisch- Osterreichische  gestalt  einer 
altem,  dem  anfang  des  14  jhs.  angehörenden  nid.  psalterüber- 
setzung  enthält,  ein  von  derselben  band  geschriebener,  dem 
psalter  voraufgehnder  kalender  wird  s.  5211  im  einzelnen  cha- 
rakterisiert und  scharfsinnig  aus  dem  heiligenverzeichnis  auf  die 
berkunft  und  entstehungszeit  der  Grazer  hs.  geschlossen  :  sie 
dürfte  im  j.  1407  für  das  frauenkloster  Altomünster  im  bistum 
Freising  hergestellt  sein,  geschrieben  von  einem  sich  Chunrat 
nennenden  mönch  oder  geistlichen,  *der  entweder  in  der  Passauer 
diöcese  lebte  oder  wenigstens  einen  Passauer  calender  dem  seinen 
zu  gründe  legte',  dazu  passt  vortreiflich ,  dass  der  Walthers 
18  psalter  bietende  cgm.182  aus  Altomünster  stammt,  das  gegen- 
seitige Verhältnis  wäre  noch  näher  zu  untersuchen;  eine  genauere 
behandlung  der  wegen  seiner  lautlichen  und  grammalischen  eigen- 
heiten  wichtigen  Grazer  hs.  behält  sich  Seh.  vor.  —  die  gleich- 
falls bairisch-österreichische  aufzeichnung  der  psalmen  und  can- 
lica  im  Grazer  codex  961  stimmt  mit  dem  von  Walther  s.  632  f 
besprochenen  psalter  nr  23,  bes.  mit  der  Überlieferung  in  der 
Wiener  hs.  3079  überein,  die  Grazer  hs.  1225  mit  Wallhers 
psalter  nr  10  (aao.  s.  OlSff).  —  über  hs.  1377  aus  dem  j.  1424 
mit  deutschen  episteln  und  einer  deutschen  prosaübersetzung  des 
Schachbuchs  des  Jac.  de  Cessolis  s.  s.  63  f. 

[Soeben  (28  juni  1900)  geht  mir  die  in  reihe  der  Miscellen 
zu,  über  deren  inhalt  gleich  hier  noch  kurz  berichtet  werden  soll, 
die  fortlaufende  nr  5  ist  Potho  vPrüm  gewidmet,  der  um  die 
mitte  des  12  jhs.  lebte;  ob  im  benedictinerkloster  Prüm  in  der 
Cifel,  ist  nicht  so  sicher,  wie  meist  angenommen  wird,  unsre 
einzige,  nicht  zuverlässige  quelle  über  ihn  ist  der  bekannte  hu- 
manist  Brassicanus,  der  1532  Pothos  Schriften  herausgab,  nach 
seiner  irrigen  behauplung  aus  der  originaihs.  die  von  Brassi- 
canus benutzte  hs.  besitzen  wir  nicht,  wohl  aber  eine  Grazer,  die 
einzige,  die  sich  bis  jetzt  hat  nachweisen  lassen,  s.  14 ff  teilt 
Seh.  den  allein  im  Graecensis,  nicht  aber  bei  Brassicanus  ent- 
haltenen, an  den  pabst  gerichteten  prolog  zu  Pothos  hauptwerk 
De  domo  Dei  mit;  aus  ihm  lässt  sich  immerhin  einiges  über  des 
verf.s  persönlichkeit  entnehmen  (s.  17);  sodann  gibt  er  s.  18  ff 
eine  collation  der  Grazer  hs.  auf  grund  des  druckes  in  der  BibL 
maxima  patrum  21^  489  ff  und  macht  s.  24  ff  wahrscheinlich,  dass 
zunächst  nur  buch  1 — 3  geplant  waren,  die  sich,  doch  selbstän- 
dig, an  die  mystische  theologie  der  Victoriner  anschliefsen;  ihnen 
wurde  dann  nachträglich  das  4  und  5  buch  De  celestibus  ordini- 
bus  angegliedert :  für  diese  handelt  es  sich,  was  bisher  übersehey 
war,  nur  um  eine  umordnende  bearbeitung  des  Liber  de  celesti 
hierarchia  des  Dionysius  Areopagita  in  der  Übersetzung  des  Job. 
Scotus  Erigena,  mit  dessen  Schriften  Potho  auch  sonst  bekannt- 
schaft  zeigt.  —  nr  6  befasst  sich  mit  dem  Schweizer  dominikaner 


216  SCHONBACH   MISCKLLEN   aus  6BAZKR   MS.  in 

Jacob  vLausanne  aus  dem  letzten  drittel  des  13  jbs.  seine  pre- 
digten, Sermones  dominicalea  et  festivaies,  die  sehr  beliebt  waren 
und  1530  gedruckt  worden  sind,  stehn  auch  in  der  Grazer  h». 
838  (14  Jh.),  die  wol  eine  authentische,  durch  den  verf.  her- 
gestellte redaction  vertritt,  sie  liefern  weiteres  material  für  die 
Streitfrage,  ob  die  mittelalterlichen  prediger  sich  vor  dem  volke 
der  lat.  spräche  oder  ihrer  nationalsprache  bedienten,  die  Grazer 
hs.  enthalt  mehrfach  französische  phrasen  und  sitze,  eine  pas- 
sionspredigt  beinahe  ganz  in  französischer  spräche,  sie  sind  wie 
die  deutschen  eintrage  in  Bertholds  von  Regensburg  authen- 
tischen lat.  aufzeichnungen  als  rersuche  des  autors  aufzufassen, 
Men  lat.  ausdruck  zu  verdeutlichen  und  damit  dem  prediger  zu 
helfen^  der  später  die  vorläge  sich  fQr  seine  tatigkeit  in  der 
Volkssprache  zurecht  machen  will'  (s.  37).  Jakobs  predigten  ver- 
danken ihre  beliebtheit  den  zahlreich  eingestreuten  beispiden, 
die  entweder  der  gelehrten  tlberlieferung  entnommen  oder  aus 
eigner  beobachtuDg  des  tSiglichen  lebens  geschöpft  sind.  s.  38fr 
schildert  Seh.  die  entwickluog  dieses  Verfahrens,  durch  einschöbe 
den  sermon  zu  beleben,  und  gibt  aus  einer  Grazer  hs.  des  12  jhs. 
einige  ältere  beispiele  für  die  Verwertung  gewöhnlicher  profaner 
zustände  und  Vorgänge,  aus  Jacob  vLausanne  sind  solche  exempla, 
unter  moralische  scblagworte  geordnet,  als  Compendium  morali- 
tatum  mehrfach  auch  selbständig  hs.lich  gesammelt,  1528  sogar 
gedruckt  worden,  für  die  brauchbarkeit  dieses  predigerhandbuchs 
im  14  und  15  jh.  sprechen  allein  sechs  Grazer  hss.  Seh.  geht 
sie  s.  43  fr  einzeln  durch  und  teilt  aus  dieser  reichhaltigen  ex- 
cerptensammluDg  sowie  aus  cod.  838  allerlei  fQr  die  cultur- 
geschichte  des  ma.s  an  der  wende  des  13  und  14  jhs.  wichtiges 
und  charakteristisches  in  sachlicher  gruppierung  mit  (s.  47 — 97). 
ich  mache  besonders  auf  die  nrr  128.  129.  131.  148.  175.  180. 
183  aufmerksam,  die  sich  sachlich  mit  MFr.  127,34f;  9,5fr, 
Parz.  281  (nicht  221),  23,  Hartmanus  9dfmg$  (Büchlein  352fr), 
MFr.  120,  18,  Boner  und  Gerhard  vMinden  berühren,  auf  eine 
reihe  merkwürdiger  einzeichnungen  in  einer  der  hier  behandelten 
hss.  des  compendiums,  unflätig -erotischer  ^äufserungen  des  gro- 
bianismus'  lenkt  Seh.  nebenher  (s.  97  ff)  unser  augenmerk.  — 
nr  7  bespricht  eine  lat.,  aber  für  deutsche  zuhörer  bestimmte 
jagdpredigt,  in  der  der  birsch  des  Jacobssegens  über  Nephtalim 
(Gen.  49,  21)  auf  Christus  gedeutet  wird;  Seh.  commentieri  sie 
im  einzelnen,  insbes.  die  eingeflocbtenen  deutseben  tecfaoischen 
ausdrücke  des  Jagdwesens  unter  berflcksichtigung  der  einscbli» 
gigen  deutschen  litteratur  des  ma.s  (zb.  Gottfried,  Hadamar  vLaber, 
Pleier,  Jagd  der  minne);  vgl.  dazu  noch  meine  anm.  zu  HvNOrd- 
lingeu  45,  24  f.  —  unter  nr  8  (nicht  9)  bebandelt  Seh.  den  zu- 
erst von  JGrimm  erwähnten  und  seitdem  öfter  genannten  tractat 
De  superstitionibus  des  mag.  Nicolaus  vJauer  (c  1355  — 1435), 
sowie  die  incunabel  De  laniis  (statt  lamiis)  et  phitonicis  mnlieri- 


'SCHÖNBACH    MISCELLEN   AUS    GRAZER    HSS.    III  217 

bus  Teutonice  vnholden  vel  hexen,  voa  Ulrich  Holitor  vCoustanz 
1489  dem  erzherzog  Sigmund  dem  Münzreichen  vTtrol  gewidmet; 
zu  den  historischen  Voraussetzungen  vgl.  noch  KKirchlechner  Aus 
den  tagen  herzog  Sigmunds  des  Münzreichen  und  k.  Maximilians  i, 
Linz  1884,  bes.  s.  42  f.] 

Den  glücklichsten  fund,  mit  dem  uns  Seh.  jüngst  beschenkt  hat, 
enthalten  unstreitig  die  beiden  Studien  hefte  (oben  nr  5  u.  6),  selbst 
wenn  der  verf.  in  der  freude  des  Gndergtücks  den  wert  des  uns  er- 
schlossenen gedichtes,  der  Vorauer  novelle,  ein  wenig  überschätzt, 
um  den  in  ihr  behandelten  Stoff  richtig  zu  würdigen,  schickt  er 
im  ersten  hefte  seiner  ausgäbe  eine  umfangreiche  abhandlung 
voraus,  die  von  seiner  reichen  belesenheit  in  der  scholastischen 
litteratur  des  ma.s  abermals  Zeugnis  ablegt.  Seh.  untersucht  die 
geschichte  von  den  beiden  klosterfreunden,  von  denen  der  eine 
stirbt,  einem  einander  bei  lebzeiten  gegebenen  versprechen  gemäfs 
aus  dem  jenseits  zum  freunde  zurückkehrt  und  diesem  zu  dessen 
eigner  besserung  von  den  schrecken  der  hölle  erzählt.  Seh.  ver- 
folgt das  motiv,  mit  der  antike  anhebend,  durch  die  litteratur  des 
ma.s,  insbesondere  in  seiner  ersten  reicher  ausgestalteten,  auf 
französischem  boden  sich  abspielenden  fassung  bei  Wilhelm 
vMalmesbury,  Helinand  und  Vincenz  vBeauvais.  bei  Wilhelm 
vMalmesbury  findet  sich  bereits  der  gegensatz  zwischen  mönchtum 
und  weltclerus  tendenziös  hervorgehoben;  aber  dieser  gegensatz 
hat  auch  noch  in  andrer  weise  litterarisch  ausdruck  gefunden,  und 
zwar  als  conflict  zwischen  askese  und  Wissenschaft.  Vertreter 
dieser  tendenz  ist  ein  sermo  des  Odo  vCheriton,  der  den  einen 
der  genossen  an  eine  historische  person  anknüpft,  an  einen 
magister  Serlo;  gemeint  ist  der  Pariser  professor  Serie  vWilton,  über 
den  Haur6au  näheres  mitgeteilt  hat.  Seh.  sucht  wahrscheinlich 
zu  machen,  dass  diese  identißcierung  in  cislerzienserkreisen  voll- 
zogen wurde,  eine  reihe  ähnlicher  erzählungen  aus  dem  laufe  des 
13  jhs.  geht  insgesamt  auf  Pariser  Überlieferungen  zurück,  und 
noch  im  17  jh.  war  die  geschichte  bekannt. 

In  der  sammelhs.  nr  69  des  cisterzienserstiftes  Renn  bei  Graz, 
in  französischer  schrift  aus  dem  anfang  des  13  jhs.,  ist  die  er- 
Zählung  unter  dem  tilel  De  duobus  sociis  gleichfalls  enthalten, 
zusammen  mit  einer  andern  wundergeschichte  De  juvene  rege  a 
socio  occiso.  Seh.  hat  beide  s.  43 — 75  abgedruckt,  sie  werden, 
«benso  wie  der  in  der  hs.  ihnen  unmittelbar  folgende  Liber  mi- 
raculorum  des  spanischen  cisterziensers  Herbert  in  cisterzienser- 
kreisen  entstanden  und  für  diese  bestimmt  gewesen  sein,  angefüllt 
mit  zahlreichen  citaten  aus  der  ganzen  heiligen  schrift  und  kirch- 
lichen autoreu,  den  wortvorrat  aus  classikern  schöpfend,  bekunden 
sie  einen  geistlichen  Verfasser  von  hervorragender  bildung.  die 
erste  Reuner  relation  basiert  auf  der  geschichte  der  beiden  ge- 
nossen in  der  fassung  des  Wilhelm  vMalmesbury,  weiter  ausge- 
staltet zu  einem  kleinen  roman,  doch  muss  dem  verf.  von  R  die 
A    F.  D.  A.  XXVI.  15 


218   SCHONBACH  STUDIEN  ZUR  ERZÄHLUNSLITTCBATUR  DKS  MA.S  I 

Serlofassung  schoD  irgendwoher  nahegebracht  worden  sein,  viel- 
leicht auf  mündlichem  wege,  denn  R  ist  älter  als  alle  vorhandenen 
aufzeichnungen  dieser  Variation.  R  ist  eine  tendenzschrift  aus 
dem  ende  des  12  jhs.  im  interesse  der  cislerzienser  gegen  die 
cluniacenser,  sie  will  für  die  jungem  cisterzienser  gegen  die  altern 
cluniacenser  propaganda  machen,  wie  Seh.  s.  91  f  im  einzelnen 
anschaulich  und  mit  grofser  Sachkenntnis,  wie  wir  dies  bei  ihm 
gewohnt  sind,  darlegt;  auf  die  feinsinnige  Charakteristik  der  beiden 
Ordensrepräsentanten  Petrus  Venerabilis  und  Bernhard  vClairvaux 
sei  hier  besonders  aufmerksam  gemacht,  benutzt  hat  Caesar 
vHeisterbach  die  erste  Renner  relation  sowol  in  seinem  Dialogus 
miraculorum  wie  in  seinen  homilien  (s.  116 ff),  aus  ihm  gien? 
die  geschichte  in  verschiedene  spätere  Sammelwerke  (s.  120  ff) 
über;  ich  verweise  noch  auf  eine  gekürzte,  an  Wilhelm  vHalmesbury 
anlehnende  fassung  des  mirakels  in  einer  KOnigsberger  hs.,  die 
auch  Caesars  Dialogus  und  eine  Vita  bHugonis  Ord.  cisterc.  ent- 
hält (Germ.  16,  3100- 

Die  erste  Renner  relation  ist  nun  aber  auch  die  vorläge  der 
Vorauer  novelle,  der  Seh.  das  zweite  heft  seiner ,  Studien  ge- 
widmet hat.  das  deutsche  gedieht  steht  in  der  Vorauer  sammeihs. 
nr  412.  Seh.  hat  sie  in  ihren  einzelnen  teilen  ausführlich^ 
unter  zugäbe  von  proben,  beschrieben,  es  sind  überwiegend, 
wenn  auch  unvollständig  überliefert,  lat.  predigtsammluogen  ver- 
schiedenster art  aus  dem  12  und  13  Jh.,  ^eine  muslerkarte  der 
ma.lichen  predigt',  fast  alles  arbeiten  von  benedictinern,  minoriten, 
namentlich  aber  cisterziensern  sowol  in  Frankreich  wie  in  Deutsch- 
land, besonders  interessant  ist  nr  1,  deren  fehlerhaftes  und  unbe- 
hilfliches latein  sich  wie  Übersetzung  aus  dem  deutschen  aus- 
nimmt, so  dass  man  mit  Seh.  an  lat.  nachschriften  deutsch  ge- 
haltener predigten  denken  möchte,  der  volkstümliche  ton  dieser 
stücke  lässt  sie  als  eine  art  Vorläufer  Bertholds  vRegensburg  er- 
scheinen, von  dem  nr  2  den  rest  eines  bisher  unbekannten  jugend- 
werks  enthält;  Seh.  behält  sich  darüber  weitre  mitteilungen  vor. 
die  hauptmasse  der  hs.  wird  aus  einem  cisterzienserkloster  stammen, 
auf  beziehungen  zu  diesem  orden  führte  auch  die  gescbicbte  des 
in  R  behandelten  Stoffs,  die  Vorauer  novelle,  die  deutsche, 
leider  unvollständige  bearbeitung  von  R,  steht  in  der  Vorauer  bs. 
auf  bl.  81^ — 84*,  auf  dem  ursprünglich  für  die  fortsetzung  von 
nr  4  freigelassenen  räume  (s.  25).  Seh.  giebt  im  2  cap.  (s.  420) 
einen  kritisch  gereinigten  text,  hat  aber  unter  demselben  die  Ober- 
liefrung  genau  nach  der  hs.  zum  abdruck  gebracht,  im  3  cap. 
'Schreiber  und  dichter'  (s.  68 ff)  steht  die  sprachliche  Untersuchung, 
die  das  gedieht  der  alemannischen  mundart  zuweist,  nicht  immer 
im  einklang  mit  der  vorangehnden  textgestalt  (zb.  s.  71  i«  2f 
von  unten),  einige  sonstige  sprachliche  irrtümer  mOgen  gleich 
hier  berichtigung  finden,  die  auffassung  des  1  conj.  prät.  iAg$ 
als  'unechter'  umlaut  (s.  69)  ist  irre    leitend,    die   schreibong 


SCBÖr<«BACH    STUDIE!^    ZUR    ERZAHLUNGSLITTERATDB   DES   MA.S   II       219 

sdere  319  (5.  70  z.  9)  konnte  ich  nicht  auffinden,  die  an  allen 
stellen  überlieferte  form  himehlichen  (s.  70  z.  10)  zeigt  nicht 
versetztes  5,  war  vielmehr  beizubehalten,  vgl.  Weinhold  AI.  gr.  8.268. 
Mhd.  gr.  §  295.  DWb.  iv  2,  1351.  in  Hcham,  das  463.  564 
im  text  zu  belassen  war,  ist  doch  nicht  n  im  inlaut  ausgefallen 
(s.  70  z.  25).  die  zäher  648  wird  ebenso  wie  605  als  plnr.  des 
masc  und  nicht  als  fem.  aufzufassen  sein  (s.  70  z.  2  v.  u.). 
wenn  417  würklich  ain  $unf(t)en  überliefert  ist,  wie  die  lesarten 
schreiben  (s.  71,  3  schreibt  Seh.  aber  aine)^  dann  ist  das  7 mal 
vorkommende  nomen  auch  in  der  Vorauer  novelle  nur  als  masc. 
belegt.  9. 71,22:  der  reim  sin  .Am  steht  v.  559  (nicht  591).  wenn 
Seh.  (s.72)  die  dreimal  im  reim  erscheinenden  schwachen  präteri- 
talen  participialformen  mit  angefügtem  e  :  verworhte  24. 434,  unbe- 
kande  76  unter  Verweisung  auf  AI.  gr.  §  371  als  der  alemannischen 
mda.  angehörend  aufführt,  so  versagt  zunächst  das  citat.  Seh. 
meint  vielleicht  den  §  372  (s.  38t),  wo  aus  dem  15  und  16  jh. 
je  ein  beleg  beigebracht  ist.  aus  dem  luxemburgischen  belegt  sie 
JMeier  Jolande  s.  xviii  f,  ebenfalls  erst  aus  jüngrer  zeit  neben  den 
häufigeren  formen  mit  angeführtem  en,  doch  möcht  ich  deshalb 
nicht  ohne  weitres  jenes  e  als  aus  en  hervorgegangen  ansehen; 
auf  jeden  fall  sprechen  diese  reime  in  der  Vorauer  novelle,  die 
besser  von  einem  vierten  Gabriele :  sele  447  zu  trennen  waren, 
gegen  die  erste  hälfte  des  13  jhs.;  ich  vermag  aber  selbst  aus 
der  zweiten  hälfte  trotz  einigem  suchen  keinen  weiteren  beleg  zu 
geben. 

Die  art,  wie  der  deutsche  dichter  seine  lat.  vorläge  verwertet 
hat,  wird  s.  72  IT  durch  eine  genaue  vergleichung  veranschaulicht, 
ich  habe,  an  Sch.s  lehrreichen  ausfUhrungeu  nur  auszusetzen,  dass 
er  mit  der  beeinflussung  von  V  durch  R  —  sie  ist  evident  — 
gelegentlich  doch  zu  weit  geht,  so  bei  s.  94f  100 f  266.  288. 
289.  290.  299,  wo  m.  e.  kaum  von  einem  abhängigkeitsverhältnis 
die  rede  sein  kann,  der  dichter  von  V  wird  sich  betreffs  des 
Stoffes  überwiegend  auf  sein  gutes  gedächtnis  verlassen  haben, 
sonst  würde  er  nicht  gerade  an  stellen,  wo  nichts  von  dem  von 
ihm  gesagten  in  seinem  text  stand,  sich  auf  diesen  als  auf  seine  quelle 
berufen  haben,  s.  aufser  v.  548  (Seh.  s.  83)  noch  v.  28.  indem 
ich  die  ergebnisse  der  Sch.schen  von  vers  zu  vers  fortschreitenden 
Untersuchung  hier  kurz  zusammenfasse,  gestatt  ich  mir  gleich* 
zeitig  einige  ergänzungen  auf  grund  einer  seminararbeit  meines 
Zuhörers  dr  Mechau.  nach  stofT,  anordnung  und  geist  beruht  V 
ganz  auf  R,  dagegen  verfolgen  original  und  nachdichtung  ver- 
schiedene tendeozen  und  auch  hinsichtlich  der  form  tritt  V  selb- 
ständig auf.  R  zeigt  eine  zweifache  tendenz,  sie  steht  im  dienste 
theologischer  und  kirchlicher  propaganda.  ihre  theoretisch-theo- 
logische tendenz  ist  die  betonuug  deraugustinischenprädestinations- 
lehre.  auf  diesen  leitenden  gedanken  kommt  R  bei  jedem  anlass 
zurück,  was  Seh.  noch  bestimmter  hätte  hervorheben  sollen  (vgl. 

15* 


220   SCHÖNBACH  STUDIEN  ZUR  EBZÄULUNGSLITTERATDB  DES  MA.S  II 

seine  äufserungen  i  85.  ii  74  f  77.  SO  gegenüber  i  87.  ii  83.  89), 
wenigstens  fölll  diese  tendenz  ebenso  stark  ins  gewicht  wie  die 
zweite,  die  kirchliche,  die  Verherrlichung  des  cisterzienserord^ns 
auf  kosten  der  congregation  von  Cluny  (i  91).  beide  tendenzen 
gehn  V  ab.  V  hat  jeglichen  prädeslinationsgedankeo  in  R  sorg- 
fältig ausgemerzt,  ja  v.  373  fT  scheinen  sich  ausdrflcklich  gegen 
dies  fatalistische  dogma  zu  wenden  (Seh.  s.  80).  ebenso  fehlt  in 
V  jede  bezugnahme  auf  Cluny  und  den  cisterzienserorden.  das 
deutsche  werk  steht  unter  einer  höheren  tendenz,  indem  es  die 
grofsen,  allgemein  menschlichen  angelegenheiten  ins  äuge  fasst; 
es  verfolgt  keine  parteizwecke,  sondern  will  sittlich-religiös  fördernd 
würken.  V  ist  aber  auch  der  form  nach  selbständig,  der  deutsche 
dichter  hat  mehr  getan  als  die  iat.  prosa  in  deutsche  verse  um- 
zusetzen, er  ist  ein  würklicher  poel,  der  lebendig  und  anschaulich 
darzustellen  weifs.  seine  lebendigkeit  findet  dramatischen  ausdruck 
in  seiner  abneigung  gegen  alles  unpersönliche,  in  seiner  Vorliebe 
für  die  gesprächsform  (vgl.  v.  16):  ein  drittel  des  gedichtes  ver- 
läuft in  directcr  rede  (224  von  649  versen).  der  dichter  lässt 
den  leser  den  Charakter  der  personen  allein  aus  deren  handlungen 
erkennen,  dagegen  sind  die  mittel,  durch  die  V  die  darstellung 
anschaulicher  macht,  spec.  epische:  V  ergeht  sich  in  poetischer 
Schilderung  phantastischer  örilichkeiten  wie  hölle  und  himmel 
oder  volkstümlicher  anschauungen  über  sterben  und  gericht,  über 
Seligkeit  und  Verdammnis;  originelle  und  kühne,  aber  nicht  un- 
schöne bilder  und  charakteristische  vergleiche  stehn  manigfach 
zu  geböte,  die  bilder  verteilen  sich  auf  drei  stellen  (8 — 23.  94  bis 
108.  262 — 291),  kaum  findet  sich  ein  bild  allein,  ist  die  phantasie 
des  dichters  einmal  angeregt,  dann  drängt  ein  bild  das  andere, 
ein  vergleich  den  andern;  s.  noch  v.  55 — 63.  417 — 421.  auch  in 
einzelheiten  erweist  sich  V  als  durchaus  selbständig,  so  hat  V 
alles  reintheologische  beiwerk  der  vorläge  ausgeschieden,  insbes. 
die  gehäuften  bibeicitate  des  Iat.  textes,  in  dem  dr  Mechau  47 
bibelstellen  und  112  anspielungen  auf  solche  zählt,  von  den  32 
bibelsprüchen  und  45  anspielungen^  die  R  bis  zu  dem  puncte 
aufweist,  wo  V  abbricht,  bietet  V  kein  einziges  citat  und  nur 
acht  stellen,  die  mehr  oder  weniger  erinnerungen  an  schriflstellen 
zeigen,  auch  flicht  V  eine  reihe  psychologisch  wahrer,  charakte- 
ristischer kleiner  züge  ein,  die  direct  dem  leben  abgelauscht  sind, 
von  guter  beobachtung  der  würklichkeit  zeugen,  vage  andeu- 
tungen  in  R  endlich  werden  in  concreter  gestalt  widergegeben. 
So  erscheint  uns  V,  wenn  wir  alles  zusammennehmen,  trotz 
seiner  Iat.  vorläge  doch  wie  eine  Originaldichtung,  der  dichter 
hat  würklich  das  latein  seiner  quelle  'zerbrochen'  (v.  8),  es  ein- 
geschmolzen Sn  der  esse  seines  herzens'  (v.  11),  und  es  ist  daher 
bedauerlich,  dass  der  Schreiber  grade  an  jener  stelle  abbricht,  wo 
dem  talente  des  dichters,  der  in  der  Vorauer  novelle  nicht  zum 
ersten  male  das  wort  ergreift  {aber  v.  1),   eine,  ganz  besonders 


SCHÖ^NBACH    STUDIEN   2UR    EBZÄHLDISGSLITTERATDR    DES   MA.S   II       22  t 

dankbare  aufgäbe  gestellt  waj\     wie  mag  er  sich   mit  ihr  abge- 
funden haben? 

Mau  wird  Seh.  ohne  weilres  zustimmen,  wenn  er  meint,  der 
dichter  könne  wol  wegen  seiner  religiösen  tendenz  ein  geistlicher 
gewesen  sein,  aber  er  müsse  es  nicht;  mit  besserem  rechte  wird 
man  in  ihm,  der  sich  als  kenner  und  freund  höfischer  sitte  und 
redeweise  zeigt,  einen  gebildeten  laien  vermuten  dürfen,  einen 
frommen,  gutgeschulten,  weltkundigen,  scharf  beobachtenden  mann, 
einen  poeten  von  bedeutender  formgewantheit  aus  der  schule 
Gottfrieds,  wenn  Seh.  dann  aber  unser  gedieht  der  ersten  hälfte 
der  13  jhs.  zuweisen  will,  so  kann  ich  ihm  darin  nicht  folgen, 
nach  Seh.  (s.  89)  sollen  die  hs.liche  Überlieferung,  die  spräche 
und  poetische  lechnik  dazu  nötigen,  über  erstere  vermag  ich 
ohne  directe  einsieht  natürlich  nicht  sicher  zu  urteilen,  aber  das 
was  Seh.  s.  22.  25  über  duclus  und  art  der  aufzeichnung  vor^ 
bringt,  enthält  zunächst  nichts  beweisendes,  auch  die  spräche 
zwingt  nicht  zu  so  früher  datierung.  mögen  immerhin  worte 
wie  gotes  taugen  (116,  vgl.  Kraus  zu  Dtsche  ged.  d.  12  jhs.  11,  47), 
hantgetdt  (383),  heütggeist  (407),  weizgot  (375.  457,  vgl.  Kraus 
zu  8,  14)  ältres  geprage  tragen,  so  weist  doch  anderes  mit  ent- 
schiedenheit  in  eine  jüngere  zeit,  vgl.  adelcBre  617,  ätemzuc  467^ 
schiuzHch  366,  schnolherre  143,  die  sparsame  Verwendung  der 
negation  en-  (s.  unten  zu  v.  377),  das  epithetische  e  im  reimwort 
(s.  oben  s.  219),  enhcsret  (im  reim  auf  heswceret)  von  enbarn  214 
(Scb.  s.  71),  drizegen  520  als  'volkstümliche  Verkürzung  (?)  von 
drizegesten*  (Seh.  s.  70).  die  Charakteristik  des  Versbaus  (s.  86) 
spricht  m.  e.  grade  eher  für  die  zweite  hälfte  des  13  jhs.;  im 
einzelnen  wäre  hier  folgendes  zu  berichtigen:  s.  87,  1  spricht 
Seh.  von  vier  reimen  mit  dem  ausgang  >Lv^^,  ich  zähle  nur  zwei 
(204.  238);  zu  87,  15:  mein  reimlexikon  zählt  34  zweimal  und 
2  dreimal  vorkommende  reimpaare;  S8,  A  Vis  helleviure  :  ungehiure 
305.  395.  riuwe:  triuwe  573.  643  und  streiche  das  in  parenthese 
stehndc.  im  gegensatz  zu  s.  89,  wo  Scb.  sich  mit  bestimmtheit 
für  die  erste  hälfte  des  13  jhs.  entscheidet,  drückt  er  sich  s.  88 
vorsichtiger  und,  wie  ich  glaube,  richtiger  über  die  kunstübung 
des  dichters  und  ihre  zeitliche  wertung  aus.  Seh.  betont  stark 
den  eiufluss  Gottfrieds,  gewis,  er  ist  vorhanden,  aber  daneben 
hebt  Seh.  selbst  die  verwantschaft  mit  Rudolf  vEms  und  Konrad 
vVYürzburg,  auch  sprachliche  berührungen  mit  der  Martina 
hervor.  es  durften  noch  Walther  vRheinau  und  ReinfriC 
vBraunschweig  genannt  werden,  wir  müssen  uns,  wie  mich  eigne 
Sammlungen  belehren  —  ich  möchte  Seh.  nicht  vorgreifen,  s. 
seine  bemerkung  auf  s.  90  —  einstweilen  damit  bescheiden,  den 
alemannischen  dichter  der  Gottfriedschen  schule  eingereiht  zu 
haben,  ich  halle  ihn  für  mindestens  so  stark  von  den  beiden 
hauptepigonen  Gottfrieds  als  von  diesem  selbst  angeregt,  die 
ähnlichkeit  des  eingangs  von  V  mit  dem  in  der  Goldnen  schmiede 


222     schOnbach  Studien  zur  erzahlungslittkratur  dss  iu.8  ii 

hat  Seh.  s.  91  erwähot,  er  hätte  noch  hinzufügen  können,  dass 
die  Schilderung  der  freundestreue  und  die  tendenz,  zur  abkehr 
von  der  weltlust  zu  mahnen,  auch  die  leitenden  gedauken  in  Der 
Welt  lohn  und  im  Engelhard  sind. 

Ich  schliefse  mit  einigen  bemerkungen  zum  text  des  ge- 
dichtes.  v.  15  lis  durchstceche.  16  warum  nicht  mit  der  hs.  ein 
süeze  gesprwchel  40  einem  daz  joch  %\f  binden,  vgl.  Ludwigs 
Kreuzfahrt  3S13.  Renner  11405.  42  vgl.  Heinzel  zum  Priester- 
leben 127.  53  lis  überladen.  85  nach  der  werlde  süeze  bezieht 
sich  auf  82.  83,  worauf  84  gleichsam  in  parenthese  folgt;  jedes- 
falls  scheint  mir  die  conslruclion  verderben  nach  unmöglich.  86 
vgl.  Erec  8976.  92.  328  gotlichiu  beschöude  vgl.  Hahn  zu  Strickers 
Kl.  ged.  12,  233.  99  muoikür  vgl.  Grimm  gr.  ii*  446.  107  u. 
433  in  der  hebung  wird  doch  besser  ^^n  geschrieben.  111.287 
in  ze  tac  ze  tac  ie  baz  und  baz  erscheinen  zwei  beliebte  rormeln 
vereinigt;  der  zusalzvers  in  der  hs.  nach  287  ist  widerbolung 
von  V.  112.  113f  merken  mit  dem  acc.  der  pers.  ist  sonst  nur 
aus  junger  zeit  nachweisbar  (vgl.  DWb.  vi  2096.  Schweiz, 
idiot.  IV  408),  lis  nü  merket  —  an  mich!  116f.  vgl.  (er)  hat 
die  tougenheit  entaht  Heiozelin  vKonstanz  127,  55.  117  nach 
entdecke  steht  besser  ein  komma,  desgleichen  119  nach  sünde; 
118f  hängen  ab  von  115—117,  während  120f  mit  115  corre- 
spondiert.  118f  scheint  bessern ngsbedürftig,  da  man  den  Sünder 
doch  nicht  in  tiefe  riuwe  der  sünde  wecken  kann;  vielleicht 
Stand  dd  mit  ich  sünder  {dem  s.l)  wecke  intiefe  ritiwe  der  sünde; 
wecken  mit  dem  dat.  wie  bei  erwecken;  zum  intensiven  in-  in 
intiefe  vgl.  Wilmanns  D.  gr.  ii  571.  Germ.  15,  61.  Schweiz. 
idiot.  I  292;  das  nomen  intiefi  steht  Myst.  ii  669,  33;  da  der 
Wortschatz  in  V  manches  mit  Gottfried  vStrafsburg  gemein  bat, 
sei  auch  an  das  viermalige  ingrüene  im  Tristan  erinnert.  128  stic 
136  würde  ich  die  anfuhrungszeichen  streichen,  da  ich  sus  auf 
135  beziehe:  *um  diesen  preis',  der  säle  unheil  nämlich;  anders, 
aber  nicht  überzeugend.  Seh.  s.  75.  145  lis  schächenden.  157  f 
wol  besser  keren  mi/o/,  sin  unde  gunst  üf  nigromancte  kunst. 
159  der  meister  lachende  (hs.  lachet)  began,  doch  wol  lachen^  wie 
denn  Seh.  v.  218  auch  vrdgen  statt  überliefertem  fragende  ge- 
schrieben hat.  184  ze  suoche  *als  gewinn',  *zur  beute'.  193  vgl. 
aHeinr.  1122.  Parz.298, 14.  Nib.  2282,  2.  206  der]  diu!  209 
zu  Marner  i  50.  mit  294  beginnt  wol  ein  neuer  absatz,  vgl.  28. 
306.  396  lässt  sich  die  Verbindung  von  wilde  und  ungehiure  noch 
anderwärts  belegen?  331  lis  mine.  334  mtV.  336.  496  ist  diser 
überliefert;  die  änderung  in  dirre  war  durch  327  kaum  geboten. 
364  der  reim  sorgen  :  worgen  erscheint  besonders  bei  alemannischen 
dichtem:  Burkhard  vHohenfels,  Ulrich  vWinterstetten ,  Steinmar 
(s.  ANeumann  Leben  und  gedichte  Sleinmars  s.  79f.  102),  Hugo 
vLangenstein  (Seh.  s.  91);  auch  jTit.  5414.  377  lehrt,  dass  der 
dichter  die  negation  schon  durch  einfaches  niht  ausdrückte;   es 


SCflO>'BACB   STUDIEN   ZUR   ERZÄHLUN6SLITTBRATUR   DES   MA.8   II       223 

lag  deshalb  m.  e.  kein  anlass  vor,  an  aadero  stellen  das  über- 
lieferte niht  durch  en  zu  ersetzen  (355,  aber  315  geschah  es 
nicht,  obwohl  es  hier  eher  zu  begründen  gewesen  wäre)  oder  dem 
niht  der  hs.  noch  die  negation  en  hinzuzufügen  (167.  243.  332. 
338.  359.  393.  437);  nur  384  ist  en  neben  niht  auch  in  der 
hs.  überliefert  und  410  scheint  es  mit  Seh.  würklich  geboten, 
anderseits  ist  im  abhängigen  satze  willkürlich  mit  der  negaüon 
verfahren,  vgl.  379.  420  mit  der  hs.lichen  Überlieferung.  401  viL 
431  ist  der  punct  zu  streichen.  451  1.  mit  der  hs.  vri  vor  missB' 
wende.  45811  1.  mOcht  ich  vorschlagen  zu  lesen  gedenke  daz 
du  hast  gelesen^  daz  nie  kein  riuwe  ze  spcete  wart^  wan  an  der 
leiten  hinevart  so  gewinne  ein  siufte  (darauf  führt  Seh.  selbst 
6.69,3.  71,2)  hulde  usw.  der  lat.  text  (s.  Seh.  s.  82)  spricht 
nicht  dagegen,  da  er  nur  den  ausgangspunct  für  V  bietet.  479  ich\ 
nach  hin  komma  und  480  nach  hin  punct  (trotz  Sch.s  ausführungen 
s.  88).  500.  614  warum  nicht  mit  der  hs.  mit  klagdichem 
smerzenl  vgl.  185;  ebenso  war  505  daz  ich  dich  (Seh.  list  din) 
ie  ze  vriunde  gewan  unbeanstandet  zu  lassen.  530  ist  die  inter- 
punction  zu  streichen.  554  1.  ein  trüebe{z)  gehilwel  wölken^  das 
in  der  hs.  zwischen  ain  und  trüb  steht,  könnte  in  der  vorläge 
als  erläutrung  zu  gehilwe  am  rande  gestanden  haben.  605  ist  im 
bsl.apparat  ausgefallen.  617  reht,  —  im  text  der  abhandlungen  1. 
I  75  unten  'hergestellt  wurden',  zu  ii  11  vgl.  Zs.  f.  d.  phil.  11, 
253.  Anz.  viii  220.  ii  20  z.  8  1.  cecus,  z.  8f  phreneticus.  ii  41  1. 
Publius  Syrus.  ii  77  z.  9  ist  nach  'anm.  17':  ^vorweg'  ausge- 
fallen; ebenda  z.  18  1.  '294'.  ii  83  z.  17  'ein  verlebendigender 
Zusatz'  ist  recht  unschön,     ii  85  z.  18  1.  '548'. 

Halle  a/S.^  jan.  und  mai  1900.  Philipp  Straucb. 


Beschreibung  des  geistlichen  Schauspiels  im  deutschen  miltelalter.  von 
Richard  Heinzel.  [=»  Beiträge  zur  ästhetik,  hsg.  von  Th.Lipps  und 
R.  AI.  Werner,  IV.]  Hamburg  und  Leipzig,  LVoss,  1898.  viii  und 
354  SS.   80.  —  9  m. 

WScherer  hatte  schon  vor  vielen  jähren  einen  kanon  für  die 
beschreibung  poetischer  kunstwerke  verlangt,  in  dessen  fachwerk 
alles,  was  wir  an  ihnen  zu  beobachten  vermögen,  so  vollständig 
aufgenommen  sein  sollte,  wie  die  eigenschaften  der  natürlichen 
Organismen  in  ihre  Systematik,  darin  lag  ein  fingerzeig  für  RHeinzels 
buch,  der  hiuweis  auf  die  Systematik  der  uaturwissenschaften  ist 
dabei  nicht  so  mafsgebend,  sondern  vielmehr  die  beschreibung. 
wenn  auch  in  den  uaturwissenschaften  die  beschreibung  einem 
höhern  zwecke  diente  und  wir  durch  sie  auf  inductivem  wege 
zu  einem  ganzen  logischen  bau,  zu  einer  vollen  Systematik  gelangt 
sind,  so  haben  wir  darnach  bei  poetischen  kunstwerken  zunächst 
kein  bedürfnis,  denn  hier  kennen  wir  bereits  die  gattungen, 
arten  ...  es  handelt  sich  also  nur  um  eine  genaue,  planmäfsige 
beschreibung,  die  einen  kanon  abgeben  könnte  für  beschreibung 


224       HEINZEL  BEISCHREIBUKG  D.  GEISTL.  SCHAUSPIELS  IM  DEUTSCHEN  HA. 

poetischer  kunstwerke  überhaupt.  H.  wdhlte  sich  zu  dieser  be- 
Schreibung  geistliche  Schauspiele  vom  11  bis  ende  des  15  jhs. 
aus,  deren  kunstcharakter  genau  beschrieben  werden  soll,  die  an- 
wendung  systematischer  naturbeschreibung  auf  poetische  kunst- 
werke  ist  freilich  nicht  so  einfach,  die  Verhältnisse  liegen  beider- 
seits nicht  gleich,  bei  den  nalurwissenschaften  haben  wir  es  zumeist 
mit  einer  concreten  aufsenweit,  mit  dingen  in  einem  räumlichen 
nebeneinander,  bei  dramen  nur  zum  kleinern  teil  mit  solchen  zu 
tun,  zum  gröfsern  teil  zeigen  die  handlungen  ein  zeitliches  nach- 
einander und  würken  von  aufsen  nach  innen,  wo  sie  neue  geistige 
Verbindungen  eingehu.  dort  ist  mehr  anschauung  und  empfindung 
mafsgebend,  hier  Vorstellung,  phantasie,  gefühl.  der  verf.  bespricht 
weder  den  plan  seiner  beschreibung  eingehend  noch  sein  Ver- 
hältnis zu  Vorgängern  genauer,  um  (s.  9)  *das  ohnehin  schwer- 
fällige buch  nicht  noch  mehr  zu  belasten',  ref.  glaubt  nun,  dass  eine 
genauere  philosophische  auseiuandersetzung  in  dieser  richtuug  das 
buch  nicht  merklich  belastet,  wohl  aber  dessen  Verständnis  sehr 
erleichtert  hätte,  der  verf.  lässt  also  fast  nur  den  plan  seiner  be- 
schreibung selbst  sprechen,  und  so  müssen  wir  uns  auch  zumeist 
daraus  allein  ein  urteil  bilden. 

Der  ganze  plan  der  beschreibung  verrät  aber  im  allgemeinen 
nicht  weniger  philosophisch-theoretische  als  praktische  auschauung. 
die  eigenschaften  sind  so  zusammengestellt,  dass  dabei  der  physio- 
logisch-psychologische Werdegang  vom  ding  an  sich  bis  zum  vollen 
ästhetischen  bewustsein  zur  geltung  kommt.  H.  unterscheidet 
zunächst  die  ersten    und   zweiten  eindrücke. 

Beim  ersten  eindruck  ist  das  publicum  noch  nicht  zum 
bewustsein  über  die  wahrgenommenen  gesichts-  und  gehörsein- 
drücke  gekommen,  als  ob  es  die  im  stücke  gebrauchte  spräche 
des  monologs,  dialogs,  der  chOre  nicht  verstände,  wenn  auch 
die  schalle  der  sprachlaute  und  ihrer  gruppen,  der  metren,  der 
musik  an  sein  ohr  schlagen,  ihre  tonstärke,  -höhe,  -färbe»  ihre 
dauer  und  widerholung  aufgefasst  wird,  bei  den  zweiten  ein- 
drücken handelt  es  sich  dann  um  jenen  geistigen  process  im 
publicum,  der  das  volle  Verständnis  des  dargestellten  und  den  ent- 
sprechenden ästhetischen  genuss  zur  folge  hat.  H.  will  also  mit 
diesen  eindrücken  auf  dem  wege  vom  sinnlichen  eindruck  bis  zur 
vollen  geistigen  aufTassung  zwei  Stadien  unterscheiden,  die  wir 
psychologisch  ungefähr  als  empfindungs-  und  vorstellungslebeu 
bezeichnen  konnten,  unter  den  ersten  eindrücken  sind  aber  nicht 
blofse  Sinnenreize,  nicht  die  aufsenweit  au  sich,  sondern  wahr* 
nehmungen  zu  denken,  die  bereits  von  ästhetischen  eindrücken 
begleitet  sind,  mag  auch  von  gesichts-  und  gehOrseindrQckeo  die 
rede  sein  (s.  9),  die  noch  nicht  zum  bewustsein  (I)  des  Zuschauers 
gekommen  sind,  man  sieht  schon  hier,  dass  es  schwer  wird,  die 
ersten  und  zweiten  eindrücke  zu  sondern,  dass  sie  und  mit  ihnen 
auch  die  beschreibungen  vielfach  ineinander  fliefsen  werden,    die 


BEinZEL  BESCHREIBUNG  D.  GEISTL.  SCHAUSPIELS  IM  DEUTSCHEN  HA.        225 

gliederuDg  der  ersten  eindrücke  scheint  sich  dann  zunächst  an 
die  kategorienlehre  anzulehnen,  wenn  wir  nämhch  bei  dieser  prak- 
tischen beschreibung  vom  dingbegriff  (oiala)  absehen  und  die 
dinge  hier  gleich  nach:  i  qualität  (noiov),  ii  quantität(7roaoy), 
ui  Ordnung,  ein  teil  ung:  beziehung  (7[Q6g  tt)  der  dinge  unter- 
einander und  fv  ästhetische  würkung:  beziehung  der  dinge 
zum  auITassenden  Zuschauer  berücksichtigen,  so  erlangen  wir  H.s 
fierteilung  für  die  ersten  und  —  zugleich  für  die  zweiten  ein- 
drucke, im  besondern  lässt  sich  dann  weiter  für  die  ersten  ein- 
drücke der  qualitätsbegriff  (i)  entwickeln,  inwiefern  das  ding 
in:  A)  zustände  gerät,  B)  Vorgänge  aufweist,  und  zwar:  a)  sicht- 
bare oder  b)  hörbare,  überall  mit  mehreren  Unterabteilungen, 
der  quantitälsbegriff  (ii)  kann  beantwortet  werden  auf  die  fragen: 
A)  quantum?  ß)  quoties?  C)  quot?  für  Ordnung,  ein- 
teilung  (iii)  und  ästhetische  würkung  (iv)  hat  H.  keine 
weitern  Unterabteilungen  mehr,  da  auch  in  und  besonders  iv  bei 
den  ersten  eindrücken  wenig  zur  gellung  kommen,  wenn  es 
nicht  der  systematischen  Vollständigkeit  wegen  wäre,  hätten  in 
und  IV  hier  ganz  weggelassen  werden  können,  die  beschreibung 
der  ersten  eindrücke  ist  also  planmäfsig,  nach  logischen  prin- 
cipien  geordnet,  formell  fällt  höchstens  auf,  dass  gegenüber  a) 
sichtbare  Vorgänge  unter  b)  hörbare  keine  numerierten  abteilungen 
mehr  sind,  wie  man  es  bei  einem  kanon  der  beschreibung  er- 
warten möchte. 

Bei  den  zweiten  eindrücken  erwartet  man  zunächst 
beziehungen,  in  welchen  die  sichtbaren  dinge  und  handlungen 
der  spiele  zu  unserem  *ich'  stehn,  also  zumeist  logische,  psy- 
chologische und  ästhetische  beziehungen.  es  wird  daher  nicht 
jedem  leser  gleich  einleuchten,  wieso  hier  wider  dieselben  Unter- 
abteilungen (qualität,  quantität,  Ordnung,  einteilung,  ästhetische 
würkung)  wie  bei  den  ersten  eindrücken  begegnen,  freilich  sind 
Vorstellungen  wie  empfinduugen  immer  sich  gleichbleibende  sym- 
bolische zeichen  der  aufsenwelt,  die  nach  qualitativen  und  quan- 
titativen Verhältnissen  beurteilt  werden  können,  überdies  wird 
hier  die  qualität  (i)  nach:  A)  dramatische  darstellung 
und  B)  dramatische  ansprachen  untersucht,  die  dramatische 
darstellung  (A)  gliedert  sich,  nachdem  die  spiele  nach  Stoffen 
(passionen,  weihnachtspiele  .  .  .)  unterschieden  sind,  dann  in: 
a)  zustände  und  b)  Vorgänge  wie  bei  den  ersten  eindrücken, 
nur  dass  hier  orte,  personen,  tiere,  Sachen  .  .  .  nicht  mehr 
nach  ihrer  ursprünglichen  sinnlichen  auffassung,  sondern  jetzt 
nach  ihrer  durch  das  spiel  und  den  Zusammenhang  bestimmten 
geistigen  bedeutung  beschrieben  werden,  während  zb.  früher 
(s.  231)  unter  den  ersten  eindrücken  die  Schauspieler  nur  nach 
ihrer  äufsern  erscheinung  beschrieben  wurden,  werden  sie  hier 
nach  geschlechi,  alter,  rang  und  den  geistigen  eigenschaften  als 
personen  unterschieden,  unter  b)  vorgange  werden  i  Vorgänge 


226       HEINZEL  BESCHREIBUNG  D.  GEISTL.  SCHAUSPIELS  IM  DBUTSCHE!«  NA. 

als  reden  (gespräche,  gesäoge)  und  n  vorgäoge  als  veränderte 
zustande  und  handlungen,  mit  und  ohne  rede,  und  zwar  1)  einzeln 
oder 2)  im  Zusammenhang  betrachtet,  unter B)dramatische 
ansprachen  erfahren  wir  nun,  was  diese  im  stocke  bezweckten, 
während  wir  sie  früher  nur  nach  ihrer  qualitativen  Verschieden- 
heit kennen  gelernt  hatten,  die  quantitat  (ii)  antwortet  auch 
hier  auf  die  gleichen  fragen,  aber  während  wir  zb.  unter  den 
ersten  eindrucken  die  gröfse  der  bühnen,  die  länge  der  stücke, 
scenen ,  reden,  rollen  usw.  kennen  lernten,  werden  wir  hier  von 
ihrer  eingebildeten  gröfse  und  länge  unterrichtet^  von  chrono- 
logischen und  synchronistischen  reihen  usw. 

Bei  den  ersten  eindrücken  war  die  Ordnung  bereits  bei 
besprechung  der  verschiedenen  gesichts-  und  gehOrseindrücke 
hervorgetreten,  und  es  erübrigte  nur,  unter  iii  Ordnung,  ein- 
teilung  nochmals  auf  die  verschiedenen  glieder  der  reihen,  ihre 
Unterbrechung,  ihre  gleichartigkeit  und  ungleichartigkeit . .  .  hin- 
zuweisen, bei  den  zweiten  eindrücken  werden  aber  unter  ordn  u  n  g 
reihen  berücksichtigt,  die  höhere  anforderungen  an  die  Vorstellungs- 
kraft stellen,  so  parallelismus  der  reihen,  durch  Verknüpfungen 
und  parallelen  bewürkte  Steigerungen,  der  dramatische  aufbau, 
spiel  und  gegenspiel.  die  einteilung  der  spiele  nach  scenen,  vor-, 
nach-  und  Zwischenspielen  ist  oft  schon  äufserlich  kenntlich  und 
darum  auch  früher  schon  besprochen  worden,  hier  ist  nur  weniges 
abweichende  nachzutragen. 

Die  ästhetische  würkung  setzt  bereits  ein  intensiveres 
vorstellungsleben  voraus,  daher  erst  bei  den  zweiten  eindrücken 
von  einer  eigentlichen  ästhetischen  würkung  die  rede  sein  kann, 
diese  wird  zuerst  im  allgemeinen  und  dann  im  be sondern 
behandelt,  durch  das  volle  verhähnis  des  dargestellten  werden 
beim  publicum  und  leserlust- oder  unlustbetonte  Vorstellungen 
und  später  Seelenbewegungen  erzeugt,  die  nach  H.  ästhetisch 
Mm  engeren  sinne*  sind,  was  nun  H.  unter  ästhetisch  im  engeren 
oder  weitern  sinne  versteht,  erfahren  wir  wider  nicht  aus  dem 
buche,  es  wäre  hier,  wo  die  ästhetische  aulTassung  mafsgebend 
wird,  am  platze  gewesen,  auch  den  philosophisch-ästhetischen 
standpunct  genauer  festzustellen,  der  leser  wird  denn  doch  schon 
sehr  neugierig,  ob  wir  es  hier  mit  Schellings  ästhetischem  idealis- 
mus  oder  Hegels  concretem  idealismus,  ob  mit  Herbarts  ästhetischem 
formalismus  oder  einem  ästhetischen  dualismus  zu  tun  haben, 
man  möchte  wissen,  ob  hier  die  reale  weit  von  der  ästhetischen 
zu  trennen,  ob  form  und  inhalt  des  schönen  allein  in  der  ideen- 
weit zu  suchen  ist.  wenn  wir  schon  von  ästhetischer  würkung 
bei  den  ersten  eindrücken  und  im  engeren  sinne  hören,  so  müssen 
wir,  was  Schiller  weitausschauend  schon  erkannt  hat  (Briefe  Ober 
die  ästhet.  erziehung),  das  naturschöne  bereits  als  eine  subjective 
erscheinung  im  menschlichen  bewustsein  gelten  lassen,  das  auch 
ästhetischer  schein  ist,  wenngleich  durch  unsre  unbewust  produ- 


BBINZEL  BESCHREIBUNG  D.  GEISTL.  SCHAUSPIELS  IM  DEUTSCHEN  MA.       227 

cierende  phantasie  hervorgebracht,  die  durch  das  volle  verstdodois 
erzeugten  Vorstellungen  und  seelenbewegungen  führen 
dann  das  eigentliche  kunstschüne,  durch  die  bewust  producierende 
Phantasie  hervorgebracht,  mit  sich,  der  sitz  des  sichtbaren  schonen 
lässt  sich  im  augenschein,  der  des  hörbaren  schönen  im  ohren- 
schein,  der  des  poesieschönen  im  phantasieschein  suchen,  wenn 
wir  nun  die  wabrnehmungsktlnste  wie  den  klang  der  worte,  die 
spräche  nur  als  etwas  secundäres,  gleichsam  blofs  als  sinnliches 
material  des  dramas  gellen  lassen,  so  dürfte  sich  das  wahrscheinlich 
mit  H.s  aufifassung  von  ersten  und  zweiten  eindrücken  und  ästhetisch 
im  engeren  und  weiteren  sinne  decken,  auch  das  mittelalterliche 
Schauspiel  erregt  nach  H.  dem  äugen-  und  ohrenschein  nach 
unmittelbares  gefallen  und  misfallen,  ist  also  bereits  von  ästhetischer 
würkung,  aber  so,  dass  die  betrelTenden  Vorstellungen  entweder 
nur  durch  sich  selbst  oder  auch  noch  durch  mitwürkung  der 
miterregten  nebenvorstellungen  ästhetisch  würken.  lust  oder  Un- 
lust kann  aber  auch  von  den  nebenvorstellungen  selbständig  aus- 
gehn^  ebenso  von  andern  noch  weiter  entfernten  Vorstellungen, 
hei  weichen  aber  dann  die  ästhetische  würkung  aufliört.  eine  land- 
schaft  erregt  zb.  ästhetische  lust,  und  diese  kann  durch  die  neben- 
Vorstellung  des  eben  hörbaren  vogelsanges  u.  dgl.  erhöht  werden, 
nicht  aber  ist  die  ästhetische  würkung  vom  gedanken  an  die 
geliebte,  mit  der  man  hier  sonst  vielleicht  lustwandelt,  abhängig, 
die  geliebte  kann  allerdings  auch  wider  für  sich  ästhetisch  würken, 
aber  erst  durch  die  Vorstellung  ihrer  person,  für  die  ästhetische 
würkung  der  landschaft  ist  diese  nebenvorstellung  bereits  zu  ent- 
fernt und  unabhängig y  weil  für  sich  ßihig,  wider  der  träger 
ästhetischer  würkung  zu  werden. 

Noch  stärker  betont  als  Vorstellungen  sind  dann  die  seelen- 
bewegungen, die  dann  ästhetisch  sind,  wenn  sie  gleichfalls 
durch  einen  gegenwärtigen,  vollkommen  aufgefassten  moment  einer 
bestimmten  tatsache  lust  oder  unlust  erwecken,  fernergelegenes, 
vergangenes  oder  künftiges,  das  nicht  unmittelbar  zur  Verdeut- 
lichung der  vorliegenden  tatsache  mithilft,  trägt  nicht  mehr  zu 
dieser  ästhetischen  würkung  bei.  ästhetische  seelenbewegungen 
können  auch  durch  Suggestion  bewürkt  werden,  gelungene 
nachbildungen  von  zuständen  und  Vorgängen  erregen  für  sich 
lust  und  sind  unabhängig  wie  entferntere  nebenvorstellungen. 
wenn  sie  aber  verdeutlichenden  nebenvorstellungen  entsprechen, 
tragen  sie  auch  zur  erregung  ästhetischer  seelenbewegungen  bei. 
diese  Unterscheidungen  beleuchtet  H.  an  vielen  und  verschiedenen 
beispielen.  der  philosophische  Charakter  des  buchs  kommt  hier 
und  bei  besprechung  des  planes  am  anfange  am  meisten  zur 
geltung. 

Um  ferner  die  ästhetische  würkung  im  besondern  darzu- 
legen, hält  H.  an  der  Unterscheidung  von  Vorstellungen  und  seelen- 
bewegungen fest,     die  Schauspiele   erwecken   Vorstellungen    und 


228        HEI!«ZEL  BESCHREIBUNG  D.  GEISTL.  SCHAUSPIELS  IM  DEUTSCHEN  MA. 

seelenbewegungeD,  die  sich  auf  das  stück,  die  auffübruog, 
den  dichter  beziehen  und  verschieden  betont  sind,  bei  den 
Vorstellungen  wird  die  beziehuug  auf  diese  drei  objecto  ohne 
weitere  Unterabteilungen  durchgeführt,  bei  den  Seelenbewegungen 
mit  den  formell  merkwürdigen  Unterabteilungen:  auf  das  stück 
und  zwar  1)  durch  die  schauspielerisch  dargestellten  zustände  und 
Vorgänge  usw.  a)  die  im  leben  durchaus  erfreulich  sind  b)  die 
im  leben  mit  schmerz  verbunden  sind  —  dann:  auf  die  auf- 
führung  —  auf  den  dichter  .  .  .  nun  folgt  erst  2)  seelenbe- 
wegungen  durch  Suggestion  erregt,  nach  mannigfachen  affecten 
bebandelt,  die  unästhetischen,  durch  das  kunstwerk  nebenher 
erregten  Vorstellungen  und  Seelenbewegungen  werden  unter  der 
bezeichoung  ^association'  nebenbei  eingefügt. 

So  schliefst  das  buch  ab,  ohne  einen  überMick  über  das  ge- 
wonnene, ohne  jedes  schlusswort.  man  greift  dem  zufolge  gierig 
nach  dem  inhaltsverzeichnis,  um  einen  bequemen  Oberblick  über 
den  ganzen  plan  der  beschreibung  zu  gewinnen,  allein  auch  hier 
sind  nicht  alle  Unterabteilungen  aufgenommen,  vgl.  'ästhetische 
würkung'  s.  vii  und  s.  342  f.  ein  genaueres  inhaltsverzeichnis,  das 
zugleich  ein  register  ersetzt,  wäre  nicht  nur  insofern  von  grofser 
Wichtigkeit  gewesen,  als  es  einen  einblick  in  und  einen  überblick 
über  dieses  schwierige  buch  gestattete,  sondern  auch  insofern, 
als  dadurch  das  nachsuchen  einzelner  merkmale  bei  so  vielen 
spielen  leichter  geworden  wäre,  wir  haben  hier  eine  grofse  zahl 
geistlicher  Schauspiele,  in  alle  teile  zerlegt,  vor  uns.  bei  so  ein- 
gehnder  beschreibung  vieler  individua  vertieft  sich  der  blick  für 
den  kunstcharakter,  und  es  treten  so  viele  merkmale  heraus,  dass 
wir  bei  sonstiger  leciüre  oder  betracbtung  nie  in  dem  mafse  auf 
sie  aufmerksam  würden,  darin  ligt  ein  hauptwert  dieser  be- 
schreibung. nur  ist  es  schwer^  mit  diesem  inhaltsverzeichnis  sich 
zurecht  zu  ßnden,  zumal  da  auch  die  formelle  gliederung  des 
planes  noch  einghender  und  genauer  hätte  sein  können,  für 
einen  kanon  einer  systematischen  beschreibung  ist  das  eine  haupt- 
Sache,  aber  auch  so  wird  jeder^  der  sich  irgendwie  mit  drama- 
tischer dichtung  eingehender  beschäftigt,  aus  der  lectüre  dieses 
buches  grofsen  gewinn  ziehen.  —  störende  druckfehler  begegnen 
sehr  seilen,  s.  329  z.  19  vu.  fehlt  ein  relativpronomen,  s.  176  z.  8  vo. 
ist  ^nicht'  zu  streichen,  s.  202  z.  6  v.  u.  1.  Johannes. 

^\xn  bleibt  noch  die  letzte  und  wichtigste  frage  zu  erörtern: 
haben  wir  in  dieser  beschreibung  H.s  würklich  den  von  WScherer 
verlangten  kanon  für  die  beschreibung  poetischer  kunstwerke?  — 
die  Wissenschaft  ist  dem  Verfasser  jedesfalls  für  die  grofse  und 
schwierige  arbeit  dank  schuldig,  wenn  sie  sich  für  die  Zukunft 
nicht  bewähren  sollte,  so  ist  der  fehler  nicht  in  dieser  arbeit, 
sondern  in  der  uatur  der  sache  begründet,  in  der  Systematik 
der  naiurwissenscbaften  haben  wir  freilich  einen  ausgezeichneteo 
behelf  für   erkenntnis   und   Unterricht,   und  es  wäre   gewis   ein 


HEI2<IZEL  BESCHREIBUNG  D.  GEISTL.  SCHAUSPIELS  lU  DEUTSCHEN  MA.        229 

gleiches  auf  dem  Felde  der  kunst  höchst  wünschenswert,  allein 
hier  ist  die  betrachtung  aus  der  aufsen-  in  die  innenweit  zu  ver- 
legen, und  dabei  verliert  sich  auch  die  realität,  fassbarkeit  und 
Volkstümlichkeit,  die  vorstellungswelt  hat  nicht  mehr  das  leb- 
hafte der  empfindungen,  und  die  enge  und  einheit  des  bewust- 
Seins  widerstreben  einer  anschaulichen  Zergliederung  des  gedank- 
lichen, ein  philosophisch  gebildeler  wird  sich  nur  mühsam  durch 
eine  solche  beschreibung  durcharbeiten,  ein  praktisches,  allgemein 
brauchbares  Werkzeug  wird  sie  darum  kaum  werden,  das  scheint 
der  Verfasser  am  ende  selbst  gefühlt  zu  haben. 

Krummau,  october  1899.  J.  J.  Abi&iann. 


Gerstenbergs  Ugolino.  ein  Vorläufer  des  geniedramas.  mit  einem  aniiang: 
Gerstenbergs  fragment  *Der  Waldjöngling'.  aus  der  handschrift  ver- 
öffentlicht von  dr  Montagüe  Jacobs.  [=  Berliner  beitrage  zur  ger- 
manischen und  romanischen  philologie.  veröATentlicht  von  dr  Emil 
Ebering.  XIV,  germanische  abteilung  nr  7.]  Berlin,  ECbering,  1898. 
2  bll.  und  147  ss.    gr.  8^  —  3  m. 

Der  vf.  sucht  mit  der  vorliegenden  Studie  ^die  enge  ver- 
wantschaft  des  Ugolino  mit  der  dramatischen  dichtung  des  stürm 
und  drangs  aufzuzeigen';  so  sagt  er  selbst  (s.  2).  er  gibt  aber 
bedeutend  mehr,  denn  er  behandelt  in  einem  eigenen  capitel  die 
Stoffgeschichte,  dh.  das  allmähliche  bekanntwerden  der  Ugolino- 
episode  aus  Dantes  comödie,  ihre  verschiedenen  Verarbeitungen 
in  den  litteraturen  und  analysiert  überdies  Gerstenbergs  drama 
sehr  forderlich  vom  standpuncte  der  ästhetik.  mich  will  bedünken, 
dass  der  zweite  teil  ansprechender  sei,  als  der  erste,  hier  wird 
nachgewiesen,  dass  Gerstenberg  aufser  der  genannten  episode  und 
dem  in  landläufigen  Dantecommentaren  enthaltenen  keine  quellen 
benutzt  habe,  dann  bespricht  J.  die  Veränderungen,  die  Gersten- 
berg auf  Lessings  rat  am  texte  seines  dramas  vornahm,  nach 
Redlichs  andeutungen  (Lessings  briefe,  Hempel  ii  2,  239  anm.) 
muss  das  drama  früher  etwa  dort  geschlossen  haben,  wo  es  heifst: 
'(er  wirft  sich  heftig  neben  Anselmo  hin)  ....  (er  spreizt  seine 
Arme  über  den  Boden  aus  .  ,\  wenigstens  bietet  das  von  Redlich 
gerettete  fragment:  'Ugolino  spricht  wie  träumend  vom  Geschrei 
der  Sterbenden,  Da  er  Anselmos  Leichnam  sieht,  verflucht  er  die 
Stunde  seiner  Geburt  [in  der  ersten  fassung  heifst  es  kurz  vor  der 
cilierten  stelle:  'Verflucht  sey  das  Weib,  das  mich  gebar!  Ver- 
flucht  die  Wehemutter,  die  das  Wort  aussprach:  Der  Knabe  lebt.'] 
Entkräftet  sinkt  er  zu  Boden,  streckt  sich  auf  dem  Boden  aus,  als 
ob  er  die  Erde  umarmt,  der  er  sich  vermählt.')  der  jetzt  den 
beschluss  bildende  monolog  Ugolinos  scheint  erst  später  hinzu- 
gesetzt, mir  ligt  das  original  freilich  nicht  vor,  sondern  nur  der 
jieudruck  im  '16  band  der  familienbibliothek  der  deutschen  Clas- 
siker'  (Hildburghausen  und  Amsterdam,  Bibl.  institut  1841),  der 
auf  die  späteren  Veränderungen  keine  rücksicht  nimmt,   die  ver- 


230  JACOBS   GERSTENBERGS   UGOLINO 

schiedenheiten  im  einzelneo  berücksichtigt  J.  nicht  weiter,  nur 
die  einschneidenden  Umbildungen  werden  erwäbnl.  das  wich' 
tigste  bietet  der  vf.  in  dem  abschnitt  über  Ugolinos  Verhältnis  zu 
Shakespeare,  hier  entwirft  er  mit  berücksichtigung  der  Schleswig- 
schen  litteraturbriefe  ein  umfassendes  bild  dessen,  was  Gersten- 
berg bei  Shakespeare  lernte,  was  er  aufnahm,  worin  er  dabei  den 
geniemännern  gleicht,  worin  er  sich  unterscheidet,  besonders 
zu  erwähnen  ist,  dass  J.  wenigstens  flüchtig  auch  auf  das 
deutsche  drama  des  17  jhs.  einen  blick  wirft;  es  wäre  wol  der 
Untersuchung  wert,  wie  weit  es  nachwürkt,  ob  wir  kenntnis  bei 
den  Stürmern  voraussetzen  dürfen  usw.  J.  bemerkt  sehr  richtig, 
dass  Gerstenberg  die  handlung  des  dramas  vollständig  in  das 
innere  seiner  person  verlegt,  und  sieht  darin  ein  übertrumpfen 
Shakespeares,  es  hätte  sich  vielleicht  empfohlen,  bei  dieser  frage 
auch  die  parallele  des  epos  zu  streifen.  Klopstock  brachte  die 
grofse  neuerung,  dass  er  im  Messias  nicht  äufseres  geschehen, 
sondern  innere  handlung  vorführte,  dass  er  dem  objectiven  epos 
der  antike  die  neue,  subjective,  psychologische,  innere  epik  ent- 
gegensetzt. Klopstock  begann  jene  zerfasernde  darstellung  des 
Seelenlebens,  die  sich  seither  immer  mehr  vertieft,  entwickelt, 
verfeinert  hat,  die  sich  in  immer  mehr  gattungen  der  poesie  aus- 
dehnte, die  zuerst  auf  das  drama  angewendet  zu  haben  das  ver- 
dienst Gerstenbergs  ist.  wie  Klopstock  das  'innere  leiden'  seines 
beiden,  so  stellt  Gerstenberg  das  innere  leiden  Ugolinos  dar;  das 
äufsere  geschehen,  das  was  man  sonst  handlung  nannte^  drängen 
beide  zurück,  aber  wenn  Klopstock,  da  er  dem  'tatsachenepos' 
ein  modernes  psychisches  epos  folgen  liefs,  bei  dem  gefühle  und 
gedanken  als  handlung  erschienen,  immer  unter  dem  druck  der 
tradition  stand  und  dem  früheren  geschmack  concessionen  machte, 
so  verfiel  auch  Gerstenberg  trotz  seiner  viel  gepriesenen  neuerung 
dem  weiterlebenden  einfluss  des  antiken  dramas.  in  beiden  fällen 
entstanden  zwittererscheinungen.  übrigens  brauchte  es  sehr 
lange,  bis  die  keime  für  das  epos  und  das  drama  völlig  zur  ent- 
wicklung  kamen;  wir  sehen  eigentlich  erst  in  unserer  zeit  den 
versuch,  mit  aller  consequenz  die  psychologische  art  durchzu- 
führen selbst  auf  die  gefahr  hin,  toll  zu  erscheinen,  man  nehme 
zb.  für  die  epik  St.  Przybyzenki  und  fürs  drama  Maeterlinck. 
Gerstenberg  ist  für  das  drama  etwa  das,  was  Klopstock  fürs  epos, 
nur  blieb  die  würkung  des  Ugolino  natürlich  weit  hinter  jener 
des  Messias  zurück,  im  einzelnen  weist  auch  J.  den  einfluss 
Klopstocks  für  den  Ugolino  nach,  besonders  für  die  zeicbniing 
des  heldenknaben  Anselmo;  er  macht  zudem  auf  das  drama  ^Bod* 
duca'  von  Beaumont  und  Fletcher  aufmerksam,  das  Gerstenberg 
gekannt  und  benutzt  zu  haben  scheint,  in  dem  abschnitt  aber 
die  kinderscenen,  der  im  ganzen  auf  meine  darstellung  verweist, 
ist  die  Zusammenstellung  der  shakespearischen  kinderfiguren  wert- 
voll,  es  hätte  hier  übrigens  des  contrastes  wegen  auf  das  scble- 


JACOfiS    GERSTEMIERGS    UGOLINO  231 

sische  drama  zurückgegriffen  werden  können,  wo  uns  kinder,  ab- 
gesehen von  Gryphs  Übersetzung  der  Felicitas  von  Caussinus  und 
der  Gibeoniter  von  J.  van  den  Vondel,  hauptsächlich  bei  Hall- 
mann  begegnen,  im  'Theodoricus  Veronensis',  in  der'Hariamne', 
der  ^Sophia',  wo  die  drei  tOchter  Fides,  Spes  und  Charitas,  12, 
10  und  9jabrig,  der  mutter  im  glaubenseifer  nicht  nachstehn, 
endlich  in  der  ^Catharina';  sie  sprechen  freihch  so  unkindlich  wie 
nur  denkbar. 

Shakespeares  einfluss  auf  motive  und  stil  wird  vorsichtig  er- 
wogen, nur  an  zwei  stellen  nimmt  J.  eine  Übereinstimmung  im 
Wortlaut  an.  eine  dritte  scheint  mir  auch  nicht  abzuweisen;  ich 
meine  den  wahnsinnsausbruch  bei  Anselmo  im  4  aufzug,  der  an 
kOnig  Lear  III  4  erinnert.  ^Die  da  auf  dem  Stroh,  ich  habe  zu 
thun  .  .  .  Hinweg!' .  .  .  'What  art  thou  that  dost  grumble  there  f 
the  strawl  Corne  forth  .  .  .  AwayV  Cschenburg  übersetzt:  *Wer 
bist  du  denn,  der  dort  auf  dem  Stroh  murmelt?  Hervor! .  .  . 
Hinweg!'  man  ziehe  jedoch  auch  das  weitere,  besonders  Edgars 
lied  herbei,  um  zu  erkennen,  wie  unbewust  Gerstenberg  bei  der 
ausführung  des  Wahnsinns  von  Shakespeare  abhängt. 

Anregend  sind  zb.  beobachtungen  über  den  stil,  zumal  der 
vergleich  mit  Klopstocks  spräche,  mit  Lessing,  mit  Ossian,  mit 
den  geniemännern.  die  manier  der  personen,  von  sich  in  dritter 
person  zu  sprechen,  ist  schon  dem  schlesischen  drama  eigen;  so 
sagt  zb.  Seleucus  in  ^Antiochus  und  Straionica'  von  Hallmann 
(s.  64) :  ^Seleucus  ist  nun  alt,  sein  Leben  läufft  zu  Ende\  wo  wir 
unbedingt  die  erste  person  erwarten,  ebenso  ist  dem  17  jh.  die 
Vorliebe  Tür  geßingnisscenen  eigen. 

Nichts  vermochte  J.  Über  die  Berliner  aufführung  des  Ugolino 
zu  erkunden;  bei  Plümicke  wird  ihrer  überhaupt  nicht  gedacht. 
den  stimmen  über  das  drama,  die  J.  bespricht,  kann  noch  Witten- 
berg angereiht  werden;  im  Beytrag  zum  Reichs-post-reuter  1768 
vom  28  november  (92  stück)  bewundert  er  das  stück  aufs  leb- 
hafteste, tadelt  nur,  dass  man  die  geschichte  kennen  müsse,  wenn 
man  alles  verstehn  wolle,  und  findet  manches  blofs  des  Zuschauers 
willen  gesagt.  EEBuschmann  (vgl.  Goedeke  v*  256  und  ADB 
9,  64)  schreibt  aus  Stralsund  den  18  Februar  1769  (so  statt  1768) 
über  den  eindruck,  den  die  'Kritischen  wälder'  auf  ihn  machten, 
und  über  seine  Verwunderung,  dass  man  den  vf.  nicht  erraten 
könne,  an  Nicolai;  er  nennt  Herder  als  mutmafslichen  vf.  und 
fährt  fort:  Ich  kenne  den  Herrn  von  Gerstenberg  nicht  genau  ge^ 
nug,  sonst  ist  mir  eingefallen ^  ob  er  es  seyn  könnte,  doch  dies 
Bäthsel  wird  sich  noch  wohl  auflösen.  —  Gerstenbergs  Ugolino 
hat  mir  im  ganzen  sehr  gefallen  und  nicht  wenig  gerührt.  Just 
vieles,  was  die  Klotz-BibL  tadelt,  dünkt  mich  ausnehmend  rührend 
zu  seyn,  z,  E.  wenn  Gaddo  sagt:  du  hast  wohl  gethan,  Madonna, 
denn  deinen  armen  Knaben  hungerte  sehf.  für  die  würkung  auf 
Schiller  vgl.  Minor  i  573. 


232  JACOBS    GERSTENBERGS    UGOLLNO 

Nicht  den  gieicheo  günstigen  eindruck  macht  der  erste  teil 
von  J.s  Schrift,  hier  wird  eine  reihe  von  werken  hintereinander 
vorgenommen,  die  nur  in  dem  einen  Zusammenhang  stehn,  dass 
sie  denselhen  stofT  behandeln;  es  ist  gar  kein  versuch  gemacht, 
im  wege  der  vergleichung  resultate  sei  es  für  die  verschiedenen 
nationen  oder  die  verschiedenen  Zeiten  zu  ziehen ;  darum  erscheint 
mir  der  wert  dieser  Zusammenstellungen  recht  fraglich,  notizen 
über  Chaucers  ^Erzählung  des  mOnchs',  dann  über  ein  Münchner 
Jesuitendrama  von  1675,  dessen  programm  J.  aufgefunden  hat, 
dann  über  Bodmers  ^Hungerturm  in  Pisa'  (1709),  Ducis  verball- 
horuung  des  'Romeo'  durch  das  Ugolinomotiv(vgl.  jetzt  JJJusserand 
Shakespeare  en  France  sous  Tancien  regime,  Paris  1898),  LPhHahns 
'Aufruhr',  ein  anonymes  italienisches  drama  von  1779  usw.  bis  zu 
einem  epos  von  Reuleaux  (1878)  herunter  werden  aufgetischt, 
zwar  ist  ein  solches  aneinanderreihen  von  Zettelsammlungen  mode, 
aber  wir  lernen  bei  J.  höchstens  das  6ine,  dass  vor  Gerstenberg, 
so  viel  wir  wissen,  nur  ein  einziger  versuch  gemacht  wurde,  den 
UgolinostofT  zu  dramatisieren,  während  sich  später  solche  ver- 
suche widerhoien;  sie  geboren  doch  gewiss  in  das  capitel  *auf- 
nähme',  übrigens  konnte  J.  auch  nur  jene  drei  auftreiben,  die 
ich  für  den  'Aufruhr  zu  Pisa'  heranzog,  die  von  Bodmer,  Hahn 
und  Schack. 

Andere  bedeutung  hat  die  ähnliche,  nur  viel  flüchtigere  skizze 
in  der  einleitung  zu  Gerstenbergs  fragment  'der  Waldjüngling', 
weil  es  hier  darauf  ankam,  die  geistige  richtung  zu  kennzeichnen, 
aus  der  das  werk  erwächst,  mit  dem  abdruck  dieses  bruchstücks 
hat  J.  unsere  kenntnis  Gerstenbergs  bereichert,  allerdings  hat 
sich  nur  eine  scene  erhalten,  die  aber  durch  verschiedene  notizen 
ergänzt  wird.  Gerstenberg  wollte  darnach  (wol  im  jambischen 
trimeter,  nicht  in  rhythmischer  prosal)  unter  Rousseaus  einfluss 
einen  naturmenschen  in  seinem  Verhältnis  zur  cultur  darstellen, 
ein  waldjüngling  ist  unter  den  tieren  aufgewachsen,  hat  vieles  von 
ihnen  gelernt,  während  ihm  alles  menschliche  fremd  blieb;  wir 
haben  also  etwas  ähnliches  wie  in  Kiplings  Dschungelbucb  vor 
uns.  die  liebe  vollzieht  am  waldjüngling  die  metamorphose  vom 
tier  zum  menschen,  wie  der  conflict,  den  die  exposition  an- 
deutet, sich  entfalten  sollte,  das  geht  aus  den  notizen  nicht  her- 
vor, im  ausgeführten  teil  finden  wir  starken  einfluss  der  idyllen- 
dichtung;  mir  ists  darum  recht  zweifelhaft,  ob  wir  das  fragment 
würklicb  nach  dem  Ugolino  anzusetzen  haben,  trotz  dem  briefe 
Boies  vom  8  januar  1771.  Redlich  bemerkt  (ADB  9,  61),  dass 
Gerstenberg  1759  die  altnordische  geschichte  studierte  und  in 
ihr  stoße  zu  dramatischen  entwürfen  fand,  wie  im  WaldjüDgling 
ein  bezähmter  wilder,  so  wird  in  den  Tändeleien  die  bezähmung 
der  Phyllis  durch  den  kuss  (Amors  triumph)  dargestellt;  wie  dort 
der  preis  der  jagd  von  Cindis  und  Hilde  gesungen  wird,  so  hier 
von  den   einzelnen   liebesgOttern  der  triumph  Amors,    auch  die 


JACOBS    GERSTENBERGS    UGOLIMO  233 

nyrnphe  Danaes  könote  geoanot  werdeo,  um  darzutUD,  dass  1759 
motive  des  Waldjünglings  bei  Gersten berg  begegnen,  es  ist  bei 
UDserem  maogel  an  quellen  für  Gerstenbergs  entwicklung  aller- 
diogs  mislich,  solche  datierungsfragen  aufzuwerfen,  aber  mir 
scheint  doch  die  Übereinstimmung  mit  den  dichtungen  um  1760 
mafsgebend.  bei  der  Schweigsamkeit  des  dichters  über  seine  be- 
gonnenen arbeiten  ist,  wie  auch  J.  bemerkt,  aus  briefen  nichts 
zu  gewinnen,  auch  Weifse,  der  Gerstenbergs  erstling  'Turnus' 
m  bänden  gehabt  hatte,  erwähnt  in  seinen  briefen  an  Nicolai 
nur  noch  'kleine  gedichte';  er  schreibt  am  6  Januar  1759  :  Hier 
JuU  mir  ein  junger  Mensch,  der  Verfasser  der  kleinen  Anakreonti" 
sehen  Erzählungen,  die  hey  Dycken  unter  dem  Titel  Tändeleien 
herausgekommen  sind,  etliche  kleine  Gedichte  zugeschickt;  ich  habe 
nichts  als  die  Satyre  über  die  Mittelmäfsigkeit  der  Dichter  gelesen, 
und  diese  ist  in  der  That  nicht  schlecht:  ich  bitte  mir  sie  bald  wie- 
der aus:  er  hat  mir  auch  unlängst  eine  Tragödie  zugeschickt,  die 
er  an  die  Verfasser  der  BibL  übersenden  wollte;  es  waren  sehr 
schöne  Stellen  darinnen,  aber  das  ganze  taugte  nichts,  die  be- 
schäftigung  mit  der  nordischen  geschichte  f^llt  aber  erst  in  die 
zweite  hälfte  des  Jahres  1759.  J.  erwähnt  die  mahnung  Schutzes 
vom  16  november  1759,  Gerstenberg  möge  einen  altnationalen 
Stoff  wählen. 

J.  hat  sich  mit  diesem  hefte  gut  eingeführt;  hoffentlich  gibt 
er  uns  später  eine  vollständige  monographie  über  Gerstenberg, 
^ie  endlich  an  der  zeit  wäre. 

Lemberg,  14  juni  1899.    R.  M.  Werner. 

Goetbestudien  von  Max  Morris,  zweiter  band.    Berlin,  Conrad  Skopnik,  1898. 
236  S8.    8«.  —  3  m. 

Dem  ersten  bändchen  seiner  Goethestudien  (vgl.  Auz.xxiv  306  ff) 
hat  Morris  in  Jahresfrist  ein  zweites  folgen  lassen,  dieselbe  mischung 
von  eifrigem,  oft  von  erfolg  gekröntem  Spürsinn,  scharfsinniger 
combinationsgabe  und  irreführender  zuversiciitlichkeit,  wie  in  der 
älteren  arbeit,  finden  wir  hier  wider. 

In  den  beiden  ersten  aufsätzen  beschäftigt  sich  H.  mit  der 
herzogin  Luise  und  Christiaue  Vulpius  in  Goethes  dich* 
tung.  auf  die  erstere  bezieht  er  nicht  nur  Lila  und  das  ballet  Amor, 
sondern  auch  den  Triumph  der  empfindsamkeit  (Mandandane), 
Proserpina,  Tasso  (prinzessin),  Wilhelm  Meister  (gräfin),  die  Jagd 
(fürstin)  und  das  Märchen  (lilie);  ein  abbild  Christianens  findet 
er  —  abgesehen  von  den  dichtungen,  die  allgemein  auf  sie  be- 
zogen werden  —  in  Alexis  und  Dora,  dem  Neuen  Paris  (Alerte) 
und  der  Neuen  Melusine,  seine  ausführungen  geben  jedoch  zu 
manchen  zweifeln  anlass.  M.s  auslegung  des  Märchens  bleibt  ge- 
zwungen, und  die  alten  bedenken  werden  durch  das  neue  ma- 
terial,  das  er  beigebracht  hat,  nicht  gehoben,  in  andern  fallen 
sind  seine  deutungen  jedesfalls  um  nichts  besser  als  frühere  hypo- 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  16 


234  MORRIS   60BTBE8TDDIEÜ   II 

thesen;  das  vorbild  für  ProserpiDa  hat  man  in  Glucks  nichte, 
das  von  Dora  in  der  schOoeo  MailäoderiD  sebeo  wolleo  —  und 
gewis  mit  ebensoviel  recht,  wie  M«,  wenn  er  auf  die  herzogin 
und  Christiane  hinweist,  und  dass  für  die  prinzessin  im  Tasso 
frau  vStein  die  hauptzüge  geliefert  hat,  ist  doch  woi  keinem 
Zweifel  unterworfen,  bestechend  ist  H.8  deutung  des  Triumphs 
der  empfindsamkeit  :  das  fürstliche  paar  erinnert  in  manchen 
Zügen  an  Carl  August  und  Luise,  und  die  beobachtung,  dass  der 
prinz  im  letzten  act  mit  seinen  ernsten  werten  eigentlich  aus  der 
rolle  föUt,  ist  gewis  zutreffend;  im  ganzen  stock  sieht  M.  ein 
verhülltes  liebesgestdndnis  Goethes  für  die  junge  herzogin.  wenn 
nur  diese  angebliche  hebesleidenschaft  nicht  gar  so  unwahrschein- 
lich wäre!  für  eine  warme  und  tiefe  Verehrung  der  herzogin 
sprechen  Goethes  briefe  an  frau  vStein  allerdings;  ist  es  aber 
überhaupt  denkbar,  dass  er  in  der  zeit  seiner  ersten  glühendsten 
li^be  für  diese  der  gleichen  leidenschaft  für  eine  andre  frau  fähig 
gewesen  sein  soll?  auch  werden  wir  beim  aufspüren  von  mo- 
delten nie  vergessen  dürfen,  was  Goethe  am  8  aug.  1776  au  frau 
vStein  schreibt  :  M  hab  an  meinem  Falcken  geschrieben,  meine 
Giovanna  unrd  viel  von  Lüi  haben,  du  erlaubst  mir  aber  doch 
dafs  ich  einige  Tropfen  deines  Wesen' s  drein  giefse,  nur  so  viel 
es  braucht  um  zu  tingiren.  so  mögen  im  Triumph  der  empfind- 
samkeit noch  manche  andre  Persönlichkeiten  modell  gestanden, 
manche  andre  ereignisse  eingewürkt  haben,  es  ligt  nahe  in  Lenz 
und  seiner  unseligen  leidenschaft  für  die  herzogin  ein  vorbild  des 
priozen  zu  suchen;  ja  man  konnte  sich  versucht  fühlen,  in 
einigen  stellen  des  Triumphs  der  empfindsamkeit  (bd  17  s.  62, 
11 — 15,  s.  65,  4)  anspielungen  auf  Lenzens  'Tantalus'  zu  ent- 
decken. —  im  Neuen  Paris  glaubt  M.  in  den  drei  schönen 
Friederike,  Lotte  BufT  und  Lili  zu  erkennen  —  und  was  er  da- 
für anführt,  ist  recht  ansprechend  — ,  wahrend  Alerte  ein  abbild 
Cbristianens  sein  soll ;  das  würde  aber  doch  gar  zu  sehr  aus  dem 
rahmen  von  Dichtung  und  Wahrheit  fallen;  eher  ist  wol  ein  weib- 
liches idealbild  darunter  zu  verstehn,  wie  es  sich  der  phantasie 
des  knaben  darstellen  mag.  —  auch  die  Neue  Melusine,  die  Lucius 
so  glücklich  auf  Friederike  gedeutet  hat,  ist  nach  M.  ein  abbild 
Cbristianens.  und  die  entstehungsgescbichte  des  märchens  (1797 
concipiert^  1807  ein  jähr  nach  der  kirchlichen  trauung  ausge- 
führt, 1817  ein  jähr  nach  Cbristianens  tode  verOCTentlicht)  scheint 
für  M.  zu  sprechen,  es  Itfsst  sich  aber  schlechterdings  kein  Zeug- 
nis dafür  anführen,  dass  Goethe  1807  ein  verlangen  nach  einem 
^durchfeilen  des  rings'  gehabt,  und  selbst  1797  in  der  elegie 
Amynlas  spricht  sich  das  gefühl  der  unzertrennlicbkeit  von 
Christiane  ergreifend  aus,  obwohl  Goethe  hier  bekennt: 
Ja,  die  Verrdtherin  ist*s!  sie  schmeichelt  mir  Leben  und  GiUer, 
Schmeichelt  die  strebende  Kraft,  schmeichelt  die  Hoffnung  mir  ab. 
ferner  wissen  wir  garnicht,  ob  das  Märchen,  wie  es  uns  forligt^ 


MORRIS    GOETHESTUDIBN  II  235 

noch  dem  plan  von  1797  entspricht,  der  der  Überlieferten,  Goethe 
längst  vertrauten  sage  näher  gestanden  zu  haben  scheint  (denn 
unsre  Melusine  könnte  er  nicht  ein  ^undenisches  pygmäenweibchen^ 
nennen;  an  Schiller  12 — 14  aug.  1797).  es  ist  sehr  wol  mög- 
lich, dass  das  Märchen  im  j.  1812,  als  Goethe  es  für  Dichtung 
und  Wahrheit  neu  dictierte  (Tageb.  24 — 29  sept.),  noch  eine  Um- 
gestaltung erfahren  hat;  aber  auch  1807  könnte  Goethe,  angeregt 
durch  Bettina  Brentanos  besuch  im  april  (RSteig  Achim  vArnim 
und  Clemens  Brentano  s.  218  u.  35^),  bereits  im  hinblick  auf 
Friederike  das  motiv  vom  durchfeilen  des  ringes  erfunden  haben; 
wissen  wir  doch  aus  Riemers  tagebUchern,  wie  gern  sich  Goethe 
damals  in  gedanken  mit  seiner  Jugendzeit  beschäftigte  und  auch 
mancherlei  daraus  erzählte,  vielleicht  erhalten  wir  durch  die  Wei- 
marer ausgäbe  (ein  Schema  ist  ja  Tageb.  3,  440  erwähnt)  neue 
aufschlösse.  —  nicht  vergessen  will  ich  anzuführen,  dass  M.  die 
einwQrkung  italienischer  märchen,  die  Goethe  1798 .  für  den 
Benvenuto  Cellini  excerpieren  liefs  (bd  44  8.414;  vgl.  s.  358Qt 
auf  Goethes  eigne  märchendichtungen  wahrscheinlich  gemacht 
hat;  es  wäre  dankenswert,  wenn  er  diesen  spuren  weiter  nach- 
gehn  wollte. 

Manigfache  anregungen  und  auch  sichre  positive  ergebnisse 
verdanken  wir  M.s  Studie  über  die  Fauslparalipomena. 
schätzbar  sind  zunächst  zwei  wichtige  quellennachweise.  für  die 
classiscbe  Walpurgisnacht  wird  eine  weitergehnde  beoutzung  von 
Lucans  Pharsalia  erwiesen,  als  man  bisher  angenommen  hatte; 
über  den  einfluss  Miltons,  der  durch  Loeper  und  Sprenger 
(Engl  Stud.  1S93  s.  304/6)  bekannt  war,  werden  glückliche  be-  . 
obachtungen  mitgeteilt.  Par.  131  wird  durch  briefeiellen  gut  er- 
läutert, für  Par.  115.  146.  190  die  richtige  beziehung  ermittelt, 
die  identität  von  Par.  111  und  v.  5588/9  richtig  erkannt;  la  der 
erklärung  von  Par.  162  hat  M.  irrtümliche  Vermutungen  der 
Weimarer  ausgäbe  und  Niejahrs  berichtigt  und  noch  manche  be- 
achtenswerte anregUDg  gegeben,  einige  resultate,  die  er  als  neu 
vorbringt,  sind  ihm  allerdings  bereits  von  andern  vorweggenommen : 
schon  Harnack  hat  in  Par.  1  die  formeln  für  die  Wagnerscene 
richtig  erkannt  (VLG.  4, 169),  für  den  grösten  könig  in  Par.  67 
hat  bereits  ESchmidt  auf  Friedrich  den  Grofsen  hingewiesen 
(Anz.  XX  289  0,  Par.  164  hat  schon  Strehike  zu  8984  ff  gestellt, 
und  Strehike  hat  auch  für  Par.  175  vor  M.  dieselbe  erklärung 
wie  dieser  gegeben,  immerhin  wird  man  eine  klare  und  sach- 
liche recapitulation  über  Par.  1  gern  lesen,  weniger  gern  überall 
den  zwar  geistreichen,  aber  überkühnen  reconstructionen  früherer 
plane,  wie  M.  sie  versucht,  zustimmen,  nach  Par.  123  schliefst 
Mephisto  mit  der  Euyo  ein  bündnis,  ^dessen  offenkundige  be- 
dingungen  nichts  heifsen  wollen,  die  geheimen  aber  desto  merk- 
würdiger und  folgenreicher  sind',  auf  grund  der  worte  des  Par. 
127,  die  Mephisto  angebhch  zu  Enyo  sprechen  sollte: 

16*     . 


236  MORRIS    GOETHESTUDIEN   II 

Das  mvfs  dich  nicht  verdriefsen 

Wer  kuppelt  nicht  einmal  um  selber  zu  geniefsen. 
erklärt  M.  die  gelieimeo  bediogungen  des  Vertrags  :  4)  Enyo  be- 
fördert die  Vereinigung  Fausts  mit  Helena.  2)  sie,  die  urhäss- 
iiche,  in  der  schönheitsfreiidigen  Griechenwelt  vom  liebesgenuss 
ausgeschlossen,  darf  dafür  Mephistos  reelle  gunst  in  anspruch 
nehmen',  in  die  scenen  zv?ischen  Mephisto  und  Enyo  setzt  M. 
ferner  die  Paralipomena  140.  143.  150.  129.  152  u.  132.  auf 
noch  bedenklicheren  grundljigen  baut  sich  M.s  erklärungsversuch 
von  Par.  204  auf: 

Mir  grillts  im  Kopf  kan  ichs  erreichen 

Der  listigste  von  meinen  Streichen. 
Par.  199  gibt  ihm  die  lösung: 

Willst  du  zu  deinem  Zweck  gelangen 

Mufst  dir  nicht  selbst  im  Wege  stehn 

Die  Griechen  wufsten  wir  zu  fangen 

Wir  machten  uns  auf  eine  Weile  schön. 
wie  die  Griechen  (nach  anschauung  der  kirchenväter)  durch 
teufel,  die  sich  *für  eine  weile  schön  machten^  und  ihnen  als 
götter  erschienen,  um  ihr  Seelenheil  betrogen  wurden,  soll  Me- 
phislo  hier  den  heiligen  frieden  der  enge!  durch  anreizung  zur 
Sinnlichkeit  stören,  ihre  rosen  würkungslos  machen  und  sie  der 
gnade  verlustig  gehn  lassen,  so  vieldeutige  verse  wie  die  des 
Par.  199  sind  wenig  geeignet,  kühnen  deutungen  zur  stütze  zu 
dienen.  —  besonnener  und  in  der  hauptsache  gewis  richtig  er- 
örtert M.  die  verschiedenen  plane  für  den  abscjiluss  des  Faust; 
nur  geben  die  dalen,  die  ohne  jede  begründung  geblieben  sind, 
zu  zweifeln  anlass.  Par.  94  u.  95  sind  nach  EScbmidl  freilich 
erst  1824  geschrieben,  von  ihm  aber  mit  gutem  gründe  der  äl- 
testen phase  zugewiesen.  Goethe  hat  nämlich  am  3  aug.  1815 
auf  SBoisser^es  frage  nach  dem  ende  des  Faust  geäufserl  :  Das 
sage  ich  nicht,  darf  es  nicht  sagen,  aber  es  ist  auch  schon  fertig 
und  sehr  gut  und  grandios  gerathen,  aus  der  besten  Zeit .  .  .  Faust 
macht  im  Anfang  dem  Teufel  eine  Bedingung,  woraus  Alles  folgt 
(Biedermann  iii  192).  aber  auch  der  dritte  plan  (appellation  Me- 
phistos, gericht)  wird  weiter  zurückzudatieren  sein,  da  Goethe 
die  verse  der  rosenstreuenden  enget  schon  in  einer  hs.  vom 
6  april  1825  an  Boisser^e  schickt  (bd  15,2  s.  149). 

Freier  noch  kann  sich  die  combinationslust  bei  der  ausdeu- 
tung  der  Weissagungen  des  Bakis  ergehn,  wo  ich  auf  einzel- 
heiten  nicht  mehr  eingehn  kann,  das  verfahren  ist  dasselbe  wie 
im  ersten  band,  wenig  vertrauenerweckend  ist  es,  dass  er  zwei 
seiner  frühern  deutungen  hier  zurücknehmen  muss.  wo  H.s  er- 
klärungen  am  einleuchtendsten  erscheinen  und  er  gute  belege 
beibringt  (spruch  2.  21.  29.  30),  nähert  er  sich  altern  auslegungen 
(von  Viehoff,  Ehrlich,  Baumgart). 

Unter  den  Miscellen  heb  ich  die  Untersuchungen  zum  Ewigeo 


MORRIS    GOETHESTUDIEN   II  237 

Juden  und  zur  Natürlichen  tocliter  hervor,  hier  erklärt  M.,  das 
'Schema  zur  fortselzung'  schematisiere  nicht  nur  die  forlsetzung, 
sondern  auch  das  ausgeführle  stUck,  und  versucht  dieses  Schema 
zur  aufhelluog  des  plans  auszunutzen,  dort  wird  der  entwurf  über 
Pius  VI  gut  erläutert. 

Berlin,  februar  1899.       Carl  Alt. 

Novalis  samtliche  werke,  herausgegeben  von  Carl  Meissner,  eingeleitet  von 
Bruno  Wille.  Florenz  und  Leipzig,  Eugen  Diederichs,  1898.  xcii  und 
237.  313.  368  ss.  8«.  —  7,60  m. 

*Genau  hundert  jähre  nach  der  drucklegung  der  ersten  Frag- 
mente von  Novalis,  mehr  als  fünfzig  jähre  nach  dem  erscheinen 
der  letzten  aufläge  seiner  gesammelten  werke  haben  Verleger  und 
herausgeber  gemeint,  sei  es  an  der  zeit,  Novalis  lillerar isches 
schaffen  zum  ersten  mal  ganz  vollständig  und  übersichtlich  an- 
geordnet, zu  veröffentlichen',  ein  schöner  Vorsatz,  unseres 
wärmsten  beifalls  werti  wir  benötigen  dringendst  eine  modernen 
anforderungen  entsprechende  ausgäbe  der  Schriften  und  briefe  von 
Hardenberg,  von  allen  seilen  regt  sich  das  Interesse  für  den  see- 
lisch tiefsten  und  künstlerisch  begabtesten  genossen  der  altern 
romantischen  schule,  die  schriften,  die  sich  mit  dem  rätselvollen 
Seher  beschäftigen,  mehren  sich  rasch,  gerade  ihnen  wäre  eine 
verlässliche  grundlage  höchst  notwendig. 

Die  erwartungen,  die  durch  jene  ankündigung  erweckt  wer- 
den, stimmen  sich  alsbald  herab,  wenn  der  vorbericht  fortfährt: 
'keine  philologisch-kritische  ausgäbe  mit  einer  überlast  von  fufs- 
oder  schlussnolen ,  sondern  eine  ausgäbe  für  den  ästhetischen 
geniefser,  den  gegen  wol Weisheit  empfindlichen  litteraturfreund 
sollte  geschaffen  werden',  gewis,  zum  ästhetischen  genusse  laden 
die  vom  Verleger  reizend  ausgestalteten  und  doch  so  wohlfeilen 
bände  ein.  die  Originalausgaben  der  deutschen  romantiker  sind 
im  allgemeinen  viel  schöner  als  die  neuern  drucke.  WSchlegel 
und  Tieck,  Arnim  und  Brentano,  Hoffmann  und  Chamisso  stehn 
längst  wider  in  einem  sympathischen  gewande  vor  uns;  allein  Novalis 
leidet  unter  der  form,  in  die  ihn  GReimer  gebracht  hat,  —  frei- 
lich nicht  nur  äufserlich.  zur  neuen  ausgäbe  greifen  wir  gerne; 
anspruchslos  und  praktisch,  leicht  lesbar  und  auf  gutes  papier 
gedruckt  würkt  sie  durchaus  ästhetisch,  es  sei  denn,  dass  der 
'talmisecessiouistische'  Umschlag  (so  nennt  man  es  ja  wol)  den 
feinfühligeren  beleidige. 

Leider  umhüllt  er  auch  ein  ganz  dilettantisches  machwerk. 
keine  'philologisch -kritische  ausgäbe'  soll  geboten  werden,  den 
mund  so  voll  nehmen  und  verächtlich  auf  die  'überlast  von  fufs- 
oder  Schlussnoten'  hindeuten,  ist  unendlich  bequem,  freilich 
schreibt  man  sich  mit  solchen  reporlerwendungen  die  pflicht  vor, 
besseres  zu  liefern,  ich  aber  glaube,  dass  hier  wider  einmal  dem 
fuchse  die  traubcn  zu  sauer  waren,     es  ligt  mir  fern,   ein  wei- 


238  MEISSNER   NOVALIS   SAMTLICHE    WERKE 

teres  publicum  von  geDiefseDden  mit  wisseDSchafUichem  apparale 
zu  belästigen,  doch  zuverlässiges  wird  auch  io  populärer  form 
nur  geben,  wer  auf  streng  wissenschafüichem  boden  steht,  weil 
dem  publicum  uusre  art  philologischer  textbehandlung  inisf<lllt, 
ist  sie  noch  lange  nicht  verwerflich,  welche  andre  Wissenschaft 
liefse  sich  von  laien  solche  vorwürfe  bieten?  freilich  wird  auch 
auf  dem  felde  moderner  philologie  die  gelehrte  arbeit  sich  besser 
innerhalb  der  engsten  kreise  abspielen,  wird,  wer  ins  weile 
dringen  soll,  lieber  nur  die  resultate  aufzeigen,  nicht  den  weg, 
auf  dem  die  resultate  gefunden  worden  sind,  wer  aber  diesen 
weg  nie  beschritten  hat,  ja  unfähig  ist  ihn  za  gehn,  der  bleibe 
auch  mit  seinen  fictiven  resultaten  daheim,  und  vollends  soll  er 
nicht  das  handwerk  schänden ;  sonst  wird  er  schlecht  und  schmäh- 
lich enden. 

Meifsner  glaubt,  die  aufgäbe  eines  herausgebers,  der  'Novalis 
litterarisches  schaffen  zum  ersten  male  ganz  vollständig  und 
übersichtlich  geordnet'  vorlegt,  beschränke  sich  auf  das 
problem,  'aus  den  zwei  bänden  der  von  Schlegel  und  Tieck 
herausgegebenen  ersten  bis  fünften  aufläge  und  dem  nachtrags- 
band  von  1846,  den  £duard  vBülow  unter  Tiecks  ägide  ver- 
öffentlichte, ein  organisches  ganzes  zu  machen',  er  nimmt  ferner 
von  dort  nicht  abgedruckten  arbeilen  Hardenbergs  in  seine 
edilion  auf  :  die  vier  aus  Meusebachs  Sammlung  von  Hoffmann 
vFallersleben  in  den  Findlingen  i  139  f  veröffentlichten  gedichte, 
den  fragmentencyclus  'Glauben  und  liebe'  aus  den  Jahrbüchern  der 
preufsischen  monarchie  (1798.  ii  269 — 286),  den  nur  in  der 
4  aufläge  enthaltenen  aufsatz  'Die  Christenheit  oder  Europa'. 

M.  nennt  in  seinem  vorbericht  'das  kluge  buch  Ober  Novalis 
lyrik  von  dr  Carl  Busse'  und  bezeichnet  es  als  'dankbar  benutzte 
grundlage'.  natürlich  kennt  er  nicht,  was  Busse  entgangen  ist. 
ich  verweise  hier  nur  auf  Anz.  xxv  318.  allerdings  ist  es  mit  der 
bibliographie  von  Hardenbergs  scbrifien  überhaupt  böse  bestellt, 
der  arlikel  des  neuen  Goedeke  ist  unvollständig;  und  auch  FBlei 
gibt  sich  teuschungen  hin,  wenn  er  ('Die  gedichte  des  Novalis', 
Reclams  univ.-bibl.  3831,  s.  106  ff)  seine  immerhin  dankenswerten 
Zusammenstellungen  für  vollständig  hält. 

Von  Vollständigkeit  kann  auch  bei  M.  die  rede  nicht  sein, 
doch  viel  schwerer  fällt  ins  gewicht,  dass  er  überhaupt  die  aus- 
gäbe von  FSchlegel,  Tieck  und  Bülow  zu  gründe  legt,  wer  nur 
ein  wenig  umschau  hält,  überzeugt  sich  sofort,  unter  wie  mis- 
lieben  umständen  sie  zu  stände  gekommen  ist.  Hardenberg  ist 
am  25  märz  1801  gestorben,  bis  zu  diesem  tage  war  von  seinen 
werken  nur  ein  bruchleil  veröffentlicht,  und  zwar  :  im  Neuen 
Teutschen  Merkur  1791  die  Klagen  eines  Jünglings,  im  Athenäum 
1798  und  1800  die  aphorismensammlung  Blüthenstaub,  sein  an- 
teil  an  den  Athenäumsfragmenten  und  die  Hymnen  an  die  nacht, 
in  den  Jahrbüchern   der  preufsischen  monarchie  von  1798   der 


MEISSNEB   NOVALIS   SÄKTLICHB   WERKE  239 

cyclus  Blumen  uod  der  aufsatz  Glaube  und  liebe,  für  das  Athe- 
Däuno  be$timmt  war  der  aufsatz  Die  Christenheit  oder  Europa; 
er  lag  druckreif  vor,  kam  aber  nicht  zur  Veröffentlichung.  fQr 
den  Musenalmanach,  den  AWSchlegel  und  Tieck  zum  j.  1802 
rüsteten,  hatte  er  das  gedieht  An  Tieck  und  (vermutlich)  die  7 
ersten  Geistlichen  lieder  vorbereitet  (vgl.  Raich  Novalis  briefwechsel 
s.  132,  Holtei  Briefe  an  Tieck  in  245).  endlich  war  der  erste 
teil  des  romans  Heinrich  vOfterdingen  im  mscr.  fertiggestellt. 

Wie  wenig  Sorgfalt  die  herausgeber  der  Originalausgabe 
diesem  materiale  angedeihen  liefsen,  erweise  die  entstehungsge- 
schichte  dieser  edition.  ich  gebe  im  folgenden  die  wichtigsten 
daten  aus  dem  gedruckten  materiale  und  füge  aus  ungedruckiem 
einige  notizen  hinzu,  die  ich  dem  künftigen  herausgeber  von 
Tiecks  briefen.  Gotthold  Klee,  zu  danken  habe;  er  stellte  mir  die 
einschlägigen  briefe  Tiecks  an  Wilhelm  Schlegel  und  Sophie 
Bernhardi  und  Tiecks  briefe  an  Reimer  freundlichst  zur  Ver- 
fügung. 

Zunächst  sei  der  abdruck  des  *Ofterdi  ngen',  also  der 
1  band  der  ausgäbe,  ins  äuge  gefasst. 

Zu  Hardenbergs  lehzeiten  noch  hatte  Wilhelm  Schlegel  dem 
freunde  einen  Verleger  verschalTt  (Holtei  Briefe  an  Tieck  iii  254. 
259).  als  Novalis  zu  Weifsenfeis  in  Friedrich  Schlegels  armen 
verschied,  hinterhefs  er  nur  ein  fragment  des  romans;  den 
freunden  stellte  sich  vor  allem  das  problem,  in  welcher  form 
sie  das  unvollendete  werk  des  wenig  bekannten  dichters  dem 
publicum  vorlegen  sollten.  Wilhelm  Schlegel,  damals  in  Berlin, 
scheint  mit  den  freunden^  die  idee  ausgeheckt  zu  haben,  Mer 
Afierdingeu  müsse  von  fremder  band  vollendet  werden',  etwa  von 
Tieck.  wenigstens  bekämpft  Friedrichs  brief  an  Wilhelm  vom 
17  april  1801  mit  gewichtigen,  einsichtsvollen  gründen  den  ver* 
kehrten  gedanken  :  Mag  doch  jeder  von  uns  den  Krieg  zu  Warte- 
bürg  behandeln  nach  seiner  Weise;  das  thue  ich  leidU  auch  ein- 
mal  .  . .    Aber  den  Afterdingen  ^  unsres  Novalis   wird  wahrlich 

>  zu  diesen  ist  Schleiermacber  zu  zählen,  vgl.  Aus  Schleie nnachers 
leben  in  briefen  iii  268.    ferner  wol  Sophie  Bernhardi. 

'  in  meiner  ausgäbe  halte  ich  (1890)  die  form  Aßerdingen  an  diesen 
stellen,  der  hs.  folgend,  festgehalten,  das  iohaltsverzeicbnis  des  Mosen- 
almanachs  f.  d.  j.  1802  spricht  gleichfalls  (s.  iv)  von  dem  roman  Heinrieh  von 
Afterdingen,  so  viel  ich  sehe,  hat  man  seither  diese  tatsacbe  nicht  näher  in 
betracht  gezogen,  die  form  Ofterdingen  scheint  wol  erst  nachtriglich  von  Tieck 
gewählt  worden  zu  sein,  da  sie  doch  1802  im  Musenalmanach  noch  nicht 
erscheint,  noch  Erduin  Julius  Kochs  Gompendinm  der  deutschen  litteratar- 
geschichte  (Berlin  1795)  i  98  schreibt :  Heinrieh  v.  Ofterdingen  {After dingen^ 
Eflerdingen);  Jördens  Lexikon  deutscher  dichter  und  prosaisten  (Leipzig  1808) 
ni  633  :  Heinrich  von  Ofterdingen(Affterdingen^Effterdingen),  die  namens- 
form Afterdingen  durfte  wol  auch  in  den  hss.  der  andern  romantischen  brief- 
wechsel erscheinen,  die  im  drucke  die  spätere  form  Ofterdingen  festhalten, 
jene  ältere  aber  scheint  mir  einen  fingerzeig  zu  geben,  wo  Hardenbergs 
quelle  zu  suchen  ist.     so   viel  ich  sehe,    hat  man  sich  um  seine  vorlagen 


240  MEISSNER    NOVAUS   SÄMTLICHE    WERKE 

keiner  von  uns  vollenden  und  keiner  fortsetzen  und  wenn  er  sich 
in  Kochstückchen  schnitte.  Und  vollends  Tiedk.  Dieser  ist  in  allem 
Mechanischen  dem  Hardenberg  so  weit  überlegen,  dass  alles  was  da 
ist,  durchaus  zerstört  und  umgebildet  werden  müsste,  wenn  das 
Ganze  nur  einige  Harmonie  haben  sollte.  Aber  was  der  Kern  und 
das  Wesen  ist  in  jenem  göttlichen  Fragmente,  das  liegt  fem  ab  von 
allem  wenigstens,  was  Tieck  sagt  und  sagen  kann,  wie  tief  blickte 
FScblegel  beiden  m  dieküDStlerseelel  er  fügte  die  hochwicbtige 
bemerkuDg  binzu  :  Hardenbergs  Mittheilungen  über  den  2^^"  Theil 
können  nun  vollends  gar  nichts  gelten;  noch  den  letzten  Tag  sagte 
er  mir,  dass  er  seinen  Plan  ganz  und  durchaus  geändert  habe 
(s.  477). 

Aofangs  mai  1801  traf  FScblegel  mit  Tieck  in  Leipzig  zu- 
sammen (an  Wilbelm  s.  482);  dort  wurde  über  die  berausgabe 
beraten,  alsbald  wendete  sieb  Tieck  zweimal  brieflich  an  Wilh« 
Scblegel,  in  dessen  bänden  der  erste  teil  des  romans  war,  und 
bittet  um  Zusendung  des  manuscripts  (Tieck  an  WScblegel,  bei 
Klette  nr  13  u.  15  bsl.);  er  babe  eine  sebnsucbt  danach,  die  er  nicht 
sagen  könne,  ein  späterer  brief  Tiecks  (Klette  nr  17,  bsl.  vom 
juli  1801)  lehrt,  wie  das  manuscript  in  Wilhelms  bände  gekommen 
war.  Novalis  hatte  es  an  Wilhelm  und  Tieck  nach  Berlin  ge- 
sendet. Tieck  nahm  es  mit,  um  es  dem  Verleger  Unger  zu  zeigen, 
er  hatte  den  auftrag,  'die  spräche  hier  und  da  zu  ändern'.  Unger 
gab  es  Tieck  zurück,  der  es  in  Berlin  bei  seiner  abreise  nach 
Sachsen  in  Wilhelms  bänden  liefs,  und  zwar  unter  dem  ver- 
sprechen ,  es  Tieck  sogleich  auf  verlangen  zurückzustellen,  so 
berichtet  wenigstens  Tieck.  WScblegel  hingegen  ist  in  seinem 
briefe  an  Tieck  vom  13  juni  1801  (Holte!  ni  254)  wenig  geneigt, 
das  manuscript  Sn  der  weit  herumreisen  zu  lassen'.  Unger  wollte 
das  fragment  nicht  abdrucken;  Wilhelm  schützt  vor,  er  müsse, 
um  einen  andern  Verleger  zu  suchen,  das  manuscript  behalten, 
er  legt  wert  auf  Hardenbergs  wünsch,  das  buch  ganz  in  der  ge- 
stalt  von  Goethes  Wilhelm  Meister  drucken  zu  lassen,    sollte  kein 

bisher  nicht  gekümmert.  Tieck  teilt  (i^  s.  xxi)  mit,  dass  Novaiis  in  der  bi- 
bliolhek  KWFvFunks,  der  1791  seine  biograpbie  des  Hohenstaufen  Friedrich  n 
veröffentlicht  hatte  (vgl.  Friedrich  an  Wilhelm  Schlegel  s.  181)  in  dessen 
Chroniken  schon  im  Frühjahr  1799  auf  die  Sage  von  Oflerdingen  ge- 
stofsen  sei.  Wilhelm  Schlegel  (an  Tieck  m  259)  aber  betont,  dass  No- 
valis nachträglich  durch  ihn  die  behandlang  des  kriegs  zu  Wartburg  in  den 
Minnesängern  kennen  gelernt  habe.  Hardenberg  ist  also  nicht  von  Bodmers 
Sammlung  von  minnesingern  aus  dem  schwäbischen  zeitpnncte  (Zürich  17580 
ausgegangen,  die  (ii  Iflf)  den  Wartburgkrieg  nach  der  Manessischen  hs.  mit 
laa.  der  Jenenser  abdruckt,  vielmehr  wol  von  Menckens  Scriptores  rerum 
Germanicarum,  praecipue  Saxonicarum  (Lips.  1728),  die  (u  2035  ff)  Johannes 
Rotes  leben  der  heiligen  Elisabeth  nach  der  jüngsten  Gothaer  abschrift 
abdrucken,  hier  findet  sich  die  namensform  Aßerdingen  (vgl.  GTLLucas 
Ober  den  krieg  von  Wartburg,  Königsberg  1838,  s.  6  v.  67  uö.),  während 
Bodmer  OfterUngen  druckt,  ich  beballe  mir  vor,  die  hier  gegebenen  an- 
deutungen  weiter  zu  verfolgen. 


MEISSNER    NOVALIS    SÄMTLICHE   WERKE  241 

Verleger  sich  finden,  so  möchte  er  die  kosten  des  drucks  durch 
eine  subscriplion  unter  den  freunden  aufbringen.  Tiecks  antwort 
(Klette  nr  17  hsl.),  das  werk  einer  verdriefslichen  stunde,  stellt 
sich  punct  für  punct  gegen  Wilhelms  vorschlage,  er  will  nichts 
von  subscription^  nichts  von  der  ausstattung  des  Wilhelm  Meister 
wissen  (*da  das  buch  jetzt  eine  andre  absiebt  hat'),  insbesondre 
aber  schreibt  derselbe  Tieck,  der  bis  dahin  nur  seine  ^Sehnsucht' 
nach  dem  buche  Wilhelm  gegenüber  geäufsert  hatte  :  Du  kannst 
ja  nicht  wissen,  ob  nicht  zwischen  mir  und  Friedrich  eine  Abrede 
wegen  der  Herausgabe  statt  findet,  ob  wir  nicht  mit  [Novalis  bruder] 
Carl  von  Hardenberg  einig  sind,  ob  ich  nicht  das  Mskpt,  so  weit 
der  Ofterdingen  fortgesetzt  ist,  in  Händen  habe,  ob  ich  nicht  mit 
einem  Verleger  [Reimer  in  Berlin]  so  gut  wie  einig  bin.  ich  sage 
Dir,  dass  alles  dieses  der  Fall  ist.  ausdrücklich  verwahrt  er  sich, 
dass  es  ihm  bei  der  herausgäbe  des  buchs  um  ehre  oder  vorteil 
zu  tun  sei.  und  nach  all  den  geschäftlichen  beweisgrUnden  der 
rückgabe  meldet  eine  nachschrift,  et*  brauche  den  roman,  ihn  von 
neuem  zu  studieren  .  .  .  Er  gehört  mir  zu  Böhme,  zu  dem  ich 
beständige  Studien  mache,  der  brief  macht  einen  unzweideutig 
unerfreulichen  eindruck.  gestützt  auf  die  Leipziger  Verhandlungen 
mit  Friedrich,  von  denen  Wilhelm  nichts  wissen  konnte,  sucht 
Tieck  den  altern  Schlegel  aus  dem  kreise  der  herausgeber  zu 
verdrängen,  ja,  ein  blick  in  Carl  vHardenbergs  schreiben  an  Tieck 
vom  16  juni  (Hollei  i  315Q  offenbart,  dass  auch  Friedrich  aus- 
geschlossen oder  wenigstens  nach  kräflen  kaltgestellt  werden 
sollte;  Carl  vHardenberg  hatte  die  versprochne  fortsetzung  des 
Ofterdingen  gesendet  (Tiecks  behauptung  im  briefe  an  Wilhelm, 
dass  er  den  Ofterdingen,  soweit  er  fortgesetzt  sei,  in  bänden 
habe,  ist  also  richtig)  und  bemerkt :  Von  seinen  [Novalis]  Papiereti 
schikke  ich  Fr.  Schlegel  nächstens  einiges  von  den  letzten  Aufsätzen, 
aber  mit  vieler  Auswahl;  Sie  mein  guter  Tieck  sollen  sie  ohne  Aus- 
wahl haben;  Sie  würden  gewifs  meine  Gründe  billigen,  man  fühlt: 
Carl  vHardenberg  intriguiert  mit  Tieck  gegen  das  Scblegelsche 
brüderpaar.  Wilhelm  merkte  denu  auch  sofort  die  absieht  und 
erwiderte  Tiecks  schreiben  mit  einem  langen  scheltbriefe  (10  juli 
1801;  Holtei  iii  258(1).  er  plädiert  nochmals  für  seine  vorschlage, 
lässt  Tieck  deutlich  fühlen,  dass  wer  sich  ohne  anlass  entschuldige, 
sein  eigner  ankläger  sei,  und  weist  auf  seine  herausgeberrechte 
hin  :  Die  allgemeinen  Ansprüche  auf  die  Herausgabe  wären  .  .  .  we^ 
nigstens  gleich;  dem  Bruder  des  Verstorbenen  steht  allerdings  das 
Recht  zu,  eine  nähere  Vollmacht  z%i  ertheilen,  allein,  wenn  ich  ihr 
Folge  leisten  sollte,  so  musste  ich  davon  wissen,  es  empört  ihn 
innerlich,  dass  über  den  heiligen  nachlass  eines  von  ihm  innigst 
geliebten  und  betrauerten  freundes  ein  gemeines  gezänk  entstehn 
solle,  wie  Tieck  es  zu  erheben  anfange.  —  tatsächlich  ist  Wilhelm 
seit  diesem  briefe  an  der  ausgäbe  von  Novalis  nachlass  so  gut 
wie  nicht  mehr  beteiligt;    vorläufig  zieht  er  sich  gekränkt  ganz 


242  BIEISSNER   N0YALI8   SÄMTLICHE   WBBKE 

zurück.  SO  macht  sich  auch  hier  die  böse  zwiststimmuDg  geltend, 
die  um  jene  zeit  im  romantischen  lager  berschte.  verfeindete 
sich  doch  auch  Friedrich  bald  darauf  mit  Wilhelm,  wenigstens 
zeitweilig,  um  Carolinens  willen  (Scblegelbriefe  8.487(1).  in  dem 
streite  um  Caroline  steht  Tieck  auf  Friedrichs  seite  :  allein  auch 
Friedrichs  bänden  wurde  durch  die  vereinten  bemühungen  Tiecks 
und  Carls  vHardenberg  die  cdition  entwunden,  im  nov.  1801 
ist  Friedrich  bereits  völlig  einverstanden,  dass  Tieck  den  fertigen 
ersten  teil  des  Ofterdingen,  das  fragment  des  zweiten  teils  und 
einen  bericht  von  dem,  was  Novalis  mündlich  Tieck  über  die  fort- 
setzuug  gesagt,  zum  abdruck  bringe  (Holtei  lu  317).  er  scheint 
im  november  vergessen  zu  haben,  was  er  im  april  gewust  hatte, 
dass  nämlich  Hardenberg  zuletzt  ^seinen  plan  ganz  und  durchaus 
geändert  habe',  seine  mitteilungen  über  die  fortsetzung  also  völlig 
wertlos  wären,  dem  drucke  des  Ofterdingen  aber  stand  er  so 
fern,  dass  er  am  18  märz  1802  Schleiermacher,  der  die  correctur 
las^  bitten  muste,  ihm  doch  ja  aushängebogeu  zu  schicken  (Aus 
Schleiermachers  leben  in  309). 

Tieck  indes  hatte  selbst  wenig  freude  an  diesem  Zugeständ- 
nisse Friedrichs,  im  septerober  (?)  1802  —  so  lange  schob  er 
die  arbeit  hinaus  —  sendet  er  an  den  Verleger  Reimer  ^den  be- 
richt vom  Inhalt  des  2  teils  von  Ofterdingen'.  er  habe  ihn  so 
kurz  als  möglich  abgefasst,  *weil  dieser  teil  doch  stärker  wird, 
als  der  erste,  und  weil  nichts  schwieriger  ist,  als  einen  solchen 
geistvollen,  originalen  und  tiefsinnigen  plan  mitzuteilen',  dieser 
kleine  aufsatz  habe  ihn  mehr  mühe  gekostet,  als  es  ihm  irgend 
ein  leser  ansehen  könne,  im  vorbericht  zur  ersten  aufgäbe  ge- 
steht er  dann  vollends  zu,  dass  ihm  die  andeutuogen  über  die 
fortsetzung  selbst  problematisch  blieben. 

Noch  weit  böser  als  mit  der  ausgäbe  des  ^Ofterdingen'  sieht 
es  mit  dem  abdrucke  von  Hardenbergs  Fragmenten. 

Köpke  (Ludwig  Tieck  i  288)  teilt  mit:  Mn  der  ahnung 
eines  frühen  todes  hatte  Novalis  gewisse  papiere  bezeichnet,  die 
von  Tieck  oder  FSchlegel  eröffnet  werden  sollten,  ihnen  allein 
traute  er  das  rechte  verstäudnis  seiner  gedanken  zu.  sie  waren 
zu  Vollziehern  seines  litterarischen  testamentes  bestimmt'.  FSchlegel 
aber  schreibt  am  6  april  1801  an  seinen  bruder  (s.  475),  er  habe 
Carl  Hardenberg  vorläufig  beschworen,  von  Novalis  papieren  nichts 
uutergehn  zu  lassen,  und  fügt  hinzu:  Auf  den  fhäosophiscken 
und  physikalischen  nachlass  mache  idi  nebst  Ritter  ansjpruth.  KOpke 
wie  FSchlegel  haben  ohne  zweifei  den  teil  des  nachlasses  im  aoge, 
der  in  der  form  der  Fragmente  später  zu  tage  trat,  es  bandelt 
sich  um  die  papiere,  die  Carl  Hardenberg  (an  Tieck  16  juni  1801; 
Holtei  I  315  f)  nur  teilweise  an  FSclilegel,  ganz  aber  an  Tieck 
senden  will,  wie  wir  schon  oben  gesehen  haben,  wie  wenig 
Carl  Hardenberg  gewillt  war,  FSchlegel  die  redaction  der  papiere 
zu   überlassen,    zeigt  auch   sein    weiteres    intrigantes    gebaren. 


MEISSNER   NOVALIS   SÄMTLICHE   WEBEE  243 

anfang  noTember  traf  er  mit  Friedrich  in  Jena  zusaromeo.  Friedrich 
berichtete  an  Tieck  von  ihren  Verhandlungen  am  5  november  1801 
(Holtei  III,  317):  Er  war  nur  eine  Stunde  bei  mir,  indeuen  habe 
ich  doth  gleich  die  Zeit  benutzt^  um  über  die  Herausgabe  von  Novalis 
Schriften  das  Nölhige  mit  ihm  zu  reden.  Er  war  Alles  sehr  zu- 
frieden, wie  du  es  eingerichtet  hast^  und  wie  ich  es  ihm  vorschlug'. 
gänzlich  dieser  mitteilung  widersprechend  schreibt  Carl  Hardenberg 
an  Tieck  (Holtei  i  317),  er  habe  nur  wenige  worte  mit  Friedrich 
gesprochen,  und  weist  die  arbeit  völlig  Tieck  zu.  ''Machen  Sie 
es  ganz  in  ihrem  Sinne;  Sie  guter  Tieck,  kannten  unseren  Fritz 
am  tiefsten  in  Hinsicht  seiner  litterarischen  Arbeit,  und  Sie  können 
am  Besten  urtheilen,  was  dem  Druck  kann  übergeben  werden*,  er 
behält  sich  nur  eine  kleine  auswahl  unbedeutender  aufsätze  aus 
früheren  jähren  vor.  Tieck  freilich  stand  dem  nachlasse  Harden- 
bergs doch  zu  fern^  um  Carl  Hardenbergs  wünsch  vollauf  erfüllen 
zu  können;  und  er  Uberlässt  Friedrich  die  erste  redaction,  deren 
principien  dieser  schon  am  5  november  1801  Tieck  gegenüber 
entwickelt  hatte  (Holtei  iii  317):  man  sollte  aus  dem  uugedruckten 
materiale  fragmente  auswählen.  Zu  diesen  denke  ich  das  Beste 
ujid  Wichtigste  aus  dem  Blüthenstaub ,  Glauben  und  Liebe 
und  [die  Christenheit  oder]  Europa  zu  nehmen.  Da  alle  diese  drei 
Aufsätze  in  ihrer  Ganzheit  und  individuellen  Beziehung  nur  irre 
leiten  würden  über  den  Charakter  des  Schriftellers.  mit  der  durch- 
sieht des  ungedruckten  materials  hatte  es  aber  seine  guten  wege. 
zwar  bekam  Friedrich  von  Carl  Hardenberg  im  frübjahr  1802  — 
spät  genug  —  eine  auswahl  dieser  papiere  (Schlegelbriefe  s.  494); 
allein  der  umfang  des  nachlasses  bedingte,  dass  er  an  ort  und 
stelle  eingesehen  werde,  am  6  mai  1802  erwartet  Carl  Hardenberg 
noch  immer  FSchlegel  in  Weifsenfeis,  um  mit  ihm  gemeinsam  die  re- 
daction  vorzunehmen  (Holtei  i  321).  tatsächlich  dürfte  FSchlegel 
erst  ende  mai  1802  in  Weifsenfeis  gewesen  sein  (Holtei  iii  323); 
und  zwar  auf  seiner  fluchtähnlichen  reise  nach  Paris,  wieviel  er 
in  übereilter  arbeit  dort  zu  stände  gebracht  hat,  entzieht  sich  unserer 
beurteilung.  sicherlich  hat  er  später  keinen  weiteren  anteil  mehr 
genommen,  ende  juli  1802  trägt  er  von  Paris  aus  Carl  Harden- 
berg auf,  Tieck  zu  bitten,  er  möge  allein  den  2  teil  der  Schriften, 
also  auch  die  Fragmente,  besorgen  (Holtei  i  323).  im  September 
schreibt  er  dem  bruder  Wilhelm,  man  solle  Tieck  treiben,  den 
2  teil  zu  scbalfen:  sonst  werde  er  rasend  und  komme  nach 
Deutschland  zurück,  ihn  selbst  zu  machen  (s.497);  am  10  november 
freut  er  sich  der  Vollendung  des  Werkes  (Holtei  in  327;  vgl. 
Schlegel briefe  s.  498). 

Tieck  jedoch  war  die  jetzt  allein  auf  seinen  schultern  ruhende 
arbeit  nicht  leicht  geworden;  das  bezeugen  seine  hsl.  briefe  an 
Reimer,  im  September  (?)  1802  weist  er  auf  die  mühe  und  zeit 
hin,  die  ihn  di<;  Ordnung  der  Fragmente  gekostet  hat,  wider- 
holt im  october  (?)  dieselbe  klage   und  fügt  hinzu:  M  habe  die 


244  MEISSNER   NOVALIS   SÄMTLICHE    WERKE 

Fragmente  selbst  mit  genauer  Prüfung  gewählt^  und  manches  weg- 
gelassen, was  ich  wohl  aufnehmen  wollte,  und  schon  einmal  abge- 
schrieben hatte,  aber  das  Mscpt,  würde  zu  sehr  angewachsen  sein, 
dafür  kann  man  nun  nicht  gut  nach  meiner  Ueberzeugung  ein 
einziges  Fragment  weglassen  ohne  dem  Verf.  und  diesem  Buche  unrecht 
zu  tun,  welches  doch  nun  so  ziemlich  enthält,  was  er  bis  zu  dieser 
Lebensperiode  wollte,  suchte  und  erkannt  hatte,  in  dem  vorbericbte 
(1er  ausgäbe  meldet  er  endlicb,  die  fiagmente  seien  leils  den 
Sammlungen  Blütbenslaub  und  Glauben  und  Liebe  entnommen  (die 
Christenheil  oder  Europa  wird,  obgleich  nach  Friedrichs  anweisung 
benutzt,  nicht  erwähnt),  teils  entstammten  sie  den  zu  verschiedenen 
Zeiten  niedergeschriebenen  nachlasspapieren,  die  meisten  dieser 
seien  dem  entwürfe  eines  encyklopädischen  Werkes  entlehnt,  in 
welchem  Erfahrungen  und  Ideen  aus  verschiedenen  Wissenschaften  sich 
gegenseitig  erklären,  unterstützen  und  beleben  sollten.  FSchlegei 
habe  'hauptsächlich  die  auswahl  getrofTen',  er  selbst  den  versuch 
gemacht,  die  fragmente  'in  verschiedenen  abteilungen  in  eine  art 
von  Ordnung  zu  bringen',  streng  sei  die  prüfung  gewesen,  der 
grüste  teil  der  fragmente  nur  aus  raumrücksichten  zurückge- 
blieben. 

Und  merkwürdig  genug:  um  diese  ausgäbe  der  Fragmente 
zu  Stande  zu  bringen,  konnte  Tieck  zuletzt  doch  der  hilfe  WSchlegels 
nicht  entraten.  dieser  einst  so  unschön  ausgeschlossene  mitarbeiler 
muss  die  correcturen  für  ihn  lesen,  die  hsl.  briefe  an  Reimer  und 
Sophie  Bernhardi  (vgl.  auch  Holtei  iii  274)  beweisen,  welchen 
wert  Tieck  auf  diese  Unterstützung  Wilhelms  legte,  sie  kam 
natürlich  auch  den  übrigen  abteilungen   des  2    bandes   zu   gute. 

Von  diesen  übrigen  abteilungen  ist  nur  wenig  zu  sagen, 
die  Hymnen  an  die  Macht  liefs  auf  FSchlegels  wünsch  (Holtei  iii, 
318)  Tieck  unmittelbar  aus  dem  Athenäum  abdrucken;  er  gibt 
Reimer  in  diesem  sinne  seine  auftrage,  ebenso  wurden  die  Geist- 
lichen lieder  i — vii  ohne  änderung  ihrer  reihenfolge  aus  dem 
Musenalmanach  von  AWSchlegel  und  LTieck  herübergenommen 
und  ihnen  unmittelbar  die  folgenden  acht  nrr  viii — xv  angefügt, 
die  Carl  Hardenberg  am  18  Januar  1802  (Holtei  i  319)  Tieck 
übersendet  hatte,  die  vermischten  gedichte  umfassen  das  im 
Musenalmanach  abgedruckte  gedieht  *An  Tieck*  und  5  weitere 
stücke,  auf  die  Lehrlinge  zu  Sais  scheint  FSchlegei  Hardenbergs 
bruder  aufmerksam  gemacht  zu  haben;  sie  galten  schon  als  ver- 
loren (Holtei  I  318  zu  iii  317;  dann  i  320).  triumphierend 
meldete  Tieck  seiner  Schwester  Sophie  Bernhardi  im  September  (?) 
1802,  das  nianuscript  sei  gefunden,  welches  nadi  meinem  Gefühl 
das  schönste  ist,  was  er  noch  jemals  gemacht  hat  (vgl.  Holtei  in 
274  und  den  brief  an  Reimer  v.  septb.  1802). 

So  entstand  die  erste  ausgäbe  von  Hardenbergs  schrifien. 
sie  erlebte  bekanntlich  fünf  auflagen,  der  dritten  (1815)  setzte 
Tieck   eine  skizze   von   Novalis   leben  vor.     der   vierten   (1826) 


MEISS?(ER   NOVALIS    SÄMTLICHE    WERKE  245 

fugte  FSchlegel  den  aufsatz  die  Christenheit  oder  Europa  ein, 
den  Tieck  in  der  fünften  (1837)  wider  beseitigte,  zur  geschichte 
dieser  contraverse  verweise  ich  auf  Raich  (Novalis  briefwechsel 
s.  145fr).  sein  'lörichles  verfahren'  (Haym)  begründet  Tieck  in 
einer  besonderen  vorrede  zur  fünften  aufläge  (vgl.  auch  Hoffmanns 
Findlinge  s.  195  ff),  seit  der  vierten  aufläge  finden  sich  ferner 
in  der  Schlegel-Tieckschen  ausgäbe  auch  die  Blumen,  das  gedieht 
Der  Fremdling  und  3  briefe  Hardenbergs. 

Offenbart  die  geschichte  der  beiden  ersten  bände,  unter 
wie  mislichen  uoDsländen  die  Schlegel-Tiecksche  ausgäbe  von 
Novalis  Schriften  zu  stände  gekommen  ist,  so  ist  auch  der 
3  band,  den  Tieck  mit  EvBülow  1846  veröffentlichte,  ein  be- 
klagenswerter notbau.  das  schwierige  werk,  die  fragmenten- 
niasse  des  zweiten  bandes  aus  den  nachlasspapieren  zu  er- 
gänzen und  die  erste  auswahl  durch  sorgsamere  Zusammen- 
stellungen zu  ersetzen,  war  dem  alten  Tieck  viel  zu  mühsam, 
seine  auch  bei  der  fortsetzung  von  AWSchlegels  Shakespeare 
betätigte  fertigkeit,  andre  für  sich  arbeiten  zu  lassen,  kam  ihm 
zu  hilfe.  EvBülow,  'ein  jüngerer,  rüstiger  und  unermUdeter 
freund'  überhebt  ihn  der  mühe  (vorr.  s.  iv).  Bülow  wählt  einige 
Jugendgedichte  unter  vielen  aus,  die  ihm  der  mitteilung  nicht 
wert  schienen,  vereinigt  unter  dem  titel  Verstreute  Blätter:  Harden- 
bergs Charakteristik  seiner  braut  Sophie  vKübn,  den  dialog  Die 
Naturlehre,  den  'Monolog'  vom  sprechen  und  schreiben,  den  ur- 
sprünglichen anfang  des  2  bandes  vOfterdingen,  drei  entwürfe 
zu  novellen  und  ein  auf  die  Lehrlinge  zu  Sais  bezügliches  notiz- 
blatt,  macht  ferner  mitteilungen  aus  Novalis  tagebuche  und  druckt 
einige  weitere  briefe  ab.  endlich  bringt  er  eine  neue  auswahl 
von  über  600  fragmenlen,  die  er  den  schon  mitgeteilten  für 
ebenbürtig  hält,  und  ordnet  sie  in  zwei  grofse  gruppen:  Poesie 
und  Kunst  einerseits,  Wissenschaft  und  Leben  anderseits,  sie 
entstammen  dem  ungedruckten  nachlass  und  auch  wider  den  ge- 
druckten aufsützen  (vgl.  Haym  s.  340*).  über  den  weiteren  nach- 
lass Hardenbergs  gibt  er  (s.xi)  flüchtige  notizen:  Übersetzungen,  an- 
Icinge  zu  dramen,  unvollendete  wissenschaftliche  arbeiten  fanden 
sich  vor;  sie  seien  durchweg  jugendversuche,  er  weifs  auch 
von  der  existeuz  bedeutender  briefschälze  Hardenbergs,  ohne  dass 
ihm  geglückt  wäre,  ihrer  habhaft  zu  werden. 

Dem  Vorworte  Tiecks  und  dem  vorberichte  Bülows  folgt  ein 
abdruck  der  biographie  Hardenbergs,  die  sein  freund  Just  in 
Schlichtegrolls  Nekrolog  der  Teutschen  für  das  neunzehnte  Jahr- 
hundert (Gotha  1805.  iv  187  —  241)  gestiftet  hatte.  Schlichte- 
grolls —  wie  mir  scheint,  nicht  uninteressantes  nachwort  (ebenda 
s.  241 — 261)  —  kam  nicht  zum  neudruck. 

Diese  WSchlegel  entwundene  und  zuletzt  doch  von  ihm 
corrigierte,  von  FSchlegel  gegen  seine  bessere  Überzeugung  in- 
spirierte und  in  zwölfter  stunde  beihin  angeordnete,   von  Tieck 


246  MEISSNER   NOVALIS   SÄMTLICHE   WERKS 

mit  müh  und  not  ztisaromeDgestoppelte,  dano  tod  FSchlegel  er- 
gänzte, von  Tieck  wider  unTollstandiger  gemachte,  vod  Bülow 
endlich  mit  einem  übel  ergänzenden  anbau  versehene  ausgebe 
von  Hardenbergs  Schriften  ist  von  M.  zur  grundlage  gewählt 
worden  I  und  wie  vollends  bewegt  er  sich  auf  diesen  schwankenden 
unsicheren  bodenl 

Heinrich  vOfterdingen  eröffnet  den  2  band,  die  obigen  aus- 
Führungen  erhärten  wol  hinreichend,  wie  wenig  dem  nachwort 
Tiecks  zu  trauen  ist.  eine  kritische  ausgäbe  sollte  sicher  nicht 
in  gleichen  lettern ,  nur  mit  dem  vermerk  Won  hier  ab  spricht 
Ludwig  Tieck'  (iii  237)  und  ohne  einen  unzweideutigen  binweis 
auf  seine  entstehung  und  seinen  geringen  wert  dieses  nachwort 
abdrucken,  freilich  übt  auch  M.  an  dem  elaborate  Tieck» 
kritik,  aber  nur  ganz  versteckt  deutet  er  (i  s.  vi)  auf  seinen 
eingriff  bin.  das  buch  *FvHanlenberg  (genannt  Novalis)  eine 
nachlese  aus  den  quellen  des  familienarchivs'  druckt  (s.*21 7)  ein 
paar  Zeilen  von  einem  entwürfe  des  2  teiles  ab.  Tieck  benutzte 
sichtlich  dieses  nachlasspapier;  seine  darstellung  (Schlegel*Tieck 
i^  248)  schiebt,  vermutlich  aus  einem  anderen  brouillon,  einiges 
ein  und  schliefst  den  absatz:  Mehrere  Lieder  soUu»  hier  folgen. 
in  Novalis  entwürfe  heifst  es  einfach:  Marienlieder.  M.  folgt  der 
ursprünglichen  la.  und  fügt  alsdann  die  beiden  Marienlieder  Wer 
einmal^  Mutter,  dich  erblickt  und  Ich  sehe  dich  in  tausend  Bädern 
ein.  wie  passt  dies  vorgehn  zu  der  ankündigung,  dass  Tieck 
hier  spreche?  zum  mindesten  war  anzudeuten,  dass  Tieck  eben 
anderes  hingeschrieben  habe. 

Noch  sonderbarer  und  noch  weit  unkritischer  ist  es,  wenn 
M.  den  von  Bülow  aus  dem  nachlasse  (iii  122)  mitgeteilten  Ersten 
entwurf  des  anfangs  zum  zweiten  teile  des  Ofterdingen  ganz 
ungeniert,  soweit  er  neues  bot,  mit  dem  tatsächlichen  anfange  zu 
einem  ganzen  zusammenschweifst,  dh.  die  ersten  zwei  drittel  des 
Entwurfes  (ii  213)  abdruckt  und  dann  auf  der  nächsten  seite 
erst  mit  den  uns  geläufigen  eingangsworten  Auf  dem  sdimalen 
Fufssteige  .  .  .  fortHlhrt.  Bülows  mitteilung  hat  die  form  eines 
unausgeführten  hrouillons,  dem  gegenüber  der  anfang  des  2  teiles, 
wie  ihn  die  ausgäbe  von  Schlegel  und  Tieck  bietet,  als  letzte  vod 
dem  dichter  gewählte  form  gelten  darf,  ein  kritischer  heraus- 
geber  soll  aber  den  dichter  so  herausgeben,  wie  dieser  selbst  dem 
publicum  sich  zeigen  wollte,  hier  wie  im  vorhergehnden  falle 
scheint  mir  zunächst  die  angst  vor  dem  vielgeschmähten  kritischen 
apparat  zu  fehlgriffen  geführt  zu  haben,  das  letze  drittel  des 
hrouillons  wird  mau  nach  wie  vor  in  Bülows  3  bände  suchen 
müssen.     M.  hat  ihm  keinen  platz  angewiesen. 

Ganz  unnötig  war  es,  die  ^gedichte  aus  dem  HvOflerdingen, 
soweit  sie  losgelöst  verständlich  sind  und  selbständigen  poetischen 
wert  haben',  auch  noch  als  besondere  gruppe  in  die  Sammlung 
der    gedichte  des  i   bandes    einzureihen,     zunächst    eine    Ober- 


MEISSNER   NOVALIS   SÄUTLICHE   WEBKB  247 

flQssige  ausdehnuDg  der  ausgäbe!  wenn  Novalis  selbsl,  wie  etwa 
Goethe,  die  lyrischen  einlegen  seiner  erzählenden  dichtung  zu 
neuen  |kunslvollen  gruppen  geordnet  hatte^  dann  wäre  M.  ja  sicher 
im  recht,  das  ist  indes  nicht  der  fall.  M.  hatte  allerdings  noch 
einen  anderen  anlass.  die  von  Bülow  abgedruckten  gedichte 
Fragment  und  Das  Gedicht  hat  Busse  (s.  127  0  mit  einiger  Wahr- 
scheinlichkeit der  fortsetzung  des  Oiterdingen  zugewiesen,  ja  sogar 
die  stellen  in  Tiecks  nach  wort  kenntlich  gemacht,  an  die  jene 
gedichte  gehören,  diesmal  wagte  indes  M.  nicht,  was  er  mit 
den  Marieniiedern  getan;  es  fehlt  ihm  aber  auch  die  mOglichkeit, 
den  Zusammenhang  mit  dem  roman  anzudeuten,  da  er  kritische 
anmerkuugen  scheut,  so  mufs  denn  innerhalb  der  gedichte  eine 
besondere  rubrik  der  Gedichte  aus  BvOfterdingen  entstehn;  und 
hier  bringt  er  das  Fragment  und  Das  Gedicht  unter,  das  ver- 
fahren mag  logisch  scheinen,  ist  aber  verblüffend  unkritisch. 

Dass  die  Marienlieder  innerhalb  der  Gedichte  auch  zu  der 
Ofterdingengruppe  gestellt  werden,  dass  also  für  die  Geisthchen 
lieder  statt  der  14  nrr  Schlegels  und  Tiecks  nur  12  erübrigen, 
ist  kritisch  wol  unanfechtbar;  denn  nur  die  beiden  herausgeber 
(nicht  aber  Movalis  selbst)  haben  die  Marienlieder  den  Geistlichen 
gedichten  zugeordnet,  ^die  vermischten  gedichte  sind,  insoweit 
sich  biographische  anhalte  ergaben^  nach  diesen,  und,  wo  diese 
versagten,  nach  dem  dichterischen  reifegrad  chronologisch  ge- 
ordnet', im  wesentlichen  sind  der  anordnung  die  ergebnisse  Busses 
(aao.  s.  99  fr)  zu  gründe  gelegt,  nochmals  sei  auf  die  M.  wie 
Busse  unbekaoote»  Jugenddichtungen  hingewiesen  (s.oben  s.  238)» 
das  lied  Was  passt,  das  muss  sich  runden  (i  227)  und  das  sonett 
In  stiller  Treue  sieht  man  gern  ihn  walten  (i  233)  sind  mit  Busse 
den  adressaten  Tieck  und  Carl  vHardenberg  zugewiesen,  allerdings 
mit(sehrnotwendigen  I)  fragezeichen.  erstaunlicher  ist,  dasseinzelnea 
liedern  ohne  weitres  titel  geschenkt  werden:  s.  223  Lebenskunst^ 
s.  228  Frühlingslied,  s.  230  Sehnsucht  und  erfüUungi 

Zum  abdruck  der  Lehrlinge  zu  Sais  (n  257  ff)  ist  nur  zu 
bemerken,  dass  der  von  Bülow  (iii  125)  mitgeteilte  entwurf  der 
fortsetzung  dem  texte  angefügt  ist.  allerdings  hätten  die  beiden 
distichen  (i  218)  hier  oder  an  der  stelle  ihres  abdruckes  mit  dem 
fragmente  iu  beziehung  gesetzt  werden  sollen,  sie  gehören  den 
Lehrlingen  doch  wol  weit  sicherer  an,  als  einzelne  der  von  M» 
mit  Busse  angezogenen  gedichte  dem  Ofterdingen  (vgl.  Busse  s.  156)» 

Die  Hymnen  an  die  Nacht  (i  79fT)  hätte  M.  am  liebsten  in 
verszeilen  abgeteilt,  wenigstens  die  ersten  vier;  ^umsomehr,  da 
es  neuerdings  wider  von  Busse  nachgewiesen  ist,  dass  sie  ur- 
sprünglich von  Novalis  selbst  als  freie  rhythmen  geplant  waren*^ 
(i  s.  v).  wie  es  mit  diesem  nachweis  Busses  steht,  hab  ich  in 
dieser  Zeitschrift  (xxv  319)  darzulegen  versucht.  Minors  angäbe, 
dass  die  Bymnen  in  versificierter  form  existieren,  und  dass  das 
Hardenbergsche  archiv  diese  urgestalt  der  dichtung  nebst  einem 


248  MEISSNER   NOVALIS    SÄMTLICHE    WERKE 

reichen  schätze  andrer  handschriften  von  Novalis  hirgt  (DLZ  1888 
nr  12),  ist  auch  M.  entgangen,  und  das  rächl  sieb  insbesondere 
an  seiner  hehandlung  der  Fragmente. 

Die  oben  gegebene  geschichle  der  Schlegel-Tieck-Bülowschen 
ausgäbe  beweist  zur  genüge,  unter  wie  mislichen  umständen 
gerade  die  auswahl  und  anordnung  der  Fragmente  zustande  ge- 
kommen ist.  wenn  irgendwo,  so  war  es  hier  nötig,  an  die  originale 
heranzutreten,  vielleicht  liefse  sich  aus  dem  nachlasse  auch  heute 
noch  das  ^encyklop[idische  werk'  reconstruieren,  auf  das  Tieck  im 
vorberichte  hinweist,  da  M.  diesen,  einem  kritischen  herausgeber 
vorgeschriebenen  weg  nicht  betreten  hat,  gilt  es  zu  erkunden, 
was  mit  dem  gedruckten  materiale  anzufangen  war,  und  wie  er 
mit  ihm  verfuhr. 

Gewis,  mit  den  beiden  Sammlungen,  der  auswahl  Tiecks  und 
der  nachlese  Bülows,  braucht  man  nicht  allzu  zimperlich  zu 
verfahren,  sie  versinnbildlichen  in  keiner  beziehung  Hardenbergs 
eigne  absiebten.  M.  durfte  (was  er  getan  bat)  die  Fragmente 
des  3  bandes  denen  des  2ten  einordnen,  er  durfte  aus  beiden 
gruppen  ein  neues  ganzes  machen,  er  begnügte  sich  zwei  grofse 
abteilungen  herzustellen :  Fragmente  über  ästhetisches  (iii  1  ff) 
und  Fragmente  über  ethisches,  philosophisches  und  wissenschaft- 
liches (iif  soff),  beide  abteilungen  nehmen  ihren  Stoff  aus  den 
Sammlungen  so  Tiecks  wie  Bülows.  die  erste  umfasst  im  wesent- 
lichen: iiM70— 193.  218—231.  iii  163— 189,  die  zweite:  ii* 
193—204.  105—169.  ui  189—206.  212—324.  ii»  232—276. 
zwischen  den  beiden  gruppen  (s.  6311)  stehn  die  Dialogen  (ii^ 
204 — 218).  diese  anordnung,  über  deren  reihenfolge  ich  mit 
M.  nicht  zu  rechten  gedenke,  hat  er  'nach  mancherlei  versuchen 
der  parcellierung  des  schönen  urwalds  voll  eigenartig  zarter 
und  starker  gedankengewächse'  einer  'streng  systematischen  ein- 
f^cherung'  vorgezogen  (i  s.  vii).  «nur  hie  und  da  sind  nabestebnde 
gedanken  näher  zusammengerückt'. 

Ja,  aber  Tieck  und  FSchlegel  bekennen  doch  selbst,  dass 
sie  die  fragmente  nicht  nur  dem  handschriftlichen  nachlasse 
des  freundes,  sondern  auch  gedruckten  aufsätzen  entnommen  haben  ? 
aus  gründen,  die  heute  ganz  hinfällig  geworden  sind,  aus  einer 
heute  völlig  unnötigen  rücksicht  auf  das  publicum  von  1802  haben 
sie  diese  von  Novalis  geschaffnen  gedankenforroen  zerschlagen, 
die  aufgäbe  eines  kritischen  herausgebers  indes  ist,  um  es  noch- 
mals zu  sagen,  den  Schriftsteller  in  der  von  ihm  selbst  gewählten 
form  zu  veröffentlichen.  M.  druckt  allerdings  die  aufsätze  Glauben 
und  Liebe  und  die  Christenheit  oder  Europa  (m  313 ff.  336ff)  in 
ihrer  urform  ab  und  scheidet  folgerichtig  die  fragmente,  die  diesen 
beiden  aufsätzen  entstammen,  aus.  freilich  wenig  sorgfältig  I  denn 
etwa  s.  269  und  321,  beziehungsweise  s.  333,  dann  s.  270  und 
315  stehn  dieselben  Sätze  als  fragmente  von  Tiecks  und  FSchlegels 
gnaden  und  als  bestandteile  der  von  Novalis  geformten  aufsätze. 


MEISSISER   NOVALIS   SÄMTLICHE    WERKE  249 

der  Blüthenslaub  jedoch  kommt  nicht  selbständig  zur  geitung;  und 
doch  empGehlt  nicht  nur  theoretischer,  auch  praktischer  gesicbts- 
punct  den  unveränderten  abdruck.  noch  immer  mufs  der  forscher 
das  Athenäum  aufschlagen,  wenn  er  den  Blüthenstaub  wissenschaft- 
lich verwerten  will,  allerdings  hat  FSchlegel,  der  vor  der  ersten 
TeröfTentlichung  dem  bruder  schrieb:  Der  köstliche  Blüthenstaub 
darf  nicht  getrennt  werden^  sich  einige  Zusätze  erlaubt  (Schlegel- 
briefe s.  365  f.  375;  vgl.  Haym  s.  901).  allein  schon  Minor 
(FSchlegel  Jugendschriften  ii  s.  viii)  hat  einem  künftigen  kritischen 
herausgeber  gezeigt,  wie  hier  zu  verfahren  war. 

M.s  aufgäbe  wäre  gewesen,  Blüthenstaub,  Glauben  und  Liebe 
und  Christenheit  oder  Europa  an  die  spitze  des  in  bandes  zu 
stellen,  dann  konnte  er  die  Dialogen  (i|i  63 fi);  den  von  Bolow 
uns  geschenkten  Monolog  (ni  366fr)  und  den  aufsatz  Naturlehre 
(BUlow  s.  117)  folgen  lassen,  dieser  letzte  fehlt,  soviel  ich  sehe, 
bei  M.  überhaupt,  während  M.  die  jenem  bei  Bülow  benachbarten 
stücke  abdruckt  (auch  die  ^drei  entwürfe  zu  novellen'  ii  312). 
der  rest  der  fragmente  hätte  dann  folgen  können,  unter  diesen 
waren  aber  die  Athenäumsfragmente  Hardenbergs  irgendwie  kennt- 
lich zu  machen  (vgl. Haym  s.286  und  Minor  FSchlegels  Jugendschr. 
II  s.  viii);  es  sei  denn,  man  zieht  vor,  diese  Athenäumsfragmente 
Hardenbergs  auszuscheiden  und  sie  vereint  vor  die  fragmenten- 
masse  des  ungedruckten  nachlasses  zu  stellen. 

Wenn  die  ausgäbe  von  Novalis  schriftstellerischen  arbeiten 
unter  dem  mangel  philologischer  methode  leidet,  so  leistet  M.  doch 
noch  überraschenderes  in  der  widergabe  der  briefe.  ^es  empfahl 
sich',  sagt  er  (i  s.  v),  'auch  das  autobiographische  in  tagebüchern 
und  bricfen,  soweit  es  zur  Verfügung  stand,  .  .  .  anzuschliefsen'. 
gewis,  'empfahl  sich'  das.  allein  was  tut  unser  mann?  sklavisch 
dem  vorgehen  der  Schlegel-Tieck-Bülowschen  ausgäbe  folgend, 
druckt  er  nach  iii  47  fr  zunächst  das  bruchstück  ^Aus  Novalis 
tagebuche  seiner  letzten  lebensjahre'  ab  (i  SfT).  das  mag  noch 
angehn;  oder  soll  ihm  vorgeworfen  werden,  dass  er  diesem 
autobiographischen  documente  nicht  im  Hardenbergschen  archive 
nachgegangen  ist?  allein  dann  lässt  er  (i37ff)  die  Briefe  folgen, 
die  in  der  Originalausgabe  m  129  fr  und  ii  291  ff  veröfTentlicht 
worden  sind,  umsonst  suchte  der  ref.  zu  ergründen,  warum 
grade  diese  und  keine  anderen  briefe  gewählt  wurden,  oder 
sollte  M.  wtlrklich  von  den  übrigen  seither  publicierten  briefen 
Hardenbergs  nichts  wissen?  warum  ist,  um  ein  beipiel  heraus- 
zugreifen, Hardenbergs  brief  an  Schiller  vom  11  sept.  1791 
(natürlich  auch  noch  mit  dem  falschen  datum:  22  sept.)  aufge- 
nommen, und  nicht  auch  der  vom  7  october  desselben  jabres 
(Charlotte  vSchiller  und  ihre  freunde  in  174fr)  und  der  vom 
23  juli  1798  (Morgenblatt  1844  nr  57)?  nur  weil  die  Original- 
ausgabe sich  mit  dem  ersten  schreiben  begnügt?  ich  halt  es 
nicht  für  meine  pflicht,  an  dieser  stelle  alle  ausgelassenen  briefe 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  17 


250  MEISSNER   NOVALIS   8AUTLIGHE   WERKE 

zusammenzustellen,  bedauern  mufs  ich  nur  noch,  dass  M.  nicht 
den  geringsten  versuch  macht,  die  adressaten  der  von  ihm  auf- 
genommenen schreiben  zu  erkunden,  ja  dass  er  sogar  die  angaben 
der  Originalausgabe  übersehen  hat  (vgl.  M.  i  54  mit  BOlow  iii  s.  ix 
und  Haym  s.  327*).  der  druckfehler  1897  für  1797  (i  67)  sei 
nur  beiläufig  notiert. 

Verwunderlich  bleibt  noch  eins;  ein  herausgeber,  der,  blofs 
um  den  ganzen  inhalt  einer  schlechten,  ungleichmäfsigen  edition 
herüberzunehmen,  völlig  unvollständige  autobiographische  docu- 
mente  abdruckt,  vergisst  zwei  wichtige  nrr  seiner  vorläge  :  erstens 
Hardenbergs  oft  citierte  Schilderung  seiner  ersten  braut  (Buiow 
m  115);  dann  die  biographie  Justs  mit  ihrer  erklecklichen  anzahl 
Hardenbergscher  briefe. 

Von  einem  so  wenig  geschulten  herausgeber  werden  wir 
keine  philologische  textbehandlung  erwarten,  nicht  für  ihn, 
sondern  für  wissenschaftliche  forscher  sei  darum  das  folgende 
noch  angefügt,  in  den  Geistlichen  liedern  i  und  ii  bietet  M. 
folgende  lesarten:  s.  108  v.  8  Und  Indien  muss  idbst  im  Norden 
Um  den  Geliebten  fröhlich  blühn  und  s.  111  v.  1  Fem  im  Osten 
wird  es  helle,  die  authentische  ausgäbe,  der  Musenalmanach 
von  1802,  list  in  Norden,  in  Osten.  Norden  als  eigennamen  ohne 
artikel  zu  verwenden,  ist  so  ungewöhnlich  nicht.  Lexer  (DWB 
IV  889)  gibt  belege  aus  dem  16  Jh.,  aus  Brockes  und  JJEngel. 
ich  verweise  noch  auf  Goethes  Faust  v.  9448,  der  auch  Osten 
V.  9281  und  9449  in  gleicher  weise  behandelt,  allerdings  un- 
mittelbar daneben  v.  9282  Westen  mit  dem  artikel  versieht.  — 
in  den  ^Hymnen  an  die  nacht'  druckt  M.  ferner  i  89  z.  9  Die 
krystallene  Woge,  die  .  .  .  in  des  Hügels  dunkeln  Schoo/se  quiUt; 
im  Athenäum  heifsi  es  dunkeln  Schoofs.  dann  i  90  z.  2  v.  u. 
im  endlosen  Raum  zergingst  du;  Athenäum  :  in  endlosen  Raum. 
M.  hält  sich  beidemal  an  die  Jüngern  drucke,  während  er  gegen 
diese  im  anschluss  an  das  Athenäum  i  87  z.  3  richtig  list :  Hügel, 
der  in  engen,  dunkeln  Raum  die  Gestalt  meines  Lebens  barg,  durch- 
aus handelt  es  sich  um  die  von  Petrich  §  40  vielfach  belegte  ro- 
mantische eigenheit,  den  casus  der  bewegung  für  den  casus  der 
ruhe  zu  setzen.  —  i  87  z.  1  lis  in  Schmerz  aufgelöst  für  m 
Schmerz,  aufgelöst,  i  89  z.  1 — 3  lautet  die  anapher  bei  M.  trenn 
.  .  .,  wann  .  .  .,  wann  .  ,  .,  im  Athenäum  durchaus  wenn. 

Die  paar  kleinen  anmerkungen,  die  M.  unter  den  text  setzt, 
sind  viel  zu  unbedeutend,  als  dass  sie  längeres  verweilen  ver- 
lohnten. 

Zu  M.s  ausgäbe  hat  Bruno  Wille  eine  Charakteristik  Harden- 
bergs geliefert,  sie  verfolgt  lediglich  populäre  zwecke  und  gibt  mir 
keinen  anlass  zu  weitrer  erörterung.  auf  welchem  wege  die  er- 
forschung  des  romantischen  mystikers  zu  neuen  resultaten  vor- 
dringen kann,  hat  A  Hu  her  jüngst  (Euphorion  4,  ergänzungsheft 
1899   8.  99  ff)    erfolgreich   gezeigt.      Wille  hat  diesen  weg  ge- 


MEISSKER   NOVALIS    SÄMTLICHE    WERKE  251 

mieden,  wer  so  raube  pfade  scheut,  dem  bietet  Ricarda  Huchs 
geistvolles  buch  immer  noch  eine  weit  bessere  einführung.  die 
mutige  dichterin  hat  bewiesen,  dass  man  nicht  seicht  zu  werden 
braucht,  um  romantisches  fühlen  und  denken  unseren  Zeitge- 
nossen verständhch  zu  machen. 
Bern,  17  juni  1900.  Oskar  F.  Walzel. 


LiTTERATURNOTIZEN. 

Die  antilie  kunstprosa  vom  vi  Jahrhundert  v.  Chr.  bis  in  die  zeit  der 
renaissance.  von  Eduard  Norden,  2  bde.  Leipzig,  Teubner,  1898, 
xviii  und  969  ss.  8^.  28  m.  —  dies  grandiose  werk  wird  wol  für 
immer  die  erste  etappe  auf  dem  kaum  betretenen  wege  der  ge- 
schichte  des  prosastils  bilden.  N.  versucht  in  anregender  und 
schwungvoller  (leider  für  den  gegenständ  oft  zu  wenig  sachlicher 
und  nüchterner)  darstellung  die  entwicklung  der  kunstmäfsigen 
prosa  von  Heraklit  bis  Petrarca  zu  zeichnen,  für  die  kürze  der 
aufgewendeten  zeit  (2 — 3  Jahre)  ist  die  kennlnis  der  stilistisch  ge- 
wtlrdigten  autoren  staunenswert  und  die  belesenheit  in  der  ein- 
schlägigen litteratur  nahezu  beispiellos,  aber  nicht  nur  die  ge- 
waltige receptivitäl  des  Verfassers,  der  namentlich  in  den  gelehr- 
ten uoten  einen  künftig  für  alle  behandelten  fragen  unentbehr- 
lichen apparat  zusammengetragen  hat,  auch  die  gewantheit  in  der 
auffassung  der  stilistischen  individualität  und  das  frische  urteil 
fordern  meistens  hohe  anerkennung.  indessen  hat  die  eilige  arbeits- 
weise  den  einzclresultaten  erheblich  geschadet  und  übereilte,  lose 
oder  schiefe  argumentationen  reizen  zu  fortwährendem  Widerspruch; 
—  und  doch  wird  niemand  das  buch  ohne  vielseitige  anregung 
und  förderung  aus  der  band  legen. 

Die  griechische  kunstprosa  der  attischen  blütezeit  kommt  natür- 
lich in  einer  derartigen  wesenthch  auf  die  Würdigung  der  spät- 
antiken  und  christlichen  litteratur  berechneten  darstellung  zu  kurz 
(für  Plato  genügen  8  Seiten),  und  noch  manches  andere  wird 
nur  ehrenhalber  abgetan;  die  darstellung  des  sogenannten  asianis- 
mus  ist  inzwischen  durch  vWilamowitz  überholt,  —  aber  wer  wird 
nicht  die  umfangreichen  abschnitte  über  die  zweite  sophislik,  wer 
nicht  die  ganz  neue  und  eigene  stilistische  behandlung  der  neu- 
testamentlichen  Schriften,  der  kirchenväter^  die  erOrterungen  über 
gnostisches,  die  Untersuchungen  über  afrikanische  prosa,  den 
versuch  einer  entwicklung  des  altchristlichen  predigtstiles  mit 
freuden  begrüfsenl 

Das  aufserordentliche  verdienst,  das  sich  der  verf.  durch  er- 
Orteruiig  aller  dieser  probleme  erworben  hat,  wird  nur  wenig 
geschmälert  dadurch,  dass  der  verbindende  grundgedanke,  welcher 
die  gesamtvorstellung  durchzieht  und  vom  altertum  zum  mittel- 
alter  und  der  renaissance  überleitet,  für  jeden,  der  sich  mit  der 
antiken  prosa  befassl  hat,  unannehmbar  ist.     N.  sieht,  ohne  den 

IT* 


252  NORDEN    DIE    ANTIKE   KUNSTPR08Ä 

begriff  ^kuDstprosa'  scharf  zu  umschreiben,  das  wesen  der  griechi- 
sehen  kunstprosa  einseilig  in  der  rhythmisierung,  der  poetischen 
diction  und  den  ßguren.  in  der  periode  des  niedergangs  der 
attischen  prosa  nach  300  v.  Chr.  kommt  der  sophistiscb-asianische 
Stil  in  die  höhe,  der  gegensatz  zwischen  ihr  und  den  Vertretern 
des  classischen  atticismus  setzt  sich  durch  die  christliche  litteratur 
und  die  ganze  lateinische  prosa  bis  in  die  renaissance  fort,  für 
das  immer  wider  zu  beobachtende  auftreten  eines  pointierten 
antilhesenstils  mit  kurzen,  zerhackten,  parallelen  gliedern  macht 
N.  den  Sophisten  Gorgias,  Piatos  gegner,  verantwortlich,  ohne 
auch  nur  einigermafsen  befriedigende  beweise  für  das  fortleben 
seiner  in  Wahrheit  ganz  ephemeren  manier  erbracht  zu  haben, 
die  letzten  ausläufer  dieses  vermeintlichen  gorgianischeo  Stiles 
sieht  er  in  der  antithesenprosa  des  englisch-spanischen  euphuismus 
der  Lyly  und  Guevara,  wo  findet  man  denn  eigentlich  diesen 
antithesen-stil  nicht?  die  neigung  dazu  ist  in  jedem  volke  vor- 
handen, N.  selbst  fuhrt  an,  dass  die  Chinesen  sich  in  ihm  ge- 
fallen, die  antithesen  und  kurzen  sätze  in  der  grabschrift  des 
Guevara  beweisen  ebenso  wenig,  wie  etwa  die  bekannte  grabschrift 
des  holländischen  admirals  Fiel  Hein. 

Für  das  mittel  alter  verlässt  der  verf.,  aufser  stände,  seine 
falsche  hypothese  auch  hier  durchzuführen,  zunächst  den  boden 
der  eigentlichen  Stilforschung  und  gibt  wichtige  excurse  über 
das  fortleben  der  antiken  bildung  und  litteratur,  über  die  artes 
liberales,  den  streit  zwischen  Scholastikern  und  classicisten,  woran 
sich  dann  eine  stilistische  Würdigung  der  hauptsächlichen  Ver- 
treter des  classicismus,  Cinhart,  Servatus  Lupus,  Gerbert,  Lambert 
ua.  knüpft,  die  belesenheit  des  verf.  ist  auch  hier  für  einen 
classischen  philologen  sehr  grofs,  aber  es  will  mir  nicht  scheinen, 
als  ob  er  über  die  cullur  des  mittelalters  zu  einem  immer  be- 
friedigenden urleil  gekommen  wäre,  der  classicismus  Karls  des 
Grofsen,  den  er  in  flüchtigen  strichen  zu  schildern  versucht,  steht 
zb.  in  einem  nicht  genügend  erklärten  Widerspruch  mit  'der  zu 
gleicher  zeit  herschenden  anschauung  von  dem  relativen  wert 
und  der  dienenden  Stellung  der  artes  liberales  und  der  classischen 
autoren'.  entsprang  aber  nicht  vielleicht  der  kunstsino  Karls, 
wie  er  sich  in  der  begünstigung  des  baulustigen  Ratgar  und  der 
bestellung  illustrierter  messbücher  äufserte,  seiner  innersten  Über- 
zeugung, während  seine  äufserungen  über  den  w^rt  der  antiken 
bildung  und  die  Stellungnahme  der  libri  Carolini  zum  bilderdienst 
mehr  kirchenpolilischen  zwecken  dienten?  —  ich  glaube  ander- 
seits, uns  classischen  philologen  ist  doch  das  mittelalter  zu  fremd, 
als  dass  wir  mit  einem  satz  wie  folgendem  auf  unbedingten  beifall 
von  kennern  der  mittleren  Zeiten  rechnen  dürften  :  (s.  688)  'ästbe- 
tiscben  genuss  gewährten  die  Schriftsteller  auch  nicht  einer  gene- 
ration  von  menschen,  die  meist  geschmack  an  dem  bizarren  und 
perversen   hatte   und   dem   denken   und   fühlen   der  antike   ent- 


NORDEN    DIE    ANTIKE    KUNSTPROSA  253 

wachsen  war.  besser  also  man  warf  den  alten  plunder  in  die 
ecke  und  begnügte  sich  mit  dem  auf  Haschen  gezogenen  bildungs- 
extract  der  artes*.  welche  'generation'  meint  eigentlich  der  verf.? 
die  mitte  des  12  jhs.?  und  welche  menschen?  das  ganze  deutsche 
oder  französische  volk?  die  Scholastiker  allein  kann  man  doch 
nicht  eine  generation  nennen,  wie  stimmt  zu  solchen  urteilen 
der  satz  am  eingange  des  ii  buches,  s.  659:  *als  eine  der  grofs- 
artigsten  historischen  errungenschafien  unsres  Jahrhunderts  darf 
gelten,  dass  derjenige,  der  das  mittelalter  noch  mit  den  schmäh- 
Worten  der  humanisten  bezeichet,  ähnlicher  schmäbworte  seitens 
der  heutigen  forscher  gewärtig  sein  muss*. 

Den  lesern  dieser  Zeitschrift  dürfte  noch  der  angehängte  ab- 
schnitt zur  geschichte  des  reims  besonders  willkommen  sein.  N.  nimmt 
es  als  selbstverständlich  an,  dass  der  deutsche  reim  aus  der  lateini- 
schen hymnenpoesie  entlehnt  ist,  und  indem  er  auf  eine  darstellung 
dieses  lateinischen  hymnenreimes  gänzlich  verzichtet,  versucht  er 
nachzuweisen,  dass  der  antike  reim,  ursprünglich  nur  in  der 
rhythmischen  prosa  zu  rhythmischen  zwecken  verwendet,  aus  der 
predigt  in  die  dieser  verwante  hymnenpoesie  gelangte,  für  das 
griechische  ist  dieser  nachweis  nicht  überzeugend  geführt,  da  in 
den  spätgriechischen  und  byzantinischen  hymnen  der  stumpfe 
reim  durchaus  nicht  das  hauptkunstmittel  ist,  sondern  das  wider- 
holen derselben  verbalform  (homoioptolon)  und  die  anapher 
mindestens  ebenso  stark  in  den  Vordergrund  treten,  mich  dünkt, 
bei  allen  Untersuchungen  über  den  reim  ist  das  fundament  die 
Oberall  anzutreffende  Volkstümlichkeit  des  gleichklangs  in  feierlichen 
Segen-,  zauber-  und  gebelsformeln.  diesen  boden  des  volkstüm- 
lichen verlässt  N.,  wenn  er  den  reim  in  der  griechischen  kunst- 
prosa  actuell  werden  lässt,  wo  er  in  der  tat  nur  eine  beschränkte 
rolle  spielt,  viel  natürlicher  ist  die  annähme,  dass  der  volkstüm- 
hche  reim,  durch  die  quantitierende  oder  (bei  den  Deutschen) 
allitterierende  poesie  zeitweilig  unterdrückt,  entweder  gelegentlich 
oder  dauernd  wider  zu  tage  tritt. 
Marburg.  Georg  Thiele. 

Ein  capitel  aus  der  geschichte  der  deutschen  grammatik  von 
M.  H.  Jellinek.  [sonderabzug  aus:  Abhandlungen  zur  germanischen 
Philologie,  festgabe  für  RHeinzel.]  Hallea.S.,Niemeyer,1898.  SOss. 
8^.  2  m.  —  die  vorliegende  abhandlung  ist  ein  dankenswerter  bei- 
trag  zu  einem  der  interessantesten  capitel  aus  der  geschichte  der 
nhd.  Schriftsprache,  der  verf.  führt  in  chronologischer  folge  die 
Zeugnisse  der  grammatiker  von  Olinger  bis  Adelung  über  die  geltung 
des  unbetonten  e  vor.  eine  geschichte  des  gebrauchs  ist  selbst- 
verständlich aus  diesen  Zeugnissen  nicht  zu  gewinnen;  dazu  sind 
die  bemerkungen  dieser  lehrbücher  zu  oberflächlich  und  flüchtig, 
bei  manchen  auch  durch  das  bestreben  den  unsicheren  gebrauch 
zu  regeln  beeinflusst  oder  durch  vorgefasste  grammatische  theorien 
getrübt;    immerhin   lassen   sie   die    hauptetappen  der    bewegung 


254      JELLINER    EIN    CAPITEL    AUS   D.    GESCH.    D.  DEUTSCHEM    GRAMMATIK 

übersehen  und  sind  auch  wol  geeignet,  als  leitfaden  einer  gründ- 
lichen Untersuchung,  wie  sie  vBahder  in  aussieht  gestellt  bat, 
zu  dienen,  wie  denn  auch  umgekehrt  erst  die  genaue  kenntnis 
des  gebrauchs  das  verhalten  der  grammatiker  richtig  würdigen 
lassen  wird.  —  am  eingehendsten  sind  Schotte!  und  Adelung  be- 
handelt, der  verf.  führt  überzeugend  aus,  dass  das  ablehnende 
verhalten  Schotlels  gegen  das  nichtflexivische  auslautende  e  aufs 
engste  mit  seiner  theorie  von  der  einsilbigkeit  der  Stammwörter 
zusammenhängt;  aber  dass  diese  theorie  so  bedeutenden  einfluss 
auf  seine  lehre  hatte,  lässt  sich  doch  nicht  allein  daraus  erklären, 
dass  das  ostmitteldeutsche  für  ihn  eigentlich  eine  fremde  spräche 
war;  mehr  noch  kommt  die  Verbreitung  der  apokopierten  formen 
in  der  anerkannten  litteratur  in  betracht,  namentlich  auch  bei 
Luther;  bekanntlich  bietet  auch  noch  die  letzte  bibelausgabe  vom 
jähre  1545  eine  menge  verkürzter  formen,  die  die  spätere  Schrift- 
sprache abgelehnt  hat:  nicht  einmal  das  plural-e  der  Substantive 
war  anerkannt,  ein  zielbewuster,  siegreicher  kämpf  beginnt  erst 
mit  Opitz  und  den  Schriftstellern  und  Iheoretikern,  die  sich  ihm 
anschliefsen,  dh.  als  das  litterarische  leben  der  östlichen  lande 
mafsgebende  bedeutung  gewann,  auch  die  altern  süddeutschen 
grammatiker  verfuhren  nicht  aggressiv  gegen  das  e;  sie  verhielten 
sich  ihrer  mundari  folgend  im  ganzen  ablehnend,  liefsen  aber 
anfangs  das  zeichen  doch  als  eine  berechtigte  allhergebrachte  eigen- 
tümlichkeit  der  Schriftsprache  gelten,  energische  angriffe  einzelner 
«rfolgten  erst  im  18  jh.  mit  und  nach  der  fehde,  die  Bodmer 
gegen  Gottsched  und  alle  seine  theorien  unternahm,  die  einseitig- 
keit,  mit  der  Adelung  das  Meifsnische  als  muslerdialekt  hervorhob, 
war  dann  wider  eine  folge  der  süddeutschen  auflehnung  und  der 
neigung  jüngerer  schriftsteiler,  mundartliche  formen  der  Volks- 
sprache in  die  litteratur  einzuführen;  in  der  geschichte  der  Schrift- 
sprache im  ganzen  war  diese  einseitige  betonung  der  Meifsnischen 
nicht  begründet,  auch  die  seltsame  anschauung  Adelungs,  dass 
das  euphonische  e  erst  eine  errungenschafi  der  letzten  Jahrhunderte 
sei,  entsprang  aus  der  richtigen,  nur  falsch  gedeuteten  Wahr- 
nehmung, dass  tatsächlich  das  e  in  der  gedruckten  litteratur  sich 
allmählich  ausgebreitet  hatte.  anRinge  einer  Untersuchung,  wie 
weit  Adelungs  euphonische  regeln  im  Sprachgebrauch  begründet 
waren,  wie  weit  sie  ihn  etwa  ausgebildet  haben,  bilden  den  scbluss 
<ler  abhandlung.  —  zu  hart^  wie  mir  scheint,  wird  Gottsched  und 
seine  grammiatik  beurteilt;  ich  vermag  nicht  den  Hypus  eines 
«prachtyrannen'  in  ihm  zu  sehen  —  jedesfalls  tat  er  in  dieser 
beziehung  nicht  allen  seinen  Zeitgenossen  genug  —  und  finde, 
<]ass  seine  grammatik  unter  den  meisten  andern  bUcbern,  die  J. 
angezogen  bat,  eine  recht  respectable  Stellung  einnimmt,  ob  er 
so  ganz  gegen  den  Sprachgebrauch  decretiert  habe,  dass  die 
schwachen  verba  den  imperativ  auf  e,  die  starken  einsilbig  zu 
l)ilden  haben,  wird  doch  näher  zu  untersuchen   sein,     der   verf. 


JELLLNEK    EIN   CAPITEL    AUS   D.    GESCH.    D.  DEUTSCHEN   GBAMtfATIK      255 

selbst  bemerkt  an  anderer  stelle  (s.  31  anm.),  dass  ihm  die 
prüfung  eines  teils  der  Opitzscheu  gedichte  das  resultat  ergeben 
habe,  dass  allerdings  die  imperative  der  st.  verba  fast  immer  nach 
alter  weise  einsilbig  sind,  auch  dann  wenn  derselbe  vocal  wie 
im  infiniti?  steht,  dagegen  die  der  schwachen  regelmäfsig  e  haben, 
auch  darin,  dass  Gottsched  dem  e  der  masculina  und  neutra  ge- 
ringen schütz  gibt,  folgt  er  der  entwicklung  der  spräche,  obwohl 
ja  zuzugeben  ist,  dass  er  in  seinem  streben  die  ausnahmen  einzu- 
schränken das  mafs  der  spräche,  die  er  im  allgemeinen  als  muster- 
giltig  ansieht,  überschreitet,  genaue  auskunft  über  die  apokope 
bei  den  Schlesiern  geben  leider  auch  die  neueren  arbeiten  (Drechsler, 
Bäsecke)  nicht.  —  lichtvoller  wäre  die  darstellung  vielleicht  ge- 
worden, wenn  der  verf.  die  behandlung  der  flexiviscben  von  den 
uichtflexivischeu  e  ganz  getrennt  und  im  zweiten  teil  seiner  Unter- 
suchung die  wesl-mitteldeutschen  grammatiker  als  besondere  gruppe 
neben  die  oberdeutschen  gestellt  hätte.  W.  Wu^manns. 

Cynewulfs  Wortschatz  oder  vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Schriften 
Cynewulfs  von  dr  Richard  Simons.  [=»  Bonner  beitrage  zur 
anglistik,  hrsg.  von  prof.  dr  M.  Trautmann,  heft  iii.]  Bonn,  Han- 
stein, 1899.  VI  und  163  ss.  8^.  6  m.  —  ein  specialglossar  zu 
den  echten  werken  Cynewulfs  oder  besser  noch  eine  vergleichende 
Phraseologie  der  dem  autor  gesicherten  und  der  von  der  forschung 
mit  seinem  namen  zusammengebrachten  gedichte  mag  schon 
manchem  wünschenswert  erschienen  sein  :  dass  das  hier  gebotene 
fin  bedürfnis  befriedigt,  kann  ich  nicht  zugeben. 

S.  erklärt  für  gesicherte  werke  Cynewulfs,  ebenso  wie  Traut- 
maun,  aufser  der  Elene  und  Juliane  und  dem  mittlem  teile  des 
Crist  den  Andreas,  indem  er  mit  Sarrazin  die  *  Schicksale  der 
aposter  für  einen  epilog  dieser  legende  ansieht,  wenn  ich  beim 
Crist  die  einschränkung  auf  die  'Himmelfahrt'  mit  vorbehält  hin- 
nehme, so  muss  ich  um  so  entschiedener  die  einstweilige  fern- 
haltung  des  Andreas  verlangen.  Trautmanns  aufsatz  (Angl.  beibl. 
6,  17  0*)  hat  mich  gar  nicht  überzeugt,  und  überhaupt  wird  mir 
nur  der  die  echtheit  des  Andreas  plausibel  machen,  der  mir  in 
einer  darstellung  von  Cynewulfs  entwicklung  den  deutlichen  ab- 
stand dieses  Werkes  von  den  übrigen  zu  erklären  vermag.  S.,  der 
die  ganze  frage  s.  i — m  etwas  chevaleresk  abtut,  äufsert  die  be- 
stimmte erwartung,  eben  sein  Wörterbuch  werde  durch  den  nach- 
weis  der  einheit  des  Wortschatzes  die  echtheit  des  Andreas  sichern, 
—  ich  bin  vorläufig  ganz  andrer  ansieht,  um  mich  gleich  au  die 
ersten  Seiten  zu  halten  :  wenn  der  dichter  des  Andreas  4  mal 
(s.  3)  das  prosaische  adverbium  wninga  ^prorsus'  im  Stabreim 
(stets  an  gleicher  versstelle)  verwendet,  so  ist  das  jedesfalls  eine 
differenz  von  Cynewulf,  die  durch  ein  paar  dutzend  Überein- 
stimmungen im  poetischen  wortgebrauch  nicht  aufgewogen  wird, 
für  den,  der  den  Andreas  dem  Cynewulf  zuweist,  ist  es  ein  durch- 
aus folgerechter  schritt,  auch  den  Beowulf  auf  das  gleiche  conto 


256  SIMONS    CYNEWÜLPS    WORTSCHATZ 

ZU  setzen,  denn,  ich  widerhole  früher  geäufsertes  :  der  Andreas 
steht  dem  Beowulf  sehr  viel  näher  als  die  sichern  dichtungen 
Cyne  Wulfs. 

Aus  dem  so  eigenmächtig  (db.  trautmännisch)  begrenzten 
material  sind  die  helegstellen  vollständig,  aber  in  knappster  form 
verzeichnet,  die  sammelarbeit  wie  der  druck  machen  den  ein- 
druck  der  Sauberkeit  :  ich  habe  bei  über  300  Stichproben  kein 
falsches  oder  fehlendes  citat  entdeckt,  einiges  auffällige  weist  die 
längenbezeicbnung  auf,  so  s.  112  orhlyte  und  orlege.  das  adjec- 
tivum  einerseits  vom  subst.  anderseits  vom  adv.  zu  scheiden,  hat 
der  verf.  nicht  für  unbedingt  nötig  gehalten  :  zu  welchen  unzu- 
träglichkeiten das  führt,  zeigen  zb.  die  artikel  torht  [adj.  u.  subst.] 
und  torhte  [adv.].  die  interpretation  gewinnt  kaum  irgendwo,  ja 
sie  macht  vielfach  rückschritte,  da  der  verf.  die  bedeutungsangaben 
in  der  hauptsache  aus  Grein  übersetzt  und  das  unverbindliche 
dieser  lateinischen  Umschreibungen  zuweilen  verkannt  hat.  mit 
eignen  (?)  erklärungen  hat  S.  wenig  glück  :  ich  weifs  nicht,  wie 
er  das  für  El.  1107.  1053  angesetzte  ^geräda  m.  ratgeber'  recht- 
fertigen will.  Überlieferung  und  recipierte  emendation  sind  nicht 
immer  scharf  geschieden  :  so  handelt  es  sich  bei  hälfyr  El.  578 
um  eine  conjectur  Frucbts.  glücklich  hergestellt  scheint  mir 
Jul.  412  das  comp,  mödgemyrred^  das  also  Zs.  43,  367  einzu- 
reihen wäre. 

Aber  was  nützt  uns  für  litterarhistorische  fragen  —  und  um 
solche  in  erster  linie  handelt  es  sich  hier  —  ein  specialglossar, 
dem  nicht  nur  der  hintergrund  fehlt,  wie  ihn  uns  Grein  mit 
seiner  aufnähme  des  gesamten  poetischen  Sprachschatzes  der  Angel- 
sachsen bietet,  sondern  auch  jede  rücksicht  auf  die  phraseolo- 
gische und  rhythmische  Verwendung  der  Wörter?  ob  ein  wort  in 
bestimmter  Umgebung,  ob  es  in  der  allitteration  und  an  welcher 
stelle  des  verses  es  erscheint,  auf  alle  solche  fragen  verweigert 
uns  S.  die  auskunft.  mit  seinem  Wörterbuch  verharrt  die  Cynewulf- 
forschung  ganz  in  dem  gleise,  in  das  sie  sich  seit  den  ersten 
bänden  der  Anglia,  dh.  seit  nun  einem  vierteljahrhundert,  ein- 
gefahren hat  und  aus  dem  seither  nur  wenige  arbeiten  heraus- 
getreten sind.  E.  ScH. 
Die  Gesta  Caroli  Magni  der  Regensburger  Schottenlegende,  zum 
ersten  mal  ediert  und  kritisch  untersucht  von  dr  A.  Dürrwachtkb. 
Bonn,  Hanstein,  1897.  225  ss.  8^  6  m.  —  nachdem  ich  zu 
einer  ausführlichen  besprechung  dieses  tüchtigen  und  trotz  einer 
gewissen  breite  recht  lesbaren  buches  leider  nicht  die  zeit  ge- 
funden habe,  möcht  ich  die  germanisten  wenigstens  durch  eine 
kurze  anzeige  mit  seinem  für  uns  keineswegs  gleichgiltigeo  in- 
halt  bekannt  machen,  schon  als  quelle  des  spätmhd.  gedicbtes 
von  Karl  dem  Gr.  und  den  Regensburger  Scbottenmöncben,  das 
Baechtold  in  seinen  Deutschen  hss.  im  Brit.  museum  (1873)  aus- 
zugsweise bekannt  gemacht  und  Perry  in  einer  für  die  litteratur- 


DÜRRWÄCHTER    DIE    GESTA    CAROLI   UA6NI  257 

geschichte  leider  unergiebigen  Marburger  dissertation  (1892) 
sprachlich  bebandelt  bat,  ligt  uns  der  'Libellus  de  fundatioue 
ecclesie  consecrali  Pelri'  (§  1 — 5,  s.  1 — 54)  nicht  fern  :  durch 
die  Untersuchungen  D.s  über  alter  und  bestandteile  des  fabulosen 
machwerks  aber  wird  dies  interesse  lebhaft  gesteigert,  das  ganze 
ist  eine  compilation,  der  D.  nur  ^die  einheitlichkeit  des  potpourris' 
zugesteht,  aufgebaut  auf  einer  historischen  und  geographischen 
Unwissenheit,  wie  sie  auch  im  ma.  nicht  mehr  normal  ist :  Rom 
in  Afrika,  Karl  d.  Gr.  ein  Römer  von  einer  französischen  mutter, 
die  alten  Baiern  mit  den  Hunnen  identisch  usw.  den  wichtigsten 
bestandteil  dieser  apokryphen  Schotteuchronik,  die  wahrscheinlich 
zwischen  1270  und  1278  in  einem  der  beiden  Schottenklöster 
Regensburgs  (D.  entscheidet  sich  für  Weih  SPeter)  zusammen- 
gebracht wurde,  bilden  die  *Gesta  Caroli  Magni'  (§  6,  s.  55 — 119), 
für  sich  wider  eine  compilation,  bei  der  einem  fremden  litlera- 
rischen  grundstock  allerlei  regensburgische  localsage  angegliedert 
und  das  ganze  zu  den  Schotten  in  beziehung  gesetzt  worden  ist. 
dieser  fremde  grundstock  nun  ist  das  interessanteste  an  dem 
ganzen  werke  :  D.  sucht  ihn  zu  erweisen  als  eine  von  einem 
Norditaliener  'zur  zeit  Karls  i  von  Anjou,  königs  von  Neapel  und 
Sizilien^  verfasste  und  tendenziös  auf  ihn  bezogene  Karlslegende', 
und  er  erweitert  diesen  zwar  nicht  unbedingt  zweifelfreien,  aber 
doch  recht  plausibeln  nachweis  durch  sehr  interessante  ausfüh- 
rungen  zur  geschichte  der  politischen  ideen  und  der  öffentlichen 
meinung  in  Italien  um  1270,  ausführungen,  die  die  bekannten 
arbeiten  von  Grauert  und  Kampers  lebensvoll  ergänzen.  —  den 
starken  litterarischen  erfolg  der  Schottenchronik  bezeugen  die 
zahlreichen  hss.  (D.  selbst  kennt  9).  das  fortleben  der  auf  sie 
allein  gestützten  legende  von  Karl  und  den  Schottenmönchen 
(§  7,  s.  119 — 124)  führt  uns  über  eine  reihe  von  litterarischen 
Stationen,  von  denen  einige  näheres  interesse  wecken  :  Konrad 
vMegenberg,  dem  zwar  durchaus  nicht  der  kern,  wohl  aber  manche 
einzelheiteu  bedenken  erregen,  dann  das  deutsche  gedieht,  das 
sich  eng  an  die  quelle  anschliefst,  später  ein  volksbüchlein ,  das 
in  zwei  Nürnberger  incunabeldrucken  vorligt  und  beziehungen  zu 
KvMegenberg  verrät,  Ebran  vWildenberg  und  Veit  Arnpeckh,  die 
alles  gläubig  hinnehmen,  bis  dann  Aventin  in  den  *Origines  Ratis- 
ponenses  vernacule  conscriptae'  das  ganze  fabelgespinnst  zerreifst. 
Für  die  ausgäbe  der  Gesta  Caroli  (s.  145—218)  hat  D.  8 
hss.  benutzt,  darunter  5  Münchner,  die  notorisch  älteste,  der 
cod.  Harl.  3973  in  London,  blieb  ihm  leider  unzugänglich,  und 
er  hat  sie  vorübergehend  so  weit  vergessen,  dass  er  s.  49  ein- 
mal behauptet,  die  gesamte  hsl.  Überlieferung  der  compilation  sei 
nicht  älter  als  das  15  jh.  ich  mag  über  die  recensio  kein  be- 
stimmtes urteil  abgeben,  da  ich  zu  einer  sichern  erfassung  dessen, 
was  bei  dem  compilator  sprachlich  möglich  oder  wahrscheinlich 
ist,   nicht  vorgedrungen   bin.     anstofs  nehm  ich   einstweilen  an 


258  DÜRRWÄCHTER   DIB   6ESTA    CAROLI   UA6M 

vielem,  von  dem  ac  Ratispona  que  quarta  gleich  im  eiogaog  (s.  145) 
an.  al3er  als  quellengruud  fUr  die  litterariscbeu  und  bislorischeu 
üachrorschungen  D.s  reicht  dieser  teil  gewis  aus,  uod  als  schrill- 
stellcrische  leistung  hat  das  opus  nicht  eben  hohe  aosprüche  zu 
macheu.  —  in  den  anmerkungen  nimmt  D.  öfter  auf  deutsche 
dichtungen  bezug  und  ist  (s.  119)  geneigt,  dem  compilator  die  be- 
kanntschaft  mit  Strickers  Karl  zuzuschreiben  :  ich  habe  mich 
zwischen  dem  alten  Rolandslied  und  der  bearbeitung  des  Strickers 
nicht  entscheiden  können. 

Zu  s.  65  anm.  39*^  möcht  ich  bemerken,  dass  Kaiserchron. 
s.  48  n.  2  der  hinweis  auf  das  schwäbische  Mendäberch  bei  ge- 
legenheit  der  gleichen  widergabe  von  ^Mons  Gaudii'  natürlich  nur 
so  gemeint  war,  dass  ein  in  der  heimat  vorhandener  Ortsname 
zur  Übersetzung  eines  gleichbedeutenden  oder  als  gleichbedeutend 
angesehenen  fremden  verwendet  werden  konnte;  überdies  hat  D. 
meine  anmerkuug  zu  v.  14573  übersehen.  E.  See. 

Gber  Wallher  von  der  Vogelweide,  eine  Jugendarbeit  Rddolf  Hilde- 
BRAisDs,  hsg.  von  prof.  Georg  Berlit.  [sa.  aus  der  Zeitschr.  f.  d. 
deutschen  Unterricht.  13  Jahrg.  ss.  777  fr.]  Leipzig,  BGTeubner, 
1900.  39  SS.  S^.  0,60  m.  —  Rudolf  Hildebrands  Staatsexamens- 
arbeit,  von  Moritz  Haupt  einst  hohen  lobes  gewürdigt  und  jetzt  durch 
die  pietät  eines  Schülers  ans  licht  gezogen,  ist  ^mitten  unter  den 
stürmen'  der  märzrevolution  in  14  tagen  erwachsen,  es  weht 
frühlingsluft  in  ihr:  'man  kann  ja  seit  kurzem  jetzt  das  specifiseh 
Deutsche  wider  mit  Selbstgefühl  nennen,  es  ist  ja  so  herrlich, 
dass  ich  nichts  dergleichen  kenne  im  ganzen  umkreis  der  dinge'; 
Walther  wird  dem  Jüngling,  der  sich  aus  den  fesseln  des  scbo- 
lasticismus  in  'die  wellen  der  würklichen  dingewell'  sehnt,  der 
repräsentant  eines  ganzen  und  gesunden  geisteslebens,  das  in  sich 
selbst  seinen  zweck  hat.  gern  vergleicht  er  ihn  mit  Goethe  und 
freut  sich  seiner  naiven  Sinnlichkeit;  es  jammert  ihn,  dass  dieser 
herrliche  Walther  schliefslich  auch  als  opfer  des  christlichen 
dualismus  fallen  muss  wie  so  viele  Deutsche,  am  wohlsten  ist  ihm 
bei  Walthers  politischen  gedichten,  aus  denen  er  die  stimme  Luthers 
und  der  freiheitsdichter  von  1813  heraus  hört;  die  liebeslyrik 
ist  ihm  zu  gedanklich,  und  er  empGndet  deutlich  den  ^kältlichen 
anstrich'  der  schemenhaften  tradition,  der  er  ebenso  schuld  daran 
gibt,  wenn  uns  heute  'der  so  viel  gepriesene  und  gesuchte  Umgang 
mit  frauenzimmern  zur  last  oder  wenigstens  zur  anstrengung  wird', 
dieser  schnelle  seilenblick  auf  das  tägliche  leben  weist  inmitten  der 
zuweilen  etwas  aufsatzmäfsigen  darslellung,  die  von  der  eminent 
gesprochnen  spräche  des  reifen  Hildebrand  noch  wenig  zeigt,  schon 
deutlich  voraus  auf  die  fruchtbare,  belebende  anschauung,  die  später- 
hin alles  erquicklich  durchdrang,  was  in  den  gesichtskreis  des 
unvergesslicben  mannes  trat,  schon  in  dieser  Jugendarbeit  denkt 
er,  echt  Hildebrandisch,  bei  Walth.  55,30  nü  wil  ick  schowen, 
ob  du  iht  lügest  an  den  meister,  der  den  lehrbuben  cootroliert, 


HILDEBRAISD    ÜBER    WALTHER    VON   DER    VOGELWEIDE  259 

uod  95, 15  dannoch  seit  si  mir  däbi  fällt  ihm  sofort  die  volks- 
tümliche zugäbe  ein.  die  liebe  zum  volke  stimmt  widerum  zur 
zeit  wie  zu  der  persoo  des  Schreibers  :  neben  Goethe  und  Schiller 
gibt  das  Volkslied  parallelen  her,  und  der  tact,  der  in  der  volks- 
stimme  ligt,  ist  ihm  damals  wie  immer  für  ästhetisch-ethische 
dinge  'eine  art  goltesgericht  in  letzter  instanz'.  so  finden  wir 
gerne  in  den  weichern  Zügen  des  Jünglings  das  vertraute  und 
geliebte  antlilz  wider,  wissenschaftlichen  ertrag  wird  niemand 
erwarten:  es  hat  mich  fast  überrascht,  weiche  geringe  bedeutung 
io  diesem  bilde  Walthers  die  künstlerische  und  menschhche  ent- 
wicklung  gewinnt,  wie  wenig  geschichtliche  probleme  aufgeworfen 
werden;  Uildebrand  war  keiner  von  den  frühreifen,  die  hübsche 
conjectur  allez  f.  alze  44,  3S  waren  wir  gewöhnt  au  Bartsch  zu 
knüpfen.  —  ich  würde  dem  herausgeber  noch  dankbarer  gewesen 
sein,  wenn  er  nicht  den  seltsamen  einfall  gebäht  hätte,  die  majuskel- 
losigkeitvon  den  lateinischen  lettern  des  manuscripts auch  in  diefrac- 
tur  der  Zs. f.d. unt.  zu  übertragen,  was  sehr  curios  würkt.  R. 
Beiträge  zur  geschichte  der  wissenscliaftlichen  Studien  in  sächsischen 
klüstern  i  Altzelle,  von  Ludwig  Schmidt,  der  xliv  Versammlung 
deutscher  philologen  und  Schulmänner  aus  anlass  der  begründung 
einer  abteilung  für  bibliothekswissenschaft  dargebracht  von  der 
königlichen  öffentlichen  bibliothek  zu  Dresden.  Dresden,  WBaensch, 
1897.  93  ss.  gr.  8^.  1,50  m.  —  diese  kleine  schrifl,  die  sich 
erst  zwei  jähre  aach  ihrem  erscheinen  zur  besprechung  gestellt 
hat,  ist  gründlicher,  wenn  auch  nicht  immer  anmutiger  gelehrsam- 
keit  voll.  Seh.  hat  in  Jena  den  bisher  für  verloren  gehaltenen 
bibliothekskalalog  des  Cistercienserklosters  Altzelle  aufgefunden, 
den  Spalatin  1514  anfertigen  liefs,  um  bei  der  begründung  der 
Wittenberger  Universitätsbibliothek  einen  anhält  zu  haben;  er 
bringt  ihn  nach  einer  orientierenden  einleitung  auf  s.  35 — 80  mit 
ausnähme  der  juristischen  und  medicinischen  abteilungen  zum  ab- 
druck  und  weist  in  einem  anbang  wenigstens  für  einen  teil  der 
hss.,  leider  nicht  auch  der  incunabeln,  den  jetzigen  aufbewahrungs- 
ort  nach,  eine  wichtige  Vorarbeit  bot  der  der  klosterbibliothek 
gewidmete  abschnitt  des  1855  erschienenen  buches  über  Altzeiie 
von  Cßeyer  (s.  109 — 130),  wo  ohne  benutzung  des  nun  von  Seh. 
gefundenen  katalogs  ein  stattlicher  teil  der  alten  bücherei  auf 
gruud  einer  sorgraltigen  durchmusterung  der  Leipziger  und  Dresdner 
bibliotheken  uud  einer  Verzeichnung  ihres  besitzes  an  ehemals 
altzellischen  büchern  reconstruiert  ist.  Seh.  gibt  jetzt  freilich 
wesentlich  mehr;  vielleicht  soll  man  nun  aber  umgekehrt  sich 
auch  nicht  zu  sehr  auf  die  unbedingte  Vollständigkeit  des  jetzt 
veröffentlichten  katalogs  verlassen,  gegen  die  zb.  die  bei  Beyer 
s.  125  unter  1  und  3  angeführten  drucke  zu  sprechen  «scheinen; 
auch  weist  der  Dresdner  cod.  K  277  (Schnorr  u  234)  darauf  hin, 
dass  in  dem  medicinischen  teil  des  katalogs  auch  nichtmedicini- 
sches  enthalten  ist. 


258  DÖRRWÄCHTER   DIB   6ESTA    CAROLI   MA6M 

vielem,  von  dem  ac  Ratispona  que  quarta  gleich  im  eingang  (s.  145) 
an.  al3er  als  quelleügruud  fUr  die  lilterariscbeu  und  bisloriscbeu 
nach  forsch  UDgeo  D.s  reicht  dieser  teil  gewis  aus,  und  als  schrift- 
stellerische leistung  hat  das  opus  nicht  eben  hohe  ausprüche  zu 
maclieu.  —  in  den  anmerkungen  nimmt  D.  öfter  auf  deutsche 
dichtungen  bezug  und  ist  (s.  119)  geneigt,  dem  compilator  die  be- 
kannlschaft  mit  Strickers  Karl  zuzuschreiben  :  ich  habe  mich 
zwischen  dem  alten  Rolandslied  und  der  bearbeitung  des  Strickers 
nicht  entscheiden  können. 

Zu  s.  65  anm.  39*^  möcht  ich  bemerken,  dass  Kaiserchron. 
s.  48  n.  2  der  hinweis  auf  das  schwäbische  Mendilberch  bei  ge- 
legenheit  der  gleichen  widergabe  von  ^Mons  Gaudii'  natürlich  nur 
so  gemeint  war,  dass  ein  in  der  heimat  vorhandener  Ortsname 
zur  Übersetzung  eines  gleichbedeutenden  oder  als  gleichbedeutend 
angesehenen  fremden  verwendet  werden  konnte;  überdies  hat  D. 
meine  anmerkuug  zu  v.  14573  übersehen.  E.  See. 

Über  Walther  von  der  Vogelweide,  eine  Jugendarbeit  Rudolf  Hilde- 
BRAisDs,  hsg.  von  prof.  Georg  Berlit.  [sa.  aus  der  Zeitschr.  f.  d. 
deutschen  Unterricht.  13  Jahrg.  ss.  777  fr.]  Leipzig,  BGTeubner, 
1900.  39  ss.  8<).  0,60  m.  —  Rudolf  Hildebrands  staatsexamens- 
arbeit,  von  Moritz  Haupt  einst  hohen  lobes  gewürdigt  und  jetzt  durch 
die  pielät  eines  schülers  ans  licht  gezogen,  ist  ^mitten  unter  den 
stürmen'  der  märzrevolution  in  14  tagen  erwachsen,  es  weht 
frühlingsluft  in  ihr:  'man  kann  ja  seit  kurzem  jetzt  das  speciQseh 
Deutsche  wider  mit  Selbstgefühl  nennen,  es  ist  ja  so  herrlich, 
dass  ich  nichts  dergleichen  kenne  im  ganzen  umkreis  der  dinge'; 
Walther  wird  dem  Jüngling,  der  sich  aus  den  fesseln  des  scbo- 
lasticismus  in  'die  wellen  der  würklichen  dingewell'  sehnt,  der 
repräsentant  eines  ganzen  und  gesunden  geisteslebens,  das  in  sich 
selbst  seinen  zweck  hat.  gern  vergleicht  er  ihn  mit  Goethe  und 
freut  sich  seiner  naiven  Sinnlichkeit;  es  jammert  ihn,  dass  dieser 
herrliche  Walther  scbliefslich  auch  als  opfer  des  christlichen 
dualismus  fallen  muss  wie  so  viele  Deutsche,  am  wohlsten  ist  ihm 
bei  Walthers  politiscben  gedichten,  aus  denen  er  die  stimme  Luthers 
und  der  freiheitsdichter  von  1813  heraus  hört;  die  liebeslyrik 
ist  ihm  zu  gedanklich,  und  er  empfindet  deutlich  den  ^kältlichen 
anstrich'  der  schemenhaften  tradition,  der  er  ebenso  schuld  daran 
gibt,  wenn  uns  heute  'der  so  viel  gepriesene  und  gesuchte  Umgang 
mit  frauenzimmern  zur  last  oder  wenigstens  zur  anstrengung  wird', 
dieser  schnelle  Seitenblick  auf  das  tägliche  leben  weist  inmitten  der 
zuweilen  etwas  aufsatzmäfsigen  darstellung,  die  von  der  eminent 
gesprochnen  spräche  des  reifen  HiUlebrand  noch  wenig  zeigte  schon 
deutlich  voraus  auf  die  fruchtbare,  belebende  anschauuug,  die  später- 
hin alles  erquicklich  durchdrang,  was  in  den  gesicbtskreis  des 
uuvergesslichen  mannes  trat,  schon  in  dieser  Jugendarbeit  denkt 
er,  echt  Hildebrandisch,  bei  Walth.  55,30  nü  loil  ich  schowen, 
ob  du  iht  lügest  an  den  meister,   der  den  lehrbuben  controliert. 


HILDEBRAISD    ÜBER    WALTHER    VON   DER    VOGELWEIDE  259 

uod  95, 15  dannoch  seit  si  mir  däbi  fällt  ihm  sofort  die  volks- 
tümliche zugäbe  ein.  die  liebe  zum  volke  stimmt  widerum  zur 
zeit  wie  zu  der  person  des  Schreibers  :  neben  Goethe  und  Schiller 
gibt  das  Volkslied  parallelen  her,  und  der  tact,  der  in  der  volks- 
stimme  ligt,  ist  ihm  damals  wie  immer  für  ästhetisch-ethische 
dinge  'eine  art  goltesgericht  in  letzter  instanz'.  so  Gnden  wir 
gerne  in  den  weichern  Zügen  des  jUngliogs  das  vertraute  und 
geliebte  antlilz  wider,  wissenschaftlichen  ertrag  wird  niemand 
erwarten:  es  hat  mich  fast  überrascht,  welche  geringe  bedeutung 
in  diesem  bilde  Walthers  die  künstlerische  und  menschliche  ent- 
Wicklung  gewinnt,  wie  wenig  geschichtliche  probleme  aufgeworfen 
werden ;  Uildebrand  war  keiner  von  den  frühreifen,  die  hübsche 
coDJeclur  allez  f.  alze  44,  38  waren  wir  gewöhnt  an  Bartsch  zu 
knüpfen.  —  ich  würde  dem  herausgeber  noch  dankbarer  gewesen 
sein,  wenn  er  nicht  den  seltsamen  einfall  gehabt  hätte,  die  majuskel- 
losigkeitvon  den  lateinischen  lettern  des  manuscripls  auch  indiefrac- 
tur  der  Zs.f.d.unt.  zu  übertragen,  was  sehr  curios  würkt.  R. 
Beiträge  zur  geschichte  der  wissenschaftlichen  Studien  in  sächsischen 
klüstern  i  Altzelle,  von  Ludwig  Schmidt,  der  xliv  Versammlung 
deutscher  philologen  und  Schulmänner  aus  anlass  der  begründung 
einer  abteilung  für  bibliothekswissenschaft  dargebracht  von  der 
königlichen  öffentlichen  bibliothek  zu  Dresden.  Dresden,  WBaensch, 
1897.  93  ss.  gr.  8^.  1,50  m.  —  diese  kleine  schrifi,  die  sich 
erst  zwei  jähre  aach  ihrem  erscheinen  zur  besprechung  gestellt 
hat,  ist  gründlicher,  wenn  auch  nicht  immer  anmutiger  gelehrsam- 
keit  voll.  Seh.  hat  in  Jena  den  bisher  für  verloren  gehaltenen 
bibliolhekskatalog  des  Cistercienserklosters  Altzelle  aufgefunden, 
den  Spalatin  1514  anfertigen  liefs,  um  bei  der  begründung  der 
Wittenberger  Universitätsbibliothek  einen  anhält  zu  haben;  er 
bringt  ihn  nach  einer  orientierenden  einleitung  auf  s.  35 — 80  mit 
ausnähme  der  juristischen  und  medicinischen  abteilungen  zum  ab- 
druck  und  weist  in  einem  anbang  wenigstens  für  einen  teil  der 
hss.,  leider  nicht  auch  der  incunabeln,  den  jetzigen  aufbewahrungs- 
ort  nach,  eine  wichtige  Vorarbeit  bot  der  der  klosterbibliothek 
gewidmete  abschnitt  des  1855  erschienenen  buches  über  Altzelle 
von  Cßeyer  (s.  109 — 130),  wo  ohne  benutzung  des  nun  von  Seh. 
gefundenen  katalogs  ein  stattlicher  teil  der  alten  bücherei  auf 
gruud  einer  sorgrultigen  durchmusteruug  der  Leipziger  und  Dresdner 
bibliotheken  und  einer  Verzeichnung  ihres  besitzes  an  ehemals 
altzellischen  büchern  reconstruiert  ist.  Seh.  gibt  jetzt  freilich 
wesentlich  mehr;  vielleicht  soll  man  nun  aber  umgekehrt  sich 
auch  nicht  zu  sehr  auf  die  unbedingte  Vollständigkeit  des  jetzt 
veröffentlichten  katalogs  verlassen,  gegen  die  zb.  die  bei  Beyer 
s.  125  unter  1  und  3  angeführten  drucke  zu  sprechen  scheinen; 
auch  weist  der  Dresdner  cod.  K  277  (Schnorr  u  234)  darauf  hin, 
dass  in  dem  medicinischen  teil  des  katalogs  auch  nichtmedicini- 
sches  enthalten  ist. 


260  SCHMIDT    ALTZELLE 

So  vollständig  aber  ist  er  jedesfalls,  dass  er  in  mehrfacher 
hinsieht  unsre  kennlnisse  zu  fördern  vermag,  zunächst  die  ge- 
schiebte  des  bibliothekswesens.  ThGottlieb  allerdings  in  seinem 
grofsen  corpus  ma. lieber  bibliothekskataloge  (Ober  ma.  bibliotheken 
1890)  hätte  dieses  Verzeichnis  verschmäht  (er  kennt  freilich  auch 
das  kurze  Verzeichnis  aus  dem  12  jh.  nicht,  das  Seh.  s.  10  f  ab- 
drucki),  weil  es  erst  nach  1500  entstanden  ist;  aber  gerade  ein 
katalog  wie  der  von  Altzelle  zeigt  deutlich,  wie  wenig  innere  be- 
deutung  diese  mit  Hains  praxis  übereinstimmende '  abgrenzung 
hat  :  die  einrichtung  der  bibliothek  ist  auch  1514  noch  durchaus 
mittelalterlich,  und  das  oft  schwer  entwirrbare  durcheinander  von 
hss.  und  drucken  ist  das  gleiche  in  katalogen,  die  der  zweiten 
hälfte  des  15  jhs.  angeboren. 

Dem  bildungsgeschicbllichen  problem  des  ausgehnden  mittel- 
alters,  der  frage  nach  der  Umwandlung  der  scholastischen  bildung 
in  die  humanistische,  würde  der  katalog  gewis  noch  mehr  zu  gute 
kommen,  wenn  er  mehr  anhaltspuncte  für  die  zeit  der  erwerbung 
der  einzelnen  nummern  böte,  die  sich  leider  auch  anderweitig 
nur  hie  und  da  sicher  ermitteln  lässt.  von  Prag  aus  erhalt  das 
Schulwesen  des  klosters  im  14  und  im  beginnenden  15  jh.  offen- 
bar bedeutsame  anregung;  aber  nirgends  ist  zu  spüren,  dass  da- 
mit nun  auch  ein  teil  des  böhmisch-luxemburgischen  vorhumanis- 
mus  nach  Altzelle  gekommen  wäre  :  das  ^Exercitium  baccalaurean- 
tium'  des  aus  Prag  berufenen  Vincentius  Grüner  ist  der  neuen 
bildung  so  völlig  fremd  wie  die  werke  seines  ebenfalls  aus  Prag 
kommenden  nachfolgers  Matthias  von  Königsaal,  und  keine  einzige 
der  wenigen  modernen  handschriften  der  klosterbibliolhek 
geht  in  so  alte  zeit  zurück,  der  Altzeller  frühbumanismus  wird 
sich  vielmehr  parallel  dem  Leipziger  frühbumanismus  entwickelt 
haben,  der  seit  den  sechziger  und  siebziger  jähren  des  15  jhs. 
langsam  zu  wachsen  beginnt;  freilich  ist  keiner  der  namen  von 
Leipziger  studierenden  und  graduierten  aus  Altzelle,  die  Seh. 
s.22fr  zusammengestellt  hat,  in  dem  namenverzeichnis  von  GBauchs 
Geschichte  des  Leipziger  frühbumanismus  (1899)  nachzuweisen, 
dass  in  der  bibliothek  mehrmals  (G  24,  0  42,  vgl.  auch  L  42) 
eine  ^Quodlibetaria  questio  Erphordensis  studii'  (vielleicht  JSchrams 
Monopolium  der  schweinezunft  v.  1494?)  zu  finden  ist,  liefse  es 
wo]  empfehlenswert  erscheinen,  auch  einmal  die  Erfurter  matrikel 
(hrsg.  V.  Weifsenborn  und  Hortzschansky  1881 — 99)  auf  Altzeller 
studierende  hin  durchzuarbeiten. 

1514  finden  wir  nun  als  moderne  bildungsmittel  die  werke 
fast  aller  römischen  classiker;  ihnen  gesellen  sich  einige  Griechen: 
aufser  Aristoteles  Xenophon,  Plato,  Plutarcb,  Lucian  und  sogar 
Euripides,  natürlich,  auch  wo  es  nicht  ausdrücklich  bezeugt  ist, 
gewis  nur  in  lateinischen  Übersetzungen,  es  erscheinen  ferner 
fast  alle  grofsen  italienischen  humanisten  der  gesamten  entwick- 
lungszeit;    einer  der  allerkleinsten,   Jacobus  Publicius,   sei  hier 


SCHMIDT    ALTZELLE  261 

herausgehobeD,  weil  er  in  den  sechziger  jähren  des  15  jhs.  per- 
sönlich in  Deutschland  lehrte  und  weil  das  vorkommen  mehrerer 
seiner  Schriften  wider  auf  den  Zusammenhang  der  Altzeller  Stu- 
dien mit  Leipzig  oder  Erfurt  weist,  unter  den  deutschen  über- 
wiegen die  männer  der  strengeren  richtung.  von  den  auchbuma- 
nisten  treffen  wir  GHeimburg  und  HLeubing,  der  frühhumanis- 
mus  ist  —  ich  möchte  fast  sagen  :  natürlich  —  durch  Eybs 
Margarita  poetica  vertreten;  dann  folgen  Agricola,  Wimpbeling, 
Reuchlin,  dessen  Sergius  mehrfach  vorkommt,  SBrant,  dessen 
deutsches  Narrenschiff  übrigens  samt  einer  deutschen  bibel, 
deutschen  predigten  und  hsl.  'Rithmi  vulgares  de  vitis  patrum' 
(G34,  nach  ESchröders  Vermutung  wol  die  jetzige,  schon  1826 
von  Titlmann,  1880  von  Franke  nach  Altzelle  gewiesene  hs.  816 
der  Leipziger  Universitätsbibliothek)  das  deutschsprachliche  Schrift- 
tum fast  allein  vertritt,  GReisch,  dessen  Margarita  philosophica  frei- 
lich ebenso  wie  die  Margarita  poetica  ohne  Verfasserangabe  ein- 
getragen ist  und  der  daher  ebenso  wie  Eyb  in  Sch.s  autoren- 
register  fehlt,  JLocher  (Narragonia  ua.)  und  endlich  auch  Erasmus, 
der  von  Übersetzungen  und  ein  paar  kleinigkeiten  abgesehen, 
durch  seine  Adagia  vertreten  ist.  dagegen  ist  CCeltis  aus  dem 
autorenregister  zu  streichen,  denn  der  magister  Gonradus  Zeltan, 
dessen  ^Leclura  super  capitulo  :  Firmiter  credimus'  mehrfach  vor- 
handen ist,  wird  schwerlich  mit  dem  erzhumanisten  identisch  sein, 
mit  Erasmus  stand  der  abt  Martin  von  Lochau  (1493 — 1522), 
der  hauptvertreter  des  Altzeller  humanismus,  auch  in  brieflichem 
verkehr;  vielleicht  dient  der  von  Seh.  s.  24  anm.  1  wider  hervor- 
gehobene nachweis  dazu,  die  Erasmusphilologen  auf  die  spur  der 
verlorenen  correspondenz  zu  führen. 

Seh.  macht  s.  2f  darauf  aufmerksam,  dass  in  Jena  auch  die 
bibliolheksverzeichnisse  andrer  klüster  aus  der  gleichen  zeit  auf- 
bewahrt werden;  es  sind  Reinhardsbrunn,  Lehnin,  Nürnberg 
(predigerkloster),  Leipzig  (predigerkloster)  und  Grünbain,  vielleicht 
auch  noch  Halle  (Servitenkloster)  und  Nürnberg  (Augustinerkloster), 
von  ihnen  sind  bisher  nur  das  Lehniner  und  das  Reinhardsbrunner 
herausgegeben,  wenn  man  sich  an  die  anregungen  hält^  die  Sch.s 
Veröffentlichung  des  Altzeller  katalogs  bietet,  muss  man  auch  den 
übrigen  Verzeichnissen  kundige  und  sorgsame  bearbeiter  wünschen. 
Berlin,  31  Januar  1900.  Max  Herrmann. 

Laurence  Sterne  und  CMWieland,  von  dr  C.  A.  Rehmer.  [For- 
schungen zur  neuern  Utteraturgeschichte,  herausgegeben  von  dr 
Franz  Muncker,  IX.]  Berlin,  CDuncker,  1899.  62  ss.  S».  1,20  m.— 
Rehmer  hat  seine  abhandlung,  die  nur  ein  kleiner  beitrag  zur 
erforschung  fremder  einflüsse  auf  Wielands  dicblungen  sein  will, 
in  3  teile  zerlegt:  i  Laurence  Sterne,  ii  Wielands  beschäftigung 
mit  Sternes  Schriften,  iii  Sternes  einfluss  auf  Wielands  dichte- 
risches schaffen,  in  einer  Schlussbetrachtung  fasst  er  sodann  die 
gewonnenen  resullate  kurz  zusammen. 


258  DURRWÄCHTER   DIB   6ESTA    CAROLI   MAGM 

vielem,  von  dem  ac  Ratispona  que  quarta  gleich  im  eiogaog  (s.  145) 
an.  al3er  als  quelleügruud  fUr  die  litterariscbeu  und  hislorischeu 
Dach  forsch  UDgeo  D.s  reicht  dieser  text  gewis  aus,  uod  als  schrill- 
stellcrische  leistUDg  hat  das  opus  nicht  eben  hohe  aosprüche  zu 
maclieu.  —  in  den  anmerkungen  nimmt  D.  öfter  auf  deutsche 
dichtungen  bezug  und  ist  (s.  119)  geneigt,  dem  compilator  die  be- 
kannlschaft  mit  Strickers  Karl  zuzuschreiben  :  ich  habe  mich 
zwischen  dem  alten  Rolandslied  und  der  bearbeitung  des  Strickers 
nicht  entscheiden  können. 

Zu  s.  65  anm.  39*^  möcht  ich  bemerken,  dass  Kaiserchron. 
s.  48  n.  2  der  hinweis  auf  das  schwäbische  Mendäberch  bei  ge- 
legenheit  der  gleichen  widergabe  von  ^Mons  Gaudii'  natürlich  nur 
so  gemeint  war,  dass  ein  in  der  heimat  vorhandener  ortsname 
zur  Übersetzung  eines  gleichbedeutenden  oder  als  gleichbedeutend 
angesehenen  fremden  verwendet  werden  konnte;  überdies  hat  D. 
meine  anmerkuug  zu  v.  14573  übersehen.  E.  See. 

Gber  Wallher  von  der  Vogelweide,  eine  Jugendarbeit  Rddolf  Hilde- 
BRAisDs,  hsg.  von  prof.  Georg  Berlit.  [sa.  aus  der  Zeitschr.  f.  d. 
deutschen  Unterricht.  13  Jahrg.  ss.  777  fr.]  Leipzig,  BGTeubner, 
1900.  39  ss.  8<).  0,60  m.  —  Rudolf  Hildebrands  Staatsexamens- 
arbeit,  von  Moritz  Haupt  einst  hohen  lobes  gewürdigt  und  jetzt  durch 
die  pietät  eines  schüiers  ans  licht  gezogen,  ist  ^mitten  unter  den 
stürmen'  der  märzrevolution  in  14  tagen  erwachsen,  es  weht 
frUhlingsluft  in  ihr:  ^man  kann  ja  seit  kurzem  jetzt  das  speciQseh 
Deutsche  wider  mit  Selbstgefühl  nennen,  es  ist  ja  so  herrlich, 
dass  ich  nichts  dergleichen  kenne  im  ganzen  umkreis  der  dinge'; 
Walther  wird  dem  jüngling,  der  sich  aus  den  fesseln  des  scho- 
lasticismus  in  ^die  wellen  der  würklichen  dingeweit'  sehnt«  der 
repräsentant  eines  ganzen  und  gesunden  geisteslebens,  das  in  sich 
selbst  seinen  zweck  hat.  gern  vergleicht  er  ihn  mit  Goethe  und 
freut  sich  seiner  naiven  Sinnlichkeit;  es  jammert  ihn,  dass  dieser 
herrliche  Walthcr  schliefslich  auch  als  opfer  des  christlichen 
dualismus  fallen  muss  wie  so  viele  Deutsche,  am  wohlsten  ist  ihm 
bei  Wallhers  politischen  gedichten,  aus  denen  er  die  stimme  Luthers 
und  der  freiheitsdichter  von  1813  heraus  hört;  die  liebeslyrik 
ist  ihm  zu  gedanklich,  und  er  empGndet  deutlich  den  ^kältlichen 
anstrich'  der  schemenhaften  tradition,  der  er  ebenso  schuld  daran 
gibt,  wenn  uns  heute  'der  so  viel  gepriesene  und  gesuchte  Umgang 
mit  frauenzimmern  zur  last  oder  wenigstens  zur  anstrengung  wird', 
dieser  schnelle  Seitenblick  auf  das  tägliche  leben  weist  inmitten  der 
zuweilen  etwas  aufsatzmäfsigen  darstellung,  die  von  der  eminent 
gesprochnen  spräche  des  reifen  Hildebrand  noch  wenig  zeigte  schon 
deutlich  voraus  auf  die  fruchtbare,  belebende  anschauuug,  die  später- 
hin alles  erquicklich  durchdrang,  was  in  den  gesichtskreis  des 
unvergesslicben  mannes  trat,  schon  in  dieser  Jugendarbeit  denkt 
er,  echt  Hildebrandisch,  bei  Walth.  55,30  nü  loil  ich  sdtowen, 
ob  du  iht  tagest  an  den  meister,   der  den  lehrbuben  controiiert. 


HILDEBRAND    ÜBER    WALTHER    VON    DER    VOGEL  WEIDE  259 

UDÜ  95, 15  dannoch  seit  si  mir  ddhi  f^Iit  ihm  sofort  die  volks- 
lümlicbe  zugäbe  ein.  die  liebe  zum  volke  stimml  widerum  zur 
zeit  wie  zu  der  persoo  des  Schreibers  :  nebea  Goethe  und  Schiller 
gibt  das  Volkslied  parallelen  her,  und  der  tact,  der  in  der  volks- 
stimrae  iigt,  ist  ihm  damals  wie  immer  für  ästhetisch-ethische 
dioge  'eiDe  art  goltesgericht  in  letzter  instanz'.  so  finden  wir 
gerne  in  den  weichern  Zügen  des  Jünglings  das  vertraute  und 
geliebte  antlilz  wider,  wissenschaftlichen  ertrag  wird  niemand 
erwarten:  es  hat  mich  fast  überrascht,  welche  geringe  bedeutung 
in  diesem  bilde  Walthers  die  künstleriscbe  und  menschliche  ent- 
wicklung  gewinnt,  wie  wenig  geschichtliche  probleme  aufgeworfen 
werden;  Hildebrand  war  keiner  von  den  frühreifen,  die  hübsche 
conjeciur  allez  f.  alze  44,  38  waren  wir  gewöhnt  an  Bartsch  zu 
kuüpfen.  —  ich  würde  dem  herausgeber  noch  dankbarer  gewesen 
sein,  wenn  er  nicht  den  seltsamen  einfall  gehabt  hätte,  die  majuskel- 
losigkeitvon  den  lateinischen  lettern  des  manuscripts auch  in  diefrac- 
tur  der  Zs.  f.d.unt.  zu  übertragen,  was  sehr  curios  würkt.  R. 
Beiträge  zur  geschichte  der  wissenscbaftlichen  Studien  in  sächsischen 
klüstern  i  Altzelle,  von  Ludwig  Schmidt,  der  xliv  Versammlung 
deutscher  philologen  und  Schulmänner  aus  anlass  der  begründung 
einer  abteilung  für  bibliolhekswissenschaft  dargebracht  von  der 
königlichen  öffentlichen  bibliothek  zu  Dresden.  Dresden,  WBaensch, 
1897.  93  SS.  gr.  8^.  1,50  m.  —  diese  kleine  schrifl,  die  sich 
erst  zwei  jähre  aach  ihrem  erscheinen  zur  besprechung  gestellt 
hat,  ist  gründlicher,  wenn  auch  nicht  immer  anmutiger  gelehrsam- 
keit  voll.  Seh.  hat  in  Jena  den  bisher  für  verloren  gehaltenen 
bibliothekskatalog  des  Cistercienserklosters  Altzelle  aufgefunden, 
den  Spalatin  1514  anfertigen  liefs,  um  bei  der  begründung  der 
Wittenberger  Universitätsbibliothek  einen  anhält  zu  haben;  er 
bringt  ihn  nach  einer  orientierenden  einleitung  auf  s.  35 — 80  mit 
ausnähme  der  juristischen  und  medicinischen  abteilungen  zum  ab- 
druck  und  weist  in  einem  anhang  wenigstens  für  einen  teil  der 
hss.,  leider  nicht  auch  der  incunabeln,  den  jetzigen  aufbewahrungs- 
ort  nach,  eine  wichtige  Vorarbeit  bot  der  der  klosterbibliolhek 
gewidmete  abschnitt  des  1855  erschienenen  buches  über  Altzelle 
von  EBeyer  (s.  109 — 130),  wo  ohne  benutzung  des  nun  von  Seh. 
gefundenen  katalogs  ein  stattlicher  teil  der  alten  bücherei  auf 
grund  einer  sorgrultigen  durchmusteruug  der  Leipziger  und  Dresdner 
bibliotheken  und  einer  Verzeichnung  ihres  besitzes  an  ehemals 
altzellischen  büchern  reconstruiert  ist.  Seh.  gibt  jetzt  freilich 
wesentlich  mehr;  vielleicht  soll  man  nun  aber  umgekehrt  sich 
auch  nicht  zu  sehr  auf  die  unbedingte  Vollständigkeit  des  jetzt 
veröffentlichten  katalogs  verlassen,  gegen  die  zb.  die  bei  Beyer 
s.  125  unter  1  und  3  angeführten  drucke  zu  sprechen  scheinen; 
auch  weist  der  Dresdner  cod.  K  277  (Schnorr  ii  234)  darauf  hin, 
dass  in  dem  medicinischen  teil  des  katalogs  auch  nichtmedicini- 
sches  enthalten  ist. 


260  SCHMIDT    ALTZELLE 

So  vollstäadig  aber  ist  er  jedesfalls,  dass  er  in  mehrfacher 
hinsieht  unsre  kenntnisse  zu  fördern  vermag,  zunächst  die  ge- 
schiebte  des  bibliothekswesens.  ThGottlieb  allerdings  in  seinem 
grofsen  corpus  ma. lieber  bibliothekskataloge  (Ober  ma.  bibliotheken 
1890)  hätte  dieses  Verzeichnis  verschmäht  (er  kennt  freilich  auch 
das  kurze  Verzeichnis  aus  dem  12  jh.  nicht,  das  Seh.  s.  10  f  ab- 
drucki),  weil  es  erst  nach  1500  entstanden  ist;  aber  gerade  ein 
katalog  wie  der  von  Altzelle  zeigt  deutlich,  wie  wenig  innere  be- 
deutung  diese  mit  Hains  praxis  übereinstimmende '  abgrenzung 
hat  :  die  einrichtung  der  bibliothek  ist  auch  1514  noch  durchaus 
mittelalterlich,  und  das  oft  schwer  entwirrbare  durcheinander  von 
hss.  und  drucken  ist  das  gleiche  in  katalogen,  die  der  zweiten 
bäjfte  des  15  jhs.  angehören. 

Dem  bildungsgeschichtlichen  problem  des  ausgehnden  mittel- 
alters,  der  frage  nach  der  Umwandlung  der  scholastischen  bilduog 
in  die  humanistische,  würde  der  katalog  gewis  noch  mehr  zu  gute 
kommen,  wenn  er  mehr  anhaltspuncte  für  die  zeit  der  erwerbung 
der  einzelnen  nummern  böte,  die  sich  leider  auch  anderweitig 
nur  hie  und  da  sicher  ermitteln  lässt.  von  Prag  aus  erhält  das 
Schulwesen  des  klosters  im  14  und  im  beginnenden  15  jh.  offen- 
bar bedeutsame  anregung;  aber  nirgends  ist  zu  spüren,  dass  da- 
mit nun  auch  ein  teil  des  böhmisch-luxemburgischen  vorhumanis- 
mus  nach  Altzelle  gekommen  wäre  :  das  ^Exercitium  baccalaurean- 
tium'  des  aus  Prag  berufenen  Vincentius  Grüner  ist  der  neuen 
bildung  so  völlig  fremd  wie  die  werke  seines  ebenfalls  aus  Prag 
kommenden  nachfolgers  Matthias  von  Königsaal,  und  keine  einzige 
der  wenigen  modernen  handschriften  der  klosterbibliothek 
geht  in  so  alte  zeit  zurück,  der  Altzeller  frühbumanismus  wird 
sich  vielmehr  parallel  dem  Leipziger  frühbumanismus  entwickelt 
haben,  der  seit  den  sechziger  und  siebziger  jähren  des  15  jhs. 
langsam  zu  wachsen  beginnt;  freilich  ist  keiner  der  namen  von 
Leipziger  studierenden  und  graduierten  aus  Altzelle,  die  Seh. 
s.22fr  zusammengestellt  hat,  in  dem  namenverzeichnis  von  GBauchs 
Geschichte  des  Leipziger  frühbumanismus  (1899)  nachzuweisen, 
dass  in  der  bibliothek  mehrmals  (G  24,  0  42,  vgL  auch  L  42) 
eine  'Quodlibetaria  questio  Erphordensis  studii'  (vielleicht  JSchrams 
Monopolium  der  schweinezunft  v.  1494?)  zu  finden  ist,  liefse  es 
wol  empfehlenswert  erscheinen,  auch  einmal  die  Erfurter  matrikel 
(hrsg.  v.  Weifsenborn  und  Hortzschansky  1881 — 99)  auf  Altzeller 
studierende  hin  durchzuarbeiten. 

1514  finden  wir  nun  als  moderne  bildungsmittel  die  werke 
fast  aller  römischen  classiker;  ihnen  gesellen  sich  einige  Griechen: 
aufser  Aristoteles  Xenophon,  Plato,  Plutarch,  Lucian  und  sogar 
Euripides,  natürlich,  auch  wo  es  nicht  ausdrücklich  bezeugt  ist, 
gewis  nur  in  lateinischen  Übersetzungen,  es  erscheinen  ferner 
fast  alle  grofsen  italienischen  humanisten  der  gesamten  entwick* 
lungszeit;    einer  der  allerkleinsten,   Jacobus  Publicius,   sei  hier 


SCHMIDT    ALTZELLE  261 

herausgehoben,  weil  er  in  den  sechziger*  jähren  des  15  jhs.  per- 
sönlich in  Deutschland  lehrte  und  weil  das  vorkooimen  mehrerer 
seiner  Schriften  wider  auf  den  Zusammenhang  der  Altzeller  Stu- 
dien mit  Leipzig  oder  Erfurt  weist,  unter  den  deutschen  über- 
wiegen die  männer  der  strengeren  richtung.  von  den  aucbhuma- 
nisten  treffen  wir  GHeimburg  und  HLeubing,  der  frühhumanis- 
mus  ist  —  ich  möchle  fast  sagen  :  natürlich  —  durch  Eybs 
Margarita  poetica  vertreten;  dann  folgen  Agricola,  Wimpheling, 
Reuchlin,  dessen  Sergius  mehrfach  vorkommt,  SBrant,  dessen 
deutsches  Narrenschiff  übrigens  samt  einer  deutschen  bibel, 
deutschen  predigten  und  hsl.  'Rithmi  vulgares  de  vitis  patrum' 
(G34,  nach  ESchröders  Vermutung  wol  die  jetzige,  schon  1826 
von  Tittmann,  1880  von  Franke  nach  Altzelle  gewiesene  hs.  816 
der  Leipziger  Universitätsbibliothek)  das  deutschsprachliche  Schrift- 
tum fast  allein  vertritt,  GReisch,  dessen  Margarita  philosophica  frei- 
lich ebenso  wie  die  Margarita  poetica  ohne  Verfasserangabe  ein- 
getragen ist  und  der  daher  ebenso  wie  Eyb  in  Sch.s  autoren- 
register  fehlt,  JLocher  (Narragonia  ua.)  und  endlich  auch  Erasmus, 
der  von  Übersetzungen  und  ein  paar  kleinigkeiten  abgesehen, 
durch  seine  Adagia  vertreten  ist.  dagegen  ist  CCeltis  aus  dem 
autorenregister  zu  streichen,  denn  der  magister  Gonradus  Zeltan, 
dessen  'Leclura  super  capitulo  :  Firmiter  credimus'  mehrfach  vor- 
handen ist,  wird  schwerlich  mit  dem  erzhumanisten  identisch  sein, 
mit  Erasmus  stand  der  abt  Martin  von  Locbau  (1493 — 1522), 
der  hauptvertreter  des  Altzeller  humanismus,  auch  in  brieflichem 
verkehr;  vielleicht  dient  der  von  Seh.  s.  24  anm.  1  wider  hervor- 
gehobene nachweis  dazu,  die  Erasmusphilologen  auf  die  spur  der 
verlorenen  correspondenz  zu  führen. 

Seh.  macht  s.  2f  darauf  aufmerksam,  dass  in  Jena  auch  die 
bibliotheksverzeichnisse  andrer  klüster  aus  der  gleichen  zeit  auf- 
bewahrt werden;  es  sind  Reinhardsbrunn,  Lebnin,  Nürnberg 
(predigerkloster),  Leipzig  (predigerkloster)  und  Grünhain,  vielleicht 
auch  noch  Halle  (Servitenkloster)  und  Nürnberg  (Augustinerkloster), 
von  ihnen  sind  bisher  nur  das  Lehniner  und  das  Reinhardsbrunner 
herausgegeben,  wenn  man  sich  an  die  anregungen  hält,  die  Sch.s 
verüfTentlichung  des  Altzeller  katalogs  bietet,  muss  man  auch  den 
übrigen  Verzeichnissen  kundige  und  sorgsame  bearbeiter  wünschen. 
Berlin,  31  Januar  1900.  Max  Herrmann. 

Laurence  Sterne  und  CMWieland,  von  dr  C.  A.  Rehmer.  [For- 
schungen zur  neuern  litteraturgeschichte,  herausgegeben  von  dr 
Franz  Muncker,  IX.]  Berlin,  CDuncker,  1899.  62  ss.  8^.  1,20  m. — 
Rehmer  hat  seine  abhandlung,  die  nur  ein  kleiner  beitrag  zur 
erforschung  fremder  einflüsse  auf  Wielands  dichlungen  sein  will, 
in  3  teile  zerlegt:  i  Laurence  Sterne,  n  Wielands  beschäftigung 
mit  Sternes  Schriften,  iii  Sternes  einfluss  auf  Wielands  dichte- 
risches schaffen,  in  einer  Schlussbetrachtung  fasst  er  sodann  die 
gewonnenen  resultate  kurz  zusammen. 


262  UEHMF.R    LAURENCE   STERNE    UND    WIELAND 

Die  beiden  ersten  teile  dienen  vortrefflich  ihrem  zwecke,  das 
hild,  das  uns  B.  an  der  hand  des  ^Tristram  Shandy'  und  der 
^Sentimental  journey'  von  Sterne  als  dem  Vertreter  des  idealistischen 
humors  entwirft,  ist  in  allen  zUgen  klar  und  sauber,  und  das  18  jh. 
mit  seiner  gefühl^armut  in  der  ersten,  mit  seiner  empfindsam keit 
in  der  zweiten  hälfte  bildet  einen  würksamen  hintergrund  dazu.  — 
wie  B.  sodanD  nachweist,  hat  Wieland  den  ^Tristram  Shandy'  nicht 
vor  sommer  oder  herbst  1767,  die  ^Empfindsame  reise'  gegen 
ende  des  Jahres  1768  kennen  gelernt,  und  gewis,  nur  diese 
romaue^  nicht  die  übrigen  Schriften  Sternes  haben  erkennbar  auf 
sein  dichterisches  schaffen  eingewHrkt.  —  nicht  so  rQckhalt- 
los  anerkennend  steh  ich  dem  3  teile  gegenüber,  in  dem  B. 
die  von  Sterne  beeiuflussten  Schriften  Wielands  bespricht,  es 
ist  zu  bedauern,  dass  B.  die  aufserordentlich  eingehnden  Unter- 
suchungen von  Bauer  ^Ober  den  einfluss  Laurence  Sternes  auf 
ChMWieland'  (programme  des  kaiser  Franz-Josef-gymnasiums  in 
Karlsbad,  1898. 1899. 1900)  für  seine  abhandlung  noch  nicht  heran- 
gezogen hat.  wie  er  seihst  erklärt  (zb.  s.  36.  38),  hat  er  nicht 
immer  alle  Übereinstimmungen  mit  Sterne  angeführt,  oft  sich  auf 
proben  beschränkt,  dagegen  liefse  sich  nichts  sagen,  wenn  nur 
nebensächliches  ausgelassen,  wenn  oft  widerkehrenües  nur  ein- 
mal angeführt  wäre,  jedoch  erklären  sich  nicht  alle  lücken  aus 
diesem  princip.  hier  einige  nachtrage,  die  übrigens  das  verdienst 
der  reichhaltigen,  übersichtlichen  und  gut  geschriebenen  Studie 
B.S  nicht  in  frage  stellen  sollen. 

In  den  ^Beiträgen  zur  geheimen  geschichte  des  menschlichen 
Verstandes  und  herzens'  ist  nicht  allein  im  stil,  sondern  auch  im 
Stoff  und  geist  des  ganzen  werkes  ausgeprägte  verwantschaft  mit 
Sterne  vorhanden.  Wieland  preist  Sternes  empfindsamkeit,  ja  er 
lässt  sich  sogar  von  ihr  zu  einer  wörtlichen  Übersetzung  aus  der 
'Empfindsamen  reise*  veranlassen  (s.  179).  auch  bei  besprechung 
der  von  Sterne  besonders  stark  beeiuflussten  Dialoge  des  Diogenes 
von  Sinope  muste  die  empfindsamkeit  als  ein  dement  der  verwant- 
schaft mehr  hervorgehoben  werden,  aus  dem  Goldenen  spiegel 
vermiss  ich  den  hinweis  auf  Sternes  art,  der  in  Wielands  worten 
(einl.  s.  18)  ligt  :  Warum  hatten  die  ehrlichen  Männer  die  Gabe 
nichts  der  Weisheit  ein  lachendes  Ansehen  zu  geben  ?  —  Oder  konnten 
sie  sich  nur  nicht  entschliefsen  ^  ihr  zuweilen  die  Schellenkappe 
aufzusetzen!  i  s.  131 :  Während  dass  der  Iman  diese  schöne  Rede 
hielte  sang  der  Sultan  im  Tone  der  langen  Weile  und  mit  haW 
geschlossenen  Augen,  la  Faridondäne  la  Faridondon^  Dondäne 
Dondon  Dondäne  Dondäne  Dondäne  Dondon  (ebenso  s.  143).  wer 
denkt  da  nicht  sofort  an  onkel  T ohy s  Lillabullero!  wenn  Schach 
Gebal  bei  besonders  gefühlvollen  worten  Danischmends  regelmäfsig 
einschläft,  so  war  hier  aufser  dem  hinweis  auf  den  alten  Shandy 
und  onkel  Toby  vor  allem  ein  solcher  auf  dr  Slop  am  platze 
(Tr.  Sh.  cap.  42). 


BEHMER    LAUREISCE   STEBNE    UND    WIELAND  263 

Die  ausführuDgen  B.s  s.  25  über  Wielands  inneres  Verhältnis 
zu  Sterne  sind  unklar,  wenn  der  brief  vom  13  november  1767 
uneingeschränkte  bewunderung  Sternes  atmet,  Wieland  dagegen 
im  jähre  1773  neben  höchstem  lob  scharfen  tadel  über  den 
Tristram  Shandy  ausspricht,  so  hat  eben  Wieland  erst  im  laute 
der  jähre  kühler  über  Sterne  zu  urteilen  gelernt,  an  der  stelle, 
wo  B.  betont,  dass  Wieland  kein  sklavischer  nachahmer  Sternes 
ist,  vermiss  ich  die  bekannte  citatio  edictalis  des  Athenäums  (Gruber 
Wielands  leben  iv  255;  Bauer  i  3),  die  auf  die  heurteilung 
Wielands  durch  die  romantiker  ein  helles  licht  wirft. 

Die  ^Grazien'  zeigen  nach  B.  und  Bauer  nur  ganz  geringe 
spuren  von  Sternes  einfluss.  wenn  schon  das  abfassungsjahr  1769 
und  die  ausdrückliche  erwähoung  des  lieben  Stern*  auf  seinem 
Steckenpferd  —  Poor  Yorik!  dagegen  zn  sprechen  scheinen, 
so  ist  aufserdem  nicht  zu  verkennen,  dass  die  ganze  art  der  er- 
zählung  in  Sternes  manier  gehalten  ist.  schon  die  einleitung, 
das  gespräch  des  dichters  mit  Danae,  ferner  die  lockere  art  und 
weise,  wie  Wieland  die  erzählung  oft  unterbricht,  erinnern  an 
die  Zwiegespräche  Sternes  mit  dem  leser  oder  der  schönen  leserin, 
an  seine  anreden  an  Jenny  oder  Eugenius.  das  ganze  ist  in  einen 
schalkhaft-sinnlichen  ton  getaucht,  der  mit  Vorliebe  andeutet,  allzu 
gewagtes  scherzend  unterdrückt,  die  erschreckte  leserin  neckt  und 
beruhigt,  auch  die  empßndsamkeit,  die,  wie  Wieland  selbst  sagt, 
die  drei  Schwestern  zu  grazien  macht,  ist  dieselbe,  welche  Sternes 
werke  durchzieht.  Kuno  Riddebhoff. 

Allitterierende  Wortverbindungen  bei  Goethe,  i  von  W.  Ebrard.  [Beilage 
z.  jahresber.  d.  kgl.  alten  gymn.]  Nürnberg,  MEdelmann,  1898/99. 
42  SS.  4^.  2,40  m.  —  Ebrard  gibt  eine  gute  analyse  des  Vorrats 
allitterierender  Wortverbindungen  bei  Goethe;  vorzugsweise  handelt 
es  sich  um  jene  gruppen,  die  ich  in  meiner  —  von  E.  nicht  be- 
nutzten —  Allgerm,  poesie  *zwillingsformeln'  genannt  habe,  er 
zeigt,  wie  gerne  Goethe  bei  der  bearbeitung  von  entwürfen  und  Über- 
setzungen (s.  llf)  Stabreime  einfügt,  untersucht  die  consonan- 
tischen  allilterationen  (s.  13  f)  auf  vocalverschiedenheit  und  han- 
delt lehrreich  über  die  art  der  allitterierenden  Wortverbindungen 
selbst  :  coordination  ungleichartiger  redeteile  (s.  18)  und  'schiefe 
gegensätze*  (s.  88),  unterbrochene  und  gemischte  allitteration  (s.  20) 
—  beide  nach  gut  altgermanischer  art  besonders  beliebt  — ,  art  der 
Verbindung  (s.  22)  und  inneres  gedankenverhältnis  (s.  25f).  bei 
eigen  namen  (s.  38)  und  fremd  Wörtern  (s.  40)  ist  auch  bei  Goethe 
die  allitteration  besonders  häufig,  was,  wie  in  aller  poesie,  ihren 
decoraliven  charakler  deutlich  hervortreten  lässt.  —  der  versuch, 
Goethes  'neue'  reimpaare  herauszuheben,  ist  nicht  immer  ge- 
lungen :  Kreuz  und  Christ  (s.  12),  vergeben  und  vergessen  (s.  15) 
uaa.  sind  längst  formelhaft.  Ricuabd  M.  Meteb. 

Volksschauspiele  aus  dem  Böhmerwalde,  gesammelt,  wissenschaftlich 
untersucht    und   herausgegeben   von  J.  J.  AubiaaNN.    ii  teil.     Prag, 


264  AMMANN    VOLKSSCHADSPIELE    AUS   DEM   BÖHMBRWALDE   II 

JGCalve  (JKoch),  1899.  xi  und  168  ss.  gr.  8^.  [Beiträge  zur 
deutsch- böhmischen  Volkskunde,  im  auftrage  der  gesellschaft 
zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  kunst  und  litteratur  in 
Böhmen,  geleitet  von  AHauffen,  ii  bd,  2  hefl.]  2,20  m.  —  das  im 
Anz.  XXIV  392  fr  begrüfste  unternehmen  schreitet  erfreulich  vor- 
wärts, der  hg.  legt  sechs  neue  volksschauspiele  vor,  die  frei- 
lich zum  teil  ganz  junge  gestalten  zeigen,  da  Eustachius,  Hirlanda 
und  Heinrich  vEichenfels  nur  dramatisierungen  nach  Christoph 
vSchmids  erzählungen  sind  (vgl.  Mitteilung  nr.  n  der  gesell- 
schaft zur  fördern ng  deutscher  Wissenschaft,  kunst  und  litteratur 
in  Böhmen  s.  8  anm).  A.  selbst  zweifelt,  ob  solche  dramen  einen 
platz  beanspruchen  dürfen,  doch  wird  man  wol  nicht  ungern 
eine  möglichst  vollständige  Sammlung  des  ganzen  vorhandenen 
materials  besitzen,  wenn  sich  die  Volkstümlichkeit  nachweisen 
lässt.  und  das  hat  A.  getan,  für  den  Alexius  ist  die  quelle  wol 
irgend  ein  legendär  [ESchröder  vermutet  Martin  vCochem]. 
interessant  ist  das  ^Türkische  sultanspiel',  eine  mischung  von 
märtyrer-  und  familientragOdie,  geplante  blutschande  zwischen 
vater  und  tochter  (auch  ein  motiv  der  mittelalterlicheD  le- 
gende)^ gegensalz  zwischen  beiden  und  Christen,  Verfolgung  um 
des  glaubens  willen;  manches  erinnert  an  das  schlesische  kunst- 
drama,  manches  an  den  Johannes  von  Nepomuk.  eine  besondere 
Stellung  nimmt  die  Genovefa  ein,  die  mit  keiner  der  bisher  be- 
kannt gewordenen  fassungen  vollständig  stimmt,  aber  an  einige 
zb.  die  niederöstereichische  wenigstens  in  einzelheiten  erinnert, 
ich  will  jedoch  Ammanns  in  aussieht  gestellter  Untersuchung  nicht 
vorgreifen,  verweise  nur  zu  dem  Anz.  xiii  55fr  erwähnten  ma- 
terial  auf  die  Schilderung  einer  Genovefaaufführung  durch  Holtei 
in  Kuhs  Hebbelbiographie  ii  433.  es  wäre  sehr  zu  wünschen, 
dass  die  arbeit  bald  zu  ende  geführt  würde,  damit  man  einen 
überblick  gewinnt,  es  soll  noch  ein  hefl  mit  texten  und  dann 
erst  der  kritische  teil  folgen,  die  gesellschaft,  deren  energie 
das  erscheinen  ermöglicht,  verdient  den  aufrichtigsten  dank. 
Lemberg^  15juni  1899.  R.M.Werner. 

Der  privatdocent  dr  E.  Hoffmann-Krater  in  Zürich  hat  einen 
ruf  nach  Basel  als  ao.  professor  für  deutsche  pbilologie  mit  spe- 
ciellem  lehrauftrag  für  phonetik,  deutsche  mundarten  und  Volks- 
kunde angenommen. 

Prof.  F.  Holthacsen  von  Göteborg  siedelt  als  ao.  professor 
der  englischen  pbilologie  nach  Kiel  über. 

An  der  Universität  Wien  habilitierte  sich  dr  Robert  F.  Arnold 
für  neuere  deutsche  litteratur,  an  der  Universität  Worzburg 
dr  Robert  Petsch  für  germanische  pbilologie. 

Der  professortitel  wurde  verliehen  dem  privatdocenten  dr 
K.  Drescher  in  Bonn. 


ANZEIGER 


FÜR 


DEimCHES  ALTERTUM  UND  DEUKCHE  LinERAlTIR 

XXVI,  4  october  11)00 


Der  indogermanische  ablaut,  vornehmlich  in  seinem  Verhältnis  zur  betonung. 
von  Hermann  Hirt.    Strafsburg,  KJTrübner,  1900.    224  ss.  —  6  m. 

Seil  HUhschmanns  iDdogerm.  vocalsystem  (Strafsburg  1885) 
isl  keine  zusammenfassende  monographie  über  die  indogermanische 
vocalabstufung  erschienen,  haben  diese  fragen  in  der  Zwischen- 
zeit auch  nicht  in  dem  mafse  wie  in  den  siebziger,  achtziger 
Jahren  das  ganze  interesse  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft 
beherscht,  so  sind  sie  doch  in  den  letzten  anderthalb  jähren 
sehr  wesentlich  gefördert  worden,  eine  neue  darsteUung  des 
«toffes  wird  daher  namentlich  denen,  die  auf  dem  gebiete  einer 
«inzelsprache  tätig  auch  die  resultate  der  vergleichenden  grammatik 
kennen  zu  lernen  wünschen,  nicht  unwillkommen  sein.  Hirts 
buch  trägt  der  Veränderung  der  ansichten  seit  1885  in  gebührender 
weise  rechnung.  nur  sollte  der  verf.  nicht  den  anschein  er- 
wecken, als  ob  diese  fortschritte  im  wesentlichen  von  ihm  her- 
rührten, 'meine  ansichten'^  schreibt  er  im  Vorwort,  'haben  sich 
ganz  allmälig  entwickelt,  und  noch  am  schluss  konnte  ich  einen 
wichtigen  punct  hinzufügen,  der  manches  erklären  wird,  meine 
arbeit  gründet  sich  auf  das,  was  ich  in  den  letzten  bänden  der 
Indogerm.  forschungen  veröffentlicht  habe',  nein,  müssen  wir 
hier  den  verf.  unterbrechen,  sie  gründet  sich  vor  allem  auf  das, 
was  die  forschungen  andrer  an  gesicherten  ergebnissen  zu  tage 
gefördert  haben,  'das,  was  ich  dort  auseinandergesetzt  habe',  fährt 
er  fort,  'konnte  durch  das  reiche,  neue  material,  das  ich  gebe, 
in  einigen  puncten  modificiert  und  erweitert  werden,  in  allen 
wesentlichen  hielt  es  aber  stand,  und  wird  stand  halten,  ich 
hoffe  nicht  nur,  wie  Brugmann  Grdr.  i^  296'  meinte,  der  Wahr- 
heit am  nächsten  gekommen  zu  sein,  sondern  hoffe  diese  selbst 
gefunden  zu  haben',  nun,  das  hoffen  so  ziemlich  alle  gelehrten, 
die  etwas  veröffentlichen,  nur  drücken  sie  es  gewöhnlich  be- 
scheidener aus  oder  behalten  den  gedanken  für  sich,  später  wird 
fiur  de  Saussures  1879  erschienenem  Memoire  besondere  aner- 
kennung  gezollt,  in  einer  weise,  als  ob  Hirt  die  Verdienste  dieser 
arbeit  zum  ersten  mal  hervorhöbe,  das  ist  schon  längst  von 
verschiedenen  anderen  seilen  in  gebührendem  mafse  geschehen,  zb. 
KZs.  31,395  oder  bei  Bechtel  Hauptprobleme  193  f.  dagegen 
verdient  denn  doch  auch  betont  zu  werden,  dass  de  Saussures 
mathematische  art  und  weise  zu  folgern  und  seine  theorie  von 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  18 


266  HIRT  DER  INDOGERMANISCHB  ABLADT 

der  langen  liquida  und  nasalis  sonans  auf  die  folgezeit  entschieden 
schädlich  gewürkt  haben  und  dass  die  fortschritte  des  letzten 
Jahrzehnts  nicht  zum  geringsten  teil  auf  der  beseitigung  seiner 
irrtümer  beruhen. 

Diese  forlschrilte  liegen  hauptsächlich  auf  dem  gebiet  der 
zweisilbigen  basen,  die  denn  auch  bei  Hirt  eine  hauptrolle  spielen, 
die  einsilbigen  wurzeln  treten  bei  ihm  um  so  mehr  zurück,  als 
er  alle  thematischen  verba  sowie  die  athematischen  mit  dehnstufe 
zu  den  zweisilbigen  basen  rechnet,  nach  diesen  beiden  kate- 
gorien  ist  das  hauptmaterial  geordnet,  voran  gehn  einleitende 
Bemerkungen ,  auf  die  das  schlusscapitel  zurtlckkommt.  hier  be- 
müht sich  Hirt,  die  ergebnisse  der  neueren  forschungen  in  ein 
abgerundetes,  möglichst  lückenloses  System  zu  bringen;  aber  es 
gehngt  ihm  nur  mittelst  etwas  complicierter  hypothesen,  die  zwar 
möglich,  aber  nicht  beweisbar  sind,  er  erneuert,  wenn  auch  in 
veränderter  form,  OsthofTs  theorie  von  der  zweifachen  form  der 
tiefstufe,  indem  er  behauptet,  dass  kurzes  a,  e,  o  entweder  nur 
zu  lauten,  die  er  mit  a*  e»  o  bezeichnet,  reduciert  wurden  oder 
gänzlich  ausfielen,  diese  annähme,  die  ja  nicht  gerade  neu  ist, 
hat  ohne  frage  einen  gewissen  anhält  in  den  tatsachen.  im 
griechischen  erscheint  für  e  in  ursprünglich  unbetonter  silbe 
vielfach  t:  nltvtjfÄi^  la&i,  x^^^og  usw.;  für  o  unbetontes  v: 
vvxTog.  mit  diesem  i  habe  ich  KZs.  31,  378  f  lat.  a  in  qiuUtuor 
BB  nlavQeg,  pateo :  nhvrjfdij  sowie  das  ^  von  slav.  ttei  pici,  lit. 
kipti  verglichen,  und  Hirt  schliefst  sich  dieser  combination  an 
(s.  150*  ferner  ist  die  doppelform  deutlich  vor  vocalen,  in  fällen 
wie  gr.  ßavd,  air.  ban-,  aisl.  kona  neben  skr.  gnä,  air.  mna. 
aber  in  einer  grofsen,  vielleicht  der  grOfseren  zahl  der  fölle  ist 
die  doppelform  rein  hypothetisch,  hier  zeigen  Hirts  ausfflhrungen, 
wie  es  scheint,  durch  ein  versehen,  eine  unliebsame  lücke.  in 
dem  abschnitt,  wo  er  die  Vertretung  des  idg.  tonlosen  e  in  den 
einzelsprachen  bebandelt  (§260),  unterscheidet  er  beifolgendem 
Sonorlaut,  r,  l,  m,  n,  t,  u,  zwei  fälle,  je  nachdem  der  Sonorlaut 
hetero-  oder  tautosyllabisch  ist.  dann  wird  aber  unter  1)  a)  — 
ö)  nur  der  erste  fall  erörtert  ^  und  wie  e  vor  tautosyllabischera 
sonor  vertreten  ist,  erfahren  wir  nicht,  sondern  können  wir  uns 
höchstens  aus  §  24  f  und  Idg.  forsch.  7,  141  ff  notdürftig  zusammen- 
lesen, danach  wäre  die  reductionsstufe  vor  ei,  eil,  idg.  ^t,  «ti  mit 
der  Schwundstufe  idg.  t,  u  in  allen  sprachen  in  t,  u  zusammen- 

*  hierbei  bespricht  Hirt  das  a  vor  v  in  lat.  favBre,  cavus,  cavilia,  fa- 
vUsae  gegen  fovea^  boves  usw.  und  erklärt  Tburneysens  gesetz  mit  der  be- 
scbränkung  für  richtig,  dass  es  nur  vortonige  silben  treffe,  es  scheint  -ihm 
unbekannt,  dass  ich  dieselbe  ansieht  schon  vor  fünf  jähren  aasgesprochen 
habe  (Wochenschrift  für  dass.  philol.  1895  nr  33/34  sp.  923).  eine  bestä- 
tigung  bildet  der  von  ßücheler  Rhein,  mus.  52,391  nachgewiesene  alte 
imperativ  föoe  zu  favere.  man  erinnere  sich  auch,  dass  im  russischen  o  in 
der  Silbe  vor  dem  tone  (hier  aber  ohne  rücksicht  auf  benachbarte  coosonaoz) 
zu  a  wird. 


HIRT    DER    I^DOGERMA^iISCHB   ABLADT  267 

gefallen,  db.  sie  ist  eben  nur  dem  system  zu  liebe  aDgenommeD. 
als  ein  argument  benutzt  der  verf.  (§  25)  nur  den  von  mir 
KZs.  31,  339.  467  versuchten  nachweis,  dass  ei,  eu  zunächst 
zu  t,  ü  reduciert  wurden,  die  ihre  länge  festhielten,  wenn  sie 
nachträglich  den  accenl  zurückerhielten,  aber  zu  t,  ü  wurden, 
wenn  sie  unbetont  blieben  t.  aber  ein  beweis  läge  doch  nur 
darin,  wenn  I  ü  kurzvocaliscber  reihen  auch  in  unbetonter  läge 
(als  reductionsstufe)  vorkäme. 

Ebensowenig  bewiesen  ist  Hirts  ansatz  einer  idg.  reductions- 
stufe ^r,  gU  neben  einer  Schwundstufe  ^,  n,  der  hauptsächlich 
den  zweck  zu  haben  scheint,  Brugmanns  Uquida  und  nasalis  sonans 
mit  JSchmidts  annähme  von  reduciertem  vocal  •+-  r,  n  zu  ver- 
mitteln (vgl.  Idg.  forsch.  7,  140).  denn  im  übrigen  fehlen  durch- 
schlagende gründe  für  diese  annähme  durchaus;  das  s.  13  über 
kvxog  vermutete  ist  doch  kein  beweis,  eher  liefse  sich  dafür 
das  §  24  anm.  2  nur  ganz  beiläuflg  und  frageweise  herangezogene 
lat.  ar  neben  or  geltend  machen,  über  das  Verhältnis  von  gr. 
ag  zu  ga  geht  H.  in  der  vorhergehnden  anmerkung  —  nach 
einer  unüberlegten  bemerkung  über  ag  im  kretischen  ^  —  schnell 
hinweg,  indem  er  eine  spätere  behandlung  der  frage  verspricht, 
solche  Vertröstungen  sind  allenfalls  in  einem  zeitschriftaufsatz  am 
platze,  aber  nicht  in  einem  zusammenfassenden  buche,  das  über 
alle  in  betracht  kommenden  wichtigen  fragen  orientieren  soll,  ich 
balle  an  meiner  ansieht  (KZs.  31,  391  ff,  vgl.  JSchmidt  Kritik 
der  sonantentheorie  28)  fest,  dass  ag  in  ursprünglich  unbetonter, 
später  aber  widerbetonter  silbe  steht  ^. 

Was  n  sonans  betrifft,  so  hätte  sich  H..  auch  mit  der  im 
griechischen  und  arischen  übereinstimmenden  Vertretung  durch 
a  auseinandersetzen  sollen,  die  ich  Einleit.  in  die  gescb.  der 
griech.  spr.  168f  hervorgehoben  habe  und  die  bei  der  discussion 
der  sonantentheorie  merkwürdig  wenig  beachtet  worden  ist.  hält 
man  die  Übereinstimmung  zwischen  gr.  a  und  skr.  a  nicht  für 
zufällig,  so  machen   besondere  Schwierigkeit  noch   die   zwischen 

'  trotzdem  erklärt  H.  s.  38  den  ansatz  Ton  idg.  öudhr  als  einsilbige 
schwere  basis  wegen  ovS'aq  für  absolut  notwendig,  skr.  udhar  kann  doch 
auch  die  widerbetonte  wurzelform  einer  leichten  basis  oudh-  enthalten;  Tgl. 
KZs.  31,  338. 

^  altes  ag  sei  im  kretischen  zu  ai  geworden,  'vgl.  /lairve',  bisher  hat 
man  fiauvQ^  durch  dissimilation  aus  /la^rvQ-  erklärt,  wofür  ich  ngr.  ßaU 
ßagoi  aus  ßaQßaQOß  als  parallele  angeführt  habe  (Berl.  phil.ol.  wochenschr. 
1897  sp.  694).  aus  gortyn.  a^vav,  "AQTBfiiv^  xagnov  folgt,  dass  ag  in  diesem 
diaickt  sonst  intact  blieb. 

^  analog  sieht  das  Verhältnis  von   /ut/gxoe ipBOQ,  aiptovos  xa 

ßgvxos'  aifcjvoe  vsxgoQ,  ßgoxos'  ficogos  Hesych.  (Com.  graec.  fragm.  ed. 
Kaibel  i  201)  aus.  —  ich  merke  bei  dieser  gelegenheit  an,  dass  ein  im  grie- 
chischen secundär  entstandenes  r  vor  ./zu  ig  geworden  zu  sein  scheint  nach 
oixiigaf,  aiol.  oixrlggo}  aus  *oixTlgjca  aus  ^oixrjj'o}  zu  oixrgoe,  da  von  ei»'!em 
nicht  existierenden  oixri-g{o)-  auszugehn  mislich  ist.  ixd'algto  zu  ix^'gos 
macht  dann  freilich  Schwierigkeiten. 

18* 


266 


BIBT   ÜEB   INDOGEttllAmSCBB   ABL 4 DT 


der  langen  liquida  und  nasalis  soDatis  auf  die  Folgezeit  eulschiecfeu 
^ch^dlich  gewürkt  haben  und  dass  die  fortscbritte  des  leUli^n 
Jahrzehnt»  nicht  zum  geringsten  teil  auf  der  beseiligung  seiner 
irrt  um  er  beruhen. 

Diese  forLschriüe  liegen  haupts^chiich  auf  dem  gebiet  der 
zweisilbigen  baseu,  die  denn  auch  bei  Hirt  eine  hauptrolle  spieleD. 
die  einsilbigen  wurzeln  treleii  bei  ihm  um  so  mehr  zurück «  als 
er  alle  thematischen  verba  sowie  tfie  albematischen  mit  dehnstuTe 
zu  den  zweisilbigen  basen  rechnet,  nach  diesen  beiden  kate- 
gorien  ist  das  hauptmalerial  geordneL  voran  gebn  einleitende 
hemerkungeUf  auf  die  das  schlusscapitel  zurtlek kommt,  hier  be- 
müht sich  Hirt,  die  ergebuisse  der  neueren  forscbuugen  in  ein 
abgerundetes,  möglichst  lückenloses  System  zu  bringen;  aber  es 
gelingt  ihm  nur  mittelst  etwas  complicierter  hypothesen,  die  zwar 
möglich,  aber  nicht  beweisbar  sind,  er  erneuert,  wenn  auch  in 
veränderter  form,  OslhcITs  Iheorie  von  der  zweifachen  form  der 
lierstufe,  indem  er  behauptet,  dass  kurzes  a,  «,  o  entweder  nur 
zu  lauten,  die  er  mit  a,  ,,  ^  bezeicbnel,  reduciert  wurden  oder 
gänzlich  ausfielen,  diese  annähme,  die  ja  nicht  gerade  neu  isL 
hat  ohne  frage  einen  gewissen  anbalt  in  den  tatsachen,  im 
griechischen  erscheint  10 r  b  in  ursprünglich  unbetonter  silbe 
vielfach  it  nhvij^t^  to&i^  %^it6Q  usw,  ^  fUr  o  unbeloutes  v: 
¥viK,%6^.  mit  diesem  i  habe  ich  KZs.  31,  378  f  lat.  a  in  (pttütuor 
■=  niav^BQ^  pafea  :  nltPTj^tt,  sowie  das  i  von  slav,  ttm  pict,  til* 
kipti  verglichen,  und  Hirt  schliefst  sich  dieser  combinalion  an 
(s.  151)*  ferner  ist  die  doppel Torrn  deuthch  vor  vocalen,  in  fällen 
wie  gn  ßavd,  air.  ban~^  aisl.  küna  neben  skr.  gna,  air.  mnä, 
aber  in  einer  grofsen,  vielleicht  der  grüfseren  zahl  der  fälle  ist 
die  doppelform  rein  hypothetisch,  hier  zeigen  Hirts  ausruhrungeu, 
wie  es  scheint,  durch  ein  verseben,  eine  unliebsame  lücke,  in 
dem  abschnitt«  wo  er  die  Vertretung  des  idg*  touloseu  e  in  den 
einzelsprachen  behandelt  (§2611),  unterscheidet  er  hei  folgendetii 
Sonorlaut,  r»  L  ^t  n,  t,  n,  zwei  fälle,  Je  nachdem  der  sonorlau  1 
belero-  oder  tautosyllabisch  ist*  dann  wird  aber  uitter  1)  a)  — 
ö)  nur  der  erste  fall  erörtert  <,  und  wie  e  vor  ta u tosyllabi scheu ^ 
sonor  vertreten  ist,  erfahren  wir  nicht,  sondern  künneu  wir  uns 
höchstens  aus  §  24  f  und  Idg.  forsch.  7,  141  CT  notdürftig  zusammen- 
lesen, danach  wäre  die  reduciioosstufe  vor  ei,  eu,  idg.  «t,  ^u  mit 
der  Schwundstufe  idg*  i,  u  in  allen  sprachen  iu  i,  u  zusammen- 

^  hierbei  bespricht  Hirt  das  a  vor  t«  in  bt.  favi^re^  catuif  caviU&f  fa- 
vü^ae  ^egen  favett^  Öoves  usw.  und  erklärt  ThuroeyseDs  geselz  mit  der  ht- 
schriokung  für  rkKtig,  dass  es  nur  vcirtonige  i^ilben  treffe,  es  scheint  ihen 
onbekarml,  dags  rch  dieselbe  an^ichl  schon  vor  fünf  jähren  susgesprocht^^n 
habe  (VVocbens^chrift  für  cla^s,  philoU  189ä  itr  33/34  sp.  923),  eine  bfsti- 
tigung  bildel  der  von  ßiicheler  Rhdn*  mus.  52,  391  nachgewiesene  ille 
imperativ  fave  zu  fav^r^.  man  erinnere  sieb  tuebf  dass  im  russischen  i>  ia 
der  Silbe  vor  dem  lone  {hier  aber  ohne  rOcksieht  auf  benachbarte  consonantf 
lu  a  wird. 


HIRT  DER  I>DOGERMAMSCHE  ABLADT  269 

jdnati  iyiveto^  cdrati  neko^iai,  in  denen  zwei  vollslufenvocale 
aufeinanderfolgen,  erklärt  er  sämilich  Tür  unursprünglicb  und  auf 
analogischem  wege  entstanden,  ich  gebe  zu,  dass,  wer  die  von 
mir  aufgestellte  annähme  progressiver  accentwirkung  teilt,  leicht 
zu  dieser  consequenz  gedrängt  wird,  aber  bei  der  ungemeinen 
häuQgkeit  jener  bildungen  ist  diese  erklärung  eben  doch  allzu 
kühn  und  gewaltsam,  um  zu  befriedigen,  auch  die  nominalen 
o-stämme  wie  (pogog  und  die  neutralen  s-stämme  meyivog  müssen 
dann  sämtlich  unursprünglich  sein  ^ 

Im  dritten  abschnitt  werden  hauptsächlich  die  bedingungen 
für  das  auftreten  der  verschiedenen  vocalstufen  untersucht,  ab- 
weichend von  JSchmidt,  der  eine  stärkere  Verkürzung  annimmt, 
wenn  der  accent  auf  der  zweitfolgenden  silbe  ruht  (skr.  tunya- 
*vierter*  aus  ^kturtya-),  als  wenn  er  unmittelbar  folgt  {catvaras), 
behauptet  der  verf.,  dass  vor  dem  tone  Schwundstufe  steh,  dagegen 
reductionsstufe,  wenn  der  accent  auf  der  dritten  oder  vierten  silbe 
ligt.  mit  dem  gewohnten  selbstbewustsein  legt  er  seinem  gesetze 
'fundamentale  bedeutung'  bei.  wenn  man  nicht  aus  rein  laut- 
physiologischen  gründen  die  eine  oder  die  andere  annähme  vor- 
zieht, ist  es  schwer,  an  der  band  der  tatsachen  sich  zu  entscheiden. 
fälle  wie  skr.  catvaras:  turiya  oder  gr.  q^agitga  {g)aQiTQov  s.  145 
ist  hoffentlich  nur  druckfehlerl)  sprechen  gegen  H.;  er  hat  sich 
freilich  für  solche  ausnahmen  einen  ausweg  geöffnet :  im  absoluten 
oder  satzanlaut  steht  auch  unmittelbar  vor  dem  ton  reductionsstufe. 

Die  von  Mahlow,  Fick,  Möller  uaa.  vertretene  lehre,  dass  idg. 
e  in  der  silbe  nach  dem  ton  zu  o  geworden  sei,  sucht  H.  in 
einer  gewissen  beschränkung  gegen  meine  früher  erhobenen  ein- 
wände zu  halten,  ich  gebe  zu,  dass  diese  theorie  in  einer  reibe 
von  tatsachen  eine  gesunde  basis  hat,  aber  die  widersprechenden 
fälle  schienen  mir  und  scheinen  mir  noch  immer  sehr  stark  dagegen 
ins  gewicht  zu  fallen;  und  auch  H.  hat  sie  nicht  in  einleuchtender 
weise  erklärt,  wenn  man  nur  einen  teil  der  mit  e  ablautenden 
0  unter  das  gesetz  stellt,  aber  den  entsprechenden  Wechsel  zb. 
in  q)iQOfXBv :  (pigezBy  yevog:  yive{a)og  auf  andere,  unbekannte 
weise  entstanden  sein  lässt,  so  bleibt  immer  die  möghchkeit,  dass 
die  unbekannte  Ursache  auch  in  den  ersteren  fällen  gewürkt  habe. 
H..  erklärt  den  ablaut  von  e  zu  o  für  jünger  als  die  vocal- 
schwächungen;  anderenfalls  müsten  wir  ja  auch  vocalschwund 
oder  reduction  in  der  silbe  nach  dem  ton  erwarten,  aber 
der  Wechsel  von  starkem  und  schwachem  wurzelvocal  in  ßoxriQ 
:  ßwT(üQ,  öoTTiQ  (neben  öwttJq)  :  öojtwq,  -eti^Q  :  aq>^Twg  ^  wider- 

^  zu  denken  geben  da  die  doppelbetonten  ind.  Infinitive  wie  Slavdi^ 
hdntavdi. 

^  dass  im  sanskrit  däldr-^  »thätdr-  usw.  nicht  ursprönglich  sind,  son- 
dern ihr  ä  statt  i  von  datar-,  stbälar-  bezogen  liaben,  folgt  aus  savya-sßdr- 
(avest.  -Star-  im  compositum),  das  mit  seiner  doppelten  scliwächung  der 
Wurzelsilbe,  wie  sie  in  der  Zusammensetzung  regel  ist,  auf  ein  simplex. 
*$thitdr  hinweist.    • 


270  HIRT  DER  INDOGRRMANISCBE  ABLAGT 

spricht  seiner  annähme;  und  nach  wie  vor  unerklärt  bleiben 
fjiaxriQ^  (pQarriQ^  deren  lange  würzet vocale  (gegentiberdem  oxytonon 
nccTijg  =  skr.  pitä  mit  reducierter  erster  silbe)  beweisen,  dass 
ihre  paroxytonierung  alt  ist. 

Wenn  es  ein  verdienst  ist,  dass  H.,  obwohl  ein  schUler  Brug- 
manns,  in  diesen  fragen  sich  mehr  den  abweichenden  ansiebten 
JSchmidts  und  anderer  in  denselben  bahnen  wandelnder  forscher 
angeschlossen  hat,  so  hat  sich  H.  in  der  tat  durch  dieses  buch 
ein  verdienst  erworben,  wenn  auch  mehr  um  sich  als  um  andere, 
wo  er  diese  ansiebten  weiter  zu  bilden  und  zum  System  auszu- 
gestalten sucht,  sind  seine  theorien  zum  teil  erwägenswert,  aber 
auch  sehr  hypothetisch,  er  selbst  freilich  scheint  seine  arbeit 
für  abschliefsend  zu  halten  (wie  er  gelegentlich  [s.  24]  sein  buch 
über  den  idg.  accent  als  grundlegend  preist),  bofientlicb  kommen 
wir  noch  recht  viel  weiter. 

Wien.  Paul  Krbtschmbr. 

Untersuchungen  über  die  Zeitrechnung  der  alten  Germanen,  von  Gustav  Bil- 
FiNGER.  I.  Das  altnordische  jähr.  Stuttgart,  WKohlhammer,  1899. 
IV  und  100  SS.   4^  --3  m. 

Diese  abhandlung  vom  altnord.  jähr  besteht  aus  folgenden 
capileln:  1.  Der  isl.  caleuder,  2.  Der  norweg.  calender.  3.  Das 
altnord.  jähr,  4.  Norw.  mond-monate,  5.  Das  wochenjabr,  6.  Die 
osterschaltung,  7.  Ostern  und  sommerbeginn,  8.  Ergebnisse;  beige- 
fügt ist  ein  Immerwährender  jul.  calender.  der  in  betracht 
kommende  stofT  ist,  wie  man  sieht,  vernünftig  eingeteilt,  und  ref. 
kann  sofort  aussprechen,  dass  die  bebandlung  des  Stoffes  über- 
haupt besonnen  ist  und  durchweg  von  einer  gründlichen  einsiebt 
in  die  mittelalterliche  computistik  und  das  alte  calenderweseo  zeugt. 

Im  allgemeinen  wünscht  der  vf.  den  beweis  zu  liefern,  dass 
das  sogen,  altnord.  jähr  nicht  ein  urnordisches,  sondern  ganz  und 
gar  das  allgemein  christliche  jähr  sei  und  dass  auch  die  einzelnen 
besonders  wichtigen  tage  (zb.  der  erste  sommer-  und  wintertag, 
mitwinter,  mitsommer  usw.)  im  christlichen  calender  wurzeln,  so- 
weit ref.  sehen  und  urleilen  kann,  ist  die  beweisführung  im 
wesentlichen  gelungen.  B.  bat  es  klar  dargetan,  dass  das  sogen, 
altnord.  jähr,  wie  es  in  unsern  quellen  am  meisten  angedeutet 
erscheint,  eines  ziemlich  jungen  Ursprungs  ist.  die  frage  —  und 
es  ist  eine  sehr  wichtige  frage  —  bleibt  also:  wann  und  wie  ist 
der  betreffende  calender  in  Norwegen-Island  eingedrungen?  auch 
diese  frage  hat  der  vf.  zu  lösen  versucht,  aber  seine  lOsung  ist, 
wie  wir  bald  sehen  werden,  durchaus  verfehlt. 

In  den  zwei  ersten  capiteln  gibt  B.  eine  klare  beschreibung 
des  altisl.-norw.  calenders  und  der  datierungen.  bierin  ist  nur 
wenig,  was  ein  gegenständ  der  kritik  sein  wird,  es  ist  unrichtig, 
wenn  der  vf.  (s.  6)  —  nach  Weinhold  —  äufsert,  dass  'im  neuisl. 
calender  die  [alten]  monate  am  21  tag  [unserer  monate]  beginnen'. 


BILFINGCR    ZEITRECHNUNG    DER   ALTEN    GERMANEN  1  271 

wie  ein  neuisl.  almanach  zeigt,  begionen  sie  (1900)  am  18  [februar, 
juoi],  19  [jaDuar,  april,  mai],  20  [märz.  September],  21  [august], 
22  [juli],  26  [Dovember,  december]  und  27  [october];  das  jähr  1900 
hat  deu  'sumarauki';  darum  die  zahleo  26  uod  27.  dagegen 
ist  (s.  8)  die  erklärung  der  nameo  einmdnair  und  tvimdnair 
Cein  mouat  bis  sommerbeginn',  'zwei  monate  bis  winterbegiDD') 
ebenso  einfach  als  überzeugend.  B.  weist  übrigens  nach,  dass 
die  alten  Isländer  nur  nach  Jahreszeiten  und  wochen,  aber  nicht 
auch  nach  monaten  gerechnet  haben;  auch  beweist  er,  dass  das 
wort  sumarmdl  stets  den  beginn  (den  ersten  tag)  des  sommers 
bedeute,  die  unrichtige  Übersetzung  Finsens  und  die  angäbe  im 
Wörterbuche  EJönssons  beruht  einfach  auf  der  späteren  (spätisl.) 
Veränderung  im  gebrauche  des  Wortes,  im  heutigen  almanach  ist 
sumarmdl  der  beginn  der  letzten  woche  des  winters  (oder  die  letzte 
Woche),  und  dies  ist  der  heutige  Sprachgebrauch,  wann  diese  Än- 
derung eingetreten  ist,  kann  ref.  nicht  bestimmt  angeben,  im  Wörter- 
buche  GAndrjessons  und  BHalldorsons  wird  das  wort  mit  Mnitium 
aestatis'  übersetzt  ^  —  dass  eine  enge  verwantschaft  zwischen  dem 
isl.  und  norw.  calender  bestanden  habe,  dürfte  a  priori  einleuchtend 
sein,  und  der  vf.  hat  auch  diese  klar  und  unzweifelhaft  dargelegt, 
nur  eine  unwesentliche  abweichung  ist  es,  wenn  die  Norweger  den 
sommer  und  den  winter  am  14  april  resp.  14  oct.,  die  Isländer 
dagegen  an  bestimmten  Wochentagen  begannen;  der  grund  dazu 
und  der  Zusammenhang  mit  dem  christlichen  caleoder  ist  auch  in 
diesem  falle  genügend  erklärt,  interessant  ist  die  hier  gelegentlich 
nachgewiesene  Übereinstimmung  des  norw.  calenders  mit  der  Zeit- 
rechnung der  heidnischen  Lappen  (s.  27 — 28). 

Im  3  capitel  werden  die  angaben  der  sagas  über  das  altnord. 
jähr  durchmustert,  wenn  diese  quellen  richtig  unterrichtet  sind, 
muss  die  siebentägige  woche  bereits  vor  der  einführung  des 
Christentums  bestanden  haben;  aber  eine  solche  ist,  nach  der  be- 
trachtung  des  vfs.,  nicht  heidnisch-germanisch^  sondern  christlich- 
kirchlich,  eine  der  wichtigsten  stellen  in  den  altisl.  quellen  ist 
selbstverständlich  das  4  capitel  im  Isländerbucb  Ari  frodis,  welches 
über  die  'erfindung  der  sommerverlängerung' (sumarau^t)  berichtet, 
nach  dieser  erzählung  muss  die  siebentägige  woche  in  Island  vor- 
christlich sein ;  der  vf.  aber  behauptet  und  versucht  zu  beweisen, 
dass  die  angäbe  unrichtig  und  verwerflich  sei;  da  er  auch  zu 
dem  resultate  gelangt,  dass  die  Verfasser  der  sagas  überhaupt, 
wenn  sie  von  (siebentägigen)  wochen  vor  1000  sprechen,  schlecht 
unterrichtet  sind,  und  da  diese  frage  die  Zuverlässigkeit  der  sagas 
berührt,  müssen  wir  etwas  näher  auf  die  sache  hier  eingehn. 

Ari  frodi  war  nur  67  jähre  nach  der  einführung  des  Christen- 
tums   geboren;    sein    pflegevater.    Hall   im    Haukadal,   996   ge- 

^  im  ungedruckten  lexicon  Jon  Olafssons  (AM.  saiuml.)  heifst  es: 
Mnitium  aestatis,  septimana  antecedens,  vel  dies  proximus  ante  diem  Jovis, 
quo  aestas  semper  ingreditur,  et  sequens  dies  Veneris*. 


272  BILFIN6ER   ZBITRECHM0N6   DER   ALTEN   GERMANEN   I 

boren,  war  berühmt  für  seio  vorzügliches  gedächtnis;  in  den 
Jahren  1015 — 1030  war  er  auf  bandelsreisen  und  hatte  Olaf  den 
heiligen  selbst  zum  handelsgenossen.  Hall  muss  die  ganze  ge- 
schichte  Islands  von  ca.  1000  ab  genau  gekannt  haben,  gerade 
er  war  einer  der  besten  und  zuverlässigsten  gewäbrsleute  Aris. 
es  ist  also  von  vornherein  sehr  unwahrscheinlich,  dass  Ari  etwas,  was 
nach  1000  geschehen  ist,  viel  früher  angesetzt  und  an  bestimmte 
Personen  angeknüpft  habe,  aufserdem  ist  die  erzählung  von 
Thorstein  surt  und  der  erfindung  des  sumarauki  mit  Aris  eignem 
gescblecht  verbunden;  es  ist  eine  familientradition,  die  hier  vor- 
ligt.  von  dem  Osvif,  der  dabei  eine  rolle  spielt^  stammte  Are 
in  gerader  linie  (Oßvif-Gu8run-Gellir-Thorgils-An);  auch  seinen 
Vaterbruder,  Tborkel,  nennt  Ari  als  seinen  gewflhrsmann.  eine 
derartig  gestützte  tradition  kann  man  nicht  ohne  die  triftigsten 
gründe  verwerfen,  und  solche  gibt  es  hier  nicht,  denn  wenn  der 
vf.  meint,  dass  Osvif  nur  ein  knabe  war,  als  die  erfindung  ums 
jähr  960  gemacht  wurde,  und  als  solcher  keine  rolle  dabei  ge- 
spielt habe  —  wodurch  die  ganze  geschichte  sich  als  erflndung 
erweise  — ,  ist  dies  nur  eine  unbewiesene  annähme,  wir  wissen 
gar  nicht,  wann  Osvif  geboren  ist;  um  1015  ist  er  im  hohen 
alter  gestorben ;  «r  kann  also  sehr  gut  um  960  ein  dreifsigjähriger 
gewesen  sein,  und  es  hindert  also  nichts,  dass  er  die  rolle  ge- 
spielt habe,  die  Ari  ihm  beilegt. 

Was  Ari  erzählt,  ist  an  und  für  sich  sehr  glaubwürdig,  er 
berichtet,  dass  man  bemerkt  hatte,  dass  *der  «ommer  immer  mehr 
und  mehr  in  den  frühling  zurücktrat'  (Hobius;  vgl.  die  eignen 
Worte  des  vf.  s.  2),  und  dass  es  vorgeschlagen  wurde,  'jedes 
siebente  jähr  um  eine  woche'  zu  verlängern,  aber  wenn  es  Schalt- 
jahr ist,  'da  muss  man  schon  das  sechste  vermehren',  es  ist  von 
einem  jähre  von  364  tagen  (30  x  12  -f-  4  aukaniBtr)  die  rede, 
sieben  solche  jähre  +  dem  siebentägigen  sumarauki  machen 
2555  tage  aus  und  sind  sieben  julianischen  jähren  von  je  365 
tagen  gleich,  hier  ist  von  dem  ^4  tag,  um  welchen  das  jähr  länger 
ist  als  365  tage,  ganz  abgesehen,  der  vf.  versteht  nun  Aris  worte: 
ü  sjaunda  hvert  ganz  wörtlich,  aber  das  ist  augenscheinlich  un- 
richtig. B.  selbst  hat  parenthetisch  (s.  37)  den  richtigen  weg  einge- 
schlagen, wenn  er  sagt:  'man  möchte  daraus  schliefsen,  dass  das 
in  Island  ein,  wenn  auch  unrichtiger,  doch  herkömmlicher  Sprachge- 
brauch war,  ähnlich  wie  man  im  lateinischen  'septimo  quoque  anno' 
im  sinne  von  'alle  sechs  jähre  gebraucht*,  diesen  gedanken  lässt 
er  freilich  sofort  fallen,  und  doch  ist  es  der  einzig  richtige.  Aris 
worte  sind  geradeso  zu  verstehn;  im  isl.  almanach  wird  der 
sumarauki  alle  sechs,  resp.  fünf  jähre  eingesetzt;  jeder  zweifei 
wird  dadurch  gehoben.  Aris  bericht  ist  also  von  jeder  seite  voll- 
kommen glaubhaft  und  sicher  zuverlässig,  daraus  ergibt  sich  aber 
mit  unumstofslicher  gewisheit,  dass  die  siebentägige  woche  auch 
vor  der  einführung  des  Christentums  in  Island   (und  Norwegen) 


BILFINGER    ZEfTRECHi^U^G    DER   ALTEN   GERMANEN   1  273 

vorhaodeD  war.  der  einfache  schluss  ist  dann  wider,  dass  diese 
wocbe  etwas  früher  eingedrungeD  ist,  aber  wahrscheinlich  nicht 
viel  früher,  gerade  die  von  Ari  erzählte  Verwirrung  ums  jähr  960 
möchte  als  ein  beweis  dafür  gelten,  dass  es  damals  sich  um  etwas 
verhältnismäfsig  neues  bandelte,  man  möchte  annehmen,  dass 
die  einfübrung  der  wocbe  (der  christlichen  Zeitrechnung)  in  der 
ersten  bälfte  des  10  jhs.  oder  ums  jähr  900  geschehen  sei.  der  Vor- 
gang lässt  sich  sehr  leicht  erklaren. 

Die  schlussfolgeruDgen  B.s  für  die  angaben  der  sagas  und 
die  Zuverlässigkeit  ihrer  vfT.  werden  nun  ganz  hinfällig  und  die  be- 
merkung  über  Ari  s.  96  schwebt  in  der  luft;  er  ist  gerade  im 
modernen  sinne  kritisch.  —  auch  das  hilft  nichts,  wenn  der  vf. 
die  tbeorien  Vigfussons  Ober  die  Zeitrechnung  des  10  jhs.  gut- 
heifst;  denn  diese  sind  längst  als  ganz  haltlos  und  unmöglich  zu- 
rückgewiesen (MStephensen  in  Timarithinsisl.Bökmentalj61ags5)i. 

Nach  der  einfübrung  des  Christentums  wurde  der  frühere 
calender  ohne  zweifei  bald  verbessert :  zb.  dadurch,  dass  das  Schalt- 
jahr fixiert  wurde  usw.  und  so  ist  die  eigentümliche  berechnung 
der  Isländer,  die  in  der  Rimbegla  enthalten  ist,  allmählich  entstanden, 
über  diese  gibt  der  vf.  in  den  folgenden  capiteln  gründliche  und, 
soviel  ref.  sehen  kanu^  richtige,  in  einzelneu  puncten  auch  unser 
wissen  berichtigende  auskunft.    hierauf  geh  ich  nicht  näher  ein. 

Im  ganzen  kann  die  abhandlung  als  sehr  nützlich  und  klar 
den  computistikern  sowol  als  denjenigen  philologen,  die  sich  mit 
der  Zeitrechnung  wie  überhaupt  mit  fragen  der  altertumskunde 
abgeben,  warm  empfohlen  werden. 

Zum  schluss  noch  einige  bemerkungen  über  einzelheiten. 
der  vf.  braucht  vielfach  veraltete  ausgaben  der  alten  quellen,  was 
nicht  immer  gut  ist.  auch  benutzt  er  jüngere  abgeleitete  saga- 
werke, zb.  die  im  Flateybuche  befindlichen:  dies  hat  mindestens  in 
einem  falle  ein  misverständnis  verursacht,  indem  B.  das  hammer- 
zeichen (s.  30)  als  ein  zeichen  der  Streitaxt  verstanden  bat; 
hätte  er  die  richtige  quelle,  die  Heimskringla  benutzt,  würde  er  ge- 
sehen haben^  dass  das  zeichen  den  hammer  Thors  bedeutete,  die 
citate  sind  öfters  unrichtig;  so  passen  zb*  die  beiden  zahlen 
S.21  z.2  v.u.  gar  nicht,  was  s.74  über  die  namen/orra-, ^dt-5{(}^ 
vorgebracht  wird,  kann  unmöglich  richtig  sein»  nie  und  nimmer 
würden  die  priester  es  geduldet  haben,  dass  festtage  mit  dem  rein 
heidnischen  namen  blöt  eingeführt  worden  wären,  gerade  ein 
solcher  name  ist  der  beste  beweis,  dass  solche  feste  aus  dem 
heidentum  stammen.  —  wenn  B.  (s.  45)  die  beutige  communi- 
cation  zwischen  den  einzelnen  teilen  Islands  so  beschreibt,  dass 
sie  ^meistens  über  Kopenhagen  stattzufinden  pflegt',  ist  das  doch 

>  was  Vigfusson  über  die  ausdrucksweise  der  skaldeD(datierungeD) 
äufsert,  ist  auch  ohne  belang,  denn  es  ist  überhaupt  nur  ein  einziger  skalde, 
der  bestimmte  datierungen  in  seinen  gedichten  anfährt  ^  Sigvat,  der  skalde 
des  heil.  Olaf. 


274  BILFINGER   ZEITRECHNUNG    DER   ALTEN   GERMANEN   I 

Ungst  antiquiert,    nichts  ist  heutzutage  leichter  als  zh.  von  eioem 
fjord  zum  auderD  zu  kommen. 

Von  druckfehlem  notier  ich:  komskuri-rndn.  sl.  komskurbar- 
man,  (s.  7  bis),  holda  st.  holva  (s.  18  bis),  Kiardan  st.  Kiartan 
(s.  34  bis),  Nostrar-  st.  Mostrar-  (s.  35). 

Kopenhagen,  im  november  1899.  Finnür  Jönsson. 


Hamlet  in  Iceland  bein§^  the  Icelandic  romantic  Ambales  saga,  edited  and 
translated  with  extracts  from  five  Ambales  rimur.and  other  illustrative 
texts,  for  the  most  part  now  first  printed,  and  an  introductory  essay. 
by  Israel  G OLL ANCz,  M.  A.  London,  David  .Nutt,  1898.  xcvm  und 
284  ss.    8».  —  15  sh. 

Wir  erhalten  hier  eine  ausgäbe  der  Amiöda  saga,  nachdem 
vorher  schon  Jiriczek  in  den  Germanistischen  abhandlungen  xii 
(Breslau  1896)  uns  eine  ausführliche  Inhaltsangabe  geliefert  hatte. 

Der  herausgeber  hat  sich  die  arbeit  ziemlich  leicht  gemacht, 
er  druckt  eine  junge  hs.,  die  er  selbst  erworben  hat  und  die 
zu  AM  521c  stimmt,  ab.  über  die  entstehung  der  saga  hat  jetzt 
Axel  Oirik  Arkiv  f.  n.fil.  15,  360fr  überzeugend  gebandelt.  Olrik 
zeigt,  dass  die  isl.  volkserzählung  zu  gründe  gelegt,  aber  aus 
Saxos  beriebt  erweitert  worden  ist.  die  sage,  welche  der  skalde 
Snsebiorn  noch  in  einer  im  wesentlichen  mit  Saxos  erzählung 
übereinstimmenden  form  kannte,  war  auf  Island  zu  einem  derben 
schwank  geworden,  der  keine  beachtung  in  litterarischen  kreisen 
fand,  so  erklärt  sich  das  stillschweigen  über  die  sage  in  der 
isl.  litteratur  nach  Soaebiorn. 

In  der  einleitung  zu  seiner  ausgäbe  handelt  G.  über  die 
entstehung  der  Hamlelsage.  es  ist  mir  lieb,  nach  jähren  auf 
dieses  thema  wider  zurückkommen  zu  können.  G.  wendet  sich 
gegen  meinen  aufsatz  Zs.  36,  1  ff,  wo  ich  den  nachweis  versucht 
habe,  dass  die  Hamletsage  aus  der  römischen  Brutussage  ge- 
flossen sei.  ich  muss  gestehn,  dass  das,  was  G.  und  andere  vor 
ihm  gegen  meine  ausfuhrungen  vorgebracht  haben,  mich  noch 
nicht  bekehrt  hat. 

Auch  G.  kann  natürlich  nicht  leugnen,  dass  eine  beziehung 
zwischen  Saxos  beriebt  und  der  Brutusgescbichte  bestehe,  aber 
er  begnügt  sich  mit  der  annähme  einer  ursprünglich  zubilligen 
ahnlichkeit  der  sagen,  das  motiv  von  den  beiden  mit  gold  ge- 
füllten Stäben,  das  einen  solchen  zufall  ausschliefsty  soll  von  Saxo 
selbst  aus  der  Brutussage  eingeführt  worden  sein.  G.  unter- 
lässt  es  aber,  diese  möglicbkeit  wahrscheinlich  zu  machen,  denn 
von  vorn  herein  ist  es  durchaus  nicht  wahrscheinlich,  dass  ein 
gelehrter  Schriftsteller,  der  lateinisch  für  gelehrte  schreibt,  sich 
eine  derartige  scandinavisierung  einer  antiken  erzählung  erlaubte, 
zum  mindesten  müslen  andere  fälle  dieser  art  beigebracht  werden. 

Mir  scheint  sich  die  fassung  des  Stabmotivs  bei  Saxo  ungleich 
besser  zu  erklären  durch  die  beteiligung  ungelehrter  kreise^  fQr 


60LLANCZ   HAMLET    IN    ICELAND  275 

welche  Delphi  und  sein  orakel  keine  geläuGgen  Vorstellungen 
waren,  orakel  kannte  ja  auch  die  nordische  dichtung,  und  Saxo 
hätte  der  Brutussage  näher  bleiben  können,  anders  ein  unge- 
lehrter, der  sich  für  Delphi  von  vorn  herein  nicht  interessierte, 
und  nur  in  erinnerung  behielt,  dass  ihm  sein  gewährsmann  etwas 
von  zwei  mit  gold  gefüllten  hohlen  Stäben,  welche  symbolisch 
verwendet  wurden,  erzählte.  Saxo  s.  462  erzählt  die  geschichte 
von  Ivar,  der  von  könig  Hella  so  viel  land  erhält,  als  er  mit 
einer  rosshaut  bedecken  kann,  hier  machen  Gottfried  vMonmouth 
(vi  cap.  11)  und  die  Ragnarssaga  (FAS  i  288)  die  annähme  un- 
möglich, dass  Saxo  es  gewesen  sei,  der  der  Didosage  diese  fassung 
gegeben  habe. 

Es  scheimt  mir  also  ziemlich  sicher,  dass  das  stabmotiv  schon 
vor  Saxo  in  der  sage  vorhanden  war  und  das  spricht  für  meine 
annähme,  dazu  kommt  noch  der  name,  an  dessen  deutung,  wie 
ich  sie  Zs.  36  vorgetragen  habe,  ich  gleichfalls  gegen  meine  nach- 
folger  festhalten  mufs.  ganz  richtig  sagt  AOlrik  in  dem  oben 
citierten  aufsatz  ^Amledsaguet  pä  Island',  dass  das  isl.  amlöii  'tolpel' 
nicht  auf  den  namen  des  beiden  einer  fassung  der  sage  zurück- 
gehn  könne,  wie  sie  bei  Saxo  vorligt.  der  name  eines  so 
raffiniert  gescheiten  menschen,  der  sich  aus  klugheit  dumm 
stellt,  kann  niemals  zu  einem  appellativum  ^tölpel'  werden.  Olrik 
schliefst  daraus,  dass  isl.  amlöii  auf  die  isl.  fassung  der  sage 
zurilckgehn  müsse,  wo  der  held  allerdings  ein  tölpel  ist.  aber 
auch  norw.  amlod  bedeutet  '^jaek,  nar,  stymper,  en  som  ofte 
gjer  fortraed  eller  plager  folk'  (s.  Äsen  u.  Ross).  Olrik  meint 
weiter,  dass  das  dän.  amlingestikker<amledestikker(t)^udirresiTeger, 
isser  af  sädan  art,  at  andre  derved  skades  eller  have  fortrsed'  die 
dänische  sage  Sdxos  voraussetze. 

Man  sieht,  dass  norw.  amlod  beide  bedeutungen,  die  des 
isl.  amlöii  und  des  dän.  amlingestikker  in  sich  vereinigt.  Olrik 
überlegt  gar  nicht  die  möglichkeit,  dass  das  appellativum  das  ur- 
sprüngliche sein  kann,  dass  also  hier  ganz  dasselbe  Verhältnis 
vorliegen  kann,  wie  zwischen  dem  adj.  brutus  und  dem  namen. 
wenn  isl.  ama  Uo  vex,  annoy,  molest',  ami  ^veXiätion,  annoyance', 
norw.  ama  ^gnide,  irritare',  amla  *rere  idelig  ved  noget'  belegt 
sind,  so  stimmt  das  doch  aufs  beste  zu  amlingestikker  *narrestreger, 
isaer  af  sädan  art,  at  andre  derved  skades  eller  have  fortrsed',  und 
zu  norw.  amloi  ^en  som  ofte  gjor  fortrsed  eller  plager  folk'; 
da  weiter  auch  sonst  nord.  composita  mit  -öii,  wie  steinöii, 
mdlöii,  handöii  vorkommen,  so  kann  man  wol  nicht  behaupten, 
dass  '00  etymology  hitherto  advanced  by  teutonic  philologists  com- 
mends  ilself  to  serious  consideration',  und  es  ligt  gar  keine  nötigung 
dazu  vor,  zu  keltischen  Wörtern  wie  amaideac  'silly,  absurd,  foolisb, 
idiotic'  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  die  übrigens  den  ausgang  auf 
-öii  nicht  erklären  können. 

Ich  halte  also  daran  fest,  dass  amlöii  schon  ursprünglich  ein 


276  GOLLANCZ    HAMLET   IN   ICELAffD 

appellalivum  war  und  ebenso  wie  das  Dorw.  amlod  einen  bös- 
willigen narren  bezeichnete,  und  ich  kann  es  gar  nicht  sonderbar 
finden,  dass  man  das  lat.  Brutus  mit  Atnlöfi  widergab,  vielmehr 
halte  man  kaum  einen  passenderen  namen  für  eine  person  finden 
können,  für  welche  ^amlingestikker'  Charakteristik  sind. 

Was  kann  ferner  der  hinweis  G.s  auf  die  Obereinstimmang 
zwischen  der  anordnung  Saxos  und  der  des  Livius  beweisen^  dass 
nämlich  Livius  die  Brulusgeschichle  auf  buch  i  nnd  ii  verteilt 
und  Saxo  auf  buch  iii  und  iv,  wobei  nur  Saxo  iii  dem  i  buch 
des  Livius  entspricht?  ja,  wenn  sich  auch  buch  ii  des  Livius 
mit  buch  iv  Saxos  inhaltlich  deckte! 

Meiner  herleitung  der  sage  entgegen  hält  G.  an  dem  Hamlet- 
mythus  Zinzows  fest,  obwohl  er  s.  xxxvi  zugeben  muss,  dass  die 
beziehungen  zur  nord.  mythologie  gering  sind,  sie  beschi*anken 
sich  auf  Undensakre,  in  welchem  G.  den  isl.  Oddinsakr  findet,  — 
AOlriks  deutung  wird  in  der  anmerkung  abgewiesen,  ohne  dass 
ein  wort  gesagt  würde  über  die  Schwierigkeiten^  weiche  der 
gleichstellung  mit  Ödäinsakr  entgegenstehn  —  und  Ewvendillus 
BB  ÖrvandiU  (?),  welcher  name  allein  schon  ausreichen  soll,  um 
die  beziehung  zum  ÖrvandiU  der  Snorra  Edda  zu  erweisen,  auch 
das  deutsche  spielmannsgedicht  wird  hier  herangezogen,  ohne 
dass  Heinzeis  Untersuchungen  beachtung  fänden. 

Für  den  Amiethus  in  Saxos  buch  iv  construiert  G.  eine  be- 
ziehung zu  Havelok  the  Dane.  Havelok  ist  hofnarr  (jugleur),  er 
ist  ein  Däne,  er  entwickelt  sich  nachher  zum  beiden  und  wird 
könig,  er  heiratet  eine  englische  prinzessin,  wie  Amiethus  die 
Hermuthruda,  diese  hat  einen  bösen  onkel,  der  G.  an  den  bösen 
onkel  des  Amiethus  erinnert,  die  möglichkeit  einer  beziehung 
scheint  mir  allerdings  erwägenswert,  obwohl  die  Übereinstimmungen 
gering  sind,  und  auch  die  beweiskraft  der  stärksten  Übereinstimmung, 
dass  nämlich  Amiethus  wie  Havelok  die  kriegsiist  anwenden,  dass 
sie  die  toten  an  in  der  erde  eingerammten  pflöcken  aufstellen, 
beträchtlich  dadurch  abgeschwächt  wird,  dass  dieselbe  kriegsiist 
auch  von  Fridlevus  erzählt  wird,  bis  hierher  kann  man  aber 
immerhin  noch  G.  folgen,  wenn  auch  mit  vorbehalL  alles  übrige 
ist  zwar  recht  geschickt  ausgeklügelt,  aber  schwerlich  wahr. 

Das  historische  vorbild  Haveloks  war  der  wiking  Anlaf  Curan. 
in  einem  irischen  gedieht  heifst  es  nun,  dass  Niall  Glundubh  von 
Amhlaide  erschlagen  wurde,  während  sonst  Sitric  als  mörder  des 
Niall  genannt  wird,  folglich  ist  Sitric  identisch  mit  Amhlaide, 
und  dieser  name  ist  die  irische  form  von  Amlödi  (?);  Amhlaide 
muss  ein  beiname  des  Sitric  gewesen  sein,  nun  hat  Sitric  sonst 
den  beinamen  Gale  oder  Gaile.  das  darf  aber  nicht  ^krieger'  be- 
deuten, an  das  jeder  zunächst  denkt,  wegen  gal  ^tapferkeit'  und 
wegen  des  zweiten  gleichfalls  irischen  beinamens,  welchen  Sitric 
hat,  nämlich  Caoch  ^einäugig',  sondern  Gale  mus  das  nord.  galinn 
sein,  damit  Amhlaide  (Amlödi)  und  Gale  synonyma  sein  können. 


GOLLANCZ    HAMLET    IN    ICELAND  277 

ferner  isl  dieser  Silric  der  vater  des  Aolaf  Curao  (Havelok).  valer 
und  sobn  sind  also  verwechselt  worden,  so  ist  der  name  Amlethus 
erklärt,  deno  Havelok  isl  ja  das  vorbild  für  dem  Amlethus  in 
Saxos  buch  iv. 

Auch  in  der  erzählung  von  Brjäm  will  G.  irische  geschichte 
finden.  Brjäm  soll  seinen  namen  von  Brian  Borumha,  einem 
verwanlen  jenes  Sitric  und  Anlaf  Curan,  erhallen  haben. 

Von  dankenswerten  hinweisen,  welche  vielleicht  späterer 
Forschung  von  nutzen  sein  können,  erwähn  ich:  s.  Lvit  mengl. 
amla^e  oder  amlaugh  in  Wars  of  Alexander  1705:  7Aou,  Alexati" 
der  thou  ape,  thou  amlas^e  out  of  Grece;  die  Seltenheit  des 
Wortes  le^t  den  gedankeu  an  enllehnung  nahe,  aber  mit  Atxdethus 
und  amlöii  hat  es  wol  ebensowenig  etwas  zu  tun,  wie  die  auch 
anklingenden  irischen  würter:  amadän  'a  fool,  a  simplelon', 
amhlair  'a  Tool',  amaideac  *silly,  absurd,  foolish,  mad,  idiotic'. 
der  name  Ämlaudd  Gollancz  s.  lx  anm.  ist,  wie  mir  Much  mit- 
teilt, wol  componierl  aus  der  negation  an-  und  blawdd  *active, 
quick',  im  appendix  veröfientiicht  G.  eine  stelle  aus  den  Odda 
aunalar,  wo  sich  die  reihenfolge  Tarquinius,  Odinn,  Cincinnatus, 
Orvendill,  Amiödi  findet,  ein  zeugnis  dafür,  dass  man  schon  früh, 
die  ähnlichkeit  der  Brutus-  und  Amlethusgeschichte  bemerkt  hat. 

Mangel  an  kenntnis  der  einschlägigen  litteratur  verrät  sich, 
wenn  s.  xxx  die  Vermutung  geäufsert  wird,  die  Skjpldunga  saga 
habe  etwas  von  Amiödi  erzählt.  G.  kennt  also  nicht  AOlriks 
mitteilun^'  in  Aarb.  f.  nord.  oldk.  1894. 

Prag,  Januar  1900.  •  F.  Detter. 

Die  Variation  im  Heliand  und  in  der  aitsächsischen  Genesis,  von  dr  Paul 
Pachaly.  [Schriften  zur  germanischen  philologie,  hrsg.  von  dr  Max 
RoEDiGER.    IX  heft.]    Berlin,  Weidmann,  1899.  118  ss.    gr.  8^.  —  4  m. 

In  seiner  wertvollen  recension  von  Sievers  Heliandausgabe 
(Anz.  V  267  IT)  hatte  Rödiger  im  anscbluss  an  dessen  formelsamm- 
lung  darauf  hingewiesen,  dass  zur  genauem  erforschung  der  sti- 
listischen und  technischen  seite  der  spräche  des  Heliand  ua.  der 
Variation  besondre  aufmerksamkeit  zuzuwenden  sei^  und  hatte 
selber  aus  v.  1 — 2500  eine  Sammlung  von  Variationen  vorgelegt, 
deren  ergebnisse  in  eine  tabelle  gebracht  und  von  einigen  ge- 
sichtspuncten  aus  kurz  beleuchtet,  diese  so  beiläuflg  veröffent- 
lichte Zusammenstellung  forderte  —  zumal  nach  der  entdeckung 
der  Genesisbruchstücke  —  von  selber  zur  fortführung  und  Voll- 
endung auf.  eine  solche  bietet  uns,  wunderbar  genug  erst  jetzt, 
nach  20  jähren,  die  vorliegende^  in  Rödigers  Sammlung  erschie- 
nene Schrift,  die  wir  wol  auch  directer  anregung  von  seiner  seite 
zu  verdanken  haben. 

Nachdem  der  vf.  in  eine      1  ,t  (s.  2 — 4)  '        iff  uod 

begrenzuiig   der  Variation'  ei  ,  ert  er 

seine  fleifsige  und  sorgfältige  v»*      -100) 


278  PACHALT   DIE    VABIATION    IM    HKLIAND 

und  eineo  allgemeinen  teil  (s.  101 — 111).  der  erstere  enthält  in 
abschnitt  2 — 6  die  einzelnen  Variationen,  geordnet  zunächst  nach 
wortclassen  :  zuerst  die  verba  (s.  5 — 30);  dann  die  adjectiva,  ad- 
verbia  und  numeralia  zusammen  (s.  30 — 45);  endlich  die  sub- 
stantiva,  diese  wider  gesondert  in  abstracta  (s.  46 — 63),  concreta 
(s.64 — 80)  und  lebende  wesen  (s.81 — 100).  die  in  diese  gruppen 
fallenden  Variationen  ^sind  vollzählich  gesammelt',  ^die  partikeln  mit 
ausnähme  der  adverbien  ....  haben  keine  berttcksichtigung  er- 
fahren' (s.  4).  zu  bedauern  ist  vielleicht,  dass  der  vf.  auch  'von 
der  Satzvariation  [von  der  er  nur  gelegentlich  beispiele  gibt,  so 
unter  ur  203]  aus  praktischen  gründen  ....  abgesehen  hat'  (s.  3). 
an  diesem  punct  bedarf  die  sonst  wol  abschliefsende  Sammlung 
doch  noch  der  ergänzung. 

Innerhalb  der  genannten  abschnitte  sind  nun  die  einzelnen 
Variationen  in  311  nummern  untergebracht,  uzw.  nach  der  be- 
deutung  und  der  verwantschaft  der  variierten  begriffe  gruppiert 
und  in  capitel  gegliedert,  dass  diese  anordnung  etwas  missliches 
hat,  ligt  auf  der  band,  denn  über  die  einfQgung  vieler  der  va- 
riierten begriffe  in  dies  oder  jenes  capitel  werden  die  meinungen 
gar  zu  leicht  auseinandergehn,  wie  auch  der  vf.  selbst  mehrmals 
andeutet,  ich  zweifle  zb.,  dass  viele  mit  dem  vf.  die  verbal- 
begriffe tun,  gehn,  fahren,  fortweisen,  meiden,  verbergen,  geben, 
sehen,  nennen  usw.  unter  den  hauptbegriff  'Volksleben',  oder  sieh 
befinden,  vernachlässigen,  umwickeln  unter  'häusliches  und  leib- 
liches leben'  bringen  oder  dort  suchen  würden,  doch  wird  das 
auffinden  etwas  erleichtert  durch  ein  am  Schlüsse  beigefügtes 
'alphabetisches  Verzeichnis  der  Variationen'  (s.  112 — 118).  dieses 
heifst  aber  nur  so,  in  würklicbkeit  ist  es  nur  ein  Verzeichnis 
der  variierten  begriffe,  ein  würkliches  register  der  Varia- 
tionen selber  mit  nebenstehnder  angäbe  des  variierten  begriffs 
wäre  bei  weitem  nützlicher  gewesen,  will  ich  zb.  wissen,  ob  das 
in  Gen.  174  als  Variation  zu  'Gott'  gebrauchte  sigidrohtin  auch  im 
Hei.  so  verwendet  wird  —  was  nicht  der  fall  ist  — ,  so  muss 
ich  jetzt  entweder  sämtliche  70  Variationen  unter  nrSlly  viel- 
leicht auch  noch  die  230  von  nr310  durchgehn,  oder  ich  muss 
zu  andern  hilfsmitteln  greifen  und  etwa  die  in  Schmellers  glossar 
für  sigidrohtin  angeführten  stellen  selbst  nachschlagen,  ein  solches, 
innerhalb  der  grofsen  durch  die  wortclassen  usw.  gebildeten 
gruppen  alphabetisches  Verzeichnis  wäre  zwar  recht  umfangreich 
geworden,  aber  es  hätte  auch  den  ganzen  ersten  teil  in  seinem 
wesentlichen  inhall  —  der  aufführung  der  Variationen  —  über- 
flüssig gemacht  und  wäre  besser  an  seine  stelle  getreten,  als 
muster  einer  wahrhaft  praktischen  anordnung  hätte  Sievers  formel- 
sammlung  dienen  können. 

Bei  den  einzelnen  gruppen  und  nummern  wird  die  trockne 
aufzählung  der  Variationen  durch  zahlreiche  ausführungen  unter- 
brochen, die  sich  teils  über  die  form  (unten  A)|  teils  über  den 


PACHALY    DIE    VARIATION    IM    HELIAND  279 

begrifTsinbait  der  varialionen  und  die  art  ibrer  Verwendung 
(unten  B)  verbreiten,  iubalt  und  wert  dieser  erOrterungen  ist 
leider  scbwer  zu  überseben  und  zu  würdigen;  denn  sie  werden 
weder  in  dem  knappen,  nur  aus  capilelüberscbriften  bestebnden 
inballsverzeicbnis  erwähnt,  nocb  auch  in  einem  index  zusammen- 
gefassl.  folgende  Zusammenstellung  dürfte  alles  wesentlichere  ent- 
halten :  A)  asyndeton  und  polysyndeton  (nrr  20.  21.  63.  167. 
193.  207.  222);  Verbindung  durch  endi  (21.  25.  34.  63.  167. 
207),  durch  tac  (22),  durch  ac  (107),  durch  ^e  — ^6  (193),  durch 
ne  —  ne  (154.  235);  syntaktische  Subordination  (13.  63);  corre- 
spondierende  var.  in  chiastischer  Stellung  (167);  mehr-  und  viel- 
gliedrige  var.  (7.  25.  167.  226).  trennung  des  variierenden  vom 
variierten  begrilT,  Verteilung  auf  langzeilen  und  stäbe  (21.  34.  37. 
44.  185.  195.  217.  226.  258.  293.  300.  301).  B)  die  var.  ist 
erklärend  (32.  128.  195.  198.  226.  236),  schmückend  (13.226), 
steigernd  (25),  hervorhebend  (89);  sie  enthält  den  specielleru 
begrifr(128)^  den  allgemeinern  (207.  265),  ein  bendiadyoin  (245); 
stilistische  würkung  (69.  125.  130);  häufung  (63.  89.  125); 
Übertreibung  (69);  abgreuzung  gegen  blofsen  pleonasmus  (13.36. 
166),  gegen  abwechslung  im  ausdruck  (107.  130);  gründe  für 
die  häufigkeit  oder  Seltenheit  von  Variationen  bestimmter  begriffe 
(36.151.164.192.207.216.222);  var. von  fremdwörtern(29.217).— 
Diese  bemerkungen  haben  aber  nicht  nur  in  ihrer  räumlichen 
Zerstreuung  über  ruud  100  seilen,  sondern,  was  noch  mehr  zu 
bedauern  ist,  auch  sachlich  gar  zu  sehr  den  Charakter  des  ge- 
legentlichen und  beiläufigen,  so  vielseitig  die  gesichtspuncte  sind, 
von  denen  aus  der  vf.  die  Variation  beleuchtet,  so  wenig  er- 
schöpfend sind  die  ausführungen,  die  er  würklich  bietet;  ab- 
schliefsende  ergebnisse  sind  daher  in  bezug  auf  all  diese  dinge 
kaum  gewonnen,  er  hat  ihnen  auch  oß'enbar  geringere  bedeutung 
beigelegt  im  vergleich  zu  zwei  andern,  oben  nicht  mit  aufge- 
führten puncten,  über  die  er  sich  in  Jenen  verstreuten  be- 
merkungen ebenfalls  verbreitet,  denen  allein  er  aber  im  ii  (all- 
gemeinen) teil  zusammenfassende  erörterungen  widmet,  eh  ich 
mich  zu  diesen  wende,  mOcht  ich  im  einzelnen  noch  folgendes 
anmerken  :  der  behauptung  des  vf.s  zu  nr  170  (s.  45)  ist  zu  wider- 
sprechen, in  Hei.  5017  steht  das  adj.  uutrrft^  mit  dem  satz  that 
ik  .  ,  .  nicht  im  Verhältnis  der  Variation,  vielmehr  nur  under  thine 
gesidos  zu  under  thine  iungaron;  ebensowenig  ist  in  Hei.  5242 
der  satz  mit  ef  var.  zu  dem  adj.  uuerd.  beide  ßllle  sind  unrichtig 
eingereiht,  in  Hei.  5971  und  Gen.  301  kann  ich  keine  Variation 
sehen  (s.  10);  da  die  salze  mit  antat,  huntat  'das  ziel  der  be- 
wegung  hinzufügen',  sind  sie  nicht  ^überflüssig'.  .  .  damit  fallen 
zwei  der  beispiele  für  die  ^spärlich  verwendete  Subordination  der 
var.'  fort,  und  es  entsteht  die  frage,  ob  eine  solche  form  überhaupt 
anzusetzen  ist.  auch  das  einzige  übrige  beispiel,  das  ich  dafür 
angeführt  finde.  Hei.  761,  ist  mir  nicht  ganz  zweifellos,    übrigens 


280  PAGHALT   DIE   VARUTIOIÜ    IM   HELIAND 

Wären  sowol  Hei.  761  als  Hei.  5971  und  Gen.  301  beispiele  für 
Satzvariation,  die  sonst  von  der  Sammlung  ausgeschlossen  sind, 
der  vf.  schwankt,  ob  er  in  Hei.  5478  (in  nr  107)  var.  annehmen 
soll,  und  entscheidet  sich  dafür,  weder  diese  entscheidung  noch 
ihre  begründung  hall  ich  für  richtig,  (schon  die  Verbindung 
durch  ac  macht  mich  stutzig,  gibt  es  überhaupt  zweifellose  Üüe 
der  var.  mit  adversativer  Verbindung?  es  scheint  das  dem 
begriff  der  var.  zu  widerstreiten,  ich  habe  mir  keine  angemerkt; 
auf  solche  fragen  sollte  man  bestimmte  auskunfl  in  dieser  schrift 
finden;  leider  fehlt  der  für  solche  zwecke  unentbehrliche  index.) 
mir  will  überhaupt  scheinen,  als  ob  der  vf.  den  begriff  der  var. 
nicht  scharf  genug  umschrieben,  ihn  Öfters  zu  weit  gefassl  hat. 
ist  denn  fluhtik  scalt  thu  thoh  endi  fredig  forduuardas  nu 
libbean  ....  Gen.  75  oder  Oft  sculun  gi  .  . .  .  bediu  gethologean 
ge  hose  ge  harmquidi  Hei.  1896  würklich  ^Variation'?  auch  in 
hluttar  endi  hreni  corn;  fduttar,  hreni  com  würde  ich  schwerlich 
var.  sehen,  wie  es  der  vf.  (nr  166)  tut  im  gegensatz  zu  hbtitar 
hrencomi,  das  er  mit  recht  nicht  als  var.  ansetzt,  freilieb  ist  die 
abgrenzuug  gegen  nahverwante  stilistische  formen  schwierig  und 
kaum  überall  mit  Sicherheit  durchzuführen,  anderseits  seh  ich 
keinen  grund,  mit  dem  vf.  die  formein  in  nr  36  spramn  angegin 
endi  fragodun;  habda  eft  is  uuord  garu  endi  sprac  auszuscheiden, 
in  denen  ich  vielmehr  typische  var.  (mitunter  allerdings  in  salz- 
i'orm)  sehen  möchte,  von  einer  bestimmten  var.  zu  sagen  ^  dass 
sie  Mogisch'  (nr  185)  oder  ^sachlich  überflüssig*  sei,  ist  ganz  schief: 
das  gehört  doch  wesentlich  zum  begriff  der  Variation  I  —  nicht 
wenige  erörterungen  dieses  teils  gehören  nicht  zur  sache  (zb.  vor 
nr  120.  in  nr  109.  168.  170.  171.  173.  184.  194.  225.  250. 
253.  269.  285,  wo  besonders  der  schluss  recht  unangebracht 
ist  —  286.  307)  und  bringen  im  übrigen  kaum  etwas  neues; 
das  meiste  ist  vielmehr  ^sattsam  bekanntes'  (so  sagt  der  vf.  selbst 
einmal  s.  93),  das  er  etwas  wortreich  ausführt,  wertvoller  ist 
darunter  nur,  was  P.  gelegentlich  über  lexikalische  Verschie- 
denheiten von  Hei.  und  Gen.  anmerkt,  vgl.  zu  309  Ober  Änii" 
krist,  zu  236  über  middilgard.  irrig  ist  die  bemerkung  zu 
sudairliudi  (s.  89),  worüber  vgl.  Piper  zu  v.  3036  seiner  ausgäbe, 
vermisst  hab  ich  die  allgemein  durchzuführende  feststellung  :  1)  des 
formalen  Unterschieds,  den  der  vf.  nur  gelegentlich  berührt 
(s.  56.  82)  :  ob  und  in  wie  weit  die  var.  syntaktisch  dem  vari- 
ierten Worte,  Salzglied,  salze  genau  entspricht,  sodass  voller  oder 
annähernder  parallelismus  der  beiden  glieder  entsteht  —  was  der 
vf.  s.  82  zu  Hei.  3224  als  die  regel  (?)  bezeichnet  — ,  oder  ob 
sie  nur  begrifflich  variiert  in  wesentlich  abweichender  syntaküscber 
form;  2)  der  doppelvariation,  zb.  Uel.  2005  Uuerod*^  blidode^ 
uuarun  tkar  an  luston*  liudi^  atsamne,  gumon^  gladmo^ 
die\  das  in  nr  167  gegebene  beispiel  ^correspondierender  Varia- 
tionen* ist  andrer  art^  sie  stehn  innerhalb  desselben  Satzgliedes.  — 


PACHALT    DIE    VARIATION    IM   HBLIAND  281 

Im  II  (allgemeiueu)  teil  erörtert  der  vf.  im  zusammeohang 
erstens  die  relative  häufigkeit  der  variationeo  und  zweiteos  die 
abereiostimmuDgen  und  abweichuDgen  in  ihrem  gebrauch  in  Hei. 
und  Gen.  im  1  abschnitt  dieses  teils  werden  sämtliche  variierten 
begrifTe,  mit  angäbe  der  zahl  ihrer  var.  und  nach  der  häuügkeit 
dieser  geordnet,  nochmals  aufgeführt,  das  ergebnis  ist  zu  gering, 
um  diese  ausfUhrlichkeit  zu  rechtfertigen,  die  Zusammenstellung 
der  schon  im  i  teil  erwähnten  wenigen  begriffe,  bei  denen  var. 
auffallend  häufig  oder  selten  auftreten,  hätte  genügt,  der  2  ab- 
schnitt ist  wichtiger,  er  gibt  eine  tabellarische  Übersicht  über 
die  gesamtzahl  der  var.,  das  Verhältnis  dieser  zahl  zu  der  der  va- 
riierten begriffe,  die  zahl  der  einmaligen  und  der  mehrmaligen 
var.  und  ihr  Verhältnis  zu  einander,  alles  getrennt  für  Hei.  und 
Gen.,  sodass  sich  leicht  eine  vergleichuug  beider  denkmäler  an- 
stellen lässt.  diese  führt  zu  dem  interessantesten  puncte  der  er- 
örterungen  :  der  verfasserfrage,  ihr  ist  der  letzte  abschnitt  ge- 
widmet in  ausführlicher  beleuchtung  aller  beobachteten  stilistischen 
und  lexikalischen  Verschiedenheiten  im  gebrauch  der  var.  des 
vf.s  vorsichtig  abwägende  beurteilung  der  tragweite  von  Überein- 
stimmungen und  abweichungen  im  einzelnen  verdient  alles  lob 
und  kann  auf  allseitige  Zustimmung  rechnen,  doch  scheint  mir 
sein  zusammenfassendes,  rein  negatives  urteil  :  *mehr  lässt  sich 
nicht  folgern,  als  dass  die  Verwendung  der  Variation  in  beiden 
werken  nicht  gegen  eine  einheitliche  autorschaft  zeugt'  (s.  108), 
doch  gar  zu  vorsichtig,  oder  vielmehr  unrichtig  gefasst.  es  be- 
findet sich  auch  in  offenbarem  Widerspruch  sowol  mit  der  so 
überaus  häufig  bei  den  einzelnen  nummern  widerkebrenden  be- 
tonung  von  nichtübereiustimmung,  ja  mitunter  von  auffallender 
abweichung  (vgl.  ur  10.  86.  96.  167),  als  mit  des  vf.s  eignen 
Schlussbemerkungen  (s.  111)  :  ^mithin  ist  die  Verschiedenheit  im 
einzelnen  weit  grOfser  als  die  ähnlichkeit.  jene  greift  in  die 
tiefe,  diese  haftet  an  der  Oberfläche,  keine  der  vielen  Variationen 
zwingt  zu  erklären,  so  habe  nur  ein  und  derselbe  dichter  schreiben 
können,  folglich  ist  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  Gen.  von  einer 
andern  person  stammt  als  Hei.,  entschieden  gröfser  als  die  des 
....  gegenteils'.  wir  haben  also  vielmehr  ein  positives  er- 
gebnis :  die  Übereinstimmung  ist  nur  genereller  art  und  beweist 
nur  eine  einheit  des  Stils,  wie  sie  bei  zwei  werken  fast  gleichen 
Stoffes,  die  derselben  dichtungsgattung,  derselben  periode  und 
mundart  angehören,  vorauszusetzen  war.  die  abweichungen  sind 
dagegen  zum  teil  individueller  art,  und  wenn  sie  auch  nicht  zu 
einem  schlagenden  beweise  ausreichen,  so  berechtigen  sie  doch 
den  vf.  —  ich  stimm  ihm  darin  durchaus  bei  —  zu  der  be^ 
hauptung^der  Wahrscheinlichkeit,  dass  wir  es  mit  zwei 
personen  zu  tun  haben'  (s.  111). 

Colmar  i.  E.,  november  1899.  John  Ries. 


A.  F.  D.  A.  XXVI.  19 


2S2       ST£1FP    rTESCBTCElTIJCBE    IJEOEB    U5D    Sl^RÜCBE    WGBTTEMBEBGS 


Ceschrclitlithe  liedcr  und  sprflcbe  Wörltemberfs,  im  auftrage  der  wüfttcm* 
bergiichen  comirtisäion  für  landesigeschichte  fesaniufielt  und  hpraii§> 
gffcbeo  von  prof.  dr  Karl  Steiff«  1  iiefcrung,  Stuttgart ,  WKohU 
hanimer,  18U9.    160  as,   gr.  h^,  —  1  lu. 

Die  bis  je(zl  grundlegeude  saDimluog  der  geschichUicli^a 
voJfeslieUer  von  RvLilieocron  scblirfst  mil  dem  jähre  1554*  eine 
neue  ausgäbe,  rlie  für  die  Monunienta  GermaDiae  vorbereitet  wird, 
muss  sieb  sogar  auf  die  zeit  tvis  1500  besdiraoken.  iu  der  f^pä- 
tern  zeit  wird  die  meoge  des  vorhandeneu  so  ungeheuer  uud  ua- 
übersehbar,  dass  eine  vollsländige  gesamtausgabe  eine  bare  uu- 
möglichkeit  wäre;  hier  mÜsseD  leileditionen  eintreten^  wie  sie  ja 
für  eiozetne  zeilabschniUe  bereits  vod  Ditfurlh  uaa.  geliefert  simP. 
als  eine  willkommne  ergäozuDg  treten  zu  dieseti  die  Sammlungen 
für  einzelne  landschaften;  sie  babeo^  abgesehen  von  der  möglich^ 
Iteit,  die  ganze  geschichte  des  betreffenden  gebieles  zu  umfassen, 
und  von  dem  inteosiveren  Interesse,  auf  das  sie  innerbalb  diese« 
gebiets  rechnen  kÖDoen,  noch  den  vorteil,  dass  der  herausgeber 
die  sprachliche  und  historische  behandluBg  und  erläuteruug  gründ- 
licher und  ToUsiändiger  erledigen  kano,  als  dies  bei  ausdehnung 
seiner  aufgäbe  auf  sämtJiche  deutschen  mundarten  und  landesteile 
möglich  wijre*  von  einer  solchen  Sammlung  für  WUrltemberg  Hgi 
hier  die  1  Lieferung  vor,  die  sich  aut  den  ersten  blick  als  eine 
tüchtige,  mit  grofser  uuisicht  und  aactikennlnis  ausgeführte  leislung 
erweist,  zu  einem  ähnlichen  werke  für  Baiern  wird  in  München 
gesammelt,  es  wäre  zu  wünschen,  dass  auch  andre  gebiete  diesem 
Beispiele  folgen* 

Württemberg  ist  kein  besonders  ergiebiger  boden  :  die  histo- 
rische dichtuug  setzt  hier  später  ein  als  in  den  meisten  deutschen 
gauen  —  die  erste  nr  der  vorliegendeu  Sammlung  datiert  von 
1423  —  und  liefert  bis  zum  ausging  des  mittelallers  nur  we- 
nige, vereinzelte  proben,  von  dem  reichtum  an  derartigen  pro- 
ducten,  wie  ihn  uamentlich  die  benachbarte  Schweiz^  demnächst 
die  mittel-  und  uiederrheinischen  gaue,  und,  wenn  wir  die  meister- 
singer  und  sprucfadictiter  mitzählen,  auch  Osterreich  aufweist,  ist 
hier  keine  rede,  erst  unter  der  wechselreichen  regierung  herzog 
Ulrichs  beginnt  der  ström  historischer  dichtung  voller  zu  Diefsen* 
so  sind  hier  dem  ganzen  mittelalter  (bis  1500)  nur  74  ss.  ge- 
widmet; sie  enthatten  26  nucnmern,  von  denen  mehrere  nur  aus 
kurzen  Sprüchen  von  4,  selbst  von  2  leilen  besteh n<  immerhin 
erhält  unsre  kenntnis  hier  wertvollen  Zuwachs,  denn  von  den 
21  nummern  stehn  nur  8  (U  9.  10.  IL  13-  17,  19.  20)  bei 
LiliencroUf  S  andre  waren  sonst  schon  yeröCfentlicht  (2.  5.  6.  7, 
8  —  dies  an  sehr  abgelegner  stelle  —  18.  21,  dazu  von  12  diu 
fassungen  a  und  d)^  die  übrigen  waren  bisher  ungedruckt  und 
meist  auch  unbekannt  (3*  4,  12  b/c*  14.  15*  16).  von  den  21 
stucken  aus  dem  16  Jh.,  die  diese  lieferung  bringt,  waren  14  bei 
LiliencroDt    3  andre  (28*  24.  3S)    sonst  gedruckt,    wahrend  die 


STEIFF    GESCHICHTLICHE    LIEDER    UND    SPRÜCHE    WÜRTTEMBERGS       283 

nummern  22.  25.  33.  37,  dazu  die  Fassungen  b  und  e  von  35 
hier  zum  ersten  mal  aus  den  hss.  mitgeteilt  sind,  was  die  innre 
auswahl  betrifTt,  so  hat  SleifT  im  allgemeinen  dasselbe  princip 
festgehalten  wie  Liliencron  :  er  beschränkt  sich  auf  volkstümliche 
und  auf  zeitgenössische  dichtungen.  ausgeschlossen  sind  daher 
späte  reimereien,  wie  das  schon  von  Liliencron  (i  s.  xxxvii)  ver- 
worfene gedieht  auf  die  Schlacht  bei  Weil  der  Stadt  1388  :  Im 
Würltemberger  Land  ligt  ein  kleine  Statt  (mehrere  der  art,  die 
vielleicht  aus  dem  16  jh.  stammen,  enthält  eine  hs.  des  Schlosses 
Zeil,  zb.  'Von  Ursprung  und  anfenge  Premonslrater  ordens*  1120), 
ausgeschlossen  ferner  kunst-  und  gelehrte  dichtungen,  wie  die 
totenklage  Bucheins  um  den  Calwer  (MSH  ii  97),  die  Strophen  des 
Marners,  Sigehers  und  des  von  Wengen  an  und  auf  Konradin, 
Johann  vDalbergs  gedieht  auf  einen  besuch  Friedrichs  in  in  Maul- 
bronn (1473,  s.  Mone  Quellensamml.  in)  oder  des  Ulmer  lese- 
meisters  Felix  Fabri  beschreibung  seiner  reise  nach  Jerusalem 
(1483),  die  ja  kaum  noch  als  historische  dichtung  gezählt  werden 
kann,  eine  andre  Schwierigkeit  ligt  in  der  localen  abgrenzung. 
hier  zwangen  äufsere  umstände  den  vf.,  sich  in  den  grenzen  des 
kOnigr.  Württemberg  zu  halten,  die  für  die  zeit  der  lieder  selbst 
noch  keine  bedeulung  hatten,  ein  andres  bedenken  lag  in  dem 
umstände,  dass  viele  lieder  sich  auf  ereignisse  beziehen,  bei  denen 
die  beteiligten  personen,  geschlechter,  slädte  nur  teilweise,  viel- 
leicht nur  zum  kleinsten  teile,  nach  Württemberg  gehören,  wie 
auf  den  pfälzischen  krieg  von  1462,  oder  den  vielbesungenen 
Schwabenkrieg  von  1499.  hier  hat  sich  der  vf.  auf  mitteilung 
des  wichtigsten  beschränkt,  man  wird  auch  dieses  verfahren  nur 
billigen  können,  zumal  da  das  fehlende  durchweg  bei  Liliencron 
zu  finden  ist.  dank  dieser  weisen  Ökonomie  glaubt  der  vf.  seine 
Sammlung  in  5  lieferungen  bis  in  die  neuere  zeit  herabführen 
zu  können. 

Stücke,  die  man  mit  recht  vermissen  könnte,  sind  mir  nicht 
bekannt,  ebenso  ist  die  hsl.  Überlieferung  und  die  bisherige 
lilleralur  gewissenhaft  ausgenutzt,  bei  nr  2  ist  dem  hsg.  die  äl- 
teste quelle  entgangen  :  der  spruch  (auf  die  Zerstörung  von  Hohen- 
zollern)  steht  bereits,  wenn  auch  entstellt,  in  der  Augsburger 
Chronik  von  Erhard  Wahraus  (verf.  1443 — 45),  s.  Chron.  d.  d. 
Städte  IV  232,  22(1.  dieselbe  quelle  enthält  auch  (s.  221,  8  ff)  den 
allem  Spruch  auf  das  erdbeben  zu  Basel  1356,  der  die  vorläge 
des  erstem  gewesen  zu  sein  scheint  und  daher  hätte  erwähnt 
werden  sollen,  es  ist  zu  beachten,  dass  au  beiden  stellen  ^ein 
ringg  mit  ierem  doren^  steht;  das  fem.  des  Wortes  *ring'  in  dieser 
Verwendung  ist  also  gesichert:  es  handelt  sich  hier  gar  nicht  um 
das  mhd.  nhd.  rinc,  ring  'anulus',  sondern  um  mhd.  dm  rinke^ 
ringge  *fibula'  (Lexer  ii  451),  vgl.  zb.  pseudo-Neidhart  bei  Haupt 
XLv  35  glesin  ist  diu  rinke,  von  kupfer  ist  der  dorn  (die  zunge 
der  schnalle),    danach  ist  auch  die  deutung  des  bildlichen  chrono« 

19» 


284       STEIFF    GESCHICHTLICHE   LIEDER   UND    8PR6cBB  WÜRTTE11BBB68 

gramms  zu  modificiereD.  vgl.  auch  DWb.  8,1257  8.v.  rosseisen,  — 
zu  nr  12  d  steht  eine  weitere  fassuug  in  Hones  Auz.n.f.  13, 140,27. 

In  der  behandiung  des  textes  und  den  beigaben  schliefst  sich 
SteifT  ganz  an  Liliencron  an;  für  ausgaben,  die  auf  ein  weiteres 
publicum  berechnet  sind,  wüst  ich  in  der  tat  keine  zweckmafsigere 
cinrichtung.  die  geschichtlichen  Untersuchungen  nachzuprüfen, 
bin  ich  jetzt  nicht  im  stände,  jedesfalls  machen  die  darlegungen 
des  vf.s  einen  durchaus  soliden  und  verlässlichen  eindruck;  man 
kann  ihnen  um  so  eher  vertrauen  schenken,  als  er  an  den  aus- 
führlichen geschichtswerken  von  Stalin  und  Fleyd  ja  ausgezeichnete 
vorarbeiten  hatte,  mit  grofsem  Scharfsinn  und  geschick  bemüht 
er  sich,  den  oft  sehr  unbestimmten  angaben  der  gedichte  anhalts- 
puncte  für  genauere  datierung  und  bestimmung  abzugewinnen; 
auch  hier  sind  seine  ausfübrungen  überall  einleuchtend,  wenn 
auch  nicht  durchweg  überzeugend,  und  bedeuten  mehrfach  einen 
wesentlichen  fortschritt  gegenüber  seinen  Vorgängern. 

Um  ein  urteil  über  die  Zuverlässigkeit  der  textbehandlung 
zu  gewinnen,  hab  ich  nr  1  mit  der  handschrift  verglichen,  hier 
erwies  sich  der  erste  druck  von  Lassberg  (*Ein  schön  alt  lied  von 
grave  Fritz  vZolre'  1842j,  trotz  der  genauen  widergabe  der  hsl. 
Schreibweise,  im  einzelnen  doch  recht  ungenau,  die  ärgsten  fehler 
verzeichnet  Steiff  s.  13;  von  diesen  fünf  sind  Übrigens  zwei  bei 
Lassberg  s.  31  f.  als  conjectur  gekennzeichnet,  aber  auch  sonst 
fehlt  es  nicht  an  nachlässigkeiten;  namentlich  ist  das  Überge- 
schriebene V  oft  verlesen,  ganz  correct  ist  allerdings  auch  SteifTs 
lesung  nicht,  so  hat  auch  er  wie  alle  frühern  drucke  in  v.  63 
mderftritent,  obwol  in  der  hs.  deutlich  wid^feiUet  steht,  was 
einem  übrigens  hier  ganz  von  selbst  als  conjectur  in  die  feder 
kommen  würde,  auch  wenn  es  nicht  überliefert  wäre,  von  weitern 
versehen  notier  ich:  fchnell  es  21  '^  fcknelks  der  hs., /cAirirIfeA 
161  «=s  fchwarlick,  müsz  171  »-  musz,  weüent  194  »>  wSütent, 
hand  239  —  hand,  mt  294  =  Tott,  foüent  312  —  fSUtet, 
V.  375  ist  fich  ausgelassen,  der  sinn  ist  also  nicht  *sie  warte- 
ten', sondern  'sie  wehrten  sich',  v.  417  enthält  die  hs.  die 
zweimal,  manchmal  sind  fehler  der  hs.  stillschweigend  ge- 
bessert, wie  ftümens  221,  enbot  330.  kleine  orthographische  un- 
genauigkeiten,  wie  vertauschungen  von  ti  und  ü  oder  von  -end 
und  -ent  in  den  pluralformen  des  verbs,  werden  niemand  stören, 
doch  hätte  zb.  ü  in  nrszlingen  beibehalten  werden  sollen,  wenn 
der  ort  jetzt  IrsUngen  heifst.  ebenso  hätte  das  lautgeschichtlich 
interessante  dar  (nom.  sg.  masc.  des  art)  in  nr  17  v.  38  nicht 
in  der  geändert  zu  werden  brauchen. 

Am  ehesten  bietet  die  sprachliche  erläuterung  zu  bedenken 
«nlass.  es  entspricht  dem  eioterischen  Charakter  des  bucbes,  dass 
alles,  was  dem  nicht  germanistisch  gebildeten  leser  nicht  ohne 
weiteres  verständlich  ist,  auch  die  elementarsten  puncte  der  mhd. 
spräche,  erklärt  wird,     weit  entfernt,  dies  zu  tadeln,  möcbt  ich 


STEIFF    GESCHICHTLICHE    LIEDER    UND    SPRÜCHE    WÜRTTEMBERGS      285 

vielmehr  wünschen,  tlass  der  verf.  hier  an  einigen  stellen  noch 
weiter  gegangen  wäre,  besonders  wo  die  lautgleichheit  eines  Wortes 
mit  der  jetzigen  spräche  dem  laien  leicht  einen  falschen  sinn 
suggerieren  könnte,  zh.  nr  16,  v.  30  villeicht,  v.  47  zwar;  oder 
nr  7,  182  belangen;  in  nr  19:  7,  4  weist,  17,  5  gegofsen^  21,  8 
rank,  dass  sehr  viele  stellen  dunkel  bleiben,  wird  man  dem 
hsg.  nicht  zum  Vorwurf  machen.  —  ich  stelle  zum  schluss  einiges 
zusammen,  was  mir  beim  durchlesen  der  altern  lieder  (bis  1500) 
aufgefallen  ist;  es  betrifTt  teils  ungenaue  oder  (nach  meiner  meinung) 
unrichtige  erklärungen,  teils  nahehegende  änderungen.  nr  1,  v.  44 : 
das  was  den  von  Routwil  als  mär.  St.  erklärt :  'mär:  der  rede 
wert,  nicht  gleichgültig*,  aber  alse  mcere  bedeutet  sonst  im  mhd. 
stets  das  umgekehrte  (^ebenso  lieb',  näml.  wie  das  gegenteil,  dh. 
*einerlei,  gleichgültig'),  man  wird  also  auch  hier  übersetzen 
müssen :  'die  Rottweiler  liefsen  sich  dadurch  nicht  irren,  anfechten'. 

—  V.  69  verrichtet,  'stellte  zufrieden',  besser  *  versöhnte'.  —  v.  120 
Schmach  'unedel',  besser  'verachtet*.  —  v.  222:  unser  frowen  tag 
ohne  Zusatz  ist  nach  Grotefend  Taschenb.  der  Zeitrechnung  s.  38 
in  deutschen  quellen  stets  der  15  aug.  —  v.  239:  hand  si  es  denn 
in  selber  angetragen  bedeutet  wol  'sich  selbst  zugezogen'.  — 
V.  397:  räch  =  rohe  f.  *sisügb\  —  v.  426:    enborn   'vermieden'. 

—  nr  3,  17,  2:  er  sank  von  onmacht  in  ein  ort,  in  eine  ecke? 
(was  St.  übersetzt,  müste  doch  in  onmacht  heifsen).  —  nr  4, 
12,  6:  spiel  gond  'ihr  spielt'  im  eigentlichen  sinne,  nach  ausweis 
von  Str.  13,  1.  —  19,  7:  ob  irs  dunt  mer,  natürlich  nicht  ^ob 
auch*,  sondern  'wenn'.  —  nr  5,  3,  6:  maniger,  der  sie  nie  hat 
gedacht,  1.  sin?  —  4,8:  gelon  kann  jedesfalls  nicht  in  gelönt 
geändert  werden,  da  es  auf  3,  8  und  5,  8  reimt,  was  es  heifst, 
versteh  ich  freilich  auch  nicht,  könnte  es  zu  läzen  'zur  ader 
lassen'  gehören  ?  freilich  weifs  ich  hierfür  weder  die  contrahierte 
form  noch  den  metaphorischen  gebrauch  zu  belegen.  —  15,  4: 
es  sol  auch  dann  nit  sein,  I.  euch?  —  26,  6:  zeit  als  neutrum 
ist  durchaus  unanstöfsig.  —  nr  6,  1,5:  &ti^  ist  eher  präs. 
(=  biutet)  als  prät.,  welches  gew.  bot  lautet.  —  nr  7,  165:  in 
gotes  namen  sprakens  an,  1.  spranktens?  —  172  1.  scl^g.  —  nr  10, 
16,  7:  und  welcher  nimmer  darnach  geit.  St.s  erklärung  'geit:  ja 
sagt,  sich  für  besiegt  erklärt'  versteh  ich  nicht,  es  heifst  wol: 
'wer  in  Zukunft  je  danach  geizt,  begierig  ist'.  —  nr  13,  13,  1. 
über  einem  genäden  'von  ihm  abschied  nehmen'  vgl.  Schm.'  1 1726. 
Frisch  i  359''  'gnaden,  v.  für  :  gottes  gnade  empfehlen,  salutare, 
valedicere'.  sie  kamen  zusammen,  gnadeten  einander,  und  zogen 
wieder  ab.  Stumpf  Helv.chr.  fol.  673*.  er  wände  sich  auf  dem 
richtplatz  gegen  die  Stadt,  gesegnet  und  gnadet  dieselbe.  Stettier 
Annal.  Helv.  p.3ir.  —  nr  16.  14:  so  schanten  sie  gar  pillich  got, 
I.  schaute.  —  v.  22,  anm.  1.  'bewenden'.  —  v.  57  unklar  ist  mir, 
was  St.  mit  befeien  will;  der  verlangte  sinn  könnte  doch  nie  aus 
dem  Verse  herausgebracht  werden,  während  das  überlieferte  ganz 


286       STEIFF   GESCHICHTLICHE   LIEDER    DI«D    SPBÖCHB   WDRTTEIICERGS 

verstäDdlich  und  unbedenklich  ist.  —  nr  17,22:  ah  di  fürten 
halten  stat  wird  erkläre  ^wie  die  fürsteo  statthaUen  oder  regieren', 
aber  'stat  halten  bedeutet  doch  nur  ^jemandes  stelle  vertreten', 
ich  lese  daher:  halten  stät  {:  rät),  stät  als  ^stand,  lebensweise, 
würde'  ist  nach  Weigand  ii  780  schon  1420  (im  sinne  von  'auf- 
wand, prunk'  allerdings  erst  1711)  belegt,  vgl.  auch  fürsten- 
stat  'gubernalio,  regimen,  ductus  et  ratio  principis'  Stieler  2114. 

—  V.  67  f:  ah  solt  kunig  Maximilian  sein  wol  nit  recht  erlanget 
han.  anstatt  des  so  seltenen  und  vieldeutigen  wuol  Hhron'  mOcht 
ich  in  wol  eher  wal  'wähl'  vernnuten,  vgl.  auch  v.  64.  —  nr  19, 
4,  8 :  toend  si  darvon  nit  lan  heifst  natürlich  *  wollen  sie  davon 
nicht  ablassen',  wie  St.  dazu  kommt,  hier  ^wend:  wenn'  zu  er- 
klären, wahrend  er  unmittelbar  vorher  ^wend:  wollen'  schreibt,  ist 
mir  unbegreiflich,     auch  mUst  es   dann   unbedingt  land  heifsen. 

—  19,  19,  7:  ir  toerint  sust  wol  zwüren  ah  vil  erschlagen  gsin 
hat  St.  sonderbar  misverstanden.  zwüren  ist  nichts  anders  als  das 
so  gewöhnliche  zwirn  'zweimal'.  —  nr  20,  9^  3:  du  tust  dich  wol 
erkenjien  versteh  ich  lieber  'du  machst  dich  wol  bekannt'. 

Diese  kleinen  ausstellungen  sollen  die  anerkennung  nicht  ver- 
decken, dass  hier  im  allgemeinen  eine  tüchtige,  ausgezeichnete 
arbeit  vorligt.  wie  alle  verOlTentlichungen  der  Württembergischen 
commission  zeichnet  sie  sich  durch  saubere  ausslattung  und 
einen  ungewOnlich  niedrigen  preis  aus.  indem  ich  mir  vorbehalte, 
nach  Vollendung  des  ganzen  darauf  zurückzukommen,  wünsch  ich 
ihr  die  weiteste  Verbreitung  in  und  aufserhalb  der  fachkreise,  die 
sie  durchaus  verdient. 

Götlingen.  H.  Meter. 

Theobald  Hock,  Schoenes  Blumenfeld.  abdruck  der  ausgäbe  von  1601. 
herausgegeben  von  Max  Koch.  [«=>  Neudrucke  deutscher  litteratur- 
werke  des  xvi  und  xvii  Jahrhunderts,  nr  157—159.]  Halle  a.  S.,  Nie- 
meyer, 1899.    Lxii  und  144  ss.  8®.  —  1,80  m. 

Seit  Jahrzehnten,  besonders  seit  dem  erscheinen  des  bekannten 
ilöpfnerschen  programms,  spielt  in  der  geschichte  der  litteratur 
und  metrik  Theobald  Hock  (Eiock)  eine  geheimnisvolle  rolle,  man 
rechnet  ihn  zu  jenen  männern,  die  vor  Opitz  unsre  lyrik  formal 
haben  verbessern  wollen;  aber  bis  heute  hat  keiner,  auch  jetzt 
der  herausgeber  des  'Schönen  Blumenfeldts'  nicht,  recht  sagen 
können,  worin  denn  eigentlich  diese  gepriesene  reform  im  ein- 
zelnen bestanden  habe,  ich  will  deshalb  meine  besprechung  des 
neudrucks  von  vornherein  so  einrichten,  dass  durch  sie  jene  oft 
aufgeworfene  frage  ihre  antwort  erhält,  mir  kommt  dabei  zu 
statten,  dass  ich  im  vergangenen  winler  das  'Blumenfeldt'  zum 
gegenständ  seminaristischer  Übungen  gemacht  habe;  und  ich  ver- 
zeichne mit  dank,  dass  mir  bei  dieser  gelegenheit  für  meine  Unter- 
suchungen einzelbeobachtungen  zur  Verfügung  gestellt  sind,  be- 
sonders von  den  herren  Goedecker,  Drescher,  Stählin,  dr  Floss- 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENES   BLUMENFELD  287 

mann,  Riemann,  Eichhorn  und  dr  Götze,  durch  hinweis  auf  böh- 
mische geschichtsquellen  hat  mich  auch  meiu  College,  herr  prof. 
VViikowski,  freuodlichst  unterstützt. 

Ein  neudruck  der  selten  gewordenen  gedichte  Höcks  war 
sehr  willkommen;  und  es  konnte  nur  gefragt  werden,  ob  gerade 
Max  Koch  der  geeignete  und  genügend  vorbereitete  herausgeber 
sei.  K.  hat  dem  leser  nicht  etwa  einen  kritisch  bearbeiteten  text 
vorgelegt,  sondern  begnügt  sich  damit,  wenigstens  vom  vierten 
druckbogen  an  (für  die  ersten  drei  sind  auf  s.  Lvii  noch  zahl- 
reiche druckfehler  angemerkt),  den  Wortlaut  des  ^Schönen  blumen- 
feldts'  buchstabengetreu  zu  widerholen,  dagegen  ist  grundsätzlich 
nichts  einzuwenden,  wenn  es  auch  gerade  keine  schwierige  auf- 
gäbe war. 

Aber  II  dem  neudruck  geht  eine  einleitung  voraus,  und  in 
dieser  ist  der  ungereinigte  text  mit  all  seinen  setzerfehlern  und 
misverständnissen  zur  grundlage  philologischer  Untersuchungen 
gemacht  worden,  die  natürlich  gänzlich  wertlos  und  für  den 
herausgeber  im  höchsten  mafse  compromittierend  sind,  kein 
Student  im  zweiten  Semester  hätte  so  wider  das  ABC  jeder  wissen- 
schaftlichen methode  sündigen  dürfen,  wie  es  hier  K.  getan,  seine 
ganze  einleitung,  in  ihrem  biographischen,  ihrem  litterarhisto- 
rischen,  ihrem  philologischen  teil,  ist  so  nachlässig  gearbeitet,  wie 
uns  seit  jähren  nichts  in  unsrer  Wissenschaft  geboten  ist.  es  ist 
natürlich  meine  pflicht,  dies  urteil  zu  begründen,  das  soll  denn 
hier  geschehen. 

Wir  müssen  beginnen  mit  einer  kritik  des  textes;  denn  sie 
ist  ausgang  aller  weiteren  erörterungen.  wie  schon  erwähnt,  hat 
K.  uns  das  druckbild  des  Blumenfeldts  von  1601  genau  wider- 
gegeben, an  die  betrachtung  dieses  textes  muste  sich  aber  nun 
die  frage  knüpfen  :  wie  wurden  solche  verse  gelesen?  wie  klang 
das,  was  hier  das  äuge  erblickt,  dem  obre?  geben  die  einzelnen 
buchstaben  jedes  Wortes  würklich  die  laute  getreulich  wider?  oder 
erkennt  man  vielleicht  durch  hin-  und  hervergleichung,  dass  beim 
lesen  der  verse  hier  eine  vollere  wortform  synkopiert,  contrahiert 
oder  dgl.  zu  sprechen,  dort  einem  versttlmmelten  worte  seine  un- 
verkürzte articulation  widerzugeben  ist?  es  gab  ja  freilich  gegen 
ende  des  16  jhs.  dichter,  die  ängstlich  besorgt  waren,  ducch  den 
druck  nicht  nur  die  normalen,  sondern  auch  die  aus  besoadern 
gründen  veränderten  wortformen  widerzugeben,  so  ersehen  wir 
zb.  aus  Jellineks  vortrefflicher  ausgäbe,  wie  Schede-Melissus  pein- 
lich genau  mdn'  und  meine,  ft^t  und  heft^et,  wilst  und  willest, 
g ficht  und  ge ficht,  toom  und  worden,  Her,  Herr'  und  Herre,  u>§ng 
und  u)§nig,  *s  und  des  usw.  unterscheidet,  aber  wer  bürgt  uns 
dafür,  dass  nun  auch  jeder  andre  poet  die  niederschrift  und  den 
druck  seiner  werke  ebdnso  treu  überwacht  hat?  für  Theobald 
Hück  spricht  ja  Koch  selbst  (worauf  ich  erst  später  eingeh)  s.  x 
die  Vermutung  aus,   dass  ein  Prager  drucker  die  gedichte  dieses 


288  KOCH   THEOBALD   HOCK   SCU0BNE8   BLDMENFELD 

Pl^lzers  verlegt  uod  also  wol  auch  gedruckt  habe,  wieviel  konnte 
da  durch  Sorglosigkeit  des  dichters  selbst  und  durch  Unachtsam- 
keit oder  aberwiiz  des  setzers  entstellt  werden  I  dass  das  buch 
grobe  fehler  aufweist,  hat  K.  an  ein  paar  stellen,  wo  ganze  verse 
ausgefallen  sind,  ja  selbst  bemerkt,  warum  hat  er  denn  nicht 
weiter  geprüft,  eh  er  s.  LivfT  seine  haarstriiubenden  Statistiken 
aufstellte? 

Wir  müssen  nun  hier,  so  weit  der  platz  reicht,  das  ?er- 
säumte  nachholen,  und  dabei  geh  ich  genau  so  vor,  wie  wir  es 
in  den  Leipziger  seminarübungen  getan  haben. 

Hocks  gedichte  sind  sämtlich  in  Strophen  abgefasst,  über 
deren  herkunft  später  noch  einiges  zu  sagen  ist.  es  ist  dabei 
ganz  gleichgiltig,  dass  einige  (cap.  46.  47  uaa.)  für  den  gesang, 
andre  wahrscheinlich  für  den  Sprechvortrag  berechnet  sind  (vgl. 
in  der  Überschrift  und  v.  1.  6.  19.  55  von  cap.  5,  auch  in  der 
vorrede  das  wort  lesen),  uns  kommt  es  nur  darauf  an ,  festzu* 
stellen  :  wo  immer  uns  strophische  gedichte  begegnen,  da  haben 
sich  selbst  in  Zeiten  des  Verfalls  die  dichter  bemUbt,  die  einzelnen 
Strophen  eines  liedes  unter  einander  formal  gleich  zu  gestalten, 
in  dieser  hinsieht  unterscheidet  sich  ein  volkstümliches  kirchen- 
lied  nicht  von  einem  meistersang.  wenn  wir  daher  ein  iied  vor 
uns  haben,  dessen  sämtliche  Strophen  an  derselben  stelle  klingende 
reime  aufweisen,  während  eine  einzige  Strophe  dort  stumpfe  reime 
hat,  so  ist  die  Vermutung  erlaubt,  dass  an  dieser  stelle  die  Über- 
lieferung ungenau  sei  und  wir  mit  möglichster  Schonung  des  textes 
hier  das  reimgeschlecht,  ev.  durch  conjectur  zu  ändern  haben, 
aus  diesem  gründe  sind  bei  HOck  2,61  u.63  die  werte  Tadl  und  Adl 
zweisilbig,  also  Tadel,  Adel  zu  lesen,  entgegen  dem  druckbild. 
ebenso  hat  man  zu  sprechen  :  3,  42  Husseren  (dreisilbig);  6,  5 
außerkoren  (viersilbig  trotz  der  Schreibung  aw/?eritoni);  8,23  ist 
statt  Dieb  die  (bei  Schmeller-Fr.i479  nur  als  oberpfälzisch  bezeugte) 
form  Deib  zu  lesen,  ganz  wie  es  der  reim  verlangt;  11,13  sprich 
Sporen;  11,  20f  versuchet  :  verfluchet;  12,  6 f  Sduiidn  :  erhidn; 
14,  14  f  stumpfe  reime  ftiem  :  Thiem;  16,  16  f  ist  das  als  lernen 
:  gern  entstellte  reimpaar  zu  lesen  leren  :  geren  (vgl.  30,  3);  17,30 
lis  fparen;  17,  31  ist  gehen  einsilbig  zu  sprechen  als  stumpfer 
reim ;  18,  3  und  4  müssen  klingende  reime  haben,  also  erfahren, 
fparen;  desgl.  20, 12  Frewden;  21, 19.  20  müssen  stumpf  reimen, 
also  ist  thawm  :  Bawrn  zu  sprechen;  desgleichen  21,  27 f  gworhn 
:  erworbn,  31  f  wegn :  außgebn,  33  ijebn :  betriebn,  43  f  fagn :  klagn ; 
22,24  sprich  fem  statt  fernen;  22,  32  und  34  fordern  stumpfe 
reime,  also  vnderfcheid  :  Maid,  ebenso  51.  53  habn  :  tragn;  da- 
gegen 24,  13  kheren;  die  verse  29, 1 — 3  fordern  klingende  reime, 
s\so  Meeren,  Creaturen,  Heeren ;  31,27.28  dagegen  stumpfe,  also 
bekehm,  kehrn;  ebenso  32,  6  f  offenbam  :  bewam.  umgekehrt  ist 
34,  9  wider  klingender  reim  erforderlich,  also  gnennet.  35,  19  f 
lis  mögn  :  ebn,  22  harren;  36,  13 f  Ehren  :  verkehren^  34 f  Übet 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENES    BLUMEiNFELI»  289 

lanffUget;  37,2  leben;  38,24.26  habn :  Tagn,  34.36  Gnadn 
:  fchadn,  35.  38  hören  :  geren,  45  erfahren,  46  ziem;  41 ,  5  f 
hewer  :  Stewer ,  21  f  er fchleget : pfleget.  42,5  sprach  Hock,  wie 
der  reim  verrät,  die  dialektische  form  kemmen^,  45,25  sprich 
fiehn;  46,  10  f  brawn  :  trawn,  22  f  weh  :  Eh,  28  f  Trapplim  :  Ga- 
lanifim;  50,21  f  Bawr  :  fawr;  52, 9  f  Schwalbn  :  Albn,  19f  Schabn 
: grabn;  33  Jahren;  53,  3  Thieren;  54,  14  Abendthewr,  35  Zeugn 
.leugn;  55,  1.  3  pffeifft :  greifft ,  8  fäftl  56,29  eh,  35.38  Fa- 
beln :  Parabeln,  b2{  ßlln  :  fpilln;  59,  16.  18  faCverfträt;  61,17 
Ehm.  der  auffällige  unreim  Auffen  :  kraufen  65,  30.  32  steht  ein- 
sam  bei  HOck  da,  ist  aber  inhaltlich  unanfechtbar;  denkbar  wäre 
nur,  dass  der  dichter  kraufen  in  gewagter  Orthographie  für  krau- 
toen  (kratzen)  geschrieben  hätte.  66,6.8  verkehren  :  zerßehren; 
66,  26. 28  Predign :  erledign,  57  geht;  68,  22. 24  fparen  :  erfahren ; 
69,7  führn;  70,  22.24  ohferuirn :  imaginirn,  29  vnterftehn; 
70,  31  muss  Hock  ganz  pfälzisch  fltaanen  gesprochen  haben, 
was  freilich  Edward  Schröder  ihm  nicht  zutrauen  möchte;  Sehr, 
sucht  den  seiner  meinung  nach  unreinen  reim  zu  beseitigen 
durch  die  conjectur  (v.  33)  Mit  Bannen  und  mit  leinen,  70,  32. 
34  f  sprich  ehn  :  Segn  :  legn;  71,  6.  8  hoffiem :  verliern,  11. 
13  bezahln  :  mahln;  72,  17  Erden,  nach  der  gesamten  praxis 
Höcks  ist  ein  reimpaar  wie  73,  If  Leihe :  jeben  unmöglich;  aber 
ich  weifs  keinen  bessern ngsvorschlag  zu  machen.  73,  11  sprich 
Ohren;  75,  7  werdn,  oder  genauer  noch  tDer[d]n,  55  jhm;  11^  54 
fühm,  55  f  GfeUn:u)6lln,  71.  73  ebn  :  gebn;  78,  12.  15  Jahren 
:  fparen;  80,7  erfahren,  29 ^  fchaffet :  verfchlaffet ;  81,9f  «er- 
lleren  :  vmbkehren;  83,  28  lawrn,  52  geren;  84,  30  wem,  34  ist 
nit  statt  nicht  zu  lesen;  85,  69f  sprich  alln  :  gefalln ;  86,4  ist 
statt  ftreiten  einzusetzen  ftritten  (Schmeller  ii  820),  vgl.  auch 
87,  38;  87,  36  sprich  demfelbn  (demfelm);  88,  11  verwüret,  79 f 
Tagn  :  fagn,  83.  86  verloren  :  zoren;  89,  1  f  fagn  :  habn,  40  ver- 
lieh; 90,  18  geren,  22  ferden;  91,  53  f  wum  :  fchwum,  75f  und 
lü5f  Schwabn  :  habn,  114  verlorn;  92,  31  f  Bawren  :  trauren,  59  f 
wuren  :  fuhren,  63  lehret. 

Noch  einen  zweiten  iingerzeig,  wie  Hock  gesprochen  hat, 
geben  uns  seine  Strophen,  sehr  oft  wendet  er  nämlich  jene  im 
Volks-  und  kirchenlied  des  16  jhs.  so  weit  verbreiteten  vier- 
tägigen verse  an,  die  sich  in  zwei  auf  einander  reimende  zwei- 
tacler  zerlegen,  zb.  3,  4  Vnd  Pafpart  auch,  nach  Landes  brauch. 
diese  2  X  2tacter  müssen  stets  zweimal  vier  silben  enthalten;  und 
aus  diesem  gründe  ist  3,  9  statt  zwagen  einsilbig  zu  lesen  :  zwagn. 

*  Edward  Schröder,  der  diese  Verbesserung  durchaus  billigt,  schreibt 
mir  noch  zu  ihrer  erkiärung  :  ^hemmen  ist  eine  analogierorm,  welche  das 
völlig  isoliert  stehnde  präsens  kommen  beseitigt  und  zu  Aram,  kämen  ein 
neues  präsens  bildet,  analog  dem  nemmen  (42,  6)  zu  nam^  nämen.  es  wider- 
holt sich  hier  ein  Vorgang,  der  schon  im  gotischen  qiman  statt  germ.  cuman 
erzeugt  hat.  ich  betone  ausdrucklich,  dass  nicht  etwa  eine  lautliche 
rohheit  vorligt,  sondern  eine  analogische  neubildung'. 


290        KOCH  THEOBALD  HOCK  SCHOENBS  BLUMENPELD 

der  gleicheD  Ursache  wegen  muss  man  sprechen  :  3, 19  scalitTi, 
vexiem;  3,  24  fchneidn,  zjhrem;  3,  34  fchreibn;  3,  39  beschweren; 
3,  64  wahrscheinlich  dasselb  statt  selb,  weil  im  ganzen  ^Blumen- 
t'eldl'  selb  in  dieser  anwendung  nicht  vorkommt;  4,  29  gehe  hi, 
wie  viele  verwante  formen,  bei  HOck  einsilbig  zu  sprechen  (vgl. 
spater  meine  beobachtung  über  ü[h]e),  49  sprich  Tadel  (zwei- 
silbig); 12,  14  fordert  der  rhythmus  :  all  Menfchen;  14,31 
Artzeney;  15,  3  Beyfalln;  15,  13  obn;  15,  33  gebn;  15,  43  nebn 
:ebn;  ähnlich  20,  19  nebn,  bleibn;  20,  34  gebn;  dagegen  muss 
man  23,  3  bleibet  (zweisilbig)  sprechen;  23,  13  Junckfrawen  zwei- 
silbig, 28  habn  einsilbig;  35,  1  sprich  wem,  31  lährem;  38,  17 
fagn,  22  bftendig,  57  erbn,  fteht;  39, 19  gegm,  24  gradt,  29  fchadn. 
dem  vers  45,36  weifs  ich  nur  zu  helfen  durch  weglassung  des 
vnd.  48,4  sprich  Glückes,  14  Wagnitragn.  .49,1  wird  in  der 
ersten  hälfte  des  verses  zu  lesen  sein  :  Es  ift  fürwahr»  49 ,  26 
ist  der  dialektische  reim  Fraw  Maimb  herzustellen.  50,  28  muss 
man  sprechen  :  heign,  fchneidn  vnd  fän  (zusammen  als  vier  silben) ; 
51,  5  Abndi,  40  gfpiert;  52, 11  Eyfenn,  2\  hintragn;  54, 18  gfehen, 
28  faget,  33  glaubn:Augn;  59,5  lebn,  12  Bogn,  19  Schawr, 
33  Herren,  40  abtreibn;  61,23  Erfarenheit;  63,  15  muss  das 
wort  fie  gestrichen  werden,  um  64,  29  die  erste  hälfte  des  verses 
viersilbig  zu  gestalten,  erscheint  es  mir  als  das  nächstliegende, 
in  dem  worte  Decht  einen  lesefehler  des  setzers  zu  sehen  und  zu 
substituieren  :  Da  hett.  75,  7  sprich  wer{d]n,  63  muss  das  zweite 
da  fortfallen;  83,  26  sprich  taum  (das  weitre  sieh  bei  den  con- 
jecturen). 

Schon  aus  diesen  Zusammenstellungen  doch  wahrlich  unwider- 
leglicher correcturen  ergibt  sich  nun,  wie  oft  und  in  wie  manig- 
facher  weise  das  gesprochene  wort  bei  Hock  von  dem  druckbild 
abweicht,  wie  also  zb.  sehr  häufig  eine  synkopierte  wortform  ge- 
meint ist,  wo  der  dichter  oder  der  setzer  die  normale  vollere 
form  in  den  teil  gestellt  hat,  und  umgekehrt,  das  macht  uns 
stutzig,  und  wir  prüfen  weiter,  ob  nicht  noch  in  andern  fallen 
die  lebendige  articulation  sich  von  dem  buchstabenbilde  frei  machen 
muss,  und  ob  nicht  dadurch  zwanglos  eine  grOfsere  formale  con- 
gruenz  der  einzelnen  Strophen  eines  gedichts  zu  stände  kommt, 
ich  gebe  im  folgenden  einige  proben,  um  zu  zeigen,  dass  man 
hier  zu  ganz  sichern  resultaten  kommen  und,  auf  sie  gestützt, 
Verderbnisse  heilen  kann. 

a)  Wie  fiecliert  Hock  das  adjectiv  ander  1  im  nom.  sg.  lässt 
er  es,  gleichviel  ob  er  es  adjectivisch  oder  substantivisch  braucht, 
in  allen  drei  geschlechtern  unflectierl.  belege  (die  natürlich  ab- 
solut vollständig  für  jede  sprachliche  erscheinung  sein  müssen): 
masc.  14,  65.  15,  23.  31, 14.  34,  49.  75,  48.  82,  8.  91,  25.  92,  9; 
fem.  68,  5;  neutr.  14,  20.  59, 19.  75,  25.  81,  23.  87,  63.  65, 24. 
aus  diesem  gründe  ist  auch  1,  5  ander  zu  lesen,  die  obliquen 
casus  natürlich  fiectiert  Hock,  und  zwar  schwach  :  andern  gen. 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENES    BLUMBNFELD  291 

17,  34.  29,  36.  33,  12;  dal.  4,  35.  11,  2.  12,7  (nb.I  das  ist  ein 
dal.  8g.,  wie  ich  später  noch  weiter  belegen  werde).  20,27. 
56,  16.  38.  67,  25.  32,  8.  53,  42.  75,  17.  28;  einmal  auch  aus 
versnol  dreisilbig  :  anderen  82,  44;  acc.  28,  5.  46,  41.  47,  30. 
48,  16.  68,  9.  75,  45.  im  plural  macht  Hück  eine  Scheidung, 
das  adjecliv  ander  ohne  artikel  flectiert  er  stark,  jedoch  so,  dass 
er  seinem  dialekt  entsprechend  eine  apokopierte  form  anwendet, 
also  ander  :  masc.  20,  19.  75,  40.  82,  30.  38;  fem.  19, 11 ;  neutr. 
23,  22.  und  nun  von  dieser  beobachtung  aus  können  wir  neun 
fehlerhafle  verse,  die  sonst  nicht  in  die  betreffenden  lieder  sich 
lügen  würden,  corrigieren.  an  den  stellen  5,  21.  6,  68.  29,  23. 
37,  11.  53,  30.  55,  7.  74,  22.  80,  21.  87,  55  nämlich  muss  die 
form  andere  ein  druckfehler  sein ;  jedesmal  haben  wir  vielmehr 
ander  zu  lesen,  sodass  die  verse  erstaunlich  sich  glätten,  der 
dat.  pl.  lautet  bei  HOck  selbstverständlich  andern  :  14,  15.  19,  12. 
21,  18.  39,  10.  48,  25.  67,  10.  82,  5.  14.40.  ebenso  ist  zu  er- 
warten, dass  er  den  plural  mit  artikel  schwach  flectiert,  also  die 
andern  35,21;  und  widerum  veranlasst  uns  dies,  in  dem  ver- 
derbten vers  17,  42  stall  des  fehlers  Die  ander  das  richtige  Die 
andern  einzusetzen,  genau  wie  ander  flectiert  HOck  dann  noch 
weitere  adjective,  zb.  eigen, 

b)  In  vielen  fällen  lässt  der  dichter  das  pron.  pers.,  ent- 
sprechend der  umgangsredie,  mit  dem  verbum  oder  einem  an- 
dern salzteil  dergestalt  zusammenwachsen,  dass  das  pron.  als 
enklilikon  seinen  vocal  einbüfst.  am  häufigsten  geschieht  dies 
mit  dem  pronomen  es  (1,  33.  3,  32.  4,  5.  4,  27.  4,  28.  4,  36 
und  so  in  ungezählten  fällen,  auch  39,  8),  ebenso  mit  sie, 
sowol  im  Singular  (53,  10.  87,  62)  als  im  plural  (3,29.  6,70. 
6,  71.  17,  24.  28,  21.  40,  27.  58,  10.  66,  33.  56.  78,  36.  83,  47  fi". 
84,  10.  87,  46.  87,  55).  es  muss  uns  daher  erlaubt  sein,  einen 
regelwidrigen  vers,  der  durch  solche  Verschmelzung  geheilt  wer- 
den kann,  dem  sonstigen  gebrauch  Hücks  anzupassen,  sodass  wir 
also  19,  8  das  gedruckte  Wenn  sie  als  Wenns  (hier  ist  übrigens, 
wie  später  zu  erörtern,  noch  mehr  zu  corrigieren),  19,  19  das 
Weil  sie  als  Weih,  37,  31  das  fchieben  sie  als  fchiebens  aussprechen, 
bei  dem  pronomen  du  ist  nicht  immer  (vgl.  26,  22)  zu  entschei- 
den, ob  es  mit  dem  verb  zusammengewachsen  oder  gänzlich  aus- 
gefallen ist;  die  praxis  Höcks  zeigen  die  verse  5,20.  20,6.11. 
21,  33.  28,  17.  38,  44f.  42,  28.  46,  36.  47,  31.  48,  27.  51,  4. 
31.45.  52,6.35.  56,36f.  59,29.42.  63,29.  75,63.  81,41. 
und  wider  leiten  wir  aus  dieser  übersiebt  das  recht  ab,  28,  15 
und  43,33  stall  mustu  must  zu  lesen,  während  umgekehrt  51,41 
magstu  zu  sprechen  ist.  nun  halte  man  bei  den  genannten  drei 
pronomina  es,  sie  und  du  schon  früher  öfter  die  Verschmelzung 
orthographisch  angedeutet,  ungebräuchlich  dagegen  war  dies  im 
grofsen  und  ganzen  bei  ich  und  er  geblieben,  hier  folgt  das 
'ßlumenfeldt'  als  druckwerk   dem  gemeinen  verfahren,   lässt  also 


292  KOCH   THEOBALD   HOCE   SCHOENES   BLDMB!<iFBLD 

den  beiden  zuletzt  genannten  pronomina  fürs  äuge  ihr  selbstän- 
diges dasein,  aber  auch  das  darf  uns  nicht  hindern,  dort,  wo 
sonst  keine  hilfe  sich  zeigt,  das  enkiitikon  in  der  ausspräche  an 
das  vorhergehnde  bezw.  folgende  wort  anwachsen  zu  lassen,  also 
zu  lesen  6,  12  vmbgehe  ich  zweisilbig  =3  vmbgeh'eh;  6,  66  Weil 
ich'=  WeiVch;  vielleicht  14,  54  wer  ich  «»  wer^ch  (doch  t^I.  zu 
diesem  vers  später  die  conjectur);  47,  21  thet  idi  «»  thefch; 
57,  2  daß  er  alh  =  der  alls,  eine  contraction,  die  im  mhd.  (vgl. 
L.  zu  Iw.  504)  ja  oft  genug  zu  belegen  ist. 

c)  Was  bei  HOck  als  die  buchstabenverbindungen  u[h]e  und 
ü[h]e  gedruckt  ist,  hat  der  dichter  durchweg  einsilbig  gesprochen, 
also  es  sind  trotz  dem  nachschlag  die  Wörter  thue,  mUhe,  frue, 
blUet,  mühet  samt  und  sonders,  wie  oftmals  (43,  27.  44,  3)  auch 
der  reim  beweist,  als  6ine  silbe  im  vers  zu  behandeln;  105  bei- 
spiele  dafür  finden  sich,  nur  eine  einzige  ausnähme  scheint  in 
die  quere  zu  kommen,  nämlich  56,  19,  wo  Truhen  nach  dem  er- 
fordernis  des  rhylhmus  nicht  einsilbig  sein  dürfte,  aber  schon 
der  nächste  vers,  56,  20,  zeigt  uns,  dass  hier  wider  ein  druck- 
fehler  vorligt  und  wir  Trugen  (zweisilbig)  an  die  stelle  zu  setzen 
haben. 

d)  Das  pronominalsubstantiv  niemand  ist  bei  HOck  a  priori 
in  vier  formen  möglich  :  niemandt,  niemandts,  niembt  und  niembis, 
von  diesen  haben  wir  die  erste,  gebräuchlichste  auszuscheiden, 
denn  sie  findet  sich  nur  an  den  stellen  15,  50  und  40,  14,  wo 
beide  male  der  vers  verderbt  und  das  einsilbige  niembi  zu  lesen 
ist.  die  übrigen  drei  formen  braucht  Hock  unterschiedslos,  je 
nach  dem  bedürfnis  des  Versbaues  :  niemandis  2,  61.  15,  23. 
32,  21.  33,  15.  37,  14.  40  Überschrift.  55,  10.  76  Überschrift; 
niembts  2,  62.  8,  29.  41 ,  16.  58,  20.  60,  41.  63,  46.  69,  28. 
87,51.81;  niembt  2,41.  3,44.  8,12.25.  15,8.34.  19,51. 
29,  25.  40,  13. 15. 17.  41,  30.  81,  28.  wider  aber  sind  in  dem 
nachlässigen  druck  Verwechslungen  vorgekommen,  die  wir  sofort 
als  Störungen  des  verses  empfinden  und  darum  ohne  Verletzung 
des  Sprachgebrauchs  des  dichters  so  zu  ändern  haben  :  15,  48. 
17,  40.  20,  20.  23,  15.  84,  45  ist  niembts  zu  lesen  statt  niemandts, 
52,  40  niemandts  statt  niemdts.  und  67,  27  hat  man  die  wähl, 
die  sicherlich  falsche  form  niembt  zu  ersetzen  durch  niemandts 
oder  nach  analogie  von  3,  44  und  23,  15  durch  niembt  nit. 

e)  Grofse  Schwierigkeit  machen  beim  ersten  lesen  Höckischer 
gedichte  die  endsilben  -gen  und  -6en.  soll  hier  würklich  das 
druckbild  den  ausschlag  geben  und  sollen  diese  endungen  für 
die  articulation  stets  die  bedeutung  selbständiger  silben  haben? 
soll  der  unterschied  zwischen  sagen  und  sagn  würklich  so  sein» 
wie  ihn  der  setzer  bezeichnet  hat?  unmöglich,  schon  die  be- 
trachtung  der  reime  hat  uns  wichtige  fingerzeige  gegeben;  und 
so  haben  wir  weiter  aus  der  congruenz  der  Strophen  eines  ge- 
dichts  von  fall  zu  fall  zu  entscheiden,  ob  wir  die  unbetonten  en- 


KOCH  THEOBALD  HOCK  SCHOENES  BLUMENFELD        293 

«luogen  würklich  als  senkungssilben  aufzufasseD  oder  das  n  mit 
synkopieruDg  des  e  dem  vorausgehnden  labial  oder  guttural  zu 
assimiliereo  haben,  wie  Hock  gesprochen  hat,  verrät  er  ja  zur 
genüge,  wenn  er  87,  34.  36  auf  fie/m  reimt  demselben  (natürlich 
zweisilbig  :  demselm),  oder  wenn  er  zwar  89,40  Buchstabn  schreibt, 
dagegen  in  demselben  gedieht  4  und  9  Buchstam,  oder  wenn  er 
das  wort  vermailigen  3,  35  dreisilbig  brauchen  muss  und  es  (nur 
in  diesem  einen  falle)  vermailling  druckt,  also  damit  etwa  den 
laut  7?  hat  widergeben  wollen. 

Es  kann  nun  natürlich  nicht  meine  aufgäbe  sein,  hier  noch 
weiter  das  gesamte  statistische  material  für  jede  sprachliche  er- 
scheinung  bei  HOck  auszubreiten,  ich  muss  mich  damit  begnügen, 
nachdem  ich  den  Sprachgebrauch  des  dichters  im  ganzen  und  die 
speciellen  erfordernisse  jedes  gedichts  und  jeder  Strophe  im  be- 
sonderu  durchgearbeitet,  die  resultate  gruppenweise  vorzutragen« 
an  der  band  der  vollzäjilichen  ergebnisse  kann  ja  jeder  leser  leicht 
die  nachprüfung  anstellen,  er  muss  nur  eben  zu  den  fallen,  die 
ich  registriere  und  in  denen  das  gesprochene  wort  von  dem  druck- 
bild  abweicht,  diejenigen  in  parallele  setzen^  in  denen  die  beiden 
mit  einander  übereinstimmen. 

2,  36.  18,  29.  24,  15.  35,  24.  38, 17.  77,  89.  89,  1.  91,  9. 
41.  59  sprich  fagn;  71,  12  zufagn;  21,  43f  fagn:klagn;  90,  56. 
62  War  fagn;  3,  9.  11,  14  zwagn;  6,  52.  22,  53.  54,  37.  77,  10. 
39.  62.  79,  17.  84,  4. 15  tragn;  52,  21  hintragn;  86,  24  getragn; 
10,16  klagn;  26,38  Fragn;  38,26.  87,46  Tagn;  88,79f 
Tagn-.fagn;  52,  20  nagn;  88,  70  fchlagn;  22,  62.  92,  39  er- 
fchlagn;  71,  26  g fchlagn;  48,  14  Wagn: tragn;  5,  25  Rollwagn; 
92,  69  Hbrwagn;  3,  40  Segn\  70,  34f  Segn:legn;  46,  4  gfegn; 
22,  521.  30,  15.  92,  68  gegn;  39,  19  gegm;  76,  35  gegnfpiel; 
59,  7  Begegn;  5,  5.  9,  22.  17,  17.  37,  15.  42,  19.  56,  9.  57,  6 
Entgegn;  21,31.  38,16.  89,15  wegn;  91,9  Außlegn;  52,14 
Regn;  88,  53  Regnfpurg;  22,  69.  33,  5.  35,  39.  45,  30.  79,  26 
Jcriegn;  41 ,  4  bekriegn;  36,  10.  54,  40.  71,  4.  17  liegn;  28,  2 
<inliegn;  47,  24  Wiegn;  52,  43.  59,  12.  63,  8  Bogn;  54,  31.  37 
lugn;  87,  55  trugns;  5,  9.  19,  27.48.  35,  19.  42,  14.  64,  32. 
67,30.  76,23.  79,22  m&gn;  74,18  erwögn;  19,  57  zügn; 
19,  69.  77,  71  trügn;  56,  13  Gnügn;  1,22.  6,35.  18,44.  40,16. 
54,  33.  66,  48.  73,  8.  74, 16.  78,  6.  84,  31  Ai^gn;  33,35  Augn- 
fchein;  36,23.  42,8.  62,39  Augnblick;  26,24.  91,84  aign; 
32,34  fchweign;  50,  28  Aei^n;  bi,3ii  Zeugn:leugn;  20,38 
vbrfchwelgn;  26,  10  Vertilgn;  30,  18  jungn;  32,  32.  76,  24  Ver- 
bergn;   6,  53.  30,  12   Verborgn;  13,  25.  37,  11.  53,  30  forgn. 

4,  40  fetttgn;  9,  20.  88,  92.  96  ewign;  18, 12.  30,  12  ewigm; 
13,  37  geduldigm;  45,  34  jetzign;  53,  3  vnuernünfftigm ;  56,  2 
geüzigm;  66,26.28  Predign :  erledign ;  74,8  Vemünffttgn,  bftdndign; 
77,  58  witztgn;  77,  83.  84,  8.  20.  87,  46.  90,  41  Heilign;  83,  24 
Demültign;  87,  73  flichtign;   87,  75  Maynaydign;  88,  16  vbrign; 


294        KOCH  TBEOBALD  HOCR  8CHOBNK8  BLDMENFELD 

89,  10  einfichtign;  89,  39.  90,  68  vorign;  14,  27.  75,  8.  85,  43 
lebndign  (spr.  lemding);  76,  10  lebndig. 

3,6  sprich  2 Fened^  (zweisilbig)  1;  16,10  «u^^;  22,61  gmeingk- 
lieh  (zweisilbig);  66,  32  einch;  86,  17  Sechtzg;  86,  18.  88,  11 
fibntzg;  86,  23  dreyffg;  87,  26  zwaitUzg;  71,  12  weng;  58,  35 
wenger;  6,  5  toengften. 

51,  5  sprich  Abndt;  15,  21.  65,  27.  66,  39.  91,  93  gabn; 
65,49  gabns;  6,34.  11,26.  15,54.  18,30.  19,1.  21,40. 
22,4.51.  23,28.  24,21.  25,2.8.24.  28,11.  31,22.35,18. 
22.  37,  28.  38,  24.  40,  12.  27.  28.  42,  32.  45,  8.  52,  30.  54,  20. 
60,  1.  37.  61,  19.  69,  24.  71, 10. 14.  29.  75,  32.  77,  21.  78, 10. 
79,12.   83,32.52.   87,41.90.92.   88,35.39.51.79.89,2.35. 

90,  67.  91,  4.  9. 15.  92,  33.  62  habn;  3,  32.  66,  55.  92,  45  habns; 
28,  21  Gerhabn;  52,  19  Schabn : grabn;  91,  75 f.  105 f  Schwabn 
:  habn, 

19,47.  35,20.  60,5.  70,32.  75,20.41.  82,8  lis  ebn; 
11,1\[  ebn  :  gebn;  15,  33.  20,  34.  52,  35.  65,  50.  77,  4.  66. 
82,  43.  90,  46  gebn;  21,  32  außgebn;  71,  5  vergebn;  91,  51  ein- 
gebn;  92,21  zugebn;  90,38  Hebns;  52,41  Auffhebn;  20,19. 
37,  41.  75,  22.  88,  73  nebn;  15,  43  nebn:ebn;  59,  24  Weinrebn; 
1,  7.   2,  44.  6,  75.   9,  9.  20.  25.  10,  15.  15,  25.  17,  39.   26,  11. 

20.  29,6.11.  30,35.  32,  11.  36,35.  38,35.  40,2.  44,4.  59,5. 
62,  26.  63,  37.  86,  5.  90,  5  lebn;  2,  37.  24,  11.21  Hoffkbn; 
das  wort  lebendig  hat  Hück  natürlich  auf  der  ersten  silbe  betont 
und  die  form  lebendigen  (s.  o.  bei  der  endung  -igen)  daher  sehr 
leicht  zweisilbig  sprechen  können,  also  wie  Umding  :  14,27. 
75,  8.  85,  43. 

3,  3.  25,  27  sprich  liebn;  3,  17.  83,  28.  86,  26.  88,  2f  /t'frn; 

91,  102  fibnt;  6,  1  fibntzig;  86,  18.  88,  11  fibnlzg;  88,  44.  52 
gfchriebn;  21,  ^3  { jebn :  betriebn.  —  15,  13.  18,  19.  30,8  obn; 
19,  12  lobn;  17,  1  probn.  —  33,  11  Stubn;  21,  16  Rauch/lubn. 
—  16,20.  36,18.  51,47.  54,33.  63,4.  91,51  glaubn.  — 
3,  34.  19,  57.  47,  17.  89,  22  fchreibn;  89,  37  bfchreibn;  20,  19. 
66,  4  Wci6w;  59,40  abtreibn.  —  17,31  Ihmthalbn;  52,  9 f 
Schwalbn :  Albn;  87, 36  dem/elbn;  19,  34.  88,  39  Silbn.  —  26, 29. 
35,  35.  38,  57  erbn;  16,  17.  22.  37.  52.  54.  59.  20,  8.  26,  40. 
32,  3.  38,  39.  40,  15.  56,  30.  66,  23  /terbn;   70,  42  erwerbn; 

21 ,  21  f  gworbn  :  erworbn,  —  dagegen  fordert  der  reim  37,2 
leben, 

3,  17.26.  21,  7.  35,  1.  45,  3.  50,  12.  60,  22.  75,  7.  76,  3 
sprich  u)er[d]n;  42,  12.  65,  37  wordn;  3,  24.  50,  28  fchneidn; 

'  zu  diesem  verse  teilt  mir  ESchröder  die  ansprechende  vermotnng 
mit,  dass  die  Prager  schule  wol  erst  nach  Höcks  flbersiedlang  nach  Böhmen 
interpoliert  sei  und  der  vers  ursprünglich  gelautet  habe  :  ZFenedig^  Rem, 
Pari/er  Schul,  dagegen  könnte  man  einwenden,  dass  das  capitel  ^An  die 
Satiren',  dh.  Höcks  Vale  an  seine  eignen  gedichte,  wol  za  den  spätesten 
producten  gehören  muss. 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENES    BLDMENFELD  295 

3,  63.  71,5  letdn;  6,  11  geduldn;  6,  66  außgftandn  (sodass  auch 
«Jieser  vers  nur  drei  ausgefüllle  hebungssteilen  hal);  12,  6  f 
Schaidn  :  erlaidn;  19,  58  Schmidn;  38,  34.  36  Gnadn  :  fchadn; 
39,  29.  56,  12.  85,  53.55  fchadn;  43,  40.  45,7.  53,  38.  64,41. 
S9,  22  redn;  55,  5  frewdn;  66,  37.  88,  86.  91,  17  Juan;  75,4. 
44  Ordn;  90,  38  ftundn,  —  dagegen  des  reims  wegen  72,  17 
Erden. 

28, 10  sprich  fchwerm;  31,  28  kehrn;  31,  27  bekehm;  41,  33. 

49,  4.  61,  17.  90,  32  Ehrn;  3, 19  fcalirn,  vexiem;  4, 10  zfextm; 

30,  26.  53,  38  Thiern;  38,  46  ziern;  41 ,  12  verliern;  45,  31 
Fantafiern;  55,20  Galanifiern;  69,3  Spatziern;  70,  10  regim; 
70,  22.  24  ohferuirn :  imagtnirn;  71,  6.  8  hoffiern :  verliern;  88,  45 
Paffiern;  91,  114  verlorn;  35,  12  Wurm(=wurn);  90,58  tourns; 
91,  53 f  lourn  :  fchwurn;  14,  10.  49.  71,  24  anrürn  (anrim); 
77,  54.  84,  23  führn;  21,  19f  thawm.Bawm,  man  sieht,  wir 
dürfen  uns  die  synkopierung  der  endsilbe  -ren  nur  nach  langem 
vocal  erlauben;  und  daher  ist  auch  70,  36  nicht  etwa  zu  lesen: 
Hoffen  vnd  harrn,  sondern  dem  (übrigens  von  HOck  in  hunderten 
von  föllen  verletzten)  versaccent  zum  trotz  :  Hoffn  vnd  harren.  — 
dagegen  sprich  2,  9.  13.  33,  34.  38,  45.  80,  7  Erfa[h]ren;  19,  4f 
erfahren  :  fparen;  17,  30  fparen;  68,  22.  24  fparen  :  erfahren; 
2.*^,  1   Waren;   52.  33  Jahren;  78,  12.  15  Jahren :  fparen ;   31,  2. 

35,  39.  74,  26.  76,  47  Narren;  35,  22  harren;  59,  38  Beharren; 
24,  13  kheren;  66,  6.  8  verkehren  :  zerftehren;  29,  1.  3  Meeren 
.'Heeren;  50,  14  Ehren;  36,  13 f  Ehren  :  verkehren;  81,  9 f  zer- 
fteren.'vmbkehren;  83,  52  geren;  6,  65.  8,  14.  28,  4.7.  30,  1. 

31,  1.6.  11.  21.  24 f.  32,9.  14.  34,  7.  37,3.27.  39,  6.  44,  17. 
33.  59,  31.33.  66,  27.  69,  13.29.  83,  2  Herren;  50,  4  zieren; 

50,  32  Galanifieren;  53,  3.  77,  47  Thieren;  6,  5  außerkoren; 
11,  13  Sporen;  43,  35.  85,  29  geboren;  66,  49.  73,  11  Ohren; 
85,  4  Mohren;  88,  83.  86  verloren : zoren ;  29,  2  Creaturen;  89, 11 
Figuren;  92,  f>9f  wuren :  fuhren;  38,  35.38  hbren: geren;  92,  31  f 
ßawren :  trauren. 

13,  38.  81,  28.  82,  45.47  zahln;  20,  25  Bezahln;  71,  11. 
13  bezahln  :  mahln;  15.  3  Beyfalln;  22,  68  Zerfalln;  85,  69f 
alln: gefalln;  86,  9  Erzehin;  8,  23.  30,  3.  84,  37  flelln;  60,  37 
Bftelln;  76,  23  Verftelln;  25,  6.  39,  13.  56,  53  Gfelln;  77,  55  f 
Gfelln:wblln;  10,  22.  40,  3.  45,  32.  65,  23.  81,  27  fpilln  (fpieln) ; 
16,26.30  willn;  92,44  Mulwilln;  81,4  Ftilln;  91,76  Poln; 
16,  18.  19,  26.  41.  66.  35,  34.  37,  25.  43,  40.  70,  43.  77,  44 
folln;  23,  22.  26,  39.  39,  11.  66,  8.  80,  14.  81,  15.  91,55  wolln; 
7,  2.  10,  22.  40,  1.  45,  32  buln  (bueln);    13,  35.  19,  3.  25,  2. 

36,  6  w&lln;  66,  33  w6llns;  3,  48  khüln;  56,  52f  fülln:  fpilln; 
20,  40  theiln. 

1,  1  sprich  ghort,  gfehen,  2  gfchehen,  3  außgfianden,  18 
Abgwendt,  36  Gfchehener  (nicht  etwa  Gefchehner);  3,  36  gfchwome; 
5,  3  gfpunnen;  6,  19  gweret,  34  gfchworen,  66  außgftandn  (zwei- 


296  KOCH   TUEOBALD   HOCE   SCHOENES   BLDMENPELD 

siibig);  9,27  eingrichtet;  10,9  zugniessen,  14  ghangen;  11,  9 
(ich  eitlere  nach  K.s  verszähluog,  obwohl  sie  falsch  ist)  gftigen, 
23  gwefen;  13,  2  ghabt,  14  gnug;  14,  29  zu[g]bla9en,  45  gwmd; 
15,52  Gwalt,  54  Gwirdten;  16,45  ^trc/en;  18,30  gfchrey,  47 
gniessen;  19,  7  gfchickligkeit ,  38  ghaüen,  39  gfpaUen;  21,  8  ^A^rr, 

27  gworbn,  29  gmeine;  22,41  gwandert,  62  ^/ie/^r,  65  gmein; 
24,  25  gfliffen,  29  ^iDunncn;  25,  6  ^/c//n;  26,  17  ^/ioMe;  27,  44 
ghauft;  28,  24  ^trt/^,  27  vngrechten;  29,  9  gmeine;  32,  34  ^Aetm6, 
38^troAnAetY,  AS  g/lalt;  d4,  i  GrechUgkeit ,  9gnennet,  28  firtcto; 
37,  7  GrtcAr,  9  ^n%en,  36  abg fertigt;  38,  15  Äuffghebt,  16  j/taZr, 
54  ^U7(JÄ//;  39,  1  C/c«,  13  C/e//n,  24  ^raA;  40,  15^^i»^«i,  28 
gferdten;  41,  35  ^u^mnen;  42,  4  gfcUecht,  8  gfchehm,  20  gftaUUe, 

28  glemt;  43,  8  gfahr,  28  ^/eAr  (es  ist  io  diesem  vers  nicht 
etwa  5iAe  apokopiert  zu  lesen);  46,22  gfchehen;  50,10  ^AJr^; 
51,  2  C/und^,  40  p/pier/;  53,  20  ghorfamb;  54,  5  CwaZf,  18  gfehm; 
55,  35  ^/eZ/e/;  63,  28  Gfpenft;  68,  14  zugniffen;  69,  l  gfligelts; 
71,13  Ängficht,  14  CÄaft/,  27  gnieffen,  28  ^trtnnen;  73,28  jWr^- 
75,41  gfchleckt,  56  ^Ätm6r;  77,20  i^/ati^^  gfchrieben;  77,33  ^/irfd^ 
50  GAtm6 ;  78, 1 6 ^ra^Acn.  26 gftürtzt ;  79, 1 3  ^femef ;  85, 8 gmeineft, 
68  ^traZ/;  88,40  gmacht,  51  i^e/em,  80  ^Aa6r;  89,26  Gwiß, 
35  ^/erf,  40  gfetzt;  90,  12  pAo/fcn;  91,  15  gehrt;  92,40  ^fe^f. 
—  dagegen  2,  34  ^«/IfaZ/;  27,  29  Gewall;  51,  35  sGemiedt;  57,  22 
gefangen;  67,  28  gefchicht;  70,  21  Geftirn;  91,  12  jenaitÄ,  32 
genendt,  79  gehäuft;  92,23  ^«ntimmen,  51  genendt* 

2;  58  sprich  bfcht^eren;  ebenso  3,  39.  3,  11  allbreit;  6,  70 
bfchaffen;  ebenso  10,29.  13,  17  6rau6r;  15,  5  6/^e/^  (einsilbig); 
21,  48  bfchaffen;  24,  28  bfunnen;  25,  16  6Äcr(Äfer;  34,  3  bfcheidt, 
18  ÖÄdÄ/cn,  31  Ä/cÄcid;  38,  22  bftendig;  39,  18  Bpefcfc;  42,  18 
bfchaffen;  49,  7  6Ac//e/;  55,  27  bfchaffen,  34  ft/ie/te;  57,  9  bfinnen; 
59,  41  bhertzter;  63.  27  bftelleft;  71, 14  6Äatten;  79,  21  bhertztes; 
83,  56  Ä^e/^•  87,  72  bherbergt;  89,  37  bfchreibn.  dagegen  35,  37 
Befchützt;  36,  34  beniegt;  64,  16  vmbekhandt;  90,  8  fre^eifer. 

2,  61.  63  sprich  Tadel,  Adel;  3,  21  Werbel;  4,  49.  51  IVuW 
6,  69  Adel;  9,  1  Mittel;  13,  34  Ptirfr«/;  20,  18  Edel,  20  Thadd 
33, 12  Beitel;  ebenso  37, 17.  46, 18  Türel;  48,18  JlfM/cft«^»  28  Bdd 
54,  24  Ariele/;  55,  6  HÖmel;  58,  13  BdcÄeZ,  29  Maidd;  61»  19 
TÄarfcZ;  65,30  VSgel;  68,11  ATcJrfc«/;  69,6  Fligeln;  70,26  Fojd, 
38  Gaugeln;  71,29  mangeln;  74,6  Quadrangel,  14  Ciirdte/;  77,68 
Körbelkraut;  82,  51  man^eZ;  83,  47  PurfreZ;  86,  69  CorcZ;  ebenso 
88,24.  30.  56;  88,51  Tutel. 

1,  34.  16,  44.  29,  27.  60,  32.  68,  14.  92,  42.  60  sprich 
widrumb,  wie  Hock  14,  54  uö.  auch  schreibt;  9,  36  widrummen; 
43,  24  widrumben,  —  5,  7.  16,  45.  20,  10.  23.  26,  28.  40,  5. 
42,  5.  44,  29  a/Zs;  36,  21.  75,  24  allm;  40,  23.  64,  8,  40.  76, 
11.  84,26.  92,44  alln;  dagegen  10,4  alles;  73,22  aUem.  — 
11,30.  77,59  abr;  12,10  vbrall;  20,38  vbng;  vbrfekwelgn 
(2silbig);  76,35  vbrzwerg;  31,35.    45,7.30.    71,24.    77,3. 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENES   BLUMBNFELD  297 

87,  34.  47  o'r;  84,  6  o'rs.  —  10,  19.  17.  43.   25,  27.   32,  36. 

75,  13.  78,  35.  86,  67.  91,  2  jhrm;  32,  6  feim;  43,  17  Edelm, 
25  deim.  —  11,  28  Merdrer;  65,  38  Schläprer;  71,  2  Hungrifch, 
9  fcUaffrig;  76,21  Zauhrer,  M  Eyffrer;  78,  \2nidrig;  84,28 
dapffrer;  87,  61  Obrigkeit;  88,  99  Fndrieh;  82,  45  Intresse.  — 
13,  4  £te6s;  14,  9  Hültzens;  18,  27.  42  Gittlichs;  20,  35  (ietn«; 
21,34  GötUichs;  26,  11  Menfchlichs,  29  künfftigs;  2S,  29  gutts; 
36,  11  künfftigs;  36,  18  jÄrs;  51,  28  rfci>w;  58,  31  a&«; 
65,  31  Goldtfarbs;  66,  40  jArs;  75,  21  lei'fts;  77,  70  je&; 
78,  30  Co««;  83,  4  ^u«s;  86,  7  eygns;  87,  10  Co«»,  37  ehr- 
lichs,  96  jc/Ät^»;  88,  89  billichs;  90,  5  JSfrftar«,  42  ßrs.  — 
15,  12.  87,  17  einr.  —  15,  42  betteln;  33,  20  ^mw;  43,24 
dienn;  51,  34  e/7h;  65,  15  Fechtn;  66,  44  wem;  70,  3 
Wamn;  84,  30  wem;  92,  49  verbrenn,  59  erfchlagenn.  —  16,22 

>r(//cÄ.  —  46,  13  mawcÄ.  —  70,  27  gem.  —  17,  31  Ihmthalbn; 
24,  3  i?rfe/n;  30,  5  fein;  36,  17  jhm  Sinn;  40,  16  o/fen;  49,  4 
Amptn,  17  em;  52,  11  Eyfenn;  53,37  siDeyn  ftUckn;  55,22 
ey^ewn,  35  y^nn;  56,  35.  38  faftcte  ;  Parabeln;  57,  33  5iWn;  64,  8 
Singfchueln;  ßS,  \S  fchSnn;  75,  55  jÄm;  77,65.  84,16  Ihm; 
91,  53  dEingebenn.  —  18,  41  wünfcht;  37,  13  frincfo;  38,  13 
Probiert;  55,  1.  3  pffeifft :  greifft;  66,  9  trawrt,  55  ^u^am^-  74,  19 
herrfcht;  78,  22  troÄwr;  83,  35  macht;  86,  36.  44.  63.  87,  1.  88,  7 
herrfcht;  91,70  wohnt.  —  26,23  Ätei6/^;  43,7  zeugft;  51,1 
Begerßu;  57,  26  /ticA/T.  —  46,  2  Reutr;  88,  77  Wa/7r;  89,  21 
iaidr.  —  52,42  zreiffen.  —  68,24  tc&s;  84,33  *e»;  89,20 
Wies.  —  89,  35.  91,  1  vnfre.  —  dagegen  5,  4  gefolget;  14,  12 
F^fTÄeÄm;  15,32  Ao/fe/;  21,4  Gepflanzet;  23,3  ftfeiftef;  31,9 
verlieret;  32,  20  verdienet;  33,  27  6/tYÄcr;  34,  9  gnennet;  36,  33 f 
lebet  lauff leget;  41,  21  f  er fddeget :  pfleget;  42,23  ÄtZ/fef;  54,28 
/a^ef ;  64,  24  ver fachet;  72,  6  fcheinet;  74, 6  flf/c^ÄC^;  77, 41  /a(^ef  ; 
80,  29  f  /cAa^ef ;  verfchlaffet;  86,  27  /b/^er ;  88, 1 1  verwüret ;  90, 10 
gftifftet.  —  12,  12  deines;  18,  36  fchwaches;  48,  4  Giildire«;  75,  43 
Welches;  91,90  G^ikÄre«.  —  14,  52  Bußen;  58,28  Peitfchen.  — 
35,  31  MArcm,   32  altem.  —  44,  2  fchenken.  —  29,  20  5rmeA; 

76,  37  ärgift  (wie  78,  16  euffenfl);  85,  7.  33  witzigeft,  9  /c&Äd- 
/tcA«/!^,  47  nutzliche ft.  —  50,  15  thun  es;  70,  49  ich  es;  85,  59 
es  thut;  86,  15  tcA  es. 

6,  14  sprich  Wc6;  11,  33  gschehen;  15,  11  sorgfeUig;  19,  56 
JewfscA,  63  jhr,  67  frArirf;  21,  10  cm,  36  Fo/ttommcn;  22,  12 
allzeit  ("wie  23,5  uö.);  29,28  Menfchlich;  34,9  ^Ö/T;  38,31 
groffer;  44,  28  zeitlich;  47,  28  ^/c^n;  48,  5.  20yA»i;  ebeoso  49,  13; 
50,  7  erfc/;  53,  1  vernünfftig;  57,  10  wuer;  63,  17  ^r(fA;  66,  32 
einch;  75,  48  cm;  76,  55  all;  80,  25  bleib;  81,  16  fcW;  82,  22 
Sclav;  86,  49  Teutsch;  88,  67  cy(/cn;  89,  17  Deutfeh;  92, 62  A5cA/lt. 
—  dagegen  15,  26  dritte;  17,  14  Freunde;  28,  20  attc;  33,  25 
fnnffte;  46,  19  /cmc;  46,  38.  77,  85  gu[t]te;  50,  27  ftarke;  77,  34 
rechte, 

A.  F.  D.  A.  XXVI.  20 


298  KOCH   TUBOBALD   HOCK   SCU0ENS8   BLUNENPELD 

6,  66  sprich  drinn;  8, 15  drauff;  16, 26.  34, 12  äran;  21, 27. 
78,  11.  83,  52  drumb.  —  dagegen  50, 21.  75,  66.  92, 47  dammb; 
66,  51  daran;  90,  57  darinn;  91,  26  darauß. 

d,  24.  23,  2.  36,  16  sprich  z'jhrem;  9,  18.  59,3  ^  aOen; 
24,  2  zHoff;  26,  3  »Todt;  35,  17  %Mm,  33  zfmmen;  40,  12 
zthun;  zlaffm;  57,  35  zruck;  73,  17  ^'otfer,  29  ssmackw;  82,  2 
2f/et'n;  88,  8  zhawen. 

So  gewaltsam  es  ferner  uns  scheinen  mag,  es  rouss  nach 
analogie  des  vribel  (46,  6)  oder  fridt  (76,  47)  die  prdfixsilbe  ver 
an  einigen  stellen  verscbleift  werden:  16,  22  v'  /hkm&chim;  23, 19 
v'  langen;  28,  5  v'  fieneft;  57,  33  v'  ftehm.  es  ist  ttbrigeos  diese 
Verstümmelung  nicht  ärger  als  die  des  bis  58,8. 

4,37  sprich  dreckte  (wie  45,17  dÄchßlen;  73,26  dBnut; 
87,28  dEhe;  22,30  dferm;  22,7  dFrantzSsm;  67,8  rfff/o*r; 
19,52  dGrieehipch;  3,47  (iJ7«tt(/e;  57,35  cUTrefts;  6,73  dlie6; 
22,8  dMaidlein;  29,13  diVo/tcr,  3,1  dRaiß;  \%h%  dSmgkunU; 
7,  23  dSckuelen;  88,  91  dSehriffi;  46,  26  d5pom;  66,  56  dSfro/f; 
75,  11  dVernunfft,  3, 1  dWieZr  und  viele  beispiele  mehr);  ebenso 
10,14  Blieb;  19,61  dletzte;  21,3  dNatur,  26  d/cfton;  23,2 
dTTeft;  26,  32  dgrßfte;  30,  7  dhSdifte;  56,  56  dffj«;  78,30  dwunder. 
—  16, 10  sprich  vmbs  (wie  15,  25. 40.  17,  3.  15;  23, 8.  32, 11. 
38,  47.  65,  7.  81,  33).  90,  46  weiters.  —  84, 38  An.  —  dagegen 
16,  51  wider  den;  64, 14  m  (fem  (?). 

Analog  dem  früher  über  die  laute  u[h]e  und  ü[h]e  gesagten, 
ist  festzustellen:  sprich  einsilbig  4,29.  37,41  gehe;  5,47. 
32,  49.  37,  21.  66, 57  gehet;  8,  29.  17,  4.  31,  30.  57, 34  gehen; 
6,75.  17,3.  24,16.  36,26.  37,28.  47,10.  56,29.  79,  13. 
87,26.28.  88,20  ehe;  38,57.  44,39.  48,11  flehet;  45,25 
ßehm;  66,  19  wehe;  46,  22  wehe: Ehe;  3,8  Ziehet;  42,  36  flie- 
hen; 25,  22.  32,  42.  49,  26.  69, 17.  92, 13  Frawe;  5,  52  Frawen; 
41,  21.  59,  19  Schawer;  45,  17.  54,  34.  73,  7  fehawem;  78,  12 
fchawet;  46,  10  f  brawen  :  trawen;  50,  21  f  Bawer  :  fawer;  59,  29 
trawen;  70,11  trawem;  71,13  blawes;  29,5  Freyen;  91,94 
Weiher;  3,  20  Fewer;  43,  10  Fewers;  23,  9  newe;  23,  12.  27 
newem;  23,  10;  85,  37  newes;  24,  7  retre;  53,  8.  81,  35  ewer; 
53,  16  ewrem;  53,  19.  87,  54  LSwen  (so  wird  noch  bei  Gryphius, 
Leo  Arm.  i  107f  löuen:  dreuen  gedruckt);  50,28  /ten;  55,8 
fdeft;  59,  16;  68,23  fd^.  —  zweisilbig  lis  12.23  anfahen; 
6,  3  zehenden;  22,  49.  34,  27  auffftehen;  37,  13  auffftehet;  39,  8 
verftehen;  89,  40  verftehe;  62,  6  Außßehe;  23,  23  anheften;  50,27 
Vihemagdt ;  23, 13.  44,  32.  77, 42  Jundcfrawen;  71,  31  xufchawen; 
87,  40  Moidawe;  30,  36  Scheyeren;  10,  2.  15,  51  tmIreiM;  15, 16 
getrewe;  6,  19  geftraet;  59,  18  verftr&et  —  dreisilbig  70,29 
vnterftehen;  88,  42  «iitier/^«Aen;  77,  61  Frawenxmmer;  54,  14 
Abendthewer.  —  dagegen  ist  41,  5f  im  reim  (wie  Oberhaupt  di« 
reime  oft  eine  ausnahmestellung  einnehmen)  hewer :  Stewer  iwei- 
silbig  zu  lesen;  ebenso  68,21  ewem. 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENBS   BLOMBNFBLD  299 

Ober  diese  anscheineod  trockneD  zusammeDStellungeo  kann 
man  nur  dano  ein  urteil  gewinnen,  wenn  man  die  entsagung  übt, 
sie  buchstaben  für  buchstaben  durchzuarbeiten,  genau  so  wie  sie 
entstanden  sind,  und  auch  dann,  glaub  ich,  wird  noch  mancher 
skeptisch  sein,  ob  solch  ein  exacter  leseversuch  an  einem  dichter 
des  ausgehenden  16  jhs.  gelingen  könne,  dem  Zweifler  aber  gebe 
ich  zu  erwägen,  dass  hier  an  den  gedichten  Hocks  ja  nicht  beliebige, 
vom  geschmack  oder  ungeschmack  eingegebene  nivellierungen 
vorgenommen  sind,  wie  sie  Ramler  oder  Voss  liebten,  sondern 
dass  sich  gruppenweise  immer  die  gleichen  erscheinungen  unge- 
zwungen einstellten  und  —  was  doch  auch  nicht  aufser  acht  zu 
lassen  ist  —  dass  diese  beobachtungen  von  einem  grofsen  kreise 
oppositionslustiger  jünger  unsrer  Wissenschaft  einen  ganzen  winter 
hindurch  in  stets  erneuten  einzeluntersuchungen  geprüft  und 
endlich  rückhaltlos  für  richtig  erkannt  sind,  soll  ich  ganz  populär 
zusammenfassen,  wie  ich  mir  etwa  das  verhältnie  der  gedruckten 
Höckischen  verse  zu  ihrem  würklich  gesprochnen  Wortlaut  vor- 
stelle, so  kann  das  durch  folgende  fassung  der  ersten  Strophe  von 
Goethes  'Heidenröslein'  geschehen: 

Sah  eiD  Knabe  ein  Röslein  ftehn, 

Röfelein  auf  der  Heiden, 

War  fo  jung  und  morgen  fchön. 

Lief  fchnell  es  nahe  zu  fehen. 

Sah's  mit  vielen  Freuden. 

Röslein,  Röslein  reib, 

Röslein  auf  der  Heide, 
schreibt  ein  sorgloser  dichter  in  dieser  weise  seine  lieder  hin, 
oder  entstellt  sie  ihm  ein  abschreiber  oder  setzer,  so  ist  es  f  anz 
wol  möglich,  dass  der  autor,  zumal  wenn  ihm  eine  melodie  im 
obre  klingt,  über  die  fehler  ruhig  hintist.  prüfe  docb  jeder  sieh 
selbst  I  wie  viele  entgleisungen  hat  er  denn  beim  ersten  schnellen 
lesen  jener  Strophe  des  ^Heidenrösleins'  gespürt?  und  nun  kommt 
bei  Hock  ja  noch  hinzu,  dass  er  kein  normiertes  Schriftdeutsch 
schreibt,  sondern  sich  im  lautstand  unil  der  Wortwahl  als  Pfalzer 
ausweist,  seine  gedichte  aber  einem  —  zunächst  einmal  ganz 
allgemein  gesprochen  —  ostdeutschen  setzer  anvertraut. 

Aber  wir  sind  in  der  beurteilung  der  gedichte  noch  lange 
nicht  am  ziele,  eine  ganze  reihe  von  versen  ist  so  verderbt,  dass 
uns  hier,  wie  bei  der  herausgäbe  eines  antiken  dichters,  die  be- 
fugnis  zustehen  muss,  conjecturen  zu  wagen»  von  solchen 
Vermutungen,  durch  die  in  manche  stellen  überhaupt  erst  eine 
vernünftige  deutung  kommt,  teile  ich  hier  eine  reihe  mit:  3,  63 
möchte  ich  lesen  der  küß  euchs  putU,  dh.  der  kann  euch  den 
bosenbund  (euphemistisch)  küssen.  —  4,6  muss  zwischen  mems^ 
und  fich  die  conjunction  daß  eingefügt  werden.  —  4,  22  dürfte 
statt  Mit  richtiger  Nu  zu  lesen  sein,  denn  der  sinn  ist:  mau  kann 
das  gute  nicht  so  oft  lehren  und  das  böse  nicht  so  oft  erleiden  wie 

20* 


300  KOCH   THEODALD    BOCK    SCH0£?fB8   BLUMUCFBLD 

es  nötig  ist,  damit  andre  daraus  lernen.  —  5,  5  muss  aian  jedem 
verbessern  in  jenem,  —  5,  9  ist  das  erste  lool  zu  streichen.  — 
5,  26  vermut  ich,  dass  nach  analogie  von  10,  17;  37,  32;  48, 2S 
und  verwanten  stellen  zu  lesen  ist;  Die  Gartengfdlfehaffvndjkr 
wunder  wefen.  —  5,  32  lis  Den  statt  Der.  —  5,  33  aiuss  man 
vor  alte  ein  einsilbiges  wort,  etwa  gar  erganzen,  wie  solche  flick- 
wOrter  im  druck  des  'Blumenfeldts'  mehrfach  fehlen.  —  5,  37 
dürfte  sich  das  wort  Spitzn  widerrechtlich  eingeschlichen  haben; 
doch  weifs  ich  den  fall  nicht  recht  zu  erklären.  —  5,  55  ist  nach 
mi(A  vielleicht  das  wort  vnd  ausgefallen.  —  6, 15  ist  entweder  micft 
vor  het  zu  ergänzen  oder  ertrencket  zu  lesen.  —  6,  37  streiche 
abo.  —  6 ,  80  muss  der  gestrichen  werden.  —  8,9  wird  mehr 
nach  nimmer  zu  ergänzen  sein.  —  11«  2  ist  nach  dem  Sprach- 
gebrauch des  dichters  der  artikel  dem  ganz  wegzulassen;  vgl.  16,  11 
mit  Munde;  35,  6  nach  effen;  75,  41  Mit  Menfd^en  gefekkeht; 
80,  20  Vor  Offen.  —  11,  24  ergänze  ich  nach  gleich.  —  viel- 
leicht dass  11,31  nur,  11,33  eim  zu  tilgen  ist;  doch  scheint 
die  ganze  slrophe  verderbt.  —  12,  10  die  sinnlosen  worte  feins 
all  müssen  durch  conjectur  beseitigt  werden,  wenn  ich  mir  die 
schrifuüge  des  ausgehenden  16  jhs.  vergegenwärtige,  so  ergibt  sich 
mir  als  nächstliegende  lesart  fein  hail;  und  damit  wäre  zugleich 
sinn  und  reim  hergestellt.  —  14,  24  ist  zu  lesen:  biß  das  ich 
gmaldt.  —  14,  45  ergibt  das  leyder  gerade  das  gegenteil  des 
vom  dichter  gewollten  sinnes;  ich  möchte  daher  lieber  das  ver- 
stärkende kyden  einsetzen  «>  wahrlich,  bei  dem  leiden  unsres 
herrn.  —  die  verse  14, 54f  geben  keinen  anstofs,  wenn  man, 
wie  ich  vorgeschlagen,  das  wer  ich  zu  werch  zusammenwachsen 
lässt.  wem  diese  synaloephe  bedenklich  erscheint,  kann  auch 
durch  Umstellung  der  beiden  reimworte  helfen:  Vni  dacht  wer 
ich  ein  Knäblein  frumh,  Vnd  hg  in  meiner  Wiegn  wiirumb.  — 
15,  29  fehlt  nach  künd  ein  flickwort,  etwa  auch.  —  15,  51  ab- 
gesehen davon,  dass  Hock  die  Schreibung  mit  dt  fast  nur  nach 
langem  vokal  anwendet  {sehadt,  Todt,  radten  usw.),  gibt  das 
wort  scAu(if  (substantivum 7  unratplatz?;  keinen  rechten  sinn,  die 
Schwierigkeit  schwindet,  wenn  man  die  conjectur  schnedt  (schnOde) 
gelten  lässt.  —  16,  25  nach  wUnfAen  fehlt  ein  einsilbiges  wort, 
etwa  vns.  —  16,57  vor  dort  wird  vnd  zu  ergänzen  sein.  —  17,37 
fehlt  wol  nach  noch  irgend  ein  flickwort,  etwa  auch;  ebenso  18,28 
nach  vnd.  —  19,8  wird  nur  dann  der  erforderliche  dreitacter,  wenn 
man  list:  Wenns  nur  jhr  eygen  Sprachen.  —  19,  11  ist  das  wort 
nit  als  ganz  widersinnig  zu  streichen.  —  19,  13  fehlt  eine  silbe, 
etwa  auch  nach  Reimen.  —  19,  23  fie  ist  natürlich  zu  streichen. 
—  19,  42  muss  das  reimwort  statt  gleine  lauten  gleime,  geltme  aa 
fest  zusammenhaltend.  —  22,  3  lis  Den  statt  Denn.  —  22«  17 
lis  Herbrinnet,  eine  verbessrung,  die  doch  wahrlich  auf  der  band 
ligu  —  25,  25  lis  Conterfeyt.  —  26,  23  ist  statt  femden  des 
reimes  wegen  ferten  zu  conjicieren ,  wie  90,  22.  —  28,  5  statt 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOEiNES   BLDMENFELD  301 

verfinneft  lis  v'  fieneft.  —  31,  25  muss  oach  Lauberherren  ein 
flick worl,  etwa  auch,  fehlen.  —  31,  26  ist  nach  gweft  zu  ergänzen 
die.  — /31,  31  muss  man  lesen  In  Summ,  wie  15,1;  34,35; 
38,49;  75,65.  —  32,  19  ist  hallet  zu  verbessern  in  AuWef  (vgl. 
29,  5).  —  33,  10  ist  Rälh  nach  Kl6per  einzuschieben.  —  34,  4 
ist  die  form  künnen  in  künden  (vgl.  16,29)  zu  ändern.  —  35,  19 
der  verderbte  vers  ist  vielleicht  durch  Umstellung  wider  herzu- 
richten :  Darinn  fie  pich  bekehren  m6gn.  —  36,  26  ist  zwischen 
wollvft  und  büffen  ein  wort  wie  mögen  einzufügen.  —  38,  57 
lis  6dt  stau  odt.  —  39,  10  lis  befüdem  (Schmeller  i  753).  — 
40,  17  lis  Tartern,  davor  ergänze  nach.  —  41,  1  fehlt  wider  ein 
flickwort,  etwa  gar  zwischen  nit   und   ein.  —  43,  11    lis  Örter. 

—  43,  15  ist  nach  Ja  wahrscheinlich  du  einzufügen.  —  43,23 
Land  V7id  Leuten?  —  44,  16  scheint  zu  lesen  zu  sein:  des  dings. 

—  44,  17  ist  an  einzufügen  nach  dAchßlen^  18  nit   nach  jhms. 

—  44,  29  lis  krönet  statt  könnet,  denn  die  stelle  wird  zurück- 
gfhn  auf  psalm  5,  13:  Denn  du,  Herr,  fegneft  die  Gerechten;  du 
krSneß  fie  mit  Gnade,  wie  mit  einem  Schilde.  —  46, 1  ist  vnd  nach 
Larma  zu  ergänzen.  —  46,  23  ist  doch  wol  Antregft  zu  lesen.  — 
46,  34  nit  zu  lang?  —  47,  20  das  wort  bandirt  ist  auszuscheiden; 
es  ist  eine  in  den  text  geratene  randbemerkung,  wie  in  cap.  38 
die  lateinischen  verse,  oder  wie  am  schluss  von  cap.  45  das  wort 
GaJänen  (nicht  Gälanen).  —  49,  17  hat  man  befüdem  zu  lesen 
(Schmeller  i  753).  —  50,  31  dürfte  fang  statt  fang  eine  plau- 
sible Vermutung  sein.  —  51,  34  lis  vom  statt  vom.  —  51,  43 
ist  vielleicht  Doch  statt  Da  zu  setzen.  —  51,  45  muss  zwo  Seel 
statt  ein  Seel  ein  fehler  sein,  der  ganze  Zusammenhang  beweist 
es,  und  von  faustischen  zwei  seelen  in  einer  brüst  ist  natürlich 
keine  rede.  —  52,38  ergibt  sich  die  verbessrung  von  selbst: 
statt  zum  maiften  ist  zum  minften  zu  lesen.  —  52,  45  lis  fterk 
statt  ftark.  —  52,  47  ist  nach   hoch  vielleicht  könn  einzufügen. 

—  53,  7  muss  nach  Wirtfchafft  ein  wort,  etwa  Ordnung,  ausge- 
fallen sein;  sodann  ist  das  unsinnige  Panien  in  Feinen  («^  bienen, 
vgl.  62,  37)  zu  verbessern.  —  53,  37  lis  vnderfcheiden.  —  55,  33 
ist  doch  wol  des  statt  das  anzusetzen.  —  56,  42  ist  das  sinnlose 
Brauch  in  Bauch  zu  corrigieren.  —  in  die  verse  57,  13f  vermag 
ich  nur  dann  sinn  hineinzubringen,  wenn  ich  lese:  Noch  (= 
dennoch)  luft  mich  fo  vermeffen  Nach  ergr  intreffen  (vgl.  82,  45). 

—  58,  1  ist  statt  heut  zu  lesen  heunt,  wie  87,  75.  —  58,  18  lis 
ISfchts.  —  58,  25  lis  Kabzan  (=  kappzaum).  —  um  den  vers 
58,  35  auf  die  ihm  gebührende  zahl  der  tacte  zu  bringen  und  um 
ihm  überhaupt  einen  in  den  Zusammenhang  passenden  sinn  zu 
geben,  bedarf  es  schon  eines  Zusatzes;  ich  möchte  lesen :  Wirdts, 
morgen  wenger,  eyl  mit  weyl.  der  gedanke  ligt  HOck  nahe,  vgl. 
61,  22.  —  59,  17  fehlt  ein  einsilbiges  flickwort,  etwa  auch  nach 
merck.  —  64,  21  muss  wol  lauten:  Da  fach  ich  doch.  —  65,34 
muss  man,  genau  wie  85,  68  und  89,  14  statt  des  sinn  und  rhyth- 


302       KOCB  THEOBALD  HOCK  8CH0E^ES  BLOMfi^FELB 

iDUs  slörendeD  adjectivs  fürwüziges  richtiger  fürwüti  lesen,  als 
geoitiY  von  fürwitz,  den  Hock  nach  dem  Vorgang  des  ^Teuerdank' 
ebenso  personiflciert  wie  59,  6  den  unfall.  —  65, 23  ist  das  compo- 
situm aufzulösen:  ^Ein  vnd  Äuß'  fpiUn»  —  66,  10  ist  vnd  nach 
Mond  einzufügen.  —  67,  35  scheint  ein  adjectiv  zu  fehlen,  etwa 
die  fehlimmen  fachen,  —  ist  68,  1  nach  vnd  vielleicht  auch  zu 
ergänzen?  oder  trew  nach  tcA?  —  69,  13  dürfte  statt  Gott  gab 
wol  zu  lesen  sein  Gott  geb.  —  70,  1  ist  zu  lesen  gedencken,  wie 
1,20;  die  ersten  Strophen  enthalten  ja  lauter  infinitive;  auch  durfte 
der  herausgeber  das  spatziereren  (70,13)  getrost  in  tpatxieren  ver- 
bessern. —  72,  17  vielleicht  auf  diefer  Erden.  -^  15,  7  es  statt 
erl  —  75,  80  doch  ^«6«  statt  gebts.  —  76,  37  ist  lehen  druck- 
fehler  für  legen.  —  76,  43  ist  Hertzklopffen  6in  wort;  45  wird  all 
oder  fein  gestrichen  werden  müssen.  —  77,  8  nach  Sein  muss  ein 
einsilbiges  wort,  etwa  gross  ausgefallen  sein.  —  77,  14  statt  dem 
lis  der.  —  11,  34  muss  Vellis  druckfehler  für  Vlies  sein.  —  77,  73 
möchte  ich  statt  jAm  fein  vermuten:  jm  fchein  (wie  82,8).  — 
wie  das  sinnlose  Thier  78,  14  zu  verbessern  ist,  wird  spiter  in 
anderm  Zusammenhang  klar.  —  78,  17  statt  Hiemü  lis  Bient. 
—  79,  16  dürfte  nur  nach  wirdt  zu  ergänzen  sein.  —  81,  21 
muss  man  euch  nach  ziecht  einfügen.  —  81,  34  wahischeinlich 
euch  statt  auch.  —  81,  40  muss  ein  flickwort  fehlen,  Tielleicht 
auch  nach  vnd,  ebenso  wie  82,  48  nach  noch.  —  in  die  ganz 
verderbte  erste  hälfte  von  83,  26  weifs  ich  nur  sinn  la  bringen, 
wenn  ich  lese:  Sols  einn  nit  taum.  —  sollte  84,  5  PnUl  statt 
Pfandt  zu  lesen  sein,  im  hinblick  auf  den  bosenbaodonieD?  — 
84,  35  doch  wol  mit  den  Augen.  —  84,  45  ^embt.  —  84,  46 
ist  grSfferers  druckfehler  für  griffers.  —  86,  12  lis  Um  statt 
Denn.    —    86,  59    fehlt    irgend    ein    einsilbiges  flickworL    — 

87,  5   lis  Babiloniem.   —    87,  18   lis  hftaUi  statt  hßdk.   — 

88,  60  fehlt  am  schluss  das  reimwort  den.  —  88,  94  ist  ohne 
zweifei  troffen  statt  treffen  zu  lesen.  —  89,  29  wird  mmtk  nach 
Sondern  einzufügen  sein.  —  90,  52  muss  mao  emck  madk  nk  er- 
gänzen. —  91,  22  ist  wahrscheinlich  aiterirefiir  iq  Ic 
wird  folch  nach  vnd  einzufügen  sein;  ebenso 
nach  fie;  63  t^ns  nach  er;  71  vnd  nach  nodu 

Von  solchen  erwägungen,  wie  sich  wol  der 
laut  der  gedichte  zu  dem  gesprochnen  verhalte,  qb4  ' 
der  text  in  allen  einzelheilen  sei,   hat  sich  K. 
halten,     trotz  alledem  wagt  er  es,  auf  s.  Lwt 
dem  ahnungslosen  leser  aufzubinden,  es  sei 
Theobald  Höcks,  dass  er  zuthaä.'oU,  Küiiftm 
:haüa,  flreiten: mitten,  heut:Feindt  usw. 
^bedenkliche  reime'  und  meint,  dass  sie  'auch  An 
stimmbare  mda.  des  in  Böhmen  lebenden,  fiel 
iPßilzers  in  betracht  kommen*,     nein!   das  sitt4 
•reime,  sondern  druckfehler;  und  *bedenUicb*  uA  ha 


KOCH    THBOBALD    HOCK    SCHOENBS   BLUMBNPBLD  303 

Sache  nur,  dass  der  Herausgeber  das  nicht  erkannt  bat.  die 
ganze  ^auswabP  der  reime  bei  K.  ist  überhaupt  von  peinlicher 
unZuverlässigkeit,  weil  die  mehrzahl  der  citate  gar  nicht  stimmt ; 
die  reimpaare  zählt  er  bisweilen  nach  dem  ersten,  bisweilen  nach 
dem  letzten  vers,  und  das  zeichen  V,  bedeutet  bei  ihm  abwechselnd 
*vers'  und  ^Strophe',  für  die  Feststellung  des  dialektes,  den  der 
dichter  gesprochen,  haben  wir  gottlob  noch  mittel  genug;  und 
ich  glaube  oben  in  den  weitläufigen  Verzeichnissen  von  reimen, 
conjecturen  usw.  beweise  in  fülle  erbracht  zu  haben,  dass  er 
ganz  deutlich  in  Pfälzer  idiom  geredet  hat.  dass  K.  eine  solche 
Untersuchung  beiseite  gelassen  hat,  ist  nur  zu  preisen,  denn  das 
einzige  mal,  wo  er  eine  sprachliche  deutung  unternimmt  und 
s.xLi,  z.  5  V.  u.  das  wort  Gerhaben  (cap.  28, 21)  ganz  lustig  als  ^gern- 
haber'  erklärt,  passiert  ihm  gleich  eine  entgleisung.  oder  soll  diese 
interpretation  ein  witz  sein  und  spielt  K.  den  wider  auferstandnen 
Abraham  a  SClara,  der  allerdings  einmal  in  'Judas  der  Erzschelm' 
sagt:  'Du  Gerhab  oder  Gernhab,  wann  du  dich  mit  den  kleinen 
Pupillen  hast  groß  gemacht'  usw.? 

Nach  allem  bisher  gesagten  ist  es  klar,  was  man  von  einer 
ausgäbe  des  'Schönen  Blumenfeldts'  fordern  muss.  es  ist  natür- 
lich nicht  meine  meinung,  dass  man  sämtliche  von  mir  aufge- 
zählten apokopen,  synkopen  usw.  dem  dichter  in  den  text  hinein- 
corrigieren  solle;  man  soll  sie  sprechen,  wenn  auch  nicht  drucken, 
wohl  aber  hätte  man  den  Wortlaut,  ehe  man  reimstudien  oder  andre 
Untersuchungen  anstellte,  von  den  zufälligen  beschädigungen  durch 
druckfehler  befreien  müssen,  ich  kann  allerdings  nicht  leugnen, 
dass  in  diesem  einen  falle  ein  paralleldruck  sehr  lehrreich  ge- 
wesen wäre:  links  der  text,  wie  ihn  der  schlechte  druck  von 
1601  bietet,  rechts  die  philologisch  bearbeitete  fassung,  die  uns 
buchstabeugetreu  zeigt,  wie  die  verse  gesprochen  sein  müssen. 
erst  aus  solcher  gegenüberstellung  wird  nämlich  klar,  worin  der 
'reformversuch'  Hocks  besteht,  trägt  man  sich  nämlich  die  sämt- 
lichen von  mir  zusammengestellten  Verbesserungen  in  das  exemplar 
ein  und  list  nun  laut,  so  merkt  man  mit  staunen,  was  das  druck- 
bild  nie  verrät,  dass  HOck  zu  den  ersten  dichtem  gehört,  die  am 
ende  des  16  jbs.  für  strophische  gedichte  reine  Jamben  anwenden 
möchten,  es  gelingt  ihm  noch  recht  schwer;  er  muss  sehr  viele 
accentversetzungen  sich  gestatten  und  alle  dialektischen  freiheiten 
in  auspruch  nehmen,  aber  die  absieht  ist  unverkennbar,  wenn 
ich  die  für  mich  bis  heute  unheilbaren  verse  5,  49.  6,  4.  8.  25. 
44,  27.  30.  35.  46,  36.  47,  11.  53,  11  f.  35 f.  77,  31.  80,  3.  15. 
85,  48.  88,  54.  89, 15.  91,  71.  85  f.  92,  35  ausnehme,  die  man 
nur  mit  unerlaubter  willkür  einrenken  könnte,  so  enthält  das 
ganze  buch  nur  jambische  Strophen,  danach  ist  der  zweite  absatz 
bei  K.  s.  Liii  zu  berichtigen,  wenn  man  etwas  tiefer  in  den  Sprach- 
gebrauch Höcks  eindringt,  als  es  K.  gelungen  ist,  so  ist  von  einer 
'bewusten   regelung'  sehr  wobi  etwas  zu  ^vermerken',    ja,  man 


304  KOCH   TBEOBALD   HOCK   SCH0ENE8   BLDMKNFBLD 

kann  sogar  noch  viel  weiter  gelangen,  als  mir  hier  der  räum 
zu  gehn  gestattet,  beachtet  man,  wie  sich  die  Yerschiedeneu 
kürzungen  und  dehnungen  der  einzelnen  Wörter  sehr  ungleich  Ober 
die  capitel  verteilen,  so  kann  man  aus  dieser  feststellung  sogar 
eine  Chronologie  der  gedichte  ableiten  und  wird  —  wie  ich  hier 
nur  flüchtig  andeuten  will  —  bald  finden,  dass  HOck  in  seinen 
zuletzt  enistandnen  dichtungen  (die  die  Sammlung  erOffneD  und 
schliefsen)  viel  nachlässiger  ist,  als  in  den  frühern. 

Mit  den  textkritischen  erwägungen  hängt  nun  auch  eng  die 
frage  nach  dem  Verleger  und  drucker  des  *Blumenfeldts*  zusammen. 
es  wäre  ja  möglich,  dass  der  mann  sich  eingriffe  in  die  gedichte 
HOcks  erlaubt,  ihnen  etwas  von  seinem  dialekt  aufgeprägt  oder 
ihnen  Zusätze  und  dgl.  gegeben  hätte,  da  entscheidet  sich  nun 
K.  s.  X  nach  kurzer  erwägung  und  gestützt  auf  ein  gutachten  des 
herrn  dr  Hippe  in  Breslau  dahin^  dass  der  Verleger  vermutlich  ein 
Prager  gewesen  sei.  ich  kann  mich  dieser  ansieht  nicht  anschliefsen 
und  halte  es  überhaupt  für  angebracht,  über  ein  solches  problem 
nicht  einen  bibliothekar  des  19  jhs.,  sondern  Theobald  HOck 
selbst  zu  befragen,  und  da  bin  ich  zu  diesen  beobachtungen 
gelangt: 

1)  Hock  braucht  stets  das  deminutivsuffix -7etn  (Liedlein,  Kind- 
lein,  Knäblein  usw.)  bezw.  -el  (Scamitzel,  Türel,  Körbel  usw.). 
nur  zweimal,  und  zwar  in  überschritten  zu  den  gedichten  46  und 
72  begegnet  uns  das  suffix  -chen:  Neärelgen  (so  ist  statt  Nderelgen 
zu  lesen;  Neaera  ist  der  bekannte  frauenname,  zb.  Horaz  (3arm. 
III  14,  21)  und  Epschen.  daraus  ergibt  sich  die  grOste  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  die  beiden  Überschriften  wie  auch  noch  andre 
überhaupt  nicht  von  Hock  herrühren,  diese  Untersuchung  ganz 
durchzuführen,  ist  hier  nicht  der  ort.  in  unserm  falle  würde 
Eppes  mit  dem  sufTix  chen  am  ersten  noch  in  dem  teile  Schlesiens 
zu  suchen  sein,  der  Sachsen  möglichst  benachbart  ist 

2)  Auf  Ostmitteldeutschland  dürfte  auch  eine  zweite  erschei- 
nung  deuten,  die  wol  gleichfalls  erst  durch  den  drucker  in  die 
gedichte  gekommen  sein  wird  :  nämlich  der  brauch,  die  assimilierung 
eines  auslautenden  m  und  n  an  den  anlautenden  dental,  labial 
und  guttural  des  folgenden  wertes  auch  durch  das  druckbild' 
zu  bezeichnen  (vgl.  über  die  Verbreitung  der  erscheinung  Bae- 
secke  Die  spräche  der  Opitzischen  gedichtsammlungen  von 
1624  und  1625,  Gott.  diss.  1899,  s.  31):  a)  m>ii  vor  dental 
und  vocal:  15,43  nebn  ein  Narren;  6,  28  in  Laberinthe;  11,  31 
ein  leyden;  [titelblatt  Bermeorgiffchen  Secretarien;]  59,29  wensi; 
18,  7  von  folchen  fchaden;  70,  25  Ihn  zritten;  12,  7  ein  andern; 
16,  6  von  gantzen  Hertzen.  die  werte  66,  38  Kein  Wunderzaicken 
können  plural  sein,  b)  n  >>  m  vor  labial:  5,  28  Wendt  vmb 
mut;  30,  3  dem  Menfchen  (muss  wegen  des  folgenden  jAr  plural 
sein);  35,  12  Wurem  weiß;  64,  16  vmbkhandt.  c)  m>  n  (iu 
wahrheil  »)  vor  g:  7, 18  in  mein  Gwiffen;  46,  17  meinb  gesell 


KOCH   THEOBALD    HOCE    SCHOENES    BLDMENFBLD  305 

(hier   sieht   man   an   der  schreibuog  meinb  die  ratlosigkeit    des 
Schreibers  oder  setzers;  geselt  ist  natürlich  druckfehler). 

3)  Es  scheint  K.  gar  nicht  aufgefallen  zu  sein,  dass  mehrere 
gedichte  HOcks  mit  einer  Strophe  enden  ^  die  formal  nicht  zu 
dem  betreffenden  liede  gehört,  sondern  wahrscheinlich  von  wer 
weifs  wem  darangefügt  ist,  schwerlich  von  dem  dichter  selbst,  ich 
habe  die  capitel  11.  17.  34.  38.  46  im  äuge,  bei  dem  letzten  die 
beiden  schlussstrophen^.  diese  zusätze  zeichnen  sich  noch  dadurch 
aus,  dass  sie  der  erklärung  aufserordentliche  schwierigkeilen  be- 
reiten; und  ich  muss  gestehn,  dass  hier  meine  interpretations- 
versuche  stellenweise  gescheitert  sind,  in  die  gleiche  gruppe 
solcher  zusatzstrophen  gehört  nun  auch  der  eingang  von  cap.  65. 
K.  meint  hier  eine  verbessrung  angebracht  zu  haben,  indem  er 
diesem  liede  eine  besondere  nummer  gab.  er  hätte  nur  getrost 
seiner  vorläge  folgen  sollen.  64  und  65  bilden  nämlich  trotz  dem 
wechselnden  rhylhmus  zusammen  ein  ganzes;  der  zweite  teil  ist 
die  antwort  auf  den  ersten,  die  Strophe  aber,  die  K.  leicht- 
sinnig genug  als  die  ersten  vier  verse  von  cap.  65  mitgezählt  hat, 
gehört,  wie  schon  das  versmafs  zeigt,  gar  nicht  in  das  stück 
hinein,  sondern  wird  als  gesprochenes  intermezzo  zwischen  zwei 
gesungnen  liedern  aufzufassen  sein,  und  wider  scheint  dieser 
Zusatz  wie  manche  Überschriften  gar  nicht  von  HOck  herzurühren; 
das  wort  Prack'^  deutet  abermals  auf  Schlesien  oder  Sachsen  hin. 

4)  Die  form  eim  ist  in  der  regel  contrahiert  aus  einem,  an 
zwei  stellen  aber  (56,  44  und  59,  7)  kann  eim  nur  für  den  dat. 
sg.  des  Personalpronomens,  also  ihm,  stehn.  diese  form  aber  kann 
von  dem  Pfälzer  Hock  nach  seinem  ganzen  übrigen  Sprachgebrauch 
nicht  geschrieben  worden  sein;  die  muss  ihm  einer  in  den  text 
eingeschwärzt  haben,  vermutlich  wird  auch  das  in  der  ofBzin 
des  druckers  geschehen  sein,  eim  für  ihm  aber  ist,  wie  mich 
Ferdinand  Wrede  belehrt,  schlesisch,  genauer  mittelschlesisch.  die 
grenzen  seines  bereichs  sind  heute  diese:  im  norden  werden 
Trebschen  und  Rothenburg  nicht  mehr  mit  eingeschlossen,  gegen  w. 
ist  der  Bober  von  Naumburg  bis  Sprottau  scheide,  gegen  sw.  und  s. 
werden  von  der  grenze  Primkenau  und  Lüben  noch  ein-,  Parchwitz, 
Neumarkt,  Breslau,  Hundsfeld,  Festenburg  soeben  ausgeschlossen. 

Nach  diesen  vier  gruppen  von  beobachtungen,  die  sich  ver- 
mutlich noch  vermehren  lassen,  unterligt  es  wol  keinem  zweifei, 
dass  wir  den  drucker  des  ^Blumenfeldts'  durchaus  nicht  in  Böhmen, 
sondern  in  Schlesien  zu  suchen  haben  und  dass  die  Schlussbe- 
merkung Gedruckt  zur  Lignitz  ganz  ernst  gemeint  ist. 

Damit  sind  wir  aber  schon  aus  der  blofsen  betrachtung  des 

^  die  zasatzstrophe  von  cap.  34  möchte  ESchröder  sehr  ansprechend 
für  die  ioschrift  aus  einem  rathause  halten,  die  möglicherweise  noch  heute 
nachzuweisen  ist.  >  das  wort  Prack  5,  38  scheint  mir  nur  auf  einem 

lesefehler  des  setzers  zu  beruhen,  sodass  es  statt  aller  Prack  kumeter  viel- 
mehr aller  Pracklik  mutter  heifsen  mäste. 


306  KOCH   THBOBALD   HOCK    SCH0ENE8   BLDMENPKLD 

textes  in  die  einleitung  hiDeiDgeraten  und  müssen  uns  auch  diesen 
teil  der  leistung  Kochs  ansehen,  vielleicht  dass  wir  hier  günstiger 
urteilen  können. 

K.  tut  sich  etwas  darauf  zugute,  dem  dichter  seine  richtige 
namensform  widergegeben  zu  haben,  JJoefc  statt  JSUdir.*  ihm  selbst 
ist  diese  berichtigung  offenbar  erst  spät  aufgegangen;  so  lange 
er  am  text  druckte,  hat  er  die  bogen  noch  immer  bezeichnen 
lassen  mit  der  namenform  Hock,  selbst  noch  s.  129.  ist  nun 
Hock  würklich  die  richtigere  lesung?  ich  glaube  nicht,  allerdings 
in  der  mehrzahl  der  fölle  nennt  sich  und  wird  der  dichter 
Hock  genannt;  aber  das  geschieht  immer  erst  seit  seiner  Über- 
siedlung nach  Böhmen^  wo  man  ihm  seinen  namen  mag  umge- 
staltet haben,  gerade  so  wie  es  Göschen  in  England  ergangen  ist. 
ausschlaggebend  scheint  mir  vielmehr  das  titelblatt  der  einzigen 
gedichtsammlung  Höcks,  wo  der  dichter  seinen  namen  ana- 
grammatisch verändert,  hätte  er  sich  würklich  Hock  gesprochen, 
so  würde  er  seinen  namen  etwa  in  Koch  oder  dgl.  umgestaltet 
haben;  er  anagraphiert  ihn  aber  zu  Öckh.    das  sagt  genügt. 

Die  biographie  Höcks,  wie  wir  ihn  nur  getrost  weiter  nennen 
mögen,  ist  relativ  der  beste  teil  von  Kochs  arbeit  aber  das  will 
noch  nicht  viel  sagen,  nachlässig  genug  ist  sie  noch  immer, 
gleich  der  erste  satz  ist  so  recht  bezeichnend :  *Theobald  Hock  ist 
nach  seiner  eignen  angäbe  im  6  gedichteam  Sonntag  den  lOaugust 
1573  geboren,  aber  das  sprichwörtliche  glück  der  Sonntagskinder 
hat  ihm  nicht  standgehalten',  ja,  allerdings,  von  diesem  ^sonntag 
den  10  august  1573'  hat  er  gesprochen,  entweder  aus  dichtereitel- 
keit  oder  um  seinem  künftigen  biographen  eine  nase  zu  drehn. 
der  10  august  1573  war  aber  nach  neuem  Stil,  der  für  einen 
Protestanten  natürlich  nicht  in  frage  kommt,  ein  freitag  und  nach 
altem  stil  ein  montag.     was  nun? 

Die  quellen  zur  lebensgeschichte  Höcks  hat  K.  vermehrt,  was 
wir  dankbar  anerkennen,  wenn  er  aber  s.  xiv  anm.  1  im  Bern- 
burger (jetzt  wol  Zerbster)  archiv  hs.liches  material  vermutet,  so 
hätte  er  das  wichtigste  daraus  gedruckt  finden  können  in  den 
Briefen  und  akten  zur  geschichte  des  dreifsigjährigen  krieges. 
München  1870.  hier  bringt  ua.  der  1  bd.  (die*  gründung  der 
Union  1598—1608,  bearb.  von  Moriz  Ritter)  s.  590f  nr  489  aus- 

^  auf  mein  befragen  schreibt  mir  ESchröder  :  *der  eigenname  Höek 
kann  verschiedener  herkunft  sein  :  entweder  ist  er  —  Heek^  nnd  dies  ■» 
*Am  heck*,  *An  der  heck(e)',  wie  ja  die  eigennameo  Bach,  Berg  nsw.  fär 
*Am  bach'  usw.  stehn  <der  Übergang  ^  >  ö  ist  derselbe  wie  in  Sckröck^ 
locken  usw.);  oder  aber  er  ist  —  Hock  und  bedeutet  den  höcker,  höker, 
vorkosthandler.  das  erstere  ist  wol  das  häufigere;  im  Marburger,  Frankfurter, 
Wiesbadener  adressbuch  haben  wir  alle  drei :  Heck,  Hock,  Hock  neben  ein- 
ander, die  namen  sind  offenbar  am  Mittelrhein  sehr  hanfig,  insbesoiidre  aber 
Heck,  Hock,  wenn  die  form  Hock  auch  nur  ein  einziges  mal  xuveriissig  be- 
leugt  wäre,  so  würde  sie  doch  als  die  mafsgebende  zu  betrachten  ond  ßoek 
eben  nur  eine  graphische  Variante  sein,  das  anagramm  Öekh  entscheidet 
unbedingt'. 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENES   BLUMBNFELD  307 

führliche  künde  über  HOcks  gesantschaft  nach  Heidelberg  im  jähre 
1607,  bei  der  er  auch  beziehungen  zu  Marquard  Freher  anknüpfte 
(vgl.  die  dedicatio  zu  Frehers  ausgäbe  von  Cosmae  Pragensis 
Chronicae  Bohemorum  Libri  in.    Hanoviae  1607). 

Was  weiter  die  meinung  K.s  s.  xxxv  anlangt,  Peter  Wock 
vRosenberg  sei  durch  einfluss  seiner  gemahlin  zu  den  Pikkarditen 
übergetreten,  so  scheint  es  doch  (nach  Balbinus,  Miscelianea  Histo- 
rica  Regni  Bohemiae.  dec.  i,  lib.  iii  pag.  179),  als  ob  er  schon 
vor  seiner  Verheiratung  Calvinist  geworden  sei,  veranlasst  durch 
Theodor  Beza,  'quem  Genevae  audierat'.  derselbe  Balbinus  ist 
auch  der  gewSlhrsmann  für  jene  beschuldigung  Bileks,  von  der 
K.  8.  xxxiii,  anm.  1  spricht.  Balbinus  erzählt  s.  193,  er  habe 
1657  als  gast  auf  schloss  Trebona  gewohnt,  das  wegen  nächt- 
lichen spukes  verrufen  sei.  es  gehe  dort  nämlich  nach  der  aus- 
sage vieler  ein  gespenst  um,  da«  irgend  eine  öffentliche  Urkunde 
zu  suchen  scheine  und  nicht  finden  könne,  er,  Balbinus,  selber 
habe  das  gerücht  bestätigt  gefunden  und  führe  zur  erklärung  der 
geislererscheinun^  an :  Quid  iflud  fpectri  fit,  divinare  non  poffum ; 
feio  id  tantum:  Theobaldum  Hock,  et  Wenceslaum  Brzezan  {quorum 
nie  Familiae  Rofenbergicae  d  Secretis  confüijs  diu  fuit,  hie  ab 
Epiftolis  fcribendis)  cum  falfum  guoddam  inftrumentum  {ut  dicunt) 
confeciffent^  et  fallacibus  figillis  muniviffent  (quo  inftrumento  tota 
Rofenbergicae  Domüs  haereditas  ad  Ssvvambergico$,  velut  ex  pacto 
vetere  devolvebatur)  jubente  Caefare  Rudolfo,  velut  falfarios  {funt 
tarnen,  qui  innocentes  fuiffe  fcHpferint»  ac  revera  pactum  g'usmodi 

interceffiffe  dicunt)  damnatos Theobaldus  Pragae,  ut  narrat 

Carafa  carceribus  claufus,  omnia  pro  ejus  liberatione  moventibus 
h^reticis,  magnis  fnotibus  poflea  cauffam  dedit,  (die  stelle,  auf 
die  sich  Balbinus  bezieht,  findet  man  in  'Caroli  Carafa  Episcopi 
Aversani  Commentaria  de  Germania  sacra  restaurata.  Colonia 
Agripp.  1639.  p.  58).  übrigens  ergibt  sich  aus  der  Spukge- 
schichte, dass  K.  mit  seiner  Vermutung  s.  xli  recht  habe:  Hock 
ist  nicht  erst  nach  1658,  sondern  vor  1657  gestorben,  weil  er 
damals  schon  als  gespenst  umging.  — 

Doch  ist  es  zeit,  zu  dem  wichtigsten  teil  der  K.schen  An- 
leitung überzugehn.  dass  es  mit  der  philologie  im  engern  sinne 
bei  ihm  nicht  zum  besten  bestellt  ^el^  haben  wir  zur  genüge  ge- 
sehen, aber  die  *  vergleich  ende  Litte  rat  urgeschichie^  war  doch  bisher 
«ein  liebster  tuoitnelpliitz;  den  liüerarischeo  austausch  unter  den 
volkern  hatte  er  sich  zu  besondrem  sludium  erwablL  so  dürfen 
wir  denn  erwarten,  dass  er  uns  über  die  beziehuogen  HOcks  zu 
der  liUeraiur  fremder  tialionen  fi^^b*'  i^elehren  wird*  wir  wollen 
ä=elin. 

Auf  seile  xtui   erürlert  Ko-  erhältnis  Hockg   zu   den 

Griechen  und  ROnierit.  da  beii«  -  <4  Vergil  wird  nr  28  [soll 
heifseu:  äS]  v,  10  ein  cital  ger^  meint  damit  die  worte: 

Qui  mihi  <>'  /^jIm  ßl  i^o^^m^-  "^        -      chates.     allerdings,  der 


^ 


\ 


308  KOCH    TBEOBALD   HOCK    SCHOBiNES   BLUMENPBLO 

fidus  Achates  stammt  aus  Vergil,  zwar  wol  nicht,  wie  K.  meint, 
aus  Aen.  i  188  (fidus  quae  tela  gerthat  Achates)^  sondern  vielmehr 
aus  VI  1 58  r  (eilt  fidus  Achates  it  comes).  damit  ist  aber  auch  die 
enllehnuDg  aus  Vergil  schon  zu  ende;  das  weitere  ist  weder  nach 
form  noch  inhalt  von  dort  inspiriert,  sondern  wird  durch  Horaz 
Garm.  ii  10,  13  angeregt  sein:  Sperat  infestis,  metuit  seeundis. 
hier  haben  wir  das  gleiche  fehlen  des  Wortes  rebuSp  den  gleichen 
seltnen  gegensatz  von  infestis  (so  ist  zu  lesen,  nicht,  wie  K.  druckt, 
in  festis)  und  seeundis.  dass  Hock  diese  ode  des  Horaz  wUrklich 
gekannt  hat,  wird  später  noch  durch  eine  weitere  entlehnung  be- 
wiesen, überhaupt  sind  die,  vielleicht  von  HOck  selbst  herrühren- 
den, mangelhaften  lateinischen  fragmente,  die  in  das  gedieht  nr  38 
eingelegt  sind  und  die  K.  bei  der  numerierung  der  verse  nicht 
hätte  mitzählen  dürfen,  von  Horaz  beeinflust*  die  Zeilen  Me  dies 
omnis  memorem  videbit  Si  vel  nebulis  apacum,  Me  latus  mundi 
teneat,  vel  igni  Perpete  flagrans  gehn  zurück  auf  Horaz  Carm.  i 
22,  19  f:  Quod  latus  mundi  nebulae  malusque  Juppiter  urgu^. 

Auf  der  gleichen  s.  xuii  f^hrt  K.  fort:  ^während  in  nr  52 
V.  14  ein  vergilscher  vers  (gutta  cavat  lapidem  non  vi  sei  semper 
cadendo)  frei  übersetzt  ist',  dieser  'vers'  ist  überhaupt  kein  vers. 
K.  will  uns  doch  nicht  glauben  machen,  dass  Vergil  jemals  solche 
haarsträubende  metrische  Schnitzer  wie  semper  cadendo  sich  habe 
zu  schulden  kommen  lassen.  Giordano  Bruno  hatte  1582  in  seinem 
'Candelaio'  doch  wenigstens  metrisch  richtig  gesagt:  Gutta  cavat 
lapidem  nan  vi,  sed  saepe  cadendo.  aber  auch  er  ist  nicht  der 
Verfasser  dieses  verses,  der  sich  vielmehr  als  ein  im  mittelalter 
verbreitetes  Sprichwort  erweist  und  dessen  erste  hälfte  zurückgeht 
auf  Ovid  ex  Pento  iv  10,  5:  Gutta  cavat  lapidem,  consumitur  anulus 
usu  Atteritur  pressa  vomer  aduncus  humo.  aus  dieser  stelle  aber 
ist  bei  HOck  nicht  nur  nr  52  v.  14  (ein  tropffen  Regn  durchgrabt 
ein  Fehs)  geflossen,  sondern  auch  v.  11  ff  (Den  Rfsenn  Pflug^  die 
Er  dt  gar  gnug,  Alls  rogel  gleich  vnd  Sumpffig,  So  machte  jhn  doch 
gar  stumpffig)  und  v.  2tf  (Durch  stetten  brauch,  hitUragn  wirdt 
auch  Ein  Ring  von  Stein  vnd  Eysen). 

Weiter  belehrt  uns  dieselbe  s.  xLm:  ^aus  Senecas  Hedea  wird 
in  nr  57  v.  U  eine  Wendung  benützt'.  Koch  meint  die  Strophe: 
Also  Medea  sagt,  das  gut  ich  spüre,  Sieh^  merck  vnd  hir,  für  gut 
ichs  auch  probiere^  Noch  lust  mich  so  vermessen^  Noch  ergr 
in  fressen  (vgl.  meine  verbessrung  bei  den  coojecturen)  Kans 
nicht  vergessen,  es  wäre  zwar  hübsch  gewesen,  wenn  der 
gelehrte  forscher  als  resultat  seiner  Studien  uns  das  Senecacitat 
auch  mitgeteilt  hätte;  ist  aber  doch  begreiflich,  dass  ers  unter- 
lassen hat.  denn  die  deutschen  verse  gehn  in  Wahrheit  auf  Ovids 
metamorphosen  zurück,  wo  7,  19fif  Medea  sagt:  Sed  gravat  in- 
vitam  nova  vis,  aliudque  capido^  Mens  aliud  suadet.  video  me- 
liora  proboque,  deteriora  sequor.  HOck  hat  zwar  das  einfache 
Video  proboque  zu    den    functionen   aller   fünf   sinne   erweitert: 


KOCH    THEOBALD    HOCK    SCHOENCS    BLUMEMFBLD  309 

spüre,  sieh,  merck,  hbr^  probiere;  deoDoch  ist  der  lateinische  Wort- 
laut klar  zu  erkenneD^  weno  das  proho  naiv  durch  probiere^  das 
deteriora  durch  erger  widergegeben  wird,  und  ?or  allem,  wenn 
in  der  nächsten  Strophe,  wenig  zu  dem  sonstigen  inhalt  des  ge- 
dichts  passend,  das  Ovidische  aliudque  cupido^  mens  aliud  suadet 

seinen  nachhali  findet  in  den  worten :  Begirdt  dich  zeucht 

Vemunfft  dich  hell.  Hock  konnte  mit  der  einfachen  einleitung 
Also  Medea  sagt  gar  keine  andere  stelle  citieren,  als  die  berühmten 
lateinischen  worte;  denn  die  verse  1078  ff  aus  der  ^Medea'  des 
Euripides^  an  die  Ovid  sich  anlehnt,  dürfte  er  schwerlich  gekannt 
haben. 

Kehren  wir  wider  zu  unserer  s.  xliii  zurück,  dort  heifst  es 
im  text  weiter  :  *in  dem  gedieht  Venus  vnd  Mars  gehirn  zusammen 
(nr  25)  ist  wol  eine  anspielung  auf  den  achten  gesang  der  Odyssee 
enthalten,  doch  braucht  sie  ebensowenig  wie  die  erwähnung  des 
bettlers  Irus  78  str.  3  und  die  von  Ulysses  6  str.  10  und  29  str.  5 
auf  Vertrautheit  mit  dem  original  zu  beruhen,  von  dem  Hocks  verse 
über  Kirkes  rückverwandlung  der  verzauberten  geführten  des 
Ulysses  der  tendenz  des  gedichtes  gemäfs  abweichen',  immerhin 
leitet  doch  Koch,  auch  wenn  er  tiefere  Vertrautheit  HOcks  mit  dem 
Homer  leugnet,  die  anspielungen  auf  den  Irus  (cap.  78  v.  17f: 
Hient  bistu  Croesus  eben,  Vnd  morgen  fr&  der  Irus  gleich  dergegen) 
und  die  Kirke  (cap.  29  v.  25 — 30:  Drumb  niembt  sich  auch  ver- 
wunder,  Das  Circe  den  Thiem  eben,  Älß  sie  Ulysses  bat  widrumb 
jetzunder,  Die  Menfchlich  gstalt  wolt  geben,  Vnd  sie  nit  gwilt, 
weil  sie  das  elendt  wesen,  GschrSckt,  drin  sie  vor  sein  gwesen)  aus 
der  Odyssee  ab.  wie  stehts  aber  in  Wahrheit?  der  gegensatz 
Croesus  —  Irus  ist  im  altertum  sprichwörtlich,  vgl.  Properz  w  5, 17, 
Martial  v  39,  8f;  Höcks  unmittelbares  vorbild  aber  war  Ovid  Tristia 
III  7,  41  f:  Nempe  dat  id  cuicumqae  libet  fortuna  rapitque,  Irus  et 
est  subito,  qui  modo  Croesus  erat,  die  Kirkestelle  aber  geht  direct 
oder  indirect  zurück  auf  Plutarchs  dialog  rgvilog,  Ttegl  tov 
TU  akoya  loyq»  XQV^^^'  ^^'*^°  bittet  Odysseus  die  Kirke.  ihm 
seine  gefährten  wider  in  menschen  zurückzuverwandeln;  sie  will  dies 
tun,  wenn  die  geführten  selbst  damit  einverstanden  sind.  Gryllos 
allein  widersetzt  sich  und  entwickelt  in  längrer  rede,  dass  das 
leben  als  scliwein  dem  leben  als  mensch  bei  weitem  vorzuziehn 
sei.  [beiläufig  sei  bemerkt,  dass  die  worte,  die  den  Irusverseo 
in  cap.  78  unmittelbar  vorausgehn  (Die  Windt  vnd  sWetter  mechtig 
Die  höchsten  Thier  vnd  Baimb  vmbstürtzt  so  prechtig),  wol  von 
Horaz  Carm.  ii  10,9 — 12  angeregt  sind:  Saepius  ventis  agitatur 
ingetis  Pinus  et  celsae  graviore  casu  Decidunt  turres  feriuntque 
summos  Fulgura  montes.  alle  einzelheiten  finden  sich  wider: 
Baimb=pinus,  Windt ^=^ ventis,  Wettert:^fulgura,  höchsten  ^^  celsae, 
vmbstürtzt  =  decidunt.  dann  aber  ligt  es  nahe,  für  Thier  zu  con- 
jicieren:  Thürn  r=s  turres]. 

Aber  unsere  s.  xliii  ist  unerschöpflich;  es  heifst  weiter  bei 


310  KOCH   TUBOBALD   HOCK   SCHOBNES   BLUMBNPKLD 

Koch:  ^alle  diese  geschichtCD  gehörten  ebenso  wie  die  klugheits- 
regeln  Catos  (nr  33  und  56  v.  41)  schon  der  mittelalterlichen  Ober- 
liefrung  yom  altertume  an',  diese  werte  von  den  ^Uagheitsregeln 
Catos'  muss  jeder  kenner  mittelalterlicher  litleratur  dabin  deuten, 
dass  K.  behauptet,  die  beiden  citierten  gedichte  seien  abhängig 
von  den  Disticba  Catonis.  ich  vermag  aber  bei  HOck  nichts  von 
solcher  entlehnung  zu  spüren,  und  unser  gewahrsmann  bleibt 
denn  auch  wider  vorsichtig  den  beweis  schuldig,  die  Wahrheit 
ist,  dass  beide  steilen  aus  Plutarchs  Catobiographie  geschöpft  sind, 
und  zwar  die  verse  56,  41fr  direct;  sie  sind  eine  widergabe  de^ 
oft  citierten  sattes  ^^a^e/roy  fiiv  kari  ngog  yaariga  Uyeiw 
(ata  ovY.  exovaav.  daraus  erhellt  wol  auch  zur  genüge,  dass 
meine  oben  mitgeteilte  conjectur,  man  habe  Bauch  statt  Brauch 
zu  lesen,  richtig  ist.  die  andre  entlehnung,  nämlich  die  des  motivs 
von  cap.  32,  ist  nur  als  eine  indirecte  aufzufassen,  bei  Plotarch 
findet  sich  der  erste  anstofs;  dort  erzählt  (editio  Didotiana, 
Vitae  407,  42)  Cato,  er  habe  drei  dinge  in  seinem  leben  zu  be- 
reuen gehabt,  von  diesen  drei  stücken  berührt  sich  jedoch  nur 
eins  mit  einer  der  Warnungen  bei  Theobald  HOck  (offenbare  deinem 
weih  kein  geheimnis).  das  motiv  aber  von  den  drei  lehren  hat 
sich  durch  das  mittelalter  in  mannichfachen  kreuzungen  weiter 
ausgebildet  (vgl.  AMussafia  WSB.,  phiL-hist.  cl.,64,597ff;  RKOhler 
GGA  1871  s.  124  fl).  sowol  vereinzelt,  wie  combiniert  mit  fremden 
dementen,  auch  über  die  dreizahl  hinaus  vermehrt  finden  wir  die 
lebensregeln  weit  verbreitet,  bis  sie  endlich  bei  Hans  Sachs  (Bibl. 
d.  litt.  ver.  149,  s.  52)  aus  dem  munde  des  sterbenden  ritters 
Sophus  schon  fast  so  klingen  wie  bei  HOck.  völlig  decken  sie 
sich  inhaltlich  mit  seiner  fassung  in  einer  hs.  der  Ambrosiana 
aus  dem  15  jh.,  ed.  Cerioni  im  Propognatore  2,401,  nur  dass 
hier  die  lehren  in  einem  buche  gefunden  werden,  den  letzten 
schritt  endlich,  mit  dem  der  rundlauf  sich  schliefst,  tut  der  Livre 
du  Chevalier  de  la  Tour  Landry,  ed.  A.  de  Hontaigion,  Paris  1864. 
hier  gibt  Cato  die  drei  lehren  seinem  söhne  Catonnet.  aber  auch 
dieses  buch  dürfte  noch  immer  nicht  die  directe  vorläge  Höcks 
gewesen  sein ;  vielmehr  haben  wir  sie  mit  höchster  Wahrscheinlich- 
keit in  jener  sehr  beliebt  gewesenen  Egenolphischen  sprichwörter- 
sammlung  zu  sehen,  die  Goedeke  n*  15  citiert:  ^Sprichwörter, 
Schöne  Weise  Klügredenn'  (ich  citiere  nach  der  ausgäbe  von  1552). 
der  anonyme  compilator  fügt  jedem  Sprichwort  eine  ^gemeyne 
Außlegung'  bei,  die  oft  in  einer  würkiichen  erklärung,  oft  in  einer 
reihe  von  parallelsprüchen,  bisweilen  auch  in  beweisenden  anek- 
doten  besteht,  und  so  erzählt  er  denn  auch  s.  114*  bei  gelegen- 
heit  des  satzes  ^Emem  weib  fage  nichts  heymUdis,  damn  fit  k(hmmi 
nidu  fchweigm*  die  lange  geschichte,  die  der  ritter  vom  Thnm 
seinen  fünf  töchtern  vorgetragen  habe,  um  sie  vor  der  schwatz- 
haftigkeit  zu  warnen,  sie  beginnt:  j^^  ift  gewifm  su  Rhom  ein 
alter  weifer  man,  Cato  genant,  Difer  hat  feinen  fan,  dm  jungen 


KOCH  TUEOBALD  HOCK  SCHOBNES  BLOMBNFELO        31t 

Catonem^  an  feinem  todtheth  zu  fich  gefordert,  vnd  gefagt :  'Li^er 
fon,  ich  lige  hie  vnd  werd  fterhen,  darumm  wil  ich  dir,  ab  dem 
der  mein  gut  vnnd  ehr  erben  fol,  drei  leer  geben,  Wo  du  die  halten 
wirft,  fo  Wirt  es  dir  in  allen  dingen  glückfelig  ergehn.  Für  das 
erft,  foltu  dich  in  keines  herren  dienft  begeben,  der  dein  zu  leib 
vnd  gut  mechtig  ist.  Zum  andern,  wann  du  ein  weib  überkompft, 
dem  folt  du  nichts  heymlichs  vertrawen,  du  habest  dann  zuuor  er^ 
faren,  daß  fie  fchweigen  künde.  Dann  ob  es  wol  feUzam  ift, 
fchweigen  vnder  den  weibem,  fo  findet  mann  doch  auch  weiber  die 
fchweigen  künnen.  Zum  dritten,  foUu  keinen  dieb  vom  galgen, 
oder  einen  andern  übelthäter  vom  tod  bitten'. 

Ein  letztes  oial  noch  kehren  wir  zu  unsrer  s.  xliu  der  K.scbeD 
einleitung  zurück  und  finden  die  aufserordentUch  tief  dringende 
bemerkung:  ^nr  85  erzählt  aus  dem  kreise  der  sieben  weisen', 
der  satz  ist  nicht  zu  widerlegen,  aber  wir  hätten  Ober  nr  85 
gern  etwas  mehr  erfahren,  denn  in  diesem  interessanten,  wenn 
auch  traurig  mifsratnen  gedichte  erkennen  wir  einmal  die  arbeits- 
weise  Höcks  und  sehen,  wie  der  arme  poet  sich  abquält,  auch 
hier  fufst  er  auf  Plutarch,  und  zwar  auf  dem  anmutigen  2vfX7t6aiov 
TÜv  ima  aoqxiv  (Plut.  Moralia  rec.  GNBernardakis  i  375).  die 
Zusammenstellung  zeigt  es  klar. 

Der  (nämlich  Blas)  hat  es  anderft  weite, 
Aufiglegt  vnd  gfagt  darbey, 

Das  eldeft  nicht  die  zeite,  ii  n^acßvrarov; 

Sondern  allein  Gott  fey^  d'eve' 

Denn  der  ift  auch  geboren  nie,  ayswtjvov  ■  yaQ  iart. 

Das  grhft  fey  nicht  die  ff^elt  allhie,  xi  /Mytffvov; 

Sondern  das  Ort,  dWelt  hell  in  jhr  ronos'   xaXla  fiw  yä(f   6  HOCftos, 

All  ding  das  Ort  hell  fie  darfür,  %ov  da  %6cfiov  ovxos  ntQtexsi. 

Das  witzigefl  auff  Erden  xi  cotpa>xa%w\    (hier    hat    H.   die 

Sey  nicht  die  Warheit  klar,  reiheofolge  velräodert.) 

Sondern  die  zeit  thuts  werden,  x^ovos' 
Dann  ße  erfindt  fürwar. 
Allzeit  was  news,  das  fchhneft  fey 

D/icht  sLiecht,  fondem  der  ff^elt  Gebey,  K6a/ioe' 

Dann  alls  was  drin  ift  fchon  mit  heil,  nav  ya^  x6  xaxa  Tctfiv 

Das  ift  von  jhr  ein  ftuck  vnd  theit.  xovxov  fu'^os  iaxl. 

Fürs  gmaineft  nicht  ver flehet  xl  xotvoxaxov;  [ov  fitiv  avS*  o  d'a- 
Den  Todt,^  den[n]  gwißUch  er  vaxoi  xoivoxaxor  iaxtv* 

Die  lebndign  an  nicht  gehet,  ov  ya^  iaxi  n^Q  xovs  ^cJt^as, 

Sonderm  die  Hoffnung  mehr,  aXV]  ikniQ' 

Dann  wann  verlorn  feyn  alle  ding,  u<U  ya^  oU  alXo  fiujdäv. 

So  bleibt  die  Hoffnung  doch  fo  ring,  avxn  na^eart. 

Das  nutzliche ft  fey  vberall,  xi  oKpeXifACJxaxov; 

Die  Tugendt  die  in  manch  mal:  [?]  a^exi^-  xal  ya^ 

Das  Fnnutz  IVulz  kan  machen,  xäXXa  xf  x^i^ß^^*  xaXcSs 

Mit  jhren  rechten  brauch  axpihfia  noUi, 

Das  fchädtlicheft  der  fachen,  xi  ßXaßsQCuxaxov; 

Sey  nit  der  Teuffei  auch. 
Denn  er  den  frommen  fchadn  nit  kan, 


XPOVOQ'    ^       ^         .    j 

xa  uav  yaQ  ev^itar  ovxo£  ^Stj, 

xa  o*  av^rjaat.    xi  noXXufxop; 


312  KOCH   TUEOBALD    HOCK   8CH0BNB8   BLUMBNFELD 

Sondern  die  Boßheit  jederman  hokUl*  hcU  yaQ 

Thut  fchadn  allding  verderbt  fo  fchw&r,  ra    nXetara   ßldnt§$    na^ayero- 

Das  gut  auch  felbft  oft  bringt  in  gf&hr.         fUvrj. 

Das  flerckeft  wir  nit  künnen  rl  Uixu((9taxov\ 

Nennen  das  GHlck  dieweil 

So  vnftet  es  thut  rinnen^  {ov  ya(f  av  fmiiuntt 

fFie  fFafPer,  Fewr  vnd  Pfeil^  htifiim  ovTmi\ 

Sondern  die  noth,  recht  wie  man  fpricht,  ävayKij ' 
Die  noth  fucht  Brodtj  vnd  Eyfen  bricht^  fwvoy  yaQ  apixifrov,   hxL 
Der  wollupt  kan  nit  fein  allein^ 
Das  leichte fl  wie  man  mainl  in  gmain. 

Aus  diesen  zusammenstelluDgen  ersieht  man  quo  wol,  wie 
sehr  K.  unrecht  bat  mit  seiner  behauptung  (s.  XLni),  HOck  habe 
'besondere  gelehrte  kenntnisse'  nicht  aufzuweiseD.  im  gegenteil, 
wenn  K.  nicht  überall  bei  aufdeckung  antiker  einflösse  an  die 
unrechten  stellen  getappt  hätte,  so  wäre  er  wol  zu  anderm  resultat 
gelangt,  immerhin  aber  ist  er  doch  noch  der  ansieht,  die  reminis- 
cenzen  an  die  antike  seien  'viel  zahlreicher'  (s.  XLni)  als  die 
biblischen  anklänge,  auch  das  ist  falsch  und  am  schnellsten  zu 
widerlegen,  wenn  icb^  auch  ohne  den  Wortlaut  der  heiligen  schrift 
zu  citieren,  doch  eine  liste  der  entlehnungen  aufstelle.  HOck  s.  1 
Motto:  Ps.  94,  15;  H.  2,  2:  1  Petr.  1,9;  H.  1,  24:  Ebr.  10,33; 
H.  1,38:  1  Petr.  1,  24  (vielleicht  auch  Jes.  40,6);  H.  5,6: 
1  Thess.  5, 21  (?);  H.  5, 18 :  Matth.  13,  30;  H.  6,  31 :  Mattb.  1, 11 ; 
H.  6,39:  Matth.  22,37;  H.  6,77:  Ps.  38,10;  H.  6,83:  Rom.  12,19; 
H.  9  überschria:  Weish.  2,  1;  H.  9,1:  Weish.  7,18;  H.  9,10: 
Sir.  17,31;  H.  9,17:  Ps.  90, 10;  H.  10,28:  2  Cor.  6,7;  H.  12,14: 
Sir.  10,  7;  H.  12,  21:  Ps.  90,  10;  H.  12, 25:  Ps.  90, 12;  H.  14, 1  flf: 
1.  Cor.  13,  11;  H.  15,  1:  Ps.  94,  15;  H.  15,  4:  OBfb.  19,  2; 
H.  15, 16(T:  1  Cor.  10,13;  H.  16  Überschrift:  Ps.90,12;  H.  16,lff: 
Joh.  8,  51f;  H.  16,7:  Luc.  10,27;  H.  16,  14:  Luc,  10,  28; 
H.  16,  16:  Ps.  90,  12;  H.  16,  21:  1  Tim.  1,  15;  H.  16,31: 
Jac.  4,  14;  iL  16,  39:  Hiob  1,  21  und  Pred.  5,  14;  H.  16,  41  ff: 
Ps.  39,  6  und  12;  H.  16,  47 :  Apost.  8, 18  ff;  H.  16,  51 :  Apost.  9,  5; 
H.  17,21 :  Ps.  118,  8;  H.20,  Iff:  Jer.  9,  23;  H.  20, 14:  Luc.  16,9; 
H.  20,  34  f:  Rom.  3,  24;  H.  26,  19:  Hiob  7,  7;  H.  28,  4f: 
Matth.  6,24;  H.  28,27:  Luc.  16,9;  H.  36,25:  Ps.  90,12; 
H.  40,  31f:  2  Petr.  2,9;  H.  40,  35:  Rom.  2,4;  H.  43,  28 ff: 
Hiob  4,  21;  H.  51,  46f:  Ephes.  4,  4f;  (damit  ist  auch  die  von 
mir  vorgeschlagene  correctur  des  zwo  Seel  in  ein  Sed  begründet); 
H.  53, 9, 19,21 :  Spr.Sal.  30,  25, 30,  28;  H.  53, 13 ff:  Matth.  10, 16; 
H.  56,  55:  Spr.  Sal.  22, 14  und  23,  27;  H.  58,  3f:  Matth.  6, 34; 
H.  59,  4ff:  Sir.  11,  14;  H.  66,29;  Luc.  16,31;  H.  66,  41ff: 
Luc.  21,  25;  H.  66,  49:  Matth.  13,  43;  H.  66,59:  Luc  18,  25; 
H.  78,  12:  Ps,  113,6  und  138,6;  H.  78,20:  Matth.  11,29; 
H.  78,21:  Ps.  113,5;  H.  78,30:  Luc.  1,46  (allerdings  nur 
nach  der  Vulgata);  H.  78,  35  f:  Spr.  Sal.  16,  18. 

Man  sieht,  dass  die  reihe  erheblich  viel  länger  ist,  als  es  K. 


KOCH   THBOBALD    HOCK   SCH0ENB8   BLUMENFBLD  313 

in  den  3  Zeilen  s.  XLiif  ahnen  lässl.  er  hat  auch  dies  problem 
nur  obenhin  gestreift  und  dann  voreilige  Schlüsse  gezogen,  aufser- 
dem  mag  er  sich  die  zahl  der  in  frage  kommenden  citate  noch 
dadurch  vermindert  haben,  dass  er  einige  bibelsprOche  für  Sprich- 
wörter hielt,  wenigstens  ist  es  ihm  s.  lii,  z.  10  so  ergangen 
bei  dem  citat:  HOck  9  v.  17.  sonst  ist  die  dort  gemachte  beob- 
achtung  richtig:  Hock  greift  gern  in  den  Spruchschatz  des  Volkes, 
nur  hat  K.  auch  diese  anregung  zu  seinem  schaden  nicht  weiter 
verfolgt  und  sich  vor  allem  gar  nicht  die  frage  vorgelegt,  ob  HOck 
wol  aus  einer  bestimmten  quelle  wenigstens  einen  teil  seiner  Volks- 
tümlichen redensarten'  geschöpft  habe  und  ob  sich  daraus  der  ganz 
besondre  Wortlaut  bei  ihm  erklären  lasse,  man  kann  auch  hier 
zu  viel  besseren  ergebnissen  gelangen,  als  K.  sie  s.  lii,  z.  8 — 12 
vorlegt. 

Es  unterligt  keinem  zweifei,  dass  Hock  viel  den  ^Dicleria 
proverbialia  rbythmica  doctrinam  ethicam  complectentia' von  Andreas 
Gärtner  verdankt,  die  ebenso  wie  jene  früher  erwähnte  sprich- 
wörtersammlung  bei  Cgenolph  in  Frankfurt  erschienen  ist.  dieses 
buch  enthält  nämlich  nicht  nur  landläufige  deutsche  Sprichwörter 
nebst  ihrer  lateinischen  Übersetzung,  sondern  auch  lateinische 
Sentenzen  und  deren  ofi  sehr  freie  Übertragung  ins  deutsche,  und 
von  diesen  letzleren,  die  natürlich  nicht  gemeingut  des  Volkes  ge- 
wesen sein  können,  hat  Hock  eine  ganze  reihe  für  seine  gedichte 
verwertet,  ist  es  schon  auffällig,  wenn  wir  durch  den  vers  Et 
toga  fit  talis,  si  ventus  fit  borealis  (G.  p.  114^  nach  der  ausgäbe 
von  1591)  lebhaft  erinnert  werden  an  die  von  der  landläufigen 
form  (cf.  Hock  24, 13  den  Rock  nach  dem  Wind  kheren)  abweichende 
fassung  des  bekannten  Sprichworts  in  Höcks  versen  39,  19f  Doch 
muß  er  baldt,  gegm  Wetter  kalt,  Sein  Mantel  allzeit  kehren,  so 
dürfte  die  ähnlichkeit  zwischen  der  Übersetzung  von  Curia  Romana 
non  quaerit  ouem  sine  lana  (G.  p.  17')  Ein  armer  Gesell  kan 
schwerlich  zu  groffen  Ehren  vnd  Wirden  kommen,  wann  er  nicht 
zu  geben  hat  und  Hock  39,  1 — 5  noch  weniger  auf  Zufall  beruhen, 
weil  es  sich  bei  dieser  Übersetzung  überhaupt  um  kein  Sprichwort 
handelt.  —  ebenso  beweiskräftig  ist  die  Übereinstimmung  der  verse 
Höcks  12,  llf  {Deins  Nächften  Vnglück  dich  nit  frey,  Denk  das 
auch  deines  blüet  darbey)  mit  den  Gartnerschen  Sentenzen  auf 
p.  69'  und  116':  Si  videas,  aliquem  casurum,  siue  cadentem,  Non 
ride,  at  potius  gere  te  sibi  compatientem;  Wer  fich  eines  andern 
Vnglicks  oder  Falls  freuwet  vnd  nicht  viel  mehr  mitleiden  mit  jm 
hat,  dem  stehet  fein  eigen  verderb  vnd  blilhet  und  Vae  tibi  ridenti, 
nam  mox  post  gaudia  flebis:  Wer  fich  eins  andern  Vnglücks  freuwet, 
dem  ftehet  fein  eigens  offen  vnd  blüet.  —  noch  überzeugender  ist 
der  Zusammenhang  von  Höcks  75  gedieht  und  den  versen  bei 
Gärtner  p.  120'':  Tu  supplex  ora,  tu  protege,  tuque  labora  (Hock 
75,  79  f  Der  Pfaff  bett  fchier,  der  Fürft  regier,  der  Eawr  baws 
Landt):  Drey  Orden  hat  Gott  gerichtet  an,  Priester,  Regenten  vnd 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  21 


322  CONSENTIUS   EIN   AUFSATZ   LESSINOS   IM   WAHRSAGEB 

das  wort  'Naturalist\  das  der  Verfasser  des  aufsalzes  im  ^Wahr- 
sager' an  dieser  stelle  vor  allen  andern  hätte  Dennen  müssen. 

Dagegen  flnden  sich  auch  in  diesem  aufsatze  der  beliebte 
lessingische  ausdruck  Zsit  genug  und  das  wort  seMägefand.  aber 
jener  ausdruck  ist  keineswegs,  wie  C.  vermuten  möchte,  die 
sichre  marke,  an  der  man  Lessings  band  erkennen  kann;  er 
kommt  (nach  Sanders)  unter  anderm  bei  Rabener,  Herder,  Forster, 
Müllner,  Anton  Wall  vor.  das  wort  scUägefaul  hingegen  ver- 
wertete Lessing  zwar  gerade  um  jene  zeit,  da  er  im  engen  ver- 
kehr mit  Mylius  stand,  1750  zweimal  in  der  Übersetzung  der  Ge- 
fangenen des  Plautus  (lu  1.  v  1);  aber  der  im  17  jb.  mehrfach 
(bei  Coler,  Opitz,  Logau,  Slieler)  begegnende  ausdruck  war  da- 
mals gewis  auch  bei  andern  als  bei  Lessing  noch  vereinzelt  im 
gebrauche  :  keinesfalls  wenigstens  kann  dieses  einzige  wort  als 
ein  kräftiger  beweis  für  Lessings  Urheberschaft  gelten. 

Gegen  sie  scheint  der  umstand  zu  sprechen,  dass  in  unserm 
aufsatze  am  Schlüsse  der  nebensätze  die  hilfszeitwOrter  niemals 
gestrichen  sind,  in  seinen  spätem  Schriften  liefs  sie  Lessing  bei- 
nahe regelmäfsig  weg.  auch  in  den  recensionen  aus  den  jähren 
1748  und  1749  fehlen  sie  schon  recht  oft.  dagegen  stebn  sie 
vollzählich  in  den  beitragen  zum  Naturforscher  von  1747  und  sehr 
häufig  in  den  briefen  von  1749  und  1750,  sodass  man  für  diese 
frühzeit  Lessings  aus  ihrem  Vorhandensein  oder  fehlen  kaum  et- 
was mit  Sicherheit  schliefsen  kann,  wohl  aber  mutet  uns  in  dem 
aufsatze  des  Wahrsagers  die  nüchternheit  der  ganzen  Schreibweise, 
die  klägliche  armut  an  bildlichen  ausdrücken,  der  völlige  mangel 
an  antithetischen  Wendungen/  die  schulmeisterliche  gliederung  mit 
ihren  verschiedenen  Unterabteilungen  und  besonders  auch  die 
Schwerfälligkeit  der  satzbildung,  das  unbeholfene  einschieben  und 
anhängen  mehrfacher  nebensätze  so  unlessingisch  wie  möglich  an. 
und  selbst  der  persönliche  ton,  der  unsern  aufsatz  von  den  übrigen 
stücken  des  Wahrsagers  unterscheidet,  hat  mit  jenem  tone,  der 
uns  aus  den  gleichzeitigen  briefen  Lessings  entgegenklingt,  sehr 
wenig  gemein,  in  unserm  aufsatz  verrät  sich  der  persönliche  an- 
teil  des  Verfassers  an  den  fragen,  die  er  behandelt,  fast  nur  durch 
einzelne  kräftige  Scheltwörter;  in  jenen  briefen  hingegen  und  in 
den  übrigen  echten  Schriftstücken  Lessings  gibt  sich  die  erregung 
und  persönliche  teilnähme  des  schreibenden  vornehmlich  in  der 
Satzbildung  kund. 

Aus  allen  diesen  gründen  glaub  ich  den  von  C.  aus  der  Ver- 
gessenheit hervorgezogenen  aufsatz  Lessing  absprechen  zu  müssen, 
ein  mathematischer  beweis  lässt  sich  ja  weder  für  noch  gegen 
Lessings  Urheberschaft  führen;  ein  gut  teil  der  entscheidung  wird 
hier  immer  dem  gefühl  des  mit  Lessings  Schriften  vertrauten  kri- 
tikers  überlassen  bleiben  müssen,  dieses  gefühl  sträubte  sich  in 
mir  immer  wider  gegen  die  echtheit  des  aufsatzes,  so  oft  ich  ihn 
auch  nach  längeren  pausen  von  neuem  las.    dass  auch  die  gröfsere 


COISSENTIUS    EIN    AUFSATZ    LESSIN6S   IM   WAHRSAGER  323 

wahrscheinlicbkeit  gegen  jene  ecblheit  spricht,  geht  wol  aus  der 
obigen  prüfung  des  einzelnen  hervor.  C.  verweist  auch  fOr  zwei 
gedichte  im  Wahrsager  auf  Lessing  (s.  42).  da  mir  die  Wochen- 
schrift mit  dem  Wortlaut  dieser  gedichte  nicht  vorligt,  kann  ich 
üher  die  Vermutung  nichts  sagen,  ich  weifs  nur,  dass  mir,  als 
ich  vor  fünfzehn  jähren  den  Wahrsager  seite  für  seite  durch- 
suchte, das  lessingische  gepräge  nirgends  auf  versen  oder  prosa- 
stücken entgegenleuchlete,  wie  es  ja  auch  keiner,  der  sich  vor 
mir  derselben  mühe  unterzog,  hatte  bemerken  können. 

München,  28  märz  1900.  Franz  Muncker. 


L.  RousTAN,  Lenau  et  son  temps.    Paris,  Gerf,  1898.    viii  und  368  ss.    8^ 

Seit  dem  grundlegenden  werk  von  Schurz  ist  kaum  mehr 
ein  buch  über  Lenau  erschienen,  das  sich  an  äufserem  umfang 
mit  der  vorliegenden  französischen  dissertation  messen  kann;  es 
möge  auch  gleich  unverholen  der  meinung  ausdruck  gegeben 
werden,  dass  der  innere  wert  dieser  darstellung  sie  zu  der  besten 
unter  allen  gegenwärtig  existierenden  macht,  ein  enormer  fleifs 
ward  zu  ihrer  Vollendung  aufgewendet:  wie  aus  einer  gelegent- 
lichen bemerkung  (s.  329)  hervorgeht,  hatte  der  autor  bereits  zu 
beginn  des  deceuniums  persönliche  Verbindungen  mit  allen  den- 
jenigen, die  zu  Lenau  in  naher  beziehung  standen  und  eventuell 
über  unediertes  verfügen  konnten;  er  gieng  in  Deutschland  und 
Österreich  den  spuren  seines  dichters  nach  und  teilt  als  fruchte 
dieser  bemühungen  etliches  ungedruckte  mit,  Varianten  zu  be- 
kannten stellen,  tagebuchnotizen,  aufzeichnungen  aus  der  zeit  des 
irrsinns,  als  bedeutendstes  stück  das  fragment  eines  an  die  mutter 
gerichteten,  keineswegs  wertlosen  gedichtes  (s.  236).  zu  bedauern 
bleibt,  dass  einige  dieser  ungedruckten  stücke  nur  in  französischer 
Übersetzung  gegeben  sind,  freilich  nicht  gerade  bedeutende,  in 
diesem  geringen  neuen  material  ligt  auch  gar  nicht  der  wert  des 
buches,  sondern  in  der  mit  ziemlich  lückenloser  kenntnis  des  sehr 
umfänglichen  —  seither  übrigens  vermehrten  —  materials  ge- 
arbeiteten darstellung. 

R.,  der  Franzose,  der  immerhin  auch  einen  französischen 
leserkreis  vorauszusetzen  scheint,  rechnet  dennoch  auf  eine  ziemlich 
genaue  kenntnis  der  werke  und  der  äufseren  umstände  Lenaus; 
über  wichtige  epochen  geht  er  kurz  hinweg  —  manchmal  gar 
zu  kurz,  wie  besonders  über  das  Verhältnis  Lenaus  zu  Caroline 
Unger  — ,  von  den  werken  nimmt  er  nur  einzelne,  ihm  besonders 
interessante,  um  in  eingehnder  analyse  das  ihm  charakteristisch 
scheinende  zu  gewinnen,  ohne  ganz  streng  die  chronologische 
anordnung  einzuhalten,  zweck  seiner  darstellung  ist  es,  ein  bild 
des  geistigen  Werdeganges  Lenaus  zu  bieten  und  darüber  hinaus 
ein  bild  der  zeit.  *L'  histoire  de  sa  vie  et  de  son  oeuvre  est  en 
m^me  temps  l'histoire  de  T^volution  litt^raire  de  V  Antriebe  contem- 


324  R0U8TAN  LENAU  ET  80N  TEMPS 

poraine'  heifst  es  in  der  einleitung,  und  als  motto  tragt  das  buch  den 
vers  Grillparzers:  'Dich  hob,  didi  trug  und  dich  verdarb  die  Zdt\ 
wer  freilich  den  Grillparzerschen  nachruf  auf  Lenau  zur  band 
nimmt,  wird  bald  finden,  dass  der  vers  von  R.  entweder  misverstanden 
oder  etwas  misbraucht  wurde,  denn  er  soll  keineswegs  ausdrücken, 
dass  Lenau  wesentlich  ein  gescbOpf  seiner  zeit  gewesen  sei,  sondern 
der  misanthrop  Grillparzer  macht  es  dem  armen  landsmann  zum 
Vorwurf,  dass  er,  statt  sich  auf  sich  selbst,  oder  mindestens  auf 
Österreich  zu  beschränken,  verführt  durch  wenig  aufrichtige  lob- 
Sprüche  eine  allzugrofse  rolle  habe  spielen  wollen,  allzusehr  sich 
der  Öffentlichkeit  preisgegeben  habe  und  dadurch  zwar  über  sich 
selbst  eine  zeit  lang  hinausgehoben,  schhefslich  aber  zerstört 
worden  sei.  und  würklich,  bei  der  lectüre  des  buches  selbst 
wird  man  den  eindruck  gewinnen,  dass  Lenau  gewis  ^ein  kind 
seiner  zeit'  —  selbstverständlich  — ,  aber  weit  weniger  organisch 
aus  dieser  herausgewachsen  war,  als  andere,  dass  er  durchaus 
ein  pathologischer  einzelfall  war,  bei  dem  die  Schilderung  des 
allgemeinen  milieus  gerade  weniger  notwendig  gewesen  wäre, 
die  zahlreichen  capitel,  welche  diesem  zweck  gewidmet  sind,  er- 
scheinen nicht  recht  mit  dem  ganzen  verbunden,  sie  durchbrechen 
—  besonders  das  capitel  über  die  litteratur  der  Osterreichi- 
schen revolution  —  sogar  chronologisch  den  zusammenbang,  und 
so  sehr  die  fülle  der  kenntnis  bei  einem  Franzosen  in  erstaunen 
setzen  muss,  hier  wäre  eine  viel  knappere  darstellung  auch  hin- 
reichend gewesen,  sollte  nicht  R.  eben  durch  seine  umfassenden 
Studien  der  Versuchung  erlegen  sein,  ihre  fruchte  doch  auch  zur 
schau  stellen  zu  wollen,  und  eben  darum  den  unhaltbaren  begriff 
einer  zeit  Lenaus  geprägt  haben?  neues  enthahen  diese  capitel 
nirgends. 

Weniger  wird  dagegen  einzuwenden  sein,  dass  R.  die  wurzeln 
Lenaus  in  seiner  abstammung  aufsucht,  er  stellt  die  frage  nach 
seiner  nationalilät,  findet  starken  slavischen  einschlag  in  ursprüng- 
lich deutsches  blut  und  leitet  daraus,  aus  der  scblesischen  ber- 
kunft  der  Niembsch,  vielleicht  mehr  geistreich  als  zuverlässig  ge- 
wisse eigenschaften  des  dichters  ab;  er  weist  das  magyarische 
Clement  zwar  durch  die  familie  der  mutter  nach,  doch  zerstört 
er  die  romantische  fabel  von  dem  Pusztensohne  Lenau »  die  so 
unausrottbar  in  vielen  köpfen  spukt,  die  er  leider  selbst  zu  ver- 
werten nicht  verschmäht,  wenn  er  von  dem  orientalischen  bilder- 
reichtum  ^dieses  Magyaren'  spricht,  seine  spräche  mit  allzureich 
geschmückten  altungarischen  waffen  vergleicht  usw.  so  trägt  er 
selbst  dazu  bei,  den  unabweisbaren  schluss  zu  verdunkeln,  der 
sich  aus  seinen  Untersuchungen  ergibt,  dass  Lenau  durchaus  als 
Deutscher  zu  betrachten  ist,  —  als  Deutscher  schlechtweg,  es  ist 
sehr  wichtig  für  das  Verständnis  Lenaus,  dass  er  keinem  der 
deutschen  stamme  mit  Sicherheit  zuzurechnen,  keineswegs  so 
bodenständig  ist,   wie  Grillparzer  oder  Hartmann   und  Meifsner. 


ROUSTAN   LENAU   ET   SON   TEMPS  335 

was  ihn  an  Österreich  knüpft,  sind  die  vielen  persönlichen  be- 
ziehungen  und  die  liebe  zu  den  Alpen;  den  starken  localpatriotis- 
mus,  der  durch  alles  nörgeln  des  Österreichers  durchschlägt,  teilt 
er  nicht,  ihm  standen  zu  Zeiten  die  Schwaben  fast  naher,  wenn 
Lenau  hie  und  da  den  Magyaren  spielte,  etwa  sich  Miklos  nennen 
liefs,  während  er  im  familienkreise  Franz  —  nicht  Niklas  —  ge- 
nannt wurde,  so  ist  das  in  einer  zeit  weiter  nicht  auffallend,  wo 
man  die  'interessanten'  nationen  des  Ostens  im  Schimmer  roman- 
tischer Verklärung  sah,  wo  es  noch  Philhellenen  gab,  indes  der 
Polencultus  hell  aufOammte.  für  diese  Verhältnisse  scheint  R. 
jedes  Verständnis  abzugehn,  manche  seiner  behauptungen  in 
cap.  iiv,  der  darstellung  der  48  er  revolution  und  ihrer  lilteratur, 
erbalten  dadurch  einen  geradezu  erheiternden  anstrich,  wie  etwa 
die  bezeichnung  Meifsners  als  ^allemand  par  ia  race,  mais  tch^que 
de  naissance'. 

Im  weitern  verlaufe  der  darstellung  ist  R.  bemüht,  das  bild 
einer  geistigen  enlwicklung  zu  geben,  in  der  ein  element  un- 
veränderlich bleibt,  die  dunkle  Schwermut  Lenaus,  deren  wurzeln 
er  schon  in  der  Jugend  mit  ihren  ewig  wechselnden,  meistens 
aber  düstern  eindrücken  sucht,  in  den  unglücklichen  familien- 
verhällnissen,  trüben  lebenserfahrungen  und  nicht  zum  wenigsten 
iu  vererbten  einflüssen.  darüber  hinaus  sieht  er  in  Lenau  — 
und  darin  wird  ihm  jedermann  beipflichten  —  das  geschöpf  einer 
unendlich  feinen  und  leicht  erregbaren  Sensibilität,  die  jeden  ein- 
druck,  besonders  aber  solche  düsterer  natur,  ungemein  stark  em- 
pGndet;  eine  starke  phantasie  lässt,  verbunden  mit  dieser  Sensi- 
bilität, eine  symbolische  anschauungs-  und  ausdrucksweise  zum 
grundzug  seiner  poesie  werden  :  seine  naturbeseelung,  von  fast 
mythenbildender  kraft,  erinnert  R.  an  die  ältesten,  der  volks- 
auffassung  zunächst  stehnden  dichter,  —  wobei  die  frage  zu 
stellen  ist,  ob  nicht  gerade  bei  diesen  die  persönliche  natur- 
empfinduug  wenig  ausgebildet  war.  gering  entwickelt  ist  bei 
Lenau  der  wille;  er  war  wol  noch  weit  schwächer,  zeit  seines 
lebens  mehr  krankhaft  afllciert,  als  R.  anzunehmen  scheint,  wer 
sich  davon  überzeugen  will,  lese  Mulfingers  bericht  über  Lenaus 
amerikanischen  aufenthalt  im  1  bände  der  Americana  Germanica 
(1897),  aus  dem  mit  erschreckender  deutlichkeit  hervorgeht,  dass 
bereits  zu  dieser  seiner  poetischen  blütezeit  Lenau  geistig  in 
keiner  weise  normal  war.  aus  der  Willensschwäche  erklärt  sich 
die  überall  mangelnde  Selbstzucht;  so  konnte  der  dichter  es  nie 
zu  einem  berufe  bringen,  nie  ein  auf  würklich  fester,  sittlicheih 
grundlage  ruhendes  Verhältnis  zu  einem  manne  eingehn  —  zu 
frauen  zog  ihn  seine  impulsive,  bis  zu  einem  gewissen  grade  naive 
natur  — ;  so  gewann  er  nie,  was  er  schmerzlich  genug  anstrebte, 
eine  feste,  klare  weit-  und  lebensanschauung.  denn  neben  der 
starken  phantasie  macht  sich  in  Lenaus  wesen  ein  starker  trieb 
zu  einem  wenig  zusammenhängenden  denken  über  die  letzten  und 


326  ROUSTAN   LENAU    BT   SON   TEMPS 

böcbsten  dinge  geltend,  er  isl  in  hohem  grade  ein  grübler.  R., 
der  selbst  gern  diesen  deutschen  ausdruck  anwendet,  verwechselt 
diesen  unruhigen  drang  des  grüblers  mit  der  ernsten  bemühung 
des  denkers;  er  hält  allen  ernstes  Lenau  für  einen  tiefen  Philo- 
sophen, und  das  war  der  arme  neurastheniker  doch  gewis  nicht, 
er,  dem  die  ßlhigkeit^  ruhiger  Überlegung  immer  abgieng.  ge- 
wis, Lenau  hat  sich  zeitlebens  viel  mit  philosophie  abgegeben; 
wer  hätte  dies  nicht  getan  in  der  zeit,  da  die  grofsen  philoso- 
phischen lehrgebäude  entstanden  und  die  studierende  jugeud  es 
für  ihre  pflicht  hielt,  diesem  oder  jenem  lager  anzugehören? 
wurde  auch  in  Österreich  nicht  so  eifrig  philosophie  getrieben 
wie  draufsen  im  reich,  so  gab  es  doch  auch  hier  Kantianer  und 
Antikantianer,  als  Lenau  noch  Schulunterricht  genoss,  wie  später 
Fichte,  Schelling,  Hegel  ihre  freunde  und  gegner  fanden.  R.  be- 
lehrt uns  über  die  lehrer  des  jungen  Lenau,  er  berichtet  uns 
über  seine  ersten  knabenhaften  versuche  im  metaphysischen 
denken,  über  die  einflüsse  eines  freidenkerischen  oheims  und 
stellt  schliefslich  eine  ganze  geschichte  der  philosophie  seines 
dichters  auf.  der  knabe  wächst  in  streng  katholischer  Umgebung 
auf,  wird  aber  in  seinen  Wiener  Studien,  in  deren  verlauf  er  sich 
zunächst  mit  der  philosophie  der  stoiker,  dann  mit  Voltaire  und 
Kant  —  wol  sehr  oberflächlich  —  bekannt  macht,  allmählich  zum 
Skeptiker;  die  bekanntschaft  mit  Spinoza  nähert  ihn  dem  pan- 
theismus,  persönliche  einflüsse  der  frommen  schwäbischen  dichter 
führen  ihn  wider  zum  glauben  zurück,  eine  Wandlung,  die  dann 
durch  Sophie  und  Martensen  beschleunigt,  ja  auf  die  spitze  ge- 
trieben wird;  die  40er  jähre  aber  zeigen  Lenau  wider  vorge- 
schritten —  in  Roustanschem  sinne  —  zu  einer  dem  ^logischen 
Pantheismus'  Hegels  genäherten  anschauung,  die  insofern  auch 
den  Pessimismus  endlich  beruhigt,  als  sie  den  dichter  an  einen 
fortschritt  des  menschengeistes  glauben  lässt. 

Diese  Schwankungen  sind  unleugbar  vorhanden,  wenn  auch 
bei  betrachtung  des  gesamten  Lenauischen  briefweclisels  und  der 
werke  sich  niemals  ein  reiner  pantheismus  noch  ein  reiner  Spiri- 
tualismus, um  die  schlagworte  R.s  zu  gebrauchen,  nachweisen 
lässt.  selbst  zur  zeit  des  einflusses  Martensens  gibt  es  zweifei, 
zur  zeit  der  Albigenser  aber  zeigen  genug  briefstellen,  dass  Lenau 
noch  immer  an  einem  persönlichen  Gott  festhält,  was  R.  mit 
wenig  glücklichem  terminus  als  Spiritualismus  bezeichnet,  es  sind 
eben  überall  persönliche  momente,  nicht  die  logik  entscheidend, 
wer  seinen  gottglauben  in  erster  linie  aus  einer  mystischen  auf- 
fassung  der  liebe  gewinnt,  dann  wider  in  Spöttereien  über  kircbe 
und  glauben  verfallt,  ohne  dafür  eine  sichre  Weltanschauung  zu 
erringen,  der  hat  nicht  die  stärke,  die  dem  philosophen  eigen 
sein  muss,  der  könnte  höchstens  ein  roystiker  werden,  und  vollends 
die  freie  richtung  der  Albigenser,  die  sich  doch  meist  in  phrasen 
ergehn,    ist  nicht  aus  Lenaus  innerm  entsprungen;  gerade  hier 


ROUSTAN    LENAD    ET   SON   TEMPS  327 

war  es  zeitwürkung,  die  Lenaus  denken  in  neue  bahnen  zwang,  und 
gerade  hier  war  es  notwendig  gewesen,  dem  geistigen  zustand 
ganz  Deutschlands  im  beginn  der  40er  jähre  aufmerksamkeit  zu 
widmen,  statt  sich  auf  Lenau  zu  beschränken. 

Es  muss  wol  als  Wahrheit  gelten,  was  Lenau,  bereits  dem 
Wahnsinn  verfallen,  zu  Cmilie  sagte,  dass  er  stets  im  innersten 
ein  Christ  geblieben  sei. 

R.  geht  eben  von  der  falschen  Voraussetzung  aus,  Lenau  sei 
ein  höchst  subtiler  denker  gewesen,  der  schliefslich  sich  zu  einer 
der  modernen  auffassung  gemäfsen  philosophie  durchgerungen 
habe;  er  hat  es  nirgends  hehl,  dass  er  selbst  ganz  auf  evolutio- 
nistisch-monistischem  standpunct  steht,  so  tut  er  ganz  dasselbe, 
was  nach  Bauernfelds  meinung  einst  der  fromme  Martensen  tat, 
er  lässt  Lenau  sehr  vieles  sagen,  was  dieser  gewis  nicht  sagen 
wollte,  hauptsächlich  die  grofsen  werke,  der  Faust,  der  Savona- 
rola,  die  Albigenser  ziehen  ihn  an  :  da  consiruiert  er  eine  sehr 
zweifelhafte  entstehungsgeschichte  des  Faust,  wonach  der  dichter 
erst  den  beiden  sich  zum  pantheismus  habe  durchringen  lassen 
wollen;  bei  der  zweiten  bearbeitung  habe  dann  Lenau  den  Faust 
der  christlichen  auffassung  genähert;  und  von  dieser  künstlich 
geschafleneu  basis  aus  kritisiert  er  scharf  die  Widersprüche  im 
Faust,  ganz  vergessend,  dass,  wer  sich  dem  teufel  verschreibt, 
notwendig  an  einen  persönlichen  Gott  glauben  muss.  oder,  um 
die  behandlung  eines  gedichts  zu  erwähnen,  den  Raubschützen 
citiert  R.  sehr  gern  als  beweis  des  absoluten  skepticismus;  das 
Es  ist  halt  nichts  im  munde  des  gespenstes  soll  das  jenseits  leugnen, 
hier  ligt  wol  der  —  übrigens  ganz  vereinzelte  —  fall  vor,  dass 
R.  eine  halb  dialektische  Wendung  nicht  vollkommen  verstanden 
hat  :  die  französische  Übersetzung  Ml  n'y  a  rien'  entspricht  dem 
deutschen  satz  keineswegs  ganz,  andre  auslegungen  sind  aber  ein- 
fach aus  übergrofser  ^subtilität'  entsprungen,  ein  fehler,  dessen  sich 
R.  übrigens  selbst  bewust  ist. 

Hierher  gehört  auch  der  versuch,  aus  einer  höchst  geist- 
reichen Verwertung  einiger  briefstellen,  vor  allem  aber  der  briefe, 
die  Sophie  beim  ausbruch  des  Wahnsinns  an  Emilie  schrieb,  die 
gewisheit  eines  viel  intimeren  Verhältnisses  der  liebenden  zu  ge- 
winnen, als  die  gewährsmänner  zugeben  wollen,  der  beweis  ist 
nicht  erbracht :  indes  gerade  die  behandlung  dieses  Verhältnisses 
zeugt  von  der  scharfen  psychologischen  auffassung  R.s  und  lässt 
den  mann  erkennen,  der  von  modernen  dichtem  wie  gelehrten 
gleichviel  gelernt  hat. 

Damit  sei  auf  die  eingangsbehauptung  zurückgegriffen,  dass 
diese  biographie  die  beste  vorhandene  sei.  sie  wird  in  jedem 
leser  heftigen  Widerspruch  erregen  :  selten  mit  der  darstellung  der 
tatsachen,  oft  genug  mit  der  auslegung  und  deutung.  aber  über- 
all wird  man  den  ernsten  forscher  erkennen,  überall  den  mann 
von  weitem  blick   und  feinem  geschmack  :  es  sei   in  dieser  hin- 


326  ROUSTAN    LENAU    ET   SON   TEMPS 

höchsten  dinge  geltend,  er  ist  in  hohem  grade  ein  grUbler.  R., 
der  selbst  gern  diesen  deutschen  ausdruck  anwendet,  verwechselt 
diesen  unruhigen  drang  des  grüblers  mit  der  ernsten  bemühung 
des  denkers;  er  hält  allen  ernstes  Lenau  für  einen  tiefen  Philo- 
sophen, und  das  war  der  arme  neurastheniker  doch  gewis  nicht, 
er,  dem  die  ßlhigkeit  ruhiger  tlberlegung  immer  abgieng.  ge- 
wis, Lenau  hat  sich  zeitlebens  viel  mit  philosophie  abgegeben; 
wer  hätte  dies  nicht  getan  in  der  zeit,  da  die  grofsen  philoso- 
phischen lehrgehäude  entstanden  und  die  studierende  Jugend  es 
für  ihre  pflicht  hielt,  diesem  oder  jenem  lager  anzugehören? 
wurde  auch  in  Österreich  nicht  so  eifrig  philosophie  getrieben 
wie  draufsen  im  reich,  so  gab  es  doch  auch  hier  Kantianer  und 
Antikantianer,  als  Lenau  noch  Schulunterricht  genoss,  wie  später 
Fichte,  Schelling,  Hegel  ihre  freunde  und  gegner  fanden.  R.  be- 
lehrt uns  über  die  lehrer  des  jungen  Lenau,  er  berichtet  uns 
über  seine  ersten  knabenhaften  versuche  im  metaphysischen 
denken,  über  die  einflüsse  eines  freidenkerischen  oheims  und 
stellt  schliefslich  eine  ganze  geschichte  der  philosophie  seines 
dichters  auf.  der  knabe  wächst  in  streng  katholischer  Umgebung 
auf,  wird  aber  in  seinen  Wiener  Studien,  in  deren  verlauf  er  sich 
zunächst  mit  der  philosophie  der  stoiker,  dann  mit  Voltaire  und 
Kant  —  wol  sehr  oberflächlich  —  bekannt  macht,  allmählich  zum 
Skeptiker;  die  bekanntscbaft  mit  Spinoza  nähert  ihn  dem  pan- 
theismus,  persönliche  einflüsse  der  frommen  schwäbischen  dichter 
führen  ihn  wider  zum  glauben  zurück,  eine  Wandlung,  die  dann 
durch  Sophie  und  Martensen  beschleunigt,  ja  auf  die  spitze  ge- 
trieben wird;  die  40er  jähre  aber  zeigen  Lenau  wider  vorge- 
schritten —  in  Roustanschem  sinne  —  zu  einer  dem  Mogischen 
Pantheismus'  Hegels  genäherten  anschauung,  die  insofern  auch 
den  Pessimismus  endlich  beruhigt,  als  sie  den  dichter  an  einen 
fortschritt  des  menschengeistes  glauben  lässt. 

Diese  Schwankungen  sind  unleugbar  vorhanden,  wenn  auch 
bei  betrachtung  des  gesamten  Lenauischen  briefwechsels  und  der 
werke  sich  niemals  ein  reiner  pantheismus  noch  ein  reiner  Spiri- 
tualismus, um  die  schlagworte  R.s  zu  gebrauchen,  nachweisen 
lässt.  selbst  zur  zeit  des  einflusses  Martensens  gibt  es  zweifei, 
zur  zeit  der  Albigenser  aber  zeigen  genug  briefstellen,  dass  Lenau 
noch  immer  an  einem  persönlichen  Gott  festhält,  was  R.  mit 
wenig  glücklichem  terminus  als  Spiritualismus  bezeichnet,  es  sind 
eben  überall  persönliche  momente,  nicht  die  logik  entscheidend, 
wer  seinen  gottglauben  in  erster  linie  aus  einer  mystischen  auf- 
fassung  der  liebe  gewinnt,  dann  wider  in  Spöttereien  über  kirche 
und  glauben  verfallt,  ohne  dafür  eine  sichre  Weltanschauung  zu 
erringen,  der  hat  nicht  die  stärke,  die  dem  philosophen  eigen 
sein  muss,  der  könnte  höchstens  ein  mystiker  werden,  und  vollends 
die  freie  richtung  der  Albigenser,  die  sich  doch  meist  in  phrasen 
ergehn,   ist  nicht  aus  Lenaus  innerm  entsprungen;  gerade  hier 


ROUSTAN    LENAD    ET   SON   TEMP8  327 

war  es  zeitwürkung,  die  Lenaus  denken  in  neue  bahnen  zwang,  und 
gerade  hier  war  es  notwendig  gewesen,  dem  geistigen  zustand 
ganz  Deutschlands  im  beginn  der  40er  jähre  aufmerksamkeit  zu 
widmen,  statt  sich  auf  Lenau  zu  beschränken. 

Es  muss  wol  als  Wahrheit  gelten,  was  Lenau,  bereits  dem 
Wahnsinn  verfallen,  zu  Cmilie  sagte,  dass  er  stets  im  innersten 
ein  Christ  geblieben  sei. 

R.  geht  eben  von  der  falschen  Voraussetzung  aus,  Lenau  sei 
ein  höchst  subtiler  denker  gewesen,  der  schliefslich  sich  zu  einer 
der  modernen  auffassung  gemäfsen  philosophie  durchgerungen 
habe;  er  hat  es  nirgends  hehl,  dass  er  selbst  ganz  auf  evolutio- 
nistisch-monistischem  standpunct  steht,  so  tut  er  ganz  dasselbe, 
was  nach  Bauernfelds  meinung  einst  der  fromme  Martensen  tat, 
er  lässt  Lenau  sehr  vieles  sagen,  was  dieser  gewis  nicht  sagen 
wollte,  hauptsächlich  die  grofsen  werke,  der  Faust,  der  Savona- 
rola,  die  Albigenser  ziehen  ihn  an  :  da  construiert  er  eine  sehr 
zweifelhafte  entstehungsgeschichte  des  Faust,  wonach  der  dichter 
erst  den  beiden  sich  zum  pantheismus  habe  durchringen  lassen 
wollen;  bei  der  zweiten  bearbeitung  habe  dann  Lenau  den  Faust 
der  christlichen  auffassung  genähert;  und  von  dieser  künstlich 
geschafleneu  basis  aus  kritisiert  er  scharf  die  Widersprüche  im 
Faust,  ganz  vergessend,  dass,  wer  sich  dem  teufel  verschreibt, 
notwendig  an  einen  persönlichen  Gott  glauben  muss.  oder,  um 
die  behandlung  eines  gedichts  zu  erwähnen,  den  Raubschützen 
citiert  R.  sehr  gern  als  beweis  des  absoluten  skepticismus ;  das 
Es  ist  halt  nichts  im  munde  des  gespenstes  soll  das  jenseits  leugnen, 
hier  ligt  wol  der  —  übrigens  ganz  vereinzelte  —  fall  vor,  dass 
R.  eine  halb  dialektische  Wendung  nicht  vollkommen  verstanden 
hat  :  die  französische  Übersetzung  Sl  n'y  a  rien'  entspricht  dem 
deutschen  satz  keineswegs  ganz,  andre  auslegungen  sind  aber  ein- 
fach aus  übergrofser  ^subtilität'  entsprungen,  ein  fehler,  dessen  sich 
R.  übrigens  selbst  bewust  ist. 

Hierher  gehört  auch  der  versuch,  aus  einer  höchst  geist- 
reichen Verwertung  einiger  briefstellen,  vor  allem  aber  derbriefe, 
die  Sophie  beim  ausbruch  des  Wahnsinns  an  Emilie  schrieb,  die 
gewisheit  eines  viel  intimeren  Verhältnisses  der  liebenden  zu  ge- 
winnen, als  die  gewährsmänner  zugeben  wollen,  der  beweis  ist 
nicht  erbracht :  indes  gerade  die  behandlung  dieses  Verhältnisses 
zeugt  von  der  scharfen  psychologischen  auffassung  R.s  und  lässt 
den  mann  erkennen,  der  von  modernen  dichtem  wie  gelehrten 
gleichviel  gelernt  hat. 

Damit  sei  aur  die  eingangsbebauptung  zurückgegriffen,  dass 
diese  biographie  die  beste  vorhandene  sei.  sie  wird  in  jedem 
leser  heftigen  Widerspruch  erregen  :  selten  mit  der  darstellung  der 
tatsachen,  oft  genug  mit  der  auslegung  und  deutung.  aber  über- 
all wird  man  den  ernsten  forscher  erkennen,  überall  den  mann 
von  weitem  blick   und  feinem  geschmack  :  es  sei   in  dieser  bin- 


328  ROUSTAN   LBNAU   ET   SOIf   TBMPS 

sieht  besonders  hingewiesea  auf  die  sehr  feine  chirakteristik  der 
Lenauscben  form,  die  selbst  für  das  metrum  —  in  einer  fremden 
spräche!  —  ein  seltenes  Verständnis  beweist;  überall  wird  man 
sich  an  der  glänzenden  darstellung  erfreuen. 

Wien,  neujahr  1900.  Valentui  Pollak. 


LiTTBRATUBNOTIZEN. 

Handschriflenconservierung.  nach  den  Verhandlungen  der  SGallener 
internationalen  conferenz  zur  erhaltung  und  ausbesserung  alter 
hss.  von  1898  sowie  der  Dresdner  conferenz  deutscher  archivare 
von  1899  bearbeitet  von  dr  0.  Posse,  mit  4  photographiachen 
kupferdrucktafeln.    Dresden,  verlag  des  Apollo,  1899.    52  ss.  8^. 

2  m.  —  Anleitung  zur  erhaltung  und  ausbesserung  von  hss.  durch 
zaponimprägnierung  von  dr  E.  Schill.  Dresden,  verlag  des  Apollo, 
1899.  17  ss.  80.  0,60  m.  —  bekanntlich  fand  am  30  September 
und  1  october  1898  zu  SGallen  ein  internationaler  congresa  von 
bibliotheksbeamten  statt,  welcher  auf  anregung  des  derzeitigen 
präfecten  der  Vaticana,  des  p.  Ehrle,  sich  mit  der  frage  beschäf- 
tigte, wie  dem  fortschreitenden  zerstorungsprocess,  dem  gewisse 
kategorien  alter  pergamenthss. ,  in  Sonderheit  die  mit  reagentien 
behandelten  palimpseste,  zum  opfer  zu  fallen  drohen,  vorgebeugt 
werden  könne,  die  Versammlung  einigte  sich  auf  vier  resolutionen, 
welche  den  wünsch  nach  photographischer  reproduction  der  am 
meisten  gefährdeten  mss.  und  nach  gründlichem  Studium  der  bis^ 
her  angewanten  conservierungsmethoden  sowol  von  pergament- 
wie  von  papierhss.  aussprachen,  zur  prüfung  eines  bereits  in 
SGallen  discutierten  Verfahrens,  der  von  dem  Oberstabsarzt  Schill 
erfundenen  zaponimprägnierung,  berief  nun  das  sächsische  kriegs- 
ministerium  Vertreter  der  deutschen  archivverwaltungen  für  den 
.18  und  19  September  1899  nach  Dresden,  das  resulut  der  Ver- 
handlungen darf  als  ein  für  das  zapon verfahren  recht  günstiges 
bezeichnet  werden,  in  so  fern  diese  methode  wolfeil,  wenig  com- 
pliciert,  überall  anwendbar  und  nach  den  bisher  gemachten  er* 
fabrungen  auch  durchaus  unschädlich  ist.  zapon,  ein  in  Amerika 
zuerst  dargestellter  selbstglättender  lack,  besteht  aus  nitrierter 
cellulose,  dh.  gereinigter  baumwolle,  welche  gelöst  wird  durch 
amylacet.  ein  liter  davon,  ausreichend  für  einen  ganzen  acten- 
band,  kostet  hei  der  chemischen  fabrik  dr  Perl  &  co.  zu  Berlin 

3  m.  indem  das  zapon  in  alle  poren  des  papiers  eindringt,  über- 
zieht es  nicht  nur  dessen  oberüäche  mit  einer  völlig  durchsich- 
tigen, elastischen,  gegen  feuchtigkeit  unempfindlichen  schutischicht, 
unterhalb  welcher  etwa  vorhandene  Schimmelpilze  weiter  sich  aus- 
zubreiten unßlhig  werden,  sondern  festigt  auch  vermoderte  stellen 
in  dem  grade,  dass  ferneres  losbröckeln  einzelner  teilchen  aus- 
geschlossen ist.  nicht  mindere  bedeutung  kann  das  neue  präser^ 
valiv  für  drucksachen  gewinnen  :  es  vermag  bOcher,   bei  deren 


POSSE    UND    SCHILL    HA^USCURIFTE^^COrKSeilVlELfiC.'^G  320 

berstelluDg  holzhaltiges  papier  in  anweDiJung  kam^  wie  das  in 
den  siehziger  jähren  mit  Vorliebe  geschah^  vor  totalem  zerfall  zu 
schützeo,  und  wird  dem  einen  oder  dem  andern  eiemplar  unsrer 
Zeitungen  zu  dauernder  erhahung  für  die  nachweit  verhelfen. 

Freilich  beseitigt  das  cotiservieruagsmiltet  weder  die  schlimmen 
folgen  früher  gebrauchter  reageutien  noch  besitzt  es  die  l^bigkeit, 
verblichene  schriftzUge  lesbar  zu  machen,  meiner  erfährung  nach 
würkt  jedes  reagens  schädlich,  ich  rede  nicht  von  der  heillosen 
Giobertischen  tinctur,  mit  welcher  die  beiden  Mone,  vaii^r  und 
söhn,  nicht  wenige  SPauler  hss.  gründlich  verdorben  haben,  auch 
nicht  von  der  galläpfelgerbsdure,  durch  deren  anwendung  Docen 
beispielsweise  mehrere  bll.  des  Clm.  14689  oder  das  Indersdorfer 
stück  vom  heimlichen  boten  (Anz.  ii  238)  für  alle  Zeiten  ruinierte: 
selbst  der  meist  als  harmlos  gepriesene  liquor  ammonii  hydro- 
sulphurati  zerstört  das  pergament,  nicht  nur  wenn  er  leichtfertig 
über  gröfsere  flächen  ausgegossen  wird  (auf  diese  weise  hat 
Hattemer  sich  an  dem  Vocabularius  SGalli  versündigt),  sondern 
auch  bei  vorsichtigem  gebrauch.  '  denn  wahrhaft  würksam  und 
zuweilen  geradezu  verblütfende  resultate  zeitigend  ist  dies  reagens 
nur  dann,  wenn  das  damit  behandelte  wort  gleichzeitig  unter  die 
lupe  genommen  und  die  f^rbung  der  schriftzüge  während  des  auf- 
tropfens  der  tinctur  scharf  beobachtet  wird,  darüber  vergehn 
secunden;  je  länger  aber  die  flüssigkeit,  ohne  mittels  fliefspapiers 
aufgesogen  zu  werden,  auf  dem  pergament  stebn  bleibt,  um  so 
stärker  verkalkt  sie  dasselbe,  deshalb  war  es  mir  von  höchstem 
interesse,  Posses  schrift  s.  4  fr  und  den  ihr  beigefügten  tafeln  ent- 
nehmen zu  dürfen,  dass  neuerdings  Pringsheim  und  Gradenwitz 
ein  photographisches  verfahren  erfunden  haben,  welches  bei  wider- 
gabe  von  palimpsesten  die  spätere  schrift  ganz  verschwinden,  die 
frühere  stark  hervortreten  lässt.  darnach  steht  zu  hoffen,  dass 
der  fortschritt  der  photographischen  technik  allmählich  jede  Ver- 
wendung von  reagentien  entbehrlich  machen  wird,  so  schlägt 
vielleicht  dem  Arnsteiner  Marienieich  und  der  für  die  geschichte 
der  glossen  unendlich  wichtigen  Lobkowitzschen  hs.  434  (Ahd. 
gll.  4,6030  ^^^^  einmal  die  stunde  der  erlösung.  St. 

Veelderhande  geneuchlycke  dichten ,  tafelspelen  ende  refereyneD 
opnieuw  uitgegeven  vanwege*  de  Maatschappy  der  Nederlandsche 
letterkunde  te  Leiden.  Leiden,  voorheen  EJBrill,  1899.  xxvni 
und  218  SS.  8^.  1,50  fl.  —  die  herausgeber,  welche  sich  nur  als 
De  commissie  voor  taal-en  letterkunde  by  de  M.  d.  nl.  Ik.  be- 
zeichnen^ haben  einen  druck  (Antwerpen  1600)  zu  gründe  gelegt 
und  die  Varianten  späterer  auflagen,  am  Schlüsse  ein  nur  in  diesen 
überliefertes  gedieht  beigefügt,  alles  auf  das  entstehn  und  den 
inhalt  der  Sammlung  bezügliche  soll  später  in  der  Tijdschrift  voor 
Nederlandsche  taal-en  letterkunde  nachgetragen  werden,  so  be- 
gnügt sich  auch  der  ref.  mit  einem  hinweis  auf  das  merkwürdige 
buch  und  einigen  gelegentlichen  bemerkungen.  es  ligt  hier  im 
A.  F.  D.  A.  XXVI.  22 


^ 

1 


330  VEELDERHANDE   GENEUCHLTCKE    DICHTEN 

original  ein  halbgelehrtes  unternehmen  vor,  wie  ahnliches  im 
17  jh.  öfters  ganz  in  lateinischer  form  erschienen  ist.  in  bunter 
mischung  wechseln  prosa  und  verse,  älteres  und  jüngeres,  ernst- 
satirisches und  possenhaftes  miteinander  ab.  die  dramatischen  stocke 
haben  die  einfache  form  der  ^Tafelspelen',  dh.  sie  sind  bestimmt 
vor  einer  schmausenden  gesellschaft  von  ein  paar  eintretenden 
Spielern  vorgetragen  zu  werden  :  so  s.  3  eine  scene  zwischen 
mann  und  frau,  erstrer  weigert  sich  beim  weg  nach  hause  die 
laterne  zu  tragen,  wird  aber  durch  eine  tracht  prügel  zu  allem 
willfährig  gemacht;  dann  s.21  ^Moorkem  vel  \  van  de  ^tade  mjuen\ 
eine  aus  der  niederdeutschen  dramatik  bekannte  handlung  :  das 
keifende  weib  wird  in  eine  pferdehaut  gesteckt;  hier  sind  aufser 
dem  ehepaar  noch  die  mutter  der  frau  und  ein  rat  gebender 
nachbar  beschäftigt;  s.  40  ^Een  Beeren  Vasten-avants-spel'  :  zwei 
bauern  unterreden  sich  über  ihre  marktgaunereien  gegen  die 
Städter;  s.  72  'Van  den  ouden  ende  langhen  Aemout*  :  Arnout 
(an  arm  angelehnt?)  ist  soviel  wie  Rabau,  lump,  Stromer;  die 
'Aernouts  broederen'  bilden  einen  orden,  dessen  regeln  an 
weit  ältere  der  Vagantengenossenschaften  erinnern;  selbst  die 
künste  Aernouts,  der  in  Paris  Wahrsagung  und  Zauberei  gelernt 
hat  (s.  95),  sind  dieselben,  die  den  mhd.  fahrenden  scbülern  zu- 
geschrieben werden;  sogar  das  lodderhout  erscheint  s.  94;  ander- 
seits sind  starke  berührungen  mit  Grobianus  und  Grobiana,  so- 
wie mit  den  spanischen  bettlerromanen  und  den  niederländischen 
genrebildern  vorhanden;  ferner  s.  163  ein  ^Dialogus  van  den  Mey 
ende  van  den  schoone  vrouwen* :  der  ^meester'  rühmt  den  mai,  gibt 
sich  aber  überwunden,  als  der  'klerck'  sich  auf  die  Jungfrau  Maria 
beruft;  endlich  s.  195  ^Een  sötte  vraghe  van  Claes  ende  em  wijse 
antwoorde  van  Jan*  ist  ganz  im  ton  der  englischen  comOdianten 
gehalten.  —  von  den  didaktischen  gedichten  in  versen  parodieren 
einige  kirchliche  formein  und  mischen  gern  lateinische  floskeln 
ein,  die  frei  von  fehlem,  den  gelehrten  Ursprung  bezeugen,  ziem- 
lich ernsthaft  gemeint  ist  die  prosa  s.  126  ^Den  rechten  weg  nae 
fGasthuys*  (spital),  worin  im  ton  einer  kapuzinerpredigt  alle  faulen, 
unüberlegten,  die  Verschwender,  die  ungehorsamen  kinder  usw. 
auf  ihr  vermutliches  ziel  hingewiesen  werden;  nicht  witziger  ist 
der  poetische  bann  s.  140,  worin  alle  braven  und  fleifsigen  aus 
dem  spital  ausgewiesen  werden,  das  gedieht  *Van  Bacchus*  s.  173 
gleicht  den  abschreckenden  versen  unsrer  mäfsigkeitsvereine.  am 
besten  sind  die  rein  lustigen  stücke,  so  'Van  t'Luye-kckerlant'  s.l42: 
es  ist  die  Schilderung  des  schlarafienlandes,  am  meisten  überein- 
stimmend mit  dem  Zs.  2,568  abgedruckten  lied  von  1611,  das 
auch  zeitlich  ganz  nahe  steht  s.  150  folgt  ein  gedieht  ^Van  smie 
Niemant',  s.  156  ^Van  den  Langhen  Waghen',  eine  auch  sonst  vor- 
kommende Variante  zum  Narrenschiff;  s.  208  ein  lügenmärchen ; 
endlich  s.  212  'Ben  ghenoechlic  Refereyn  van  het  EuangeUe  van 
den  Spinrocken\  eine  Verspottung  des  aberglaubens.  die  Verhältnis- 


VEELDERHAKDE    GEiNEÜCHLTGKE   DICHTEN  331 

mäfsige  reinlieit  von  zoten  ist  bemerkenswert;  andre  naturalia,  unge^ 
ziefer  usw.  werden  allerdings  nicht  ausgeschlossen,  dies  gilt  auch  für 
die  wenigen  schwanke,  welche  eingeschaltet  sind.  E.  Martin. 

Theologia  deutsch:  die  leret  usw.  nach  der  einzigen  bis  jetzt  be- 
kannten handschrift  herausgegeben  und  mit  einer  neudeutscben 
Übersetzung  versehen  von  Franz  Pfeiffer.  4  unveränderte  aufl. 
Gütersloh,  CBertelsmann,  1900.  xxxu' und  239  ss.  8<^.  3  m.  — 
PfeifTers  ausgäbe  der  ^Deutschen  theologie'  (zuerst  1851,  dann  1855) 
hat  das  doppelte  verdienst,  die  Bronnbacher  (jetzt  Kleinheubacher) 
hs.  in  bequemer  form  zugänglich  gemacht  und  das  interesse  an 
dem  werkchen  durch  eine  sehr  reichhaltige  und  interessante  biblio- 
graphie  der  Lutherschen  ausgäbe  gesteigert  zu  haben,  zum  zweiten 
mal  erscheint  sie  jetzt  unverändert  im  Bertelsmannschen  vertage: 
links  der  alte  text  in  gotischen  lettern,  leidlich  sauber  corrigiert, 
ihm  gegenüber  in  bourgeois-fractur  Pf.s  neudeutsche  bearbeitung. 
sollte  die  buchhandlung  noch  einmal  in  die  läge  kommen,  zu 
einem  abdruck  zu  schreiten,  so  mOcht  ich  ihr  zwei  neuerungen 
empfehlen,  der  vorrede  liefsen  sich  die  notwendigen  litteratur- 
nachtrage  leicht  anfügen,  —  auch  die  bibliographie  könnte  wol 
eine  revision  vertragen,  es  geht  doch  heute  kaum  an,  die  Weimarer 
Lutherausgabe  (bd  i)  zu  verschweigen,  wenn  auch  Knaakes  dort 
s.  376  citiertcr  neudruck  ('Weimar  1883')  niemals  erschienen 
ist.  im  text  aber  möge  man  die  von  Pf.  beliebten  länge- 
zeichen beseitigen,  einen  prosaiker  des  späten  14  jhs.  mit 
circumflexen  zu  bestreuen,  dürfte  beule  kaum  noch  jemandem 
einfallen;  Pf.s  quantitäten  sind  aber  obendrein  oft  recht  anfecht- 
bar :  so  gewis  die  circumflexe  bei  gedächte  und  andSchtig,  Idßen 
leßet  und  gar  lest,  käst  und  hest,  muß  usw.  verspätet  sind,  so 
verkehrt  ist  unter  Pf.s  princip  ihre  fortlassung  im  adv.  zu,  bei 
nimant  usw.  und  für  unsern  druck  ergibt  sich  obendrein  der 
übelstand,  dass  fast  alle  störenden  setzerfehler  sich  als  verirrte 
circumflexe  vorstellen :  wortbilder  wie  wonikng  6.  52,  götUcher  s.  54. 
132,  glaubet  s.  190,  begerunge  s.  218  sind  für  den  laien  ver- 
wirrend, für  den  kundigen  ärgerlich. 

Im  übrigen  mag  der  text  so  hingehn,  bis  einer  das  material 
oder  den  mut  zu  einer  kritischen  ausgäbe  findet,  ich  halt  ihn 
sogar  für  besser  überliefert  als  Pf.  s.  xxi,  der  dem  Schreiber  von 
1497  ua.  durchgehnde  ersetzung  von  minne,  minnen  durch  liebe, 
lieb  haben  zutraut,  dagegen  spricht  schon,  dass  das  wort  bei 
unserm  autor,  der  in  jeder  art  von  allitteration  und  annomination 
schwelgt,  überaus  bäuüg  mit  Hecht  gebunden  und  in  enger  Um- 
gebung von  leben,  loben,  Uren,  leiten  erscheint,  so  zb.  s.  168  (und 
ähnlich  174.  176)  Ein  igliche  Mebe  muß  von  eime  Hechte  oder 
bekentnis  geiert  und  geleitet  werden,  und  besonders  lehrreich 
s.  180  unten  .  . .  gelebet  wirt  in  dem  waren  Mecht  und  in  der  ware9% 

Mebe ,  das  ist  dass  aller  edelste  .  .  .  leben geUebet  und  ge-- 

\obet  werden  über  alle  leben Und  dise  liebe,  da  von  dis  edel 

22* 


332  PFEIFER   THEOLOGIA   DEUTSCH  4  AUFL. 

kben  geUebet  wirt,  —  freilich  begegnet  auch  eine  stelle,  wo  man 
nach  dem  gleichen  kriterium  minnen  einsetzen  könnte:  s.  180 
z.  10  v.o.  geliebet  und  gemeinet,  vielleicht  hat  der  Verfasser 
beide  Wörter  promiscue  gebraucht.  —  s.  58  z.  5  v.  u.  I.  das  ein 
mensche  sich  .  .  .  aUer  dinge  vorzige  sL  Vorzüge.  —  s.  138 
z.  2  v.  u.  ist  wol  das  zweite  ist  zu  streichen.  E.  Sch. 

loannes  Nicolai  Secundus  'Basia'.  mit  einer  auswahi  aus  den  Vor- 
bildern und  nachahmern  herausgegeben  von  Gbobg  Ellluvgkr. 
[aa  Lateinische  litteraturdenkmäler  des  xv  und  xvi  jhs.  heraus- 
gegeben von  Max  Herrman^t  14.]  Berlin,  Weidmann,  1899.  lii 
und  38  SS.  S^.  1,20  m.  —  die  'Küsse'  des  Johannes  Secundus 
gehören  zu  den  wenigen  neulateinischen  dichtungen,  die  sich 
ilurch  die  Jahrhunderte  hindurch  einen  leserkreis  bewahrt  und 
ihren  reiz  auch  auf  gröfsere  dichter,  wie  bei  uns  Goethe  und 
Bürger,  nicht  verfehlt  haben,  so  haben  sie  in  der  Sammlung 
Uerrmanns  mit  recht  einen  platz  gefunden ,  mag  auch  das  anti- 
quariat  bis  heute  leicht  und  billich  gelegenheit  bieten,  eine  der 
altern  ausgaben  zu  erwerben;  denn  die 'Basia'  sind  viel  gedruckt 
worden  und  sogar  die  ehre  einer  kritischen  ausgäbe  mit  ausge- 
zeichnetem commentar  ward  den  werken  des  Haager  poeten  zu 
teil  :  durch  Petrus  Bosscha,  der  dabei  die  vorarbeiten  des  jungem 
Burmann  benutzte,  1821.  EUinger  zeigt  freilich,  dass  die  kri- 
tische leistung  Bosschas  nicht  einwandsfrei  ist,  er  selbst  bringt 
von  den  beiden  Originalausgaben  die  jüngere  (B,  1541  :  5  jähre 
nach  dem  tode  S.s)  zu  buchstabengetreuem  abdruck,  mit  jener 
Sauberkeit,  an  die  uns  die  Sammlung  gewöhnt  hat.  die  lesarteu 
des  erstlingsdrucks  werden  auf  s.  XLvif  vollständig  aufgezählt,  nur 
zu  VIII  18  war  die  Variante  genauer  zu  geben  :  est  Neaera  iniqua, 
und  wenn  eine  vereinzelte  la.  (i  24)  als  'offenbarer  druckfehler' 
bezeichnet  wird,  so  war  denn  doch  hervorzuheben,  dass  von  den 
84  abweichungen  der  ausgäbe  A  mindestens  noch  weitere  18  als 
<lruck-  resp.  lesefehler  zu  fassen  sind  :  i  5.  u  19.  iv  11.  14.  V  7  f. 
VI  8.  vu  3.  VII  3.  21.  30.  40.  ix  2.  25.  x  15.  xiii  13.  xvi  14.  22. 
XVII  7.  erst  nach  ausscheidung  dieser  flttchtigkeiten  des  setzers 
'ist  der  vergleich  dieser  lesarten  mit  B  ästhetisch  ungemein  lehr- 
reich', wie  sich  E.  s.  xlvii  ausdrückt,  dass  sich  E«  sträubt,  iv  2 
zu  der  metrisch  notwendigen  trennung  suave  olentes  A  zurück- 
zukehren, und  dass  er  ebda  v.  9  das  einzig  richtige  his  Scrivers 
^iis  AB)  ablehnt,  kann  ich  nicht  billigen. 

Da  die  464  verse  der  Basia  nur  knapp  einen  bogen  füllten, 
so  bat  E.  noch  1  ^2  bogen  mit  ^Vorbildern  und  nachahmern'  zu* 
gegeben  und  über  dies  thema  eine  ausführliche  einleitung  ge- 
schrieben, die  uns  zwar  nicht  ganz  so  überflüssig  vorkommt,  wie 
4lie  recht  deplacierte  beisteuer  Theobald  Zieglers  zu  heft  11,  aber 
doch  auch  den  rahmen  einer  derartigen  Sammlung  zu  sprengen 
scheint,  schmerzlich  vermissen  wir  dagegen  diesmal  eine  bi- 
l)liographie,  wie  wir  sie  seither  gewohnt  waren  :  auch  wenn  sie 


ELLLNGER    lOANNES    SECUr(I>ÜS   DASU  33^ 

für  die  textgestalt  nichts  ergab,  selbst  wePQ  E.  damit  über  Bur- 
maon  und  Bosscha  nicht  hinauskam,  war  sie  liier  unbedingt  »m 
platze,  wenn  der  herausgeber  die  uachwürkung  der  Basia  durcli 
die  oeulateinische  und  durch  die  litteratiiren  der  lanrlessprachei) 
verfolgt,  so  ist  doch  eine  bibliographische  liste,  die  uns  ^eigt,  wo, 
wann,  wie  oft  die  originale  gedruckt  worden  sind,  erstes  erforder* 
nis.  —  an  dem,  was  E.  bietet,  mag  ich  nicht  henimm^keln: 
zweifellos  war  ihm  der  stoiT  bequemer  und  reicher  zur  band  als  andern^ 
aber  ebenso  fest  steht  mir,  dass  es  sicii  doch  vorläuß^  itur  um 
mehr  oder  weniger  zufällige  lesefrüchte  hejidel[.  um  ein  belsptel 
herauszugreifen  :  s.xn  behandelt  E.  als  letzte  neulfitein.  nachalimung 
der  'Basia'  das  'Erolopaegnion'  des  Caspar  Barth  (1623),  scheint 
aber  die  altern,  übrigens  ermüdend  lasciven  anacreontica  dieses 
dichters  (Amabiliuro  libri  iv,  Hanoviae  1612)  nicht  zu  kennen  — 
sie  fehlen  allerdings  auch  bei  Goedeke.  trotz  der  gelegentlichen 
Überschrift  'Ingeuua  doctrina'  (ii  20)  und  trotz  dem  Nil  debeo  Ca- 
tullo,  NU  debeo  Tihullo,  Nil  debeo  Secundo  (s.  54)  wimmelt  es 
hier  von  reminiscenzen.  —  zu  s.  xlvi  z.  15fr  v.  o.  bemerk  ich^ 
dass  die  'Natürlichkeiten  der  sinnlichen  und  empflndsamen  liebe' 
(3  bde  0.  0.  1798)  von  eben  dem  JGSchefTner  herrühren,  den  E. 
s.  xLiv  bespricht,  vgl.  Arch.  f.  litteraturgesch.  10, 426  f.  E.  Sch. 
Lessing,  von  K.  Borinski.  Berlin,  EHofmann  u.  cie.  1900.  2  bde. 
[Geisteshelden,  bd.  34  und  35.]  ix  und  196  ss.  xi  und  230  ss. 
8^.  je  2,40  m.  —  um  Borinskis  buch  über  Lessing  gerecht  zu 
werden,  darf  man  es  nicht  einfach  mit  andern  biograpbien  des 
unvergleichlichen  zusammenstellen,  dabei  kam  es  zu  kurz,  viel 
zu  erregt,  viel  zu  persönlich  ist  der  vf.,  als  dass  er  wie  Erich 
Schmidt  aus  der  umfassenden  beherschung  eines  oceans  von  litte- 
ratur  die  insel  aufsteigen  lassen  könnte,  von  der  dann  der  fernehio 
treffende  schall  seine  fahrt  antritt;  und  er  fühlt  sich  mit  seinem 
beiden  viel  zu  vertraut,  als  dass  er  genügend  bedacht  darauf 
nähme,  ihn  uns  so  recht  von  innen  aus  vertraut  zu  machen,  als 
ein  kampfbuch  ist  diese  lebensgeschichte  aufzufassen,  als  ein  ener- 
gischer versuch,  Lessing  'in  den  dienst  unsrer  zeit',  in  den  dienst 
noch  enger  bestimmter  ideale  zu  stellen. 

B.  hat  sich  schon  in  frühern  Schriften  als  leidenschaftlicher 
Parteigänger  des  classicismus  bekannt,  nicht  nur  in  ästhetischen, 
sondern  auch  in  metaphysischen  und  ethischen  fragen  will  er 
stehn  bleiben,  wo  Goethe  und  Schiller  standen;  jede  abweichung 
von  dem  ideal,  das  sich  etwa  durch  die  namen  Schiller,  Lessing, 
Kant  festlegen  lässt,  —  Goethe  tritt  bei  ihm  weit  zurück  —  er- 
scheint ihm  als  verrat  an  den  heiligsten  gutem  der  nation.  da» 
ist  ein  standpunct,  den  man  wie  jeden  ehrlich  gewählten  und 
tapfer  festgehaltenen  respectieren  muss,  auch  wenn  man  ihn  kaum 
ganz  begreift;  denn  was  kann  der  Sehnsucht  unsrer  classiker  nacl> 
nie  ruhendem  forlscbritt  ferner  stehn,  als  dies  orthodoxe  festhaltei^ 
an   der   einmal   gefundenen    'Wahrheit'?   was  kann  weniger  les- 


^ 


332  PFEIFER   THEOLOGU   DEUTSCH   4  ADFL. 

Üben  geliebet  wirt.  —  freilich  begegnet  auch  eioe  stelle,  wo  mao 
nach  dem  gleichen  kriterium  minnen  einsetzen  könnte:  s.  180 
z.  10  V.  o.  geliebet  und  gemeinet,  vielleicht  hat  der  verfassen 
beide  Wörter  promiscue  gebraucht.  —  s.  58  z.  5  v.  u.  1.  das  ein 
mensche  sich  .  .  .  aller  dinge  vorzige  st*  Vorzüge.  —  s.  138 
z.  2  V.  u.  ist  wol  das  zweite  ist  zu  streichen.  E.  Sch. 

loannes  Nicolai  Secundus  'Basia'.  mit  einer  auswahl  aus  den  Vor- 
bildern und  nachahmern  herausgegeben  von  Gbobg  Elllitigbr. 
[am  Lateinische  litteraturdenkmäler  des  xv  und  xvi  jhs.  heraus- 
gegeben von  Max  Herrman?(  14.]  Berlin,  Weidmann,  1899.  lii 
und  38  SS.  8^.  1,20  m.  —  die  'Küsse'  des  Johannes  Secundus 
gehören  zu  den  wenigen  neulateinischen  dichtungen,  die  sich 
durch  die  Jahrhunderte  hindurch  einen  leserkreis  bewahrt  und 
ihren  reiz  auch  auf  gröfsere  dichter,  wie  bei  uns  Goethe  und 
Bürger,  nicht  verfehlt  haben,  so  haben  sie  in  der  Sammlung 
Ilerrroanns  mit  recht  einen  platz  gefunden,  mag  auch  das  anti- 
quariat  bis  heute  leicht  und  billich  gelegenheit  bieten,  eine  der 
altern  ausgaben  zu  erwerben;  denn  die  'Basia'  sind  viel  gedruckt 
worden  und  sogar  die  ehre  einer  kritischen  ausgäbe  mit  ausge- 
zeichnetem commentar  ward  den  werken  des  Haager  poeten  zu 
teil  :  durch  Petrus  Bosscha,  der  dabei  die  vorarbeiten  des  Jüngern 
Burmann  benutzte,  1821.  Ellinger  zeigt  freilich,  dass  die  kri- 
tische leistung  Bosschas  nicht  einwandsfrei  ist,  er  selbst  bringt 
von  den  beiden  Originalausgaben  die  jüngere  (B,  1541  :  5  jähre 
aach  dem  tode  S.s)  zu  buchstabengetreuem  abdruck,  mit  jener 
Sauberkeit,  an  die  uns  die  Sammlung  gewöhnt  hat.  die  iesarten 
des  erstlingsdrucks  werden  auf  s.  XLvif  vollständig  aufgezählt,  nur 
zu  VIII  18  war  die  Variante  genauer  zu  geben  :  est  Neaera  iniqua, 
und  wenn  eine  vereinzelte  la.  (i  24)  als  'offenbarer  druckfehler' 
bezeichnet  wird,  so  war  denn  doch  hervorzuheben,  dass  von  den 
84  abweichungen  der  ausgäbe  A  mindestens  noch  weitere  18  als 
druck-  resp.  lesefehler  zu  fassen  sind  :  i  5.  u  19.  iv  11.  14.  V  7  f. 
VI  8.  VII  3.  VII  3.  21.  30.  40.  ix  2.  25.  x  15.  xiii  13.  xvi  14.  22. 
XVII  7.  erst  nach  ausscheidung  dieser  flüchtigkeiten  des  setzers 
'ist  der  vergleich  dieser  Iesarten  mit  B  ästhetisch  ungemein  lehr- 
reich', wie  sich  E.  s.  xlvii  ausdrückt,  dass  sich  E.  sträubt,  iv  2 
zu  der  metrisch  notwendigen  trennung  suave  olentes  A  zurück- 
zukehren, und  dass  er  ebda  v.  9  das  einzig  richtige  his  Scrivers 
^iis  AB)  ablehnt,  kann  ich  nicht  billigen. 

Da  die  464  verse  der  Basia  nur  knapp  einen  bogen  füllten, 
so  hat  E.  noch  1  ^2  bogen  mit  ^Vorbildern  und  nachahmern'  zu- 
begeben und  über  dies  thema  eine  ausführliche  einleitung  ge* 
schrieben,  die  uns  zwar  nicht  ganz  so  überQüssig  vorkommt,  wie 
4lie  recht  deplacierte  beisteuer  Theobald  Zieglers  zu  heft  11,  aber 
<k)ch  auch  den  rahmen  einer  derartigen  Sammlung  zu  sprengen 
scheint,  schmerzlich  vermissen  wir  dagegen  diesmal  eine  bi- 
i)liographie,  wie  wir  sie  seither  gewohnt  waren  :  auch  wenn  sie 


ELLINGER    lOANNES    SECUKDüS  BASU  33S 

für  die  textgestalt  nichts  ergab,  selbst  wenn  E.  damil  Über  Bur- 
mann  und  Bosscha  nicht  hinauskam,  war  sie  hier  uobeüingl  ctnt 
platze,  wenn  der  herausgeber  die  nachwürkung  der  Basia  durcli 
die  oeulateinische  und  durch  die  litteraturon  der  landesspracheii 
verfolgt,  so  ist  doch  eine  bibliographische  liste,  die  uns  zergt,  wo, 
wann,  wie  oft  die  originale  gedruckt  worden  sind,  erslc«  erfürder-^ 
nis.  —  an  dem,  was  E.  bietet,  mag  ich  niclit  herumniffkeln; 
zweifellos  war  ihm  der  stoiT  bequemer  und  reicher  zur  ha  nü  a  Ist  andern, 
aber  ebenso  fest  steht  mir,  dass  es  sich  docli  vorläufig  nur  um 
mehr  oder  weniger  zufällige  lesefrüchte  liandeh.  um  ein  beispiel 
herauszugreifen  :  s.xn  behandelt  E.  als  letzle  uL^ul^leirv.  nachalimung 
der  'Basia'  das  'Erotopaegnion'  des  Caspar  Barth  (1623),  scheint 
aber  die  altern,  übrigens  ermüdend  lasciven  anacreontica  dieses 
dichters  (Amabiliuro  libri  iv,  Hanoviae  1612)  nicht  zu  kennen  — 
sie  fehlen  allerdings  auch  bei  Goedeke.  trotz  der  gelegentlichen 
Überschrift  ingeuua  doctrina'  (ii  20)  und  trotz  dem  Nil  debeo  Ca- 
tullo,  NU  debeo  TibuUo,  Nil  debeo  Secundo  (s.  54)  wimmelt  es 
hier  von  reminiscenzen.  —  zu  s.  xlvi  z.  15fr  v.  o.  bemerk  ich^ 
dass  die  ^Natürlichkeiten  der  sinnlichen  und  empflndsamen  liebe' 
(3  bde  0.  0.  1798)  von  eben  dem  JGSchefTner  herrühren,  den  E. 
s.  XLiv  bespricht,  vgl.  Arch.  f.  litteraturgesch.  10, 426  f.  E.  Sch. 
Lessing,  von  K.  Borinski.  Berlin,  EHofmann  u.  cie.  1900.  2  bde. 
[Geisteshelden,  bd.  34  und  35.]  ix  und  196  ss.  xi  und  230  ss* 
8^.  je  2,40  m.  —  um  Borinskis  buch  über  Lessing  gerecht  zu 
werden,  darf  man  es  nicht  einfach  mit  andern  biographien  des 
unvergleichlichen  zusammenstellen,  dabei  kam  es  zu  kurz,  viel 
zu  erregt,  viel  zu  persönlich  ist  der  vf.,  als  dass  er  wie  Erich 
Schmidt  aus  der  umfassenden  behei*8cbung  eines  oceans  von  litte- 
ratur  die  insel  aufsteigen  lassen  könnte,  von  der  dann  der  fernehio 
trefTende  schall  seine  fahrt  antritt;  und  er  fühlt  sich  mit  seinem 
beiden  viel  zu  vertraut,  als  dass  er  genügend  bedacht  darauf 
nähme,  ihn  uns  so  recht  von  innen  aus  vertraut  zu  machen,  als 
ein  kampfbuch  ist  diese  lebensgeschichte  aufzufassen,  als  ein  ener- 
gischer versuch.  Lessing  'in  den  dienst  unsrer  zeit',  in  den  dienst 
noch  enger  bestimmter  ideale  zu  stellen. 

B.  hat  sich  schon  in  frühern  Schriften  als  leidenschaftlicher 
Parteigänger  des  classicismus  bekannt,  nicht  nur  in  ästhetischen, 
sondern  auch  in  metaphysischen  und  ethischen  fragen  will  er 
stehn  bleiben,  wo  Goethe  und  Schiller  standen;  jede  abweichung 
von  dem  ideal,  das  sich  etwa  durch  die  namen  Schiller,  Lessing, 
Kant  festlegen  lässt,  —  Goethe  tritt  bei  ihm  weit  zurück  —  er- 
scheint ihm  als  verrat  an  den  heiligsten  gutem  der  nation.  da» 
ist  ein  standpunct,  den  man  wie  jeden  ehrlich  gewählten  und 
tapfer  festgehaltenen  respectieren  muss,  auch  wenn  man  ihn  kaum 
ganz  begreift;  denn  was  kann  der  Sehnsucht  unsrer  classiker  nacS> 
nie  ruhendem  forlschritt  ferner  stehn,  als  dies  orthodoxe  festhaltei^ 
an   der   einmal   gefundenen    'Wahrheit'?   was  kann  weniger  les- 


^ 


334  BOEDISEl   LESSD(6 

singiscb  sein,  als  mil  der  historischeD  tatsacbe  unsrer  classischen 
iJichtung  eio  für  alle  mal  alle  YernuDflwabrheit  io  ästhetischen 
fragen  gegeben  zu  glauben?  dazu  kommt  noch,  dass  B.  wQrklicb 
*oriliodoxie'  mit  allen  scbwäcben  der  selbsibewusten  rechtgläubig- 
keil  zeigt;  dass  er  von  der  heitern  ruhe  oder  der  milden  ver- 
träglicbkeit  andrer  ^altgläubigen'  auch  keinen  tropfen  besitzt,  daher 
die  ^unbedingtbeif,  mit  der  Lessing  immer  und  jedesfalis  recht 
baben  muss,  einen  einzigen  punct  im  dogmatischen  streit  aus- 
genommen; daher  vor  allem  die  malslose  befiigkeit,  mit  der  zu 
jeder  zeit  und  unzeit  angriffe  auf  die  ^moderne',  auf  Ibsen,  auf 
Berlin,  auf  die  heulige  presse,  auf  die  schreibenden  frauen  Tom 
zäun  gebrochen  werden,  allzu  logisch  ist  das  nichL  denn  B. 
bemüht  sich.  Lessing  immer  wider  als  opfer  der  allgemeinen 
Schlechtigkeit,  kleinlichkeit,  Oberflächlichkeit,  des  Cliquenwesens 
und  verwanter  erscheinungen  darzustellen;  wenn  denn  all  dies 
vor  150  Jahren  schon  so  stark  war,  wie  kann  man  dann  in  den 
entsprechenden  erscheinungen  der  gegen  wart  den  beweis  unsres 
tiefslandes  und  beständigen  Sinkens  sehen?  dies  aber  tut  B.  un- 
auftiOrlich,  und  oft  hat  man  den  eindruck,  als  sei  Lessings  leben 
ihm  mehr  gelegenhcit,  von  den  'Goezen  und  Klötzen'  (wie  Nietzsche 
sagt)  von  heule  zu  reden,  als  Selbstzweck. 

Nicht  selten  lOnen  auch  stark  persönliche  klänge  vor,  die 
hin  und  wider  einer  versleckten  gleichstellung  von  held  und  bio- 
graph  nahe  kommen,  das  ist  menschheb  und  verzeihlich  bei  einem 
einsamen  gelehrten,  der  mindestens  in  seiner  einsamkeit  und  seiner 
umfangreichen  gelehrsamkeit,  vielleicht  auch  in  seiner  kampflust 
sich  mit  grofsen  beispielen  über  die  Ungunst  der  zeit  trösten  will; 
aber  es  dient  der  sache  nicht,  dies  schillernde  ineinanderspielen 
zweier  epocheu  versetzt  uns  in  eine  unbehagliche  Unsicherheit 
<\\\{\  bringt  den  autor  selbst  zu  chronologisch  unmöglichen  con- 
structionen,  wie  etwa  der,  dass  der  materialismus  der  auf  klärer 
durch  die  aufblühende  experimentale  naturforschung  begQnstigt 
wonlen  sei.  wann,  war  eine  zeit  speculativer?  die  Lavoisier  und 
Herschel  wuchsen  aus  der  aufklärung  hervor,  nicht  sie  aus  ihnen, 
ganz  besonders  aber  hat  dies  ineinanderdeuten  von  jetzt  und 
damals  dem  buch  geschadet,  wo  es  sich  um  die  frage  der  toleranz 
handelt,  der  vf.  nimmt  zu  dem  antisemitismus  unsrer  tage  eine 
selbständige  Stellung  ein«  deren  berechtiguog  hier  nicht  zu  er- 
örtern ist;  nun  aber  tragt  er  diese  seine  anscbauung  auch  in 
die  tage  des  'Nathan*  und  bringt  so  höchst  seltsame  deduclionen 
hervor«  zb.  dass  die  aufklärung  überall  aus  dem  judenbass  geboren 
ts^i«  Oiler  dass  Lessing  selbst  Nathan  sei.  uod  durch  dies  uoauf- 
hOriiche  herüberblicken  von  einst  auf  heute«  durch  dies  unhisto- 
rische gleichsetzen  werden  alle  dimensionen  gedräckt.  man  mochte 
dem  tagesgezänk  entgehn,  indem  man  Vin  gedankenbad  in  Lessing 
ttimnu\  wie  der  ^rofsherzog  von  Baden  einmal  zu  Bertliold  Auer- 
bath  «agte;  statt  dessen  wird  man  immer  wider  in  kleinüdie  mo- 


BORINSRI   LESSING  335 

derne  auseinandersetzungeo  über  antisemilen  und  raalerialisteOf 
Symbolisten  und  exacte  hineingerissen. 

Schon  aus  dem  gesagten  geht  wol  hervor,  dass  B.,  so  eifrig 
er  sich  seinem  beiden  annähern  möchte,  im  stii  der  anschauungen 
ihm  gar  zu  fern  bleibt,  die  hohe  gäbe,  aus  einer  winzigen  einzel- 
frage über  münzen  oder  dogmen  ein  besitztum  für  immer  ent- 
stehn   zu  lassen,   fehlt  ihm  gar  zu  sehr,     und  noch  mehr  ist  er 

—  um  einen  seiner  gesuchten  ausdrücke  zu  gebrauchen  —  ein 
'LessingvoUer  Anti-Lessing'  im  stil  der  spräche,  in  diesen  dunkeln, 
anspielungsvollen,  nicht  selten  geradezu  unverständlichen  Sätzen, 
mit  diesen  eigentümlichen  neologismen  wie  ^versühnt',  ^aburteil', 
^gewürfelter  hofling',  mit  diesen  groben  schimpfworlen  wie  *La 
Meitries  viehischer  witz'  mag  man  über  Hamann  schreiben  — 
Lessing  verlangt  klarheit,  bestimmtheit,  Vornehmheit. 

Es  entspricht  auch  schwerlich  der  tapfern  gründlichkeit  Les- 
sings,  wenn  jemand,  der  den  ^oberflächlichen'  Locke  stolz  bei 
Seite  schiebt,  Swift  ^edei'  und  Temple  einen  *  beiden'  nennt, 
Perrault,  Reiroarus  oder  den  ^ackerbanlehrer  Thaer'  feuilletonistisch 
behandelt,  Knigge  für  einen  hOfling  und  Marinelli  —  für  einen 
Übermenschen  im  sinne  Nietzsches  erklärt,  das  ermüdende  spiel  mit 
den  'er  und  sie'  beim  drama,  die  sucht,  etwa  bei  dem  bekannten 
Umschlag  des  tons  im  fragmentenstreit  eine  gute  überzeugende 
erklärung,  lediglich  weil  sie  zu  oft  widerholt  sei,  durch  eine 
höchst  unwahrscheinliche  hypothese  zu  ersetzen,  das  zurück- 
schieben aller  vorarbeiten  und  die  seltsamen  urteile  in  der  biblio- 
graphie   —  zb.  über  RMayrs  in  seiner  art  ausgezeichnetes  buch 

—  sind  ebenso  viel  kleinlicbkeiten,  die  dem  grofsen  stil  Lessiogs 
und  dem  mächtigen  wurf  seiner  gedanken  gegenüber  doppelt  ver- 
letzend würkeu. 

So  haben  wir  denn  ein  monument  des  grOsten  litterarischen 
bahnbrechers  aller  Zeiten  nicht  erhalten,  einseitig  yerweilt  B. 
hei  dem  ^philosophen  des  dramas'  und  dem  dogmatiker;  der 
künstler  kommt  völlig  zu  kurz  —  vor  allem  auch  der  lebens- 
künstler.  denn  war  der  unglückliche,  unpraktische,  einsame  im- 
provisator  nicht  dennoch  ein  meister  in  der  kunst,  das  sprödeste 
lebensmaterial  zu  einem  heroischen  Schicksal  umzubilden?  lag 
nicht  unbewuste  Weisheit,  geheimer  kunstverstand  in  seiner  art, 
die  gegner,  die  methoden,  die  Schauplätze  des  kampfes  so  za 
wechseln,  dass  er  immer  höher  stieg,  vom  pastor  Lange  zu  Nathan 
dem  weisen  und  vom  geheimrat  Klotz  zu  der  Erziehung  des 
meoschengeschlechts?  in  diesem  buch  aber  verdeckt  der  gelehrte 
zu  sehr  den  künstler,  man  sieht  zuviel  das  opfer  und  den  meister 
zu  wenig. 

Und  dennoch!  dass  1900  eine  ringende  und  eine  für  ihre 
ideale  kämpfende  seele  keinen  bessern  helfer  und  Verfechter  weifs 
als  Lessing,  ist  das  nicht  das  überzeugendste  Zeugnis  seiner  macht 
und  grOfse?  Richard  H.  Meter. 


336  berichte  über  weksers  sprachatlas  xvill 

Berichte  über  GWenkers  Sprachatlas  des  deutsche?!  Reichs. 

xvui. 
SO.  gefallen  (satz  4). 

Zum  präfix  vgl.  gelaufen  Adz.  xxiv  115  fr.  im  obd.  war  es 
dort  ungefähr  ebenso  weit  zu  g-  synkopiert,  wie  es  fOr  gebrochen 
durch  assimilation  geschwunden  war  (ei ngehnderer  vergleich  beider 
grenzen  bleibt  einer  spätem  gesamtbetrachtung  vorbehalten) :  hier 
bei  gefallen  reicht  die  synkope  nördlicher  und  gilt  zb.  auch  für 
die  gegenden,  die  bei  gelaufen  und  gehrochen  (vgl.  Anz.  xxii  97  u.) 
ga^  zeigten;  man  ziehe  daher  diese  nordgrenze  des  süddeutschen 
j-  in  gefallen  ungefähr  mit  der  grenze  zwischen  Elsass  und 
Lothringen  bis  Ostlich  von  Bitsch,  dann  über  das  Haardtgebirge, 
bei  Worms  über  den  Rhein  und  hinüber  an  den  Main  bei  Klingen- 
berg, dann  über  Spessart  und  Rhön  und  von  Bischorsheim  grade 
ostwärts  bis  zum  Erzgebirge,  die  südscheide  des  nd.  gebietes, 
das  das  präfix  ganz  aufgegeben  oder  zu  e-  reduciert  hat,  stimmt 
zu  gelaufen  bis  auf  die  unwesentlichen  änderungen  Hagen,  Atten- 
dorn, Loburg,  Zehdenicky  Angermünde,  Schwedt. 

Stammsilbe  und  enduug  waren  (wegen  gefann  uä.)  schwer 
zu  trennen  und  sind  deshalb  auf  derselben  karte  zusammen  dar- 
gestellt, aus  gleichem  gründe  stell  ich  hier  die  endung  voran, 
man  geh  bei  ihrem  entwurf  von  der  normalskizze  des  yerbaleu 
-en  Anz.  xxiv  125  ff  aus,  specieil  von  126  z.  10  an,  und  berück- 
sichtige folgende  besonderheiten.  Engers,  Bendorf,  Vallendar  haben 
gefalle,  von  der  md.  -en/-«- grenze  wird  das  stück  von  Haehen- 
bürg  bis  Schwarzenbom  hier  ersetzt  durch  (-e-orte  cursiv)  Bachen- 
bürg,  Marienberg,  Westerburg,  Driedorf^  Herbom,  Dillenburg, 
Königsberg,  Wetzlar,  Braunfels,  Butzbach,  Usingen,  Nauheim, 
Rosbach,  Assetiheim,  Ortenherg,  Nidda,  Schotten,  Herbstein,  Lauter- 
bach, Alsfeld,  Grebenau,  Schwarzenbom;  in  diesem  damit  Yon 
jener  normalskizze  abgetrennten  sonderstück  mit  -n  zwischen 
Roihaargebirge  und  Vogelsberg  fehlt  es  freilich  nicht  an  ver- 
einzelten -e-ausnahmen,  und  in  einem  bezirk  von  ca.  30  Ortschaften 
an  der  obern  Eder  mit  dem  mittelpunct  Berleburg  (vgl.  Anz.  xx  208. 
XXIV  126)  ist  gefalle  sogar  das  ausschliefsliche.  weiter  sodann  bis 
Wassertrüdingen  wie  aao.  (resp.  Anz.  xix  359),  nur  mit  den  ände- 
ningen  Schmalkalden  (von  wo  eine  schmale  -n-zunge  gen  sw.  bis  zu 
den  Rhönanfängen  sich  abzweigt)  und  SAülingsfürst,  und  geo  s.  in 
die  Alpen  (Anz.  xxiv  127  o.).  in  den  -n-gegenden  ist  die  synkope 
-en  >  -H  viel  weiter  verbreitet  als  bei  früheren  paradigmeo ,  so- 
dass selbst  für  gegendeu,  wo  sonst  auf  der  karte  -en  als  das 
vorhersehende  unbezeichnet  blieb  und  die  -m  als  in  der  miodenabl 
einzeln  eingetragen  wurden,  wie  in  Brandenburg  oder  Schlesien, 
hier  bei  gefallen  das  umgekehrte  verfahren  gewählt  worden  ist; 
das  kürzere  -n  fehlt  eigentlich  nur  zwischen  Eder  und  oberer 
Lippe,  so  stimmt  denn  auch  von  den  -n-grenzen  des  osteos  zwar 
die  nd.  zu  der  aao«  beschriebenen,  aber  die  sOdschlesische  normal- 


1 


i 


^ 


BERICHTE    ÜBER   \VE>KERS   SPRACHATLAS  XVin  337 

Knie  zwischen  -(e)n  und  *a  versagt  grüsteo teils  :  sie  siimtiil  nur  in 
ihrem  südlichen  teil,  vonSeiirersdorr(ADZ.xxivl27u.)oderAff(nÄfer- 
berg  (Adz.  xix  360)  an,  geht  jedoch  vod  hier  nach  w.,  an  Franken* 
stein,  Silberberg,  Charlottenbrunn  südlich  vorbei^  auf  die  reichs- 
grenze;  der  übrige  sonstige  -a-bezirk  ttigl  gefoUa  m  Tereinzellen 
ausnahmen,  nur  im  gebirge  bei  Schmiedeberg,  Landeshut,  SchOm- 
berg  herscht  es  noch;  vgl.  die  anders  gesiaUete  abweichung  u. 
bauen  Anz.  xxu  108  (oder  gar  nähen  ib.  331). 

Im  übrigen  vgl.  zur  emUing  gebrochen  Anz*  xxn  100,  die  dort 
skizzierte  grenze  des  endungslosen  gebietes  an  Nahe,  Saar,  Mosel 
gilt  auch  hier  (nur  mit  der  änderung  Pfalzburg)  bis  Braubach, 
dann  aber  fäuft  für  gefallen  die  linie  westwärts  und  zwar  sehr 
unsicher  über  Cochem,  Dann,  Prüm,  also  südlicher  als  jene, 
endungslose  formen  aufserdem  öfter  am  Westerwald;  ferner  in 
Mecklenburg  und  Vorpommern  (hier  neben  -11  auch  -VI,  -IVl: 
vgl.  u.  felde  Anz.  xix  287,  also  nicht  endungsabfall,  sondern  ein 
assimilationsprocess),  dgl.  in  der  Ostlichsten  provinz  Sachsen  in- 
mitten Seyda-Prettin-Schlieben  und  vereinzelt  noch  nördlicher  in 
die  mark  Brandenburg  hinein.  Übergang  in  die  schwache  Qexion 
zeigen  zwölf  orte  zwischen  Salzwedel  und  Dannenberg  (falü), 
zwölf  orte  nördlich  von  SVith  (gefQlt),  18  orte  bei  Falkenberg 
i.  L.  (geföU);  vgl.  gelaufen  Anz.  xxiv  125  o. 

Dass  in  dem  oben  beschriebenen  sonderbezirk  zwischen  Bot-  ^« 

haargebirge  und  Vogelsberg,  statt  der  sonstigen  dortigen  endung  jM 

'e<i'en,  bei  gefallen  vielmehr  -n  bewahrt  war,  erkläit  sich  na-  ^ 

lürlich  aus  dem  alter  der  synkope  gefalin,  die  bereits  vorhanden 
war,   als  -en  zu  -e  werden  sollte,     in   einem   grofsen  mittleren  ^ 

teile   des   bezirks   ist   diese   früh  synkopierte  form  gefalin  weiter  ji 

assimiliert  zu  gefann :  so  im  Süden  innerhalb  der  gegebenen  grenze 
von  Herbom  bis  Herbstem  und  nordwärts  etwa  innerhalb  Herborn- 
Hatzfeld- Herbstein,  doch  ist  diese  scheide  sehr  unsicher,  auch 
fehlt  es  nicht  an  gefalin-  und  ^e/a/h-ausnahmen.  anders  hingegen 
ist  das  fehlen  des  alten  //  in  folgenden  fällen  zu  beurteilen : 
zwischen  Salzwedel  und  Wittingen  hat  eine  gruppe  von  ca.  20  Ort- 
schaften ßn,  womit  man  vgl.  soot  u.  salz  Anz.  xix  100  u.,  bad  u. 
bald  ib.  283  u.,  fead  u.  felde  ib.  286  o.,  twöaf  u.  zwölf  Anz. 
XXI  275,  köt  u.  kalte  ib.  279  u.;  alle  diese  stellen  (dazu  noch 
ü.  alte  ib.  276  f)  vgl.  ferner  für  gefaun  gefoun  (gruppe  von  neun 
orten  zwischen  Schwiebus  und  Bentschen)  und  in  Schlesien  ver- 
sprengte geßn,  auch  für  ganz  vereinzelte  gfaua  bei  Kissingen  und 
gefaue  zwischen  Meiningen  und  Zella.  zur  bair.  mouillierung  des 
/  endlich  (gfoin,  gfojn,  gfäön  uä.)  vgl.  Anz.  xxi  275  und  xxiv  261  f. 

Der  stammsilbenvocal  bat  dehnung  erfahren  im  gebiet  der 
Haase,  besonders  um  Quakenbrück  und  Fürstenau  (ßlen\  in  der 
mark  Brandenburg  um  Treuenbrietzen  und  Luckenwalde  und  an 
der  Oder  um  Fürstenberg  {jeßln),  vereinzelt  im  nördlichen  könig- 
reich  Sachsen  (gefäln),  vor  allem  aber  in  einem  gröfseren  gebiete 


1 


336  berichte  über  wensers  sprachatlas  xviii 

Berichte  über  GWenkers  Sprachatlas  des  deutschen  Reichs. 

xviii. 
SO.  gefallen  (satz  4). 

Zum  präfix  vgl.  gelaufen  Anz.  xxiv  115  fr.  im  obd.  war  es 
dort  ungefähr  ebenso  weit  zu  g-  synkopiert,  wie  es  fOr  gebrochen 
durch  assimilation  geschwunden  war  (eingehnderer  vergleich  beider 
grenzen  bleibt  einer  spätem  gesamtbetrachtung  vorbehalten) :  hier 
bei  gefallen  reicht  die  synkope  nördlicher  und  gilt  zb.  auch  für 
die  gegenden,  die  bei  gelaufen  und  gebrochen  (vgl.  Anz.  xxii  97  u.) 
ga-  zeigten;  man  ziehe  daher  diese  nordgrenze  des  süddeutschen 
j-  in  gefallen  ungefähr  mit  der  grenze  zwischen  Elsass  und 
Lothringen  bis  Ostlich  von  Bitsch,  dann  über  das  Haardtgebirge, 
bei  Worms  über  den  Rhein  und  hinüber  an  den  Main  bei  Klingen- 
berg,  dann  über  Spessart  und  Rhön  und  von  Bischofsheim  grade 
ostwärts  bis  zum  Erzgebirge,  die  südscheide  des  nd.  gebietes, 
das  das  präßx  ganz  aufgegeben  oder  zu  e-  reduciert  hat,  stimmt 
zu  gelaufen  bis  auf  die  unwesentlichen  änderungen  Hagen,  Atten- 
dorn, Loburg,  Zehdenick,  Angermünde,  Schwedt. 

Stammsilbe  und  endung  waren  (wegen  gefann  uä.)  schwer 
zu  trennen  und  sind  deshalb  auf  derselben  karte  zusammen  dar- 
gestellt, aus  gleichem  gründe  stell  ich  hier  die  endung  voran, 
man  geh  bei  ihrem  entwurf  von  der  normalskizze  des  yerbalen 
-en  Anz.  xxiv  125  ff  aus,  speciell  von  126  z.  10  an,  und  berück- 
sichtige folgende  besonderheiten.  Engers,  Bendorf,  Valleodar  haben 
gefalle,  von  der  md.  -enZ-e-grenze  wird  das  stück  von  Haehen" 
bürg  bis  Schwarzenbom  hier  ersetzt  durch  (-e-orte  cursiv)  Bachen- 
bürg,  Marienberg,  Westerburg,  Driedorf^  Herbom,  Dillenburg, 
Königsberg,  Wetzlar,  Braunfeh,  Butzbach,  Usingen,  Nauheim, 
Rosbach,  Assenheim,  Ortenberg,  Nidda,  Schotten,  Berhstein,  Lauter- 
bach,  Alsfeld,  Grebenau,  Schwarzenborn;  in  diesem  damit  von 
jener  normalskizze  abgetrennten  sonderstück  mit  -n  zwischen 
Rothaargebirge  und  Vogelsberg  fehlt  es  freilich  nicht  an  ver- 
einzelten -e-ausnahmen,  und  in  einem  bezirk  von  ca.  30  Ortschaften 
an  der  obern  Eder  mit  dem  mittelpunct  Berleburg  (vgl.  Anz.  xx  208. 
XXIV  126)  ist  gefalle  sogar  das  ausschliefsliche.  weiter  sodann  h\s 
Wassertrüdtngen  wie  aao.  (resp.  Anz.  xix  359),  nur  mit  den  ände- 
rungen Schmalkalden  (von  wo  eine  schmale  -n-zunge  gen  sw.  bis  zu 
den  Rhönanfängen  sich  abzweigt)  und  Schillingsfürst,  und  gen  s.  in 
die  Alpen  (Anz.  xxiv  127  o.).  in  den  -n-gegenden  ist  die  synkope 
-en  >  -n  viel  weiter  verbreitet  als  bei  früheren  paradigmen ,  so- 
dass selbst  für  gegendeu^  wo  sonst  auf  der  karte  -en  als  das 
vorhersehende  unbezeichnet  blieb  und  die  -n  als  in  der  minderzahl 
einzeln  eingetragen  wurden,  wie  in  Brandenburg  oder  Schlesien, 
hier  bei  gefallen  das  umgekehrte  verfahren  gewählt  worden  ist; 
das  kürzere  -n  fehlt  eigentlich  nur  zwischen  Eder  und  oberer 
Lippe,  so  stimmt  denn  auch  von  den  -n-grenzen  des  Ostens  zwar 
die  nd.  zu  der  aao.  beschriebenen,  aber  die  südschlesische  normal- 


BERICHTE    ÜBER    WEiNKERS   SPRACHATLAS  XVtll  337 

Hoie  zwischen  -(e)n  und  -a  versagt  grOsteo  teils  :  s\e  siimtnt  Dur  Id 
ihrem  südlicheo  teil,  voo Seiirersdorf(ADZ.ixtT  127  u.)  oder  Jfa»sf€r- 
berg  (Adz.  xix  360)  an,  geht  jedoch  von  hier  nach  vt.,  au  PraDken- 
stein,  Silberberg,  Charloltenbrunn  südlich  vorbei,  auf  die  reichs- 
grenze;  der  übrige  sonstige  -a-bezirk  zei%i  gefoUa  m  vereinzelten 
ausnahmen,  nur  im  gebirge  bei  Schmiedeberg,  Laadeshul,  Sehdm- 
berg  berscht  es  noch;  vgl.  die  anders  gestaltete  abwelchung  u, 
bauen  Anz.  xxii  108  (oder  gar  nähen  ib.  ^31). 

Im  übrigen  vgl.  zur  endung  gebrochen  Aqz.  xxü  100.  die  dort 
skizzierte  grenze  des  endungslosen  gebieles  an  Nahe,  Saar,  Muse) 
gilt  auch  hier  (nur  mit  der  änderung  Pfalzburg)  bis  Braubach, 
dann  aber  fäuft  für  gefallen  die  liuie  westwärts  und  zwar  sehr 
unsicher  über  Cochem,  Dann,  Prüm,  also  südlicher  als  jene, 
endungslose  formen  aufserdem  öfter  am  Westerwald;  ferner  in 
Mecklenburg  und  Vorpommern  (hier  neben  -11  auch  -VI,  -Wl: 
vgl.  u.  felde  Anz.  xix  287,  also  nicht  endungsabfall,  sondern  ein 
assimilationsprocess),  dgl.  in  der  Östlichsten  provinz  Sachsen  in- 
mitten Seyda-Prettin-Schlieben  und  vereinzelt  noch  nördlicher  in 
die  mark  Brandenburg  hinein.  Übergang  in  die  schwache  flexion 
zeigen  zwölf  orte  zwischen  Salzwedel  und  Dannenberg  (falü), 
zwölf  orte  nördlich  von  SVith  (geßli),  18  orte  bei  Falkenberg 
i.  L.  (geßU);  vgl.  gelaufen  Anz.  xxiv  125  o. 

Dass  in  dem  oben  beschriebenen  sonderbezirk  zwischen  Bot- 
haargebirge und  Vogelsberg,  statt  der  sonstigen  dortigen  endung 
'e<C'^f  bei  gefallen  vielmehr  -n  bewahrt  war,  erklait  sich  na- 
türlich aus  dem  alter  der  synkope  gefalln,  die  bereits  vorhanden 
war,  als  -en  zu  -e  werden  sollte,  in  einem  grofsen  mittleren 
teile  des  bezirks  ist  diese  früh  synkopierte  form  gefaUn  weiter 
assimiliert  zu  gefann  :  so  im  Süden  innerhalb  der  gegebenen  grenze 
von  Herbom  bis  Herbstein  und  nordwärts  etwa  innerhalb  Herborn- 
Hatzfeld- Herbstein,  doch  ist  diese  scheide  sehr  unsicher,  auch 
fehlt  es  nicht  an  gefalln-  und  ^e/isZ/e-ausnahmen.  anders  hingegen 
ist  das  fehlen  des  alten  U  in  folgenden  fällen  zu  beurteilen : 
zwischen  Salzwedel  und  Wittingen  hat  eine  gruppe  von  ca.  20  Ort- 
schaften ßn,  womit  man  vgl.  soot  u.  salz  Anz.  xix  100  u.,  bad  a. 
bald  ib.  283  u.,  fead  u.  felde  ib.  286  o.,  twöaf  u.  zwölf  Anz. 
XXI  275,  köt  u.  kalte  ib.  279  u.;  alle  diese  stellen  (dazu  noch 
u.  alte  ib.  276  Q  vgl.  ferner  für  gefaun  gefoun  (gruppe  von  neun 
orten  zwischen  Schwiebus  und  Bentschen)  und  in  Schlesien  ver- 
sprengte geßn,  auch  für  ganz  vereinzelte  gfaua  bei  Kissingen  und 
gefaue  zwischen  Meiningen  und  Zella.  zur  bair.  mouiüierung  des 
/  endlich  (gfoin,  gfojn,  gfäOn  uä.)  vgl.  Anz.  xxi  275  und  xxiv  261  f. 

Der  stammsilbenvocal  bat  dehnung  erfahren  im  gebiet  der 
Haase,  besonders  um  Quakenbrück  und  Fürstenau  (fälen\  in  der 
mark  Brandenburg  um  Treuenbrietzen  uud  Luckenwalde  und  an 
der  Oder  um  Fürstenberg  (jeßln),  vereinzelt  im  nördlichen  könig- 
reich  Sachsen  (gefäln),  vor  allem  aber  in  einem  grorseren  gebiete 


1 


33S  BERICHTE   ÜBEB   WE?CKERS   SPRACBATLAS  XVIII 

des  Westens,  das  ganz  oder  teilweise  uns  schon  oft  mit  dehnung 
alter  kürze  in  geschlossener  silbe  begegnet  ist  (vgl.  Anz.  xix  98. 
102.  202.  283.  355.  xx  208.  xxi  163.  266.  276.  xxii  99)  :  sein 
äufserster  nordwestzipfel  ist  das  o.  erwähnte  gefäli  bei  SVith, 
sonst  ist  es  zu  umziehen  durch  eine  curve,  die  etwa  von  Prüm 
über  Daun  ostwärts  an  die  Mosel  läuft  und  weiter  aufwärts  durch 
Mosel,  Saar,  Nied  gebildet  wird,  wenn  auch  vereinzelte  belege 
noch  darüber  hinaus  in  das  gebiet  des  Hochwaldes  greifen  (ge-- 
ßlen,  gefäl,  bei  Diedenhofen  auch  gefaol,  gefaul);  endlich  süd- 
östlicher um  SAvold  und  Falkenberg   (geföl  gefäl,  geföU  gefaU). 

Im  übrigen  zeigte  ein  vergleich  der  bisherigen  paradigmen 
mit  kurzem  a  (Anz.  xxv  392),  dass  seine  gestaltung  in  gefallen 
wider  eine  gröstenteils  individuelle  ist;  selbst  Wörter  mit  folgendem 
/  {salZf  bald,  alte,  kalte)  zeigen  nur  hier  und  da  gleiche  oder  ähn- 
liche entwicklung,  auch  wenn  ihr  worlkörper  durch  assimilation 
(zb.  balle)  dem  unseres  participiums  anscheinend  so  nahe  gerückt 
war.  es  ist  also  sehr  die  frage,  ob  ich  recht  daran  tat,  die  ab- 
weichungen  zwischen  was  und  salz  lediglich  dem  {  des  letzteren 
zuzuschieben  (Anz.  xix  100.  282).  mithin  beschränk  ich  mich 
hier  am  besten  wider  auf  mechanische  beschreibung  der  gefaUen- 
karte,  da  zahlreiche  a- paradigmen  bis  zu  einer  generellen  be- 
trachtung  noch  abgewartet  werden  müssen. 

In  Niederdeutschland  überwiegt  a.  Oldenburg  hat  u  mit  aus- 
nähme des  Jeverlandes,  das  öfter  a  als  u  schreibt,  und  des  sQd- 
teiles  um  Kloppenburg  und  Vechta,  dem  a  oder  a  (s.  o.)  zukommt, 
das  u  setzt  sich  rechts  der  Wesermündung  fort,  hier  mit  o 
wechselnd,  also  wol  =su,  ungefähr  bis  Bremen-Rotenburg-Bremer- 
vörde-Bergedorf-Travemünde  und  gilt  dann  für  alles  nördlichere 
land;  nur  die  Probstei  bevorzugt  a.  die  gezeichnete  ecke  bei 
Bremervörde  hat  bis  Rotenburg -Bergedorf  o;  auch  der  umkreis 
Bergedorf- Bleckede- Schwerin -Travemünde  bevorzugt  o,  in  der 
preufsischen  hälfte  mit  u  und  in  der  mecklenburgischen  mit  a 
untermischt,  der  mecklenburgisch-pommersche  ausschnitt  Wismar- 
Müritzsee-Friedland-Misdroy  schreibt  o,  daneben  vereinzelt  u  und 
im  westlichsten  teil  öfter  a.  in  Pommern  hat  der  bezirk  Bublitz- 
Stolpemündung-Lauenburg-Bütow-Bublitz  u  (seltener  o),  das  sich 
dann  in  schmalerem  streifen  gen  so.  bis  gegen  Schweiz  fortsetzt, 
das  nördlich  und  östlich  sich  anschliefsende  land  hat  bis  ans 
Frische  hafT  und  an  die  hochpreufsische  grenze  o,  nur  zwischen 
dieser  und  der  untersten  Nogat  ti.  endlich  gilt  o  noch  für  einen 
schmalen  streifen  an  der  holländischen  grenze  von  Gronau  bis 
Stadtlohn,  sowie  für  die  Harzgegend  um  Hasselfelde,  Wernigerode, 
Blankenburg,  Halberstadt,  Schwanebeck,  Oschersleben,  Kroppen- 
stedt.  der  rest  hat  a,  das  zahlreicher  nur  in  dem  o.  frei  ge- 
bliebenen stück  Mecklenburgs  mit  o  durchsetzt  wird. 

Auf  hd.  boden  hat  ganz  Schlesien  o  (seltener  oa)^  das  gen 
w.  bis  Schwerin  a.  d.  W.-Guben-Huskau-Wittichenau  reicht,     das 


BERICHTE    ÜBER    WENEERS  339 

kOnigreich  Sachsen  schwankt  zwischen  a,  oa,  ä,  o,  wovon  oa  rechts 
der  Elbe,  a  im  n.  und  sw.,  sonst  o  überwiegt,  das  angrenzende 
Thüringen  bevorzugt  o  gen  n.  bis  in  die  höhe  von  Naumburg, 
gen  w.  bis  an  die  Saale,  gen  s.  etwa  bis  Saalfeld-Crimmitschau, 
sonst  sind  die  ä,  oa,  o  gegenüber  herschendem  a  selten,  im 
königreich  Bayern  wird  zumeist  o,  seltener  a  geschrieben  nur  süd- 
lich von  Regen  und  Donau,  soweit  die  endung  -n  galt  (s.  o.),  in 
allen  nördlicheren  gegenden  herscht  a  und  die  o,  ä  sind  ausnahmen, 
fügen  wir  noch  hinzu,  dass  diese  trübungen  (zt.  mit  dehnung, 
worüber  o.)  um  Falkeuberg  und  SAvold  in  Lothringen  herschen, 
vereinzelt  im  Siegerland  auftreten,  sowie  in  der  Rheinprovinz  bei 
Waldfeucht  und  Heinsberg  und  nördlich  von  Erkelenz,  so  bleibt 
nur  übrig,  allem  andern  lande  auf  der  skizze  so  gut  wie  reines 
a  zuzuteilen. 

Als  Synonyma  treten  auf  gestürzt  öfter  in  Westfalen,  ge- 
schmissen  einige  mal  im  Siegerland,  am  Taunus  und  an  der  Nahe, 
vor  allem  aber  das  alemannische  kheit  (di.  geheit,  vgl.  Wb.  d.  elsäss. 
mdaa.  i  313),  das  im  Elsass  (nur  im  nordteil  bis  zur  Moder  ist 
es  selten),  in  Baden  von  Achern  an  gen  s.  und  in  den  angren^ 
zenden  schwäbischen  landschaften  etwa  bis  zum  umkreis  Freuden- 
stadt-Balingen-Ehingen-Lindau  herscht. 

Die  Dänen  schreiben  follen,  fällen  (auch  mit  -Id-  oder  -/eU^); 
die  Friesen  auf  Sylt,  Amrum,  Föhr  fälen,  auf  dem  festland  gegen- 
über Sylt  falen  (auch  mit  -r/-),  auf  der  übrigen  küste  und  auf 
den  Halligen  feien,  im  Salerland  falen. 

81.  heute  (satz  15.  25.  38). 

Zu  gründe  gelegt  ist  satz  15,  die  beiden  andern  sind  überall 
zu  ersatz  oder  controle  herangezogen. 

Statt  heute  hat  der  nordwesten  von  tage  uä.  die  gröstenteils 
scharfe  grenze  verläuft  zwischen  (orte  auf  der  heute-seiie  cursw) : 
Heinsberg,  Dahlen,  Dülken,  Viersen,  Gladbach,  Crefeld,  Ürdingen, 
Duisburg,  Angermund,  Ketlwig,  Ratingen,  Gerresheim,  Mettmann, 
Höhscheid,  Burg,  Remscheid,  Rade  v.  wald,  HOckeswagen,  Wipper- 
fürth, Gummersbach,  mit  ikjich  bis  Medebach,  dann  Fürstenberg, 
Corbach,  Landau,  Volkmarsen,  Zierenberg,  Grebenstein,  Hofgeismar, 
Trendelburg,  Borgholz,  Carlshafen,  ungefähr  mit  der  Weser  bis 
Bodenwerder,  weiter  Hameln^  Oldendorf,  Münder,  Rodenberg, 
Wunstorf,  Hannover,  Burgdorf,  Celle;  von  hier  an  wird  die  grenze 
unsicher  :  will  man  alle  letzten  von  ^a^e-ausläufer  mit  hinein- 
uehmen,  so  verbinde  man  etwa  Celle,  Olzen,  Hitzacker,  Bleckede, 
Rehna,  Travemünde,  aber  nur  bis  Celle-Lüneburg-Bleckede-Mölln- 
Harburg-Siade-Oldesloe-Kiel  sind  jene  formen  in  der  überwiegen- 
den mehrheit.  Aeu/e-eindringlinge  sind  schon  überall  in  dem 
gebiet  anzutreffen,  am  seltensten  im  sw.  und  in  Ostfriesland;  ja 
an  der  Haase  in  einem  bezirk  um  Quakenbrück  und  Osnabrück, 
der  Hasel ünne,  Fürstenau,  Ibbenbüren,  Versmold,  Melle,  Diepholz, 
Vechta,  Rloppenburg  nicht  mehr  miteinschliefst,  ist  hüte  das  üb^ 


33S  BERICHTE   ÜBER   WENKERS   SPRACBATLAS  XVIII 

des  Westens,  das  ganz  oder  teilweise  uns  schon  oft  mit  debnung 
aller  kürze  in  geschlossener  silbe  begegnet  ist  (vgl.  Anz.  xix  98. 
102.  202.  283.  355.  xx  208.  xxi  1Ö3.  266.  276.  xxii  99)  :  sein 
äufserster  nordweslzipfe!  ist  das  o.  erwähnte  gefält  bei  SVith, 
sonst  ist  es  zu  umziehen  durch  eine  curve,  die  etwa  von  Prüm 
über  Daun  ostwärts  an  die  Mosel  läuft  und  weiter  aufwärts  durch 
Mosel,  Saar,  Nied  gebildet  wird,  wenn  auch  vereinzelte  belege 
noch  darüber  hinaus  in  das  gebiet  des  Hochwaldes  greifen  (ge- 
ßlen,  gefäl,  bei  Diedenhofen  auch  gefaol,  gefatd);  endlich  süd- 
östlicher um  SAvold  und  Faikenberg   (gefol  gefäl,  geßlt  gefoU). 

Im  übrigen  zeigte  ein  vergleich  der  bisherigen  paradigmen 
mit  kurzem  a  (Anz.  xxv  392) ,  dass  seine  gestaltung  in  gefallen 
wider  eine  gröstenteils  individuelle  ist;  selbst  Wörter  mit  folgendem 
/  (salz,  bald,  alte,  kalte)  zeigen  nur  hier  und  da  gleiche  oder  ähn- 
liche entwickluDg,  auch  wenn  ihr  worlkörper  durch  assimilation 
(zb.  balle)  dem  unseres  participiums  anscheinend  so  nahe  gerückt 
war.  es  ist  also  sehr  die  frage,  ob  ich  recht  daran  tat,  die  ab- 
weichungen  zwischen  toas  und  salz  lediglich  dem  {  des  letzteren 
zuzuschieben  (Anz.  xix  100.  282).  mithin  beschränk  ich  mich 
hier  am  besten  wider  auf  mechanische  beschreibung  der  gefaUen- 
karte,  da  zahlreiche  a- paradigmen  bis  zu  einer  generellen  be- 
trachtung  noch  abgewartet  werden  müssen. 

In  Niederdeutschland  überwiegt  a.  Oldenburg  hat  u  mit  aus- 
nähme des  Jeverlandes,  das  öfter  a  als  u  schreibt,  und  des  süd- 
teiles  um  Kloppenburg  und  Vechta,  dem  a  oder  a  (s.  o.)  zukommt, 
das  u  setzt  sich  rechts  der  Wesermündung  fort,  hier  mit  o 
wechselnd,  also  wol  =sä,  ungefähr  bis  Bremen-Rotenburg-Bremer- 
vOrde-Bergedorf-Travemünde  und  gilt  dann  für  alles  nördlichere 
land;  nur  die  Probstei  bevorzugt  a.  die  gezeichnete  ecke  bei 
Bremervörde  hat  bis  Rotenburg -Bergedorf  o;  auch  der  umkreis 
Bergedorf-Bleckede-Schwerin-Travemünde  bevorzugt  o,  in  der 
preufsischen  hälfte  mit  u  und  in  der  mecklenburgischen  mit  a 
untermischt,  der  mecklenburgisch-pommersche  ausschnitt  Wismar- 
Müritzsee-Friedland-Misdroy  schreibt  o,  daneben  vereinzelt  u  und 
im  westlichsten  teil  öfter  a.  in  Pommern  hat  der  bezirk  Bublitz- 
Stolpemündung-Lauenburg-Bütow-Bublitz  u  (seltener  o),  das  sich 
dann  in  schmalerem  streifen  gen  so.  bis  gegen  Schwetz  fortsetzt, 
das  nördlich  und  östlich  sich  anschliefsende  land  hat  bis  ans 
Frische  baff  und  an  die  hochpreufsische  grenze  o,  nur  zwischen 
dieser  und  der  untersten  Nogat  u.  endlich  gilt  o  noch  für  einen 
schmalen  streifen  an  der  holländischen  grenze  von  Gronau  bis 
Stadtlohn,  sowie  für  die  Harzgegend  um  Hasselfelde,  Wernigerode, 
Blankenburg,  Halberstadt,  Schwanebeck,  Oschersleben,  Kroppen- 
stedt.  der  rest  hat  a,  das  zahlreicher  nur  in  dem  o.  frei  ge- 
bliebenen stück  Mecklenburgs  mit  o  durchsetzt  wird. 

Auf  hd.  boden  hat  ganz  Schlesien  o  (seltener  oa)^  das  gen 
w.  bis  Schwerin  a.  d.  W.-Guben-Huskau-Wittichenau  reicht,     das 


BEBICHTE    ÜBER    WENEERS  339 

köDigreich  Sachsen  schwankt  zwischen  a,  oa,  ä,  o,  wovon  oa  rechts 
der  Elbe,  a  im  n.  und  sw.,  sonst  o  überwiegt,  das  angrenzende 
Thüringen  bevorzugt  o  gen  n.  bis  in  die  höhe  von  Naumburg, 
gen  w.  bis  an  die  Saale,  gen  s.  etwa  bis  Saalfeld-Crimmitschau, 
sonst  sind  die  ä,  oa,  o  gegenüber  herschendem  a  selten,  im 
kOnigreich  Bayern  wird  zumeist  o,  seltener  a  geschrieben  nur  süd- 
lich von  Regen  und  Donau,  soweit  die  endung  -n  galt  (s.  o.),  in 
allen  nördlicheren  gegenden  herscht  a  und  die  o,  ä  sind  ausnahmen, 
fügen  wir  noch  hinzu,  dass  diese  trübungen  (zt  mit  dehnung, 
worüber  o.)  um  Falkeuberg  und  SAvold  in  Lothringen  herschen, 
vereinzelt  im  Siegerland  auftreten,  sowie  in  der  Rheinprovinz  bei 
Waldfeucht  und  Heinsberg  und  nördlich  von  Erkelenz,  so  bleibt 
nur  übrig,  allem  andern  lande  auf  der  skizze  so  gut  wie  reines 
a  zuzuteilen. 

Als  Synonyma  treten  auf  gestürzt  öfter  in  Westfalen,  ge- 
schmissen einige  mal  im  Siegerland,  am  Taunus  und  an  der  Nahe, 
vor  allem  aber  das  alemannische  kheit  (di.  geheit,  vgl.  Wb.  d.  elsäss. 
mdaa.  i  313),  das  im  Elsass  (nur  im  nordteil  bis  zur  Moder  ist 
es  seilen),  in  Baden  von  Achern  an  gen  s.  und  in  den  angren^ 
zenden  schwäbischen  landschaften  etwa  bis  zum  umkreis  Freuden- 
stadt-Balingen-Ehingen-Lindau  herscht. 

Die  Dänen  schreiben  follen,  fällen  (auch  mit  -Zd-  oder  -/Ä-); 
die  Friesen  auf  Sylt,  Amrum,  Föhr  fälen,  auf  dem  festland  gegen- 
über Sylt  falen  (auch  mit  -rZ-),  auf  der  übrigen  küste  und  auf 
den  Halligen  /e/en,  im  Saterland  /Vifen. 

81.  heute  (satz  15.  25.  38). 

Zu  gründe  gelegt  ist  satz  15,  die  beiden  andern  sind  überall 
zu  ersatz  oder  controle  herangezogen. 

Statt  heute  hat  der  nordwesten  von  tage  uä.  die  gröstenteils 
scharfe  grenze  verläuft  zwischen  (orte  auf  der  Aeti/e-seite  cursiv) : 
Heinsberg,  Dahlen,  Dülken,  Viersen,  Gladbach,  Crefeld,  Ürdingen, 
Duisburg,  Angermund,  Kettwig,  Ratingen,  Gerresheim,  Mettmann, 
Höhscheid,  Burg,  Remscheid,  Rade  v.  wald,  Hückeswagen,  Wipper- 
fürth, Gummersbach,  mit  iklich  bis  Medebach,  dann  Fürstenberg, 
Corbach,  Landau,  Volkmarsen,  Zierenberg,  Grebenstein,  Hofgeismar, 
Trendelburg,  Borgholz,  Carlshafen,  ungefähr  mit  der  Weser  bis 
Bodenwerder,  weiter  Hameln^  Oldendorf,  Münder,  Rodenberg, 
Wunstorf,  Hannover,  Burgdorf,  Celle;  von  hier  an  wird  die  grenze 
unsicher  :  will  man  alle  letzten  von  ^a^e-ausläufer  mit  hinein- 
uehmen,  so  verbinde  man  etwa  Celle,  Olzen,  Hitzacker,  Bleckede, 
Rehna,  Travemünde,  aber  nur  bis  Celle-Lttneburg-Bleckede-Möiln- 
Harburg-Stade-Oldesloe-Kiel  sind  jene  formen  in  der  überwiegen- 
den mehrheit.  Aeu/e-eindringlinge  sind  schon  überall  in  dem 
gebiet  anzutreffen,  am  seltensten  im  sw.  und  in  Ostfriesland;  ja 
an  der  Haase  in  einem  bezirk  um  Quakenbrück  und  Osnabrück, 
der  Haselünne,  Fürstenau,  Ibbenbüren,  Versmold,  Melle,  Diepholz, 
Vechta,  Rloppenburg  nicht  mehr  miteinschliefst,  ist  hüte  das  üb- 


340  BERICHTE   ÜBER   WENKERS   SPRACHATLAS  XVIII 

liehe,  van  dage  ausnabme.  aufserdem  findef  sich  zwischen  Nieder- 
rhein  und  Weser,  besonders  in  der  westlichen  bälfte,  Öfter  nu 
(bei  Neuenhaus  an  der  Vechte  nouw  uä.). 

Von  jenem  grofsen  nordwesldeutschen  gebiet  ist  ein  sttd- 
streifen  abzutrennen  durch  die  linie  (südliche  orte  cuniv)  Mett- 
mann, Elberfeld,  Ronsdorf,  Lüttringhausen,  Rade  v.  wald,  Brecker- 
feld,  Lüdenscheid,  Meinerzhagen,  Attendorn,  Plettenberg,  Arnsberg, 
Meschede,  Eversberg,  VVarstein,  Brilon,  Wünnenberg,  Stadtberge, 
Rhoden,  Peckelsheim,  Borgentreich,  Borgholz  :  er  bat  in  seiner 
grOfseren  östlichen  hälfte  dün  dag,  um  Hedebach  düön  dag,  an  der 
obersten  Lenne  düin,  düen  dag,  um  Olpe  und  Meinerzhagen  din, 
dien  dag,  bei  Wipperfürth  und  Gummersbach  diesen  dag,  um 
Remscheid  dön  dag.  in  dem  übrigen  von  tage-gMei  beschränke 
ich  mich  bei  der  buntscheckigkeit  der  Schreibungen  hier  auf  fol- 
gendes, für  die  präposition  folge  man  der  oldenburgischen  landes- 
grenze  von  der  Wesermttndung  aufwärts  bis  zum  Dümmersee,  dann 
gen  0.  der  nordgrenze  der  provinz  Westfalen,  hierauf  der  Weser 
aufwärts  :  links  dieser  scheide  ist  van  die  herschende  form  und 
von  ausnähme,  rechts  umgekehrt,  aufserdem  überall  versprengt 
ven  und  von,  wol  Schreibungen  reducierter  formen,  im  t7on-gebiet 
auch  vun,  ferner  vom,  vern,  ver  uvä.  das  substantivum  verliert 
öfter  sein  -g-  südöstlich  von  Hagen-Wunstorf,  am  regelmäfsigsten 
in  der  nachbarschaft  von  Paderborn,  Driburg,  Nieheim,  Brake], 
Borgholz,  Peckelsheim  {van  dae);  gelegentlich  auch  in  Schleswig- 
Holstein  (von  da),  die  dativendung  fehlt  im  allgemeinen  inner- 
halb der  üblichen  grenzen  :  im  niederfränkischen,  rechts  der  untern 
Weser  und  Aller,  wenn  auch  die  ufer  beider  noch  genug  aus- 
nahmen zeigen,  und  nördlich  von  Emden- Varel;  schwanken  süd- 
lich dieser  liuie  und  in  Westfalen,  als  besonderheit  kommen  für  das 
oldenburgische  nördlich  vom  53  breitengrade  zahlreiche  van  dag{e)n 
hinzu,  in  Ostdeutschland  hat  allein  das  delta  der  Weichselmündung 
nebst  etlichen  küstenorten  westlicher  bis  Danzig  von  dog,  von  doag. 

Bei  heute  vgl.  zum  schwund  des  anlautenden  A-  auf  ehemals 
slavischem  boden  Anz.'  xix  106. 

Sodann  sei  die  endung  vorausgenommen  (vgl.  zuletzt  Anz. 
xxiii  218).  die  grenze  zwischen  geschwundenem  und  erhaltenem  -e 
stimmt  in  Nord-  und  Ostdeutschland  zu  der  für  gänse  Anz.  xvni  408 
beschriebenen  (bis  auf  die  belanglosen  änderungen  Wittingen, 
Fehrbellin,  Schönfliefs,  Soldin,  Driesen,  Liebenau,  Kobylin).  die 
in  Mitteldeutschland  stimmt  von  Ilmenau  an  gleichfalls,  während 
ich  den  westlicheren  teil  besser  hier  in  seinem  individuellen  ver- 
laufe gebe  (endungsorte  cursiv)  :  Hilchenbach,  Berleburg,  Laasphe, 
Biedenkopf,  Dillenburg,  Wetter,  Harburg,  Kirchhain,  Amöneburg, 
Neustadt,  Treisa^  Borken,  Homberg,  Schwarzenborn,  Rotenburg, 
Sontra,  Creuzburg,  Treffurt,  Mühlhausen,  Sehlotheim,  Thamsbrück, 
Langensalza,  Tennstedt,  Gebesee,  Erfurt,  Gotha,  Arnstadt,  Ohrdruf, 
Flaue,  Ilmenau  (vgl.  Anz.  xx  216.  222   und  für  das  thüringische 


BERICHTE   ÜBER   WENKERS   SPHiCHATLAS  XVIII  341 


Stück  Zs.  39,  2810*  a^^i*  als  besond erbeil  kommt  lür  heute  \i\nm 
die  enduDg  -e  im  preufsischen  (ca.  vom  36  längeograde  ati),  die 
nur  im  w.  uod  s.,  bis  zur  bochpreur^ischcu  üordgrenze,  mit 
enduDgslosigkeit  bunt  wechseil :  dort  kaim  -e  nur  auf  -en  zurück* 
gehn  (ygi.  mnd.  huden,  mnl.  heden,  hudm).  dies  -(e)n  Ündel  sich 
ferner  an  der  Oder  elwa  iDmillen  CUsirin,  FraDkiurt,  Fürsieo- 
berg,  Reppen,  Soooenburg  uod  yereiitzeller  nürülich  der  untern 
Wartbe  und  Netze,  sowie  in  der  provinz  Poscd.  endlich  -€  (-df^-a) 
oft  im  Oberelsass,  etwa  südlich  Kaisersberg-Markolsheim,  und  ver- 
einzelt auf  dem  andern  Rheinufer,  besonders  bei  Kandern  und 
Lörrach,  zur  erklärung  dieses  -en  vgl.  Franck  Tijdschr.  v.  ned. 
taal-  en  letterk.  15,  52  fr.  66,  1. 

Im  ud.  stimmt  die  yocalische  geslalt  des  wertes  im  allge- 
meinen gut  zu  leute  (Anz.  xx  219f).  nur  die  mecklenburgischen 
und  pommerschen  üe  sind  hier  ganz  vereinzelt;  es  fehlt  der  eu- 
streifen  bei  Wilsnack  und  Ruppin;  das  gebiet  der  westfälischen 
diphthongierung  ist  hier  eingeschränkter  als  bei  leute,  sie  ist  süd- 
lich von  Trendelburg- Osterode  nur  noch  ausnähme  gegenüber 
herscbendem  ü^  und  die  für  das  Leinegebiet  oberhalb  Göltingen 
dort  aufgeführten  eu  fehlen  hier  ganz;  der  schmale  streifen  zwischen 
dem  dün  efa^-gebiet  und  der  ft/tcA-linie  hat  gegenüber  den  lade 
hier  bei  Corbach  und  Landau  hüdde,  sonst  von  Sachsenberg  über 
Fürslenberg,  Sachsenhausen, Freienhagen,Wolfhagen,Zierenberg  bis 
Grebeustein  und  Immenhausen  hödde  (im  w.  auch  höde);  endlich 
im  w.  und  s.  von  Danzig  etliche  gekürzte  hitt,  sowie  hüt  oder 
hüte  vorhersehend  zwischen  Weichsel  und  hochpreufsischer  grenze. 

Um  so  aufßilliger  geht  der  nd.  cousonantismus  in  leute  und 
heute  auseinander  :  alle  die  weiten  gebiete,  die  dort  d  oder  r  oder 
j  oder  ausfall  des  dentals  zeigten «  haben  hier  bis  zur  Weichsel 
(ebenso  wie  schon  oben  die  Aä/e-eindringlinge  im  van  da^e-gebiel) 
consequentes  hd.  tl  vereinzelte  d  in  der  mark  Brandenburg  fallen 
dem  gegenüber  kaum  auf.  um  so  mehr  aber  der  oben  erwähnte 
kleine  district  an  der  Oder  bei  Frankfurt,  der  die  enduug  -en 
aufwies  :  er  bat  d  und  erinnert  mit  seinem  Heiden  wider  an  das 
dort  citierte  mnl.  heden,  huden.  dem  entspricht  es  vortrefflich, 
dass  auch  das  niederpreufsische  mit  seiner  endung  -e  <]  -en  das- 
selbe d  combinierl  {htde;  nur  der  äufserste  osten  um  Gumbinnen 
und  Goldap,  der  häufig  schriftdeutsche  einflüsse  verrät,  hat  mehr 
hite,  vgl.  zuletzt  Anz.  xxiv  120  o.)  :  ein  hinweis  auf  holländische 
colonisten  von  seltener  deutlichkeit. 

Die  unter  eis  Anz.  xvm  409  begrenzte  tihd.  diphthongierung 
gilt  nördlich  der  Mosel  nur  so  weit,  als  nicht  durch  die  guttu- 
ralisierung  des  folgenden  dentals  vocalkürze  eingetreten  ist  (s.  u. 
und  vgl.  unter  leute  Anz.  xx  219);  erst  zwischen  Blankenberg 
a.  d.  Sieg  und  Altenkirchen  wird  die  grenze  wider  der  allgemeinen 
diphthonglinie  ähnlich;  doch  ersetze  man  das  unter  eis  gegebene 
hessische  stück  von  Hallenberg  bis  Frankenau  hier  durch  Hallen- 


342  BBRICHTE    ÜBER   ZENKERS   SPRACHATLAS  XVUI 

berg,  Battenberg,  Frankenberg,  Rosenthal,  Frankeoau;  sonst  sind 
gegenüber  eis  als  unmittelbare  grenzorte  zu  ändern  Flaue,  Cölleda, 
Zerbst,  Herzberg,  Schlieben.  die  hochpreufsische  dipbtbongierung 
(heü,  heite)  stimmt  zu  eis.  die  Scheidelinie  der  sQddeutscben  lauft 
in  Lotbringen  wesentlich  südlicher  als  sonst,  nämlich  zwischen 
(diphthongierende  orte  cursiv)  Btisendorf,  Bolcben,  SAvold,  For- 
back,  Saaralben,  Buckenheim,  Bitsch,  dann  übereinstimmend  mit 
eis  bis  zum  Schwarzwald;   für  den  rest  vgl.  HFischer  karte  14. 

Die  besonderheitcn  des  vocalismus  von  heute,  die  sich  aus 
dem  ursprünglichen  umlautsmangel  seines  alten  diphthongs  er- 
klären, sind  zu  vergleichen  mit  denen  unter  /Incer  Anz.  xxii  1 03  f 
(resp.  nichts  xix  207).  dem  dortigen  fuer  um  Siegen  steht  hier 
hö  gegenüber  (im  südzipfel  hü),  für  seine  diphthongierte  fort- 
Setzung  mag  gen  sw.,  s.  und  so.  bis  an  den  Vogelsberg  die  unter 
feuer  gegebene  skizze  ganz  ungefähr  auch  hier  gelten;  vom 
Vogelsberg  nordwärts  läuft  die  au-grenze  (mehr  zur  nattf-grenze 
neigend)  zwischen  (ati-orte  cursiv)  Herbstein,  Schotten,  Grünberg, 
Bomberg,  Kirtorf,  Kirchhain,  Neustadt,  Rauschenberg,  GemQnden, 
Bosenthal,  Frankenberg,  Battenberg,  Hallenberg;  im  südwestzipfel 
des  ganzen  bezirks  mehr  ou  als  au;  aufserdem  überall  schon  eu- 
oder  et-ausnahmen,  zumal  in  den  Städten,  die  kleine  au-enklave 
zwischen  Nastätten  und  Braubach  wie  bei  feuer  :  aber  sie  bildet 
hier  den  rechtsrheinischen  ausläufer  eines  grofsen  linksrheinischen 
au-bezirks,  der  die  beiden  kleinern  /auer -districte  an  der  Mosel 
mit  einschliefst,  seine  südostgrenze  stimmt  vom  Rhein  ab,  nur 
die  umgegend  von  Oberwesel  und  Bacharach  noch  einschliefsend, 
im  allgemeinen  zur  moselfränkischen  wat-Wuie  (Anz.  xix  97),  nur 
im  äufsersten  sw.  hat  die  nachbarscbaft  von  Bolchen  und  Falken- 
berg, nach  mafsgabe  der  oben  gegebenen  diphthongierungslinie, 
hüt,  und  hieran  schliefst  sich  noch  südöstlich  über  die  tool-liuie 
hinaus  hutt  so,  dass  Saaralben,  Finstingen,  Saarburg  von  ihm 
nicht  mehr  erreicht  werden,  die  nordgrenze  läuft  von  Boppard 
nach  Mayen,  nördlich  an  Dann  vorbei,  südwärts  auf  Trier  und 
westlich  von  ihm  auf  die  luxemburgische  grenze,  das  so  abge- 
trennte grofse  haut '^eh\ei  zeigt  (neben  vielen  eu-  und  «i-ein- 
dringlingen,  besonders  an  den  Moselufern  von  Berncastel  abwärts,) 
in  der  östlichen  hälfte  oft  haut  und  bei  Diedenhofen  hott,  von 
seiner  nordwestecke  aus  wird  noch  ein  streifen  mit  hock  um  Prüm 
und  hockt  westlicher  bis  an  die  reichsgrenze  vorgeschickt. 

Die  ähnlichen  erscheinungen  im  obd.,  die  bei  feuer  im  schwäb. 
und  bair.  eine  so  grofse  rolle  spielten  (Anz.  xxii  103  0«  sin<l  hin- 
gegen hier  bei  heute  zu  ganz  dürftigen  resten  zusammengeschrumpft: 
der  grund  ist  der  dortige  zusammenfall  von  heute  und  heint  (vgl. 
HFischer  karte  25  und  Anz.  xxiv  264).  altes  huit  herscht  nur 
noch  in  zwei  kleinen  bezirken,  von  denen  der  eine  etwa  inmitten 
Balingen,  Friedingen,  Stockach,  Pfullendorf,  Sigmaringen,  Gammer- 
tingen  ligt  (seine  südhälfte  war  bei  feuer  aufKIligerweise  gerade 


BERICHTE    ÜBER    WEISKERS   SFHACQATUS  IVIlt  343 

•et-ausnahme),  der  andre  am  obern  Hier  mit  Immenstadt  als  miUeU 
puDCt  und  Kempten,  Leutkircb,  Isny  noch  eiaschliefseniJ,  dazu 
ein  kleiner  huat-,  Aue^district  am  Bodensee  zwigcheo  Friedrichs- 
hafen, Tettnang,  Lindau  (vgl.  unter  fetter),  umschlogsen  von  einem 
gröfseren  bezirk  mit  hiat,  Met,  hiöt  uäi.,  der  Markdorf  und  Ravens- 
burg nocb  umfasst  und  östlich  davon  bei  Leutkircb  au  das  tT- 
wähnte  huit  stOfst  (HFischer  karte  14).  aufserhalb  dieser  kleinea 
gebiete  findet  sich  huit  nur  ganz  vereinzelt  im  sdülichen  schwä- 
bisch (neben  ständigem  fiait  usw.),  im  bairischen  g^r  uidit  mehr. 

Der  genannte  ersatz  von  heute  durch  heint  gilt  für  das  schwä- 
bische Sprachgebiet  und  für  das  kgr.  Bayern  mit  ausnähme  des 
von  der  ungefähren  linie  Rotenburg  ob  d.  T.  -  Mellrichstadt  links 
gelegenen  teils,  wo  die  Aetit^-formen  ausnahmen  sind,  sie  werden 
im  schwäbischen  selten,  in  Bayern  häufiger  mit  ihrem  etymolo- 
gischen n  geschrieben ;  sonst  genüge  für  ihre  lautliche  gestalt  ein 
Hinweis  auf  wein  Anz.  xix279fi'.  sie  verschulden  es,  dass  die 
Anz.  XX  218  versuchte  skizze  von  bewahrtem  eu  gegenüber  ent- 
rundetem  et  hier  natürlich  nicht  zutrefi'en  will,  über  Bayerns  nord- 
grenze hinaus  noch  vereinzelte  hent  bei  Schleiz,  hente  bei  Gera,  und 
rechts  der  Mulde  im  kgr.  Sachsen  und  in  Schlesien  etliche  hinte. 

Wir  kehren  jetzt  zu  dem  vergleich  mit  leute  zurück,  der 
zweite  absalz  dieses  artikels  (Anz.  xx2i9Q  erfordert  für  heute 
mutatis  mutandis  folgende  änderungen.  das  hess.-thüring.  gebiet 
mit  vocalkürze,  das  dort  im  gegensatz  zu  Muser  (hisser)  fast  ganz 
fehlte,  ist  hier  bei  heute  wider  vorbanden,  wenn  auch  nicht  ganz 
so  grofs  als  bei  dem  letztgenannten  :  man  ziehe  seine  nordost- 
grenze etwa  von  Worbis  nach  CoIIeda;  der  gekürzte  vocal  ist  aber 
nicht  wie  bei  hisser  fast  durchgängiges  t,  sondern  westlich  von 
Neukirchen -Rotenburg -Witzenhausen  e  (dh.  die  entrundete  fort- 
setzung  des  für  den  nd.  streifen  von  Sachsenberg  bis  Immenbausen 
oben  erwähnten  Ö).  den  vereinzelten  lett,  Idtt  bei  Diedenhofen 
entsprechen  hier  die  oben  erwähnten  hott,  zur  Verteilung  von  t 
und  ü  im  süddeutschen  monophthonggebiet  vgl.  jetzt  Streitschrift 
s.  44  f.  dem  reinen  t  bei  leute  im  Elsass  steht  hier  von  Harkircb- 
Schlettstadt  südwärts  Wechsel  von  e  und  t  gegenüber,  zt.  mit  en- 
dung  (s.  0.),  also  hette  hidda  usw.  :  das  ist  lautlich  nicht  — i  heute, 
sondern  =  ndl.  heden^  worüber  Franck  Tijdschr.  15,520. 

Auch  für  den  consonantismus  beschränk  ich  mich  noch  ein« 
mal  auf  das  citat  Anz.  xx  220 — 222,  was  ich  für  diejenigen  leser 
ruhig  tun  darf,  die  eine  fetc^e-skizze  zum  vergleich  bei  der  band 
haben,  namentlich  der  bezirk  der  ripuariscben  gutturalisierung 
deckt  sich  bei  beiden  paradigmen  gut;  den  leckt  und  leck  an  der 
Schnee-Eifel  entsprechen  hier  gröstenteils  die  oben  erwähnten 
h4fckt  und  hock,  den  leur,  leir  in  der  Pfalz  um  Kusel  und  Baum- 
holder stehn  hier  lediglich  heut,  hext  (resp.  haut,  hout)  gegenüber. 

Bei  der  hiermit  beendigten  skizze  hab  ich  nur  grobe  um- 
risse geben  können;  die  Aeii(e-karte  ist  eine  unsrer  buntesten  und 


^ 


gZM.'jr:     .iz.    -»i^iz*    T^%m,:^^rL^ar  snL 


<i«r'  r«nii*  iMCi  ^oi  •«.  ztas  irv.  «c.  ■■::  Ai:.  Abi:,  JWt;  iat, 
/f//u'  »1  OM-  Uli-  Kir*^.  m:  a:  oe-  aau«:.  v«i  in>  «oügeiail 
fiiriüi»^tfjirr«f2  zi  o^j  «»er  uu-  ««c  u  aer  Tifhaii  irihl;  UA 
M.  HViti:  A^a  0»  mtiurMcii-  MemseiM«::  m^  Ihiiibi  UAki 
NviilM'M  /ll-  UD  Aacu*L  Ml  ruL  ImjMDei^  te  CMfalBlL,  Üfl 
iiri  ]iuN»^Mjijr;.  kudjicii«-  aüo-  im-  i^^bu,  kÄi  bb  WaUfarill,  Utes 
f  f'suiifsijiH'r:..  /lö  un  fiticueiiMCL  a^  mr  Siere&.  iftdUcfaer  (« 
iici.  vui.  Uaijeer  #ü.,  jfei.  «(.  üi^  AlienfcircäcD  Awt; 
aM'i!«bif;!  tia'  in.  l.  oi*  enrf  zur  uOiif  tod  Mntai 
w.  In»-  frtw;i  liaciieuiiurj^'^efrieriiun^-Eiw  kmu,  kamt 
\ny  «■iwci  Liii*^(jrüuiier:.'-kircuiiaiij  mu,  du  Qiin^ai 
/laiir;  im  no.  lou.'«h  Aerrv  vol  Fraokeniiecp  fatf  ~ 
Koiviiliur;; ,  /lec/df^  voi.  Wjiauusei.  über  IKaliieok  und  CmwI  M 
H'iizeuliauHeii  uiic  Liciii«Dau;  kiäät  aL  der  ofaeniBD  Leue,  Utt 
von  hoiitrd  üiier  Ireflur:  bit^  MüiilDauaeo  und  von  Tcmwledl  llbe 
Lrtun  hih  Plauf: ;  A?r/  vol  Fuida  Otier  Bersfeid  imd  fiiMBKh  In 
i>«Üia;  kült  uu(i  küt  vol  der  nbersteu  Fulda  Olier  fmiinwIkaliHi  M 
zum  lieuiistie^' ;  h\te  vol  der  fiainkeite  zmn  Hsr  nnd  weitfl*  Wh  M 

Dan.  edat\  lüot,  edou,  tdou  \xk.     fries.  auf  Sylt 
Aniruni  äalany,  auf  Führ  da/m^,  äaleng,  auf  den  blligen  < 
auf   dei    küfitf   ^'egeuüber  Sylt    dding,  dä!mg,   tfldlinher 
iielliny.  dellmy,  ini  Saierlanii  diöf/i^,  de/tjf,  deiii^.   (fonaetximg  Grigt) 
Marhur;:  i.  U.  Fmn.  Wi 


Am   i;;  juli   6tari>   im  73  lebcnsjahre  Kabl  Amjgos 
lii  den  ttinizi^ei   und  Bechziger  jahreu  von  NUrnbei^  und 
eschuijif^n  aus  ein  llcir«iger  herauageber  aludeulBGher  und 
ialf  luiBc.her  texte,  seil  1  ST  1  kaum  minder  verdient  um  ui 
schalt  »h  schöpf  er  und  durch   last   eio  menacbenalter 
iieriiciien  uuiversitäts-  und  landesbibliothek  zu  Strafehmifi 

>ach  lauerer  leidenszeii  ist  am  27  juli,   66  jähre  all,  pra 
<^AHL  CBRisTlA^  Redlicu  ZU  Hanibur^r  verschieden,  der  au 
nete  kennet   der  htteratur  des  IS  jhs.,  einer  der  eraleD 
aer  l»esten.   ihe  der  streng   philolofrischen   bebandlang 
autoren  zu  reciit  und  ansehen  verhelfen  haben. 

Am  2v  ausrust  verscliied  in  der  irrenanslall  Feldiiof  i 
iirazer  profesMtr  TOr  vergleichende  sprachwissenKchaftCiisrAv] 

FVo:'.  Karl  IlRuri-bring  in  Groningen  wurde  akord.  { 
4iey  fnirls^iheii  phiiido^rit-  an  du*  Universität  Bonn  beiufiLB. 

Iter  proirssoriiiel  viurde  dem  privatdocenten  drR.M.] 
4t  Bfhir.  verliehen. 


REGISTER 

Die  zahlen,  Yor  denen  ein  A  steht,  beziehen  sich  auf  die  selten  des  Anzeigers, 
die  übrigen  auf  die  Zeitschrift. 


a  in  gefallen,  dial.  Schicksale  A337f; 
hohes  a,  s.  e-laute  (ä)  u.  ou;  a:d 
bei  AJem.  selten,  häußger  bei  Baierii 
u.  Ostfranken  6  f.  10  f.  292 

a  latein.  vortonig  für  o  vor  v  A  266  n. 

ä  umgelautet  bei  Veldeke  A  40 

a  blaut,  idg.  (Hirt)  A  265—270 

*Abecedarium  Nordmannicum'  A  202 

Adam  im  reim  11 

'Adam  u.  Eva*  (GA  nr  1)  '.ä:'e  305 

-adet^-dt  367  n. 

€B  ü.  äy  s.  0- laute 

*'/4fterdingen\  s.  Novalis 

-age-,  s.  ei 

akademie,  s.  Viamische 

Albers  Tundalus'  :  ei<iege  379;  het 
Hin. 

Alberts  'Ulrich*  :  mda.  400;  ei'<iege 
358;  gtt,  liget  400  f 

MAIbert  A  73if 

Albrechts  'Titurel'  :  e  vor'  nasal  316 

alemannisch  :  «-laute  283  f;  reime  un- 
gleicher quantität  6f.  10 f.  llf.292; 
«<£  111  n.  2 

'Alphart'  :  pron.  im  reim  35 

aUam^  s.  sam 

altsächsisch  :  kl.  Sprachdenkmäler  A 
201  ff;  glossen  A  202  ff,  zum  Wort- 
schatz 131  ff.  A  205  ff 

Altzelle,  bibliothek  A  259  ff 

Ambales-(Aml6da-)saga  A  274 

amlöfii  an.  *brutus'  A  275  f 

an  u.  ans  mhd.  52.  58.  60 

dn  mhd.  401  n. 

»Ander  land',  s.  *Vom  andern  land' 

'Anspruch  des  teufeis  gegen  unsern 
herren'  A  213 

anat  si^fis'va,  wert  für  die  kritik  68  f 

apokope,  mhd.  nach  m  u.  n  47  f;  des 
dativ-e  53.  54  u.  56;  nach  t  98. 
100  n.;  im  MHelmbr.  63;  nhd.  vgl. 
A253f 

Ari  frödi  über  die  Island,  calender- 
reform  A  271  ff 

äme  mhd.  297 

Artus  im  reim  10 

arzeteie  392 

ätela  as.  131f 

'Athis'  :  ei  <  ege  347 

HvAue  :  heimat  363;  Chronologie  s. 
werke  36.  52  n.  66.  A  42  ff;  sog. 
II  büchlein  unecht  A  38 f;  entwick- 
lung  8.  technik  66.  102.  A  42  f; 
rhythmik  36  f.  42.  A  42  f;  reimge- 

A.  F.  D.  A.  XXVI. 


brauch  A  38  u.  41  f;  zahl  d.  kl.  u. 
St.  reime  36  f;  rähr.  reim  94;  röck- 
verweisungen  73;  —  forme!  aU 
.  .  .  gezam  49  n. ;  conj.  des  typas 
gewünne^  entrünne  A  40;  doppel- 
l'ormen  im  reim  50  f.  52:  pronom. 
im  reim  35 f. 39,  formworte  in  reim 
39  n.;  worte  auf  -heit  u.  'Ueh  im 
reim  44.  46;  apokope  nach  m  48f; 
nach  n  5t  f;  —  a .'  a  363  n.;  «-laute 
254.  300  (ö);  ei  <  ege  363,  kein 
meide  360,  kein  gereit  367;  er 
lü,  ir  Uget  397,  phlü  405;  — 
aUam  im  reim  66;  d%  19  f;  degen 
m<Bre  81  n. ;  garwe  1 ;  geeleitj  ge* 
breit  usw.  86  n.;  gemtit  83;  g*- 
telletehaft  82;  gewon^  gehazy  ge^ 
rüm  usw.  5  n.  32  n.,  reime  m.  ge^ 
won  52;  hän  6.  9  n.  12.  363  n.; 
hdte^  halte  102;  kam  49  n.;  muhte 
300;  ritertchaft  81  f;  sam  49  n. 
66;  #f  pron.  40  n.  2;  du  varst,  er 
vert  405;  wizze  Kritt  68;  —  zu 
einzelnen  werken  (viele  stellen  un- 
ter unde\) :  Erec  1877  :  173  n.  1 ; 
3515  :  160  n.  1 ;  7049  :  367;  8508: 
184  n.l;  Gregor  2373:1  n.;  2667: 
173  n.  1;  Kölner  fiagm.  (H)  117; 
Iwein  1205: 173  n.  1 ;  7006  :  8t  n. 2 

Augsburg,  Schriftsprache  bis  z.  j.  1374 
A  124^130,  einteilung  d.  Schrift- 
stücke 127  f,  histor.  beziehangen 
128,  einflnss  d.  kaiserlichen  canzlei? 
129 

Aventin,  s.  Hock 

az  u.  dz  prät  12—25;  az  md.,  dz 
obd.  24  f 

Azagoue  u.  Zazamane  340  f 

bdc,  bdgen  bei  WvEschenbach  22  nJ 
JBaechtold,  charaktfristik  lS5ff 
bairisch  :  reime  nngl.  quant.  6  f.  10  f. 

12.  34.  275;  flaute  114  n.  112  n. 

251  ff,    bair.  ^ejjtn  ösierr.  277  (f; 

ei<{  275.3B0  If  i  tri  <  %«  367  tf; 

gen  268 f;  pht^gen^wv.  3S»0:  M 

111.  112.  266  in  208.  271  n.  273; 

hiet  115;  geti,  d.  pron.  nach  prip. 

26  f.  28  f.  275  ii. 
baU  mhd.  84 
-bar  aneeps  9  n. 
basen,  zweisilbige  idg.  A  260  ff 
NvBasel,  einz.  stellen  unter  unde 
bSde  mhd.  269 

23 


:i4« 


RRfilHTKB 


hfiHf  Mihrt.  2m).  :i*<|  ( 

WvKfiiiHii  r!V1iirKnn'if*)  :  ff-laulc  :i01 

ifi).  A/7«  I».  12;  /ft  :»wH;  «r  II.  äff 

40  h   2;  wrhffn  'MM 

N|)l»'|  vnm  Hfififr*  :  4*;^»  '.\*M 

Kd**l<cRRiiynii,  *AI|)lial»ftiim  iiairatio- 
iiiitir  420  r 

hfivpfipn  »wv.,  fiVA  ff.  tiinf^et  im 
'Mai'  205 

liilirMirhiniiK  nti.,  »i.  H<*liaiitl 

»r  hi'rt  im  Nil»l.  hh 

Aifp^f  ns,   i;r2 

*Hitrroir  :  woid'  auf  •hn'i  im  rrim 
44;  pmimm.  im  itMm  I^.S  w  :f»  .'<0l>; 
r  In  Mir  202.  25ö:  «^  t-f^r  ;i7M, 
OV  400  n. ;  i  :  ♦*  ;*a ;  fciinrr  2 ;  ^Vr 
Nf»/  im  r«*im  OH ;  koin  mahtr  3o7 ; 
«if*  40  n.  2 

hfttrn   101.    Hl    ii.  2 

hh'fif  mhii.  71 

böhmist'hr  romaiitik  unter  doiituchrm 
«Mittbiss  A  70  ff 

IHniirr.  i|uHl4Mi  II.  paralirleii  zu  *\. 
hriHpirlrn  420  4.')0  (v^l.  A  17  h. 
I>i»s.  ans  Ktirnnc  df»  Hrsan^'oii  42o(f 
«.  I.ihn^  flo  los  rxrmplos  42** fl; 
in  4S  :  424:  nr  ,S2  :  42:^:  in  71  : 
422;  nr  72  :  42*^1;  ni  74  :  422: 
nr  7ti  421  :  nrr  VJ  n.  S.S  :  423; 
nrr  V7  ii.  M2  :  424;  nr  **4  :  427: 
ni  *l,S  .  4if>:  nr  07  :  42»»;  ni  IWi  : 
42^,  *pr»ohhchfs  :  «i-laiii  3o,X: 
n.r    n  :m..  .  ffv„  V2 .  ireht^hl  { I S  I,. : 

f—Zt**"**  mhil.  si'b^.   2^^  i». 

^HrS'-l.  Nl»rro!»s»h'rt-ilin^lrstioMpli  Ai^ 

*Hi'.l.   o.    riii:i*i  ■  :  /•-l:«iHo    1*74 

»^.^»"'fr  i:4-     hrtfr     ?0V.  <>*>'.  I.    hfi. 
V'        V-».*.    .Vf^«"»i    *Jyi  .    rn».    .^  I. 
r^H'.-'^    ?'^  ►»rrans^rrhor  o.  \ov^ii> 
*•     >      \  -.Mh 

^f'.-^-^K  1»».  T*'; '  rifsl^-rhrin..  Kölner 

"HSV-    ■  -«^  ■ 
•»•#»r-,  •      ?--;i%:    -1%-m.    \  'J"!'?!      V«;.. 

,.,-..   :j     ■■..-•■:,.     ^     •|f^^,,.h(,'    A  -i 

<y'k  ■■*.■{.:  *■■•'    "    ■?*    1'       f   ■*"!«    "^Sl. 

'.YY      :      •     iv     f-^T    -V.       *.    1  U»-i 

>■'      » 
"•/  ■     -  *«.-      ^*   v>-»    ^ 
■•»•f.      -•         "  ».:       \*n"iTir      M".. 


cohmme  mnl.  A  115 

coiilraction  üb«r  ^,  8.  ei-^C^m^  i< 

MvCraoii  :  «-laute  284;  et  <  «ir«  3^> 
358:  apokope  nach  m  und  x  63; 
garwe  2;  A</to,  ibvto  105;  Ji«  40 
11.2:  kein  wizze  KriH  68  d. 

Cynewulf,  fchtet  n.  nnechtei  (An- 
dreas), wortMhatz  A  255  f;  Eleoe 
(text)  A  17Uf;  Jal.  413  :  A  256 

d  au«laut.  bei  Otfr.  14;    coDtractioo 

über  d  8.  eioidfille 
(/aUnf  uä.«  friet.  für  ^heote' 
däme  f.  54 
dtin  II.  dane  52.  58.  60;  dmnm  friDk. 

64  II. 
JOaiitiscn^  (vHöfeii),rieUtioiMo  A 147  f 
dürren  207 
dat.  sin|[.  niasc.  io  fremdw.  oollectiert 

54  n.  56 
de^en  76 f 

dehoung  d.  aihd.  köncD  2tt2f 
dem  u.  ämme  51 
drminatiTB,  mnd.  A  116  n.  2 
M[ienis,  portrais  A  25 
dirliierportrits  A  loff 
dirhierspracbe,    mbd.    and    auid.   A 

1(»4- 124 
Dieimek  iai  reim  95.  97 
^Hiewich  a.  Wenezian' :  m  <.  €ige  379 
*i»ielnrhs  flarht'  :  ^laotr   252.  255: 

ei^f^e  379:    Ift  396.399;   a:d, 

kein   t  .  I !  34:    A^  96  n.  255  D. 

2i>!  n.:  komu  kawum  67.  263  n. 
dipMhontfieruDff  d.  To.  ac  <Dihii.)  275 
Pn  [lohereiner  Ä  136 
dortekahaemeroü  ^  iwölfleo  A  103 
doppelformen  im  rein  5uf.  52 
Ilona r  A  i«4r 
(tr^ffhii  m>.  132 
-dt'  ^  -^    im    prftt.  n.   |iarL  tckv. 

vrrtia   S6  b. 

tfvi    S^.  92 

Ahiirer  in  Baivi  A  3 

Rvlinrnt.  heiinai  27^;  sdMidet  die 
qnaniiiäteii  12:  e-lasir  155.  278. 
34IKI«.:  «'Tor/255:  pi>^ifr«35tt. 
kei>  weiirfc^  3tki.  rn/ ^  r«dta066; 
/iV  3)iy.  keil.  pAifir  406:  apokspe 
nart  fr.  «..  r.  (i5:  «8  16:  tr  in 
re»n.  4  ■  ii.  ii«t:  jr^Pt  S:  piiL 
«o:    «ffn  11',.  Am  67:  jar40B.2: 

tftr    ',11.    «tPUj 

M»e*>i*:   ;55^  ■  27> 


*.laii?t 

24- 

-  3lr. 

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•H.  266. 

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Mi.  297  f. 

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:    BkC. 

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ac  «M« 

RRGrSTRR 


II.  e  iD  uns.  ausgfr.  2S4f;  Schrei- 
bung d.  ä  in  uns.  ausgg.  295  f; 
—  6-laute  bei  den  Österreichern 
104  n.  112  n.  251  —  279.  309  f : 
iregenwärl.  stand  257.  258  f;  ^  u. 
e  vor  h  \k.  g  253f.  257 f;  ^  u.  e 
vor  r  u.  /  256. 258  f;  €  vor  doppel-/ 
252  n.;  e  vor  hi  259;  e  :  ^  vor  t 
lÜ8n.  254f;  e;e255f;  qiialität  d. 
e  251.  255  f;  fremdes  ^  268.  269  f; 
qualität  d.  m  (ä)  280.  295.  305  f. 
307;  mittleres  ä  308  f;  kein  ä(<F) 
;c(^)  260.270.305f;  ä.-oM271n.; 
qualital  d.  d  256  f.  257.  258;  m 
vor  /  270;  -oire  275;  -er  in  frem- 
den namen  275 ;  Österreich.  *e-regel' 
260  f.  280,  ihre  grenzen  259f.  276f. 
278,  im  engern  Baiern  260;  — 
ff-lau(e  bei  den  Ostschwaben 
260.  293;  qualität  d.  a  298;  — 
e- laute  bei  d.  Alemannen  258. 
280.  283  f.  290.  292  f;  Gegenwart, 
stand  283  f;  qualit.  d.  ^  283  f.  293; 
ei  :  ^  vor  r  -j-  cons.  292  f;  ä  :  e 
300  IT;    quaii».  d.  ä  (a)   u.  «  280. 

284.  293.  295.  297  f;  —  bei  den 
KIsässern  291  f.  303;  —  bei  d. 
Mitteldeutschen  258.  280  f. 
285  f;  md.  «-regel  285. 309  f;  gegen- 
wärt, stand  281  f;  «  vor  r  281  f. 
283;  e:^  282.  285.  288 f.  290,  zu- 
erst vor  r  4- cons.  292 f;  9<iehe 
qualit.  verschied,  von  mhd.  e,  ident. 
in.  md.  CB  288.  290.  295;  qualität 
d.  e  280  f;  qualit.  d.  cb  {ä)  280  f. 
295.  299;  cb  der  verba  pura  281; 
e.as  281.  287 f.  291;  ®  u.  ^  ge- 
schieden 284;  ä:e,  m :  e  281.282. 

285.  288  f.  290.  295.  304  ff;  —  bei 
d.  Ostfranken  260;  bei  d.  Ost- 
mitteldeutschen 293  f;  bei  den 
Schlesiern  294;  —  einzelne  Wör- 
ter 8.  u.  äme^  bede,  bräken^  darren^ 
ebeUj  f^ägene,  engägent',  gSn,  stSn, 
geschäffede,  gesläkte^  gnadic^  ha- 
ben n.  häbeie^  h^U^  -h^r  u.  hSr^ 
herre^  b^rwe,  mägede,  phärtj 
Schemen^  »ele^  ser^  verseren^  s/^e, 
sperren^  xtäbe ,  stwte,  st^te^  t^le, 
tr'ehlin^  v^rwen ,  wätde^  wehten, 
zärrnn,  zehen 

e,   unbejontes  bei  den  grammatikern 

von  Olinger   bis  Adelung  A  253  ff 
eben  u.  ^ben  253  n.  264  n.  283 
■ege-^  8.  ei 
Evilssaga,  z.  kritik   u.  erklärung  der 

lausavisur  A  36  ff 
ei,   fremdes   im    bairisch*österr.   375. 

381f.393;  in  unbetonter  silbe  375. 

384 


38Air   mbi 


ei:i  bei    Osterr 
ege :  f  3BT  ff 

f»i<i^gf*t  iigf  usw.  345  ff;  md.  kein 
ätfit  347  If;  vi^rhsltn.  von  leif,  treil 
zu  teit  bei  Alem.351  f;  ffttKifeg^t 
356  f;  md.  hfif  kein  hiie  357;  nor 
ei  <C.  ef^"  bei  Öslerreirbern  3&S  (; 
erde  <  ägeäti  359  f.  m'  <^  age  bei 
Alemaniteii  361;  p/ <  j^g-*  reimt 
getrennt  von  »Item  fi  *M4;  »lern. 
-eit^  kern  "ßide  366;  reit  <Z  rfidet 
366  f;  c^ontraclion!^- M  in  Hciirrn- 
Österr.  mdartlich  367;  freit  < 
fraget  368;  verschiert,  perioden  d. 
contraction  in  Baiern- Österr.  371  ff. 
376.  377;  ei<,ege  verschied,  von 
ei<äge  115.  372 ff.  395 f;  cb  für 
ei<:ege  375.  387;  ei<:äde  375; 
conirast  d.  bair.  u.  fränk.  gebrauchs 
377;  CB:ei<ede(ege)  385flF;  t:ei 
<ege  387  ff;  geine  Üb.  359 

eide<egede  373.  390 

JvCichendorff,  jugendleben  u.  -werke 
A  16lfr 

eigen  namen  in  d.  reimen  d.  Nib.  89  ff; 
fremdein  d.  reimsilbe  anceps  10 f. 
18  f.  273 

JCisengrein  A  138 

DvCist,  pronom.  im  reim  43 

^Elisabeth'  u.  'Erlösung',  Wandlungen 
in  d.  technik  d.  dichters  353;  reim- 
technik  401  n.;  e- laute  284.  304 
{ä\\  ei<:ege  353.  358,  fnardtf  359; 
Itfi,  iigf*n,  Hiy  gtt  401  f,  kern  phiü 
40fi;  kein  a  :  d  2^.  401  n.;  i:iB 
4t)2r;  u:uo  403  n.;  ä%  24;  präu 
von  hdn  lOH  n.  294  403;  gän 
Utdn)^  gt^ft  {ßt^ni  353;  inhie^  gtf- 
(ftht  354  n.l.  358;  von  401  tt. 

elüäsiiisch  ;  «f-ttiiitr  2!^l  f 

'eblerfarbin'  321  f 

RvEm^,  wandInngen  d.  tt^fhnik  103; 
iormworte  im  reim  39  n*:  rühren* 
dtr  reim  18  n*;  reime  tinRleicher 
quanliiit  tl;  «i<Ze^9  365,  kein 
meid«  360;  i&  39^»,  kein  pkiÜ  406; 
apokope  ii^ch  m  u,  n  60;  t:tt  I  tt 
n.  2;  aUamm;  <2s  18;  /W/m«  60; 
kfin  gartoe  3;  keiti  g«tbdr  n.  gt- 
/fl"^70;  gecUil^  gHbreii  \%^%\  86  n,; 
halt*  hwte  103;  im  utid  tmv  6t|; 
arjj.  Hu\  "Kam  67;  Jt(  u.  «te  40  n,  2; 
fpoteit  in  n.  2;  präl.  v.  itmn  V^4j 
kei«  loiizs  Kriät  68 

•en,  mnd.  plur.-endung  A  S^f 

enharn  270 

engi'gen,  s.  gegene 

enkli^e  42 

JEnikel  i  ei  <  f^e  358  j  f.*  ei  394  f ; 
-er  in  Tremden  namen   275 

23* 


:^4s 


RRAI8TER 


cpithol»  int  Nilil.    :s(.  s:\\.  H4  f 

fr  n.  «f  im  n*im  JiM 

KvKrfiirt  ■  //.w  30ft;   ^/^  i^T'    Äftiin.. 

KrlAHiuiK.  K.  KlifinMti 

»KrnÄt  B  hnmiit?  aiHn. .  «.r  ;UXi.. 
I«i»in  fTtirwv  \\,   hdti    ha*h    lO.S 

»Krn«!  IV  Olli  wrrk  l!%-|'.*irhrnharh> 
?Hy.  r-lmilt  2S4  S04lfl;.  f^rfrt 
3^7  .   mfittr   l\h\> 

IvK^ohonh»!'!.  :  nui;*.  ^Sl.  2M».  vi 
«I  «Km».!  f'  2*i<l.  r-lmitr  2S4.  i'^T : 
304  i/r'i.    31  ;>   (f   vn;    nnftnl 

\VvK»irlH'nh«rl.  IrHitk.  sprsrlmiork- 
mnlr  «)i;  I.  '2Mi.  HIOli.  :iM>.  unter 
'.«■hiiMl«  tt.  tochnik  ini  Tar*.  li.  W|.. 
';o{.  T2  I..  i  7n  II  *2.  312.  H«iirtr 
iiii  frrltruiirli  iiiihöt.  wiirloi  iinr 
«Inppplformrn  in»  mm  A  441.  riih:. 
ri'ii».  »M  9ii.  lormwortr  in.  nMn 
3^«  II..  fv  in.  rrin.  40  i».;  apnkopt 
niirli  wy  .SS  I .  nn^r  ».  .STl".  ;>  <1<s 
«iurlv  /  .S;; .  f|p\innslo<:r>  ndl.  Iiif 
In  arlikf'i  .S.S.  hohl  iiirlK  »ri..  wii 
c'^f*t*94.  frfhtf^,  ptn'T^tntf  u«%i.  .'i  ti. 
3*>i.    5S  r-ljiiiii    ?Wi    *2.S4    5si: 

3I0II  (lränki«trlM.  3141  U-  vor  niiN.i. 
lipin  f.w  tJS«!   2S4:  «./    irjh.  31::; 
fj'^'fifr  3f*,Sl.  kpii'  mt^if/i  'MMiifTii. 
hc"f  3U7.  4011.  „.,;  •>!.:.  ki-ii- ',.•,' 
34.     9t  '  tti    31"      fiSTf^z     '1\    ii.  'J 
nltrnmt     .S4.    ri."!.     /i»#     li     <7»i^     fiV. 
tf^hi.s   in     rpin     1<i.    iii    Ol      /*//r  i. 
hti:*f't.     ■?■     1.     I        im      htnftf       It>i9t 
iiv«  .    S».  ii       /»//j  ■    nn>'('Tiv      *2 .    »:    ! 
rhttu    *M  V      //»if    1.    tinif  .Sv      tii>irr, 
hni     S.4     «if '.''*•■     f»iri-t    vi   I,,  _    ^^i/r; 
i.     /v.„w,,.     ,~;    J,Mii,  i'«;»-irf    1" .    keil 
i'0/n.      iii      l*;*!/      ~i         ifpvtft,      s3 . 
i.'»-/!'.    Sv       tir-.,       \      hfi'.      Urj       /i»i. 
I.     Ä»»//     .S^.       frt.     I,     Zw»-     St.       kn?i. 
v"       p,,m-iy,p     II,.    rflin     1«.       uhf/y. 

•  II  rPln  -iiV  »«iiff/?»».  S4  AI  I. 
*''•'  \  i.»i  »il  ?>ii"  -jr/M/  Hl.  jr// 
1"  !•  V  n'f  I.  *fV»  ■■  \  4*^:  »vff 
«  ftxrhii'i.  l'p|•r^t|l|■!  14"  _  TSi 
T.74:«i||i        tvij        I.       »•«»/.        Sv         kPli 

...i-l:.      .        U^r/M-:       3V         :M4 
K^-"<    "i"' ■       ♦ipriihrnii;;    if.     •\lniiiir-| 

*':^i:    11    '<f»i..  ii.  \»»ii»i!ii    ri"="r 

t..  •\r>'<>lf.iiin^    r  !••  \»MKt«ii  I  3:^i»;; 
\,-»'M  ■iii»iMfr«Bt.«.        4V  •*»». 

'.!     ';■»■        Pni,    n\'  4S-.    i: 

'ili  1  i'n|iif»ri*"»»ii-        i<i  'IVoiT|-»fi|.' 

«.i-nnpi  1  'M  '  l;      *fnUi.i.  p.  •    jfnti.      «. 

ftirvpv      Vi.     IS  .  ■  S.J;      \\  I 


TidftEgtella,  *Dp  Ii  vinidid  del  Boodo'. 

nherseUDOfreo  A  136  fr 
-fl/  u.  -0n  mad.  pluraleodaiig  A33f 
f*vBnfrelienwerk,  md.nsSPaiilASIOir 
iiss«m,  prii.  fis  u.  &  12 — 25 

inrbfodeulDDft  der  Mäoclwiier  rnst* 
predigt  192f 

larhenTergleiche  im  Nibl.  86 

HrFenib.  pronom.  im  reim  43 

*Ferhunaz  A  94 

KFtpck  :  litterar.  reime  z.  ufuf  s. 
gedichtes  lu;  «-lante  300  («i;  e 
<  i^r'  360 ;  apokope  nadi  ■  n.  ii 
ft4:  keiii  a:d  10.  19;  dz  ISh 
frartpf  >;  ^r»elm<,  ffvkrwii  idiL 
Sti  I..:  AiUp  kmte  205;  «uAfe  ud 
MfiA^r  1U.  300;  «I  D.  ne  40  il2: 
T>a?4  dii.  lU:  —  FJore  321&:360ii. 
366 

Ftorfrynn  A  »4 

fhisefi  aSlf 

tlexlomtlo^  :  dal.  tou  fremdwönem 
54  11.  56:  adj.  Duli  Ditikel  K 

tnrm  Worte  ini  reim  39  u. 

I^ornyrdadrap»  A  169 

fräsTMi,  rontnrtioiMfomeD  368.  376. 
38(> 

triiiiktsri)  is.  auch  rtaeiufr..  aitlr. 
milieldeDtMln  :  e  \o\  r  S6H:  fc 
*24 :  MMU-.  ^«»e,  Aütp  64  ii. 

*eKniu  :  mda.  3U1  f.  354  ii.2:  e  laair 
3111  lofi  p/<.  fl^fi  354  11.2:  if/39%: 
aiiokopt-  ciarii  m  u.  n  62it;  &  2ä; 
earwr  1 ;  JT^re/^  367  :  prii.  \.  Ao 
t..  Ii/i»7.  11(1:  «tV  4(>  U.  2;  kcB 
i/i/sr-f  A>ü/  6S 

*Kr}iitPMli>:  :  p^laate  273.  2flJ ;  i.« 
3h3  Ii. 

Hvhrribpr^  p-taaie  284.  393f.  360 
«r'ri.  •lahm  402  u. 

Krpiilaii.,  /i*/  89b.  kein  pUBt  406. 
kein  enrwr  '6\  kein  prii.  v.  Aav 
iRi  rem.  103:  ^i'  pmiMm.  40  u.  2 
#'/  i..  //?/*    103 

>■  reiirtenlei  r  •  e-laute  273 

KnHiil  ai>  TermiUler  rom.  Iiu.  A  131 

HvKritKifl)  nimmt  aof&  oInI. 
ni'h:  ?i  I..  34y:  reime 
nnnn:.  4o4  endsilheo  tau 
an.eTi^  4*«4  i-.  #r.-»?28l.  494:  «:f 
3n4  '•.■  v.:«FP  H4:  3Ä^ .  ir  üt  3M. 
IT.'  4(i3:.  vMit  4u5,  äs  24:  p*li 
^  hm.  \mu.  294.494:  ■■/ 9^. 
4«»4  nr  41  >  I».  1*:  r»«  5  u. 
fy^tim    I..   frtunr  57.  fil  1 

kiKn<«e«hniiineii  :  heimal  27M:  apt^ 
knni'  riflrl«  »?  n.  n  63:  e^4«ate  279. 

3<Hi  Ifl', :     r-V  flJTe  »ÄS.  37«.  T»!*^ 

tWi/  Äfii.:  /f7  .^99:  rf.-Ä.  km  i.-f 


REGISTER 


34;  t.'ttnX;  dzJ  U;  ke'iD  garwe 
3;  er  im  reim  40  n.  1;  prat.  von 
hdn  D.  tuon  112f;  sie  40  n.  2; 
von  u.  vone  63 

^,  coDtraction  über  ^,  s.  ei  <  eg«, 

^^fc/i,  m  was  gdch  im  Nib.  88 
gär  adv.  bei  Gotfr.  Öf;  bei  Reimar? 

9;  eisässisch?  9  f.  316 
gar  u.  garwe  \ — 5 
Gärtner,  s.  Hock 
gebare  70 
gebe  'fruchtbar'  276 
gebeit  <C  gebeitet  udgl.  86  n. 
gebele  nom.?  109 
gecleit  <  gecleidet  86  d. 
gefallen    pl.    prät.    dialekt.    formen 

A  336ff 
g'eg'en  m.  gen.  d.  personalproo.  26  f. 

275  n. 
gegene  u.  gägene  302.  360 
gehit  33  n. 
geitl  381  f.  384.  391 
geistliches  Schauspiel,   s.  Schauspiel 
^e/aAe  part.  349.  354  n.  358 
gelcBze  70 
geltch  im  Nibl.  30 
Geliert,  alte  Illustratoren  A  11 
gemeit  83 
Genesis  as.   v.  51fr  :  342ff;    vv.  185 

u.  277t> :  344;  vgl.  Heliand 
gen  ixten),    c-laut  268f;    kein  gdn 

stdn  in  Baiern-Österreich  269,  in 

'Elisab.'  u.  *Erlös.'  353 
genetiv  d.   pron.   bei   prap.  26  f.   29 

II.  2.  275  n. 
genadic  270 
Gernol  im  reim  92  f 
•Gerstenberg,  *Ugolino'  A  229,  Wald- 

jüngling  A  232f 
geselleschaß  82 
gesite  udgl.  32  n. 
geslähie  299.  300.  308 
*Gesla     Garoli'     der     Regensburger 

Schottenchronik  A  256  ff 
'Gesla  Romanorum',  zu   den  quellen 

429  f 
gethesuues  as.  133 
getreide  358.  371  f.  372  n. 
gewon  u.  gewone  52  ii. 
gewon  u.  gleichgebildete  adjj.    5  n. 

32  n.  58 
Güelher  im  reim  96  n. 
KGislason,    Vorlesungen    u.  abhand- 

lungen  A  168  ff 
gXt<:gibet  402  ff 
glossen,  altsächsische   A  202  —  205: 

SPeterer  202.  206  f,    Düsseldorfer 

Prudentiusgll.  202  f,    Pariser  Pru- 


Hi»n         »11  3  ^ 

1,  e 

[    1       liici        Biia 

Go*  SU  I  , 

%\i  tUI"*  tx  :     u. 

U.    d.     llUTCItC     A    ß<  "         ^f 

Verbindungen  A        •  w«       : 
liehe  procurator    a       f-      ' 
paralipomena*235; '      uc       tp«"» 
A  234  f;    *  Neuer    k-a         a         ; 
^Sprache'  A 1 18  n.  1 ;  ^Vr »  ukcii 

d.  Bakis'  A  236;  — 
vortrage  über  G.  A 

WvGrafenberg  :  mda.  o.  276.  356; 
unterschiede  der  technik  innerhalb 
des  Wig.  3.  22;  nachahmer  Wol- 
frams 3.  84;  e-laute  276;  ei<ieg9^ 
age  356  f.  357;  kein  meide  360; 
er  Ktf  ir  Hget  398;  apokope  nach 
m  u.  n  64;  a:d  22;  kein  t.t  34; 
ä%  22;  er  n.  sie  im  reim  40  n.; 
garwe  3;  geeleit,  gebreit  udgl. 
86  II.;  kein  geldz  70;  gemeit  83; 
hSt  102.  111 ;  matre  adj.  81 ;  unde, 
gebrauch  149 — 186  passim;  kein 
wizze  Krist  68;  —  ^Wigdlois'  8396: 
173  n. 

AGraff,  dichterporträts  A  25 

gran,  t-fem.  58 

'Gudrun',  s.  'Kodrun' 

Günther  im  reim  96  n. 

haben,  häbete  114  f.  286  n. 

Hadlaub,  s.  minnesangerhs.  G 

FvHagedorn,  portrats  A  25 

«Halbe  birne',  KvWörzb.  nicht  vf.  108 

AvHaller,  portrats  25  f 

hamarr  an.  A  94  n. 

Hamletsage  u.  Brutussage  A  274  ff 

hdn,  prät. :  101  ff.  273.  287  n.  294, 
im  reim  gemieden  102.  103.  104. 
106;  hate  102.  116.  294.  403;  hit 
102.  HO  f.  111  n,  266  o,  27t  n, 
273.  294;  hitt  115.  294;  hutie, 
h^tte  im  IL  114.  287  n,  4(J3.  404; 
hebete,  häMe  t|4f;  h€te  102  lUb. 
114;  kein  A^te\  lOTn*  109n.  113/. 
287  n.;   heiU  113  f.  366 

hän  f.  hdn  6.  9n.  12.  363 n.  404  0.2 

handschriKen  aua  Altzelle  A*259ff; 
Göttingen  A  20  T;  Gra?  A  21 2  ff; 
Kassel  146f;  Köln  117  ff;  Laibach 
A  213;  Müncb^d  lS7ff.  421  :  Reun 
A  217;  SPaul  A  210  f;  Voraoer 
A  217;  h§s.- proben  bei  Ifdaiiecke 
A  6ff  (illustraiioaen  $  ff};  kl  a$. 
denkmaier  A  201 ;  z.  iÜMstrition 
vgl.  minnesängerhss. ;  erhaltung  v. 
hss.  durch  zapon  A  328,  lerstörang 
dnrch  reagentien  A  329 


'»■"in  IIKOIsTKR 

I  •M'.MifriiwrH.  »    Niivnlih  Rümfm   307  IT.   I.  Biliel  312.  n 

f.iMMiiirh  ifteiMi  MI«  h  Simiiioh  A  l:il  I  iiartnerK'nieteriflproTerbialu'SISff', 

Mniftiinun.    »I     ^-tnni- ,    frtir    ii.  jcnrtrr  j.w    AvPlltin   316  fr 

■'  11  hohrncnllenirlir  konitdeDkmiler  AT7f 

h.ili.^UM      .   Imih.    )S).   '>:.:i    'n\u.      hrrfian  rk.  134 

,.  L  .(  '.  lif'in  ' .- )  im   Nid.  qdi.  29  f.  331. 

I    I  llltfr'fii        proTIftfll       Uli     fOlili      1>l  ^«. 

nn,,i..lfn."     ^  *"«n 

iii  mI.ii     ,  iiiti.    '>«o    *'.  -    ,».'.■  I   :i.»v 

I    .1.,     ■n.H 

(if  ll.in>i-ftiM       .  »•»ul.     •>'»"     :^ill    i,>i. 

•H'.'fcni't     ••••il  »■     II      ■     fiH.     fi":     "M  . 

♦fi«,     ,-....•.•      ■;        firni      «  i»i:      /i|i>,     ii 

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(istf'rmrhern  380 fll  395:  r:«i< 
*vri  I^STfT:  r.-ijr«'  (»Ae)  397ff  <Ä"^ 
400(1  ip'/).  405fl  (pAift» 

»r  .  402  r 

n   ifip    IUI  eeftrhlosb.  <'  A  31 

texhr/i  nMnnniie  4ö  n.  1 

ini»nrt>  nlhnitorke  A  173f 

I».   I.    imr  ft\ 

II  »A\.  kurz  ini  Niti.  30:  bei  Otfi. 
ii 

-if.  «nfhv.  »nreps  ini  Nib.  30  f 

-n.-ir.   hfl   Alrawnn^n   11 

iriiinrermiinpi..  nnprirbf  osd  nrroik 
\  1  <is  tl.  »itfst^  nilcnTZHfiSandk*  IWilL 
x-i*-wiini<Brhiifi«ivi1ialiniMe  1911! 

lv^Ti«i<«(«:     A  ^1  t: 

Iura'.    vljiiMUinnf   A  21i 
inhiipilnnL-  •.    «T^rmanei    u. 

inffnr<     A  ftfit:.    VBl. 
Inni  .     ^     Xirntn»« 

»-  -^  wr.'rpTi..3.Sf.i.39Ä.«iik»l.3W 
iv  i<iitMft«irtAi..  nrviimu.  in.  mn«  <4^^- 
•  .vln<ii*nhnr«.     *-liint-    2&*2    15^ 

ttiff    .     pti.        \   *4" 

i-.i.      .       knr.    I..     4M  i.     K:     IRiL. 
A'ffin».       n**n^-       J^<M7.     kT  I       2C»:(  L 

lK..rrir'>     hnptWM4l«(-       n    1R3f. 

«•l«hAi-«nhiiiit      ifif  f^  «,.  irratri  nwa- 

Vrt«i,i«  -.     1^1    ' 

V        nrnnm,     iii    TWfiii  Xr,  -  WTOtC  ■■' 

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REGISTEB 


'Kodrun*,  z.  spräche  u.  reimtechnik: 
proo.  im  reim  35 ;  Wörter  auf  -keil 
u.  'Uck  im  reim  44.  45;  e- laute 
252.  255.  262  n.;  ei<,ege  379; 
ttt  400  0.;  apokope  nach  m  u.  n 
«4;  a:dy  kein  t.r  34.  262  n.;  dz'i 
24;  duo  92;  kein  garwe  3;  kom 
87 ;  vtiBre  adj.  81 ;  kein  wizze  Krisl 
68.  —  z.  kritik  u.  erklaranj^  :  1,4: 
232;  5,1—4:233;  10—12.11,1: 
234:  11,  4:  137;  13,  Iff  19,3. 
21,  1  :235;38,2.  48,  1:  137;  52,4. 
56,  2.  57,  l  :  236;  79,4.  81,4. 
86,4.  88,  If.  98.  2:  237;  111,4. 
116,2.  116,4.  117,3  :238;  117,4. 
118,  2ff.  122,4.  134,  1  :  239;  141, 
3.  146,  3f.  149,  4.  181,  2:  240; 
186,  1  :  137.  240;  196,  3.  203,  2  : 
240;  221,  1.  228.4.  281,  3  :  137; 
294,  If:  138;  390,2:139;  570,2ff: 
141;  687,  2  :  143:  720,  1  :  143 ff; 
843,  4.  855,  4  :  146 

kunstprosa,  antike  u.  ma.liche  A  251  ff 

Kürenberger  :  proDom.  im  reim  43; 
Worte  auf  -Uck  im  reim  46 

Kürenbergerstrophe  91 

HermKurz,  briefwecbsel  m.  FzPfeiffer 
A  179-184 

Kyot,  seine  'quelleo'  323 

/  (io  gefallen),  ausfail  A  337 

HvLaber  :  f.-  ei  395 

Uihte  präl.,  s.  geiaht 

Lamprecht  (Alex.) :  pronom.  im  reim 

43;  rühr,  reim  94;  ei<iege  347 
HvLao|seostein:  reime  ungl.  quanliiät 

11;  e-laute  302  (ä>;   e  vor  t  255; 

o   d.   schw.  w.   II   kurz  111  n.  2. 

364;  consooantumiaut  313n.;  t:U 

109  n.  111  n,1\  Adam,  Mc\M  Adam 

1 1 ;  'bar  anceps  9  n. ;  clor  anceps 

21    n.  1  ;    garwe    l;    gerett  367; 

hän  u.  M/  9n.;  hatU  heUe  109  o.; 

lü  399 
*Laurin'   :   e-laute   252.  255.  254  o.: 

r.et<«gr«  387f 
Laosanoe,  s.  Jacob 
Lava t er,  porträts  A  25 
leil  <  leget    (g.  ei  <  ege)    fehlt    io 

österr.  gedichten  378  f 
MLenau  A  323 ff 
lern  <:  lernen  291 
GELessiiiK,  lebens-   u.   Charakterbild 

A  333  ff;    ein   aufsatz  von  ihm  im 

•Wahrsager?  A  3l9ff;    'Freigeist* 

A  320 
'Liber  abundantia  extmplorum'  425 
*Libro  de  los  exemplos'  429  f 
-lieh  im  reim  45  f;  -Iteh  a.  -lieh  im 

Nibl.  30 


üvl 

*Liel  :    ^Ls.  i)  :  -  n. 

liedti,  II       rische,  s. 
/t%  8.  i: 

'Lohei  .  srhauolatz  d.  sa^'e  417ff; 

^  m  IIH  388;  «-laute 

^11.  » .-  ei  <:  ege  388  f ; 

brühen  i.;  Verben  296 

Ludewie  • 
*Ludi  :    P'l 

[Ui.  »  *»*  •«^  ^if  e  II.; 

''  :  ^  , 

hcit   f     "€t,t,  ;    j 

hl       »  '  r  iD  G<  g 

Luti         e-laote  252.  255.  308  (ä) 

madrigal,  deatsches  im  17  u«  18jb. 

A  84  f 
JvMaerlant,  atroph,  gedicbte  A  73  f; 

über  8.  reimwahl  A  119 
Mahmet  im  reim  111 
mahle  u.  mohie  300.  301.  303.  306 

n.  1.  308 
'Mai  u.  Beaflor'  :  kein  werk  d.  Pieiers 

380  o.;  «laute  265  f.  306  (£).  316 

(e  vor   oas  );    ^:  fremdes  ei  393; 

lü  399;  hSt  111;   pflegen  u.  »ich 

bewegen  schwach ;  v.  33,  5  :  265  n. 
iMaioz  in  d.  SchwaoHtteisaKe  413  ff 
fuuTv^  kret.  dissim.  •<  fia^rv^  A  267 

n.  2 
MalshatUkvaedi  A  169 
Manesse,  s.  mionesängerhs.  G 
'Maoler  :  i: ei  <  ege  392;  t:U  lil 

n.  2 
mtsre  adj.  80  f 
'Maria  himmelfahrt'   Zs.  5  :  ^- laute 

284.  304  (ä);  ei  <  ege  353.  358, 

keio  phm  406 
'Mars'  der  Germanco  A  94 
MartinsUg  A  99f 
maske,  ideale  d.  dichten  A  12f 
m^en  %.  mahle 
meide  <  mägede  357  o.  2.  358. 359  f. 

372 
metan  {metis)  as.  ^aeatimare,  üacere' 

136 
metiik,  8.  Heliaod,  HÖck,  Monier 
'Miooeburg'  :  e-laate  284.  290;  prät. 

▼on  hdn  294 
'Mionelehre' :  st  proo.  40  n.  2 
miooesaog,  aofloge  A  130  ff :  Friaol? 

131,  erlebtes  u.  cooTeotiooellea  132 
miDoesiogerhat.,  iiluairatioDeo  A 13  ff; 

berkaoft  o.  moÜTe  d.  illuatratioDeo 

d.  hs.  C  197—222 
mit  u.  miie  51.  98.  404 
mitteldeatacb  :  e-laate  280  L  285  f; 


TF^Tn: 


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REGISTU 


*Ortiiil*  :  hanat   2S0.  354:    e-laote 

279  f :    «t  <:  e^c    354.    357 ,    rrit 

zrtäel  366:    er  Ul,   ir  hfr^l  39S; 

ff .-  ^  krio  I .-  f  34 ;  kom  ST 
oslfräokbdi  :  rrime  m:d  bäc6sf  6 f. 

lOf;  e-baie  lOü:  kein  v.-t'34 
^SOswald'  ed.  Ellniäll«T:äl»rriirf(rninK 

u.  zril  264;  e-laoie  25^  255  263  f; 

ei  <Z  •e'^»  '^^  350;    iloa  kamen 

263  D.;    T.  2117.  2127.  2955  :  264 

D.  1 ;  V.  3277  :  264  d.  5 
'SOsvald*   ed.  PfnlTer  :  beimat  349; 

e  laote  264  f;   et</g^e  349 
Oifrid,   Sporen   e.  reflcHToen  hs.  hei 

FUcios  (1562t  31G:  JEck  kennt  d. 

b«.  F  3 IS;  Trrse  »os  0  am  Geoter 

II iompliboj^eii  (15521  31S:  —  qoan- 

Ü!äteo  im  reim   IST;  endsilbeu  an- 

ceps  ]3f:  auslaoL  d  oarh  voc.  n. 

r  gilt    als  «ipirans  14;    az  13.  19; 

adr.  Tu   16;  kü'I  9S;  warn  o.  odo- 

wam  16;  fremd «örtrr  229 
Oite  :ä:e  304;    et  <  eg-e  349.  35S, 

kein  pklU  406:    Eracl.  11S9:349 
Otlokarj^^Saaie  252.  255    269.  270. 

307  (ff):  -er  in  fremden  namen  275; 

Lede:rtde  269:  gn^die :  Irdic  270; 

duo  92*;  freiK^  fraget  37S;  ifff^e 

271  n. 
ov  >>  hohem  d  271  n.  307 

pateroASler,     llüocbener    aoslegonf 

lS7fr.  410fr 
^Panier  eTanfelien'  401  n. 
FzPfeifTer,  briefv.  m.  HKorz  A  179 ff 
phäri  im  reim  276.  299.  306.  307  b. 

312  (Wolfr) 
br. Philipp« Ha rien leben,  Kölner  fragm. 

117  0;  r.ei  395 
phlrgem.   schwach    265.    267  n.    271. 

271  n.  390 
phleit  <^  pkirget  390 
phliL,   «.  !*<:  ige 
•Pilatos*  :  «  <  «g-e  347 
Pleier  :  lecbnik  307;    oirbt  Terf.  d. 

'Mai'  3S0n.;  e-bote  266 f.  306  (ff); 

ei  <  rge  379,  (:  ei  <  rge  393:  iü 

399,  kein  pkiü  406;  prät.  tou  kdn 

104.    267    o.  3:    kum   kamen    S7. 

263  n. :  kein  pklegen  scbw.  267  n.; 

vmvrsff^ef  3S0d.;  Gar.  1072:267 

n.  1:  Gar.  3510.  Tand.  3809  :  393 ■.; 

Taod.  2S07.  I674S  :  267  n.l ;  Tand. 

1290S  :  92 ;  Tand  S994.  Gar.  16778: 

307;  Meier.  24S6  :  267  B.3 
Ptatarcb,  t.  Bock 

^TPopplao,  ret«e  nach  Spanien  A  147 
Pol  ho  tPrim  A  215 
*Proces»«  Bdial',  'Processus  Salbs- 

nae'  o.  Terwanles  d.  gedickt  A  212  f 


pronomina  : 
40  n.l.   4oa.i 
niederdeotsch 

prosa,  S.  kniKll 

Prüm,  «    1 

psalmei        19 


I,    lEpitBiltdal- 
%2]3r 


qnanliial,  sd^idong  der  qoaniiiitea 
als  mdartl.  Betknal  10  f 

r  g  riech.  5«randar  Tor  jz>  <«  A  267 
"  n.  3 

GWRabener,  porifit  A  25 
'Rabensrhbcht' :  kam  87 ;  s.  'Dietiicbs 

flnchr 
reagentien  A  329 
rerke  79 f 

'Recnll  de  eximpli^'  (calalan.)  420 
redeU  366ff.  3S6f 
redsciionsstofe  A  266  f 
bnrggraf  TRegensborg :  pronomiBa  im 

reim  43  n. 
RTRegeiisl*nrg,  «t.  unde  (pas«im) 
LvRegensbnn;  :  beimat  302.  304.  405; 

e-lante  302.  304  (ff);  gSgene  302; 

pkitt  405 
RriBettsl*nrger    Schottenchronik     ond 

Karlssage  A256f 
reim  :  aof  fonnworte  39  n.;  aof  pro- 

nnmina   34 f.   39  n.  40  n.l.  43 f; 

auf  'keit  o.  -liek  44  f ;  litterariscber 

reim  bes.  banfig  zo  anfang  d.  ge- 
dickte 3.  10:  verhall n.  r.  klingend 

XB  stBflipf  36  f.  42  f;  riibreoder  93, 

anf  namcB  95 
reimpredigt  (?)  dner  MrackcBcr  ks. 

S.XT:  18711;  Tgl.  430ff 
rein  381  f.  ^SSf 
Reinaert  i  1856r:  147 
'Reinbart  fncbs'  :  ff  306  ■.  2;    kein 

gar,  nur  gmrwe  adr.  7  f 
relation,  f.  Besner 
EvRepgow,  Sncksenspicgel  A  117— 

•14y  fpracke  4.  rcimTorredco  117  ff 

(zor  interprcution  123),  4.  prasa- 

teites  121  ff 
>>Re«e0Ui :  «-laatc  252.  ^S.  306  (ff) 
«Renner  rtiatioa'  A  217  f 
WvRbeinaa  :  «-batr  293.  302  (ff);  ei 

<#ye  361;   Kl  399;  gägen  302; 

van  5  ■• 
rWinfrinkisck  :  wAädmmg  d.  (pnoti- 

tatai  12.  292 
rbytbBik  d.  mbd.  TCfie  37t  42.  44r; 

rgL  anch  Bock,  Manier 
riek  ■.  n'dk  Im  Kib.  30 
riiersekmft  81  f 
'RittertmK^  (GA  ar  6)  :  a:e  305;  ei 


et  'iT'^ij     TC    IftUtr    i,  <!§' 


\  ^  |.^.-. 


•  -IT    t    W  tumm. 


f     '«^    ^»»      S*' 


.^•^•■ft^'irc 


•.  T^<if?^r     «-iks.f-    SSI   3C  ic  u    * 
r-    £.     r-    ic«C  2**'      X«  ■« 

«-•— f-:    yt-r    «.i«:   .3-5     ^iÄ  u 

*,—  ■  -"-:     Bill,     r       >    1.  1 

'"•t'Mdi.     iE    v^'IS     3k.    ^  L..     Bll^ 


»*     'S.    i.i."" 


S;.«««  -^•"-  •  "■        Tl..!!  :•       ..«^  "V  ■•     .^-- 

«     .     •■      .1      --ir     ■;  .     .     f      - 

i    ■-     -"       *• r      -  ..     ^     . 


*  -J^      ■<T-'~        --KT    1. 

-    •*•  lT«*llllk    i.   .'■".^    "Ss*. 

*  ••  :'III.i,    ?■   -*  w^-^üi«  5^    .  I 
iiimiiib.  V« «,  *7aB>  ^    ^iig 

•    ^   5=^    Ä_  -    ST. 

ni.  •'     «     •      «     rr- .      ^«AMräf^     Cm 

r..*  hfei-    «.{»»  :•«    »11^   i«f 


BEGISTKft 


355 


60:  wUie  Kritt  6S;  —  Dan.4l93: 

\\%m. 
PSorbeawirt  :  e-laole  252.  2o5.  2T4  n. 

3<»9  \S) ;  i:  ei  <!  e^e  394 ;  M^rwt^en 

274  0. 
tummrmmki  A  99.  A  271 
Suadeospieieel  io  Gnxcr  hss.   A  213 

t:U  109  n.  111 

-€/-  <Z  'i-  im  priL  a.  p«ft.  schw. 
Tnia  S6  n. 

Tamfmmm  A  99 

Tatian,  lis.  des  Vulcaoios  irsp.  Go- 
ropios  Bccaoos?  319;  fremd  Wörter 
229 

Taef^elöboiä,  sächs.  A  202 

UTricbiter  :  e-Uole  297  {tfrbenl.  307  f 
(«l:  ei  <  eäe  ieffe) :  9  *3S5f;  \:  ei 
3S6o.  394;  ^</«  .•  r^<(^4?  269 :  -er 
iu  fremdeo  naoien  275;  freit  <i 
frds^el  3S6;  verseren  274  o.  — 
Lieders.  53,  22  :  3^7  o. 

JdeTeraiDo.  s.  'Procesdos  Beliai* 

Terramtr  bei  Hf'iblio^  26S 

Terstee^cen,  porlräis?  A  2G 

tbeatrr,  älteste  bildl.  darstelloogeo 
A  15;  s.  sehauspiel 

ikeekessel  A9*)( 

Thor  u.  s.  hammer  A  94  f 

'iie  :  'Ute  306  n.  1 

LTieck  als  heraasgeber  d.  Novalis 
A  23Sff 

tier»lofe,  zweifache  form?  A  266 

♦TYu  i'TYvas)  «  Ztts  A  92.  A  lOOf 

irekiCa  3u6  o.  1 

<re/£  <  ira^H  3S0.  393 

UvTrimberg  :  e-laote  2S4.  2S&f.  304 
(fl»:  e  vor  i  255.  2Si  o.;  e  tot 
nasal  315;  ei  <  e^^e  34S.  357, 
meide  359.  360;  cootraeiioo  über 
A  402d.;  a:dj  keio  i.'t34;  Aa^em 
2^6  0.:  prät.  too  kdfi  2S7  o.  294; 
siäbeftl  o.  2S6a.;  f^/e  2S6f;  -fta 
>  -te#>  382 

Tristan  im  reim  10.  f^ 

'Trislau  als  möoch' :  c  .*  ^  305 ;  hOm, 
363  o. 

tunkelslertu  322  n.  1 

tuon,  priU  lul  f,  le<  ]u2.  104.  105: 
Ute   107  f.  112  o.   114.255.  2S6r 

UvTärheim  :  Reonewart,  Kasseler 
fragm.  146  f ;  Cliges  3  a. ;  reime 
aogleicber  qaaatilal  11;  apokope 
uach  m  Q.  n  62:  kein  t:U  111 
0.2;  e-laote  293.  .3ul  \ä}i  coo- 
Iraclioos-e«  3H6:  krio  imei-ie  360; 
er  et.  ir  Ug^i  .198.  pktü  405:  mt- 
*am  62;  äs?  24;  biHen  Hl  n.  2; 
kein  gfirwe  3:  präL  too  Aaü  o. 
tuom   \  13  f.   366;    tat  o.  tsie  62; 


nuiAleSOi:  sekdien  <:  sekmdslem 
367  o.;  sie  40  B.  2;  kein  «tss« 
A'risi  6S:  —  Reaaewart  Pf.  Obi 
47.  518  :  301  o. 

HTTörleia  :  e-bute  274.  306(0).  316 
|e  Tor  nanl):  e«  <  effe  379,  t  .•  et 
<r^e392;  re#£<r«fcl  366;  a:d, 
kein  f.*  134;  <.*£/ 111  o.2;  a>s«le/e 
392:  fforwe  1;  Met  111  o.l.  273o.: 
IdieM  :  UdeteM  367  o.;  ai  o.  sie 
40  0.  2;  keio  vmn  5  o.;  —  Krooe 
19002.  222S0 :  274 

ÜTTürleio  :  beioial  261.  273.  306; 
e-laüle^271f.  306  (ai.  316  (e  vor 
oasal):  ^.-ei  <:  ^e  392f:  fremde 
naroeo  273;  ket  111.  273;  Ißi  < 
iadei  367  o.;  keio  schw.  fhi^em, 
271  0.;  werben  272  o.  —  Willeb. 
151,15:2*72  0.;  153,27:273 

Tyr^  8.  TU 

Ohiaods  Ugboch  1810-1820  :  A 167  f 

omlaot  d.  d  bei  Veldeke;  oral.  o. 
oichlamlaot  in  cooj.  prat.  wie  kSnne 
günne;  kOnde  gände  A  40 

im.  84 

unde^  gehraach  d.  aibd.  coojoaetHNi 
149—186;  leitet  d.  vordersaU  e. 
hjpotbeC  geföges  eio  150  ff;  leitet 
d.  coocessiTsatz  eio  166  ff:  io  re- 
lativsitzeo  170  ff;  —  'wo  doch,  da 
doch'  176ff:  abscklirbeodes».  182ff 
(alles  ooter  besprechoog  lablreicber 
steileo);  zosammeofassoog  184  ff; 
kdo  *caasalcs'  ».!  184  b.  1 

imtfer%Mgei  379  b.  380  b. 

vojt  oebeo  vo«  4f 

ro«  dmge,  t.  90Jt  dmge 

flTVeideke,' Sprache  d.  Cocide  a.  d. 
Serratias  A  104—117  :  mal.  rcfp. 
liaibarg.  eleaieoCe  104ff:  ▼«■  nhl* 
reicheo  eiozelhetteo  :  reime  voa 
gen»,  p.'d  106,  kie,  i,  mS  1061, 
proooaNoa  108,  onboi  d.  d  110, 
oegalkNi  111,  reime  m.  «MTK^M^ 
oge{m^  112.  karl,  kerde  113,  Mtr- 
niti*}?  113  f;  mol.  wdrter  II 4  f; 
fremd  Wörter  115:  röcksicbt  aof  d. 
publicum  115f,  spareo  e.  bearbei- 
tuog  116f;  —  garwe  3 

vetba  pari,  ihr  m  281 

vtrmen  296 

verwerren  stark  313 

^Vrlerboch',  Koloer  fragok  119 

Vi;.tler  :  «.lanle  276  f.  297  {kerme^, 
3u8  igettäkie^;  diphthongieraofr  d. 
t275;  r.ei  0.10 383ff;^A«adj. 276 

'Virgiaal'  :  aida.  aod  Terftwcrfrage 
362 f;  M<9o  3621;  keio  gmrmm  3 


356 


RRCrSTER 


Viamische  akadrmie,  scliriften  A 
176-178 

WvdVop:el weide  :  e-l»iile  313;  «  < 
afce  313;  lU  39»;  kein  garwe  3; 
hdte  hfPle  103;  kein  tel  u.  telt;  im 
reim  103;  verwarren  (^X,  18)  313. 
—  WvdV.  n.  Thomasin  A  132  f; 
gedichte  9,  14  :  116.  196;  44,38: 
A  259;  \%\.  auch  u.  unde\  s.  Hilde- 
brand 

Tolksschanspiele  ans  d.  Böhmerwald 
A263f 

'Vom  andern  1and\uberlieferungl23fr, 
Kölner  texl  127  ff 

von  n.  vone  52;  v6n  401  n. 

von  tage  (i»<in  dage)  für  *heute'  A  339ff 

JaVoragine,  *Legenda  aurea',  datie- 
rung  421 

'Vorauer  novelle*  A  217—223 

GvdVorste  A  132 

Vulpins,  Chrisliane  in  Goethes  dich- 
tung  A  233 f 

•Wal heran'  :  S  :  ei  <  ege  388 

wälde  297 

ßf^allher  im  reim  06 

»Wallher  n.  Hildegund'  :  ei<ege  379 

wan  u.  odowan  16 

*Warnun'4'  :  e  laute  252.  255.  262  n. 
306  (fl);  t:U  111 

wehten  300  T 

weihnachtsfest  bei  d.  Germanen  A96  ff 

warben  272  n. 

werdekeit  82 

Wernher  d.  Gärtner  :  apokope  62  f ; 
#f.laute  271  n.  279  n.  306  {ä);  a:d 
19,  kein  t.i'34;  dz  19;  prät.  v. 
hdn  llOf;  /fV . -^-fMOO  n. ;  /W/m  63 

wider  m.  gen.  d.  personalpron.  29.47 

GMWieland  :  portrals  A  11.  23  f; 
'Musarion'  A3;  »Grazien'  All; 
Hercnles  am  Scheidewege  lieblings- 
motiv  A23f;  W.  u.  LSterne  A261ff 

Wien,  span.  litteratur  u.  dramatik  am 
hofe  A  155  fr 

•Wigamnr' :  heimat,  zeit  u.  Überliefe- 
rung 274;  ei<iege  359,  kein  meide 
360;  6:vo  92;  garwe  1 

w(gant  selten  im  Nibl.  45  n.  2 

HvWildon  :  e-laute   252.  255.  306  {ä) 

winteranfangsfest  d.  Germanen  A  99 

wxp  70 

GlWisse,  s.  PhCollin 

uuithanmaid  as.  —  witharwdgid  1 36 


wizze  Krht  67  f 

wizz^n  präteritalformen  107  B. 

Wodan,  8.  himmeUgott 

*H6dana%  ii.  M'ßde  Wu^U  A  101 

Woltdietrich  A,  a.  Ortnit 

Wolfdietrich  R:<f-laDte  252.255;  msi^ 
aber  kein  r;  f  34 

OvWolkenstein  :  t:ei  395 

KvWilrzburg,  Schwanrilter8afce415f; 
nicht  verf.  d.  Halben  birne  108f: 
Wandlungen  d.  technik  lfi8f;  apo- 
kope d.  e  nach  m  n.  n  66;  krfn 
A ;  a  9  n.  23 ;  spricht  n.  •  nach  md. 
art  305;  kein  ^:e  250,  auch  nicht 
vor  t  255;  ä:i  112  n.;  ei<,rg9 
357.  361;  äz  u.  dz  23;  ärmUwAx. 
110;  garwe  1;  geteeze  71;  gerHi 
367;  getite^gehazuA^X^^ln^i  kÜi 
9  n.;  het  heie  hiten  109f;  Aor- 
wegen  274  n.;  adj.  aaf  'Sam  66; 
tele  101  f:  wizse  KriH  68 ;  —  Engclh. 
1244  :  361  n.;  Schwanr.  108.  114. 
614  f.  787.  1113r.  1282:  222;  Süt. 
3527  :  23 

Württemberg  histor.  lieder  n.  iprfiche 
A  282  fr 

wurzeln,  s.  basen 

daz  zom  (snbst.)  55 

zaponinipragnierung  A  328 

zärren  297 

UvZatzikhoTen  :  zn  anfang  im  bann 
rbein.  Vorbilder  7  t ;  fibereilt  den 
schlnss  107;  apnkope  nach  m  n. 
n  61;  keina.-a  10;  m.-n  107 n.; 
t.'tt  111  n.2;  0-laute  300  (cT);  «^ 
»am  61;  dzt  24;  bifde  7t;  eimoe 
71;  kein  garwe  3;  geleite  gMnrmit 
udgl.  86  n.;  gettähte  3(H);  gelm%€ 
71;  gemeit  83;  prSt.  von  kdn  o. 
tuon  1 06 ;  hell  balt  84  n.,  h»ii  m&re 
81;  nom.  Lanzileie  od.  Ltmniimt 
106n.;  er  tü,  ir  liget  398,  Itrin 
phtU  406;  mähte  Zoo ;  ktlnm^ide 
360;  sd  u.  fdn  107  n.;  Hu  n.  sie 
40  n.2;  spaten  111  n.2;  an/#fe 
loeirto  i&M«e  107  n.;  kein  wi%me 
KHst  68;  —  Lani.  1774  :  300 

Zazamanc^  8.  Azagatne 

zehen^  e-lant  312 

Zeitrechnung  d.  Germanen  n.  Indo* 
germanen  A  96  ff;  altoordiiche  A 
270ff 

Ziu,  8.  Tiu 


Oben  8.  329 f  ist  leider  übersehen  worden,  dass  ans  der  helr. 
lung  schon  JBolte  Zs.  36,  295 fl'  wichtige  proben  abgedruckt  hat 


Druck  tob  J.  B.  Hirsokfeld  in  Leipzig. 


Nuv  i@  lif^n 


ZEITSCHRIFr 


füll 


EÜTSCHES  ALTRIITÜM 


\mn 


DKÜTSCHE  LlTTERATriR 


KtUlAlJSttlCGICMK?^ 


^m^ 


EDWARD  SCHROEDER  UNO  GUSTAV  ROETHE 


VlEROKDVimrölöSTPB  liAfcfD,    VieUfEB  HUI4 


IIW4  lEtMUVniHLilfSlI  «11 


IMe  mljiclioii  kcm^oI  der /cil^^cbrift  wie  ileH  Atizeiger»  nlnt 
vnn  il(!ii  IrrlilfM)  lierAiiK'^i'bi^rii  i^eniriiisieliufltieh  ^rfUlirlf  tltirU 
hiHi*ii  wir  tlU^  litirrpti  nittürlieit^r,  bb  uuf  w<iiter<^!<  »iicu tltehtf^L 
»4>woI  ilici  für  Uli?  Zrltwt^lirirt,  viit*  öie  fUr  d**ii  Aiiüelifer  be* 
K  Um  111  teil  iiiutiueieripU*  uii  pro  f.  SrnmiRUi^ß  in  Marti  urir  I*  H.  zu 
«eiUciten« 

ItÜcher,  die  znr  liestir^dtnit^  im  liisieiger  lieKtliiiinl  «in«1,l 
Miii^ II  w I r  jiu »IUI Tiiufii f)«*  II »  li ie  W «^ i d in a n ii ^ e li e  b u € li h nii ii  1  ii ii s; I 
iti  BitHii  SW,  /Jiumrrstr.  Si4,  nicht  al>pr  au  diu  hcraa^gt^tH^r | 
xn  §etideiu 


fihrllcli   irscheint  ein  Band   von  4   Motten  lum   Preis«  van    18  M. 


INHALT 

OüK  ZEII'SCHHIFT 

W«il«ie  verbcsscruiiffcii  zur  ftlunrhjtiscit;»  tieaeÄis,  vuii  l'ranci 

!l    Mtid.  e*<i•^i^,  yji^*,  ififo,  inhd.  i  <Z  igtt^  itm  ■» 

ihtt  4af;ü  vorn  SchwauHltcr  in  dttr  f)ro|cacr  clircmik  vvd  ci.  ÜU,  tt»a  JlK»t««  4^^^ 
Quellen  uavt  «llc  piflUrlvu  v;»   Kuiif^rM   bi*tU|»kl«ri,  vtiii  Schr?idi*r  .  420 

KUt  fjifisldriirk  6va  ^mchenfl•  Patm"aa*tersi,  von  tU^etli«  •  4^10 


lliri,  Di?r  rndof^cruiauijtclie  nbUiit.  von  Kr«l»r,hmcr  *  ,  .  ....  ^£65 
llilHti^«:i\    Ijtiirraiif-Iiiiingüri    tibt*r   dtt^    Kt!itt'cc1iuiiiiji^  tfrr    allen  Genaftaea  I^ 

vmi  Ilnipimn  ,,...,,,.,.,♦..♦*..»  2T0 
GnüuDf^ie,    fbmlel  iti   Icdmidi  ht?iu$  ihn  keiantiiiJ  romMOti«^   Amitoks  »M, 

vuii   Oettep       .,..........* 214 

PadtffJy^    Uh  varlali4»a  im   ilnLiAud  und  in  d.  nltjiiit^h»^,  ISennais^  vuq  Hie«  217 

Sf.-i^T    i;....  J...KH  .1...  ii<*diir  und  «|.rü*^hfl   Wiiitr^^inbcrgi  1,  von  HMever     ,  2S2 

I'                                          SrhiHMicji   Otuiuf'ujleld,  vw»   Kü*l*»r     .,,...  28B 

JK»    Haiimn^for,  vtm  Mirockcr   .     .  t  SlÜ 

ftouitlan,  Leiittii  et  t^mi  tfui{is,  vitn  Pnllfll  .   323 

LillerwltinnTliKffji  (Pujyso,  ilAadsiibrllt^  iiuug  uüii  ScIjüI,  YVuliMUiwi^ 

z.  erltjaltiin^  iL  ausbeMerutg  Vüti !»  •  n  nnl  /»|ii*iiihi[h  ügniüruiiÄ, 

von  StcifimoyLn";  Veeldeihiind«  jicacu.  =  :  L--  iiliSni,  latchpelitn  rmle 
refi'trjiifHi/ voll  Martin;  ITeiffcr,  Isi  .',m  MEr^^rb,  4  awJL»  von 
Seliröder;   E|llut;4jr,  Jtib*nwe*  S(jciimlu*  ^B^üin,  vna  dcgi*. ;    lJoriii»M« 

i«Ciiilft|lf,  vnn  HMMeyer -  3^ 

Hi«ri«ht-  -^ '^»Uimitflri  Spreohallas   de»  UeoUefieii  reiebeji,   vnn  Wred« 

X  r-//,  Afl/4Ä ...   330 

Per*oir  , .344 

ile^i^iter    . , ^  346 


Vnai  11  jiill  tiit  tum  21  9iflpti*int(i!r  IUhO  ilml  rol|j;eiidr  bilcbrtt  al)|;i^^rt)r» 
Ivfjii  ftotrheoi  wffi'he  iil»*  /^i'  'r'-^'r'rhMJiff  iji!|;i5Fi|jtn?l  inrü^lfesa«!  iA^rdi?a 
[miiftfifi,    iiri    (int    rp(b*ili#*n  .  ».    Aitkui,  Uft&  Li|i|Mihn üini.    —    A^♦.»*l^ 

wiinrliiiiilrrLHiifi    iii    ilcr    i^atlrriliiltti    d.  Si^lmcis^.    In ride»mtrNruiUM     ^    Kiüiiiu^i^^ 

I  Tb«  (lf*vil  ind  t)tr  « ii'D  ki  Ihc  «>n|:lblt  (tramntii-  Htrriileni  tir^füCfi  SbiilieNpiMiri^, 

j —   Föfl-tr*i^>^      Altflfuiidjc*  i*»tti»iuN*-li  I  '  **i.    —   liiu^TKii»    Studkr   ^Ivfr  de 

I  itoEii  <  na  tiurnifisll^tliluiiiß  11,  —  ItoHifift  iL  Simvi^  Ww  livhkUehts 

(({t-ri  Karl*  V.    —    Dtt^selbcy    miJif^Bbr'    für    ümdiriffüdi*.    — 

liijsTLn,    .>4  iioiinji  Nx    iijiEiKe   «exlheük    ^n    clin^r    nuas*    —     Pi'r>«<;ti|    Korinridarti» 

rtiltiMi'    IUI   voIk><m:jrcbi<ti»    —    SriiMi^ikticGt   llber  fiurtbilduuiy;:   bei  CÄrhl*?>    — 

[  Scnfrtliif,)!,    Oie    v*'i'laÄ*i'f  der  sup,   tVndi^jjJif'rliniiiji,    —    (i«uA«,  Owphu's   h.   ilie 

I  tliiiiNrlif;'!»    y^Hurnminötilfr   *L    H  jbf .    —    Vkhh*«,    Spir^^rl    iUw   Ä«fidi»ij    l    — 

AttUerdcin  uotireii   i^ir    de»    mi^b  ii]h|;n«t*llt?titti  (VÜ)   KalAkig  Khllt^orr  bÜrbt^r 

»tili  DiJiMttjLcriptCT    wflchciJ  dir   bucbhiiüdLer   uud  mitiquiirf  Urctslttitrp  Jt   M(?ver 

in    (itirtiii   (LeipxigerAtr.  \%}    xur    riiKJjiibrigüu    widr^rltt^hr    de»    guburtalugi?« 

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